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Botschaft über das 1991 an der 78. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen und die Empfehlung vom 29. April 1992

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wie es Artikel 19 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verlangt, unterbreiten wir Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend das an der 78. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 172) über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. April 1992

1992-203

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident:Felber Der Bundeskanzler: i. V. Casanova

26 Bundesblatt 144. Jahrgang. Bd. III

741

Übersicht Die Internationale Arbeitskonferenz hat ein neues Übereinkamen und eine Empfehlung verabschiedet, in der Absicht, die Arbeitsbedingungen, die Ausbildung und die beruflichen Perspektiven in den Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben zu verbessern. Um der Vielfalt der Situationen in dieser Branche in den verschiedenen Teilen der Welt Rechnung zu tragen, sieht das Übereinkommen eine Reihe von Ausnahmen für verschiedene Betriebs- oder Arbeitnehmerkategorien vor. Es bietet ebenfalls die Möglichkeit, seinen Anwendungsbereich auf andere Betriebe mit ähnlichem Charakter auszudehnen, die Dienstleistungen für den Tourismus anbieten.

Der programmatische Charakter dieses Übereinkommens lässt einen grossen Spielraum für die Anwendung auf nationaler Ebene offen; die nationalen gesetzgebenden Behörden behalten Handlungsspielraum, wie auch die Parteien an den Gesamtarbeitsverträgen. Die betroffenen Arbeitnehmer sollen unter anderem in den Genuss einer vernünftigen normalen Arbeitszeit kommen. Sie müssen ebenfalls über angemessene tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten verfügen sowie über einen entsprechenden Ausgleich in Form von Freizeit oder Entlöhnung für die Arbeit an Feiertagen. Das Übereinkommen sieht vor, dass die betroffenen Arbeitnehmer einen regelmässig ausbezahlten, vom Trinkgeld unabhängigen Grundlohn erhalten sollen. Der Kauf oder Verkauf von Arbeitsstellen muss untersagt werden.

Wir können die im Übereinkommen festgelegten Anforderungen erfüllen schlagen Ihnen seine Annahme vor.

742

und

Botschaft 1

Einleitung

Gemäss Artikel 19 Absätze 5 und 6 der Verfassung der IAO müssen die Mitgliedstaaten ihrem Parlament die von der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen innerhalb eines Jahres nach Abschluss der jeweiligen Tagung unterbreiten. Diese Frist kann höchstens um sechs Monate verlängert werden.

Die vorliegende Botschaft behandelt das Übereinkommen (Nr.. 172) über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben.

Die Texte des Übereinkommens und der Empfehlung befinden sich im Anhang zu dieser Botschaft.

2

Übereinkommen Nr. 172 (Beilage 1)

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Allgemeiner Teil

Anlässlich seiner 241. Tagung im November 1988 hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes (IAA) beschlossen, die Frage der «Arbeitsbedingungen in ; Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben» auf die Tagesordnung der 77. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen.

Diese Frage wurde von der Konferenz im üblichen Verfahren der zweifachen Lesung behandelt.

Die erste Lesung fand 1990 anlässlich der 77. Tagung der Konferenz statt. Ein Entwurf für ein Übereinkommen, ergänzt durch eine Empfehlung, wurde ausgearbeitet. Nach der zweiten Lesung anlässlich der 78. Tagung hat die Konferenz das Übereinkommen Nr. 172 sowie die ergänzende Empfehlung Nr. 179 verabschiedet.

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Besonderer Teil

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Erläuterung der einzelnen Bestimmungen und allgemeine Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Das Übereinkommen ist auf die Arbeitnehmer der Hôtellerie und des Gastgewerbes anwendbar. Diese Branche kennt ein rasches Wachstum und hat einen ständigen Bedarf an qualifiziertem und erfahrenem Personal. Das Übereinkommen hat programmatischen Charakter und lässt sowohl dem Gesetzgeber als auch den Sozialpartnern viel Spielraum bei der Anwendung auf nationaler Ebene.

Wir schliessen uns der allgemeinen Zielsetzung des Übereinkommens an. Jeder Anreiz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in diesem Wirtschaftszweig kann günstige Auswirkungen auf die Nachwuchsrekrutierung haben und die 743

Wettbewerbsfähigkeit der Branche verbessern. Andererseits schafft dieses Übereinkommen eine gewisse Solidarität unter den Staaten, was ein ständiger Grundsatz unserer Wirtschafts- und Aussenpolitik ist, denn die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind in den Entwicklungsländern oft sehr schlecht.

