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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1910.

(Vom 18. Februar 1911.)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Gemäss Art. 47 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beehren wir uns, Ihnen über unsere Amtstätigkeit im Jahre 1910 folgendes zu berichten :

A. Allgemeines; Personelles.

Im Bestand des Gerichtes sind keine Änderungen eingetreten.

Der französische Gerichtsschreiber Herr Dr. Emil de Weiss, der seit der Schaffung des ständigen Bundesgerichtes, 1. Januar 1875, im Amte stand, ist aus Alters- und Gesundheitsrücksichten Tim die Entlassung von seiner Stelle eingekommen, die ihm gewährt wurde. Das Gericht beschloss jedoch gleichzeitig, mit Rücksicht auf die langjährige Amtstätigkeit und die persönlichen Verhältnisse des Herrn de Weiss, ihn zu besondern Bedingungen zur Aushülfe bei den französischen Gerichtsschreiber- und Sekretärgeschäften und zu Übersetzungen anzustellen. Der Beschluss wurde Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. L

43

606 im Einverständnis mit dem Bundesrate gefasst und dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement zuhanden des eidgenössischen Finanzdepartementes und der eidgenössischen Räte mitgeteilt. An Stelle des Herrn de Weiss wurde Herr Dr. Robert Guex,, Advokat in Lausanne, zum französischen Gerichtsschreiber ernannt.

Der Gerichtssekretär Herr Dr. Hermann Becker hat infolge seiner Wahl zum Kantonsrichter von St. Gallen seine Entlassung eingereicht und erhalten. An seine Stelle wurde gewählt Herr Dr. Paul Kind, Advokat in Zürich.

Im Bestände der ordentlichen Angestellten ist eine einzige Änderung eingetreten, indem zufolge der im Jahre 1909 erfolgten Beförderungen die Stelle eines Kanzleigehülfen neu besetzt wurde, und zwar in der Person des Herrn William Hartmann in Lausanne. Der Aushülfsweibol Herr Trollux, der seit 1875 dem Gerichte als Weibel und Abwart gedient hatte, ist im September gestorben. Und ihm ist bald Herr Schreiber, der ebenfalls seit 1875 als Archivar und Registratur dem Gerichte angehört hatteund im Jahre 1909 zurückgetreten war, nachgefolgt.

Organisation.

Zum Entwurf des Herrn Bundesrichter Dr. Joeger zu einer Revision des Organisationsgesetzes, der dorn Bundesgerichte zugestellt worden war, um sich dazu vernehmen zu lassen, hat dieses auf Vorschlag einer dazu bestellten Kommission dem Bundesrat einen Bericht erstattet. Das Bundesgcricht nimmt darin zum Entwurf im wesentlichen in zustimmendem und empfehlendem Sinne Stellung und schlägt, neben einigen mehr untergeordneten Punkten, nur eine erhebliche Änderung vor, nämlich eine Umgestaltung des Rechtsmittels der Berufung in Zivilsachen im Sinne der Beschränkung der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts auf Rechtsfragen und auf die Beschwerdegründe. Sieben Mitglieder des Gerichts, darunter der Redaktor des Entwurfes, haben sich in einem dem Bundesrat eingereichten Separatbericht gegen diesen Vorschlag ausgesprochen.

Durch Zuschrift vom 14. November teilte der Bundesrat dem Bundesgericht mit, das Justiz- und Polizeidepartement haltedie ursprünglich in Aussicht genommene Totalrevision des Organisationsgesetzes, wenn anders das revidierte Gesetz auf den I.Januar 1912 oder auf den Anfang des Jahres 1912 in Kraft treten solle, nicht für durchführbar ; er teile diese Auffassung;

607

und sei deshalb der Meinung, die Organisation sei nur in dem Sinne partiell zu revidieren, dass diejenigen Änderungen und Ergänzungen vorgenommen werden, welche das neue Zivilgesetzbuch nötig macht, und dass Bestimmungen hinzugefügt werden, die einen Teil der zur Stunde dem Bundesrat als staatsrechtlicher Rekursinstanz zustehenden Kompetenzen dem Bundesgericht übertragen. Er übermittelte dem Bundesgericht gleichzeitig einen von Herrn Professor Dr. W. Burckhardt in Bern verfassten Entwurf für eine solche Partialrevision, mit dem Ersuchen, ein Gutachten dazu einzusenden. Das Bundesgei'icht hat diesem Wunsche entsprochen und mit Zuschrift an den Bundesrat vom 20. Dezember seine Bemerkungen zu dem Burckhardtschen Entwurf eingereicht. Darin hielt es zwar an dem geäusserten Standpunkt fest, dass eine Totalrevision am Platze gewesen wäre und sprach den Wunsch aus, dass diese auch nach dem Inkrafttreten der Novelle nicht aus den Augen verloren werden möchte, immerhin wurde der bundesrätlichen Auffassung, dass fürs erste eine blosse Partialrevision vorzunehmen sei, nicht positiv entgegengetreten, dies namentlich deshalb nicht, weil es sehr wünschbar ist, dass zu Beginn des Jahres 1912 das zur Bewältigung der neuen Aufgaben des Bundesgerichts nötige Personal in Tätigkeit treten könne, und weil dies bei Vornahme eirier Totalrevision im Sinne der früheren Vorschläge des Bundesgerichts und des Jaegerschen Entwurfes, sowie die Dinge bei Abgabe des Gutachtens lagen, kaum erreichbar schien.

Errichtung eines neuen Bundesgerichtsgebäudes.

Im Jahre 1908 hatte das Bundesgericht dem Bundesrate einen Bericht und Vorschläge über die baulichen Massnahmen erstattet, welche die durch Vermehrung der Kompetenzen des Gerichts notwendig werdende Vermehrung des Personals erfordert, und ein Bauprogramm mit verschiedenen Modalitäten und Eventualitäten ausgearbeitet. Alles beruhte auf der Voraussetzung einer Weiterbenützung des gegenwärtigen Bundesgerichtsgebäudes. Im Jahre 1909 ist dann der Gedanke aufgetaucht, ob nicht ein Neubau die richtige Lösung der Frage sei. Nachdem diese in einer Konferenz zwischen Vertretern des Bundesrates, des Bundesgerichts, der Regierung des Kantons Waadt und des Gemeinderates von Lausanne erörtert worden war, wurde sie weiter durch Verhandlungen zwischen dem Departement des Innern und dem Gemeinderat von Lausanne und dann namentlich

'/M Seite 706.

Generalstabs- II Offiziere")

3. Bestand der Truppenkörper nach Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten auf 1. Januar 1911.

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1. Armeekorps:

2 Korpstruppen Total des 1. Armeekorps 2. Armeekorps: 5.

Korpstruppen Total des 2. Armeekorps 3. Armeekorps: 7 . .

Korpstruppen Total des 3. Armeekorps 4. Armeekorps: 8.

i Korpstruppen Total des 4. Armeekorps Besatzungstruppen vom Gotthard .

,, von St-Maurioe Truppen ausser Armeekorpsverband Total des Auszuges

2 2

397 1,590 412 1,562

9,070 9,893

11,057 11,067

4

809 3,152 18,963

22,924

2 2

432 1,624 412 1,786

10,159 10,881

12,215 13,079

4

844 3,410

21,040

25,294

2 2

425 1,647 402 1,770

9,392 10,114

11,464 12,286

4

827 3,417

19,506

23,750

2 2

414 1,465 352 1,515

8,461 8,229

10,340 10,096

4

766 2,980

16,690

20,436

19 115 144 10 10 22 108 140 53 114 826 993 73 155 1049 1277

47 43 47 137

138 827 107 866 124 840 369 2,533

1,012 1,016 1,011 3,039

i 13 58; 354 ' 425 !

13 57 381 : 451 16 87 318 i 421 42 2021053l!l297

10 22 121 153 10 16 118 144 58 136 813 1007 78 174 1052 1304

61 57 58 176

150 901 156 875 143 867 449 2,643

1,112 1,088 1,068 3,268

13 59 383 455 14 64 380 45b 20 81 341 442 47 204 1104J1355

9 17 109 135 9 21 115 145 62 127 784 973 80 165 1008 1253

55 52 55 162

150 802 132 901 136 851 418 2,554

1,007 1,085 1,042 3,134

12 62 13 59 19 81 44 202

10 17 119 10 17 126 59 121 803 79 155 1048

56 52 58 166

139 853 121 827 136 895 396 2,575

1,048 1,000 1,089 3,137

15 67 395 477 13 54 347 414 72 329 418 17 45 193 1071 1309

146 153 983 1282

3.

