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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Schmalspurbahn von Waldstatt über Schönengrund nach Brunnadern.

(Vom 30. Mai 1911.)

Tit.

Ein durch die Herren Kantonsrat J. Büchler-Frei, Präsident, und U. Naef, Aktuar, beide in Wald-St. Peterzell, vertretenes Initiativkomitee, reichte mittelst Eingabe vom 23. April 1910 ein Konzessionsgesuch für eine elektrische Schmalspurbahn von Herisau über Waldstatt, Schönengrung und St. Peterzell nach Brunnadern ein. Der dem Gesuch beigelegte allgemeine Bericht teilt einleitend mit, dass die Bestrebungen zur Erreichung einer Bahnverbindung zwischen dem Neckertal und dem benachbarten Appenzellerland bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurückreichen.

Von den verschiedenen Projekten, die nacheinander aufgetaucht seien, habe aber keines durchgeführt werden können. Auch seien vor einigen Jahren von einer Automobilgesellschaft Kurse von Herisau über Waldstatt und Peterzell nach Schönengrund eingerichtet worden. Dieses Unternehmen habe aber seither leider wegen finanzieller Schwierigkeiten liquidiert werden müssen.

Immerhin sei doch durch diese Automobilkurse der Beweis erbracht worden, dass die dortigen Bestrebungen nach Verbesserung der Verkehrsmittel alle Beachtung verdienen, indem,

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während die Post später nur jährlich 28000 Reisende beförderte, das Automobil im Jahre 1905 allein 70 000 Personen transportiert habe. Nun halte das Initiativkomitee dafür, dass der Moment gekommen sei, die seit Jahren ruhenden Bemühungen für das Zustandekommen einer Bahnverbindung wieder aufzunehmen, um endlich die ursprüngliche Idee auf einer etwas breiteren Basis und unter Benützung der inzwischen, speziell durch Einführung des elektrischen Betriebes bei den Strassenbahnen, erzielten Vorteile zu verwirklichen.

Nachdem Herisau Station einer normalspurigen Bahn (Bodensee-Toggenburgbahn) geworden sei und dadurch Ansehluss an das schweizerische Bahnnetz erhalten habe, erscheine es als angezeigt, diese Ortschaft als Ausgangspunkt der neuen Linie zu wählen.

Der Hauptverkehr der in Betracht fallenden Gegend tendiere in der Richtung nach Osten ausschliesslieh nach Herisau und darüber hinaus nach St. Gallen, westwärts nach dem Toggenburg und dem Zürichsee. Der früher in Aussicht genommene Ansehluss an die Appenzellerbahn in Waldstatt könne daher nicht mehr in Frage kommen, obschon dann zwischen Herisau und Waldstatt zwei parallel laufende Bahnen vorhanden seien. Diese auf den ersten Blick nicht ganz erklärliche Tatsache sei aber in den Verhältnissen begründet. Sowohl der Personen- als der Güterverkehr müsse direkt in Herisau auf die Hauptlinie übergehen können.

Durch einen weiteren Umlad in Waldstatt würde der Verkehr speziell mit St. Gallen schwer geschädigt. Auch der erwähnte Automobilkurs sei zwischen Herisau und St. Peterzell durchgeführt worden und niemand habe daran gedacht, ihn auf die Strecke Waldstatt--St. Peterzell zu beschränken.

Auf der westlichen Seite werde der Ansehluss in ebenso natürlicher Weise an die Bodensee-Toggenburgbahn in Brunnadern erfolgen, so dass die ganze Gegend in zwei Richtungen an das schweizerische Eisenbahnnetz angeschlossen werde. Gleichzeitig werde der Verkehr der Bodensee-Toggenburgbahn durch Heranziehung einer etwas abseits gelegenen, aber industriellen und bevölkerten Gegend eine gewisse Alimentation erfahren.

Die Linie bediene die Gemeinden Herisau, Waldstatt, Schwellbrunn, St. Peterzell, Mogeisberg und Brunnadern mit zusammen zirka 25 000 Einwohnern. Am Zustandekommen der Bahn seien ferner interessiert die Gemeinden Gossau, Straubenzell, St. Gallen, Hundwil, Urnäsch, Hemberg, Oberhelfenswü, Lichtensteig und Wattwil mit einer Bevölkerungszahl von über 75 000 Seelen.

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Im technischen Berichte werden neben dem Hauptprojekt noch zwei Varianten, die eine bei Herisau, die andere zwischen Furt und Brunnadern, angegeben.

Wir lassen nachstehend die technischen Hauptangaben folgen :.

Länge der Bahn: 19,040 m bezw. 19,333 m, je nachdem das Hauptprojekt oder eine der Varianten zur Ausführung kommt, Maximalsteigung: Hauptprojekt 60°/oo, Variante in Herisau 70°/oo.

