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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde der Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungs-Gesellschaft, in St. Gallen, und Konsorten gegen das Gesetz des Kantons Graubünden betreffend die Gebäude-Brandversicherung.

(Vom 27. Januar 1911.)

Der schweizerische Bundes rat hat über die Beschwerde der Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungs-Gesellschaft, in St. Gallen, und Konsorten gegen das Gesetz des Kantons Graubünden betreffend die Gebäude-Brandversicherung, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n Beschluss gefasst: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Das in genommene errichtet im rungsanstalt,

der Volksabstimmung vom 13. Oktober 1907 anGesetz betreffend die Gebäude-Brandversicherung Kanton Graubünden eine staatliche Brandversichebei der alle im Kanton befindlichen und noch zu

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erstellenden Gebäude, soweit das Gesetz selbst nicht eine Ausnahme vorsieht, zum Schätzungswerte versichert werden müssen (§ 1).

Gebäude, die in die kantonale Versicherung aufgenommen werden, dürfen nicht noch bei Privatversicherungsgescllschaften gegen Feuerschaden versichert werden (*j 8).

§ 59 : ,,Mit dem Tage der Betriebseröffuung der staatlichen Versicherung werden alle bestehenden Versicherungsverträge gegenüber Versicherungsanstalten, soweit sie Gebäulichkeiten betreffen, die unter die staatliche obligatorische Versicherung fallen, ohne Entschädigung aufgehoben.

,,Der Grosse Rat wird den Privatversicherungsgesellsehaften eine e n t s p r e c h e n d e Frist zur Abrechnung und Liquidierung der noch nicht ausgelaufenen Versicherungsverträge einräumen.

,,Vom Tage der Annahme dieses Gesetzes an können Versicherungsverträge über Gebäulichkeiten, die nach gegenwärtigem Gesetz der kantonalen Versicherung unterliegen, bei Privatgesellschaften gültig nur bis zum Zeitpunkte des Betriebsbeginnes der Anstalt abgeschlossen werden".

Als Zeitpunkt der Betriebseröffnung wurde der 1. Dezember 1912 in Aussicht genommen (§ 58 des Gesetzes und Beschluss des Grossen Rates vom 23. Mai 1908).

II.

Gegen diese Bestimmungen des Gesetzes haben die folgenden Versicherungsgesellschaften am 2. Dezember 1907 den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat ergriffen : Helvetia, Schweizerische Feuerversicherung« - Gesellschaft, in St. Gallen, Basler Versicherungs-Gesellschaft gegen Feuerschaden, in Basel, L'Union, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris, Compagnie française du Phénix, Société anonyme d'assurances contre l'incendie, in Paris, Gladbacher Feuerversicherungs-Aktiengesellschaft, in M.-Gladbach, Schlesische Feuerversicherungs-Gesellschaft, in Breslau, The Northern, Assurance Company, in London, L'Urbaine, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris, La France, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris,

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Gothaer Feuerversicherungsbank auf Gegenseitigkeit, in Gotha, Hamburg-Bremer Feuerversicherungs-Gesellschaft, in Hamburg, The Phoenix, Assurance Company, in London.

Sie stellen das B e g e h r e n : I. Die Bestimmungen der §§ l, 8, 58 und 59 des bündnerischen Gesetzes seien als bundesrechtswidrig und daher als unwirksam zu erklären, 1. insoweit, als sie das Recht der Rekurrenteu beschränken, während der Dauer der laufenden Bundeskonzession, auf Grund der vom Bundesrate genehmigten Versicherungsbedingungen, den Geschäftsbetrieb im Kanton Graubünden fortzusetzen, 2. insoweit, als sie die Rechtsbeständigkeit der von den Rekurrenten bis zum Ablaufe der Bundeskonzession vollzogenen Immobiliar - Feuerversicherungsverträge zeitlich beschränken, und 3. insoweit, als sie die Rekurrenten zur Abrechnung und Liquidation der laufenden und während der Dauer der Bundeskonzession noch abzuschliessenden Immobiliar - Feuerversicherungsverträge zwingen.

