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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Führung der Güterrechtsregister.

(Vom 22. September 1911.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Seit Erlass unserer Verordnung betreffend das Güterrechtsregister, vom 27. September 1910, sind im Gebiete des ehelichen Güterrechts einige Fragen aufgetaucht, die zum Teil für die Registerführung von Bedeutung sind und uns deshalb, in unserer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde über die Registerführung, veranlassen, dazu Stellung zu nehmen. Es handelt sich um folgende Punkte : 1. Die E i n t r a g u n g von E h e v e r t r ä g e n , die von S c h w e i z e r n i m A u s l a n d a b g e s c h l o s s e n w e r d e n . DieFrage der Eintragung solcher Eheverträge im Register der Heimat hat bereits die Verordnung betreffend das Güterrechtsregister in dem Sinne entschieden, dass eine derartige Eintragung n i c h t e r f o r d e r l i c h sein soll, um den von Schweizern im Ausland abgeschlossenen Eheverträgen Wirkung gegenüber Dritten zu verleihen (Art. 39, Absatz l, der Verordnung). Die Schweizer, die im Ausland wohnen, sollen unter allen Umständen ihren Eheverträgen Wirksamkeit gegenüber Dritten nach den Grundsätzen des ausländischen Rechts verschaffen können, und diese Gleichstellung der Schweizer mit den Angehörigen des auswärtigen Staates soll in der angedeuteten Richtung selbst dann stattfinden, wenn sonst nach internationalrechtlichen Grundsätzen das Heimatrecht, also schweizerisches Recht, zur Anwendung käme. Diese von der Verordnung getroffene Lösung der Frage soll vor allem

213 die Stellung der Schweizer im Auslande mit Bezug auf ihr eheliches Güterrecht erleichtern ; sie findet aber ihre Rechtfertigung auch in dem weiteren Umstand, dass das Güterrechtsregister als Publizitätseinrichtung in wirksamer Weise regelmässig nur solchen Ehegatten dienen kann, die im Registerbezirk ihren Wohnsitz haben.

Dagegen wird nun durch die Verordnung die weitere Frage nicht ausdrücklich entschieden, ob die Eintragung von Eheverträgen, die von Schweizern im Ausland geschlossen werden, im Register der Heimat nicht dennoch m ö g l i c h sein soll. Es ist sehr wohl denkbar, dass Schweizer im Ausland mit Rücksicht auf ihren geschäftlichen Verkehr mit der Schweiz ein namhaftes Interesse haben, ihre güterrechtlichen Verhältnisse auch in der Heimat bekannt zu machen, und deshalb die Zulassung ihrer Eheverträge zum Güterrechtsregister der Heimat wünschen müssen. Ferner wird man unseren Landsleuten im Ausland, die aus besonderer Vorsicht oder aus anderen Gründen eine Eintragung ihrer Eheverträge in das heimatliche Güterrechtsregister begehren, diese Eintragung kaum verwehren wollen.

Diese Erwägungen veranlassen uns, das G ü t e r r e c h t s register auch den Schweizern im Ausland für ihre Eheverträge zu öffnen und deren Eintragung ohne weiteres zuzulassen, sobald die a l l g e m e i n e n Vora u s s e t z u n g e n d e r E i n t r a g u n g s f ä h i g k e i t (Art. 1 0 d e r V e r o r d n u n g ) gegeben sind und i m w e i t e r e n der nach ausländischem Recht abgeschlossene Ehevertrag dem ehelichen Güterrecht des schweizer i s c h e n Z i v i l g e s e t z b u c h e s n i c h t w i d e r s p r i c h t (vgl.

auch Art. 39, Absatz 2, der Verordnung).

Die Sachlage würde sich demnach mit Bezug auf diesen ersten Punkt so gestalten, dass die Schweizer im Ausland, wenn sie ihren güterrechtlichen Abreden Wirkung gegenüber Dritten verleihen wollen, zwar nicht genötigt sind, ihre Eheverträge im Heimatkanton in das Güterrechtsregister eintragen zu lassen, wohl aber das Recht besitzen, im einzelnen Fall diese Eintragung zu verlangen.

2. Die E i n t r a g u n g von E h e v e r t r ä g e n , die von S c h w e i z e r n i m A u s l a n d v o r d e m e r s t e n J a n u a r 1912 a b g e s c h l o s s e n w o r d e n s i n d . Art. 10 des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches bestimmt, dass ein vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches abgeschlossener Ehevertrag auch nach diesem Zeitpunkte seine Gültigkeit behält, aber nach dem Inkrafttreten

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Wirkung Dritten gegenüber nur durch die rechtzeitige Anmeldung beim Giiterrechtsregister bekommt. Nach den vorstehenden Ausführungen wird diese Regel zwar wiederum auf die schweizerischen Ehegatten im Ausland keine Anwendung finden, indem ja die Verordnung Art. 39, Absatz 1) in dieser Beziehung auf das ausländische Recht abstellt. Dennoch scheint es uns zweckmässig, wenn auch die von Schweizern vor dem 1. Januar 1912 im Ausland abgeschlossenen Eheverträge zur Eintragung in das Güterrechtsregister der Heimat entgegengenommen werden. Es entspricht dies durchaus der oben unter Ziffer l dargelegten Auffassung.

