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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Errichtung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichtes.

(Vom 20. Dezember 1911.)

Tit.

1.

Der Bundesrat und die Bundesversammlung haben eich schon wiederholt mit der Frage zu beschäftigen gehabt, ob eine selbständige eidgenössische Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen werden solle.

Durch eine vom Nationalrat am 23. Juni 1892 erheblich erklärte Motion wurde der Bundesrat eingeladen, über die Folgen der von ihm mit Beschluss vom 8. Juli 1887 (A. S. n. F. X, 104) vorgenommenen Reorganisation und über die bei der stets steigenden Geschäftsvermehrung nötig werdenden Reformen in der Bund es ver waltung Bericht und Antrag einzureichen. Mit Botschaft vom 4. Juni 1894 (Bundesbl. 1894, II, 766--811) erstattete der Bundesrat einlässlichen Bericht über die Reformbedürftigkeit der Bundesverwaltung und erwähnte dabei auch als eine der Änderungen, die zur Entlastung des Bundesrates in Betracht kommen könnten, die Aufstellung eines eigenen Administrativgerichtshofes. Die Botschaft bemerkt darüber:

323 ,,Es ist dieser Frage vom Gesichtspunkte der Geschäfts,,erleichterung des Bundesrates und seiner Departemente keine ,,grosse Bedeutung beizumessen ; man dürfte sogar im Zweifel ,,sein, ob eine solche Institution nicht viel eher eine Kompli,,kation und Erschwerung in der Geschäftsführung des Bundes,,rates herbeiführen würde. Aber auch hier kann dieser Gesichtspunkt nicht massgebend- sein. Wenn sich die von Zeit zu Zeit ,,namentlich aus juristischen Kreisen wiederkehrende Behauptung, ,,es fehle dem Bürger in administrativen Streitigkeiten mit dem ,,Bunde an einer unparteiischen Rechtsprechung, als begründet ,,herausstellen sollte ; wenn man dann ferner zur Überzeugung ,,kommen sollte, dass sich die erforderlichen Garantien nur in der ,,Einfügung eines neuen besondern Gerichtshofes finden lassen, so ,,möchte man wohl den Versuch der Konstruktion eines solchen ,,mit klarer Abgrenzung seines Gebietes und praktischer Organi,,sation desselben unternehmen."

Der Bundesrat erklärt sodann, er sei nicht im Falle, bei der gegenwärtigen Vorlage auf diesen Vorschlag weiter einzutreten, er habe es aber für angezeigt erachtet, ihn dem Justizdepartement zur Prüfung und Berichterstattung zu überweisen.

Die Diskussion über diesen Bericht in den eidgenössischen Räten führte zur Annahme eines Postulates (Nr. 519, Ziff. 2), durch welches der Bundesrat eingeladen wurde, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht ,,betreffend das Verfahren in Verwaltungsstreitsachena eine Regelung durch Gesetz oder Bundesbeschluss einzutreten habe. Freilich hatte man mit diesem Postulate zunächst nicht sowohl die Errichtung eines besondern Verwalturigsgerichts im Auge, als vielmehr nur eine bessere Regelung des Verfahrens vor dem Bundesrate, z. B. durch Mitwirkung des Justizdepartementes bei der Instruktion der Beschwerden (Stenogr. Bulletin, 1895, V, S. 136--138).

Der Gedanke der Einsetzung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichtshofes wurde zunächst vom schweizerischen Juristenverein weiter verfolgt. An der Jahresversammlung vom 13. September 1897 in Zermatt machte Prof. G. V o g t in seinem Referat den Vorschlag, einen eidgenössischen Rat für Rechtssachen zu errichten, der in kontradiktorischem Verfahren Beschwerden gegen gesetzwidrige Entscheidungen von eidgenössischen Verwaltungsbehörden zu Händen des Bundesrates,
ähnlich wie der 1895 abgeschaffte Betreibungsrat, zu begutachten gehabt hätte. Nach Anhörung des Referenten und des Korreferenten A. C h a p p a z nahm die Versammlung eine Resolution an, welche den Bundes-

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rat ersuchte, ,,darauf Bedacht zu nehmen, dass im geeigneten Zeitpunkte der Bundesversammlung eine Vorlage gemacht werde behufs Schaffung eines eigenen Organs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit"' (Zeitschrift für schweizerisches Recht, n. F. XVI, S. 845).

Im Jahre 1899 arbeitete der damalige Abteilungschef für Gesetzgebung und Rechtspflege, Prof. Dr. L. R. von S a l i s , einen Vorschlag aus, zufolge dessen das Bundesgericht kompetent erklärt werden sollte, Beschwerden gegen Verfügungen und Erlasse des Bundesrates und seiner Departemente ,,wegen Verletzung, verfassungs- und bundesgesetzmässiger Rechte" zu entscheiden, und wonach zugleich die Beurteilung aller staatsrechtlichen Beschwerden vom Bundesrat auf das Bundesgericht übertragen werden sollte. Der Verfasser dieses Vorschlages war der Ansicht, dass sich diese Neuerungen auf dem Wege der Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, ohne Verfassungsrevision, verwirklichen liessen (Salis, Bundesrecht, II, Nr. 346).

Das Justiz- und Polizeideparternent legte den Vorschlag einer Reihe von Rechtsgeiehrten zur Begutachtung vor.. Professor Dr.

Paul Speiser in Basel erklärte sich mit dem Vorgeschlagenen im allgemeinen einverstanden und beanstandete insbesondere dessen Verfassungsmässigkeit nicht. Dagegen erhoben die Bundesrichter Dr. J. Morel, Dr. Leo Weber und Dr. H. Lienhard verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Übertragung der Kompetenzen an das Bundesgericht ohne vorgängige Vorfassungsrevision. Der Einführung eidgenössischer Verwaltungsrechtspflege standen die Begutachter sympathisch gegenüber, wünschten aber, dass allem vorgängig eine Untersuchung des während ungefähr eines Dezenniums in der Bundesadrninistration zur Beurteilung gelangten Verwaltungsrechtsstoffes durchgeführt werde.

Das Justiz- und Polizeidepartement ersuchte darauf in einem Kreisschreiben vom 6. Juni 1900 sämtliche Departemente des Bundcsrates um nähere Angaben über die einzelnen, nach dem damaligen Stand der ßundesgesetzgebung von ihnen zu treffenden oder zu Händen des Bundesrates vorzubereitenden Verwaltungsentscheidungen.

Die mit der Vorprüfung des Geschäftsberichtes für das Jahr 1901 beauftragte Kommission des Nationalrates nahm Kenntnis vom Stande dieser Arbeiten und sprach sich dahin aus, dass das Bedürfnis nach einem in dieser oder jener Form zu errichtenden

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Verwaltungsgerichtshofe immer dringlicher werde, je mehr Verwaltungszweige dem Bunde zugewiesen werden, und dass diesem Begehren auch dann entsprochen werden sollte, wenn hierzu eine Partialrevïsion der Bundesverfassung erforderlich sei ; sie ersuchte den Bundesrat, die Angelegenheit nach Möglichkeit zu fördern (Bundesbl. 1902, III, 526). Ähnliche Bemerkungen enthalten auch die Kommissionsberichte für die Jahre 1903, 1904, 1905, 1906, 1907 und 1909 (Bundesbl. 1904, III, 664-, 1905, IV, 188; 1906,111, 737; 1907, IV, 151; 1908, IV, 59; 1910, III, 781).

Bei der Beratung des Geschäftsberichtes für das Jahr 1903 wurde im Nationalrat, wie im Ständerat, aufs neue von verschiedenen Rednern die Errichtung eines Verwaltungsgerichtes gefordert, und die Diskussionen schlössen ab mit dem Postulate beider Räte vom 23. Juni 1904 (Nr. 627) : ,,Der Bundesrat wird ,,eingeladen, die Frage zu prüfen, ob nicht im Interesse der Ver,,einfachung oder fortschreitend bessern Überwachung, in der ,,Bundesverwaltung Reformen durchgeführt werden könnten.a Das Gebiet der Disziplinargerichtsbarkeit betrat die Bundesversammlung mit den Beratungen über den Rekurs eines vom Bundesrat disziplinarisch bestraften Telegraphenbeamten (Spani).

Bei diesem Anlasse, wurde am 4. Oktober 1905 folgendes, bis heute unerledigt gebliebenes Postulat (Nr. 656) aufgestellt: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und ,,darüber zu berichten, ob nicht eine eidgenössische Verwaltungs,,gerichtsbehörde geschaffen werden soll, welche endgültig über ,,solche Beschwerden zu urteilen hätte, die von Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung gegen Verfügungen und Erlasse ,,des Bundesrates oder anderer Bundesorgane wegen Verletzung ,,verfassungs- und bundesgesetzmässiger Rechte erhoben werden."

Wir erwähnen auf diesem Gebiete weiter die Motion Wulls c h l e g e r vom 15. Oktober 1897, betreffend die Schiedsgerichte für Konflikte zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern der Bundesverwaltung und ihren Vorgesetzten. Sie wurde am 21. April 1898 zu gunsten der gleichen Tags eingereichten Motion S u r b e e k zurückgezogen. Letztere beschlug die Frage, ob nicht das Beschwerde- und Disziplinarverfahren bei den eidgenössischen Verwaltungen einer Revision zu unterziehen und im Sinne der Schaffung einer von der Verwaltung unabhängigen Rekursinstanz,
eventuell mit kontradiktorischem Verfahren, auszugestalten sei. Diese Motion ist vom Nationalrat abgelehnt worden.

(Übersicht der Verhandlungen der Bundesversammlung, April 1898, Nr. 40.)

326 Auch aus juristischen Kreisen und aus der Mitte der eidgenössischen Beamten und Angestellten wurde der Wunsch nach Schaffung einer unabhängigen Verwaltungs- und Disziplinargericbtsbarkeit wiederholt geäussert. Wir verweisen u. a. auf die Eingabe eines Comité d'initiative en faveur de la création d'un Tribunal du contentieux administratif, vom 3. Dezember 1904, auf eine Eingabe des Verbandes ^schweizerischer Postverwalter, Post- und Telegraphenbureauchefs betreffend Errichtung eines Verwaltungs- und Disziplinargerichfehofes vorn 22. Februar 1905 und auf eine gedruckte Eingabe des Föderativverbandes eidgenössischer Beamter, Angestellter und Arbeiter betreffend Schaffung und Organisation einer eidgenössischen Dis/dplinargerichtsbarkeit, Tom 1. Juni 1907.

Unter den wissenschaftlichen Bearbeitungen der Frage vom schweizerischen Standpunkt aus sind insbesondere zu nennen die Dissertation von Henri Ott: ,,la justice administrative fédérale", welche sich für die Errichtung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichts ausspricht und die Arbeit von James Yallotton ,,De la juridiction administrative fédérale des Etats-Unis et de la Suisse en matière de douanes, die eine dem Bundesgericht anzugliedernde verwaltungsrechtliche Abteilung in Aussicht nimmt.

Am 2. Juli 1909 hat der Bundesrat der Bundesversammlung seinen Bericht über die Frage einer Reorganisation des politischen Departementes unterbreitet. Darin erörterte er auch die Frage einer möglichen Entlastung der Behörde als solcher und ihrer Mitglieder. Als Mittel zum Zwecke einer solchen Entlastung nahm er in Aussicht ,,eine teilweise Revision des Bundesgesetzes ,,über die Organisation der Bundesrechtspflege, durch welche die ,,Entscheidung der Administrativstreitigkeiten ganz oder teilweise ,,in grösserem Umfange als jetzt an das Bundesgericht übertragen ,,werden könnte" ; ferner ,,die Einführung eines Verwaltungs,,gerichtshofes, sofern dadurch gewisse Entscheidungsbefugnisse ,,dem Bundesrat und den Departementsvorstehern abgenommen ,,und auf andere Verwaltungsorgane, unter Vorbehalt der Weiter,,ziehung an ein Verwaltungsgericht, übertragen werden".

