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Schweizerisches Bundesblatt.

3. Jahrgang. I.

N° 4

25. Januar 1911.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 13. Januar 1911.)

Dem Kanton A a r g a u werden, als Beitrag des Bundes, an die Kosten der Erstellung einer neuen Rheinbrücke bei Rheinfelden, zwischen dem Kanton Aargau und dem Grossherzogtum Baden, Fr. 50,000 zugesichert.

(Vom 17. Januar 1911.)

Der Bundesrat hat einen grundsätzlichen Entscheid betreffend die Auslegung des Art. 9 des Handelsvertrages mit Deutschland, der inhaltlich dem Art. l des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden entspricht, gefasst und denselben wie folgt dem Bundesgerichte zur Kenntnis gebracht: 1. Der Reisende einer deutschen Firma, der in der Schweiz bei Gewerbetreibenden (Schokoladefabrikanten u. dgl.) Bestellungen auf Plakate, Serienkarten, Packungen u. dgl. aufnehmen wollte, wurde vom Polizeidepartement des Kantons Baselstadt eur Zahlung einer Patenttaxe angehalten.

Die Firma des Reisenden ersuchte um Erstattung dieser Gebühr, indem .sie geltend machte, dass ihr Reisender im Besitze einer deutschen Gewerbelegitimationskarte sei, nur Muster mit sich führe, auch nur Gewerbetreibende besuche und daher nach dem deutsch-schweizerischen Handelsvertrage Anspruch auf Ausstellung einer taxfreien Ausweiskarte habe.

Dieses Gesuch wurde mit der Begründung abgewiesen, dass laut Urteil des Bundesgerichts vom 22. Oktober 1907 das Anbieten Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. I.

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186 einer Ware nur dann taxfrei sei, wenn zwischen dem jeweilen in Frage stehenden Gewerbe und der Verwendung des betreffenden Handelsartikels ein innerer Zusammenhang besteht. Dies sei hinsichtlich der Reklameartikel nur der Fall, wenn sie Wiederverkäufern, z. B. Bazargeschäften, angeboten würden, nicht aber, wenn es sich um Bestellungen durch Schokoladefabrikanten, Schuhfabrikanten, Kolonialwarenhändler usw. handle.

2. Hiegegen rekurrierte die Firma an die deutsche Reichsbehürde, in deren Auftrag sodann die Deutsche Gesandtschaft in Bern beim Bundesrate vorstellig wurde.

Die Gesandtschaft machte geltend, dass die fraglichen Erzeugnisse von Schokoladefabrikanten u. drgl. unzweifelhaft in ihrem Gewerbebetriebe verwendet würden. Dies treffe sowohl für das Verpackungsmaterial zu, dessen Ausstattung den Absatz von Schokolade u. drgl. wesentlich beeinflusse, als auch für Serienkarten, Reklamekarten u. drgl. Die letztern seien ein unentbehrliches Hülfsmittel für gewisse Gewerbebetriebe geworden und die Zugabe der erwähnten Artikel sei bei Schokolade, Schuhwaren, Konditorwaren u. drgl. handelsüblich. Die Gesandtschaft wies zur Unterstützung ihrer Reklamation auch auf die schweizerische Rechtsprechung hin, indem sie sich auf das Urteil des Kassationshofes des Schweizerischen Bundesgerichtes, vom 13. Dezember 1901, berief, wo ausdrücklich hervorgehoben werde, dass im Sinne des Artikels l des Patenttaxengesetzes Waren nicht nur dann als in einem Gewerbe ,,verwendet" angesehen werden, wenn sie unmittelbar zum Gebrauch oder Verbrauch im Gewerbe dienen, sondern auch dann, wenn sie notwendige Hülfsmittel zum Betriebe des Gewerbes sind. Das Gesetz mache keinen Unterschied zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Verwendung im Gewerbe. Nach Absicht des Gesetzgebers sei unter ,,verwenden" das Gebrauchen und Verbrauchen in allen Fällen zu vorstehen, in welchen Gegenstände an Leute verkauft werden, welche sie nicht in der Haushaltung als Private gebrauchen.

