388

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend d e n Bundesratsbeschluss über Mitteilung v o n aufsichtsgesetzes vom 25. Juni 1885 und § 97 der Zivilstandsregisterverordnung vom 25. Februar 1910.

(Vom 20. Dezember 1911.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

I. Das Bundesgesetz betreffend B e a u f s i c h t i g u n g von P r i v a t u n t e r n e h m u n g e n im G e b i e t e des V e r s i c h e r u n g s wesens vom 25. Juni 1885 bestimmt in Art. 11, dass den kantonalen Gerichten von Amtes wegen oder auf Klage hin zur Bestrafung überwiesen werden: 1. Personen, welche in der Schweiz unbefugt Versicherungsunternehmungen betreiben, oder dazu behülflich sind ; 2. Die verantwortlichen Leiter, Generalbevollmächtigten und Agenten einer Versicherungsunternehmung, welche in den dem Bundesrate mitzuteilenden Vorlagen, Ausweisen und Aufschlüssen die Geschäftsverhältnisse der Unternehmung unwahr darstellen oder verschleiern, oder welche unwahre Mitteilungen (Prospekte usw.) veröffentlichen.

Gegen die Schuldigen ist auf Geldbusse bis auf 5000 Franken oder auf Gefängnis bis zu 6 Monaten oder auf beide Strafen gleichzeitig zu erkennen. Ferner kann den Fehlbaren jede weitere Tätigkeit inbezug auf Vsrsicherungsgeschäfte in der

389

Schweiz untersagt werden. Nach Art. 11, Abs. 4 des Gesetzes haben die Gerichte dem Bundesrate Abschriften der Urteile mitzuteilen.

Aus den auf Grund dieser Gesetzesbestimmung von .den kantonalen Gerichten erlassenen und dem Bundesrate zur Kenntnis .gebrachten Strafurteilen ergibt sich, dass die Rechtssprechung der Kantone über diesen Gegenstand keine einheitliche ist. Vielmehr zeigen sich Abweichungen sowohl in bezug auf die Gesetzesauslegung, als auch hinsichtlich des Strafmasses. Aus dieser Erscheinung ergibt sich eine Rechtsunsicherheit, die mit den Interessen der versicherten oder versicherungsbedürftigen Bevölkerung und der Versicherungsunternehmungen nicht vereinbar ist. Insbesondere aber erschwert sie der Staatsaufsicht über das private Versicherungswesen ihre Aufgabe erheblich. Es besteht deshalb das Bedürfnis, eine einheitliche Handhabung des Gesetzes herbeizuführen und zu sichern.

Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn es dem Bundes* rate ermöglicht wird, die Entscheide der kantonalen Strafbehörden durch die Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht weiterzuziehen. Die Voraussetzung zur Einreichung der Kassationsbeschwerde bildet nach Art. 161, Abs. l des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege eine Verfügung des Bundesrates im Sinne von Art. 155 des gleichen Gesetzes. Diese Verfügung wird nicht etwa dadurch überflüssig, dass die kantonalen Gerichte nach Art. 11, Abs. 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes schon jetzt verpflichtet sind, dem Bundesrate Abschriften der Strafurteile einzusenden. Art. 161 0. G. lässt keinen Zweifel darüber bestehen, dass die bundesrätliche Verfügung die unerlässliche Bedingung ist für die Zulassung der Kassationsbeschwerde beim Bundesgericht.

·;,

'

-

-Ï*

^ H. Durch Art. 59 des Bundesgesetzes vom 24. Dezember 1874 betreffend Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe werden bestimmte Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes unter Strafe gestellt. Art. 62 des Schlusstitels des schweizerischen Zivilgesetzbuches hebt nun dieses Gesetz auf den 1. Januar 1912 auf. Damit tritt auch der Art. 59 ausser Kraft und Art. 145, Ziffer 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflage vom 22. März 1893, der Rekurse gegen kantonale Strafurteile aus Art. 59 des Zivilstandsgesetzes dem Kassationshofe des Bundesgerichts zur Entscheidung überweist, wird obsolet.

390 Gestützt auf Art. 39 und 119 des schweizerischen Zivilgesetzbuches sind in §97 der Verordnung über die Z i v i l s t a n d s r e g i s t e r vom 25. Februar 1910 neue Strafbestimmungen aufgestellt worden. Deren Anwendung ist Sache der kantonalen Gerichte. Wir halten es aber für angezeigt, dass den Bundesbehörden ermöglicht wird, solche Erkenntnisse nach Art. 161 des Organisationsgesetzes an den Kassationshof des Bundesgerichtsweiterzuziehen. Dies ist nur dann statthaft, wenn der Bundesrat von der ihm in Art. 155 des Organisationsgesetzes eingeräumten.

Befugnis Gebrauch macht.

III. Wir beehren uns, Ihnen aur Kenntnis zu bringen, dass wir gestützt auf diese Erwägungen heute beifolgenden Beschluss betreffend Mitteilung von kantonalen Entscheiden nach Art. 11 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 25. Juni 1885 und § 97 der Zivilstandsregisterverordnung vom 28. Februar 1910 gefasst haben (siehe Beilage), und laden Sie ein, dafür zu sorgen, dass unssämtliche in Anwendung der genannten Bestimmungen erlassenen kantonalen Entscheide unverzüglich mitgeteilt werden.

Wir benutzen gerne diesen Anlass um Sie, getreue, liebe1 Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 20. Dezember 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

-~se>--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend den Bundesratsbeschluss über Mitteilung von kantonalen Entscheiden nach Art.11 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 25. Juni 1885 und § 97 der Zivilstandsregisterverordnung v...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1911

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.12.1911

Date Data Seite

388-390

Page Pagina Ref. No

10 024 458

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.