Der Ständerat, der die Reorganisation des politischen Departements in Priorität zu behandeln hatte, hat am 20. Oktober 1909 von folgender Erklärung zu Protokoll Notiz genommen: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Reorganisation der ,,ßundesverwaltung. namentlich durch Schaffung eines Verwal,,tungsgerichts, beförderlichst an die Hand zu nehmen."

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Der Nationalrat hat in Sachen zurzeit noch keinen Beschluss gefasst, dagegen ist auch in seinem Schosse noch in neuester Zeit wiederholt, zuletzt bei Anlass der Diskussion über den Geschäftsbericht pro 1910, einem Verwaltungsgerichte gerufen worden.

Das Justiz- und Polizeidepartement hat im Juni 1903 Herrn Prof. Dr. Fritz Fleiner, damals in Basel, jetzt in Heidelberg, den Auftrag erteilt, über die ganze Frage ein Gutachten auszuarbeiten, in welchem die verfassungsrechtliche Seite erörtert und sodann in Form eines Vorentwurfes der Versuch gemacht würde, die leitenden Gedanken in Gesetzesform zu kleiden. Dabei wollte man sich in ganz unverbindlicher Weise klar machen, welche Materien zweckmassig in die zu schaffende selbständige Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit einbezogen werden -könnten und wie man sich etwa die Organisation einer solchen Gerichtsbarkeit und den Gang der Rechtspflege zu denken hätte. Das Material für diese Untersuchung wurde durch die von den Departementen auf das Kreisschreiben vom G.Juni 1900 eingereichten Berichte geliefert. Nachdem Herr Prof. Fleiner dieses Material gesichtet und seine Vorschläge für die Abgrenzung der geschäftlichen Tätigkeit des Verwaltungs- und Disziplinargerichts eingereicht hatte, erhielten sämtliche Departemente und Abteilungen nochmals Gelegenheit, sich in Sachen zu äussern. Auf Grund der eingegangenen Bemerkungen und Einwendungen hat Herr Prof.

Fleiner im Mai 1907 seine endgültigen Vorschläge eingereicht.

Diese Vorschläge liegen im wesentlichen der heutigen Vorlage KU Grunde.

II.

Bevor wir den Antrag auf Revision der Bundesverfassung zur Einführung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit begründen, erscheint es zweckmässig^ kurz darzulegen, in welchem Umfange der Gedanke der Verwaltungsgerichtsbarkeit, im eidgenössischen Rechte bereits Anerkennung gefunden hat.

Nach dem gegenwärtigen Rechtszustand ist vor allern zu1 unterscheiden zwischen der Beschwerde gegen k a n t o n a l e Behörden und der Beschwerde gegen e i d g e n ö s s i s c h e Verwaltungsbehörden.

328 Nach den Art. 175 bis 196 des ßundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, welche die Art. 113, 102, Ziff. 2, und 85, Ziffer 12, der Bundesverfassung ausführen, können mit der staatsrechtlichen Beschwerde k a n t o n a l e Verfügungen und Erlasse entweder an das Bundesgericht oder an den Bundesrat und an die Bundesversammlung weitergezogen werden ; die Beschwerde muss sich darauf stützen, dass die Bundesverfassung, eine Kantonsverfassung, ein Konkordat, oder ein Staatsvertrag oder ein Bundesgesetz mit Ausnahme der eidgenössischen Zivil- und Strafgesetze verletzt worden sei. Soweit die Bundesverfassung oder die Bundesgesetze durch k a n t o n a l e Behörden angewendet werden, steht daher dem Bürger schon jetzt ein Rechtsmittel, sei es an das Bundesgericht, sei es an den Bundesrat und die Bundesversammlung, zur Verfügung.

Das ist z. B. der Fall bei der Anwendung zahlreicher Polizeigesetze des Bundes, des Bundesgesetzes über die Militärpflichtersatzsteuer, der Vorschriften über die Führung der Zivilstandsregister und des Handelsregisters, u. a. m.

Durch das Bundesgesetz betreffend Änderung der Organisation der Bundesrechtspflege vom 6. Oktober 1911, welches zurzeit noch dem Referendum unterstellt ist, hat Art. 189 des Organisationsgesetzes insoweit eine eingreifende Änderung erfahren, als die Streitigkeiten aus Art. 31 der Bundesverfassung betreffend die Handels- und Gewerbefreiheit, sowie die Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen, von Bundesrat und Bundesversammlung an das Bundesgericht übergehen. Bei dem ausgesprochen provisorischen Charakter der Novelle zum Organisationsgesetze bleibt es freilich eine offene Frage, ob anlässlich der definitiven Organisation der Bundesrechtspflege und der Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht abermals eine Verschiebung der Kompetenzen einzutreten hat.

Jm Gegensatz zu den Beschwerden gegen kantonale Behörden ist die Beschwerde gegen eidgenössische Verwaltungsbehörden weit weniger einlässlich geregelt.

Art. 20, Abs. 2, des Bundesbeschlusses über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 21. August 1878 sieht in allgemeiner Weise den Rekurs gegen die Departeinente an den Bundesrat vor: ,, U n t e r V o r b e h a l t e n d
g ü l t i g e n E n t s c h e i d e s des B u n d e s r a t e s erledigen die Departeinente von sich aus die Geschäfte, welche ihnen überwiesen sind." Nach ·der Praxis wird der Rekurs nicht nur gegen das Departement, son-

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durch Angabe von Rekursfristen; solche Vorschriften enthalten -die Gesetze über geistiges Eigentum und ihre Vollziehungsverordnungen, das Bundesgesetz betreffend die elektrischen Anlagen, vom 24. Juni 1902, Art. 23 (Verfügungen der Inspektorate), das Militärversicherungsgesetz vom 28. Juni 1901, Art. 39 (Entscheidungen der Pensionskommission) ; ferner das Verwaltungsreglement für die schweizerische Armee, vom 27. März 1885, Art. 60 und 84 (Abschätzung der Pferde"), die Verordnung des Bundesrates vom 1. Mai 1903, § 7, lit. A, Ziffer 6 (Rekrutierung), ·die Instruktion für die Oberzolldirektion vom 18. April 1879, Art. 8.

In der Regel aber gehen die Verfügungen und Entscheidungen über die gegen sie gerichteten Beschwerden von den Verwaltungsorganen selbst aus ; nur ausnahmsweise sind b e s o n d e r e Behörden berufen, die Verfügung zu treffen oder die Beschwerden gegen die Verfügungen der ordentlichen Verwaltungsorgane zu entscheiden. Gegen die Beschlüsse des Bundesrates gibt es in der Regel kein Rechtsmittel; in wenigen Fällen haben ausdrückliche Gesetzesbestimmungen auf dem Gebiete des Eisenbahnrechtes den Rekurs an die Bundesversammlung vorgesehen, nämlich Art. 14 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872; Art. 8 des Bundesgesetzes über das Stimmrecht der Aktionäre vom 28. Juni 1895; Art. i des Nebenbahnengesetzes vom 21. Dezember 1899 und Art. 21 des Tarifgesetzes vom 27. Juni 1901. In allen ändern Fällen ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Bundesrates an die Bundesversammlung unzulässig, welches immer der Beschwerdegrund sei. Die Bundesversammlung hat diesen Grundsatz allerdings nicht .konsequent angewendet, sie hat ihn aber ausdrücklich anerkannt durch Nichteintreten auf den Rekurs Spani (Bundesblatt vom 4. Oktober 1905), und seither in wiederholten Fällen, neuestens noch im Einbürgerungsrekurs Jseggle, diese Stellungnahme bestätigt. An das Bundesgericht kann gegen den Bundesrat oder untergeordnete Verwaltungsbehörden nicht rekurriert werden ; das Bundesgericht ist nur zuständig, in einer Anzahl von Fällen die aus Verfügungen des Bundesrates resultierenden Entschädigungen an Privatpersonen, namentlich Eisenbahngesellschaften, festzustellen.

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III.

Wenn wir nun im folgenden die grundsätzliche Frage erörtern,.

o b eine selbständige Verwaltung«- und Disziplinargerichtsbarkeit organisiert werden soll, so möchten wir uns doch nicht hierauf allein beschränken. Unseres Erachtens ist es bei den wenig abgeklärten Anschauungen, die in dieser Materie herrschen, wünschbar, dass man einen Versuch mache, darzulegen, auf w e l c h e m W e g e und u n g e f ä h r in w e l c h e m U m f a n g e diese Organisation der Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit vorgenommen werden könnte. Die bezüglichen Ausführungen haben keineswegs bindenden Charakter, weder für den Bundesrat, noch selbstredend für die eidgenössischen Räte. Die Beantwortung der heute einzig zu entscheidenden grundsätzlichen Frage der Verfassungsrevision soll also der seinerzeitigen Ausgestaltung des gesetzgeberischen Gedankens freien Spielraum lassen.

Was nun zunächst die selbständige Verwaltungsgerichtsbarkeit betrifft, so ist nicht zu bestreiten, dass die Überzeugung von deren Notwendigkeit zunächst ein Produkt der juristischen Abstraktion ist. Nachdem in früheren Zeiten der Grundsatz von der Trennung der Gewalten, insbesondere die Trennung der richterlichen und vollziehenden Gewalt, als Panacee einer fortschrittlichen Staatseinrichtung gepriesen und durchgeführt worden war, geoügte auf einer zweiten Entwicklungsstufe die Unabhängigkeit der Gewalten nicht mehr, sondern nun trachtete man umgekehrt, die Regierungsgewalt in eine gewisse Abhängigkeit von der richterlichen Gewalt zu bringen und den Schutz der individuellen Rechtssphäre gegenüber der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsbehörden in die Hand, sei es des ordentlichen Richters, sei es eines besonders organisierten Verwaltungsgerichtes, zu legen.

Es hiesse die Bedeutung der ganzen Rechtsentwickluug gründlich verkennen, wollte man sie nur auf gewisse Moderücksichten zurückführen, oder solchen auch nur irgend einen erheblichen Einfluss beimessen.

Vorab musste in Staaten mit starker Regierungsgewalt und ausgebildeter Bureaukratie das Bedürfnis einer nur nach objektiven rechtlichen Beweggründen, von opportunistischen Erwägungen und Routinerücksichten freien Rechtsprechung zum Schütze der Individualinteressen empfunden werden. Aber auch in Staaten mit freierer politischer Ausgestaltung hat sich das Gefühl, es sei ein mehrerer Schutz des Individuums gearen die durch die VerO O waltung vertretene Allgemeinheit ein dringendes Bedürfnis, je

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länger je mehr entwickelt. Nicht nur hat die Bewegung nach Einführung von Verwaltungsgerichten in dea Kantonen Fortschritte gemacht, sondern auch auf dem Boden des Bundes ist die Zunahme der Anhänger der selbständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit unverkennbar. Dabei ist charakteristisch, dass ihre Einführung nicht etwa nur ein Begehren der Minderheitsparteien ist, als eine Schutzwehr gegen wirkliche oder vermeintliche Übergriffe «iner entgegenstehenden Mehrheitsgewalt ; mindestens so laut tönen die Stimmen aus der Mehrheitspartei, welche der beförderlichen Durchführung der Reform rufen, und es darf somit gesagt werden, dass ein a l l g e m e i n e s , freilich in bezug auf Tragweite, Umfang und Ausführung zum Teil noch nicht völlig abgeklärtes Verlangen nach dieser neuen Einrichtung besteht.