Das Übereinkommen Nr. 172 umfasst 16 Artikel. Um zu prüfen, ob die Schweiz den Anforderungen des Übereinkommens genügt, müssen dessen Bestimmungen mit unserer Gesetzgebung und der Schweizer Praxis in diesem Bereich verglichen werden.

In der Schweiz besteht keine besondere Gesetzgebung für die Hôtellerie und das Gastgewerbe. Die Normen, die für diesen Wirtschaftszweig zur Anwendung kommen, verteilen sich über verschiedene Gesetzestexte: die Bestimmungen über den Arbeitsvertrag befinden sich im Obligationenrecht (OR; SR 210); die Arbeitszeit wird durch das Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in der Industrie, dem Gewerbe und dem Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) und vor allem durch die Artikel 23 bis 38 der Ausführungsverordnung zum ArG vom 14. Januar 1966 (ArGV 2; SR 822.112) geregelt. Zudem besteht ein Landes-Gesamtarbeitsvertrag (GAV), der durch Beschluss des Bundesrates allgemeinverbindlich erklärt wurde und somit auf die ganze Branche anwendbar ist.

Die Prüfung des Übereinkommens im Lichte der oben aufgeführten schweizerischen Gesetzgebung gibt zu folgenden Bemerkungen Anlass: Artikel l des Übereinkommens definiert den betrieblichen Geltungsbereich.

Laut dem ersten Absatz ist das Übereinkommen auf die Arbeitnehmer anwendbar, die in Hotels und ähnlichen Beherbergungsbetrieben sowie in Gaststätten und ähnlichen Betrieben, die Speisen oder Getränke verabreichen, beschäftigt sind. Die präzise Definition kann von jedem Mitglied festgelegt werden. Damit ist die Möglichkeit gegeben, bestimmte Betriebe, die besondere Probleme von erheblicher Bedeutung stellen, auszuklammern. Die ratifizierenden Staaten haben ebenfalls die Möglichkeit, bei der Ratifizierung oder später, die Anwendung des Übereinkommens auf andere verwandte Betriebe auszudehnen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen. Im Hinblick auf die Ratifizierung schlagen wir vor, den Geltungsbereich gleich zu definieren, wie in der ArGV 2 und im allgemeinverbindlich erklärten GAV. Das Übereinkommen gilt demnach für die gastgewerblichen
Unternehmen, insbesondere für jene, die der kantonalen Gesetzgebung über das Gastgewerbe unterstellt sind, die gegen Entgelt Personen beherbergen oder Speisen und Getränke zum Genuss an Ort und Stelle abgeben; davon ausgenommen sind betriebseigene Kantinen und Personalrestaurants, die ausschliesslich dem Personal dienen, sowie mit Verkaufsgeschäften des Detailhandels räumlich verbundene Restaurationsbetriebe mit in der Regel gleichen Öffnungszeiten und Arbeitsbedingungen wie im Verkaufsgeschäft. Es scheint uns nicht angebracht, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Anwendungsbereich auf andere Unternehmen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen, auszudehnen, da deren Arbeitsbedingungen sich zu stark von denen in den Hotels und Gaststätten unterscheiden.

Artikel 2 definiert den persönlichen Anwendungsbereich. Dieser umfasst alle Arbeitnehmer, die in Betrieben beschäftigt sind, auf die das Übereinkommen 744

Anwendung findet, unabhängig von der Art und der Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses. Er ermöglicht es, bestimmte besondere Gruppen von Arbeitnehmern von der Anwendung aller oder einiger Bestimmungen auszunehmen.

Es ist sinnvoll, jene Arbeitnehmerkategorien abzudecken, die vom allgemeinverbindlich erklärten GAV betroffen sind; dies entspricht dem Übereinkommen Nr. 172, das sich ausdrücklich auf das innerstaatliche Recht, die innerstaatlichen Bedingungen und Gepflogenheiten beruft. Wir schlagen deshalb vor, die Mitglieder der Familie des Arbeitgebers, die leitenden Angestellten des Betriebs (und deren Familienmitglieder) sowie die Lehrlinge, die Schüler der Berufsschulen während des Schulbetriebs und die ausschliesslich oder überwiegend in einem Nebenbetrieb oder im Haushalt beschäftigten Personen davon auszunehmen.

