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I. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1911).

(Vom 30. Mai 1911.)

Tit.

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen :

1. Ernst Bruno Jockusch, von Dresden, geb. 7. Mai 1872, Buchhalter, zuletzt wohnhaft gewesen in Brugg, Kanton Aargau, gegenwärtig Zuchthaussträfling in der Strafanstalt Thorberg, Kanton Bern (Fälschung von Bundesakten und ändern Urkunden).

Jockusch fand im Dezember 1907 als Buchhalter Anstellung bei der Maschinenfabrik Herzogenbuchsee, wo er am Dezember 1908 infolge Kündigung wieder austrat. Erst später, während Jockusch in der Bauerschen Fabrik in Brugg wiederum als Buchhalter beschäftigt war, entdeckte man bei Revision der Bücher der Maschinenwerkstätte Herzogenbuchsee grosse Betrügereien, die der gewesene Angestellte mittelst raffinierten Fälschungen begangen und durch welche die Fabrik einen Schaden von Fr. 8745. 50 erlitten hatte. Nach durchgeführter Untersuchung wurde Jockusch am 19. März 1910 von der Assisenkammer des Kantons Bern, gestützt auf die Akten und unumwundenes Geständnis, schuldig erklärt:

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a. der Fälschung von Bundekakten in 14 Fällen, begangen mit betrügerischer Veränderung von Eintragungen über gemachte Zahlungen im Postempfangsbescheinigungsbuch der Maschinenfabrik Herzogenbuchsee ; b. der Fälschung von Bankpapiereu (Wechsel) in 2 Fällen ; c. der Fälschung von Privatpapieren (Quittungen von angeblichen Gläubigern der Maschinenfabrik) in 8 Fällen.

Der Gerichtshof qualifizierte das durch Fälschung von Bundesakten verübte Delikt als das schwerste und bestrafte Jockusch, indem die übrigen, nach kantonalem Rechte zu ahndenden Verbrechen als Schärfungsgründe berücksichtigt wurden, mit 2*/2 Jahren Zuchthaus, abzüglich sechs Monate Untersuchungsverhaft und zwanzig Jahren Landesverweisung aus dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, -- unter Kosten -- und Entschädigungsfolge.

Dabei wurde erschwerend in Betracht gezogen die besondere Raffiniertheit der von Jockusch begangenen Verbrechen und der hohe Betrag des verursachten Schadens, ferner die Tatsache, dass der Verurteilte in seinem Heimatlande in den Jahren 1901 und 1905 bereits zweimal wegen Fälschungen und Eigentumsverbrechen mit Zuchthausstrafen von mehr als einem Jahr bestraft worden war, andererseits aber berücksichtigte der Gerichtshof als Strafmilderungsgrund die durch psychiatrische Untersuchung wahrscheinlich gemachte starke erbliche physische Belastung des Angeklagten und sein Geständnis. Bei Ausfällung und Bemessung der Landesverweisung wird erklärt: Sie empfehle sich um so mehr als Jockusch mit dem zynischen Bemerken um Erlass dieser Strafe gebeten habe, dass er in Deutschland wegen der dort erlittenen Vorstrafen schwerlich werde vorwärts kommen, während er in der Schweiz seine Spekulationsverluste bald wieder einzubringen hoffe. Auf welche Weise er diesen Vorsatz ausführen würde, zeige zur Evidenz das Gebahren in Herzogenbuchsee und Brugg, wo er sofort nach Antritt der neuen Stellungen mit seinen verbrecherischen Unternehmungen sich Mittel zu verschaffen begonnen habea.

Jockusch hat in der Tat, nachdem er von Herzogenbuchsee nach Brugg gekommen, sich dort zum Nachteil seiner neuen Geschäftsherrn neue Betrügereien zuschulden kommen lassen, und ist deshalb durch die Gerichte des Kantons Aargau zu S'/a Jahren Zuchthaus verurteilt worden.