Höhenkoten: Waldstatt 825; Brisig 898,5; Schönengrund 843,1 v St. Peterzell 699,6; Brunnadern 657,56.

Minimalradius: Hauptprojekt 40--50m, Variante Herisau 20--25 m.

Betriebssystem : Elektrizität. Gleichstrom 1000 Volt im MinimumUmformung in Schönengrund oder Errichtung einer eigenen Kraftzentrale.

Der summarische Kostenvoranschlag setzt sich aus folgenden Posten zusammen : Organisation und Verwaltungskosten . . . Fr.

66,500 Baueinsen ,, 20,00fr Expropriation .', 100,000' 'Bahnbau .', 1,246,500 Zentrale .', 200,000 Rollmaterial - ,, 258,500 Mobiliar und Gerätschaften ,, 38,500 Total Fr. 1,930,000 oder per Bahnkilometer Fr. 101,500.

In ihren Vernehmlassungen vom 13. bezw. 23. Mai und vom 28. Mai 1910 erklärten sich die Regierungen der Kantone St. Gallen und Appenzell A.-Rh. mit der Erteilung der Konzession, sowie mit der Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn unter gewissen Bedingungen einververstanden.

Da die Frage des der Appenzellerbahn durch die Erstellung einer Parallellinie vpn Waldstatt nach Herisau entstehenden Schadens abgeklärt werden musste und anderseits durch das Zustandekommen der ganzen Linie Brunnadern-^-Herisau auch eine gewisse Konkurrenz für die Bodensee-Toggenburgbahn nicht ganz ausgeschlossen schien, stellte das Eisenbahndepartement das Konzessionsgesuch den beiden Bahngesellschaften zu mit dem Ersuchen, sich über die allfällig entstehenden Konkurrenzverhältnisse auszusprechen.

Die Appenzellerbahn erhob in ihrer Vernehmlassung vom 1. August 1910 entschieden Einsprache gegen die Erteilung der Konzession für die Strecke Herisau --Waldstatt. Dabei erinnerte

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sie daran, dass sie bereits anlässlich der Konzessionierung der Bodensee-Toggenburgbahn auf die ihr erteilte Konzession St. Gallen-- Herisau im Interesse des neuen Unternehmens habe verzichten müssen und dass sie ferner infolge des Baues der BodenseeToggenburgbahn dazu gezwungen werde, ihre rentabelste Strecke Winkeln--Herisau abzubrechen. Nunmehr müsse sie noch mit bedeutenden Kosten einen neuen Anschluss an die Bundesbahnen in Gossau bewerkstelligen. Mit der projektierten Bahn Herisau--Brunnadern werde auf eine Länge von 5 km eine Parallellinie zur Appenzellerbahn geschaffen. Von Brunnadern und dem ganzen Toggenburg werde kaum ein nennenswerter Verkehr in der Richtung Herisau--St. Gallen über Waldstatt zu erwarten sein, weil die Strecke der Bodensee-Toggenburgbahn kürzer sei. Umgekehrt werde auch für Herisau in der Richtung Toggenburg einzig die um 30 Minuten kürzere Strecke der Bodensee-Toggenburgbahn in Betracht fallen. Einzig die Gemeinden St. Peterzell, Schwellbrunn und Schönengrund hätten ein direktes Interesse am Zustandekommen der projektierten neuen Bahnverbindung. Für dieses lokale Verkehrsbedürfnis genüge aber eine Industriegeleisevorbindung mit Anschluss an die Appenzellerbahn in Waldstatt. Auf diese Weise könnte der zu erwartende Verkehr, im Falle der Annahme von einheitlichen technischen Normen für beide Unternehmungen, ohne Umlad in Waldstatt leicht bewältigt werden.

Untern 27. August 1910 sprach sich die Bodensee-Toggenburgbahn in der Hauptsache dahin aus, dass die projektierte Bahn Herisau-Schönengrund-Brunnadern als Transitbahn keine Existenzberechtigung habe, da ein einziges Unternehmen für diesen Verkehr genüge. Vom Standpunkt der Allgemeinheit, sowie vom Interessenstandpunkt der Bodensee-Toggenburgbahn aus könne man dem Projekte nur zustimmen, sofern und solange das neue Unternehmen nicht eine Konkurrenzbahn zur Normalbahn darstelle.

Um der Regierung des Kantons Appenzell A.-Rh. Gelegenheit zu geben, sich auch über die Einsprache der Appenzellerbahn auszusprechen, brachte ihr das Eisenbahndepartement die Eingabe der Bahngesellschaft zur Kenntnis. Die Kantonsregierung antwortete unterm 24. September 1910, auch sie sei der Meinung, dass die Erstellung der Teilstrecke Herisau--Waldstatt vom Standpunkt der Volkswirtschaft aus keinem Bedürfnis entspreche. Im übrigen habe sie aber
ihrer Vernehmlassung vom 28. Mai 1910 nichts beizufügen.