3. Der Bundesrat erklärte diese Beschwerde für unbegründet, indem er sich, gleich dem Polizeidepartement des Kantons Baselstadt, auf das erwähnte Urteil des Bundesgerichts vom 22. Oktober 1907, sowie auf ein Urteil derselben Behörde vom 10. Mai 1910 berief.

4. Demgegenüber ist nun die Deutsche Gesandtschaft auf ihre Beschwerde zurückgekommen und hat um nochmalige Prüfung

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derselben ersucht. Sie beruft sich wiederholt auf den klaren Wortlaut des Art. 9 des Handelsvertrages, nach welchem als Voraussetzung für die Taxfreiheit nur verlangt werde, dass die angebotenen Waren im Gewerbebetriebe desjenigen, dem sie angeboten werden, Verwendung finden. Dass dies mit Bezug auf Reklamekarten etc. in Schokoladefabriken u. drgl. Betrieben der Fall sei, stehe ausser Zweifel. Sofern dem schweizerischen Patenttaxengesetze in dieser Hinsicht eine einschränkende Auslegung in dem Sinne gegeben werde, dass die Verwendung des angebotenen Artikels für die Ausübung des betreffenden Gewerbes oder Berufes dessen Begriff und Natur nach unentbehrlich sein müsse, könne diese Einschränkung im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 9 des Handelsvertrages jedenfalls deutschen Reisenden gegenüber nicht Anwendung finden.

5. Gestützt auf das Gutachten seines Justiz- und Polizeidepartements und auf den Antrag seines Handelsdepartements ist der Bundesrat nun, in Wiedererwägung der deutschen Beschwerde, zu dem Schlüsse gelangt, dass dieselbe begründet und dass die fragliche Taxe zurückzuerstatten sei.

Es werden folgende Bundesbeiträge zugesichert : 1. dem Kanton W a a d t : 70% der Kosten der Ergänzung der Aufforstung und Lawinenverbauung ,,Haut-Ferruz"1, Gemeinde Villeneuve, Kostenvoranschlag Fr. 22,000, im Maximum Fr. 15,400 ; 2. dem Kanton St. G a l l e n : 20 °/o der Kosten des Waldweges Dickenwald-Neuenberg, Ortsgemeinde Wangs, Kostenvoranschlag Fr. 21,584, im Maximum Fr. 4316. 80.

Dem von der Berner Alpenbahngesellschaft für die Linie Münster-Lengnau vorgelegten Finanzausweis im Betrage von Fr. 21,000,000 wird vorbehaltlich dor Prüfung der Baurechnung nach der Bauvollendung die Genehmigung erteilt.

(Vom 20. Januar 1911.)

Dem Kanton S c h w y z wird an die Kosten der Entwässerungsarbeiten am Erdrutsch bei Sattel ein Bundesbeitrag von 50 °/o zugesichert (VoranschlagFr. 30,000), im Maximum Fr. 15,000.

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Dem Gesuche des Herrn Regierungsrates Schubiger in St. Gallen, um Entlassung von der Stelle eines Stellvertreters des Herrn Zollikofer in der internationalen Rheinregulierungskommission, wird unter Verdankung der geleisteten Dienste entsprochen.

Als Stellvertreter von Herrn alt Regierungsrat Zollikofer wird Herr Regierungsrat R i e g g , Vorsteher des st. gallischen Baudepartementes, ernannt.

Herr Giorgio L a n g wird zum schweizerischen Generalkommissär für die internationale Industrieausstellung in Turin ernannt.

Herrn Dr. J. Sus s wird die nachgesuchte Entlassung von seiner Stelle als Übersetzer I. Klasse des Justiz- und Polizeidepartements auf 1. März 1911 unter Verdankung der geleisteten Dienste bewilligt.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

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25.01.1911

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185-188

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