Artikels ist eine sehr allgemein gehaltene Bestimmung, die den Staat, der das Übereinkommen ratifiziert hat, verpflichtet, eine Politik festzulegen und anzuwenden, die darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen der betreffenden Arbeitnehmer unter Wahrung der Autonomie der in Betracht kommenden Sozialpartner und der innerstaatlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten zu verbessern. Wie schon erwähnt, werden die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Hôtellerie und dem Gastgewerbe weitgehend durch Übereinkünfte zwischen den Sozialpartnern bestimmt. Da unser Arbeitsrecht grundsätzlich keine Branchenregelungen kennt, und aufgrund der traditionellen Rollenverteilung zwischen Gesetzgebung und zwischen Sozialpartnerregelungen, wäre diese Verbesserung weitgehend Aufgabe der Sozialpartner. Diese Lösung trägt der Bedeutung Rechnung, die das Übereinkommen Nr. 172 der Autonomie der Sozialpartner zuerkennt.

Laut Absatz 2 muss das Ziel dieser Politik sein, dafür zu sorgen, dass die betreffenden Arbeitnehmer nicht vom Anwendungsbereich irgendwelcher Mindestnormen ausgenommen werden, die für die Arbeitnehmer allgemein gelten, einschliesslich solcher, die Ansprüche im Bereich der Sozialen Sicherheit betreffen.

Diese Bedingung ist erfüllt: die Schweizer Gesetzgebung umreisst einen Minimalrahmen, der den Sozialpartnern die Möglichkeit gibt, Normen festzulegen, die den spezifischen Bedürfnissen dieser Branche angepasst sind. Abgesehen von der Arbeitszeit untersteht die Hôtellerie und das Gastgewerbe
den gleichen Normen wie die anderen Wirtschaftszweige. Bezüglich der Dauer der Arbeitszeit bestehen allgemeine Normen (ArG und ArGV 1), die auf einen grossen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeiten anwendbar sind und die für verschiedene Branchen durch Sonderbestimmungen ergänzt werden (ArGV 2), die Ausnahmen vom Gesetz und der ArGV darstellen. Es handelt sich also um branchenspezifische Sonderbestimmungen, die betreffenden Arbeitnehmer nicht von den Mindestvorschriften auszuschliessen. Damit genügt die Schweizer Gesetzgebung den Ansprüchen von Artikel 3 des Übereinkommens.

Artikel 4 legt die Grundsätze für die Gestaltung der Arbeitszeit fest. Die Definition des Ausdrucks «Arbeitszeit» in Absatz l entspricht derjenigen in Artikel 30 Absatz l ArGV l.

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Absatz 2 verlangt eine angemessene Normalarbeitszeit und eine angemessene Überstundenregelung, wobei die innerstaatliche Gesetzgebung und Praxis vorbehalten bleiben. Die Schweizer Gesetzgebung kennt den Begriff der Normalarbeitszeit nicht; sie geht vom Begriff der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aus.

Laut Artikel 25 ArGV2 schwankt diese zwischen 51 und 60 Stunden. In der Praxis hat aber der GAV Arbeitszeiten festgelegt, die weit unter dem gesetzlichen Maximum bleiben: gegenwärtig liegt die obere Grenze für alle Berufskategorien bei 43 Stunden pro Woche. Diese Dauer ist vernünftig. Mit den Überstunden verhält es sich ebenso. Die Schweizer Gesetzgebung unterscheidet zwischen Überzeitarbeit und Überstunden. Unter Überzeitarbeit versteht man Arbeitsstunden, die die gesetzliche Höchstarbeitszeit übersteigen. Es handelt sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen Begriff, und die Beschränkung ist absolut. Unter Überstunden hingegen versteht man die Arbeitszeit, zu deren Leistung der Arbeitnehmer soweit verpflichtet ist, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Es handelt sich dabei um einen privatrechtlichen Begriff, denn diese Arbeit übersteigt die vertraglich festgelegte Arbeitsdauer. In der Schweiz müssen Überstunden und Überzeitarbeit ausgeglichen oder zu einem erhöhten Tarif entschädigt werden. Laut ArGV 2 darf die Überzeitarbeit weder 20 Stunden pro Monat noch 120 Stunden pro Kalenderjahr übersteigen. Der GAV setzt die Höchstzahl der Überstunden pro Monat auf 25 und pro Jahr auf 150 fest; er sieht ebenfalls eine Kompensation mittels Ruhetagen von gleicher Dauer oder einen Lohnzuschlag von 25 Prozent vor.