Hierauf wurde noch das Initiativkomitee für die Bahn Herisau-Schönengrund-Brunnadern ersucht, sich über die Einsprache

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der Appeuzellerbahn zu äussern. In seiner Rückäusserung vom 20. Oktober 1910 betonte das Initiativkomitee, dass es auf der Konzessionierung der ganzen Strecke Herisau-Schönengrund-Brunnadern beharren müsse. Zu einer Verstümmlung der Linie, wie sie der Anschluss* an die Appenzellerbahn in Waldstaatt zur Folge haben würde, könne nicht Hand geboten werden. Das Initiativkomitee gehe nicht darauf aus, der Appenzellerbahn ihren Verkehr wegzunehmen, sondern es wolle nur den durch die Erstellung der projektierten Bahn zu schaffenden neuen Verkehr durch direkten Anschluss an die Normalbahn möglichst heben und fördern. In der Existenz von alten Bahnlinien dürfe kein Grund erblickt werden, neue Linien zu unrationellen, verkehrshemmenden Anschlüssen zu zwingen. Der frühere Automobilkurs Herisau-- Schönengrund--St. Peterzell sei auch bis Herisau konzessioniert worden, obschon durch denselben der Appenzellerbahn ein bedeutender Personenverkehr abgenommen worden sei. Wenn die Appenzellerbahn die Vorteile, die sie dem Appenzellerlande bereits gebracht habe, hervorhebe und ihre Haltung vom Standpunkt der Volkswirtschaft aus rechtfertige, so glaube das Initiativkomitee mit der gleichen Berechtigung auf die Uneigennützigkeit seiner Bestrebungen hinweisen zu dürfen, die nur darauf gerichtet seien, ein seit einem halben Jahrhundert schwebendes Projekt zu verwirklichen und einer abgelegenen aber entwicklungsfähigen Gegend das gewünschte Verkehrsmittel zu verschaffen.

Von der Erwägung ausgehend, dass bereits bestehende notleidende Bahnen, die den Verkehrsverhältnissen vollständig genügen, einen berechtigten Anspruch auf Schutz ihrer Interessen haben, teilte das Eisenbahndepartement dem Initiativkomitee unterm 7. November 1910 mit, dass es nach eingehender Prüfung der Angelegenheit nicht in der Lage sei, dem Bundesrate zuhanden der Bundesversammlung die Konzessionierung der ganzen Linie Herisau--Brunnadern zu beantragen. Mit dieser Mitteilung verband das Eisenbahndepartement die Anfrage, ob das Initiativkomitee im Falle der Verweigerung der Konzession für die gesamte Linie sein Konzessionsgesuch auf die Strecke Waldstatt--Schönengrund-- Brunnadern beschränken wolle. Das Initiativkomitee erwiderte durch Zuschrift vom 28. November 1910, dass es auf dem in der Eingabe vom 20. Oktober eingenommen Standpunkt beharren müsse. Dabei
wurde die Meinung geäussert, dass es vielleicht in einer Konferenz der sämtlichen Interessenten möglich wäre, eine Lösung zu finden, gemäss welcher die Strecke Herisau-- Waldstatt der Appenzellerbahn als Gemeinschaftsstrecke dem

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neuen Unternehmen gegen Entschädigung zur Verfügung gestellt würde. Unterm 7. Januar 1912 machte die Appenzellerbahn einen Gegenvorschlag, indem sie sich bereit erklärte, auf eine gewisse Gemeinschaft der Betriebsmittel einzugehen. Die neue Linie müsste in Waldstatt anschliessen, dagegen würde ihr' gestattet, am Schlüsse der Züge der Appenzellerbahn eigene direkte Güterwagen ab und nach Herisau eventuell Gossau einzustellen. Der Anregung, ihre Strecke Appenzell--Waldstatt als Gemeinschaftsstrecke zur Verfügung zu stellen, könne sie nicht zustimmen.

Hierauf erstellte das Eisenbahndepartement einen Konzessionsentwurf für eine elektrische Schmalspurbahn von Waldstatt über Schönengrund nach ßrunnadern und lud sämtliche Interessenten zu den vorschriftsmässigen konferenziellen Verhandlungen ein. An der Konferenz, die am 29. März 1911 in Bern stattfand, erfolgte eine allseitige Aussprache über den Anschluss der neuen Bahn in Herisau oder in Waldstatt. Da die Lösung, wonach der Bauanschluss in Waldstatt und der Betriebsanschluss in Herisau stattfinden sollte, als die zweckmässigste schien, die Festsetzung der über den Betriebsanschluss zu vereinbarenden Bedingungen aber den Parteien überlassen werden müsste, wurde den letzteren eine Frist eingeräumt, um sich über den Betriebsansehluss bezw.