Das B e d ü r f n i s einer solchen erscheint auch uns gegeben.

Je mehr der moderne Wohlfahrtsstaat Gebiete privater Betätigung in den Kreis der staatlichen Punktionen einbezieht, je zahlreicher die öffentlichen Aufgaben sind, an deren Durchführung der Bund herantritt, je gewaltiger daher auch die Zahl der Staatsfunktionäre anschwillt, denen diese Aufgaben anvertraut werden, desto grösser ist die Gefahr eines Übergriffs der Staatsallmacht und Beamtenautokratie gegenüber den Individualrechten des Bürgers und desto lebhafter sein instinktives Gefühl, er bedürfe eines kräftigen Schutzes gegen diese feindliche Macht.

Es ist vorab nicht einzusehen, warum ein Rechtsschutz gegen Verletzung individueller Rechte nur da bestehen soll, wo eidgenössisches Recht durch kantonale Behörden gehandhabt wird, nicht dagegen da, wo die Handhabung eidgenössischen Rechtes durch Organe des Bundes besorgt wird. Die Logik gebietet, dass der Rechtsschutz auch auf diesen Fall ausgedehnt werde.

Nun haben wir ja freilich auch im Instanzenzuge innerhalb der Verwaltung Garantien gegen Willkür der Verwaltungsorgane, und die obern Instanzen dürfen gewiss für sich in Anspruch nehmen, dass sie in besten Treuen danach getrachtet haben, in ihren Entscheidungen nur das Gesetz als Richtschnur zu nehmen.

Allein die Verhältnisse haben es mit sich gebracht, dass, trotz der unbestrittenen Unabhängigkeit der Verwaltungsinstanzen, deren Rechtssprechung nicht mehr diejenigen Garantien bietet, wie sie eine Organisation nach Analogie der Rechtssprechung
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bieten würde.

Die Schilderung, die der Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. Juni 1894 (Bundesbl. B. 1894, II, 780) über die Behandlung der

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Rekurse in Plenum gemacht hat, trifft nicht mehr in ihrem ganzeit Umfange zu. Die Überbürdung mit eigenen Departementalgeschäften und wichtigen Aufgaben des Kollegiums macht es fast zur Unmöglichkeit, dass die Mitglieder sich den einzelnen Rekursfällen in einem Masse widmen könnten, das verhindern würde,, dass in zahlreichen Fällen de facto der Departementsvorsteher Rekursinstanz ist.

Noch schlimmer liegen die Verhältnisse bei der Bundesversammlung. Die Klagen über mangelhaftes Funktionieren der beiden Räte als Rekursinsta'nz sind alt. Schon im Jahre 1865 sprach sich der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission, in Sachen der Revision der Bundesverfassung, Dr. J. J. Blumer,.

in nachstehender scharfer Form hierüber aus : ,,Nirgends sonst in der Welt findet sich die Eatscheidung,,solcher Streitfälle grossen parlamentarischen Versammlungen an,,vertraut, weil man wohl weiss, dass es sich dabei nicht um ,,allgemeine gesetzgeberische Fragen handelt, über die sich auch ,,der Nichtjurist ein gediegenes Urteil bilden kann, sondern um ,,eine möglichst genaue Untersuchung und Erörterung des kon,,kretea Falles in seiner ganzen, oft sehr verwickelten Eigentum,,lichkeit. Ein kompetentes Urteil steht hier offenbar nur demjenigen zu, welcher die Akten sorgfältig gelesen hat, und es,,liegt in der Natur der Sache, dass sich immer vorzugsweise die,,Juristen in beiden Räten mit diesen Materien beschäftigen werden ; ,,für die Mitglieder, welche nicht in Kommissionen sitzen, ist es ,,in den meisten Fällen materiell u n m ö g l i c h , das gesamte ,,Aktenmaterial einzusehen und sie sind also ausschliesslich darauf ,,angewiesen, nach den angehölten Berichterstattungen und ändern ,,Vorträgen sich ihre Überzeugung zu bilden. Wer könnte es,,nun den nicht rechtsgelehrten Mitgliedern allzusehr verargen, ,,wenn sie nicht jedem einzelnen Rekursfalle mit der grössten ,,Aufmerksamkeit folgen und bei ihrer Stimmgebüng bisweilen ,,durch andere Motive sich leiten lassen, als diejenigen, Vvelche ,,bei einer Rechtsfrage den Ausschlag geben sollten? Das Unpassende der ganzen Einrichtung wird aber noch um so schärfer ,,beleuchtet durch das bestehende Zweikammersystem, welches,, vollends bei der Beurteilung von konkreten Rechtshändeln keinen.

,,Sinn hat. Sehr häufig ist es der Fall, dass der eine der beiden ,,Räte die Sache ganz
anders beurteilt als der andere; es wird ,,vorausgesetzt, dass in jedem Rate die Mehrheit nach ihrer innersten ,,Überzeugung gestimmt habe ; wer soll nun nachgeben ? Es ver,,hält sich hier ganz anders, als bei einem Gesetzesentwurfe, einem

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,,Budget, oder einer Reihe von Postulaten, wo die beiden Räte ,,sich gegenseitig Konzessionen machen können ; in Rekursfällen ,,muss, wenn überhaupt ein Bundesbeschluss zustande kommen ,,soll, der eine Rat seine ausgesprochene Rechtsansicht aufgeben ,,und sich der Anschauung des ändern Rates anschliessen . . .a Wer wollte leugnen, dass die hier, allerdings unter teilweise verschiedenen verfassungsrechtlichen Verhältnissen, gezeichneten Übelstände, heute noch, vielleicht sogar in verstärktem Masse, bestehen? Wer wollte bestreiten, dass der Umstand der widersprechenden Entscheidungen beider Räte in der Folge vielfach zu wenig befriedigenden Kompromissen, oder aber zur direkten Versagung des in einer obern Instanz begrifflich gegebenen Rechtsschutzes führt? Und wer wollte bestreiten, dass die Erledigung solcher Rekurse in den beiden Räten bei der Überhäufung mit Geschäften, unter der diese von Jahr zu Jahr mehr leiden, zuweilen ganz ungebührlich lang, vielleicht mehrere Jahre, dauert und dass anderseits die innere Bedeutung der Rekurse manchmal in einem sonderbaren Missverhältnis steht zu der kostbaren ZeitT die deren Erledigung in den Räten beansprucht.

Die Garantien, die im Instanzenzug innerhalb der Verwaltung liegen, sind also in der Tat nicht ausreichend. Wären sie es aber auch, so würde dadurch der S c h e i n der Willkür oder Befangenheit nicht verschwinden, der jeder Organisation anhaftet,, kraft welcher Verwaltungsstreitigkeiten ausschliesslich durch Verwaltungsorgane entschieden werden. Das dunkle Gefühl ist ein weit verbreitetes, der einzelne finde nirgends eine unparteiische Beurteilung seiner Beschwerden gegen die eidgenössische Verwaltung, diese sei Richter in eigener Sache und das von ihr beobachtete Verfahren sei ganz in ihr Belieben gestellt, wahre 4en Grundsatz der Gleichstellung beider Parteien nicht und lasseden Privaten in der Verteidigung seiner Rechte gegen die Verwaltung nicht aufkommen. Wir können zwar nicht zugeben, dasseine Verwaltungsbehörde bei Anständen riiit Privatpersonen gleich einer Prozesspartei zu behandeln sei ; wir erachten es als selbstverständlich, dass auch die Verwaltungsbehörde, gleich wie der Richter, das Gesetz zur Richtschnur ihrer Entschliessungen zu nehmen hat. Und wir glauben auch nicht, dass die eidgenössischen Behörden in ihrer Verwaltungspraxis sich
bewusst ausser dasGesetz gestellt hätten und dass sie geneigt wären, eher gegen das Publikum, als gegen die Verwaltung zu entscheiden. Dagegen ist gewiss nicht in Abrede zu stellen, dass Irrtümer begangen werden, vor allem aber, dass das Beschwerdeverfahren nicht mit,

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den wünschbareu Garantien eines dem gerichtlichen Verfahren analogen kontradiktorischen ProzeBses ausgestattet ist. Nun hat aber die Verwaltung selbst das lebendigste Interesse, diesen Schein der Willkür zu meiden und zur Wahrung ihres Ansehens die Entscheidung der Streitigkeiten einer von ihr völlig unabhängigen Behörde, in einem die Hechte des einzelnen sorgfältig wahrenden Verfahren, zu überlassen.

Die Schaffung einer selbständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist mit einem weitern namhaften Vorteil verknüpft: einer wesentlichen Entlastung der Departementsvorsteher und des Bundesrates.

Freilich tritt sie nur ein unter der Voraussetzung, dass mit der Einführung eines Verwaltungsgerichts auch eine andere Verteilung der administrativen Kompetenzen und eine andere Ordnung des Instanzenzuges verbunden wird.

Beides sehen wir vor. Durch den von uns vorgeschlagenen Zusatz zu Art. 103 der Bundesverfassung wird der Bundesgesetzgebung das Recht vorbehalten, die von ihr näher bezeichneten Geschäfte den Departementen oder den diesen untergeordneten Amtsstellen zur Erledigung zu übertragen.

Ein solcher Zusatz musste schon aus dem Grunde autgenommen werden, damit verhütet werde, dass das Verwaltungsgericht über Entscheide des B u n d e s r a t e s zu erkennen habe und damit nicht, statt einer Erleichterung des Geschäftsganges, dieser durch Hinzufügung einer neuen Instanz verlangsamt werde.

Er ermöglicht aber auch, die Entscheidungen der den Departementen untergeordneten Amtsstelleri (z. B, Amt für geistiges Eigentum, Versicherungsamt, Auswanderungsamt, Pensionskommission, Alkoholdirektion usw.") direkt an das Verwaltungsgericht zu ziehen und wirkt dadurch entlastend in erster Linie für die Departementsvorsteher, in zweiter Linie für den Bundesrat als Gesamtbehörde.

Hierzu kommt nun die Möglichkeit, auf dem Wege der Gesetzgebung die direkte Weiterziehung letztinstanzlicher Entscheidungen von kantonalen Behörden an das Verwaltungsgericht anzuordnen (z. B. in Militärsteuersachen, Zivilstandssachen, handels·registerlichen Beschwerden usw.) ; dadurch würde wiederum eine wesentliche Entlastung der Departernente und des Bundesrates bewirkt.

Erinnern wir uns auch in diesem Zusammenhange, dass durch die zurzeit dem Referendum unterstellte Novelle zum Gesetz ·über Organisation der Bundesrechtspflcge die Rekurse betreffend Handels- und Gewerbefreiheit, sowie über die politische Stimm-

335 berechtigung und betreffend Wahlen und Abstimmungen dem Bundesgericht übertragen sind, so wird man sich gestehen müssen, dass damit das Problem einer sehr bedeutenden Entlastung der Mitglieder des Bundesrates -zum grossen Teil gelöst wäre, vorausgesetzt, dass Hand in Hand mit den angedeuteten Reformen durch zweckentsprechende Organisation der Departemente der administrative Kleinkram nach unten abgestossen wird.

