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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die eidgenössische Gewährleistung der Abänderung der Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald vom 27. April 1902.

(Vom 2. Juni 1911.)

Tit.

Mit Schreiben vom 4/ Mai 1911 haben uns Landammann und Regierungsrat des Kantons Unterwaiden ob dem Wald mitgeteilt, dass die Landsgemeinde am 30. April 1911 folgende Abänderungen der Kantonsverfassung vom 27. April 1902 beschlossen habe, für welche die eidgenössische Gewährleistung nachgesucht werde : L Art. 28, Absatz l, der Kantonsverfassung lautet von nun an wie folgt: ,,In den Kantonsrat wählt jede Einwohnergemeinde auf eine Seelenzahl von 250 je ein Mitglied. Eine Bruchzahl von mindestens 125 berechtigt ebenfalls zur Wahl eines Mitgliedes. Die Zahl der einer jeden Gemeinde zufallenden Mitglieder wird jeweilen auf Grundlage der Ergebnisse der eidgenössischen Volkszählung vom Regierungsrate festgestellt."

Bisher hatte Absatz l des Art. 28 folgenden Wortlaut: ,,In den Kantonsrat wählt jede Einwohergemeinde auf eine Seelenzahl von 200 je ein Mitglied. Die Zahl der einer jeden

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Gemeinde zufallenden Mitglieder wird jeweilen auf Grundlage der Ergebnisse der eidgenössischen Volkszählung vom Regierungsrate festgestellt."

Der bisherige Absatz 2 des Art. 28, lautend : ,,Erstmals wird die Mitgliederzahl der einzelnen Gemeinden durch die Übergangsbestimmungen geregelta, wird aufgehoben. Der bisherige Absatz 3 wird nun Absatz 2.

Während also bisher die Gemeinden auf je 200 Einwohner ein Mitglied in den Kantonsrat entsandten, räumt ihnen die revidierte Verfassung nur ein Mitglied für je 250 Einwohner ein, wobei aber eine Bruchzahl von mindestens 125 Einwohnern ebenfalls berücksichtigt wird. Die anlässlich der letzten Volkszählung zutage getretene Bevölkerungszunahme bildete den Grund für die Erhöhung der Repräsentationsziffer.

II. Infolge der festgestellten Bevölkerungszunahme wurden auch die Vertretungsansätze für den Einwohner- und den Bürgergemeinderat erhöht, und zwar in der Weise, dass Art. 67 folgende Fassung erhält: ,,In den Einwohnergemeinderat wählt jede Einwohnergemeinde auf eine Seelenzahl von 300 und eine Bruchzahl von 150 Seelen und mehr je ein Mitglied. In Gemeinden mit weniger als 2100 Einwohnern zählt der Einwohnergemeinderat sieben Mitglieder.a Bisher hatte Art. 67 folgenden Wortlaut: ,,In den Einwohnergemeinderat wählt jede Einwohnergemeinde auf eine Seelenzahl von 125 Seelen je ein Mitglied.tt Da laut Art. 72 der Kantonsverfassung der Bürgergemeinderat aus so vielen Mitgliedern besteht wie der Einwohnergemeinderat, werden durch die Revision des Art. 67 indirekt auch die Vertretungsansätze für den Bürgergemeinderat neu geregelt.

III. Endlich wurden durch den Landsgemeindebeschluss vom 30. April 1911 noch folgende Ü b e r g a n g s b e s t i m m u n g e n in die Verfassung aufgenommen: ,,Die Mitglieder des Regierungsrates zählen, ohne dass sie sich dermalen einer Wiederwahl zu unterziehen haben, im Sinne von Art. 28 der Kantonsverfassung für die entsprechende Wohngemeinde als Mitglieder des Kantonsrates.

,,An der ordentlichen Maigemeinde 1911 haben die Einwohner- und gleichzeitig auch die Bürgergemeinden die ihnen nach der Berechnung des Regierungsrates zustehenden Wahlen in den Kantonsrat und in die Gemeinderäte zu treffen.