über die Führung direkter Wagen Herisau-Brunnadern und umgekehrt zu verständigen. Im übrigen beliebten die Details des JKonzessionsentwurfes, an dem nur zwei unwesentliche Änderungen vorgenommen wurden, allseitig.

Am 24. April 1911 fand sodann unter Leitung der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Appenzell A.-Rh. eine weitere Konferenz in Waldstatt statt, an welcher die Parteien sich dahin einigten, dass der Bauanschluss in Waldstatt stattfinden solle. Dabei erklärte sich die Appenzellerbahn bereit, den Betrieb der neuen Bahn zum Selbstkostenpreis zu übernehmen und direkte Wagen der Bahn Waldstatt-Brunnadern in den fahrplanmässigen Zügen zwischen Waldstatt und Herisau zu führen, unter der Bedingung, dass, wenn eine zu garantierende Mindestfrequenz nicht erreicht würde, die Appenzellerbahn Anspruch auf eine angemessene Entschädigung hätte. Die Vertreter des Initiativkomitees behielten sich die Genehmigung dieser Vereinbarung durch das erweiterte Initiativkomitee vor.

Diese Genehmigung erfolgte am 3. Mai dieses Jahres.
Man ist nunmehr allseitig damit einverstanden, dass die neue Bahn, für die eine Konzession erteilt werden soll, nicht in Herisau, sondern in Waldstatt beginne.

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Wir sprechen hiermit unsere Befriedigung und Anerkennung über die Vermittlung aus, die sich die genannte kantonale Behörde mit Erfolg hat angelegen sein lassen.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 30. Mai 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann

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(Entwurf.)

ßiindesfoeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Schmalspurbahn von Waldstatt über Schönengrund nach Brunnadern.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe eines Initiativkomitees vom 23. April 1910; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Mai 1911, beschliesst: Einem durch die Herren Eantonsrat J. B ü c h l e r - F r e i , Präsident, und U. N a e f, Aktuar, beide in Wald-St. Peters/eil, vertretenen Initiativkomitee wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer e l e k t r i s c h e n S c h m a l s p u r b a h n von W a l d s t a t t über S c h ö n e n g r u n d nach B r u n n a d e r n unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 4. Der Sitz der Gesellschaft ist in Schöuengrund.

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weiteren Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Das Strecken- und das Stationspersonal soll schweizerischer Nationalität sein.

Art. 6. Binnen einer Frist von 24 Monaten vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanzielle» Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung, derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Bestimmungen desBeschlusses des Grossen Rates des Kantons St. Gallen vom 13. Mai 1910, des Beschlusses des Kantonsrates von Appenzell A.-Rh. vom 27. Mai 1910, und der Bewilligung der Gemeinde Brunnadern vom 11. Mai 1910, soweit diese Bestimmungen nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum desjenigen Kantons,, auf dessen Gebiet sie gefunden werden und an dessen Regierung, unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebe» obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

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Art. 11. Der ßundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Punktionen «ines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen-enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement ·der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche «rst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 13. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens 4mal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und mit Anhalten auf allen Stationen, erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muss.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Art. 15. Für die Beförderung von Personen können Taxen bis auf den Betrag von 12 Rappen per Kilometer der Bahnlänge bezogen werden : Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen, als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren -sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsoillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

475 Art. 16. Pur die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 12x/2 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisegepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allge-meinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über 5^ Rappen und deren niedrigste nicht über '2lla Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Kilometer höchstens 2Va Rappen zu erheben.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Pevsonenzügen Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. III.

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transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, sind für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln usw. zeitweise niedrigere Taxen einzuführen, welche vom Bundesrate nach Anhörung der ßahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport lebender Tiere mit Güterzügen können Taxen erhoben werden, welche nach Klassen und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 35 Rappen per Stück und Kilometer für die höchste und 7*/2 Rappen für die niedrigste Klasse nicht übersteigen dürfen.

Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 °/o erhoben werden.

Art. 23. Für Gepäck-, Güter- und Tiersendungen kann eine^ Minimaltaxe erhoben werden, die aber den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung; "» nicht überschreiten darf.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Das Gewicht wird bei Gütersendungen bis auf 20 kg für volle 20 kg gerechnet und bei Gepäcksendungen bis auf 10 kg für volle 10 kg; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

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Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 27. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 30. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone St. Gallen und Appenzell A.-Rh. gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

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b. Durch .den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 22.Vafachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in( Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibuogsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

«. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 31. Haben die Kantone St. Gallen und Appenzell A.-Rh.

den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 30 de-

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finiert worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 1. Juli 1911 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Schmalspurbahn von Waldstatt über Schönengrund nach Brunnadern. (Vom 30. Mai 1911.)

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