Absatz 3 verlangt, dass die Arbeitnehmer über angemessene tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten verfügen; er verweist diesbezüglich auf die innerstaatliche Gesetzgebung und Praxis. Laut ArGV 2 beträgt die tägliche Mindestruhezeit für einen erwachsenen Arbeitnehmer neun aufeinanderfolgende Stunden. Die wöchentliche Ruhezeit beträgt mindestens 24 aufeinanderfolgende Stunden. Der allgemeinverbindliche GAV geht noch weiter, denn er sieht die Fünftagewoche vor; die beiden Ruhetage müssen wenn möglich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gewährt werden. Wir sind somit der Meinung, dass damit die Anforderungen von Absatz 3 erfüllt sind.

Absatz 4 schreibt
vor, dass die Einteilung der Arbeitszeit den Arbeitnehmern wenn möglich früh genug bekanntgegeben werden muss. Unsere Gesetzgebung kennt keine Bestimmungen, die ausdrücklich dieser Frage gewidmet sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die dem Arbeitgeber auferlegte Pflicht, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen (Art. 328 OR), auch die Verpflichtung einschliesst, diesen frühzeitig über die Organisation der Arbeitszeit zu informieren. Zudem sieht der heutige GAV vor, dass die Arbeitspläne mindestens für eine Woche aufgestellt und mindestens eine Woche im voraus angeschlagen werden müssen.

Artikel 5 betrifft die Feiertage und den bezahlten Jahresurlaub (in der Schweiz «Ferien» genannt). Laut dem ersten Absatz muss die Arbeit an Feiertagen in Form von Freizeit oder Entgelt ausgeglichen werden, je nachdem, wie dies durch Kollektivverhandlungen, die innerstaatliche Gesetzgebung oder Praxis festgelegt ist. Das OR enthält keine Bestimmungen über die Lohnfortzahlung an 746

Feiertagen; es beschränkt sich darauf, den Arbeitgeber zur Gewährung der üblichen Feiertage zu verpflichten. Der allgemeinverbindlich erklärte GAV gewährt den Arbeitnehmern sechs bezahlte Feiertage pro Kalenderjahr; die an Feiertagen geleistete Arbeit muss bezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen werden.

Absatz 2 gibt den betroffenen Arbeitnehmern Anspruch auf Ferien, deren Dauer von den Sozialpartnern oder der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis festgelegt wird. Gemäss OR beträgt die Mindestdauer der Ferien vier Wochen für Erwachsene und fünf Wochen für junge Arbeitnehmer bis 20 Jahre.

Der Arbeitgeber muss während den Ferien den vollen Lohn bezahlen.

Für ein unvollständiges Dienstjahr schreibt Absatz 3 vor, dass die Dauer des bezahlten Urlaubs im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit stehen muss. Diese Forderung wird durch Artikel 329a OR erfüllt.

Artikel 6 definiert den Begriff «Trinkgeld» und schreibt vor, dass die betreffenden Arbeitnehmer ungeachtet der Trinkgelder ein Grundentgelt erhalten müssen, das in regelmässigen Zeitabständen bezahlt wird. In Lohnfragen lässt das OR der vertraglichen Regelung sehr grossen Spielraum. Der allgemeinverbindliche GAV lässt aber nur drei Entlöhnungssysteme zu: das feste Monatsgehalt, das feste Monatsgehalt mit Umsatzbeteiligung und die Direktbezahlung auf der Basis des Umsatzes mit einem festen Lohnanteil und garantiertem Mindestlohn (nur für Bedienungspersonal). Diese drei Formen der Entschädigung entsprechen den Anforderungen des Übereinkommens. Seit vielen Jahren schon wird das Trinkgeld in diesem Wirtschaftszweig nicht mehr als Teil des Lohnes betrachtet.

Artikel 7 verpflichtet die Staaten, in denen die Praxis des Kaufs und Verkaufs von Beschäftigungen besteht, diese zu verbieten. Da diese Praxis in der Schweiz nicht existiert, sind keine Massnahmen zu ihrer Bekämpfung notwendig.