II. Eventuell sei die Bestimmung des § 59, Abs. l, des Gesetzes als bundesrechtswidrig zu erklären und daher aufzuheben.

Zur Begründung dieses Begehrens führen sie in ihrer Beschwerdeschrift und in der Replik vom 15. August 1909 im wesentlichen folgendes an: Nach Art. 34, Abs. 2, der Bundesverfassung hat der Bund allein das Recht, das Verhältnis der Staatsgewalt, also die öffentlichrechtliche Seite des Versicherungsgewerbes zu ordnen und der Bund hat diese Ordnung in abschliessender Weise getroffen durch das Bundesgesetz betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens, vom 25. Juni 1885. Durch die Konzession gewährt der Bund den Gesellschaften je auf 6 Jahre das Betriebsrecht, d. h. den Anspruch auf Konkurrenzfreiheit irn Rahmen des Aufsichtsgesetzes. Das bündnerische Gesetz kann also den Versicherungsgesellschaften nicht vorschreiben, dass sie vom Tage seiner Annahme an nur noch bis zum Zeitpunkt des Betriebsbeginnes der kantonalen Anstalt gültige Verträge ab-

21fi schliessen können (§ 59, Abs. 3) ; es kann nicht vom gleichen Zeitpunkt an ohne Rücksicht auf die eidgenössische Konzession den Geschäftsbetrieb verbieten, alle laufenden Verträge aufheben und die Gesellschaften zur Liquidation dieser Verträge zwingen. Die ,,Kantone können allerdings kantonale Monopolanstalten errichten, aber sie können nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften wie die erwähnten über die Privatversicherungsgesellschaften aufstellen, da ihnen weder Art. l, Abs. 3 und 5, noch ein anderer Artikel des Bundesgesetzes diese Befugnis vorbehält. Der Bund selbst musste bei der Konzessionserneuerung von 1898 und 1904 gegenüber den Unfallversicherangsgesellschaften den Erlass des in Art. 34bis der Bundesverfassung vorgesehenen Gesetzes vorbehalten ; um so weniger können die Kantone, da zu deren Gunsten bei der Konzossionserneuerung kein solcher Vorbehalt gemacht worden ist, das durch eidgenössische Konzession verliehene Betriebsrecht nachträglich beeinträchtigen. Die angefochtenen Bestimmungen würden auch dem Zweck des Aufsichtsgesetzes widersprechen, weil sie eine der Grundlagen der Feuerversicherungstechnik, die bestimmte Vertragsdauer, umstossen und damit die Sicherheit des Geschäftsbetriebes gefährden würden. Das Weiterbestehen der laufenden Verträge würde dagegen den Kanton nicht hindern, seine Staatsanstalt in Betrieb zu setzen ; sollte er aber eine Gefahr darin erblicken, so musste er eben den Beginn bis nach Ablauf der bestehenden Verträge hinausschieben. Die gegen die Einführung der staatlichen Feuerversicherung in ändern Kantonen erhobenen Beschwerden hatten nur die Frage zum Gegenstand, ob die Kantone zur Einführung staatlicher Monopolanstalten befugt seien; die Frage, ob sie bestehende Verträge aufheben dürfen, was gegenwärtig allein bestritten wird, hatten die Bundesbehörden bisher nie zu entscheiden. Der Anspruch der Rekurrenten auf das Bestehenlassen ihrer Verträge beruht auf der eidgenössischen Konzession, die nicht etwa nur ein frei widerruflicher gewerbepolizeilicher Befund ist. sondern ein Individualrecht auf Gewerbebetrieb begründet, das nur aus bestimmten Gründen (Art. 9, Abs. 2, des Gesetzes) widerrufen werden kann. Dass die Rekurrenten dieses, ihr Recht missbrauchen wollten, um vor der Betriebseröffnung der kantonalen Anstalt noch Verträge auf lange Dauer hinaus
abzusehliessen, ist unrichtig; die Dauer der Verträge ist in den allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegt und beträgt höchstens 10 Jahre.

Das eventuelle gegen die vorzeitige Aufhebung der Verträge gerichtete Begehren gründet sich auf Art. 31 der Bundesverfassung.

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Das Monopolrecht der Kantone gewährt ihnen nur das Recht, die Konkurrenz, d. h. die gleichzeitige Abschliessung von Versicherungsverträgen zu verbieten, nicht aber schon abgeschlossene Verträge aufzuheben ; die Geschäfte, die unter der Herrschaft der Gewerbefreiheit abgeschlossen worden sind, bleiben unter dem Schutz des Art. 31 der Bundesverfassung unanfechtbar.

