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I. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1911).

(Vom 14. November 1911.)

Tit.

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: 1. Eduard Keller, Spengler in Wettingen, Kanton Aargau, betreffend Jagdfrevel.

Eduard Keller wurde am 16. August 1910 vom Bezirksgericht Baden mit Fr. 160 Geldbusse, im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt in 32 Tage Gefängnis, bestraft, weil er im Monat Februar gl. Js. im Gemeindsbann Wettingen einen Hasen geschossen. Das nämliche Gericht verurteilte ihn am 18. April 1911 zu Fr. 100 Geldbusse, bei Nichterhältlichkeit umgewandelt in 20 Tage Gefängnis, wegen Tötung eines Hasen mittelst Giftlegen.

In beiden Fällen bestritt Keller die Täterschaft, das Gericht erachtete indessen den Schuldbeweis als durch Zeugenaussagen erbracht. Bereits am 30. Dezember 1908 war Petent wegen Jagenlassen von Hunden mit Fr. 30 und am 9. November 1909 wegen Jagen in verbotenem Jadgebiet mit Fr. 40 Busse bestraft worden.

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Nunmehr ersucht Keller um Nachlass der beiden Strafen von 1910 und 1911, indem er behauptet, er sei wegen schwächlichem Organismus und ökonomischem Unvermögen nicht imstande, die Bussen zu bezahlen oder die Gefängnisstrafen abzusitzen. Nach amtlichem Zeugnisse aber versteuert er ein Reinvermögen von Fr. 5440 und ein Einkommen von Fr. 700. Dieser Umstand und die vielfachen Wiederholungen von Jagdfrevel, die er sich nach den gerichtlichen Urteilen hat zuschulden kommen lassen, führen zu dem Schlüsse, dass er der Begnadigung durchaus nicht würdig sei.

Antrag : Es sei das- Begnadigungsgesuch des Eduard Keller abzuweisen.

2. Karl Brunner, Sticker in Witten-Goldbach, Kanton St. Galien, betreffend Jagdfrevel.

Das Bezirksgericht Rorschach verurteilte den Petenten am 7. März 1911 zu Fr. 40 Geldbusse und Tragung der Kosten, weil er Ende 1910 durch Fallenstellen bei der Scheune seines Hausherrn einen Iltis erlegt hatte (Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des eidg. Jagdgesetzes). Brunner ersucht um Milderung der Strafe mit der Begründung, er habe das Tier gefangen, um sich der Schädigungen zu erwehren, welche es durch Raub von Hühnern verursachte, und in der Annahme, solches sei nicht strafbar.

Das Bezirksamt Rorschach befürwortet einen teilweisen Nachlass der Busse mit Rücksicht auf die ärmlichen Verhältnisse des Petenten.

Der Richter hat die von dem Petenten tatsächlich begangene Übertretung mit dem Mindestmass der gesetzlich angedrohten Strafe belegt, und es liegen keine genügenden Gründe vor, um zugunsten des Fehlbaren eine Milderung eintreten zu lassen.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Karl Brunner abzuweisen.

3. Jakob Plattner, geb. 1884, und Albert Plattner, geb. 1885, Landwirte auf Humbel bei Waldenburg, Kanton Basel-Landschaft.

Die Brüder Jakob und Albert Plattner lebten um Neujahr 1911 bei ihrem Vater E. Plattner, auf dem Hofgut Ober-Dürren-

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berg bei Langenbruck. Laut Rapport des Landjägers Thommen beobachtete dieser am Morgen des 31. Dezember 1910 bei einem Dienstgang auf dem sogenannten Helfenberg an hoher, abgelegener Stelle die beiden Söhne Plattner, als sie sich mit dem Einrammen und Richten eines Selbstschusses für Füchse oder Marder beschäftigten. Nach seinen Angaben betätigte sich dabei Jakob Plattner direkt mit Anbringen der Bestandteile der Vorrichtung, während Albert mehr die Stellung eines blossen Gehülfen einnahm. Der Landjäger untersuchte nachher den Platz genauer, auf welchem er die. beiden jungen Leute gesehen, und er konfiszierte daselbst im Eingang einer natili-lichen Höhle eine in dieselbe gerichtete, geladene SelbstschussVorrichtung, worauf eiv Vorzeigung wegen Jagdfrevel erstattete.

In der sehr eingehend geführten Strafuntersuchung anerkannten zwar die beiden Plattner, dass sie zur kritischen Zeit an der vom Polizeisoldaten bezeichneten Stelle gewesen seien, um einen dort angebrachten Selbstschuss zu kontrollieren. Sie bestritten aber, ihn selbst angebracht oder sich so mit demselben beschäftigt zu haben, wie die Vorzeigung behauptet. Wer ihn gelegt, sei ihnen nicht bekannt, sie hätten ihn zufällig am Tage vorher entdeckt und nur nachsehen wollen, ob er seinen Zweck erfüllt habe.

