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Botschaft . des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von St. MoritzDorf nach Chantarella sur Chaunt.

(Vom 28. November 1911.)

Tit.

Im Auftrage eines Initiativkomitees reichte Herr Bankdirektor R. Nater in St. Moritz dem Eisenbahndepartement unterm 8. Sep?

tember 1911 ein Gesuch um Erteilung einer Konzession für den Bau,und Betrieb einer elektrischen Drahtseilbahn von St. MoritzDorf nach Chantarella sur Chaunt ein. In der Eingabe wird im wesentlichen ausgeführt, Chantarels, beziehungsweise Chantarella sei der Name eines Hochplateaus, zirka 160 m über St. MoritzDorf, auf dem eine Kuranstalt erstellt werde. Die projektierte Drahtseilbahn solle in erster Linie dieses Etablissement bedienen.

Ausserdem sei aber die Erschliessung des Gebietes als Villenquartier, sowie die Bedienung zweier bereits bestehenden weitern Anstalten (Privatklinik und Kinderheim) in Aussieht genommen.

Da die ganze Gegend infolge ihrer sonnigen Lage als die einzige Zone der Weiterentwicklung des Kurortes anzusehen sei, könne die Drahtseilbahn auf eine gute Frequenz rechnen. Namentlich auch Spaziergänger und Kurgäste würden die Bahn benützen, um rasch in die Höhe zu gelangen, wo Wald und Hochplateau vorzügliche Gelegenheit zu Ausflügen bieten.

Dem technischen Berichte entnehmen wir folgende Angaben : Länge der Bahn (horizontal) : 417 m.

(schief): 450 m.

Spurweite: l m.

Maximalsteigung : 490 °/oo.

Höhenkoten: untere Station 1848 m.

obere Station 2005 m.

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Zwischenstationen : drei.

Betriebssystem : Elektrizität.

Der summarische Kostenvoranschlag setzt sich aus folgenden Posten zusammen: Grunderwerb Fr. 18,000 Unterbau und Einfriedungen » ,, 130,000 Oberbau, mechanische Einrichtungen, Signale, Rollmaterial und Telephon ,, 80,000 Mobiliar und Gerätschaften ,, 5,000 Hochbau ,, 10,000 Unvorhergesehenes ,, 7,000 Total

Fr. 250,000

In seiner Vernehmlassvtng vom 16. Oktober 1911 empfiehlt der Kleine Rat des Kantons Graubünden die Erteilung der Konzession.

Die vorschriftsmässigen konferenziellen Verhandlungen fanden am 20. November in Bern statt. Dem vom Eisenbahndepartement vorgelegten Konzessionsentwurf wurde mit einer einzigen Änderung -- Erhöhung der Maximaltaxen -- allseitig zugestimmt.

Wir haben noch beizufügen, dass weder die Gemeinde St. Moritz noch der dortige Kurverein, welche im Besitze einer Konzession für eine Drahtseilbahn nach der Alp Giop sind (vgl.

Bundesbeschluss vom 1. November 1910, E. A. 8. XXVI, 243), Einwendungen gegen die heutige Vorlage, die unter Umständen als Konkurrenzunternehmen zu ihrem eigenen Projekt hätte aufgefasst werden können, erhoben haben.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 28. November 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rächet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

ßundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von St. MoritzDorf nach Chantarella sur Chaunt.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe eines Initiativkomitees vom 8. September 1911 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 28. November 1911, beschliesst: Einem durch Herrn Bankdirektor R. N a t e r in St. Moritz vertretenen Initiativkomitee wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer e l e k t r i s c h e n D r a h t s e i l b a h n von St. M o r i t z - D o r f nach C h a n t a r e l l a sur C h a u n t unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

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Art. 4.

Der Sitz der Gesellschaft ist in St. Moritz.

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weiteren Ausschusses soll aus Schweizerbiirgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Das Strecken- und das Stationspersonal soll schweizerischer Nationalität sein.

Art. 6. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert sechs Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen einem Jahre, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von einem Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons Graubünden und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der ßundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die

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Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 13. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen, Gepäck und Stückgütern. Zur Beförderung von lebenden Tieren und Wagenladungsgütern ist sie nicht verpflichtet.

Art. 14. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens fünfmal nach beiden Richtungen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muss.

Art. 16. Für die Beförderung von Personen über die ganze Strecke können Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: Bergfahrt Fr. 1. 50 Talfahrt ,, 1. -- Berg- und Talfahrt ,, 2. -- Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

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Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens Fr. l per 100 Kilogramm für die Berg- oder die Talfahrt über die ganze Strecke bezogen werden.

Art. 18. Für die Beförderung von Stückgütern können per 100 Kilogramm für die Berg- oder die Talfahrt über die ganze Strecke höchstens 80 Rappen bezogen werden.

Art. 19. Für die Beförderung nach und von den Zwischenstationen werden die Taxen im Verhältnis der zu durohfahrenden Strecke berechnet.

Art. 20. Für Gepäck- und Gütersendungen kann eine Minimaltaxe erhoben werden, die aber den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung nicht überschreiten darf.

Art. 21. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden.

Art. 22. Das Gewicht wird bei Gütersendungen bis auf 20 kg für volle 20kg gerechnet und bei Gepäcksendungen bis auf 10kg für volle 10 kg; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine ganze Einheit gilt.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 23. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 24. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr Übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent Übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transport-

131 taxen verhältaismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen idem B un des rat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich der Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine an gern esse D e Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 26. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 27. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Graubünden gelten folgende Bestimmungen: a. Der Ruckkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; --

132 sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 22V2fachen Wert; -- wenn der .Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunteruehmung- mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschät/ung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 28. Hat der Kanton Graubünden den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 27 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

' ,, Art. 29. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 1. Januar 1912 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von St. Moritz-Dorf nach Chantarella sur Chaunt. (Vom 28.

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06.12.1911

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