,, 4.

Besatzungstruppen vom Gotthard .

,, von St-Maurioe Truppen ausser Armeekorpsverband Total der Landwehr Total per Truppengattung

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22 33 26 31 42 53 15 90 117 15

7 26 318 351 7 7 32 304 343 8 72 408 502 19 62 566 647 3 72 408 502 33 120 1188 1341 18

79 86 3 77 88 1 17 2i 4 173 195

590 1,943 564 2.126 217 563 , 1371 4,632

12,386 13,072 3,226 28,684

14,919 15,762 4,006 34,687

53 88 412. 553 52 65 394 511 27 45 173 245 132 198 979 1309 55 57 46 66 27 36 128 159

384 496 426 538 209 272 1019 1306

3 -- ö! 1 8i 1 IG i 2

26 29 27 33 42 51 21 95 113 2l

6 24 7 24 58 435 514 17 54 58 435 514 30 102

295 325 6 300 331 10 551 622 2 1146 1278 18

3 74 83 2 87 99 1 10 13 6 171 195

571 1,991 11,484 552 2,074 12,328 211 503 ; 3,176 1334 4,568 ' 26,988

14,046 14,954 3,890 32,890

8, 1 7l -

26 35 27 34 42 49 17 95 118 17

6 7 60 318 395 17 60 318 395 30

296 271 541 1108

329 8 298 8 605 3 1232 19

1 76 85 3 71 82 1 9 13 5 156 180

574 1.774' 10,610 497 1,796 10,324 205 473 3,146 1276J 4,043 24,080

12,958 12,617 3,824 29,399

22] 1

27 20 47 94

1,007 1,080 1,082 1,422 679 325

8,344 8,815 8,318 10,395 5,627 2,672

9,520 10,107 9,576 12,036 6,410 3,041

924 5,595

44,171

50,690

4

20 4236 18,880 122,344

34 87 674 553 20 109 616 745 28 75 574 677 30 75 657 762 292 7 41 244 4 71 10 85 56 712 3384 4152 42 232 1,736 2,010 56 712 3425 4193 165 629 4,451 5,245

16 5 45 66

145,460 387 1412 7829 9628 955 2671 17,497 21,123 269 jl

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ii *) Nur die General Stabsoffiziere der Infan teriebi igadeu. Die Stäbe der Hecresei ilieitei sind nur in Tabe leu 1 und 2 berücksichtigt, **) In den Landwehrbestäoden der Airmeek orps s iod auch die Sauitälstrainkompa jnicLi eingerc ebnet, deren Verb md be i der Mobilmachmig auf gelöst und deren R1 aunsc laft ail «lie Korps- und Divisiu ishizarettc, s o\vie w i Landwt hrarul) ulnuze D

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177 554 : 3,368 4,099 136 360 2,165 2,661 182 498 3,256 3,936 5755 18,878 114,988 139,621

Ì IG 15 171 202 6 23 29 5 28 195 228 3 9 12 234 1,137 16 17 153 186 4 34 38 4 22 184 210 4 2 6 261 1,228.

6 14 31 174 219 29 35 4 25 203 232 5 4 9 234 1,213 17 34 241 292 629 35 5 24 238 267 5 11 284 1,555 6 -- ~38 394 448 18 111 510 639 15 15 191 221 8 8 3 15 110 128 2 5 165 899 3 19 113 137 24 90 204 318 14 7 96 117 1 1 1 1 3 94 54 55 2 451 219 1455 1719 125 131 745| 1001 12 2 142 156 11 88 479 578 31 158 1463 1652 1 1 322 1,542 2 266 302 11 88 479 578 53 272 2447 2772 22 2761962 2304 42 201 714J 957 217 250 177l|J2238 34 25 47 1594 8,025 1 |j 1 1172J6714j|8155 235 694 3450.4379 765 988 U062JJ7815 123 16 672 811 86 339 2020 2445 177 713 7386 8276 96 ·ÌO 723 839 7349J26,903 i| 1

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50 60 395 505 8 j 2 30 40 48 68 406 522 6 1 31 38 27 66 175 268 10, 2 39 51 22 125 194 976 1295 2 4 ; 5 100 129 22

78,173

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13,624 14.501 3,824 31,949

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11,168 542 1,914 12,110 553 1.838 184 471 3,169 1279 4.223 ; 26,447

16 3312 13,285

169 212 176 219 104 44

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84 93 74 86 15 18 5 173 197

3 134 151 365 23 44 298 95 287 1670 2052 14 5 2 48 50 5 -- -- -- -- 11 28 128 6 5 G3 74 2 167 98 206 1066 1370 13 145 158 -- -- 2 38 72 14 5 1 26 32 18 18 21 51 247 319 115 338 2,315 2,768 25 95 430 550 2 13 162 177 94,770 331 700 4404 5435 790 2042 13,046 15,878 203 896 4752 5851 193 493 2736 3422 548 738 4291 5577 89 14 406 509 75 251 1541 1867 124 441 4939 5504 74 20 698 792

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374 448 390 462 330 430 1094 1340

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9,305 9,815 9,311 11,576 7,087 3,212 9,405 59,711

10,676 11,304 10,758 13,415 8,151 3,757 11,269 69,330

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208,951

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608

im Schosse der städtischen Behörden von Lausanne verfolgt.

Letztere gelangten dazu, dem Bundesrat den Vorschlag zu machen, sie wollen der Eidgenossenschaft vom Gute ,,Mon Reposa das nötige Terrain zur Erstellung eines neuen Bundesgerichtsgebäudes abtreten und einen Beitrag an die Kosten des neuen Gebäudes leisten gegen Überlassung des bestehenden Gebäudes und Verzichtleistung auf die zu Gunsten der Eidgenossenschaft auf dem Terrain von Montbenon haftende Servitut. Das Bundesgericht wurde Ende des Jahres 1909 vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement ersucht, über diesen Vorschlag, dem das Departement des Innern grundsätzlich beizustimmen beantragte, sich zu äussern. Nach Besichtigung des in Frage kommenden Terrains sprach sich das Bundcsgericht durch Zuschrift vom 8. Februar 1910, die durch Präsidialschreiben vom 17. Februar ergänzt wurde, hierüber beinahe einhellig dahin aus, dass für die in nächster und fernerer Zukunft nötige Vergrösserung der Gerichtsgebäulichkeiten die Errichtung eines Neubaues, vom Standpunkte der Verwaltung der Rechtspflege aus betrachtet, die richtige Lösung sei, die gegenüber der ändern Möglichkeit, der Erstellung von einem oder zwei Nebengebäuden, den Vorzug verdiene und deshalb zur Annahme empfohlen werde. Auch mit dem vorgeschlagenen Bauplatz erklärte sich das Bundesgericht unter gewissen Bedingungen einverstanden. Auf die finanzielle Seite der Sache trat es dagegen nicht ein. Nachdem sich der Bundesrat grundsätzlich auf den gleichen Boden gestellt hatte, wurden die Verhandlungen /.wischen dem Departement des Innern und dem Gemeinderat von Lausanne weitergeführt, namentlich über die Lage und den Umfang des zu erwerbenden Bauplatzes und die finanziellen Leistungen der Gemeinde Lausanne. Das Bundesgericht wurde hiezu nicht weiter beigezogen. Dagegen war es bei der in Lausanne stattgefundenen Sitzung der Kommissionen der eidgenössischen Räte vertreten, die über die Genehmigung des am 5. April 1910 auf Grundlage der frühern Schlussnahmen vom Bundesrate mit dem Gemeinderat von Lausanne abgeschlossenen Vertrages zu beraten hatten ; dabei wurden seine Vertreter über die mutmassliche künftige Organisation des Gerichts befragt. Durch Bundesbeschluss vom 15. Juni 1910 wurde die Frage der Errichtung eines neuen Gebäudes und die Wahl des Bauplatzes im Sinne der bundesrätlichen
Vorschläge erledigt.