Nach Einvernahme von Zeugen und Vornahme von Augenscheinen gelangten sowohl das Polizeigericht Waldenburg als die Polizeikammer des basellandschaftlichen Obergerichtes dazu, don Jakob PJattner der verbotenen Anbringung von Selbstschüssen im Sinne von Art. 6, lit. a, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, den Albert Plattner der Gehülfenschaft bei dieser Übertretung schuldig zu erklären. Der erstere wurde zu Fr. 500, der letztere zu Fr. 200 Geldbusse verurteilt unter entsprechender Umwandlung in Gefängnis im Falle der Unerhältlichkeit.

Nunmehr ersuchen die Bestraften um Erlass bezw. Milderung der Bussen, da sie als unvermögende junge Leute nicht imstande seien, dieselben zu bezahlen, und da selbst bei Annahme ihres Verschuldens der Fall als ein unbedeutender betrachtet werden müsse wegen der grossen Entfernung des Tatortes von menschlichen Wohnungen und der Schwierigkeit des Zuganges zu demselben. Sie wiederholen im übrigen auch jetzt noch die Versicherung ihrer Nichtschuld, und der Gerichtsschreiber von Waldenburg bemerkt bei Einsendung der Akten, dass nach seiner Ansicht den objektiven Verhältnissen und der Unerfahrenheit der

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Fehlbaren möglichst im Sinne einer Milderung der Strafe Rechnung getragen werden sollte.

Der Gesetzgeber hat die Gefahren, welche das Anbringen von Selbstschüssen für Mensch und Tier mit sich bringt, so hoch taxiert, dass er es unter allen Umständen mit einer Strafe von mindestens Fr. 500 Geldbusse bedrohte. Es konnte ihm nicht unbekannt sein, dass in vielen Fällen derartige Vorrichtungen wegen ihres Zweckes an abgelegenen Orten angebracht werden, immerhin ist auch dort die Gefährdung von Menschen und von geschützten und nützlichen Tieren nicht ausgeschlossen. Die Bussen müssen daher im Minimum der Androhung jedenfalls da aufrecht erhalten werden, wo, wie hier, das Anbringen der Maschinen förmlich zu Jagdzwecken erfolgte und nicht durch die Notwendigkeit des Schutzes von Haustieren gegen Angriffe durch Raubwild veranlasst wurde.

Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch der Brüder Jakob und Albert Plattner abzuweisen.

4. Charles Auguste Criblez, Zimmermann in La Heutte, Kanton Bern, geb. 1875, betreffend Jagdfrevel.

Durch Urteil des Polizeirichters von Courtelary, bestätigt von der ersten Strafkammer des beruischen Obergerichtes, wurde Charles Auguste Criblez wegen Jagdfrevels mit Fr. 80 Geldbusse, bei Unerhältlichkeit umgewandelt in 16 Tage Gefängnis und Tragung von Kosten verurteilt. Die Gerichte erachteten es als bewiesen, dass der nur mit dem Patent für Niederjagd versehene Verzeigte am 18. Oktober 1910 im bernischen Jura sich an der Jagd auf Rehe beteiligt und dadurch sich der Übertretung des Art. 6, lit. d, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig gemacht habe.

Criblez bestritt in der Voruntersuchung und im gerichtlichen Hauptverfahren energisch und hartnäckig die Richtigkeit dagegen ihn erhobenen Anschuldigung, und er ersucht gegenwärtig um Nachlass von Busse und Kosten unter Wiederholung dieser Bestreitungen und Hinweis auf prekäre Vermögens- und Einkommensverhältnisse. Sein Gesuch wird von der Gemeindebehörde von La Heutte und vom Präfekten von Courtelary aus Kommiserationsgründen zur Entsprechung empfohlen.

690 Nach den Vorschriften des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege ist die Liquidation der Kosten bei Straffällen, die aus Übertretung des Jagdgesetzes hervorgehen, Sache des Kantons, in welchem das Verfahren sich abspielte.

Die Bundesbehörden sind daher überhaupt nicht kompetent, auf das Gesuch des Ch. A. Criblez um Nachlass der Kosten einzutreten. Was aber die Schuldigerklärung1 anbetrifft, welche von den zuständigen kantonalen Gerichten ausgesprochen wurde, so entzieht sich die Richtigkeit dieser Entscheidung der Nachprüfungder Begnadigungsinstanz, und die Höhe der verhängten Strafe liegt nicht nur im Rahmen der gesetzlichen Androhung, sondern sie entsprach auch der sorgfältigen Abwägung der einzelnen Verumständungen des Falles, die vom Richter laut den schriftlichen Motiven vorgenommen wurde.

Wir beantragen: Es sei auf das Begnadigungsgesuch des Charles August Criblez, soweit dadurch Nachlass von Kosten bezweckt wird, nicht einzutreten, im übrigen sei das Gesuch abzuweisen.

5. Charles Coëndoz, Jules Dottrens, Luden de Joffrey, Landarbeiter in Morges, und Samuel Haas, Gärtner in St. Prex, Kanton Waadt, betreffend Jagdfrevel.

Im Januar 1911 entdeckte die Kantonspolizei am Ufer des Baches le Boiron, Gemeinde St. Prex, eine Anzahl metallener Schlingen, die am Eingang von Fuchslöchern gespannt waren.