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Mit Eingabe vom 26. März 1911 ersucht Jockusch den Grossen Bat des Kantons Bern nach Erstehung von 2/s der ihm von der Assisenkammer auferlegten Strafe um bedingten Erlass des restlichen Dritteiles, eventuell um Begnadigung, indem er geltend macht, dass er durch die Verurteilung in zwei Kantonen schlimmer weggekommen sei, als wenn alle seine Delikte mit einer Gesamtstrafe hätten belegt werden können, dass sein durch psychiatrische Untersuchung festgestellter Geisteszustand befürchten lasse, dass die Erstehung der vollen Strafen bei ihm eigentliche Geistesgestörtheit eintreten könne, und dass endlich in diesem Falle sein Vorsatz, die schweizerischen Geschädigten später ganz oder wenigstens teilweise zu befriedigen, verunmöglicht würde.

Die Direktion der Polizei des Kantons Bern überwies das Gesuch an den Bundesrat zur Erledigung durch die Bundesbehörden, weil vom urteilenden Gerichte das Verbrechen gegen Bundesstrafrecht als das schwerste der von Jockusch begangenen qualifiziert worden ist.

Nach der vom Bundesgerichte getrofienen und vom Bundesrate anerkannten Auslegung des Art. 33 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 sollen bei Zusammentreffen konnexer Delikte aus eidgenössischen und kantonalem Strafrecht die Gerichte der Strafausmessung das schwerste der Verbrechen zugrunde legen und die übrigen nur als Erschwerungsgründe in Berücksichtigung ziehen und ist diese Entscheidung für die Nebenfolgen des Urteils, eventuelle Kostentragung und auch für die Kompetenz zu Begnadigung, bedingter Entlassung usw. massgebend (siehe Kreisschreiben des Bundesrates vom 21. Mai 1909, Bundesbl. III, 707). Es kann demnach dem Gesuche des Jockusch um bedingte Entlassung schon deswegen nicht entsprochen werden, weil das anzuwendende Bundesstrafrecht dieses Institut überhaupt nicht kennt. Aber auch für Begnadigung liegen keine Gründe vor. Petent ist nach seinem Vorleben und den mannigfachen Bestrafungen als ein gemeingefährliches Individuum zu betrachten, bei welchem mehr als blosse Vermutung vorliegt, dass er auch nach Verbüssung der ihm in den Kantonen Bern und Aargau , auferlegten Strafen einfach zu neuen Verbrechen schreiten würde, wenn neue Anstellung ihm dies erlaubte. Die diesfällige Bemerkung im Urteile der Assisenkammer deä Kantons Bern erscheint durchaus berechtigt. Was aber die
in Frage kommende Strafe von 2*/2 Jahr Zuchthaus, verbunden mit Landesverweisung für die Dauer von zwanzig Jahren anbetrifft, so entspricht sie den Verhältnissen und den

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gesetzlichen Strafandrohungen. Der Richter hat nach den protokollierten Erwägungen bereits alles in Berücksichtigung gezogen, was zugunsten des Angeklagten angeführt werden konnte.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Ernst BrunoJockusch abzuweisen.

2, Paul Georges Bourquin, Uhrenmacher in Chaux-deFonds (Übertretung des Bundesgesetzes betr. Jagd und Vogelschutz), Bourquin wurde im November 1910 dem Polizeirichter verzeigt, weil auf einem Balkon vor seiner Wohnung ein Vogelkäfig aufgestellt war, geeignet zum Fang kleiner Vögel und mit einem eingesperrten Zeisig als Lockvogel. In einer Eingabe an den Richter vom 17. November 1910 gab Bourquin zu, dass er diesen Fangkäfig selbst angebracht habe, um Meisen zu fangen, die er über den Winter zwischen den Fenstern habe halten und im Frühjahr wieder in Freiheit setzen wollen, auch um seinen Kindern durch den Anblick dieser Vögel Freude zu bereiten.

Der Polizeirichter von La Chaux-de-Fonds bestrafte den Verzeigten gemäss Art. 19 und 21, Ziffer 5, lit. 6, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz mit einer Geldbusse von Fr. 40 unter Kostenfolge.

Mit Eingabe vom 3. Dezember 1910 ersucht Bourquin um Nachlass der Busse durch Begnadigung, indem er behauptet, der Fangkäfig sei ohne sein Wissen durch seine zwei minderjährigen Kinder auf dem Balkon angebracht worden und er sei wegen des schlechten Geschäftsganges im Uhrenmachergewerbe nicht imstande, die Busse zu bezahlen. Er erklärt, dass er in der Woche vor Stellung des Gesuches nur Fr. 10. 40 verdient habe.