Das jetzige Bundesgerichtsgebäude soll, nach einer Abmachung zwischen den städtischen Behörden von Lausanne und den Behörden des Kantons Waadt, nach Erstellung des neuen Gebäudes

609 zu Universitätszwecken verwendet werden. Was das weitere Vorgehen betrifft, so hat das Bundesgericht dem Bundesrat gegenüber den Wunsch ausgesprochen, es möchte zu den wichtigem vorbereitenden Massnahmen für den Neubau beigezogen werden.

Das Justiz- und Polizeidepartement brachte hierauf am 14. März dem Bundesgericht eine Zuschrift des Departements des Innern zur Kenntnis, wonach das Bundesgericht, nachdem die nötigen Terrainaufnahmen gemacht seien, zur Aufstellung eines definitiven Lokalitätenprogramm es werde eingeladen werden.

Gesch'äftslast, -Verteilung und -erledigung.

Die Zivilberufungen haben wiederum zugenommen, was sich namentlich für die erste Abteilung fühlbar machte. Da die Zeit, die der einzelne Richter für die Ausarbeitung der ihm zugewiesenen Referate und zum Studium der übrigen Geschäfte braucht, nur auf Kosten der Gründlichkeit über ein bestimmtes Mass sich beschränken lässt, und da auch bei der Behandlung der Geschäfte in den Sitzungen, insbesondere bei plädierten Fällen, nicht erheblich Zeit gewonnen werden kann, hatte dies zur Folge, dass die Erledigung der Berufungen sich stets weiter hinauszog. So füllten die bis Ende August eingegangenen plädierten Geschäfte der I. Abteilung die Tagesordnungen bis über das Neujahr hinaus an. Und wenn schon viele Berufungen von vornherein als unbegründet sich darstellen, so nimmt doch auch die Behandlung solcher Fälle die Zeit des Referenten und des Gerichts in gewissem Umfange in Anspruch, wie die meisten Rückzüge erst erfolgen, wenn das Referat ausgearbeitet ist und die Akten von den einzelnen Mitgliedern gelesen sind. Man half in der Weise nach, dass gelegentlich 3 statt 2 Sitzungen in der Woche stattfanden und suchte der dadurch bewirkten Überlastung der Mitglieder der I. Abteilung so zu begegnen, dass die Mitglieder der III. Abteilung vorübergehend zu Referaten und zu den Sitzungen in höherem Masse beigezogen wurden.

Die Erledigungsfrist der Berufungen wird dadurch einigerrnassen belastet, dass nicht selten bei den kantonalen Gerichten Révisions-oder Kassationsgesuche eingereicht werden, bis zu deren Beurteilung die Instruktion vor dem Bundesgericht von Gesetzes wegen ruht. Ähnlich verhält es sich bei den staatsrechtlichen Rekursen, wo gleichzeitig mit dem Bundesgericht der ßundesrat eventuell die Bundesversammlung angerufen werden und diesen die Priorität in der Behandlung der Rekurse zukommt. So wurde

610 ein Rekurs aus dem Jahre 1907, der das zürcherische Lehrlingsgesetz betrifft, eingestellt, bis die eidgenössischen Räte die bei ihnen hängige Beschwerde über diese Materie behandelt haben, was noch aussteht. Wesentlich mit Rücksicht hierauf wurde auch mit der Beurteilung eines im Jahre 1908 eingegangenen Rekurses gegen eine einzelne IJestimtnung jenes Gesetzes bis jetzt zugewartet. Gleich verhält es sich mit einem im Jahre 1907 eingegangenen Rekurse gegen das graubündnerische Brandversicherungsgesetz.

Verschiedenes.

Für die Beamten und Angestellten der Kanzlei wurde, um die Übereinstimmung mit den übrigen Zweigen der Bundesverwaltung herzustellen, das System einer festen, 3jährigen Besoldungsperiode mit Beginn auf 1. April eingeführt; die Besoldungen wurden mit Rücksicht hierauf, unter Ruckberechnung auf 1. April 1909, einer Revision und Ausgleichung unterworfen.

Bundesrat und Bundesgericht erörterten auf dem Korrespondenzwege einige Fragen über die Kompetenzausscheidung und das Verfahren in Auslieferungssachen, wobei durchwegs Übereinstimmung erzielt wurde.

Die Gesamtzahl der Sitzungen beläuft sich im vergangenen Jahre auf 244 (gegenüber 231 im Jahre 1909). Diese 244 Sitzungen verteilen sich wie folgt: Plenum 16 I. Abteilung 91

n.

,,

HL ,, Kassationshof

79

54 4

Total 244

Statistik übet die Erledigungen von 1906 bis 1910.

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28

24

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24

37 384 369 1 14 15

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Neu eingegangen

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1910

1909 Neu eingegangen

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1908 Neu eingegangen

/. Zivilsatlvzn; 1. Erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Zivilsachen 2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte . .

3. Andere Zivilsachen . .

4. Rekurse in Expropriationssachen .

I I . Strafsachen . . . .

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten IV. Beschwerden betreffend das Schiddbetreibungstmd Konkurswesen .

V. Freiiottlige Geriehtsbarkeit Total

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1907 Neu eingegangen

Natur der Streitsachen

Neu eingegangen^

1 906

26

34

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23

37

52 401 390 8 8

63

1 ·S

315 194 280 229 559 533 255 702 599 358 343 448 253 793 412 634 5 4 15 16 3 16 14 5 23 23 5 13 16 2 29 26

82 418 407

93 402 421

74 399 382

91 398 439

50 389 390

49

G 233 230

9 236 239

6 196 195

7 249 250

6 217 212

11

5 3 7 476 1262 1312

3 2 1 1 3 2 2 2 6 2 4 6 5 802 426 1613 1608 431 1709 1611 529 1429 1567 391 1874 1463

612

II. Spezieller Teil.

1. Zivilrechtspflege.

Natur der Streitsache.

P g E

Neu l eingegangen. |

Eine Übersicht über die Zivilsachen, mit denen das Bundesgericht im Jahre 1910 sich zu befassen hatte, gibt folgende Tabelle :

26

34

I* I|

S -S 1. Erst- und letztinstanzlich x,u beurteilende Zivilsachen 2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte 3 . Revisionsbegehren . . . .

4. Erläuterungsbegehren 5 . Kassationsbegehren . . . .

6 . Moderationsbegehren . . . .

7. Rekurse in Expropriationssachen

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60

23

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52 401 453 390 63 3 -3 3 -- 2 2 2 -- -- 1 1 1 -- -- 2 2 -- 2 -- 253 793* 1046 412 634 331 1236 1567 833 734

* Viele Kollektivrekurse.

Ad 1. V o m B u n d e s g e r i c h t als e i n z i g e I n s tan z zu beurteilende Zivilsachen.

Deren Spezifikation, sowie die Art der ErJedigung ist aus nachstehender Tabelle ersichtlich :

OnjO

Natur der Streitsache.

3 f» 3*|

S|| 0

Nichteintreten 1 wegen In- 1 kompetenz etc. 1 Klage ganz 1 oder teilweise II gutgehelssen. ||

613

1. Prozesse zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bund als Beklagten . . .

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3

7

2. Prozesse zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits .

5

--

4

3

11 23

3. Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone .

--

--

--

--

1 1

4. Klagen aus Art. 23 des Bundesgesetzes über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten, vom i. Mai 1850

2

--

--

--

1 3

5 . Streitigkeiten aus dem Nebenbahnengesetz, vom 21. Dezember 1899 . . . .

2

6. Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz über dasRechnungswesen der Eisenbahnen, vom 2 7 . März 1896 . . . .

--

--

--

-- 18*) 18

-- 9

--

-- 6

-- 5

7. Streitigkeiten aus Art. 12, al. 6, des Bundesgesetzes betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eiseubahnen für Rechnung des Bundes, vom 15. Oktober 1897 Übertrag *) Gleichartige Fälle.

2

--

1 1 35 55

614 öl roSo

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Natur der Streitsache.