Artikel 8 zählt die verschiedenen Methoden zur Durchsetzung des Übereinkommens auf. Gemäss unserer Praxis ratifiziert die Schweiz die internationalen Arbeitsübereinkommen, wenn die Anwendung der wesentlichen Bestimmungen auf dem gesetzlichen Weg gewährleistet ist. Nach Schweizer Recht sind aber einige Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 172 der freien Beurteilung der Parteien am Einzelarbeits- oder Gesamtarbeitsvertrag überlassen. Das Übereinkommen Nr. 172 ist ein
sektorielles Übereinkommen, was im Widerspruch zur Konzeption des Schweizer Rechts steht, das grundsätzlich keine Reglementierung der Arbeitsbedingungen nach Branchen kennt, ausser den Bestimmungen über die Arbeitszeit (ArGV 2). Die obige Prüfung hat gezeigt, dass zwei Punkte von minderer Bedeutung nicht oder nur teilweise durch das Gesetz oder die Verordnung geregelt sind: Die Zahlung des Lohns an Feiertagen sowie die Festsetzung des Mindestgehalts. Diese beiden Bereiche werden aber entsprechend der in der Schweiz üblichen Praxis, die den Sozialpartnern und der Vertragsfreiheit grossen Spielraum einräumt, durch den allgemeinverbindlich erklärten GAV geregelt. Diese Konzeption entspricht auch der Grundüberlegung, die hinter dem Übereinkommen Nr. 172 steht (siehe Art. 3 Abs. 1). Die bundesrätliche Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des Gesamtarbeitsvertrages für das Gastgew'erbe, gemäss AVEG, verleiht den allgemeinverbindlich erklärten Bestim747

mungen des GAV den Charakter von relativ zwingenden Normen, ähnlich wie ein Teil der Bestimmungen des X. Titels des OR, mit dem Unterschied aber, dass die AVE jeweils für eine beschränkte Zeitdauer beschlossen wird, im Gegensatz zu den gesetzlichen Bestimmungen.

Andrerseits muss auch hervorgehoben werden, dass das Übereinkommen Nr. 172 im 2. Absatz von Artikel 8 ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, durch Gesamtarbeitsverträge oder auf anderem Wege als dem der Gesetzgebung durchgeführt zu werden. Zudem hält es fest, dass die Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommen ergeben, erfüllt sind, wenn die Gesamtarbeitsverträge oder die anderen Mittel für die grosse Mehrheit der Arbeitnehmer zur Anwendung kommen.

Unter diesen Voraussetzungen sind wir der Ansicht, dass unser Land alle Bedingungen des Übereinkommens erfüllt.

Die Artikel 9-16 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen, welche nicht besonders erläutert werden müssen.

222

Haltung zur Empfehlung

Die Empfehlung Nr. 179 enthält keine rechtlich zwingenden Vorschriften. Die Frage der Ratifizierung stellt sich daher nicht. Die Empfehlung umreisst die Bestimmungen des Übereinkommens bezüglich der Arbeitsdauer und den Ruheperioden genauer. Sie enthält zudem Bestimmungen über die Ausbildung der Arbeitnehmer.

223

Verhältnis zum EG-Recht

Bis heute kennt das EG-Recht weder eine Bestimmung über die Dauer der Arbeitszeit noch über die anderen Arbeitsbedingungen, die Gegenstand des Übereinkommens Nr. 172 sind. Ein Richtlinienvorschlag über bestimmte Aspekte der Gestaltung der Arbeitszeit steht gegenwärtig zur Diskussion. Ihre Bestimmungen stehen nicht im Widerspruch mit dem Übereinkommen Nr. 172.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 172 bedingt keinen finanziellen Mehraufwand für den Bund und bleibt ohne Auswirkungen auf dessen Personalbestand.

4

Schlussfolgerungen

Wie oben schon dargelegt, stimmen die Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 172 mit unserer Reglementierung der Arbeitsbedingungen in der Hotellerieund Gastgewerbebranche überein. Somit steht einer Ratifizierung dieser Urkunde nichts im Wege.

748

5

Rechtliche Grundlagen

Der Bundesbeschluss über das Übereinkommen Nr. 172 stützt sich auf Artikel 8 der Bundesverfassung ab, welcher dem Bund das Recht einräumt, Staatsverträge einzugehen. Aufgrund von Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Übereinkommens zuständig.

Nach Artikel 11 des Übereinkommens Nr. 172 kann dieses nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem Inkrafttreten sowie jeweils nach Ablauf von weiteren zehn Jahren gekündigt werden. Das Übereinkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c der Verfassung herbei. Demnach ist das Übereinkommen Nr. 172 nicht dem fakultativen Referendum über die internationalen Verträge gemäss Artikel 89 Absatz 3 der Verfassung unterstellt.

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Bundesbeschluss betreffend das Übereinkommen (Nr. 172) über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Entwurf

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1992'', beschliesst: Art. l 1

Das Übereinkommen (Nr. 172) über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben, das von der Internationalen Arbeitskonferenz am 25. Juni 1991 an ihrer 78. Tagung angenommen wurde, wird genehmigt.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, dieses Übereinkommen zu ratifizieren.

Art. 2

Dieser Beschluss untersteht nicht dem Staatsvertragsreferendum.