Erst im März wurden die Urheber dieses Jagdfrevels ausgemittelt in den vorgenannten : Charles Coëndoz, Jules Dottrens und Lucien de Joffrey, die im Januar bei Samuel Haas gearbeitet und die Schlingen auf dessen Geheiss gelegt hatten. Gefangen wurde nichts, da die Polizei die Schlingen konfiszierte. Der Präfekt des Bezirkes von Morges verurteilte den Samuel Haas und seine Arbeiter zu je Fr. 300 Geldbusse.

Nunmehr ersuchen sie um Nachlass der Strafe, da sie wegen Armut nicht imstande seien, die für ihre Verhältnisse sehr bedeutenden Summen zu bezahlen. Der Präfekt befürwortet Milderung der Bussen mit Rücksicht auf die Verhältnisse der Bestraften und das von ihnen sofort abgelegte Geständnis. Er hält dafür, dass es sich rechtfertige, die Busse bei Haas etwas höher zu halten als bei den drei ändern Fehlbaren, da diese von jenem angestiftet worden seien.

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Die Strafe, welche den vier Petenten auferlegt wurde, entspricht dem Mindestmass der gesetzlichen Androhung, und es liegen keine besondern Gründe vor, welche Grund zur Ermässigung derselben geben würden.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Charles Coëndoz
4. Jean Perrin, von Ependes, Kanton Waadt, geb. 7. Januar 1895, und dessen Bruder Richard Perrin, geb. 9. Februar 1897, Waisenkinder, wohnhaft in Ependes und daselbst schulpflichtig, betreffend Übertretung des Fischereigesetzes.

Die Brüder Perrin wurden am 29. Januar 1911 von der Polizei ertappt, als sie mit ändern Knaben in einem Bache bei Ependes mittelst Schlingen, die sie an Ruten befestigt hatten, verbotenen Fischfang trieben. Der Präfekt von Yverdon bestrafte jeden von ihnen mit Fr. 50 Geldbusse, gestützt auf Art. 45 des kantonalen, beziehungsweise Art. 31, Ziffer 2, des eidgenössischen 'Fischereigesetzes.

Nunmehr stellt ein Verwandter der Knaben, bei dem der .jüngere versorgt ist, das Gesuch um Milderung oder Erlass der Strafen, indem er hinweist auf die Jugend der Fehlbaren, bei denen es sich mehr um eine Belustigung als um bewusste Freveltat gehandelt habe. Der Präfekt von Yverdon empfiehlt teilweisen Strafnachlass.

Die Knaben Perrin haben zwar das zwölfte Altersjahr überschritten, mit welchem Zeitpunkt nach Art. 30 des Bundesstrafrechtes die Straffähigkeit der Jugendlichen unter der Voraussetzung beginnt, dass sie die zur Erkenntnis der Strafbarkeit ihrer HandJung erforderliche Urteilskraft besitzen. Dagegen war der jüngere Richard zur Zeit der Tat noch nicht, der ältere Jean nur wenige 'Tage mehr als sechzehn Jahre alt. Diese Tatsachen rechtfertigen ·eine Herabsetzung des Strafminimums, das für erwachsene Personen bei Fischen mit verbotenen Geräten -angedroht ist, im Hinblick -auf die besondere Gefahr des Vollzuges kurzzeitiger Freiheitsstrafen an Jugendlichen, und weil der eidgenössische Gesetzgeber in Art. 23, Ziffer 3, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz bereits dem Gedanken einer ausnahmsweise milden Behandlung von jugendlichen Übertretern auf einem Rechtsgebiete AusBundesblatt. 63. Jahrg. Bd. IV.

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692 druck gegeben hat, das mit demjenigen Über Fischerei in engster Verwandtschaft steht.

Antrag: Es sei die dem Jean und Richard Perrin auferlegte Busse auf je Fr. 15 zu ermässigen.

7. Alfred Ellenberger, Schalenmacher in Mett bei Biel, betreffend Übertretung des Fischereigesetzes.

Alfred Ellenberger wurde am Ostersonntag den 16. April 1911 dabei ertappt, als er in der Schüss bei der Mettmühle mit einer sogenannten Juckschnur Äsche ,,schränztea, die er zwar nicht aus Ufer ziehen konnte. Der Polizeirichter von Biel verhängte über ihn eine Strafe von Fr. 55 Geldbusse, indem er bei Anwendung des Art. 31, Ziffer 2, des Bundesgesetzes über die Fischerei als erschwerend in Betracht zog, dass der Frevel während der Schonzeit verübt worden war.

Ellenberger ersucht um Nachlass oder erhebliche Milderung dieser Strafe. Er macht geltend, dass er die Übertretung nur verübt habe, um einem erkrankten Kinde die ärztlich verordnete Fischkost zu verschaffen, was ihm wegen Armut und geringen Verdienstes nicht durch Kauf möglich gewesen sei. Vom Gemeinderat Mett und vom Regierungsstatthalteramt Nidau wird ihm das Zeugnis unbescholtenen Leumundes ausgestellt und die Milderung der Strafe empfohlen. Der Regierangsstatthalter von Biel aber beantragt Abweisung des Gesuches mit dem Bemerken : ,,Das Fischschränzen soll streng geahndet werden."