Diese Angaben stehen mit der Wahrheit im Widerspruch.

Bourquin hat in der Untersuchung zugegeben und ist dabei zu behaften, dass er selbst die verbotene Fangvorrichtung angebracht habe und nach dem Ergebnis polizeilicher Nachfrage betragen seine wöchentlichen Einnahmen zwischen Fr. 17 und Fr. 40,.

speziell am 10. Dezember 1910 waren sie Fr. 25. Von seinen fünf Kindern sind mindestens zwei erwerbsfähig. Da der Richter auf die offenbare Gesetzesverletzung nur das Mindestmass der angedrohten Busse angewendet hat, so liegt kein Grund vor,,

490 ·dieselbe unter den gegebenen Verhältnissen zu reduzieren oder gänzlich aufzuheben.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Paul Georges Bourquin abzuweisen.

3. Camille Cuttat, Landwirt von und in Eossemaison, Kanton Bern (Übertretung des Bundesgesetzes betr. die Lebensmittelpolizei).

Camille Cuttat wurde am 13. Oktober 1910 vom Polizeirichter von Münster, Kanton Bern, nach durchgeführter Untersuchung und gestützt auf Expertengutachten schuldig erklärt der Fälschung (durch Zusatz von Wasser und Abrahmen) der von ihm in die Molkerei seines Wohnortes gelieferten Milch. Er hat im gerichtlichen Verfahren seine Unschuld beteuert und die Beweiskraft der Expertisen bestritten. Der Richter schenkte indessen seinen Behauptungen keinen Glauben und bestrafte ihn mit zwei Tagen Gefängnis, Fr. 100 Geldbusse und Tragung aller Kosten. Cuttat liess durch einen Anwalt bei Verkündung des Urteils Appellation erklären, zog aber später diese Erklärung ohne besondere Motivierung wieder zurück. Busse und Kosten sind von ihm bezahlt worden.

Nunmehr ersucht Cuttat um Nachlass der Gefängnisstrafe durch Begnadigung, indem er seine Unschuldbeteuerungen wiederholt. Er kann indessen mit seiner Bitte nicht gehört werden, da es nicht Sache der Begnadigungsinstanz ist, die Würdigung der Schuldbeweise, die der zuständige Richter vorgenommen hat, nachzuprüfen. Das hätte nur durch die kantonale Appellationstehörde geschehen dürfen.

Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Camille Cuttat .abzuweisen.

4. Joseph Dentand, gewesener Wattmann der Oie Genevoise des transélectriques in Genf, wohnhaft rue de la Violette 18 in Genf (fahrlässige Gefährdung eines Tramzuges), Joseph Dentand hatte am 7. März 1910, morgens um l Uhr, einen Tramwagen über Carouge nach der Jonction zu führen,

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.als während der Fahrt der Wagen in einer Kurve entgleiste und quer über die Strasse geworfen wurde. Passagiere waren nicht vorhanden und der Kondukteur kam mit dem Schrecken davon, dagegen erlitt Dentand erhebliche Verletzungen, die ihn Monate lang in Spitalbehandlung brachten und von denen er nach seiner Darstellung auch jetzt noch nicht vollständig geheilt ist. Der Tramwagen wurde arg beschädigt.

Die Strafuntersuchung führte zu der Annahme, dass Dentand mit übergrosser Geschwindigkeit in die starke Kurve eingefahren sei und dadurch die Entgleisung verursacht habe. Er bestritt dies zwar und behauptete, die Schuld habe an dem schlechten Zustand des Wagenmaterials gelegen, im weiteren macht er geltend, dass, er entgegen bestehenden Vorschriften am kritischen Tage mehr als 12 Stunden mit ungenügenden Zwischenpausen im Dienste gestanden und deshalb übermüdet gewesen sei. Sowohl das erstinstanzliche Gericht als der Appellhof des Kantons ·Genf erklärten ihn indessen der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig unter Verurteilung zu Fr. 60 Geldbusse und Umgang -der Kosten.