3. D i e g e m e i n s a m e n E r k l ä r u n g e n d e r E h e g a t t e n über die Beibehaltung des bisherigen Gütorstandes mit W i r k u n g g e g e n D r i t t e . Gemäss Artikel 9, Absatz 2, des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches und Art. 41 der Verordnung über das Güterrechtsregister sind diese Erklärungen der Ehegatten in gleicher Weise in das Güterrechteregister einzutragen wie die nach dem 1. Januar 1912 geschlossenen Eheverträge. Es fragt sich nun, ob diese Gleichbehandlung sich auch im weiteren darin äussern soll, dass diese gemeinsamen Erklärungen wie die Eheverträge v e r ö f f e n t l i c h t werden müssen (Art. 33 und 34 der Verordnung). Diese Frage ist unseres Erachtens zu verneinen. Es ergibt sich dies vor allem aus einer Vergleichung der Gesetzestexte (Schlusstitel, Art. 9, Absatz 2, im Gegensatz zum Zivilgesetzbuch, Art. 248), und sodann sprechen auch praktische Erwägungen gegen die obligatorische Veröfientlichung dieser gemeinsamen Erklärungen : Einerseits bezwecken diese Erklärungen der Ehegatten ja nur eine Fortsetzung des bisherigen Güterrechtsverhältnisses und haben somit keine Änderung der Haftungsverhältnisse zur Folge ; anderseits dürfte die unter Umständen grosse Zahl der abgegebenen Erklärungen gegen das Erfordernis der Veröffentlichung sprechen. D e m g e m ä s s wird von B u n d e s wegen eine V e r ö f f e n t l i c h u n g dieser Erklärungen der Ehegatten in den k a n t c n a l e n Publikationsorganen nicht verlangt, und es hat auch die V e r ö f f e n t l i c h u n g im s c h w e i z e r i s c h e n Hand e l s a m t s b l a t t , die in Art. 34, Absatz l, der Verordnung für gewisse Fälle unter dem neuen Recht vorgesehen iist, b e i d i e s e n g e m e i n s
a m e n E r k l ä r u n g e n a u s d e r Übergangszeit nicht Platz zu greifen.

Aus den gleichen Gesichtspunkten hat die Veröffentlichung von Eheverträgen zu unterbleiben, die unter dem bisherigen

215 Rechte abgeschlossen wurden und im Sinne von Art. 10 des Schlusstitels vor dem 1. Januar 1912 beim Güterrechtsregister angemeldet oder von Amtes wegen übertragen werden.

4. Die gemeinsamen E r k l ä r u n g e n der E h e gatten über die Unterstellung ihrer i n t e r n e n güterrechtlichen Verhältnisse unter das n e u e Recht.

Art. 9, Absatz 3, des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches schreibt vor, dass die Ehegatten, die noch, unter dem bisherigen Rechte die Ehe eingegangen haben, durch Einreichung einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung bei der zuständigen Behörde ihre Rechtsverhältnisse auch unter sich dem neuen Rechte unterstellen können.

Die kantonalen Einführungsgesetze zum Zivilgesetzbuch bezeichnen die zuständigen Behörden. Einige kantonale Einführungsgesetze haben ausserdem noch die Vorschrift aufgenommen, dass diese gemeinsamen Erklärungen innerhalb bestimmter Frist und noch vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches eingereicht werden sollen. Es wird ja in der Tat den Verhältnissen entsprechen und im Interesse der Ordnung sogar wünschenswert sein, dass diese Erklärungen der Ehegatten in der Hauptsache beim -Inkrafttreten des neuen Rechts bei der zuständigen Amtsstelle vorliegen. Aus diesem Grunde haben wir auch bei der Genehmigung der kantonalen Einführungsgesetze gegen derartige Ordnungsvorschriften keinen Widerspruch erhoben.

"Wir benützen jedoch gerne den Anlass, um in dieser Beziehung festzustellen, · dass diese kantonalen Vorschriften nur als reine Ordnungsmassnahrnen aufgefasst werden dürfen, und dass in materieller Hinsicht einzig die Bestimmung des Schlusstitels Art. 9, Absatz 3, des Zivilgesetzbuches massgebend ist. D a nach steht es den Ehegatten frei, auch nach dem I n k r a f t t r e t e n des Zivilgesetzbuches j e d e r z e i t diese g e m e i n s a m e E r k l ä r u n g vor Amt a b z u g e b e n und dadurch auf einfache Weise, ohne Abschluss eines Ehevertrages, die Anwendung des neuen Rechtes für ihre güterrechtlichen und erbrechtlichen Beziehungen herbeizuführen.

Schliesslich ersuchen wir Sie, die Güterrechtsregisterführer und diejenigen Amtsstellen, denen die erwähnten gemeinsamen Erklärungen der Ehegatten im Sinne von Zivilgesetzbuch, Schlusstitel, Art. 9, Absatz 3, einzureichen sind, ausdrücklich auf den Inhalt dieses Kreisschreibens hinzuweisen und auch in anderer Weise für die Anwendung der aufgestellten Grundsätze besorgt zuYsein.

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Wir benutzen auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 22. September 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rächet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Führung der Güterrechtsregister. (Vom 22. September 1911.)

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