5408

') BB1 1992 III 741 750

Anhang l

Übereinkommen Nr. 172 über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Originaltext

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1991 zu ihrer achtundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, weist darauf hin, dass die internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen, die allgemein anwendbare Normen betreffend die Arbeitsbedingungen festlegen, auf die Arbeitnehmer in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben Anwendung finden, stellt fest, dass die besonderen Bedingungen, die die Arbeit in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben kennzeichnen, es wünschenswert erscheinen lassen, die Anwendung dieser Übereinkommen und Empfehlungen in diesen Kategorien von Betrieben zu verbessern und sie durch spezifische Normen zu ergänzen, die dazu bestimmt sind, den betreffenden Arbeitnehmern einen ihrer Rolle in diesen rasch wachsenden Kategorien von Betrieben entsprechenden Status zu verschaffen und neue Arbeitnehmer für sie zu gewinnen, indem die Arbeitsbedingungen, die Ausbildung und die Berufsaussichten verbessert werden, stellt fest, dass Kollektivverhandlungen ein wirksames Mittel zur Festlegung der Arbeitsbedingungen in diesem Sektor sind, ist der Auffassung, dass die Annahme eines Übereinkommens, zusammen mit Kollektiwerhandlungen, die Arbeitsbedingungen, die Berufsaussichten und die Arbeitsplatzsicherheit zum Nutzen der Arbeitnehmer verbessern wird, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1991, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Arbeitsbedingungen (Hotels und Gaststätten), 1991, bezeichnet wird.

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Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Artikel l 1. Vorbehaltlich der Bestimmungen von Artikel 2 Absatz l gilt dieses Übereinkommen für Arbeitnehmer, die beschäftigt sind in: a) Hotels und ähnlichen Beherbergungsbetrieben; b) Gaststätten und ähnlichen Betrieben, die Speisen, Getränke oder beides verabreichen.

2. Die Definition der vorstehend in den Buchstaben a) und b) genannten Kategorien ist von jedem Mitglied unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verhältnisse und nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer festzulegen. Jedes Mitglied, das das Übereinkommen ratifiziert, kann nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestimmte Arten von Betrieben, die unter die oben genannte Definition fallen, bei denen jedoch besondere Probleme von erheblicher Bedeutung auftreten, von dessen Anwendung ausnehmen.

3. a) Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer seine Anwendung auf andere verwandte Betriebe ausdehnen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen. Diese Betriebe sind in einer der Ratifikation beigefügten Erklärung anzugeben.

b) Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann überdies nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer durch eine Erklärung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes die Anwendung des Übereinkommens nachträglich auf weitere Kategorien von verwandten Betrieben ausdehnen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen.

4. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat in seinem ersten Bericht über die Durchführung des Übereinkommens, den es gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegen hat, die Arten von Betrieben anzugeben, die gemäss Absatz 2 ausgenommen worden sind, unter Angabe der Gründe für deren Ausnahme und unter Darlegung des jeweiligen Standpunkts der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer hinsichtlich einer solchen Ausnahme, und es hat in den folgenden Berichten den Stand seiner Gesetzgebung und Praxis hinsichtlich der ausgenommenen Betriebe anzugeben und mitzuteilen, in welchem Umfang dem Übereinkommen in bezug auf diese Betriebe entsprochen worden ist oder entsprochen werden soll.
Artikel 2 1. Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet der Ausdruck «die betreffenden Arbeitnehmer» die Arbeitnehmer, die in den Betrieben beschäftigt sind, auf die das Übereinkommen gemäss den Bestimmungen von Artikel l Anwendung findet, unabhängig von der Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses. Jedes Mitglied kann jedoch unter Berücksichtigung des innerstaatlichen Rechts 752

Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

und der innerstaatlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten und nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestimmte besondere Gruppen von Arbeitnehmern von der Anwendung aller oder einiger Bestimmungen dieses Übereinkommens ausnehmen.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat in seinem ersten Bericht über die Durchführung des Übereinkommens, den es gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegen hat, die Gruppen von Arbeitnehmern anzugeben, die gemäss Absatz l ausgenommen worden sind, unter Angabe der Gründe für deren Ausnahme, und hat in den folgenden Berichten mitzuteilen, welche Fortschritte im Hinblick auf eine umfassendere Anwendung erzielt worden sind.

Artikel 3 1. Jedes Mitglied hat unter Wahrung der Autonomie der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und auf eine dem innerstaatlichen Recht und den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechende Weise eine Politik festzulegen und anzuwenden, die darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen der betreffenden Arbeitnehmer zu verbessern.