Dentand stellt das Gesuch, dass ihm die Strafe durch Begnadigung erlassen werde, indem er seine Unschuldbeteurungen wiederholt und darauf aufmerksam macht, dass er selbst und einzig bei dem Unfall schwere Verletzungen erlitten habe, dass ferner die Bezahlung der Busse ihm wegen seiner prekären ökonomischen Lage' und der reduzierten Arbeitsfähigkeit unmöglich sei, die Abbüssung in Form von Gefängnis aber ihn und seine Familie, worunter zwei unmündige Kinder, noch tiefer ins Elend stürzen würde. Der Staatsanwalt des Kantons Genf empfiehlt etwelche Ermässigung der Busse.

Die Bundesversammlung ist nicht in der Lage, die faktischen Grundlagen der Schuldigerklärung nachzuprüfen, dagegen erscheint der Petent wenigstens einer teilweisen Ermässigung der ausgesprochenen Strafe würdig, wenn die allgemeine milde Praxis der kantonalen Gerichte in dergleichen Fällen und die schweren persönlichen Nachteile in Betracht gezogen werden, welche der Unfall für ihn hatte.

Antrag: Es sei die dem Joseph Dentand auferlegte Busse auf Fc. 30 herabzusetzen.

Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. III.

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5, Louis Daucourt, Emailleur in Bassecourt, Kanton Bern (Nichtbezahlung von Militärsteuer), Am 19. September 1910 wurde Louis Daucourt vom Kreiskommando Delsberg dem Strafrichter überwiesen, weil er die Militärtaxe pro 1910 trotz der gesetzlichen Aufforderungen nicht innert Frist bezahlt hatte. In der ersten Verhandlung, die am 17. Oktober 1910 stattfand, gewährte der Polizeirichter von Delsberg dem Daucourt auf dessen Bitte einen Aufschub zur Leistung der Zahlung bis 19. Dezember und am 17. November erfolgte laut Dienstbüehlein die Entrichtung von Busse und Kosten an den Kreiskommandanten. Dagegen machte weder dieser noch der Eflichtige davon dem Richter Anzeige und Daucourt blieb beim neuen Termin unentschuldigt aus, weshalb er auf Grund des Gesetzes von 1901 par défaut zu vier Tagen Polizeiarrest, verbunden mit Wirtshausverbot, bis zur Leistung der Zahlung und zur Tragung der Kosten verurteilt wurde.

Nunmehr ersucht Daucourt um Erlass der Strafe durch Begnadigung, indem er auf die Tatsache verweist, dass er die Steuer innert der richterlich gewährten Frist und vor Fällung des Urteils bezahlt habe. Diesem Begehren ist nach konstanter Praxis zu entsprechen.

Antrag: Dem Louis Daucourt sei die durch Urteil des Polizeirichters von Delsberg am 19. Dezember 1910 ausgesprochene Strafe zu erlassen.

6. Henry Boiehat, Uhrenmacher in Damphreux (Kanton Bern) ; 7. Léon Boiehat, Uhrenmaoher in Damphreux ; 8. Jakob Maurer, Tagelöhner in Eäterschen, Kanton Zürich ; 9. Friedlich Gertsch, Schreiner in Habkern, Kanton Bern ; 10. Ernst Krämer^ Landarbeiter in Schattenhalb, Kanton Bern ; 11, Fritz Widmer, Kommis, Gerechtigkeitsgasse 54, Bern (Nichtbezahlung von Militärsteuern).

Die vorgenannten militärsteuerpflichtigen Schweizerbürger wurden wegen schuldhafter Nichtbezahlung von Steuern verurteilt :

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1. Die Brüder Henri und Léon Boichat vom Polizeirichter von Pruntrut am 19. Dezember 1910 zu je vier Tagen Polizeiarrest und zu Wirtshausverbot bis zur Bezahlung der Taxe ; 2. Jakob Maurer vom Polizeirichter von Burgdorf am 12. November 1910 zu zwei Tagen Gefängnis und zu sechs Monaten Wirtshausverbot; 3. Friedrich Gertsch vom Polizeirichter von Interlaken am 29. Dezember 1910 zu vier Tagen Gefängnis und zu sechs Monaten Wirtshausverbot ; 4. Ernst Kramer vom Polizeirichter von Oberhasli am 2. Februar 1911 zu vier Tagen Gefangenschaft und zu einem Jahre Wirtshausverbot ; 5. Fritz Widmer vom Richteramt Bern, Abteilung des Polizeirichters am 2. Februar 1911 zu einem Tag Gefängnis und zu sechs Monaten Wirtshausverbot, jeweilen mit Verpflichtung zur Zahlung der Gerichtskosten.