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,,Die Amtsdauer von Mitgliedern der einen oder ändern Behörde, welche bisher schon derselben angehört haben, wird durch diese Wiederwahl nicht unterbrochen. Für Mitglieder, die allfällig neu in eine Behörde eintreten, läuft die Amtsdauer nach Weisung des Regierungsrates im Frühjahr, resp. Herbst 1912 oder 1914 zu Ende, je nachdem der Ausgleich es fordert.

., Vorstehende Verfassungsänderung tritt mit der Annahme in Kraft."

Nach Massgabe dieser Übergangsbestimmungen haben sich also an der Maigemeinde 1911 sämtliche bisherigen Mitglieder des Kantonsrates (mit Ausnahme der Mitglieder des Regierungsrates, die von der Landsgemeinde gewählt werden), sowie die sämtlichen Mitglieder der Einwohner- und Bürgergemeinderäte einer Wiederwahl zu unterziehen, trotzdem nach Massgabe der Kantonsverfassung die Amtsdauer der einen Hälfte tder Kantonsräte und der Einwohnergemeinderäte erst im Frühling 1912 und diejenige der ändern Hälfte erst im Frühjahr 1914 ablaufen würde.

Die Amtsdauer der Bürgergemeinderäte würde ordentlicherweise für die eine Hälfte derselben erst im Herbst 1912 und für die andere Hälfte im Herbst 1914 zu Ende gehen.

Wie der Regierungsrat des Kantons Unterwaiden ob dem Wald mitteilt, sprachen Zweekmässigkeitsgründe dafür, die abgeänderten Verfassungsbestimmungen mit ihrer Annahme durch die Landsgemeinde in Kraft treten zu lassen, da sonst die Ergänzungswahlen auf Grund der letzten Volkszählung, aber nach Massgabe der frühern, niedrigem Repräsentationsziffer hätten vorgenommen werden müssen. Diese sofortige Inkraftsetzung ist nicht zu beanstanden. Die Kantone sind nicht verpflichtet, ihre Verfassungsbestimmungen bis nach Erteilung der Gewährleistung durch den Bund zu suspendieren. Denn die kantonalen Verfassungsbestimmungen werden nicht erst mit der Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung rechtsgültig. Sie sind es vielmehr schon, sobald sie vom Kanton gültig angenommen worden sind.

Mit der Erteilung der Gewährleistung wird nur konstatiert, dass die Bestimmung gültig ist, wie durch die Verweigerung der Gewährleistung festgestellt wird, dass sie von Anfang an ungültig, d. h., weil mit dem Bundesrecht im Widerspruch stehend, ipso facto ausser Kraft ist (vgl. auch Burckhardt, Kommentar zur Bundesverfassung, Seite 118 ff.).

Die von der Landsgemeinde am 30. April 1911 beschlossenen Verfassungsänderungen enthalten nichts, was dem Bundesrecht

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widerspräche. Wir beehren uns daher, Ihnen, Tit., zu beantragen,.

Sie wollen denselben die nachgesuchte Gewährleistung in der Form des beiliegenden Beschlussesentwurfes erteilen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenenHochachtung.

B e r n , den 2. Juni 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,, Der Bundespräsident: Ruch e t

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bimdesbeschluss betreffend

die eidgenössische Gewährleistung der am 30. April 1911 revidierten Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald vom 27. April 1902.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 2. Juni 1911 betreffend die eidgenössische Gewährleistung der abgeänderten Art. 28 und 67 der Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald vom 27. April 1902, sowie die in die Kantonsverfassung aufgenommenen Übergangsbestimmungen zu den abgeänderten Verfassungsartikeln ; in Anbetracht, dass die abgeänderten Artikel, sowie die Übergangsbestimmungen zu denselben nichts enthalten, was den Vorschriften der Bundesverfassung widerstreitet; dass die abgeänderten Artikel und die Übergangsbestimmungen zu denselben von der Landsgemeinde am 30. April 1911 angenommen worden sind; in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschliesst:

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Den abgeänderten Artikeln 28 und 67 der Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald, sowie den Übergangsbestimmungen zu diesen abgeänderten Artikeln wird die eidgenössische Gewährleistung erteilt.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die eidgenössische Gewährleistung der Abänderung der Verfassung des Kantons Unterwalden ob dem Wald vom 27. April 1902. (Vom 2. Juni 1911.)

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