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Übertrag

9

6

5

35 55

8. Klagen aus dem Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromleitungen, vom 24. Juni 1902

--

--

--

1 1

9. Prozesse, in welchen das Bundesgericht als vereinbarter Gerichtsstand angerufen wurde

1

1

1 --

1 4

Total

10

i

7

5

37 60

Die sub Ziffern l, 2 und 9 erledigten Geschäfte betrafen folgende Materien: Ad 1. 2 Fabrikhaftpflicht, l Regressklage, l Schadenersatz.

Ad 2. 5 Schadenersatz, 2 Erbschaftsanspruch, 2 Anfechtungsklagen, l Fischereirecht, 1. Werkvertrag, l Eigentum.

J.d 5. 2 Miete, l Unfallversicherung.

Die beim Bundesgerichte als einziger Instanz anhängig gemachten Zivilsachen verteilen sich auf die Abteilungen und das Plenum folgendermassen : I.

II.

Abteilung. Abteilung. Plenum. Total.

Aus dem Jahre 1909 übertragen 10 15 l 26 Im Jahre 1910 eingegangen . .

3 13 18 34 Total Im Berichtsjahr erledigt Auf 1911 übertragen .

13

9

28 14

19

60 23

14

19

37

615 1908,

Von den 37 nicht erledigten Fällen sind anhängig: 2 seit 5 seit 1909, die übrigen 30 sind im Berichtsjahre ein-

Ad 2 . B e r u f u n g e n g e g e n U r t e i l e k a n t o n a l e r «Gerichte.

Von den 390 erledigten Streitsachen betrafen durch das eidgenössische Recht geregelte Materien: Ehescheidung bezw. Eheeinsprache Eisenbahn- und Dampfschifihaftpflicht Fabrikhaftpflicht

24 13 19

Obligationenrecht : Vertragsfähigkeit Schuldanerkennung Stellvertretung Unerlaubte Handlungen Ungerechtfertigte Bereicherung Konkurrenzverbot Versprechen der Leistung eines Dritten . . . .

Verrechnung Konventionalstrafe Abtretung Schuldübernahme Eigentum Faustpfand Kauf Tausch Miete Pacht Darlehen Dienstvertrag Agenturvertrag Werkvertrag

l l 2 59 4 5 3 8 l 4 4 9 5 33 l 7 3 7 21 l 15

Übertrag

194

56

616 Übertrag Publi/itätsvertrag Auftrag Maklervertrag Kommission Frachtvertrag Andere Verträge Haftung des Wirtes Spiel und Wette Bürgschaft Einfache Gesellschaft Kommanditgesellschaft Kollektivgesellschaft Aktiengesellschaft Firmenrecht Wechselrecht Lebensversicherung Unfallversicherung Feuerversicherung Versicherung gegen Diebstahl

194

oft

l 8 3 4 3 4 l l 18 10 l 5 l 2 7 l 3 2 l 270 l 9 5 "l

Musterrecht Markenrecht Patentrecht Urheberrecht Schuldbetreibungs- und Konkursrecht: Anfechtungsklagen Andere Fälle

8 14

Durch das kantonale u. ausländische Recht geregelte Materien

22 26 390

Über die Art der Erledigung und die Herkunft der im Berichtsjahre behandelten Berufungen gibt die nachfolgende Tabelle Auskunft :

Aargau Appenzell A.-Rh. .

Appenzell T.-Rh.

Baselland Baselstadt . .

Bern (deutsch) . . .

Bern (französisch) .

Freiburg Genf . . . . . .

Grlarus Graubünden . . . .

Luzern Neuenburg . . . .

Nidwaiden . . . .

Obwalden . . . .

Schaffhausen Schwyz . . . ·* .

Solothurn S t . Gallen . . . .

Tessin . . . . .

Thurgau Uri Waadt Wallis Zürich Total

2 -- --

4 -- -- 1 -- 4 3 5 3 -- -- 3 3 10 5 -- -- 2 3 4 4 3 3 -- -- 2 -- 1 2 2 4 4 2 4 5 4 4 3 3 3 12 66

5 2 18 76

2 -- 1 1 1 1 --

2 13 -- 2 1 2 1 1 -- 3 4 2 2 1 6 46

RUckweisung 1 an die kantonalfrl Instanz.

|

Abgewiesen. 1

Ganz oder teilweise gutgehelssen.

Rückzug l oder Vergleich. 1

Kantone.

Nichteintreten. 1

617 «--

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3 23 1 2 -- 1 -- -- -- 3 1 21 2 32 14 -- 32 9 -- -- 1 1 4 -- 6 18 29 -- 3 60 1 1 2 9 2 -- -- 13 -- 3 25 4 20 8 -- -- -- -- 1 -- 3 -- -- 2 2 10 3 1 3 1 6 18 16 3 2 5 1 1 24 9 2 11 2 2 4 L 1 2 11 24 6 -- -- -- 3 17 105 49 191 11 63 453 11 1 -- 1

1 --

Die Gründe, aus welchen das Bundesgericht in 66 Fällen .auf die Berufung nicht eingetreten ist, sind folgende : In 28 Fällen war das Bundesgericht nicht kompetent, weil kantonales, bezw. fremdes Recht anwendbar war ; in 16 Fällen mangelte es am gesetzlichen Streitwerte; in 9 Fällen war die Form des,Rechtsmittels nicht gewahrt; in 7 Fällen ging die Bejufung nicht gegen ein Haupturteil im Sinne des Organisations-

61H

gesetzes ; in 4 Fällen handelte es sich nicht um ein im Berufungswege anfechtbares Zivilurteil, und bei 2 Geschäften war die Berufung verspätet.

Von den 46 Fällen, in welchen das kantonale Urteil ganz-.

oder teilweise abgeändert wurde, betrafen : 2 Ehescheidung; 2 Eisenbahnhaftpflicht; 9 Fabrikhaftpflicht; 27 Obligationenrecht (Stellvertretung l, unerlaubte Handlungen 6, Versprechen der Leistung eines Dritten l, Kauf 7, Dienstvertrag 4, Werkvertrag 2, Publizitätsvertrag i, Haftung des Wirtes 1.

Frachtvertrag l, andere Verträge 3); 1 Patentrecht; 3 Markenrecht; 2 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht.

46^

11 Geschäfte sind zur Aktenvervollständigung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen worden.

Das s c h r i f t l i c h e V e r f a h r e n kam in 68 Fällen zurAnwendung.

Die Berufungen verteilen sich folgendermassen auf die beiden Abteilungen : I.

II.

Abteilung Abteilung Total Aus dem Vorjahre übernommen 45 7 52 Neu eingegangen 347 54 401 Total Im Berichtsjahre erledigt Auf 1911 übertragen Die 63 pendent gebliebenen jahre eingegangen, und zwar: l August, 12 im Monat September, Monat November, die übrigen 23

392 334

61 56

453.

390

58

5

63

Berufungen sind im Berichtsim Monat April, 3 im Monat 7 im Monat Oktober, 17 im im Monat Dezember.

Ad 3. R e v i s i o n s b e g e h r e n . Von den 3 erledigten Revisionsbegehren waren 2 bei der L, l bei der II. Abteilung, anhängig ; 2 wurden abgewiesen, das andere wurde zurückgezogen-

619

Ad 4. E r l ä u t e r u n g s b e g e h r e n . Von den 2 bei der I. Abteilung hängig gewesenen Er.läuterungsbegehren wurde l abgewiesen, auf das andere wurde nicht eingetreten.

Ad 5. K a s s a t i o n s b e g e h r e n . Das einzige im Berichtsjahre eingegangene, von der I. Abteilung beurteilte Kassationsbegehren wurde abgewiesen.

Ad 6. M o d e r a t i o n s b e g e h r e n . Es waren deren 2 anhängig, das eine bei der L, das andere bei der II. Abteilung; beide wurden gutgeheissen.

Ad 7. R e k u r s e in E x p r o p r i a t i o n s s a c h e n , Die 412 erledigten Geschäfte verteilen sich folgendermassen auf die Exproprianten : Bundesbahnen : Kreis I 83Kreis II 33 Kreis III 12 Kreis IV 43 Kreis V · l Eisenbahngesellschaften : Altstätten-Gais 6 Appenzellerbahn u n d Bundesbahnen Kreis I V . . . .