Sie alle ersuchen um Strafnachlass durch Begnadigung, Kramer, der die Freiheitsstrafe erstanden hat, um Erlass des Wirtshausverbotes, indem sie darauf hinweisen, dass sie die schuldigen Steuern nach der Urteilsfällung bezahlt haben, bezw. dass ihnen die rechtzeitige Zahlung mangels Geldmitteln nicht möglich gewesen sei. Die letztere Behauptung ist indessen von dem kompetenten Richter in verbindlicher Weise als unbegründet zurückgewiesen worden und steht mit den Feststellungen der Militärbehörden im Widerspruch. Im übrigen können nach dem Wortlaute des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 und konstanter Praxis nachträgliche Zahlungen von Militärsteuern nur dann strafbefreiend wirken, wenn sie vor Ausfällung des gerichtlichen Urteiles erfolgten. Auch die Tatsache, dass die Brüder Boichat schon am Tage nach dem Gerichtsentscheide bezahlten, genügt nicht zur Aufhebung der Strafe, gegenteils darf wohl angenommen werden, dass sie bei gutem Willen sich schon bei der Gerichtsverhandlung von der Schuld hätten libellieren können, in welchem Falle eine Strafe nicht ausgesprochen worden wäre.

Antrag : Es seien die Begnadigungsgesuche des Henri Boichat, des Léon Boichat, des Jakob Maurer, des Friedrich Gertsch, des Ernst Kramer und des Fritz Widmer abzuweisen.

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12, August Mercier, gewesener Bahnmeister der S, B. B.

in Yverdon, zurzeit Zuchthaussträfling in Lausanne (Fälschung von Bundesakten, Veruntreuung und Amtspflichtverletzung), August Mercier hat sich in den Jahren 1903--1907 in seiner Eigenschaft als Bahnmeister der S. B. B. in Yverdon zum Nachteil der Verwaltung in vielfach wiederholten Malen Betrügereien und Veruntreuungen im Gesamtbetrage von mehreren tausend Franken dadurch zuschulden kommen lassen, dass er in den Büchern über kollektive Lohnzahlungen fiktive Unterschriften von Arbeitern eintrug und sich die Betreffnisse aneignete, unter Verletzung seiner Amtspflichten. Die Angelegenheit gelangte nach durchgeführter Untersuchung vor die Gerichte des Kantons Waadt, an welche der Bundesrat die Kompetenz zur Beurteilung der Übertretungen des eidgenössischen Strafrechtes übertrug. Der früher gut beleumdete Mercier erklärte sich der ihm zur Last gelegten Verbrechen in vollem Umfange schuldig und wurde vom Distriktsgerichte von Yverdon am 5. Oktober 1908 verurteilt zu vier Jahren Zuchthaus, 20 Jahren Einstellung in den bürgerlichen Rechten und Tragung von */* der Gerichtskosten. Die Fälschungen von Bundesakten wurden dabei als das schwerste der verübten Verbrechen aufgefasst. In der Folgezeit traf der Verurteilte mit den Bundesbahnen ein Abkommen über den Ersatz des gestifteten Schadens.

Nunmehr stellt Mercier das Gesuch um Begnadigung auf den Zeitpunkt, da er zwei Dritteile der Freiheitsstrafe erstanden hat, was am 6. Juni nächsthin der Fall sein wird. Er glaubt, auf die Rechtswohltat Anspruch zu haben wegen der durch sein Geständnis und die gute Aufführung während der abgelaufenen Strafzeit bewiesenen Reue und seine ernstlichen Vorsätze, in Zukunft sich durch ehrliche Arbeit wieder emporzuarbeiten. Das Gesuch wird vom Direktor der waadtländischen Strafanstalt bestens zur Entsprechung empfohlen unter Bestätigung der guten Führung des Potenten während der abgelaufenen Strafzeit und mit dem Beifügen, dass Mercier, wenn er gestützt auf das Strafrecht des Kantons Waadt verurteilt worden wäre, sichere Aussicht hätte, nach Verbüssung von zwei Dritteilen der Strafe bedingt entlassen zu werden.