Dass durch die vorgesehene Reform die Stellung und Autorität des Bundesrates als oberste Landesbehörde geschwächt werden könnte, ist nicht zu befürchten, da ja eben die Verfügungen derselben nicht der Kognition einer richterlichen Instanz unterworfen werden sollen. Im Gegenteil kann gesagt werden, dass durch die Beseitigung des Instanzenzuges vom Bundesrate an die Bundesversammlung in Verwaltungsstreitsachen, die der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellt werden, eine Quelle möglicher Konflikte verstopft wird. Im übrigen wird man durch die Abgrenzung der Befugnisse des Verwaltungsgerichts dafür zu sorgen haben, dass dem Bundesrate neben der eigentlichen Regierungsgewalt auch das weite Gebiet des freien Ermessens in allen Zweigen der Verwaltung uneingeschränkt verbleibt.

Nun ist freilich in den vorbereitenden Stadien der gegenwärtigen Verfassungsvorlage aus den Kreisen der Verwaltung, teilweise in sehr bestimmter Weise, gegen die Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Stellung genommen worden, unter Geltendmachung von Bedenken formeller und materieller Art, nicht zum mindesten aber aus dem Gefühle heraus, der Autorität der höheren Verwaltungsorgane geschehe durch Kreierung einer unabhängigen Verwaltungsrechtspflege ein verhängnisvoller Abbruch.

Die Opposition einzelner Verwaltungszweige gegen die Einführung der unabhängigen Verwaltungsrechtspflege kommt keineswegs unerwartet. Sie ist in allen Staaten, welche in der neuern Zeit eine solche Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen haben, zutage getreten. ,,Überall hat a , so führt Professor Fleiner in seinem Gutachten aus, ,,zunächst in den Kreisen der Verwaltung ,,die Befürchtung bestanden, es möchte die Verwaltungsgerichts,,barkeit die Tätigkeit beengen und sich einseitig zu einem Schütze ,,der Bürger gegen die Verwaltung auswachsen. Erst aus der ,,praktischen Handhabung der Verwaltungsrechtssprechung hat man ,,gelernt, welchen Wert
auch für die staatlichen Organe eine In,,stitution besitzt, welche die Verwaltungsbehörden in der Durchführung des Verwaltungsrechtes schützt und den gegen die VerBundesblatt. 63. Jahrg. Bd. V.

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,,waltung erhobenen Vorwurf bureaukratischer und willkürlicher ,,Behandlung der Geschäfte zum Schweigen bringt. Wir sind ,,überzeugt, dass auch in der Eidgenossenschaft die Verwaltungs,,geriehtsbarkeit die Früchte bringen wird, die allen den Staaten ,,zuteil geworden sind, die eine unabhängige Verwaltungsrechts,,sprechung eingeführt haben."

Noch eine andere wohltätige Folge wird nicht ausbleiben, die Tätigkeit des Richters ist nicht beschränkt auf die Rechtsa n w e n d u n g , ihm fällt in einem gewissen Umfange auch die R e c h t s s c h a f f u n g zu; er ergänzt die Lücken der Gesetzgebung, er entwickelt die in ihr schlummernden Keime, er weist der Rechtsentwicklung unter Umständen sogar neue Wege. Auch für den Verwaltungsrichter gilt, ja für ihn vielleicht noch in höherem Masse, was das Zivilgesetzbuch in Art. l dem Richter vorschreibt: ,,kann dem Gesetze keine Vorschrift entnommen werden, so soll ,,der Richter nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches ,,fehlt, nach der Regel entscheiden, die er als Gesetzgeber auf^stellen würde. E r f o l g t d a b e i b e w ä h r t e r L e h r e u n d ,,Überlieferung."So wird also ganz von selbst mit der Wissenschaft des Verwaltungsrechts Fühlung genommen und durch die wissenschaftliche Pflege desselben eine konsequente Ausgestaltung des Verwaltungsrechts nach einheitlichen Grundsätzen in die Wege geleitet. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts wird nicht ermangeln, auch für die zukünftige Verwaltungsgesetzgebung ihre wohltätigen Früchte zu tragen.

IV.

Sollen die Erwartungen in Erfüllung gehen, von denen im Vorstehenden gesprochen wurde, so ist nun freilich in allererster Linie erforderlich, dass der Gesetzgeber seinerzeit bei der Abgrenzung zwischen unabhängiger Verwaltungsrechtspflege und interner Verwaltung eine glückliche Hand habe. Wiewohl diese Frage heute noch nicht zum Entscheide steht, seien doch einige allgemeine Ausführungen über dieselbe angefügt.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Garantie einer unabhängigen Kontrolle der Verwaltungsorgane weder wünschbar, noch durchführbar ist mit Bezug auf alle Verwaltungsakte, sondern sich auf diejenigen zu beschränken hat, die sich als Anwendung eines Rechtsatzes darstellen. (Vgl. Speiser, Referat über

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die Verwaltungsrechtspflege in den Kantonen ; Z. f. S. R. Bd. 30, S. 542.)

Hierin ist die moderne Verwaltungsrechtswissenschaft einig: ,,Dagegen ist der Anwendungsbereich der Verwaltungs,,gerichtsbarkeit allerdings insofern ein beschränkter, als letztere ,,nur auf denjenigen Verwaltungsgebieten tätig werden kann, auf ·,,welchen die Befugnisse der Verwaltungsorgane durch objektive ,,Rechtsvorschriften begrenzt sind. Diejenigen Verwaltungshand,,lungen, welche die Verwaltungsbehörden nach freiem Ermessen ,,vorzunehmen berechtigt sind, eignen sich nicht dazu, zum Gegen,,stand richterlicher Kognition gemacht zu werden. " (Meyer-Dochow, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. 48.)

,,Die Möglichkeit einer Verwaltungsgerichtsbarkeit lag erst ,,vor, nachdem mit dem Übergang aus der absoluten in die kon,,stitutionelle Staatsordnung eine gesetzliche Regelung und Be,,schränkung der Verwaltungsbefugnisse eingetreten war. Den ,,Verwaltungsgerichten liegt die Aufgabe ob, die Einhaltung dieser ,,gesetzlichen Vorschriften zu sichern; ihre Tätigkeit beschränkt ,,sich daher auf solche Angelegenheiten, hinsichtlich deren die ,,Befugnisse der Verwaltungsorgane durch o b j e k t i v e R e c h t s ,, v o r s c h r i f t e n begrenzt sind. Diejenigen Verwaltungsakte ,,dagegen, welche die Verwaltungsbehörden n a c h f r e i e m Er,,m e ss e n vorzunehmen haben, eignen sich nicht dazu, zum Gegen,,stande richterlicher Kognition gemacht zu werden. Sie finden ,,ihre Erledigung im Instanzenzug der Verwaltungsbehörden."

(G. Meyer, Staatsrecht, S. 604.)

,,La séparation entre le contentieux administratif et le recours ,,purement gracieux est fait avec le plus grand soin soit par la ,,législation, soit par la jurisprudence et la doctrine. Les tribunaux ,,ont bien le droit de juger de la légalité (Rechtmässigkeit) d'un ,,acte administratif, mais ils n'ont pas le droit de juger de son ,,opportunité (Zweckmässigkeit), sans quoi les juges feraient acte ,,d'administrateurs. L'administration doit se conformer aux lois, ,,mais elle doit · être l'unique juge de l'opportunité de ses actes.

(Ott, La justice administrative fédérale, page 130.)

,,Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bricht an dem ,,Punkte ab, an dem das f r e i e F r m e s s e n der Verwaltungs,,behörden beginnt. Man fasst diesen Gedanken in der bekannten ,,Formel zusammen, Ermessensfragen unterstünden nicht der Zu,,ständigkeit der Verwaltungsgerichte; das freie Ermessen der ,,Verwaltungsbehörden sei unüberprüfbar , denn das

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,,Verwaltungsgericht ist nicht Oberverwaltungsbehörde, sondern ,,Rechtsschutzorgan. Daraus folgt aber anderseits, dass die Ent,,seheidung darüber, ob und inwieweit Raum für ein freies Er,,messen vorhanden gewesen ist, d. h., ob die Verwaltungsbehörde ,,nach freiem Ermessen hat handeln dürfen und ob sie dabei die ,,ihr gezogenen Schranken nicht überschritten hat, durch Normen ,,des Gesetzes bestimmt wird und daher der verwaltungsgericht-^ ,,liehen Überprüfung untersteht. Ob Ermessensmissbrauch, oder ,,Ermessensüberschreitung vorliegt, ist nicht selbst wieder Er,,messensfrage, sondern Rechtsfrage. .Unüberprüfbar allein ist ,,somit für das Verwaltungsgericht, ob in einem konkreten Fall ,,eine Massregel der Verwaltungsbehörde geboten oder zweck,,mässig gewesen ist."

(Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 215.)

Man wird also gut daran tun, in einem künftigen Gesetze die Verwaltungsbehörde vor einer Einmischung des Verwaltungsgerichts in das der freien Verwaltungstätigkeit vorbehaltene Gebiet dadurch sicherzustellen, dass dem Verwaltungsgericht lediglich zu überprüfen überbunden wird, ob die Verwaltungsbehörde das Recht richtig angewendet hat und ob die tatsächlichen Voraussetzungen für den Entscheid vorgelegen haben, keineswegs aber, ob sie im Rahmen ihres freien Ermessens richtig und zweckmässig gehandelt habe.

Dass es im einzelnen Falle Schwierigkeiten in der Abgrenzung geben kann, ist nicht zu bestreiten. Wie andernorts gibt es auch hier Grenzgebiete j die verwaltungsrechtliche Praxis anderer Staaten beweist uns indessen, dass man dieser Schwierigkeiten Herr werden kann.

Viel schwieriger wird seinerzeit die Ausscheidung der Kompetenzen des Verwaltungsgerichts mit Rücksicht auf die einzelnen Materien sein. Wir sind durchaus der Auffassung, dass man hier mit grosser Vorsicht und Zurückhaltung wird vorgehen müssen.

Es kann keine Rede davon sein, dass man in dieser Beziehung einfach die Vorbilder anderer Staaten kopieren ' könnte. Es ist ausgeschlossen, dass wir in a l l e n Fällen der Verletzung verfassungs- oder bundesgesetzmässiger Rechte einen verwaltungsgerichtlichen Rechtschutz gewähren könnten ; wir müssen vielmehr in jeder Verwaltungsabteilung untersuchen, ob sich die aus ihr hervorgehenden Streitfälle zu richterlicher Prüfung eignen, oder ob man dem Richter nicht eine Aufgabe zumutet, die ausserhalb seines Gebietes liegt.

339 Man kann daran denken, das Auswanderungsamt, das Versicherungsamt, das Amt für geistiges Eigentum, die Oberzolldirektion, die Alkoholverwaltung, die Kommission für elektrische Anlagen, den Oberfeldarzt, die Pensionskommission, zu selbständigen Instanzen umzugestalten, deren Entscheidungen im Rahmen der im Gesetze näher zu umgrenzenden Kompetenzen, unter Ausschaltung der Departemente und des Bundesrates, an das Verwaltungsgericht gezogen werden könnten. Sodann würden in Handelsregistersachen die Entscheidungen der kantonalen Aufsichtsbehörden, im Zivilstandswesen die Entscheidungen der letzten kantonalen Rekursinstanz, in Fragen des Militärpflichtersatzes die Entscheidungen der obern kantonalen Rekursinstanz an das Verwaltungsgericht weiterziehbar erklärt werden können.

Als Departementalentscheide, die unter Ausschaltung des Bundesrates an das Verwaltungsgericht gezogen werden könnten, kämen etwa in Frage Entscheidungen auf dem Gebiete des Privatversicherungswesens (Auferlegung von Beiträgen zu Zwecken des Feuerlöschwesens, der Feuerpolizei etc.), auf dem Gebiete des Handelsregisters (Differenzen über die zu veröffentlichenden Registerauszüge), im Zollwesen (Auferlegung von Zollbussen und Ordnungsbussen), auf dem Gebiete des Alkoholmonopols (Auferlegung von Monopolbussen und Ordnungsbussen) und auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens (Konzessionsgebühren und Bussen wegen Zugsverspätungen).