Die vom Gesuchsteller geltend gemachten Gründe genügen nicht, um die Reduktion der im Rahmen der gesetzlichen Androhung ausgemessenen Strafe zu rechtfertigen.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Alfred Ellenberger abzuweisen. .

8. Henri Gindrat, Zeitungsträger in Pruntrut, Übertretung des Fischereigesetzes.

Laut Polizeirapport wurde Henri Gindrat am 26. Juli 1911 beobachtet, als er im Flusse Allaine bei Pruntrut mit den Händen tischte und sodann dazu überging, aus einem kleinen Sack Chlor

693 in das Wasser zu schütten, um die Fische zu betäuben. Eine Tochter Gindrat, die sich in der Nähe des Vaters befand, war im Besitze eines zweiten mit Chlor gefüllten Sackes.

Der Polizeirichter von Pruntrut verurteilte den Verzeigten, welcher die ihm zur Last gelegten Tatsachen unumwunden als richtig anerkannte, zu dem Mindestmass der in Art. 31, Ziffer 3, des eidgenössischen Fischereigesetzes angedrohten Strafe von Fr. 100 Geldbusse. Die von Gindrat gestellte und durch Hinweis auf prekäre ökonomische Verhältnisse gegründete Bitte um Reduktion der Busse auf Fr. 10 kann nicht gehört werden, da die Strafe der gesetzlichen Androhung und den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Die Vergiftung von Fischen mit Chlor wird ganz allgemein und mit gutem Grund als ein besonders schwerer Frevel betrachtet.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Henri Gindrat abzuweisen.

9. Wilhelm Stampili, Zimmermann in Werben. Kanton Bern, betreffend Übertretung des Fischereigesetzes.

In der Nacht von Samstag den 13. auf Sonntag den 14. Mai 1911 wurde Wilhelm Stämpfli erwischt, als er im alten Aarearm zwischen Werben und Busswil mittelst einer sogenannten Setzbäre von nur 2^2 cm Maschenweite fischte und bereits einen zweipfilndigen Fisch, sogenannte Nase, gefangen hatte.

Der Polizeirichter von Aarberg verhängte, gestützt auf Art. 31, Ziffer 2, eine Strafe von Fr. 60 Geldbusse über Stämpfli, unter Konfiskation des Fanggerätes. Nunmehr wird um Erlass oder bedeutende Ermässigung der Strafe nachgesucht mit der Behauptung, es handle sich nur um einen geringwertigen Fisch, und unter Hinweis auf prekäre Verrnögensverhältnisse des Fehlbaren.

Diese Verhältnisse genügen aber keineswegs zur Begründung einer Abänderung des dem Gesetze entsprechenden Richterspruches.

Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch des Wilhelm Stämpfli abzuweisen.

10. Alois Keller, Fabrikarbeiter in Schmerikon, Kanton St. Gallen, geb. 10. Mai 1894, betreffend Fischfrevel.

Alois Keller wurde arn Abend des 22. April 1911 von der Kantonspolizei beobachtet, als er und zwei andere, noch nicht

694 15 Jahre alte Knaben im Aabach in der Allmend Schmerikon durch Steinewerfen Fische zu fangen und zu töten suchten. Nach erfolgter Vorzeigung und durchgeführter Untersuchung verzichteten die kompetenten kantonalen Behörden auf Bestrafung der jüngeren Fehlbaren, in der Annahme, dass ihnen die zur Unterscheidung der Strafbarkeit ihrer Handlung nötige Urteilskraft gefehlt habe.

Keller dagegen wurde wegen Übertretung des Art. 5, Ziffer 2, des Bundesgesetzes über Fischerei (Anwendung von Fanggeräten, welche eine Verwundung oder Tötung der Fische herbeiführen können) vom Bezirksamte des St. Gallischen Seebezirkes mit Fr. 50 Geldbusse bestraft. Er verzichtete stillschweigend auf gerichtliche Beurteilung.

Der Gemeinderat von Schmerikon sucht im Namen des Waisenamtes der Gemeinde darum nach, dass die Strafe dem vaterseits verwaisten Knaben Keller erlassen werde, der so nahe an der Grenze der Strafunmündigkeit stehe und der durch Arbeit in der Fabrik seine vermögenslose Mutter und jüngere Geschwister unterstützen müsse. Es wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass es sich sehr fragen könne, ob das Werfen von Steinen gegen Fische sich wirklich als Zuwiderhandlung gegen das vom Bezirksamt angerufene Gesetz darstelle oder nur als qualifizierter Frevel mit Busse von im Minimum Fr. 5 hätte geahndet werden sollen.

Die Unterstellung der Handlung des Petenten unter Art. 5, Ziffer 2, des Bundesgesetzes besteht zu Recht. Dagegen bildet seine Jugend und die Tatsache, dass er sich mit Strafunmündigen zugleich vergangen hat, Grund für die Annahme, er sei sich der Tragweite seiner Handlung ebenfalls nicht voll bewusst gewesen, und für eine erhebliche Ermässigung der Busse.