2. Das allgemeine Ziel einer solchen Politik muss es sein, dafür zu sorgen, dass die betreffenden Arbeitnehmer nicht vom Geltungsbereich irgendwelcher Mindestnormen ausgenommen werden, die auf innerstaatlicher Ebene für die Arbeitnehmer allgemein angenommen worden sind, einschliesslich solcher, die Ansprüche im Bereich der Sozialen Sicherheit betreffen.

Artikel 4 1. Sofern die innerstaatliche Gesetzgebung oder Praxis nichts anderes bestimmt, bedeutet der Ausdruck «Arbeitszeit» die Zeit, während der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht.

2. Die betreffenden Arbeitnehmer müssen Anspruch auf eine angemessene Normalarbeitszeit und angemessene Überstundenregelungen gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis haben.

3. Den betreffenden Arbeitnehmern sind angemessene tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis zu gewähren.

4. Die betreffenden Arbeitnehmer sind, soweit möglich, rechtzeitig im voraus über die Einteilung der Arbeitszeiten zu unterrichten, damit sie ihr Privat- und Familienleben entsprechend einrichten können.

Artikels 1. Falls von Arbeitnehmern verlangt wird, an Feiertagen zu arbeiten, müssen sie einen entsprechenden Ausgleich in Form von Freizeit oder Entgelt erhalten, 753

Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

der durch Kollektivverhandlungen oder gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis festgelegt wird.

2. Die betreffenden Arbeitnehmer müssen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub haben, dessen Dauer durch Kollektivverhandlungen oder gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis festzusetzen ist.

3. In Fällen, in denen ihr Vertrag ausläuft oder ihre ununterbrochene Dienstzeit für den Erwerb des Anspruchs auf den vollen Jahresurlaub nicht ausreicht, müssen die betreffenden Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit oder auf Abgeltung haben, je nachdem, was durch Kollektivverhandlungen oder gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis festgelegt wird.

Artikel 6 1. Der Ausdruck «Trinkgeld» bedeutet einen Geldbetrag, den ein Kunde dem Arbeitnehmer freiwillig zusätzlich zu dem Betrag gibt, den er für die erhaltenen Leistungen zu zahlen hat.

2. Ungeachtet der Trinkgelder müssen die betreffenden Arbeitnehmer ein Grundentgelt erhalten, das in regelmässigen Zeitabständen gezahlt wird.

Artikel 7 Wo eine solche Praxis besteht, sind der Kauf und Verkauf einer Beschäftigung in den in Artikel l erwähnten Betrieben zu verbieten.

Artikel 8 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens können durch die innerstaatliche Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche, gerichtliche Entscheidungen oder auf eine andere geeignete, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Weise durchgeführt werden.

2. In Mitgliedstaaten, in denen die Bestimmungen dieses Übereinkommens üblicherweise Sache von Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmerverbänden sind oder üblicherweise auf anderem Wege als dem der rechtlichen Regelung durchgeführt werden, gelten diese Bestimmungen als erfüllt, wenn sie durch solche Vereinbarungen oder andere Mittel auf die überwiegende Mehrheit der betreffenden Arbeitnehmer Anwendung finden.

Artikel 9 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

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Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Artikel 10

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind in Kraft.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel!!

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz l genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 12

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 13

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 14

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durch755

Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Führung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neu fasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes: a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 11 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifziert haben.

Artikel 16

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

Es folgen die Unterschriften

5408

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Anhang 2

Empfehlung Nr. 179 betreffend die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Originaltext

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1991 zu ihrer achtundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, nachdem das Übereinkommen über die Arbeitsbedingungen (Hotels und Gaststätten), 1991, angenommen worden ist, dass diese Anträge die Form einer ergänzenden Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1991, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Arbeitsbedingungen (Hotels und Gaststätten), 1991, bezeichnet wird.

I. Allgemeine Bestimmungen 1. Diese Empfehlung gilt für die Arbeitnehmer im Sinne des Absatzes 3, die beschäftigt sind in: a) Hotels und ähnlichen Beherbergungsbetrieben; b) Gaststätten und ähnlichen Betrieben, die Speisen, Getränke oder beides verabreichen.

2. Die Mitglieder können nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Anwendung dieser Empfehlung auf andere verwandte Betriebe ausdehnen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen.

3. Im Sinne dieser Empfehlung bedeutet der Ausdruck «die betreffenden Arbeitnehmer» die Arbeitnehmer, die in den Betrieben beschäftigt sind, auf die diese Empfehlung gemäss den Bestimmungen der Absätze l und 2 Anwendung findet, unabhängig von der Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses.