Dass im Militärwesen die Kompetenzen des Verwaltungsgerichts mit der äussersten Vorsicht umschrieben werden müssten, liegt auf der Hand. Hier rücken die Interessen der Disziplin in erste Linie; die Erfüllung der Militärdienstpflicht darf nicht auf gleichen FUSS gestellt werden, wie die Befolgung irgend einer ändern verwaltungsrechtlichen Vorschrift, und die Erfordernisse eines raschen und ungestörten Dienstganges sind im Militärwesen ganz andere, als in irgend einer ändern Verwaltung. Deshalb wird die grundsätzliche Entscheidung über die Wehrpflichtigkeit nicht in den Kompetenzenkreis des Verwaltungsgerichts gezogen werden können. Deshalb ist es wohl auch gar nicht diskutabel, Landschadenvergütungen, Pferdeabschatzungen u. dgl., wo ein ganz summarisches Verfahren Voraussetzung eines wirksamen Rechtsschutzes ist, dem für Verwaltungsstreitsachen vorzusehenden allgemeinen Verfahren unterstellen zu wollen.

Sucht man
sich ein Bild darüber zu machen, wie sich bei einer ungefähren Abgrenzung der Kompetenzen auf Grund der vorstehenden oberflächlichen Andeutungen die Geschäftslast eines

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künftigen Verwaltungsgerichtes gestalten würde, so ist zum voraus zuzugestehen, dass sich etwas ganz Sicheres nicht sagen lässt.

Wir haben in den Departementen und im Bundesrat statistische Erhebungen machen lassen. Diese haben in den im Vorstehenden für das Verwaltungsgericht beanspruchten Gebieten nur eine massige Arbeitsbelastung für das neue Gericht ausgewiesen. Allein nun ist man eben in der Beziehung ganz auf Mutmassungen angewiesen, wie dort, wo bisanhin zwar eine formelle Rekursmöglichkeit bestand, dagegen die Allgemeinheit -- ob mit Recht oder Unrecht, bleibe dahingestellt -- die Weiterziehung an den Bundesrat als zum voraus nutzlos betrachtete, die Z u n a h m e der Beschwerde sich gestalten wird. Es trifft dies hauptsächlich die Zollverwaltung, wo beispielsweise in den Jahren 1904/06 auf 5591 Tarifentscheide der Oberzolldirektion und des Zolldepartements nur 36 Rekursentscheide des Bundesrates fallen.

Es ist zweifellos, dass hier und an ändern Orten die blosse Existenz einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsinstanz die Zahl der Weiterziehungen vermehren wird, in welchem Umfange, kann nicht vorausgesagt werden. Würde man eine Überschwemmung mit Weiterziehungen befürchten, so wäre zu erwägen, ob einer solchen Überlastung des Verwaltungsgerichts nicht dadurch abgeholfen werden könnte und sollte, dass dessen Rechtsprechung nur da, wo die Natur der zu entscheidenden Rechtsfrage in guten Treuen die Anhebung des Rekurses rechtfertigt, oder wo aus ändern Gründen die Enthebung von Kosten billig erscheint, eine unentgeltliche wäre, während in ändern Fällen die Kosten dem unterliegenden Beschwerdeführer zu überbinden wären.

Bliebe die Zahl der Rekurse in ungefähr dem Geschäftskreise, wie wir ihn skizziert haben, eine normale, so dürfte angenommen werden, dass die sich ergebenden Geschäfte von einer einzigen Kammer bewältigt werden könnten, und zwar auch dann, wenn dem gleichen Gerichte auch die Kompetenzen eines Disziplinargerichtshofes überwiesen würden. Freilich ist auch bezüglich Disziplinargerichtsbarkeit die Geschäftslast nicht zum voraus festzustellen, immerhin kann aus dem, was auf diesem Gebiete in den Departementen und im Bundesrate, sowie bei den Bundesbahnen vorgekommen ist, der Schluss gezogen werden, dass bei rationeller Abgrenzung der Zuständigkeit die Streitfälle nicht übermässig
zahlreich sein würden.

Hegte man aber das Bedenken, dass ein selbständiges, vom Bundesgericht losgelöstes Verwaltungsgericht nur ungenügend beschäftigt wäre, so müsste es ein leichtes sein, durch Über-

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Weisung einer Anzahl Streitfragen verwaltungsrechtlicher Natur, die zurzeit dem Bundesgericht zugewiesen sind, die Lücke auszufüllen und gleichzeitig das Bundesgericht zu entlasten. In Betracht kämen dabei wohl vor allem die auf Art. 31 der Bundesverfassung (Handels- und Gewerbefreiheit) fussenden Rekurse, die durch die Novelle zum Organisationsgesetz dem Bundesgerichte überwiesen wurden.

Als weitere Materien, die sich für die Behandlung durch das Verwaltungsgericht eignen würden, können namhaft gemacht werden : Streitigkeiten zwischen dem Bundesrate und einer Eisenbahngesellschaft über Aufstellung der Jahresbilanz; Streitigkeiten zwischen Eisenbahnunternehmung und den Besitzern von Verbindungsgeleisen ; Streitigkeiten zwischen Bund und Eisenbahnunternehmung aus dem Gesetze über Bau und Betrieb der Eisenbahnen und verwandten Gesetzen; Streitigkeiten zwischen Eisenbahnunternehmungen über die Mitbenutzung von Bahnanlagen; Einsprachen gegen die Verpfändung von Eisenbahnen; Rekurse gegen Verfügungen des Massaverwalters einer in Zwangsliquidation befindlichen Eisenbahn usw.

Auf diesem Wege könnte die Institution des Verwaltungsgerichts auch zu einer etwelchen Entlastung des Bundesgerichtes, insbesondere seiner staatsrechtlichen Abteilung, dienen und dort einer nicht begrüssenswerten w e i t er n Vermehrung der Richter Halt gebieten. Wie weit man dabei gehen könnte, müsste natürlich einer sorgfältigen Einzeluntersuchung vorbehalten werden.

V.

Ist die Frage der Notwendigkeit oder zum mindesten Wünschbarkeit einer unabhängigen Verwaltungsrechtspflege leicht zu beantworten und wird auch die Abgrenzung dessen, was etwa zweckmässig dem Verwaltungsgerichte zugeteilt werden könnte, keine besonderen Schwierigkeiten bieten, so beginnen diese sofort, wenn man sich entscheiden soll, wie man die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu organisieren hätte.

Auch hierüber müssen wir uns schon im gegenwärtigen Stadium der Frage einige Ausführungen erlauben, zumal von deren Beantwortung es teilweise abhangen wird, ob der Weg der Verfassungsrevision beschritten werden muss.

342 Einer der ersten Verfechter einer unabhängigen eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, Prof. Gustav Vogt, wollte sich mit der Errichtung eines eidgenössischen Rates für Rechtssachen, d.h. mit einer Rechtskontrolle i n n e r h a l b der V e r w a l t u n g begnügen. Es wäre dies ein vom Bundesrate zu wählender, dem Justizdepartement unterstellter eidgenössischer Rat gewesen, deiin allen Fällen zu erkennen hätte, in denen jemand durch gesetzwidrige Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Das Urteil dieses Rates wäre indessen nur soweit verbindlich, als es der Bundesrat nicht beanstandet; ändert er den Entscheid, so bleibt dem Verletzten nur noch der Rekurs an die Bundesversammlung offen. (Vgl. Referat von Prof. Vogt über die Einsetzung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichtshofes, Z. f. schw. Recht, Bd.

38, S. 829).

Wir mussteri eine solche Lösung für gänzlich unbefriedigend erachten. Sie hat den einzigen Vorteil, dass sie sich ohne Revision der Bundesverfassung durchführen liesse; im übrigen aber lässt sie die Hauptsache, das Postulat einer völlig u n a b h ä n g i g e n Verwaltungsgerichtsinstanz, unberücksichtigt und ist daher nicht geeignet, das Misstrauen gegen die Verwaltung zu beheben ; sie drückt den.Entscheidungen des Bundesrates, dort, wo sie von denjenigen des Rates für Rechtssachen abweichen, erst recht den Stempel der Willkür auf; sie belässst den endgültigen Entscheid in den Händen einer hierzu ungeeigneten Instanz, der Bundesversammlung; sie ist weit davon entfernt, eine Entlastung der obersten Organe der Bundesverwaltucg herbeizuführen.

Wenn wir überhaupt eine durchgreifende Reform auf dem Gebiete der Verwaltungsrechtspflege wollen, so kann es nur durch Schaffung einer völlig u n a b h ä n g i g e n Verwaltungsgerichtsbarkeit geschehen. Die entscheidende Frage ist dabei die : sollen die Streitigkeiten dem B u n d e s g e r i c h t e überwiesen werden, oder soll ein eigenes V e r w a l t u n g s g e r i c h t eingerichtet werden?

Die Überweisung an das Bundesgericht könnte in der Form erfolgen, dass kurzer Hand die ganze verwaltungsrechtliche Materie, vielleicht etwa in der oben skizzierten Umgrenzung, der staatsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts zugeteilt und diese somit zu einer S t a a t s - und v e r w
a l t u n g s r e c h t l i c h e n Abteilung ausgebaut würde.

Oder aber es könnte neben der zivilrechtlichen Abteilung (nach der Organisationsnovelle mit zwei Kammern) und der

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staatsrechtlichen Abteilung noch eine besondere verwaltungsrechtliche geschaffen werden.

Es ist auch der Vorschlag gemacht worden (Valloton a. a.;O.

N. 102 ff.) im Schosse des Bundesgerichts eine Anzahl Einzelrichter vorzusehen, denen bestimmte Materien zum Entscheide zuzuteilen wären, mit der Möglichkeit für den Bundesrat, einen Oberentscheid der Gesamtkammer herbeizuführen. Dieses System, erscheint uns nicht annehmbar. Es ist nicht zu leugnen, dass die Institution des Einzelrichters namentlich mit Rücksicht auf Raschheit und Billigkeit des Verfahrens, ihre grossen Vorzüge hat; ebenso sicher aber ist, dass sie unserm Volksempfinden zuwiderläuft und gründlich unpopulär wäre. Die Zweispurigkeit des Verfahrens, mit einseitiger Legitimation zum Rekurse, müsste ernsten Bedenken rufen. Die Verknüpfung einer so konstituierten verwaltungsrechtlichen Abteilung mit dem Bundesgericht hätte wenig praktischen Wert, böte aber anderseits die Nachteile, von denen sofort die Rede sein wird.

Die Zuweisung an eine einheitliche Staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hätte e i n e n namhaften Vorteil : der Abgrenzung der beiden Gebiete der staatsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Beschwerden käme praktisch nicht mehr die gleiche Bedeutung au; Kompetenzkonflikte auf diesem Gebiete wären ausgeschlossen. Man darf indessen diesen Vorteil nicht überschätzen. Es ist so ziemlich ausgeschlossen, dass für die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten das gleiche Verfahren vorgeschrieben werden könnte, wie für die staatsrechtlichen Rekurse.

Bei den ersten muss auf das denkbar einfachste, rascheste Verfahren gedrungen werden ; Rekursfristen, wie sie das Organisationsgesetz für die staatsrechtliche Beschwerde vorsieht, sind ausgeschlossen. Also müsste schon wegen des Verfahrens doch wieder eine Abgrenzung der beiden Gebiete vorgenommen werden.