Antrag: Es sei die dem Alois Keller auferlegte Busse auf Fr. 15 zu ermässigen.

11. August Weber, Charcutier, rue de Berne 2, Genf, betreffend Übertretung des Lebensmittelpolizeigesetzes.

August Weber wurde durch Urteil des Polizeirichters von Genf am 1. Juni 1911 mit Fr. 30 Geldbusse bestraft, weil er Schweinefleisch, das er im Monat April aus dem Kanton Bern nach Genf einführte, nicht nach Vorschrift der Kontrolle des Fleischschauers unterworfen hatte. Er bestreitet diese Übertretung nicht, will sich aber damit entschuldigen, dass die Fleischsendung

695 am Mittag vor Karfreitag in Genf angelangt sei und die Entfernung des Schlachthauses vom Bahnhof und die Feiertage ihn verhindert hätten, seiner Verpflichtung nachzukommen.

Es handelt sich um die Übertretung einer Polizeivorschrift, zu deren Befolgung der Petent von Berufs wegen besonders verpflichtet war und die zu einer verhältnismässig hohen Busse auch deswegen führen musste, weil Weber laut Feststellung der Genfer Behörden kurze Zeit vorher bereits mehrmals wegen solcher Zuwiderhandlung bestraft worden ist.

Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch des August Weber abzuweisen.

12. Jakob Fiechter-Heinzelmann, Posamenter in Läufelfingen, 13. Albert Joseph Rittet, von Nyon, gewesener Cafetier und Fischer, zurzeit in Genf, betreffend Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz.

Die vorgenannten militärsteuerpflichtigen Bürger blieben trotz der vorgeschriebenen Mahnungen mit Bezahlung der Taxen pro 1910 im Rückstand und wurden, Fiechter vom Amtsgerichte Olten-G-ösgen mit drei, Pittet vom Präsidenten des Polizeigerichtes von Nyon mit zwei Tagen Gefängnis bestraft. Nunmehr ersuchen sie um Nachlass dieser Strafen mit der Behauptung, dass es ihnen wegen Verdienstlosigkeit, Krankheit von Familiengliedern und dergleichen ohne eigenes Verschulden nicht möglich gewesen sei, ihrer Pflicht gegen den Staat nachzukommen.

Aus den Berichten der Gerichts- und Polizeibehörden geht aber hervor, dass die beiden Petenten nicht nur unterlassen haben, die jetzt geltend gemachten Gründe für Erlass der Steuern rechtzeitig im Verfahren vor den Militär- und Gerichtsinstanzen geltend zu machen, sondern dass die Schutzbehauptungen geradezu den wahren Tatsachen widersprechen. Beide sind arbeitsscheue Menschen, die bei gutem Willen ganz wohl die Mittel zur Bezahlung der geringen Steuerbeträge hätten erwerben und erübrigen können.

Antrag : Es seien die Begnadigungsgesuche des Jakob Fiechter und des Joseph Albert Pittet abzuweisen.

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14. Fernand Ruffener, gewesener Postcommis in Biel, zurzeit Rotwandstrasse 49, Zürich III, betreffend Fälschung von Bundesakten und Unterschlagung.

Nach Poststellung der bernischen Gerichte hat Fernand Rufifener im September und Oktober 1910 als Postbeamter in Biol verschiedene Male abgestempelte Frankomarken im Werte von ungefähr Fr. 20 von einlangenden Postpaketen abgelöst und sie zur Frankatur von ändern, ihm am Schalter übergebenen Postsendungen benützt, wobei er den alten Stempel durch neue Abstempelung zu verdecken suchte. Die Frankaturbeträge für die neuen Sendungen hat er sich rechtswidrig* zugeeignet.

Der korrektioneile Richter von ßiel und die erste Strafkammer des bernischen Obergerichtes erblickten in diesen Handlungen fortgesetzte Fälschung von Bundesakten, verbunden mit Unterschlagung von Postgeldern im Betrage von nicht über Fr. 30, und bestraften den Ruffener mit fünf Tagen Gefängnis und Fr. 10 Geldbusse, letztere im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt in zwei Tage Gefängnis. Ein dem Bundesgericht eingereichtes Kassationsgesuch wurde als unbegründet abgewiesen.

Nunmehr gelangt der Verurteilte mit dem Gesuche um gnadenweisen Erlass der ihm auferlegten Strafe sowohl an die Bundesversammlung als an den Grossen Rat des Kantons Bern, mit der Begründung, dass dies notwendig sei. weil in casu sowohl bundesstrafrechtlicho Normen als kantonales Strafrecht zur Anwendung gekommen seien, und zwar ohne Ausscheidung der aus jedem der beiden Rechte hergeleiteten Strafquoten. Materiell bringt er vor, er habe sich ,,gewissermassen, weil in schwierigen finanziellen Verhältnissen stebend,tt zur inkriminierten Tat verleiten lassen. Vorher ein unbescholtener junger Mann, habe er von seinen Vorgesetzten im Postdienst die besten Zeugnisse erhalten, und es wäre sein Wunsch, wieder in den Postdienst einzutreten.