4. (1) Diese Empfehlung kann durch die innerstaatliche Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche, gerichtliche Entscheidungen oder auf eine andere geeignete, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Weise durchgeführt werden.

27 Bundesblatt 144.Jahrgang. Bd. III

757

Arbeitbedingungen in Hotels, Gaststätten un ähnlichen Betrieben

(2) Die Mitglieder sollten: a) die wirksame Überwachung der Anwendung der gemäss dieser Empfehlung getroffenen Massnahmen durch einen Aufsichtsdienst oder ein anderes geeignetes Mittel vorsehen; b) die in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer dazu ermutigen, eine aktive Rolle bei der Förderung der Anwendung der Bestimmungen dieser Empfehlung zu spielen.

5. Allgemeines Ziel dieser Empfehlung ist es, unter Wahrung der Autonomie der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen der betreffenden Arbeitnehmer zu verbessern, um sie stärker an die in anderen Wirtschaftszweigen üblichen Bedingungen anzugleichen.

II. Arbeitszeit und Ruhezeiten 6. Sofern durch die in Absatz 4 (1) erwähnten Methoden nichts anders bestimmt wird, bedeutet der Ausdruck «Arbeitszeit» die Zeit, während der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht.

7. (1) Die Durchführung von Massnahmen zur Festsetzung der Normalarbeitszeit und zur Regelung der Überstunden sollte Gegenstand von Beratungen zwischen dem Arbeitgeber und den betreffenden Arbeitnehmern oder ihren Vertretern sein.

(2) Der Ausdruck «Arbeitnehmervertreter» bedeutet die auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis im Einklang mit dem Übereinkommen über Arbeitnehmervertreter, 1971, als solche anerkannten Personen.

(3) Überstunden sollten durch bezahlte Freizeit, durch einen höheren Vergütungssatz oder höhere Vergütungssätze für die geleistete Überstundenarbeit oder durch ein höheres Entgelt ausgeglichen werden, je nachdem, was gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis und nach Beratungen zwischen dem Arbeitgeber und den betreffenden Arbeitnehmern oder ihren Vertretern festgelegt wird.

(4) Es sollten Massnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass die Arbeitsstunden und die Überstunden ordnungsgemäss berechnet und aufgezeichnet werden und dass jeder Arbeitnehmer Zugang zu den ihn betreffenden Aufzeichnungen hat.

8. Wo immer durchführbar, sollten geteilte Schichten schrittweise abgeschafft werden, vorzugsweise durch Kollektivverhandlungen.

9. Die Anzahl und die Länge der Essenspausen sollten unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten und Traditionen jedes Landes oder Gebietes festgelegt werden und sich auch danach richten, ob die Mahlzeit im Betrieb selbst oder anderswo eingenommen wird.

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Arbeitbedingungen in Hotels, Gaststätten un ähnlichen Betrieben

10. (1) Die betreffenden Arbeitnehmer sollten soweit wie möglich Anspruch auf eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 36 Stunden haben, wobei es sich nach Möglichkeit um einen ununterbrochenen Zeitraum handeln sollte.

(2) Die betreffenden Arbeitnehmer sollten Anspruch auf eine durchschnittliche tägliche Ruhezeit von zehn aufeinanderfolgenden Stunden haben.

11. Wenn die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs für die betreffenden Arbeitnehmer weniger als vier Wochen für ein Dienstjahr beträgt, sollten durch Kollektiwerhandlungen oder andere mit der innerstaatlichen Praxis im Einklang stehende Mittel Massnahmen getroffen werden, um ihn schrittweise auf diese Dauer zu verlängern.

III. Ausbildung 12. (1) Jedes Mitglied sollte in Beratung mit den in Betracht kommenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Grundsätze und Programme für die berufliche Aus- und Weiterbildung und für die Ausbildung von Führungskräften für die verschiedenen Berufe in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben aufstellen oder gegebenenfalls die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und andere Einrichtungen bei deren Aufstellung unterstützen.

(2) Hauptziel der Ausbildungsprogramme sollte es sein, die Qualifikationen, die Qualität der Arbeitsleistung und die Berufsaussichten der Teilnehmer zu verbessern.

Es folgen die Unterschriften

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über das 1991 an der 78. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen und die Empfehlung vom 29. April 1992

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Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1992

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

22

Cahier Numero Geschäftsnummer

92.045

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.06.1992

Date Data Seite

741-759

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