5 Berner Alpenbahn-Gesellschaft 6 Berninabahn 6 Biasca-Acquarossa 5 Bodensee-Toggenburg 2 Clarens-Chailly-Blonay l Grossherzoglich Badische Staatsbahn l Lugano-Cadro-Dino 3 Martigny-Orsieres 8 Montreux-Berner-Oberland l Montreux-Glion 2 Rhätische Bahn 104 Seetalbahn '32 St. Galler Tramway l Elektrizitätswerke : Aare- und Emtnenkanal 24 Beznau-Löntsch 3 Zürich, Kanton 15 Übertrag 39T

620 Übertrag Waffen- bezw. Schiessplätze : Bellinzona Bern Luzern Eidgenössische Telegraphen- und Telephonverwaltung . .

397 l 3 9 2

412 Art der Erledigung: Rückzug Vergleich Annahme des Urteilsantrages Urteil a.

b.

c.

des Bundesgerichtes : Abänderung d e s Urteilsantrages . . . .

Bestätigung d e s Urteilsantrages . . . .

Begründeterklärung von Beschwerden gegen eidgenössische Schätzungskommissionen . .

51 3 341 4 11 2

17 412 Von den auf 1911 übertragenen 634 Fällen stammen: l aus dem Jahre 1908, 66 aus dem Jahre 1909; die übrigen 567 sind im Berichtsjahre eingegangen (27 in der ersten, 540 in der zweiten Hälfte).

II. Strafrechtspflego.

a. Bundesstrafgericht.

Beim Bundesstrafgericht ist zu Anfang des Berichtsjahres ein Fall wegen Übertretung des Zoll- und des Bundesgesetzes vorn 29. Juni 1900 über gebrannte Wasser anhängig gemacht worden.

Vor der Verhandlung hat sich der Angeklagte der vom eidgenössischen Zolldepartement gegen ihn ausgesprochenen Busse grund sätzlich unterzogen, und es hat dann die Bundesanwaltschaft die Klage zurückgezogen.

b. Kassationshof.

Beim Kassationshof waren 30 Geschäfte anhängig (17 fin Vorjahr), nämlich :

621 vom Vorjahr als unerledigt im Berichtsjahr eingegangen

2 28 30

Davon wurden erledigt: durch Gutheissung der Kassationsbeschwerde . .

durch Abweisung derselben durch Nichteintreten, wegen Nichtbeachtung der im Gesetze aufgestellten Formvorschriften oder wegen Unzulässigkeit des Rechtsmittels durch Rückzug d e r Kassationsbeschwerde . . .

Als pendeot auf 1911

4 10

8 3 --

wurden übertragen

25

5

Von den 4 begründe!; erklärten Beschwerden richteten sich 2 gegen Urteile kantonaler Behörden, die eine Strafe aussprachen, 2 gegen freisprechende Urteile.

Von den 25 erledigten Geschäften bezogen sich auf: das Bundesgesetz über Handhabung der Bahnpolizei . .

,, betreffend die Fabrik- und Handelsmarken fl .n ,, über die Patenttaxen der Handelsreisenden ,, ,, betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständcn (Lebensmittelpolizeigesetz) ,, ..

über das Bundesstrafrecht (fahrlässige Bisenbahn- und Tramgefährdung) . .

,, ,, betreffend die Erfindungspatente . . .

,, ,, über Jagd und Vogelschutz ,, ,, über das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst ,, ,, betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen ,, ., über Schuldbetreibung und Konkurs .

,, betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes ri über das Bundesstrafrecht vom 12. April 1894 (sog. Sprengstoffgesetz) . . .

5 5 3 3 2 2 l l l l l J25

Bundesblau. 63. Jahrg. Bd. I.

44

622 und gingen ein aus den Kantonen : Aargau Baselstadt Bern .

Luzern .

Glarus .

Graubünden Schaffhausen Solothurn .

Tessin . .

Waadt . .

Zürich . .

4 2

4 2 l l l l 2 3 _4 25

III. Staatsrechtspflege.

Die im Jahre 1910 beim Bundesgerichte anhängig gewesenen staatsrechtlichen Streitigkeiten verteilen sich i h r e r N a t u r nach wie folgt: CO ·3 0 «t g «

Natur der Streitsache

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1 . Streitigkeiten zwischenKantonen 2 2. Auslieferungen ans Ausland . -- 3. Beschwerden von Privaten und Korporationen 48 4. Revisions- und Erläuterungsbegehren, Moderationen -- 50

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2 1 5 --

379 427 379

48

4 4 4 -- 3«9 439 390 49

Von den 49 auf 1911 übertragenen Geschäften rühren 2 aus dem Jahre 1907, l aus dem Jahre 1908, 3 aus dem Jahre 1909 und die übrigen 43 Fälle aus dem Berichtsjahre her. Die letztern gingen ein : l im März, l im April, l im Mai, 3 im Juni, 4 im Juli, 2 im August, 2 im September, 5 im Oktober, 6 im November und 18 im Dezember.

Ad 1. S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n K a n t o n e n . Die im Berichtsjahre erledigten 2 Fälle betrafen : der eine eine Streit-

623

sache zwischen den Kantonen Luzern und Nidwaiden aus dem Bundesgesetze über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter, der andere eine solche zwischen den Kantonen Solothurn und Uri über die Anwendung des Bundesgesetzes betreifend die Ergänzung des Auslieferungsgesetzes vom 2. Februar 1872 (interkantonale Rechtshilfe in Strafsachen).

Ad 2. A u s l i e f e r u n g e n an das A u s l a n d . Die 5 erledigten Auslieferungsbegehren wurden gestellt: 3 von Italien, l von Deutschland und l von Österreich. Den von Seite Italiens nachgesuchten Auslieferungen wegen Betrugs bezw. Unterschlagung wurde entsprochen, während dem Begehren von Seite Deutschlands, wegen Betrugs, und demjenigen von Österreich, wegen Versuchs der Fälschung von Banknoten, keine Folge gegeben wurde ; im erstem Falle deshalb nicht, weil das Verbrechen, um dessentwillen die Auslieferung verlangt wurde, am Zufluchtsorte (im Kanton Tessin) der Geringfügigkeit wegen nicht als Verbrechen bestraft wird (es handelte sich um eine Unterschlagung im Betrage von weniger als Fr. 10), im letztern Falle, weil eine nach dem Rechte b e i d e r vertragsschliessenden Staaten strafbare Handlung nicht vorlag.

Ad 3. B e s c h w e r d e n von P r i v a t e n und K o r p o r a tionen gegen k a n t o n a l e Verfügungen und Erlasse (Art. 1758 OG). Nach der N a t u r der als verletzt behaupteten Bestimmungen verteilen sich die 379 im Berichtsjahr erledigten Beschwerden wie folgt: a. Verletzung der Bundesverfassung 307 b.

,, von Kantonsverfassungen 32 c.

,, von Bundesgesetzen 30 ä.

,, von Staats vertragen . . . . . . . 10 379

Ad a. Die 307 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g der Bundesverfassung betrafen folgende Vorschriften derselben: Art. 4 (Rechtsverweigerung, Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Willkür usw.)

229 .n 5 (Souveränität der Kantone) l ., 31 (Handels- und Gewerbefreiheit) i v 34 (Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen) l ,, 44/45 (Niederlassungsfreiheit, Verweigerung von Ausweisschriften) 11 Übertrag

243

624

Art.

,, ,, ,, ,, , ,,

46 49/50 55 58/59 61 2 u. 5

Übertrag (Verbot der Doppelbesteuerung) (Glaubens- u n d Gewissensfreiheit) . . . .

(Pressfreiheit) (Gerichtsstand, verfassungsmässiger Richter) .

(Vollziehung rechtskräftiger Zivilurteile) . .

der .Übergangsbestimmungen

243 17 5 4 31 5 2 307

; Ad b. Die 32 Beschwerden wegen behaupteter V e r l e t z u n g k a n t o n a l e n V e r f a s s u n g s r e c h t s beschränkten sich in der Hauptsache auf angebliche Missachtung bezw. unzulässige Beschränkung der Eigentumsgarantie und Verletzung des Grundsatzes der Trennung der Gewalten.