Aus Dispositiv l des obergerichtlichen Urteils geht mit aller Bestimmtheit hervor, dass bei der Strafausmessung die Fälschung von Bundesakten als das schwerere der in Frage kommenden Delikte zugrunde gelegt und die konkurrierende Unterschlagung nur als Schärfungsgrund in Betracht gezogen wurde. Der Richter stellt deswegen den Art. 61 des Bundesstrafrechtes bei Aufzählung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen in erste Linie und verweist aus dem gleichen Grunde für die eventuelle Umwandlung der Geld busse auf Art. 8 des nämlichen Gesetzes und

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Art. 151 des Bundesgesetzes über die Bundesrechtspflege. Die Entscheidung über das Begnadigungsgesuch fällt daher im vollen Umfange des Urteils den Bundesbehörden zu (vgl. Art. 33 des Bundesstrafrechtes und dessen Auslegung durch Bundesgericht und Bundesrat).

Die Tatsachen aber, mit welchen Petent sein Gesuch begründen möchte, sind keineswegs geeignet, einen Straferlass durch Begnadigung zu rechtfertigen. Ruffener hat sich der in Frage stehenden Delikte vorsätzlich schuldig gemacht, und die Strafe, die ihn dafür traf, erscheint als milde, wenn berücksichtigt wird, dass die Verbrechen von einem öffentlichen Beamten zum Nachteile des Staates verübt wurden (Art. 58 des Bundesstrafrechtes).

Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch des Fernand Ruffener abzuweisen.

15. Frau Elise Fisch, Handelsreisende in Ölten, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden.

Frau Fisch suchte als Vertreterin eines ausländischen Handelshauses im Monat Januar 1911 in der Stadt Burgdorf Bestellungen auf sogenannte Piasavabesen aufzunehmen, wobei sie sich im Besitze einer taxfreien grünen Ausweiskarte für Handelsreisende befand. Nach Verkauf von zwei Stück ihrer Artikel und dem Versuch, ein drittes an Mann zu bringen, wurde sie wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes verzeigt und vom Polizeirichter von Burgdorf mit Fr. 105 Geldbusse bestraft, in der Annahme, dass derartige Geschäfte die Bezahlung von Taxe verlangen. Bezüglich der Höhe der Busse erachtete sich der Richter gebunden durch die Praxis des bernischen Obergerichtes, nach welcher bei der Bestrafung die Busse im mindesten der Höhe der Patenttaxe entsprechen müsse, welche der Fehlbare hätte erlegen sollen, also mindestens Fr. 100, gleich der Taxe für eine Halbjahreskarte.

Frau Fisch ersucht um Nachlass von Strafe und Kosten. Sie hatte durch einen Anwalt Appellation gegen das Urteil des Polizeirichters einlegen lassen, war aber damit abgewiesen worden, weil keine Vollmacht beigebracht war. Das Begnadigungsgesuch wird damit begründet, dass die Höhe der Strafe in keinem richtigen Verhältnisse stehe mit der Grosse der Übertretung, dass ferner sie sich der Strafbarkeit ihrer Handlung nicht bewusst gewesen sei

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und dass endlich ihre geringe Verdienstfähigkeit und die Sorge für sich als Witwe und ein kleines Kind die Bezahlung der Busse verunmögliche, was Umwandlung der Busse mit all ihren schweren Nebenfolgen bedingen würde.

Der Gerichtspräsident von Burgdorf befürwortet die Reduktion der von ihm verhängten Strafe durch Begnadigung. Der eidgenössische Sekretär für Patenttaxen empfiehlt gänzliche Streichung der Busse.

Nach dem Bundesgesetzu vom 24. Juni 1892 ist unerlaubte Ausübung des Berufes eines Handelsreisenden mit Geldbusse bis auf Fr. 1000, im Minimum also mit Fr. \ Geldbusse zu bestrafen, und der Wortlaut des Gesetzes gibt keinen direkten Anhaltspunkt dafür, dass die Busse gleich hoch zu halten sei wie die umgangene Patentgebühr. Immerhin steht dem urteilenden Richter frei, im Einzelfalle sie innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach seinem Gutfinden festzusetzen. Die Geringfügigkeit der von Frau Fisch begangenen Übertretung und die übrigen im Begnadigungsgesuche geltend gemachten Tatumstände lassen sie einer erheblichen Ermässigung der richterlich bestimmten Busse auf dem Wege der Begnadigung würdig erscheinen. Der Kostenpunkt dagegen ist ausschliesslich von den kantonalen Instanzen zu erledigen.

Antrag: Es sei die der Frau Fisch auferlegte Geldbusseauf Fr. 10 zu ermässigen ; im übrigen wird auf das Gesuch nicht eingetreten.

16. Joseph Isaak Rosner, Handelsreisender, Amthausgasse 27, Bern, Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden.