Unter solchen Umständen erscheint die Begnadigung in dem nachgesuchten Umfange als gerechtfertigt.

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Antrag: Es sei dem August Mercier die Strafe, soweit er sie bis zur Entscheidung der Bundesversammlung noch nicht verbüsst hat, durch Begnadigung zu erlassen.

13. Christian Schwitzgebel, Landwirt und Bergführer in Lauenen, Kanton Bern (Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Jagd und Vogelschutz).

Sonntag den 11. Dezember 1910 beobachtete ein bernischer Wildhüter auf einer Streiftour, dass der ihm bekannte Christian Schwitzgebel auf Alpgebiet in der Gemeinde Lauenen an zwei Orten sogenannte Marderfallen richtete und mit Lockspeise, bestehend aus Speck und blutigen Eingeweiden, versah. Trotzdem Schwitzgebel vor der Gerichtsbehörde die Angaben des Wildhüters in verschiedenen Punkten zu bestreiten suchte, wurde er durch Urteil vom 12. Januar 1911 der Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig erklärt und, weil im Rückfall befindlich, in Anwendung von Art. 21, 3. a und 23, 2., verurteilt zu Fr. 200 Geldbusse, im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt in 40 Tage Gefängnis, Entzug der Jagdberechtigung und Tragung der Kosten. -- Rückfall wurde deswegen angenommen, weil der Fehlbare bereits am 21. September 1910 wegen Hochwildfrevel mit Fr. 150 Busse bestraft worden war. -- Über die Beschaffenheit und Gefährlichkeit der von dem Bestraften verwendeten Fallen berichtet die eidgenössische Inspektion für Forstwesen unter Vorlage einer Zeichnung: ,,Die aus Holz konstruierten Fallen besitzen für Menschen nicht die Gefährlichkeit von im Boden versteckten Tellereisen und ähnlichen Fallen. Sie werden oberirdisch, etwa zwei Meter über Boden errichtet und müssen von den Tieren ersprungen werden.01 Der Bestrafte ersucht um Erlass der Busse durch Begnadigung, indem er jetzt die Richtigkeit der Denunziation anerkennt, aber geltend macht, dass die Fallen gegen sehr schädliche Tiere gerichtet und für Menschen ungefährlich gewesen seien. Er verweist ferner darauf, dass er vermögenslos sei und nur geringen Verdienst besitze, aber eine Familie ernähren müsse, die, wenn er zur Abbüssung der Strafe ins Gefängnis käme, in bittere Not geraten würde.

496 Der Regierungsstatthalter von Saanen und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen empfehlen das Gesuch zur Genehmigung, letztere im Sinne einer Ermässigung der Busse.

Nach Art. 6 b und 21, 3. a des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1904 ist die Anwendung von Fangvorrichtungen der nicht in lit. a und b bezeichneten Art mit Bussen von Fr. 100 bis Fr. 400 zu bestrafen und nach Art. 23, 2., im Rückfall die Bussen bis auf das Doppelte zu verschärfen, ferner dem Frevler die Jagdberechtigung zu entziehen. Die Strafe, welche der Polizeirichter über den Potenten verhängte, entspricht daher dem Minimum der gesetzlichen Androhung, und es liegt kein genügender Grund zur Ermässigung derselben durch Begnadigung vor, weil der Fehlbare dadurch, dass er nur ganz kurze Zeit nach erlittener Strafe rückfällig wurde, einen besonders hohen Grad von verbrecherischem Willen an den Tag gelegt hat.

A n t r a g : Es sei das Begnadigungsgesuch des Christian Schwitzgebel abzuweisen.

B e r n , den, 30. Mai 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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I. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1911). (Vom 30. Mai 1911.)

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07.06.1911

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