Ad c. Von den 30 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g von B u n d e s g e s e t z e n betrafen die Bundesgesetze über: die persönliche Handlungsfähigkeit 11 ,, zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter 8 ,, Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten von Kanton zu Kanton 4 ., Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes (Steuerfreiheit gemäss Art. 10, und Gerichtsstand, Art. 12*) 2 den Schutz von Mustern und Modellen 2 ,, Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen l das Obligationenrecht l Schuldbetreibung und Konkurs l 12

Ad d. Von den 10 Beschwerden wegen Verletzung von S t a a t s v e r t r a g e n betrafen: den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich 4 ,, Niederlassungsvertrag mit Deutschland 2 die internationale Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht l den schweizerisch - italienischen Auslieferungsvertrag vom 22. Juli 1868 l ,, Staatsvertrag mit Russland l die Übereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich zur Bekämpfung des Jagdfrevels in den Grenzwaldungen vom 31. Oktober 1884 l TÖ

625

Aargau Appenzell A.-Rh. . . .

Appenzell I.-Rh. . . .

Baselland Baselstadt Bern (deutscher Teil) Bern (franz. Teil) . . .

Freiburg (franz. Teil) Freiburg (deutscher Teil) Genf Glarus Graubünden Luzern Neuenburg Schaffhausen . . . .

Schwvz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau Unterwaiden n. d. W.

Unterwaiden o. d. W.

Uri Waadt Wallis (franz. Teil) . .

Wallis (deutscher Teil) .

Zug Zürich Total

4

3 1 2

2 8 1 4 -- 2 4 3 1 1 1 3 3 6 · 7 -- -- 2 4 --

Gutgeheissen 1 oder anerkannt II

Kantone

Rückzug oder gegenstandslos

Nichteintreten 1

Aus der nachfolgenden Tabelle ist die H e r k u n f t der B e s c h w e r d e n von P r i v a t e n und K o r p o r a t i o n e n , nach Kantonen geordnet, und die Art ihrer Erledigung ersichtlich.

_ -- -- 1 -- 2 1 4 1 1

4 1 \ 1 2 8 -- 4 -- 1 1 -- 1 1 -- 3 1 -- 3 -- 1 1 2 9 -- 1 -- 5

-- 1 1 1 2 1 1 6 -- 1 1 --

-- 3 12

3 -- 1 -- 2

77

31

1

51

e

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1 0>

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- 2i
11

8 1 -- -- 2 1 7 -- 18 4 1 4 13 7 -- -- 25* 1 1 1 7 3 24 2 5 -- 3 1 1 6 2

5 7 31 7 3 1 2 3 9 2 4 18 220

1 6 1 -- -- 1 3 -- -- 2 8

48

* Worunter eine Gruppo von 14 gleichartigen Rekursfàllen.

a £

22 7 2 7 11 40 7 32 1 30 3 14 31

8 6 13 10 12 52 15 5 3 7 22 9 4 9 45 427

626 In den 77 Fällen, in welchen auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde, waren die G r ü n d e des Nichteintretens folgende : Inkompetenz 12 Nichterschöpfung der kantonalen Instanzen 17 Verspätung 14 Nichtsubstanziierung oder ungenügende Substanziierung der Besehwerde 11 Andere Formmängel 10 Gegenstandslosigkeit 3 Untauglichkeit des Rechtsmittels 10 21 Nach der N a t u r der S t r e i t s a c h e bezogen sich die 51 b e g r ü n d e t erklärten Beschwerden auf: Art. 4 der Bundesverfassung (Rechtsverweigerung) . . 13 ,, 44/45 ,, ,, (Niederlassung) . . . .

6 ,, 46 ,, ,, (Doppelbesteuerung) . . 7 ,, 49/50 ,, ,, (Glaubens- und Gewissensfreiheit) l ,, 58/59 ,, ,, (Gerichtsstand) . . . . 10 ,, 61 ,, ^ (Vollziehung rechtskräftig e r Zivilurteile) . . . 2 ,, 2 und 5 der Übergangsbestimmungen (wissenschaftliche Berufsarten) l Verletzung von Kantons Verfassungen 2 ,, des Bundesgesetzes betreifend die persönliche Handlungsfähigkeit 3 ,, ,, Bundesgesetzes betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter 2 ,, ,, Bundesgesetzes vom 2. Februar 1872 über d i e interkantonale Auslieferung . . . . 2 ,, ,, Bundesgesetzes über den Erwerb und Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes (Steuerfreiheit der S. B. B. nach Art. 10 und Gerichtsstand der S. B. B. gemäss Art. 12* leg. cit.)

2 UÏ

627

In 110 Fällen, in welchen die Anhebung oder Veranlassung des Streites oder die Art der Prozessführung es rechtfertigten, wurde eine G e r i c h t s g e b ü h r bezogen (Art. 221, Abs. 2, OG).

Überdies wurden in mehreren Fällen gegen Parteianwälte Disziplinarmassnahmen nach Art. 39, Abs. 2., OG getroffen.

Gesuche um Erlass von p r o v i s o r i s c h e n V e r f ü g u n g e n im Sinne von Art. 185 OG gingen ein 82, wovon 35 bewilligt und 36 abgewiesen wurden ; auf 4 Gesuche wurde nicht eingetreten, 6 wurden als gegenstandslos abgeschrieben, und bei einem ·erfolgte die Erledigung im Jahre 1911.

14 Fälle gaben Anlass zum M e i n u n g s a u s t a u s c h mit dem B u n d e s r a t über die Kompetenzfrage gemäss Art. 194 OG.

Ad 4. Die 4 anhängig gemachten R e v i s i o n s - und M o d e r a t i o n s b e g e h r e n wurden wie folgt erledigt : ein Moderationsbegehren wurde abgewiesen, eines teilweise gutgeheissen ; ein Revisionsbegehren wurde zurückgezogen und eines, unter Auferlegung einer Gerichtsgebühr an die Partei und Verweis an ihren Anwalt, abgewiesen.

IV. Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen.

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hat hierüber folgenden Bericht abgefasst: ,,Wenn im Berichtsjahr die Anzahl der erledigten Rekurse etwas geringer war als im Vorjahr, so haben dafür die A d m i n i s t r a t i v g e s c h ä f t e bedeutend zugenommen. Die Kammer hat in 42 ihrer Sitzungen im ganzen 68 solche Geschäfte behandelt, wovon einzelne sich auf mehrere Sitzungen erstreckten und die Kammer in hohem Mass in Anspruch nahmen.

Die I n s p e k t i o n e n von Konkursämtern wurden programmgemäss fortgesetzt. Im Hinblick auf die schon im letztjährigen Bericht erwähnte, im Berichtsjahr in Beratung genommene Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter (s. unten) wurden die Inspektionen auf eine verhältnismässig grosse Anzahl von Kantonen ausgedehnt: Bern, Luzern, Schwyz, Unterwaiden, Zug, Freiburg, Solothurn, Tessin und Genf. Dabei wurden in jedem Kanton l bis 4 Konkursämter inspiziert. Die vorgenommenen Inspektionen haben den Mitgliedern der Kammer einen umfassenden Einblick in die Geschäftsführung der Ämter in den verschiedenen Landesteilen gewährt.

62ö Leider lässt diese Geschäftsführung noch mancherorts in vielen Beziehungen zu wünschen übrig, und zwar sowohl die formelle (so namentlich die Protokollierung der einzelnen Konkurshandlungen, die Ordnung und Aufbewahrung der Akten, die Buch- und Rechnungsführung), als auch die materielle. Es scheint auch, dass in einzelnen Kantonen die Inspektionen durch die kantonalen Aufsichtsbehörden zu wenig gründlich vorgenommen werden. Sonst wäre es kaum möglich, dass einzelne Beamte jetzt noch -- um nur einzelne der wichtigeren konstatierten Mängel hervorzuheben -- weder ein Kassa- noch ein Gebührenbuch besitzen, über die Verhandlungen der Gläubigerversammlungen kein Protokoll führen, die Vorschrift des Art. 50 des Gebührentarifs gar nicht beachten und überhaupt n i e von der Aufsichtsbehörde Feststellung dieser Gebühren verlangen, im Inventar die Kompetenzstücke gar nicht ausscheiden oder acht und vierzehn Tage lang mit dessen Aufnahme zuwarten, Freihandverkäufe ohne autorisierenden Beschluss der Gläubigerversammlung und ohne Zustimmung der Pfandgläubiger vornehmen, und dem Konkursgericht nie einen Schlussbericht vorlegen, sodass es sowohl an clor gerichtlichen Schlussverfügung, als an der Publikation des Amtes über den Schluss des Verfahrens fehlt. An einem Orte zeigte es sich, dass der Konkursbeamte weder vom Verteilungsplan noch von der Schlussrechnung einen Begriff hatte ; an einem ändern Orte wurde die Konkursmasse von den Pfandgläubigern des Konkursiten für die Grundpfandzinse betrieben ; ein drittes Amt anerkannte vergleichsweise eine Konkursforderung, die im Kollokationsplan längst rechtskräftig abgewiesen war usw.