Als Vertreter der Firma Schwarzkopf in Bern bereiste Joseph Isaak Rosner im Sommer 1910 verschiedene Ortschaften de* Berner Oberlandes, wobei er Privatleute zu veranlassen suchte,, Photographien in verkleinertem Massstabe auf Semi-Emailplattenübertragen zu lassen mit der Zusicherung, dass dieses Verfahren nur zur Reklame diene und nichts koste. Andere Reisende der nämlichen Firma erschienen dann, um die Leute zu bewegen,, diese Emailplättchen in Broschenform u. dgl. fassen zu lassen.

In einem speziellen Falle konnte dem Rosner nachgewiesen werden, dass er selbst eine Bestellung auf eine Brosche erwirkt und dafür Fr. 1. 30 bezogen hatte.

699 Der bernische Richter, welchem Rosner wegen dieses Geschäftsbetriebes verzeigt wurde, fand darin eine Übertretung des Patenttaxengesetzes und bestrafte den Fehlbaren mit Fr. 120 Geldbusse unter Kostenfolge. Was die Höhe der Busse anbetrifft, so wurde auch in diesem Falle abgestellt auf die Praxis des bernischen Obergerichtes, nach welcher sie stets den Betrag von mindestens Fr. 100 erreichen soll, entsprechend dem Minimum dessen, was für eine Taxkarte hätte bezahlt werden müssen.

Rosner ersucht um wesentliche Herabsetzung der Busse, damit es ihm als unbemitteltem Manne von geringem Einkommen nicht möglich sei, dieselbe durch Zahlung zu tilgen. Er bemängelt die Spruchpraxis der Berner Gerichte in Ansetzung der Bussen für solche Übertretungen und beschreibt die mit der Grosse des Verschuldens in grellem Missverhältnisse stehende Gefahr, dass er bei Umwandlung der Busse eine Gefängnisstrafe von 24 Tagen absitzen müsste.

Die tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigen es, die vom Richter ausgesprochene Strafe auf dem Wege der Begnadigung zu mildern.

Antrag: Es sei die dem Joseph Isaak Rosner auferlegte Geldbusse auf Fr. 20 zu ermässigen.

17. Theobaldo Meraviglia, Kostgeber in Laufenburg, Kanton Aargau, betreffend Übertretung des Zollgesetzes.

Im Dezember 1909 führte Theobaldo Maraviglia 40 komplett ausgerüstete Betten von Badisch Laufenburg in die Schweiz ein, indem er für dieselben Zollfreiheit erwirkte durch das Vorgeben, sie seien sein Eigentum, es handle sich um Umzugsgut. Wenige Tage später wurde aber von den schweizerischen Zollbehörden entdeckt und festgestellt, dass fünf dieser Betten von Maraviglia unter Eigentumsvorbehalt von einem Fr. Maier in Laufenburg gekauft worden, also mit Unrecht als Umzugsgut eingeführt worden seien. In dem eingeleiteten Strafverfahren anerkannten die beiden die Richtigkeit dieser Tatsachen unter Bezahlung der ihnen auferlegten Zollbussen von je Fr. 20.

Während der Durchführung dieses Prozesses ergab sich, dass auch die übrigen 35 Betten unter gleichen Umständen in den Besitz des Maraviglia gelangt waren. Die Zollbehörden

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behandelten daher in besonderem Verfahren auch diese Einfuhr als gesetzwidrig und taxierten den dadurch umgangenen Zoll auf Fr. 575.95. Die beiden Fehlbaren wurden zur Nachzahlung dieses Betrages verpflichtet und ihnen eine Busse von je Fr. 20 auferlegt, deren geringer Betrag auf der Annahme beruhte, die Fehlbaren seien sich der Strafbarkeit ihrer Handlung nicht bewusst gewesen.

Sowohl Maraviglia als Maier verlangten gerichtliche Beurteilung und Aufhebung der Bussen. Von Seiten der Zollbehörden wurde darauf angetragen, dass beide der Übertretung des Zollgesetzes schuldig erklärt und die Bussen bestätigt, eventuell, dass, sofern wissentliche Umgehung des Gesetzes angenommen werde, die Strafen angemessen erhöht werden.

Das Bezirksgericht Laufenburg erklärte Maier und Maraviglia der Übertretung des Zollgesetzes schuldig. Es bestätigte gegenüber Maier die Fr. 20 Geldbusse, bei Maraviglia bestimmte os die Strafe auf den doppelten Betrag des umgangenen Zolles mit Fr. 1151. 90, unter solidarischer Verpflichtung der beiden Fehlbaren zur Nachzahlung der Gebühr. Auf erhobenen Rekurs erklärte das aargauische Obergericht das erstinstanzliche Urteil bezüglich Maier als rechtskräftig, die Busse des Maraviglia aber wurde auf den einfachen Betrag des umgangenen Zolles, also auf Fr. 575. 95 ermässigt.