III.

Der Kanton Graubündeu erwidert auf diese Beschwerde in seiner am 20. März 1909 eingelangten Antwort imd in seiner Duplik vom März 1910: Sowohl Art. 3 der Bundesverfassung als Art. l, Abs. 5, des Aufsichtsgesetzes gewährleisten den Kantonen das Recht, das Versicherungsgeschäft zu monopolisieren; Praxis und Theorie haben dies anerkannt, die Praxis bei Anlass der Beschwerden über die staatliche Mobiliarversicherung des Kantons Waadt (Bundesbl. 1876, II, 592); über die bernische kantonale Brandversicherung für Gebäude (Entsch. des B. Ger. Bd. 8, S. 249) ; über die staatliche Gebäudeversicherung von Nidwaiden (Bundesbl. 1885, II, 654 ff.), und die Mobiliarversicherungsanstalt von Glarus (Bundesbl. 1895, 1. 188 ff'.). Art. 34, Abs. 2, der Bundesverfassung ist nicht verletzt, weil er die staatliche Aufsicht nicht im Interesse der Versicherungsgesellschaften, sondern der Versicherten vorsieht und überdies gar kein Individualrecht begründet. Ebensowenig sind die übrigen Bestimmungen des Aufsichtsgesetees verletzt; wenn die Versicherungsgesellschaften unter dem Schütze der Gewerbefreiheit stehen, wie die Rekurrenten zugeben, können sie nicht gleichzeitig das Betriebsrecht aus der Konzession ableiten, denn Gewerbefreiheil und Konzession sehliessen sich aus. Die Konzession verleiht in der Tat kein Individualrecht auf den Gewerbebetrieb; sie ist nur eine gewerbepolizeiliche Bewilligung, die die private Versicherung voraussetzt ; der Einführung des kantonalen Monopols, die das Gesetz selbst vorsieht, steht sie nicht im Wege. Der Kanton Graubünden hatte dieses Recht schon vor dem Gesetz vom 13. Oktober 1907; die Versicherungsgesellschaften mussten von vornherein mit der Eventualität der Verstaatlichung rechnen. Übrigens hören alle Rechte aus der Konzession mit dieser, d. h. am 1. Dezember 1912 auf.

Nach der Theorie der Rekurrenten könnten die einmal konzessionierten Gesellschaften vor Ablauf der Konzession ihre Verträge noch auf beliebig lange Zeit verlängern und unbeBundeablatt. 63. Jahrg. Bd. I.

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218 kümmert um das Monopol ihr Geschäft fortsetzen. Diese Konsequenzen zeigen deutlich genug die Unrichtigkeit des Grundsatzes; das Aufsichtsgesetz garantiert eben den Versicherungsgesellschaften keineswegs das Recht, ihr Gewerbe zu betreiben.

Deshalb kann es auch nicht die im Gewerbebetrieb abgeschlossenen Verträge garantieren, woraus folgt, dass es den Kautonen nicht verbietet, die Liquidation der Verträge zu verlangen. Die Rekurspraxis hat das Recht der Kantone, auch bestehende Verträge mit der Einführung der staatlichen Vorsicherung aufzuheben, bei der Entscheidung des Rekurses gegen den Kanton Glarus im Jahre 1895 ausdrücklich anerkannt durch die Abweisung der Behauptung, die Bestimmung des glarnerischen Gesetzes, welche die nach seinem Inkrafttreten abgeschlossenen Verträge vorn Zeitpunkt der BetriebseröfFnung an aufhob, verletze die konzessionsmässigen Rechte der Versicherungsgesellschaften.

Das bündnerische Gesetz hat alle billige Rücksicht auf die bestehenden Verträge genommen, indem es sie noch auf mehr als 5 Jahre bestehen liess, was der durchschnittlichen Dauer zehnjähriger Verträge entspricht; die früheren Verträge wurden aber alle nur auf kürzere Zeit abgeschlossen. Den Versicherungsgesellschaften zu gestatten, einzelne Verträge nach Gutdünken, noch auf längere Zeit hinaus zu verlängern oder gar die Betriebseröffnung der kantonalen Anstalt hinauszuschieben, kann dem Kanton Graubünden nicht zugemutet werden. Inwiefern die Abkürzung der Dauer der laufenden Verträge den versicherungstechnisehen Grundlagen der Feuerversicherung widersprechen sollte, ist nicht einzusehen.

