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Schweizerisches Bundesblatt.

63. Jahrgang.

III.

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No 29

19. Juli

1911.

Bundesratsbeschluss betreffend

die Eingabe der schweizerischen Sektion der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz (Berufskrankheiten).

(Vom 9. Juni 1911.)

Der schweizerische Bundesrat, nach Einsicht einer Eingabe des Bureaus und der schweizerischen Sektion der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, vom 28. Februar 1911, des Gutachtens der eidgenössischen Fabrikinspektoren, vom 16. Mai 1911, in Erwägung: Die internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz hat sich seit ihrem Bestehen die Bekämpfung von Berufskrankheiten zur Aufgabe gemacht. Zufolge der Beschlüsse ihrer VI. Delegiertenversammlung (Lugano, 26.--28. September 1910) legt die schweizerische Sektion (schweizerische Vereinigung zur Förderung des internationalen Arbeiterschutzes) in Verbindung mit dem Bureau der Vereinigung dem Bundesrate folgende Postulate vor : 1. Erlass eines Verbots der Verwendung von Bleifarben für Innenanstriche beim Malergewerbe ; Aufstellung der Vorschrift, dass im Handel Bleifarben mit der Bezeichnung ,,bleihaltig und giftig" versehen werden.

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2. Berücksichtigung der von der internationalen Vereinigung aufgestellten ,,Grundzüge" a. für die Regelung der hygienischen Verhältnisse in Druckerei- und Schriftgiesserei-Betrieben, b. für die Regelung der hygienischen Verhältnisse in keramischen Betrieben, G. betreffend Caissonarbeit in den zu erlassenden Vorschriften betreffend Verhütung von Berufskrankheiten.

Diese Bemühungen verdienen durchaus Anerkennung. Es ist zu erwarten, dass sie im Verein mit der aufklärenden Tätigkeit der hygienischen Wissenschaft eine fortschreitende Verbesserung der Zustände in den einzelnen Staaten herbeiführen werden, ohne das Mittel internationaler Abmachungen, die sich für dieses Gebiet weniger eignen, da hier die internationale Konkurrenz nicht die Hauptrolle spielt.

Von Bundes wegen ist der Bekämpfung der Berufskrankheiten von jeher Aufmerksamkeit gewidmet worden. An dieser Stelle seien besonders erwähnt : die Belehrung für die Arbeiter in denjenigen Betrieben, in welchen Blei und dessen Verbindungen verarbeitet oder verwendet werden, vom eidgenössischen Fabrikinspektorat aufgestellt am 13. August 1897 (Kommentar zum Fabrikgesetz S. 96), die Anleitung zur Verhütung von gesundheitlichen Gefahren in Buchdruckereien und Schriftgiessereien, vom eidgenössischen Fabrikinspektorat aufgestellt am 12. Februar 1898 (Kommentar S. 104), der Beschluss des Bundesrates betreffend den Ausschluss der Verwendung von Bleiweiss für den Inneoanstrich bei Malerarbeiten, welche die Verwaltungsabteilungen des Bundes vergeben oder ausführen, vom 30. Juni 1908 (Bundesbl. IV, 372).

In den Fabriken lässt es sich das Fabrikinspektorat überdies angelegen sein, von Fall zu Fall auf die Verhütung von Berufskrankheiten hinzuwirken. Nichtsdestoweniger muss darauf Bedacht genommen werden, neue allgemeine Vorschriften aufzustellen oder bestehende in Wiedererwägung zu ziehen. Bin Hindernis besteht aber stets noch fort, nämlich der Umstand, dass der Bund nur befugt ist, für die Fabriken und für die der Haftpflichtnovelle unterstellten Unternehmungen solche Vorschriften aufzustellen (Art. 2 des Fabrikgesetzes, Art. 5 der Haftpflichtnovelle). Diese können gerade im Malergewerbe die zahlreichen kleinen Betriebe nicht erfassen. Eine viel günstigere Sachlage ergibt sich aus dem vor dem Abschluss stehenden Bundesgesetze über die Kranken- und Unfallversicherung, indem es das Bau-

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gewei'be (Inbegriffen Malergewerbe) ohne Rücksicht auf die Arbeiterzahl, sowie die Fabriken in die obligatorische Versicherung gegen Unfälle und Berufskrankheiten und damit in die Fürsorge zur Verhütung solcher einbezieht, und in der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ein Organ schafft, das diese Krankheiten zu bekämpfen berufen ist, wirksame Mittel zu diesem Zwecke besitzt, und die Aufgabe um so gründlicher lösen wird, als sein eigenstes Interesse dies erheischt. Es erscheint somit als geboten, das Inkrafttreten des Versicherungsgesetzes abzuwarten (vgl. die Begründung zum erwähnten Beschluss des Bundesrates vom 30. Juni 1908).

Zum gleichen Schlüsse gelangen die Fabrikinspektoren. Aus ihren Verhandlungen, bei denen Herr Dr. 0. Roth, Professor für Hygiene am eidgenössischen Polytechnikum, als Experte mitwirkte, ergibt sich überdies, dass die Verhältnisse hinsichtlich der Berufskrankheiten in der Schweiz sich gebessert haben, und dass es nicht angeht, ungünstigere Angaben für ausländische Staaten für unser Land als beweiskräftig anzusehen. Was die Bleifarben betrifft, so ist die Frage der Entbehrlichkeit noch nicht genügend abgeklärt.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die im Gange befindliche Revision des Fabrikgesetzes auch die Revision der bestehenden Anleitungen und die Aufstellung neuer Anleitungen oder Vorschriften für Verhütung von Berufskrankheiten nach sich ziehen wird. Hierbei sollen die eingereichten Vorschläge (s. oben Ziffer 2, lit. a und 6) zu Rate gezogen werden. Die Verhältnisse in den Kleinbetrieben, die nicht unter das Fabrikgesetz fallen, sind in der Gewerbegesetzgebung des Bundes zu berücksichtigen ; beschliesst: Die Eingabe wird im Sinne der Erwägungen als erledigt erklärt.

B e r n , den 9. Juni

1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

i

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Bundesratsbeschluss betreffend die Eingabe der schweizerischen Sektion der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz (Berufskrankheiten). (Vom 9.

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