Auf Grund des Ergebnisses der Inspektion wurde jeweilen der kantonalen Aufsichtsbehörde ein ausführlicher Bericht über die konstatierten Mängel und Ungesetzlichkeiten zugestellt und es sollte an Hand der erteilten "Weisungen möglich sein, in wirksamer Weise Remedur zu schaffen. Auf einigen zum zweiten Mal inspizierten Ämtern waren übrigens bereits erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen.

An V e r f ü g u n g e n a l l g e m e i n e r N a t u r sind vorab die drei im Berichtsjahr erlassenen Verordnungen zu erwähnen : a. V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d die P f ä n d u n g , A r r e s t i e r u n g .und V e r w e r t u n g von V e r s i c h e r u n g s a n s p r ü c h e n nachdem
Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908.

Sie wurde nach längeren Verhandlungen, zu denen zum Schluss auch Versicherungstechniker und namentlich das eidgenössische Versicherungsamt beigozogen wurden, am 10. Blai erlassen. Um

629

ihre Anwendung zu erleichtern, wurden auf mehrfach ausgesprochenen Wunsch für die verschiedenen vorgeschriebenen Mitteilungen an Versicherer und Gläubiger einheitliche Formulare eingeführt.

b. V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d die Beschwerdeführung in Schuldb etreibungs- und Konkurssachen.

Diese vom 3. November 1910 datierende und am 1. Januar 1911 in Kraft getretene Verordnung ersetzt die bundesrätliche Verordnung Nr. 2 vom 24. Dezember 1892.

c. V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d die E i n t r a g u n g der E i g e n t u m s v o r b e h a l t e . Nachdem die Kammer auf Ansuchen, des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements zu Händen des Bundesrates Vorschläge über die Ausführung von Art. 715 des Zivilgesetzbuches betreffend die Führung eines öffentlichen Registers über die Eigentumsvorbehalte durch die Betreibungsbeamten aufgestellt hatte, beschloss sie, da das Justiz- und Polizeidepartement nachträglich Zweifel über die Kompetenz des Bundesrates aussprach, in ihrer Eigenschaft als Oberauisichtsbehörde über die Betreibungsämter die Verordnung selber zu erlassen.

Endlich wurde im Berichtsjahr die Ausarbeitung der allgemeinen V e r o r d n u n g ü b e r die G e s c h ä f t s f ü h r u n g der K o n k u r s ä m t e r an die Hand genommen und energisch gefördert. Der im Auftrag der Kammer von Herrn Dr. Leemann, Notariatsinspektor in Zürich, verfasste Vorentwurf wurde in zahlreichen Sitzungen in erster Lesung durchberaten. Zur zweiten, im laufenden Jahre stattfindenden Lesung werden eine Reihe ausserhalb des Gerichts stehende Sachkundige beigezogen werden.

Die Verordnung beschränkt sich nicht darauf, die formelle Geschäftsführung, d. h. das Protokoll-, Akten- und Rechnungswesen, zu regeln, sondern greift auch auf die materielle Geschäftsführung über, indem die wichtigeren, im Gesetz nicht geordneten Punkte des Verfahrens im Sinn der Rechtsprechung kodifiziert werden.

Ferner werden für die Hauptakten (Konkursprotokoll, Inventar, Kollokationsplan, Verteilungsliste usw.), die verschiedenen Bekanntmachungen und die einzelnen vom Konkursamt zu führenden Bücher einheitliche Formulare und praktische Beispiele aufgestellt.

Ausserdem richtete die Kammer in Anlehnung an Beschwerdeentscheide zwei K r e i s s c h r e i b e n von allgemeiner Bedeutung an die kantonalen Aufsichtsbehörden. Diese Kreisschreiben sind

630

in der Separatausgabe der Entscheidungen aus dem Betreibungsund Konkursrecht Bd. 13, S. 206 ff. abgedruckt.

Eine kantonale Aufsichtsbehörde wurde eingeladen, dafür zu sorgen, dass in Zukunft erst nach erfolgter Durchführung des Widerspruchsverfahrens definitive Verlustscheine ausgestellt werden.

Zu Händen des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements hat sich die Kammer über den Entwurf zu einem K o n kordat über d i e V o l l s t r e c k b a r k e i t a u s s e r k a n t o n a l e r ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e r A n s p r ü c h e gutachtlich geäussert.

Ebenso hat die Oberpostdirektion der Kammer den Entwurf der Vollziehungsverordnung zum neuen Postgesetz, soweit die Kombinierung der Einzugsmandate mit Betreibungsbegehren betreffend, zur Vernehmlassung unterbreitet. Die Kammer schlug vor, in Abweichung vom Entwurf den Gläubiger zu verpflichten, gleichzeitig mit der Aufgabe des Mandats auch den gesetzlichen Kostenvorschuss für die Anhebung der Betreibung zu leisten. Dieser Vorschlag, welcher jegliche Mehrbelastung "der Betreibungsämter vermeidet, fand die Billigung der Postbehörden.

Mit einer Anregung auf Ke vision des G e b ü h r e n t a r ifs im Sinn einer Erhöhung der bestehenden Ansätze wurde der Betreibtingsbeamtenverband des Kantons Zürich an den Bundosrat gewiesen, welchem nach wie vor die Festsetzung des Gebührentarifs zusteht.

Auch über die B e t r e i b u n g s f o r m u l a r v e r w a l t u n g hat die Kammer ein wachsames Auge gehalten. Es wurden für die meisten Formulare nach vorangegangener Ausschreibung unter einer Anzahl von Druckereien der deutschen und der französischen Schweiz, welche bisher mit Druckarbeiten von der Bundesverwaltung verhältnismässig wenig bedacht waren, gruppenweise neue Lieferungsverträge abgeschlossen, wobei die bisherigen Preise im allgemeinen beibehalten werden konnten. Bei diesem Anlass hat die Kammer grundsätzlich beschlossen, In der Vergebung der Betreibungsformulare nunmehr eine gewisse Rotation eintreten zu lassen, in dem Sinn, dass die Verträge auf fünf Jahre fest abgeschlossen werden und nach Ablauf dieser Zeitdauer die Arbeit einer ändern Firma übertragen werden soll, sofern sie ebenso günstige Bedingungen stellt und dieselben Garantien für kunstgerechte Ausführung der Arbeit bietet.

Von dem vorhandenen s t a t i s t i s c h e n M a t e r i a l ist im Berichtsjahr der Jahrgang 1903 im Druck erschienen und der Jahrgang 1904 teilweise verarbeitet worden. Die Vollendung der

631

Zusammenstellung der Ergebnisse dieses Jahrgangs und ihre Publikation fallen in das laufende Jahr, womit dann die betreibungsstatistischen Arbeiten ihren Abschluss finden werden.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahr a n h ä n g i g e n R e k u r s e betrug 223 (d. h. 33 weniger als im Vorjahr) ; davon waren aus ·dem Vorjahr übernommen 6, im Laufe des Jahres eingegangen 217. Erledigt wurden 212, so dass auf das Jahr 1911 übertragen ·wurden 11 Fälle.