Was endlich den Art. 31 der Bundesverfassung betrifft, mit dem § 59, Abs. l, in Widerspruch stehen soll, so ist der Kanton.

Graubünden kraft seines Monopolrechtes vom Tage der Betriebseröffnung an befugt, jede Privattätigkeit aufzuheben, also auch die reduzierte Tätigkeit auf Grund früherer Verträge. Diese Schranke war mit der Gewerbefreiheit von Anfang an gegeben ; es ist keine rückwirkende Kraft des Monopolrechtes.

IV.

Ein Teil der Rekurrenten hat gegen § 59, Abs. Ì und 2, des bündnerischen Gesetzes vom 13. Oktober 1907 auch den Rekurs au das Bundesgricht ergriffen, wegen Verletzung des Art. 9, Abs. 4 der bündnerisehen Kantons Verfassung betreffend Gewährleistung des Eigentums und der anderen Privatrechte und des Art. 4 im Zusammenhang mit Art. 3 der Bundesverfassung.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Der Bundesrat ist gemäss Art. 189, Abs. l, Ziü'or 3 und Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Buudesrechtspflege kompetent, die vorliegende Beschwerde VM beurteilen.

2. Die Rekurrenten begründen ihr Hauptbegehren mit der Behauptung, die §§ l, 8, 58 und 59 des bündnerischen Gesetzes vom 13. Oktober 1907 verstossen gegen Art. 34, Abs. 2, der Bundesverfassung und gegen das Bundesgesetz vom 25. Juni 1885, indem sie die Rekurrenten verhindern, während der Dauer der Bundeskonzession, das heisst bis Ende 1912, ihren Geschäftsbetrieb fortzusetzen, die Rechtsbeständigkeit der während dieser Zeit abgeschlossenen Verträge zeitlich beschränken und die Rekurrenten .zur Abrechnung und Liquidation der laufenden und der während der Bundeskonzession noch abzuschliessenden "Verträge zwingen.

Was den Art. 34, Abs. 2 der Bundesverfassung anbelangt, so enthält er nicht unmittelbar anwendbares Recht über die öffentlich-rechtliche Stellung der privaten Versicherungsunternehmungen, sondern verleiht dem Bunde nur die Kompetenz, darüber Bestimmungen aufzustellen. Der Bund hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht, indem er das Gesetz vom 25. Juni 1885 erliess. Wenn eine Versicherungsgesellschaft glaubt, dass ein Kanton sich mit dem Bundesgesetz in Widerspruch gesetzt habe, so kann sie sich nicht über Verletzung des Art. 34, Abs. 2, der Bundesverfassung beklagen, sondern nur über Verletzung des Ausführungsgesetzes, wie der Bundesrat auch gegenüber Beschwerden wegen Verletzung der Art. 34 und Art. 32bu erkannt hat (vergi, den Entscheid des Bundesrates vom 29. November 1907 i. S.

der Gebrüder Sulzer und Konsorten gegen Zürich, Bundesblatt 1907, VI, 561 ; den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung i. S. Beretta, Bundesblatt 1907, VI, S. 155 f., und den Entscheid des Bundesrates vom 11. Mai 1909 i. S. F. Muraour cfe Cie., Bundesblatt 1909, m, 319).

Das Recht, das private Versicherungsgewerbe durch ein kantonales Monopol auszuschliessen, bestreiten die Rekurreutcn den Kantonen grundsätzlich nicht. Das Bundesgesetz soll aber dadurch verletzt sein, dass ein kantonales Gesetz das von bundeswegen verliehene Recht auf den Betrieb des Versicherungsgeschäftes und das daraus fliessende Recht auf Vollziehung der konzessionsgemäss geschlossenen Verträge aufhebt.

220 Allein diese Bewilligung hat nicht die Bedeutung, die ihr die Rekurrenten zuschreiben. Sie verleiht nicht erst den Versicherungsgesellschaften das Recht zum Gewerbebetrieb, wie die Konzession zum Betrieb einer Eisenbahn oder einer postregalpflichtigen Transportunternehmung. Das Versicherungsgewerbe ist von bundeswegen ein freies Gewerbe; jede Gesellschaft, die den von der Aufsichtsbehörde in Gemässheit des Gesetzes gestellten Anforderungen genügt, erhält die Bewilligung. Dus Erfordernis der Bewilligung dient nur der Kontrolle darüber, dass jenen Anforderungen genügt wird ; die Bewilligung setzt das Recht auf den Gewerbebetrieb voraus, schafft es aber nicht.