Die Zuweisung an das Buudesgericht scheint den weitern Vorteil aufzuweisen, dass man damit um die Schwierigkeit herumkommt, mit welcher Mitgliederzahl das selbständige Verwaltungsgericht organisiert werden soll. Es ist zuzugeben, dass ein Provisorium, wie es mit Rücksicht auf die Unsicherheit betreffend Umfang der Geschäftslast wünschbar erscheinen möchte, beim Bundesgericht sich leichter durchführen Hesse. Man würde sich eben für einmal mit einer minimalen
Verstärkung der Mitgliederzahl begnügen, in der Meinung, dass man ja in den ändern Kammern ausreichendes Hülfspersonal zur Verfügung habe, um bis zu einer weitern Verstärkung des Personalbestandes auszukommen.

344

Auch dieser Vorteil ist indessen nur scheinbar bedeutend.

Ein gewisses Mass von Arbeit ist ja, an Hand der Erfahrungen in Ausführung der bisherigen Verwaltungsrechtspflege zum voraus sicher. Man braucht sich somit nur in der selbständigen Verwaltungsgeriehtsinstanz von Anfang an auf einem bescheidenen FUSS einzurichten und die allfällige Ausgestaltung der Institution der praktischen Erfahrung zu überlassen, so werden auch diese Schwierigkeiten keine allzu grossen sein.

Auf der ändern Seite darf denn doch darauf hingewiesen werden, dass durch die stets sich häufenden Vermehrungen des Richterpersonals das Bundesgericlit Gefahr laufen würde, zu einem recht schwerfälligen Körper zu werden. Mit der demnächst in Kraft zu erklärenden Novelle y,urn Gesetz über Organisation der ßundesrechtpflege wächst die Zahl der Bundesrichter auf 24 an. Die Unifikation des Strafrechts wird uns eine weitere Vermehrung um etwa sieben Richter bringen. In der weitem Entwicklung werden wir uns voraussichtlich vor die Alternative gestellt sehen, entweder eine Art Chambre des requêtes von etwa drei neuen Mitgliedern zu instituieren, oder, falls dieses Auskunftsmittel nicht belieben sollte, die Richterzahl erst recht zu erhöhen.

Rechnete man fünf Richter für die verwaltungsrechtlichen und Disziplinarsachen hinzu, so stünde man vor der Zahl 40. Diese Vermehrung hat ihre ernsten Bedenken.

Sehr mit Recht ist vom ständerätlichen Berichterstatter über die Novelle zürn Organisationsgesetx bezüglich dieses Punktes ausgeführt worden : ,,Das zweite ist, dass zentrifugale Wirkungen sich ,,geltend zu machen beginnen, der Körper des Gerichts löst sich ,,in Abteilungen auf, und diese Abteilungen verlieren mehr und ,,mehr den Zusammenhang mit dem Ganzen ; darunter leidet dann ,,wieder die Einheit der Rechtsprechung.11 Das e n t s c h e i d e n d e Moment scheint uns indessen in der grundsätzlichen Eigenartigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu liegen. Sie bedeutet eine besondere, von der staatsrechtlichen Gerichtsbarkeit, vollends aber von der Betätigung auf zivilrechtlichem Gebiete verschiedene Rechtssprechung. So falsch die Meinung wäre, die Justiz habe im allgemeinen nach Recht, die Verwaltung aber und insbesondere auch die Verwaltungsrechtsprechung nach Zweckmässigkeitsgründen zu entscheiden, so zutreffend ist es anderseits, wenn
gesagt wird, für den Verwaltungsrichter sei ein Tropfen ,,Zweckmässigkeitsöla vonnöten. Kein Gebiet würde eine Behandlung nach den starren Normen des Zivilrechts weniger ertragen als die Verwaltungsrechtspflege ; nirgends würde formale

345 Jurisprudenz verderblicher wirken, nirgends ist es nötiger, dass ·der Richter mit beiden Füssen auf dem Boden des praktischen Lebens steht, nirgends hätten weltfremde Doktrinen weniger Berechtigung als hier. Es ist ein anderer Ideenkreis, in dem sich der Verwaltungsrichter bewegt; es müssen von den Richtern besondere verwaltungstechnische Kenntnisse, mithin eine teilweise veränderte Ausbildung verlangt werden. Die ganze Geistesrichtung ist eine andere, derart, dass nicht nur der Binfluss gewisser zivilistischer Auffassungen auf den Entscheid von Verwaltungsstreitigkeiten, sondern auch der Einfluss gewisser verwaltungsrechtlicher Auffassungen auf den Entscheid von Zivilstreitigkeiten kaum ein günstiger sein könnte.

Im gleichen Gedankengang. hat sich Prof. Kleiner in seinem Gutachten wie folgt ausgesprochen : ,,Das Verwaltungsgericht wird auf dem Gebiete des Bundes,,verwaltungsrechts eine eigentlich schöpferische Tätigkeit entfalten und für Verhältnisse feste Formen vorzeichnen müssen, ,,die bisher fester, rechtlicher Regelung entbehrten. Jedes Urteil ,,des Verwaltungsgerichts in einer Verwaltungsstreitsache enthält ,,einen autoritativen Ausspruch, nach dem sich für die Zukunft ,,die Praxis eines ganzen Verwaltungszweiges muss richten können.

,,Bildung einer Tradition und Kontinuität der Rechtsprechung sind ,,gerade auf diesem Gebiete im Interesse der öffentlichen Ver,,waltung von besonderer Bedeutung. Infolgedessen müsste, auch ,,wenn das Bundesgericht mit den Funktionen eines Verwaltungs,,gerichts betraut würde, der dem Bundesgerichte angegliederten ,,Abteilung für Verwaltungsstreitsachen eine selbständige, von den ,,übrigen Abteilungen des Gerichtes scharf geschiedene Stellung ,,mit einem eigenen, ständigen Richterpersonal eingeräumt werden.

,,Eine solche Abteilung würde jedoch naturnotwendig im Laufe ,,der Zeit den Charakter eines eigenen Gerichtshofes annehmen, ,,dem schliesslich doch eigene Ersatzmänner beigegeben werden ,,müssten."1 MUSS das als natürliche Folge der Entwicklung vorausgesehen werden, so ist dann wirklich nicht einzusehen, welche Vorteile die Angliederung der verwaltungsrechtlichen Abteilung an das Bundesgericht mit sieh bringen sollte. Anderseits ist nicht zu vergessen, dass die Zuteilung der Richter zu einer bestimmten Abteilung ausschliesslich Sache des Bundesgerichts
selbst ist und somit jeder Einwirkung der Wahlbehörde entzogen wäre.

Die geäusserten grundsätzlichen Bedenken stünden nun allerdings auch einer Lösung entgegen, wie sie ebenfalls erwogen

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wurde, wonach zwar ein selbständiges Verwaltungsgericht geschaffen, aber nur mit einer ganz beschränkten Zahl ständiger Richter besetzt würde, während andere Stellen mit Bundesrichtern, zu besetzen wären, die die Tätigkeit als Verwaltungsrichter nur nebenamtlich besorgen würden. Immerhin wollen wir schon hier bemerken, dass eine solche Lösung durch die von uns vorgeschlagene Fassung der Revisionsvorlage nicht verunmöglicht würde.

VI.

Wenn wir in der Folge noch kurz die Frage der Disziplinargerichtsbarkeit erörtern, so geben wir unserer Überzeugung Ausdruck, dass auch die Schaffung einer unabhängigen Disziplinargerichtsbarkeit heute zu einem dringenden Postulate unseres öffentlichen Lebens geworden ist. Die ganze Bewegung ist eine sehr natürliche Folge des enormen Anwachsens der eidgenössischen Beamtenschaft. Es ist nicht dasselbe, einen Beamtenapparat von einigen Tausenden oder von ebensoviel Zehntausenden zu handhaben. Disziplin und Disziplinarmittel, vorab aber die Methode der Handhabung der Disziplinarmittel, müssen sich den wechselnden Verhältnissen anpassen. Nachdem insbesondere einmal die patriarchalische Disziplinierungsmethode der privaten Eisenbahngesellschaften am Vorabend ihrer Verstaatlichung zusammengebrochen war, war es ganz natürlich, dass auch bei den übrigen Kategorien der eidgenössischen Beamtenschaft eine verstärkte Bewegung nach Unabhängigkeit und Garantie gegenüber willkürlicher Behandlung sich bemerkbar machte.

Zwar wird der objektive Beurteiler wohl auch hier zum Ergebnis kommen, dass von tiefgreifenden Übelständen oder gar Vergewaltigungen nicht gesprochen werden kann. Im Grunde wird deren Bestand denn auch in den Eingaben der Beamtenschaft nicht behauptet, wohl aber wird über den Mangel an Kontinuität und Gleichmässigkeit in der Anwendung der Disziplinarstrafen geklagt. Der Hauptgrund hierfür liegt nun freilich in der Gestaltung des materiellen Disziplinarrechts und in den Normen über die Anstellung und die rechtliche Situation der eidgenössischen Beamten und Angestellten. Mit der uns beschäftigenden Frage der Disziplinargerichtsbarkeit und des Disziplinarverfahrens hängt dies nur lose zusammen und beschlägt im übrigen eine Materie, die in einem künftigen Beamtengesetz geordnet werden muss.

Dagegen muss zugegeben werden, dass auch im Verhältnis zwischen Staat und Beamtenschaft, ganz ähnlich wie im Verhältnis-

347

zwischen Staat und Privaten, erhebliches Misstrauen besteht, ein Misstrauen gegen die Objektivität, Unbefangenheit und Billigkeit der von der Verwaltung ausgehenden Disziplinarentscheide, gegründet darauf, dass keine unbeteiligte, ganz unabhängige Instanz zur Verfügung steht. Dieses Misstrauen, und wäre es auch noch so unberechtigt, zu beseitigen, liegt im hohen Interesse des Staates, denn der befriedigende Gang der Verwaltungsmasehine hängt zum guten Teile ab von dem Gefühle gegenseitigen Vertrauens zwischen Verwaltung und Beamtenschaft.

Weit entfernt, die Autorität der obersten Landesbehörde zu untergraben oder zu schwächen, wird die Schaffung einer unabhängigen Disziplinargerichtsbarkeit dazu dienen, einen Damm gegen die Angriffe auf diese Autorität zu bilden. Es ist bei der gewaltigen Zahl der Untergebenen und der naturgemäss grossen Menge von Disziplinarfällen und dem ungeordneten, ausreichender Garantien für Parität der beiden Beteiligten in ihrer rechtlichen Stellung entbehrenden Untersuchungsverfahren gar nicht zu vermeiden, dass hie und da Missgriffe oder Unbilligkeiten vorkommen.

Für alles das wird jeweilen der Bundesrat verantwortlich gemacht ; darunter leidet sein Ansehen, seine Autorität.

Die Schaffung einer unabhängigen Disziplinargerichtsbarkeit ist freilich nicht die Panacee, als welche sie in den Kreisen des Personals betrachtet wird. Die nur nach Rechtsgrundsätzen, .gerecht, aber auch unerbittlich urteilende Gerichtsinstanz hat .für die Betroffenen im Gegensatz zur Verwaltungsbehörde, bei deren Entscheiden rein . menschliches Mitleidempfinden zuweilen einen breiten Raum einnahm, auch ihre Schattenseiten. Anderseits wird die Institution des selbständigen Verwaltungsgerichts ganz sicher nicht die festen Fundamente des eidgenössischen Verwaltungsorganismus erschüttern, wie dies in einzelnen Verwaltungskreisen vielleicht befürchtet wird. Die Existenz und Betätigung einer unbefangen, gerecht und mit praktischem Geschick amtierenden oberen Instanz hat noch nie destruktiv, sondern im Gegenteil aufbauend und schützend gewirkt.