Nunmehr stellt Maraviglia das Gesuch, dass ihm die vom Obergericht ausgemessene Strafe gänzlich erlassen, oder dass sie erheblich reduziert werde. Zur Begründung wird, wie vor den Gerichtsinstanzen, in erster Linie geltend gemacht, dass die in Frage kommende Zollumgehung bereits durch die erste Bestrafung mit Fr. 20 Busse gesühnt und erledigt worden, das spätere Verfahren daher ungesetzlich gewesen sei. Eventuell liege bei dem der deutschen Sprache nur mangelhaft kundigen italienischen Analphabeten der schon von den Zollbehörden anerkannte Grund für milde Bestrafung darin, dass Maraviglia sich der Konsequenzen des Vertrages, den er mit Maier abgeschlossen, und deshalb auch der Strafbarkeit der zollfreien Einfuhr der Betten, nicht bewusst gewesen sei.

Die Oberzolldirektion ist der Ansicht, dass den Milderungsgründen, die »aus den persönlichen Verhältnissen des Potenten hergeleitet werden können, vom aargauischen Obergerichte durch Herabsetzung der von der ersten Gerichtsinstanz verhängten Strafe genügend Beachtung geschenkt worden sei, und es ist dieser Ansicht deswegen beizupflichten, weil im Begnadigung«-

701 verfahren die Feststellung der Gerichte, dass ein Verschulden des Petenten vorgelegen habe, nicht auf ihre Richtigkeit nachgeprüft werden kann.

Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch des Theobaldo Maraviglia abzuweisen.

18. François Berger, Land wirt in Challex, Dép. de l'Ain, Frankreich zurzeit in Genf verhaftet, betreffend Übertretung des Zollgesetzes.

Durch Urteil des Bundesstrafgerichtes vom 6. Juli 1909 wurde François Berger schuldig erklärt der Übertretung des Art. 55, lit. gr, des eidgenössischen Zollgesetzes, verübt dadurch, dass er im Oktober 1908 mit fingiertem Freipass drei Fässer, enthaltend 2250 Liter Kunstwein, im Bruttogewicht von 2588 kg, zollfrei in die Schweiz eingeführt und so den Eingangszoll von Fr. 60 per q umgangen habe. Das Gericht verminderte die Busse, welche das Zolldepartement auf den dreifachen Betrag der umgangenen Gebühr angesetzt hatte, auf das Einfache im Betrage von Fr. 1552. 80, im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt auf der Basis von Fr. 5 gleich einem Tage Gefängnis und unter Abzug des Verhaftes, welchen Berger bereits in der Zeit vom 22. Dezember 1908 bis 5. Februar 1909 erstanden hatte. Der in Frage kommende Wein wurde als bevorzugtes Unterpfand des eidgenössischen Fiskus erklärt und dem Verurteilten die Kosten des Prozesses überbunden.

Aus dem Verkauf des sequestrierten "Weines ergab sich bloss ein Erlös von Fr. 88. 95, sonst war von dem Verurteilten nichts erhältlich. Zur Fahndung behufs Strafvollzuges aufgegeben, wurde er am 13. Juni 1911 in Genf neuerdings zur Haft gebracht.

Mit Eingabe vom 20. September 1911 ersucht Berger um eine wesentliche Ermässigung der ihm auferlegten Strafe durch Begnadigung. Er gibt zwar selbst zu, dass er auf den Prozess nicht mehr zurückkommen könne, aber nicht ohne beizufügen, der Beweis für seine Schuld sei doch nicht über allen Zweifel erhaben. Die Reduktion der Busse rechtfertige sich deshalb, weil er als unbemittelter Landwirt bei der Bearbeitung seiner Liegenschaften unentbehrlich sei, um so mehr als seine Frau seit Monaten an schwerer Magenerkrankung leide. Für die Richtigkeit der letztern Tatsache wird ein ärztliches Zeugnis produziert und ferner ein solches einer grössern Anzahl von Privatpersonen, welche

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bescheinigen, dass Pètent mit seinen Nachbarn stets in guten Beziehungen gestanden sei.

Der Direktor des Zollkreises Genf bemängelt, gestützt auf eigene Nachforschungen am Wohnort Bergers, die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Zeugnisse. Die Oberzolldirektion befürwortet Abweisung des Begnadigungsgesuches, desgleichen der Staatsanwalt des Kantons Genf, der die Bundesanwaltschaft im Prozesse vor dem Bundesstrafgericht vertreten hat.

Die richterliche Strafausmessung im vorliegenden Falle erscheint als milde mit Rücksicht darauf, dass die Busse nur in der Höhe des einfachen Betrages des umgangenen Zolles angesetzt wurde, obwohl dem François Berger nicht nur Umgehung der Bestimmungen über den Grenzverkehr, sondern auch Einfuhr von Kunstwein zur Last fiel. Da auch durch völligen Vollzug der umgewandelten Busse das in Art. 151 des Organisationsgesetzes bestimmte Maximum von einem Jahr Gefängnis nicht überschritten wird, so ist kein Grund vorhanden, in die Exekution des Urteiles des Bundesgerichtes einzugreifen.

Antrag : Es sei das Begnadigungsgesuch des François Berger abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. November

1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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I. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1911). (Vom 14. November 1911.)

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