Es kann daher auch nicht eine Beeinträchtigung des durch die Konzession begründeten .^Betriebsrechtes" sein, wenn den Gesellschaften das Recht, ihr Geschäft zu betreiben, entzogen wird.

Wenn das Bundesgesetz den konzessionierten Gesellschaften überhaupt nicht das Recht gibt, sich dem kantonalen Monopole zu widersetzen, können sich die Gesellschaften auch nicht auf dasselbe Bundesgesetz berufen, um zu verhindern, dass der Kanton dio Betriebe von einem gewissen Zeitpunkt an einschränke. Er könnte den Betrieb schon von diesem früheren Zeitpunkte an ganz verbieten. Die Gesellschaft musste von Anfang an mit der Einführung dieses kantonalen Monopoles rechnen. Damit, dass die Rekurrenten selbst dem Kanton Graubünden das Recht nicht bestreiten, das kantonale Monopol der Gebäudeversicherung einzuführen, erkennen sie übrigens selbst an, dass ihr ,,Betriebsrecht" gegenüber diesem kantonalen Hoheitsrecht weder im ganzen noch zu einem Teile bestehen kann.

Die Rekurrenten behaupten ferner, die vorzeitige Aufhebung ihrer Verträge gefährde die versicherungstechnische Grundlage ihres Geschäftsbetriebes und sei deshalb in Widerspruch mit dem Zwecke des Bundesgesetzes. Der Beweis für diese Behauptung ist nicht versucht worden und dürfte auch nicht zu erbringen sein. Aber wenn auch die Behauptung der Rekurrenten richtig wäre, so würde daraus nicht die Uiizulässigkeit der kantonalen Bestimmung folgen, sondern die Unzulässigkeit des ferneren Geschäftsbetriebes auf dieser Grundlage. Denn das Bundesgesetz vom 25; Juni 1885 verbietet, wie schon ausgeführt wurde, jene Einschränkung des Versicherungsgewerbes zu Gunsten des kantonalen Monopols nicht; wenn somit der
also eingeschränkte Betrieb den Anforderungen des Aufsichtsgesetzes nicht mehr entspräche, musste er ganz eingestellt werden. Die übrigen Ausführungen der Rekursschriften über die Vorgeschichte des

221 biindnerischen'ï;Gesetzes, das Geschäftsgebaren der Rekurrenten u. a. m. sind für die hier zu entscheidende Rechtsfrage ohne Bedeutung und brauchen daher nicht erörtert zu werden.

3. Das eventuelle Begehren wird von den Rekurrenten damit begründet, dass die Kantone zwar das Recht haben, die freie Konkurrenz auszuschliessen, nicht aber das Recht, die unter dem Schütze der Gewerbefreiheit geschlossenen Geschäfte nachträglich aufzuheben. Allein da Art. 31 der Bundesverfassung gegen die Einführung kantonaler Versicherungsmonopole überhaupt keinen Schutz verleiht, wie die Rekurrenten anerkennen und die Bundesbehörden für das Gebiet des Versicherungswesens mehrfach entschieden haben, so kann er auch den in Ausübung der Gewerbefreiheit abgeschlossenen Geschäften nicht Schutz gegen die Einführung des Monopols gewähren. Wenn daher ein Kanton mit dem Inkrafttreten der obligatorischen staatlichen Versicherung die bestehenden Verträge aufhebt oder liquidieren lässt, so verletzt er damit die Gewerbefre'iheit nicht. Ob in diesem Vorgehen eine nach kantonalem Verfassungsrecht unzulässige Verletzung von Privatrechten liegt, wie die Rekurrenten behaupten, hat nicht der Bundesrat zu untersuchen.

Aus diesen Gründen wird beschlossen: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 27. Januar

1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde der Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungs-Gesellschaft, in St. Gallen, und Konsorten gegen das Gesetz des Kantons Graubünden betreffend die Gebäude-Brandversicherung. (Vom 27. Januar 1911.)

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