Soll die neue Rechtsinstitution befriedigend funktionieren, so ist unbedingt nötig,, dass der Kreis der Kompetenzen nicht zu weit gezogen werde. Könnte jede Bagatelle an das Disziplinargericht weitergezogen werden, so müsste dieses in kurzer Zeit der Geschäftslast
erliegen, und die Disziplinartätigkeit der Behörden würde in unerträglicher Weise erschwert und gehemmt. Das postuliert übrigens auch die Eingabe des Föderativverbandes eidgenössischer Beamter, Angestellter und Arbeiter keineswegs direkt.

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Wohl aber will sie auch in den untergeordnetsten Fällen dem Bestraften das Wahlrecht geben, entweder durch Erhebung eines Rekurses bei der vorgesetzten Verwaltungsbehörde oder durch Anrufung des Disziplinargerichts die Verfügung anzufechten. Diese Lösung wird wohl zu bedenken sein. Auch die Eingabe des Föderativverbandes vertritt die Auffassung, es sei unerlässlich, zur Aufrechthaltung der Disziplin bestimmte Disziplinarstrafen in der Hand der Verwaltungsbehörden zu belassen. Dann sollte aber der Rekurs innerhalb der Verwaltung bei solchen geringfügigen Ordnungsstrafen das einzig statthafte Rechtsmittel sein, sonst würde das Disziplinargericht mit Bagatellen behelligt, die seiner Stellung nicht angemessen sind. Hat doch auch das deutsche Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873, das in Disziplinarsachen für die Beamten einen weitgehenden richterlichen Schutz eingeführt hat, für die Ordnungsstrafen (Warnung, Verweis und Geldstrafe) nur die Beschwerde im Instanzenzug innerhalb der Verwaltung vorgesehen. Dem Beamtengesetze bliebe es dann vorbehalten, in der Feststellung eines gewissen sichernden Verfahrens, das der Fällung jeder, auch der untergeordnetsten Disziplinarstrafe vorauszugehen hätte, den Wünschen des Föderativverbandes nach Möglichkeit entgegenzukommen.

Wo man die Grenze ziehen will zwischen den in der Hand der Verwaltungsbehörden verbleibenden leichten Ordnungsstrafen und denjenigen, welche nur durch das Disziplinargericht verhängt werden dürfen, wird sorgfältig zu erwägen sein. Man wird unter allen Umständen zu der letztern Kategorie zu rechnen haben die Entlassung wegen Verletzung der Dienstpflicht, die Versetzung ins Provisorium, sowie die auf Art. 4 des Besoldungsgesetzes beruhende Befugnis, einen Beamten aus disziplinären Gründen durch Vorenthaltung der periodischen Besoldungserhöhung zu massregeln. Hierzu kämen dann noch die mit Entziehung des Gehalte» verbundene temporäre Diensteinstellung, vielleicht unter Limitierung auf die eine gewisse Anzahl Tage übersteigende Einstellung, sowie die Ordnungsstrafen von einem gewissen Satze an..

Wir möchten indessen auch hier neuerdings betonen, dass diese Ausgestaltung der Disziplinargerichtsbarkeit eine offene Frageist und nur im jetzigen Stadium der Angelegenheit zur Sprachegebracht wird, damit man sich ein oberflächliches Bild darüber machen kann, was mit der in Aussieht stehenden Reform beabsichtigt wird.

In der O r g a n i s a t i o n der Disziplinargerichtsbarkeit

sind

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aus den Kreisen des Personals Anregungen gemacht worden, denen wir nicht beitreten zu können glaubten.

Die Petition des Verbandes schweizerischer Postverwalter, Post- und Telegraphenbureauchefs vom 22. Februar 1905 hatte einen an sich gangbaren, aber grundsätzlich nicht einwandfreien Weg vorgeschlagen, indem sie die Einsetzung eines besondern, dem Bundesgerichte anzugliedernden Disziplinargerichtshofes verlangte, dem angehören sollen ,,mindestens ein Vertreter der be,,treffenden Verwaltung, ein Vertreter, der betreffenden Beamten,,oder Angestelltenkategorie und Vertreter aus dem Handels- oder ,,Richterstandea.

Der Vorschlag schien uns allzusehr der Institution den Charakter eines gewerblichen Schiedsgerichtes zu verleihen. Ein solches liegt nicht in Frage ; wohl aber ist die Frage offen und durch die von uns vorgeschlagene Fassung des Verfassungsartikels in keiner Weise präjudiziert, ob das Verwaltungsgericht nicht, wie es der Föderativ ver band eidgenössischer Beamter und Angestellter in seiner Eingabe vom 1. Juni 1897 verlangt, bei der Beurteilung von Disziplinarsachen Vertreter der Verwaltung und der Beamten als Beisitzer beiziehe, eventuell wenigstens die Konsultation solcher in verwaltungstechnischen Fragen vorzubehalten sei.

Nicht praktisch scheinen uns hinwieder die Vorschläge dieser letztern Eingabe zu sein, soweit sie für die Beurteilung von schweren Disziplinarverstössen zwei richterliche Instanzen vorsehen und für die Bildung der ersten Instanz 7--8 Disziplinargerichtsbezirke mit ebensovielen Disziplinarkammern ins Auge fassen. Ein anderer Vorschlag will gar nach Verwaltungszweigen organisieren und demgemäss entsprechend der bestehenden Kreiseinteilung 5 Disziplinarkammern der Bundesbahnen, 11 Disziplinarkammern der Post, 6 Disziplinarkammern der Zollverwaltung und 4 Disziplinarkammern des Telegraphs, zusammen 26 Kammern erster Instanz, und sodann für die 5 Verwaltungen und die Beamten der Zentralverwaltung zusammen 6 Kammern zweiter Instanz bilden. Ein solcher Vorschlag erschien uns unannehmbar, aber auch die Schaffung von 8 Disziplinargerichten erster und einem zweiter Instanz würde eine unpraktische Zersplitterung der Rechtsprechung und eine Komplikation bedeuten, welche kaum im Interesse der Sache liegen dürfte.

Wenn die Eingabe des Föderativverbandes auf die Einrichtungen in Deutschland und Frankreick als Vorbilder verweist, so wird dabei das entscheidende Moment übersehen, dass die

350 Beamtenschaften daselbst als Berufsstände organisiert sind, mit besondern Standesanschauungen und einer besondern Standesehre; dem entspricht dann auch die Auffassung, dass nur die Standesgenossen qualifiziert seien, über Disziplinarmassregeln gegenüber einem Standesgenossen zu erkennen, und dass daher die Disziplinargerichte als Standesgerichte organisiert sein müssen. Das widerspricht unserm demokratischen Empfinden und ist für unsere Verhältnisse unannehmbar. Die Verweisung auf französische Vorbilder ist um so unangemessener, da dort der Disziplinarrat eine ganz andere Stellung einnimmt, als sie die Beamten dem Disziplinargerichtshof ' geben wollen, indem er lediglich konsultative Bedeutung hat und die Verwaltungsbehörde an seine Gutachten nicht gebunden ist.

Die Art der zu entscheidenden Fragen, die Parität der Rechtsstellung, die im Verfahren den Beamten gegenüber der Verwaltung gewährleistet werden soll, und die Verpflichtung des Richters zur Erforschung der materiellen Wahrheit von Amtes wegen bieten der Beamtenschaft ausreichende Garantien, auch wenn nur e i n e Instanz vorgesehen und wenn als diese Instanz das eine zu instituierende Verwaltungsgericht bezeichnet würde, eine Lösung, die sich natürlich auch vom Standpunkte einer tunlichst einfachen Organisation der für unsere Verhältnisse neuen Einrichtung empfehlen dürfte.

VII.

Zur Errichtung eines Verwaltungsgerichtes bedarf es der R e v i s i o n d e r B u n d e s v e r f a s s u n g a u s verschiedenen Gründen.

Einmal sieht die Bundesverfassung als ,,Bundesbehördeaa, d. h. höchste einander koordinierte Behörden nur die Bundesversammlung, den Bundesrat und das Bundesgericht vor. Sodann widerspricht es der Verteilung der Gewalten, wie sie die Bundesverfassung festgelegt und die Gesetzgebung seither festgehalten hat, dass die dem Bundesrate unterstellte Verwaltung der Kontrolle seitens einer ändern Behörde unterliege. Nach gegenwärtigem Verfassungsrecht können die Verwaltungsakte des Bundesrates oder der ihm untergeordneten Verwaltungsorgane nicht vom Bundesgericht überprüft werden; selbst die Bundesversammlung hat nicht die Kompetenz, Verwaltungshandlungen des Bundesrates aufzuheben oder «abzuändern ; sie kann sie nur der Kritik unterstellen, den Bundesrat zur Verantwortung ziehen und ihm

351

Weisungen für die Zukunft erteilen. Die Verwaltungsgerichtsbarkcit besteht aber in der Rechtskontrolle der Verwaltung durch eine ausserhalb der Verwaltung stehende Behörde. Deshalb müsste die Bundesverfassung auch dann revidiert werden, wenn man das Bundesgericht mit der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit betrauen wollte.

Endlich ist es zur Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, welche geeignet ist, die Departementsvorsteher und den Bundesrat wirksam zu entlasten, wie oben ausgeführt wurde, erforderlich, dass die Departemente oder Verwaltungsabteilungen Entscheidungen treffen können, die dann direkt an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden können. Diese Delegation an die Departemente und Verwaltungsabteilungen widerspricht aber 'dem Art. 103 der Bundesverfassung, wie er bisher ausgelegt worden ist. Die Bundesgesetze und namentlich der Bundesbeschluss vom 21. August 1878, ergänzt durch den Bundesratsbeschluss vom 9. April 1897, haben zwar den Departementen schon vielerlei Befugnisse delegiert, aber stets unter ausdrücklichem Vorbehalt des endgültigen' Entscheides des Bundesrates.

Wenn dieser Vorbehalt nun wegfallen soll -- und er muss wegfallen, wenn wir nicht statt einer Vereinfachung eine Komplikation des Verfahrens haben wollen -- so wird Art. 103 abgeändert werden müssen.

Wir schlagen vor, der Bundesverfassung unter Z i f f e r I V b i s des z w e i t e n A b s c h n i t t e s einen Art. 114bls einzufügen und Art. 103 durch einen zweiten Absatz zu ergänzen.

Die beiden Zusätze sollen folgendermassen lauten : Art. 114bis. Ein e i d g e n ö s s i s c h e s V e r w a l t u n g s gericht beurteilt die ihm durch die Bundesgesetzgebung zugewiesenen Verwaltungsstreitsachen und Disziplinarfälle.

Die Organisation des eidg enössisch en V e r w a l tungsgerichtes wird d u r c h das Gesetz bestimmt.

Art. 103, A b s a t z 2. Der B u n d e s g e s e t z g e b u n g bleibt jedoch vorbehalten, die von ihr näher bezeichne ten Geschäfte den Departementen oder den d i e s e n u n t e r g e o r d n e t e n A m t s s t e l l e n z u r Erledigung zu übertragen.

Zu Art. 114bis. Der erste Absatz weist dem Verwaltungsgericht die Beurteilung von Verwaltungsstreitsachen und Disziplinarfällen Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. V.