Von den erledigten Beschwerden bezogen sich : 4 auf Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung ; l auf Rechtsstillstand (Art. 60 SchKG); 3 auf Zahlungsbefehl; 3 auf Zustellung der Betreibungsurkunden; 3 auf die Art der Betreibung; 1 auf den Ort der Betreibung; 3 auf Rechtsvorschlag; 4 auf Rechtsöffnung; 9 auf Betreibung auf Pfandverwertung ; 2 auf Arrestbetreibung; 3 auf Betreibung einer Ehefrau; l auf Abtretung von Betreibungsçechten ; 5 auf Fortsetzung der Betreibung ; 36 auf Pfändung und pfändbare Gegenstände; 18 auf Lohnpfändung ; 1 auf Pfändung einer Nutzniessung ; 2 auf Anschlusspfändung ; 5 auf Retentionsrecht ; 17 auf Eigentums- oder Pfandrechtsansprachen im Pfändungsverfahren ; 2 auf Eigentumsansprachen im Konkurs ; l auf Verwertungsverfahren; l auf Aufschub ; 9 auf Verwertung beweglicher Sachen oder Forderungen ; 12 auf Verwertung von Liegenschaften ; 3 auf Verwertung im Konkurs; 4 auf Kollokation und Verteilung im Pfändungsverfahren ; 12 auf Kollokation und Verteilung im Konkurs; 165 Übertrag

632

165 Übertrag 3 auf Konkurseröffnung; 19 auf Konkursverfahren; l auf Abtretung von Masserechten nach Art. 260 SchKG: l auf Liquidation einer ausgeschlagenen Verlassenschaft; 11 auf Arrestbefehl und Arrestvollzug ; 1 auf Verlustschein ; 3 auf Gebühren im Betreibungs- und Konkursverfahren; 2 auf Nachlassverfahren; 2 auf die Stellung des Betreibungsbeamten nach Art. 11 SchKG; 1 auf Sistierung des Verfahrens durch vorsorgliche Verfügung ; 2 auf Revision ; l auf Ehrenfolgen.

212

Über die Verteilung der Geschäfte nach Kantonen und über das Schicksal der Beschwerden gibt nachstehende Tabelle Auskunft.

633

I 1

Kantone

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Aargau Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh Baselland Baselstadt Bern (deutscher Teil) Bern (französischer Teil) Freiburg Genf Glarus Graubünden Luzern Neuenburg Nidwaiden Obwalden Schaffhausen Schwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau Uri Waadt . . .

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Wallis Zug Zürich Total

1

\ 10

12

--1

3

l

-- 2 7 16 2 2 4 î 1 2 4 3 8 3 -- 2 -- -- -- 2 -- 2 1 2 2 3 17 12 -- -- 1 -- 5 11 1 2 2 3 18

34

4

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3 8 -- 2 1 1 1 4 1 -- -- -- 2 --

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-- --

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-- 2 4 6 -- 2 8

-- 5 1 15 2 32 2 -- .

fi 13 2 -- -- 4 -- 11 2 14 -- 2 -- -- 2 -- -- 4 3 -- 5 -- 32 -- --1 4 1 19 5 2 4 29

110 11 223

634

Die Gründe, aus denen die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer in 34 Fällen auf die Beschwerde nicht eintrat, waren: in 4 Fällen Nichteinhaltung des Instanzenzuges, in 12 Fällen Inkompetenz der Oberaufsichtsbehörde, in 8 Fällen mangelnde Substanziierung der Beschwerde, in l Fall Mchteinsendung des angefochtenen Entscheides, in 6 Fällen Verspätung der Beschwerde und in 3 Fällen mangelnde Legitimation zur Beschwerdeführung.

Die 64 begründet erklärten Beschwerden betrafen folgende Gegenstände : i Abtretung nach Art. 260 SchKGr; 1 Anschlusspfändung; 2 Arrestvollzug; l Art der Betreibung; 1 Aufschub; 4 Betreibung auf Pfand Verwertung ; 2 Betreibung einer Ehefrau ; 3 Fortsetzung der Betreibung; 3 Kollokation im Konkursverfahren ; l Kollokation im Pfändungsverfahren; 5 Kompetenzstücke; 5 Konkursverfahren ; 7 Lohnpfändung; 4 Pfändung; l Pfändung einer Nutzniessung ; 3 Retentionsrecht ; l Stellung des Betreibungsbeamten nach Art. 11 SchKG-; 4 Verteilung im Konkurs; 1 Verwertung beweglicher Sachen; 5 Verwertung von Liegenschaften ; 7 Widerspruchsverfahren ; 2 Zustellung der Betreibungsurkunden.

64_ Gesuche um provisorische V e r f ü g u n g e n wurden g e s t e l l t 36 davon bewilligt abgewiesen wegen Erledigung der Sache keine Verfügung erlassen . . . .

13 lg

> 3l Verfügungen ^ dl verjüngen 5 3(5

635.

Auf dem Korrespondenzweg erledigte Geschäfte: (im Vorjahr)

Kammer . . . .

40 Präsidium . . . .

34 Kanzlei 142 Total 216

12 43 66 121

Y. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

In der Liquidation der Eisenbahngesellschaft SaignelégierGlovelier (Massaverwalter Herr Notar Crettez in Münster) fanden einige weitere Bereinigungsmassnahmen statt. Der Schlussbericht ist auf Anfang 1911 in Aussicht gestellt.

Die Liquidation der linksufrigen Vierwaldstätterseebahn (Massaverwalter Herr Professor Borei in Genf) traf von Anfang an auf anormale Verhältnisse. Die Liquidation der Aktiven ist im Berichtsjahr in umsichtiger Weise weitergeführt worden. Der Kollokationsplan wird voraussichtlich im Jahre 1911 aufgestellt werden.

Ein vom Regierungsrat namens des Staates Neuenburg gegen die Bahngesellschaft Bern-Neuenburg (direkte Linie) eingereichtesZwangsliquidationsbegehren ist auf Antrag des Gesuchstellers bisauf weiteres sistiert worden.

In zwei schiedsgerichtlich zu erledigenden Streitigkeiten wurde der Präsident des Bundesgerichts von den Parteien um Bezeichnung des Obmanns für das Schiedsgericht ersucht.

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// Strafsachen III. Staatsrechtliche Streitigkeiten .

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IV. Beschwerden betr. Schuldbetreibungs- und Konkurswesen . .

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Mittlere Dauer

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Natur der Streitsachen

Gesamtzahl >r erledigten Geschäfte

Dauer bis zum Urteil Grossie Dauer bis zum Urteil

ä

1 8 5 108 6 1 1 -- -- 19 240 104

87 6 24

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2 188 2 19

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2

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bis zum

Urteil

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1

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2 Jahre

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212 1461

184 432

28 450

-- 183

268

115

13

2

21

--

15

25

j

!

1

1 * Betrifft einen Prozess Über Mitben Utzunff ein* i Eisenbahnstation, in welchem die Expertise and die Vergleichsverii andlungen lungere Zeit in Anspruch nahmen.

1 ** Betrifft eine Streitigkeit, in welcher die kantonalen Gerichte Torgängig zu entscheiden hatten, und die infolgedessen beim Eundesgericht j langer« Zeit suspendiert war.

i

Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. I.

Nach den N a t i o n a l s p r a c h e n verteilen sich die e r l e d i g t e n Geschäfte wie folgt: Deutsche Schweiz

I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse 2 . Berufungen . . . .

3. Andere Zivilsachen 4. Expropriationen . . .

II. Strafsctchen III.

Staatsrechtliche StreüigJieiten

IV. Beschwerden der Schuldbetreibungs- u. Konltsurskammer V. Freiwillige Gerichtsbarkeit .

Total

18 .= 258 = 5 = 308 =

78 % 66 % 63 % 75 %

Französische Schweiz

3 111 3 64

= == = =

13 % 29 % 37 % 16 >

Italienische Schweiz

2= 9% 21= 5% 40= 9%

20 -- 77 °/o

3 -- ll,5°/o

3 -- 11,5%

245 = 63 %

95 = 24 %

50 = 13 %

Total

23 = 100 % 390 = 100 % 8 = 100 % 412 = 100 % 26 -- 100 % 390 = 100 % Ì

124 = 59 %

56 = 26 %

1 = 50 %

1 = 50 % 979 = 67 %

32 = 15 %

335 = 23 %

212 = 100% 2 = 100 %

149 = 10 % 1463 = 100% |

636

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den 18. Februar

1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes,, Der Präsident:

Merz.

Der Gerichtsschreiber : Huber.

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1910. (Vom 18. Februar 1911.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1911

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.03.1911

Date Data Seite

605-638

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10 024 118

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