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zu. Sache des Ausführungsgesetzes wird es sein, die Kompetenzen im einzelnen zu umschreiben. Mit, dem Ausdruck ,,Verwaltungsstreitsachen"' wollen wir sowohl dici Streitigkeiten zwischen eidgenössischen Verwaltungsbehörden und Privatpersonen wegen Verletzung eidgenössischen Verwaltungsrechtes bezeichnen, als auch die Administrativstreitigkeiten zwischen Privaten und kantonalen Behörden, wie sie Art. 113, Absatz 2, und 85, Ziffer 12, der Bundesverfassung erwähnen und wie sie Art. 189 des Organisationsgesetzes näher umschreibt. Die Administrativstreitigkeiten dieser Art könnten also in beliebigem Umfange durch das Ausführungsgesetz dem Verwaltungsgericht überwiesen werden.

Wir schlagen vor, dem Verwaltungsgericht gleichzeitig die Funktionen eines eidgenössischen Disziplinargerichtes zu übertragen. Wir gehen dabei von der Annahme aus, dass das Verwaltungsgericht als Disziplinargericht nur in den Disziplinarfällen zu urteilen haben soll, in denen von der einleitenden Verwaltungsbehörde die Verhängung einer schwereren Disziplinarstrafe ins Auge gefasst wird. Indessen wird es auch hier Sache des Gesetzgebers sein, die Kompetenzen abzugrenzen.

Indem Art. 114bis von e i n e m Verwaltungsgericht spricht, schreibt er vor, dass die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbarkeit einer einzigen, gerichtlich organisierten Behörde übertragen werde; er schliesst es also aus, dass bei den einzelnen Verwaltungszweigen besondere Rekurskommissionen mit der Entscheidung der Verwaltungsstreitigkeiten betraut werden. Wir würden, wie oben bemerkt, diese Zersplitterung der Kompetenzen nicht für erspriesslich halten ; alle die Vorteile, die wir für die Pflege des Verwaltungsrechtes vom Verwaltungsgericht erwarten, würden dabei verloren gehen.

Die O r g a n i s a t i o n des Verwaltungsgerichtes bleibt ganz der Gesetzgebung vorbehalten. Wir haben den vorgeschlagenen Verfassungsartikel absichtlich so weit gefasst, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit behält, unter verschiedenen Lösungen frei zu wählen. Nur die Lösung, das Bundesgericht als solches mit der eidgenössischen Verwaltungsrechtssprechung zu betrauen, haben wir aus den früher entwickelten Gründen ausgeschlossen. Unser Vorschlag erlaubt, entweder ein Verwaltungsgericht mit eigenem ständigem Richterpersonal zu errichten, oder aber ein solches, bei dem alle Mitglieder oder
wenigstens ein Teil von ihnen das Verwaltungsrichteramt nur als Nebenamt bekleiden. In diesem Falle könnte in erster Linie an die Heranziehung richterlicher oder Verwaltungsorgane aus den Kantonen gedacht werden. Es

353 würde aber auch möglich sein, nur für eine oder einzelne der Richterstellen ständige Richter zu wählen, welche dieses Amt als Hauptamt bekleiden, die anderen Stellen aber, sofern man unsern in anderm Zusammenhang geäusserten Bedenken keine überzeugende Kraft beimisst, mit Mitgliedern des Bundesgerichts, nebenamtlieh zu besetzen und so eine Art Personalunion zwischen Verwaltungsgericht und Bundesgericht herzustellen.

Nach der vorgeschlagenen Fassung muss die Beurteilung der Disziplinarfälle, soweit sie den Verwaltungsbehörden entzogen wird, dem Verwaltungsgericht übertragen werden. Wir halten es für wünschenswert, dass diese Befugnis einer Behörde übertragen werde, die an die richterliche Tätigkeit gewohnt ist und als Gericht ein gewisses Ansehen geniesst ; unsere Fassung schliesst aber, wie schon in anderm Zusammenhang betont, nicht aus, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung von Disziplinarsachen Vertreter der Verwaltung und der Beamten als Beisitzer beiziehe.

Dagegen schliesst sie aus eingehend erörterten Gründen aus, dass das Verwaltungsgericht die Disziplinarsachen bloss in zweiter Instanz beurteile, und dass als erste Instanz eine Reihe von Disziplinarkammern, sei es für bestimmte regionale Gebiete, sei es für bestimmte Verwaltungszweige, errichtet würden.

Der vorgeschlagene Verfassungsartikel enthält keine ausdrückliche Bestimmung, dass das Gesetz auch das Verfahren, nach dem das Verwaltungsgericht zu urteilen haben wird, zu ordnen hat. Es ist das in Hinsicht auf das Bundesgericht auch nicht gesagt und dürfte sich von selbst ergeben.

Zu Art. 103, Abs. 2. Wir haben schon ausgeführt, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit notwendig eine Verschiebung der Kompetenzen zwischen dem Bundesrat und den ihm unterstellten Amtsstellen mit sich bringt, da wir es nicht als angemessen erachten würden, wenn die Beschlüsse des Bundesrates als Gesamtbehörde an das Verwaltungsgericht gezogen werden könnten.

Die vorgeschlagene Bestimmung soll dem Gesetzgeber ermöglichen, den Departementen und gewissen diesen untergeordneten Amtsstellen bestimmte Geschäfte zur endgültigen Erledigung zu übertragen. Wie schon bemerkt, hat der Bundesrat in Ausführung des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 den Departementen und Verwaltungsabteilungen schon weitgehende Kompetenzen delegiert und steht im Begriffe, zu seiner dringend notwendig gewordenen Entlastung noch weitere zu delegieren. Das Neue in dem vorgeschlagenen Zusätze besteht nun aber darin,

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dass die Departemente und ändern Verwaltungsstellen vorbehaltlich des Rekurses an das Verwaltungsgericht endgültig entscheiden.

An die Stelle der endgültigen Entscheidungsbefugnis des Bundesrates tritt nun eben, wenigstens virtuell, die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts. Die erforderliche Delegation zur endgültigen administrativen Erledigung kann nur im Wege der Gesetzgebung, nicht, wie jetzt nach Art. 20, Abs. 2, des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878, durch blosse Schlussnahme des Bundesrates vorgenommen werden.

Die Departemente und ändern Verwaltungsstellen werden übrigens auch im Rahmen der ihnen delegierten Entscheidungsbefugnisse der Aufsicht des Bundesrates nicht entrückt sein ; denn der Bundesrat wird ihnen, soweit sie nicht durch Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes gebunden sind, immer noch Weisungen über die Erledigung dieser Geschäfte erteilen können.

Mit diesen Garantien umgeben, wird die dem Gesetzgeber eingeräumte neue Befugnis zu keinen Bedenken Anlass geben.

Andere Bestimmungen der Bundesverfassung brauchen nicht abgeändert zu werden. Da die Bundesverfassung nicht selbst vorschreibt, welche Rekursstreitigkeiten gegen kantonale Behörden als Administrativstreitigkeiten an den Bundesrat und an die Bundesversammlung gelangen sollen, kann die Bundesgesetzgebung solche Streitigkeiten an das Verwaltungsgericht überweisen, ohne dass die Art. 85, Ziffer 12, und 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung revidiert zu werden brauchten.

In Art. 102, Ziffer 2, neben der Entscheidungsbefugnis des Bundesgerichtes auch die des Verwaltungsgerichtes vorzubehalten, scheint nicht nötig, da sich der Vorbehalt genügend aus Art. 114bis ergibt. Aus dem gleichen Grunde braucht auch in Ziffer 5 ·des gleichen Verfassungsartikels nicht beigefügt zu werden, dass der Bundesrat auch die Urteile des Verwaltungsgerichtes zu vollziehen haben wird; er vollzieht jetzt schon die Beschlüsse der eidgenössischen Schätzungskommissionen, ohne dass ihn eine Verfassungsvorschrift ausdrücklich damit beauftragte.

Der in Ziffer 15 des Art. 102 aufgestellte Grundsatz, dass der Bundesrat die Aufsicht über die Geschäftsführung aller Beamten und Angestellten der eidgenössischen Verwaltung auszuüben hat, wird durch die disziplinarischen Kompetenzen des

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Verwaltungsgerichtes nicht umgestossen, sondern nur unerheblich eingeschränkt ; denn es. bleibt nach wie vor Rechtens, dass die Beamten und Angestellten dea Weisungen ihrer vorgesetzten Behörden, in letzter Instanz des Bundesrates, zu folgen, und dass sie dem Bundesrat für ihre Geschäftsführung Rede und Antwort zu stehen haben.

Endlich haben wir davon abgesehen, dem Art. 106. welcher die Ausübung der Rechtspflege dem Bundesgericht überträgt, einen Vorbehalt zu gunsten des Verwaltungsgerichtes beizufügen, da sich dies aus Art. 114bis von selbst ergibt.

Alle diese Änderungen könnten in einer Totalrevision der Bundesverfassung ohne Schwiei igkeit angebracht werden ; bei der gegenwärtigen, zu einem ganz speziellen Zweck unternommenen Partialrevision empfiehlt es sich aber, um nicht Missverständnisse entstehen zu lassen, die Abänderungen auf möglichst wenig Artikel zu beschränken.

Da die beiden neuen Verfassungsbestimmungen, die wir Ihnen vorschlagen, dem gleichen Zweck dienen und in einem innern Zusammenhange stehen, so müssen sie als e i n e Vorlage dem Volke und den Ständen vorgelegt werden können.

Wir empfehlen Ihn«n den nachstehenden Beschlussentwurf zur Annahme und benutzen den Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 20. Dezember 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Revision der Bundesverfassung durch Aufnahme eines Art. 114bis und Abänderung des Art. 103.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. Dezember 1911 ; in Anwendung der Art. 84, 85, Ziffer 14, 118 und 121 der Bundesverfassung, beschliesst: A. 1. In die Bundesverfassung wird im zweiten Abschnitt als Unterabschnitt IVbis unter dem Titel ,,Organisation und Befugnisse des eidgenössischen Verwaltungsgerichtes. " folgende Bestimmung aufgenommen : Art. 114bis. Ein eidgenössisches V e r w a l t u n g s gericht b e u r t e i l t d i e i h m d u r c h d i e B u n d e s g e s e t z g e b u n g z u g e w i e s e n e n VerwaltungStreits a c h e n und Disziplinarfälle.

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Die Organisation des eidgenössischen Verwaltungsgerichtes wird durch das Gesetz bestimmt.

2. Dem Art. 103 der Bundesverfassung wird folgender zweiter Absatz beigefügt: Art. 103, Absatz 2. Der B u n d e s g e s e t z g e b u n g bleibt jedoch vorbehalten, die von ihr näher b e z e i c h n e t e n Geschäfte den D e p a r t e m e n t e n oder den diesen u n t e r g e o r d n e t e n Amtsstellen zur Erledigung zu übertragen.

B. Dieser Beschluss ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

C. Der Bundesrat ist beauftragt, die für Vollziehung dieses Beschlusses erforderlichen Massnahmen zu treffen.

Anmerkung. Art. 103 wird nach der Annahme des obigen Beschlusses wie folgt lauten: Art. 103. Die Geschäfte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Diese Einteilung hat aber einzig zum Zweck, die Prüfung und Besorgung der Geschäfte zu fördern ; der jeweilige Entscheid geht von dem Bundesrate als Behörde aus.

Der Bundesgesetzgebung bleibt jedoch vorbehalten, die von ihr näher bezeichneten Geschäfte den Departementen oder den diesen untergeordneten Amtsstellen zur Erledigung zu übertragen.

-SKO*?.-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Errichtung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichtes. (Vom 20.

Dezember 1911.)

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