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Botschaft über den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und über die entsprechende Strafrechtsrevision vom 2. März 1992

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung des Internationalen Übereinkommens vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung sowie den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Bei dieser Gelegenheit schlagen wir Ihnen vor, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1983 P 83.464 Rassismus: Revision des Strafgesetzbuches (N 23. 3. 84 [Ziegler-Genf] Robbiani) 1989 P zu 89.250 Ratifikation der Rassendiskriminierungs-Konvention (N 17. 3. 89, Petitions-und Gewährleistungskommission) Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtun.

2. März 1992

1992-108

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Felber Der Bundeskanzler: Couchepin

10 Bundesblatt 144. Jahrgang. Bd. III

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Übersicht In Ausführung seiner seit Jahren immer wieder geäusserten Absicht unterbreitet der Bundesrat mit dieser Botschaft das Internationale Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung der Genehmigung der Eidgenössischen Räte. Das Übereinkommen ergänzt die vom Parlament im letzten Jahr genehmigten Menschenrechtspakte in einem wichtigen Bereich. Mit seinen 130 Vertragsstaaten ist es eines der am breitesten akzeptierten Übereinkommen auf universeller Ebene, und ein Abseitsstehen der Schweiz ist vor allem aus menschenrechtspolitischen Gründen nicht länger gerechtfertigt. Einige extremistische Vorkommnisse in der Schweiz und in Westeuropa, aber auch die Anzeichen latenter Fremdenfeindlichkeit in bestimmten Teilen der Bevölkerung zeigen zudem, dass das Anliegen des Übereinkommens auch heute besondere Aktualität hat. Das Übereinkommen verbietet die Rassendiskriminierung und verpflichtet die Vertragsstaaten zu verschiedenen Massnahmen zu deren Bekämpfung und Verhinderung.

Unter anderem verlangt es die strafrechtliche Erfassung bestimmter rassendiskriminierender Akte.

Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, schlägt der Bundesrat die Ergänzung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafrechtes mit einer Bestimmung vor, die rassistische Propaganda, rassistische Angriffe auf die Menschenwürde und Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung aus rassistischen Gründen neu unter Strafe stellen soll. Der Bundesrat sieht im weiteren vor, eine ausserparlamentarische Kommission zu beauftragen, ihn in Fragen der Bekämpfung der Rassendiskriminierung zu beraten und konkrete Massnahmen vorzuschlagen.

Mit der Revision des Strafrechts genügt das schweizerische Rechtssystem den Anforderungen des Übereinkommens weitgehend. Der Bundesrat sieht sich allerdings veranlasst, zwei Vorbehalte anzubringen. Der eine Vorbehalt soll im Bereich der strafrechtlichen Erfassung der Meinungsäusserungsfreiheit und der Vereinsfreiheit das ihnen in der schweizerischen Staatsordnung gebührende Gewicht einräumen.

Der zweite Vorbehalt soll der Schweiz ihre Handlungsfreiheit im Bereich der Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern zum Arbeitsmarkt erhalten. Obwohl die schweizerische Zulassungspolitik keineswegs rassendiskriminierende Ziele verfolgt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich
dem Vorwurf rassendiskriminierender Auswirkungen aussetzen könnte.

Das Übereinkommen hat einen Ausschuss eingesetzt, der die Einhaltung seiner Bestimmungen vor allem anhand von regelmässigen Staatenberichten überprüfen soll. Der Bundesrat schlägt vor, das im Übereinkommen ebenfalls vorgesehene fakultative individuelle Mitteilungsverfahren erst anzuerkennen, wenn die Schweiz erste Erfahrungen mit ihren Staatenberichten gesammelt hat.

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Botschaft l

Einleitung

Das immer noch zunehmende wirtschaftliche und soziale Gefalle zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphäre sowie zwischen West und Ost hat in den letzten Jahren zu weltweiten Migrationsbewegungen geführt, die durch die steigende Mobilität verstärkt wurden. Der wirtschaftliche Aufschwung der achtziger Jahre bewirkte in der Schweiz wie in andern europäischen Ländern eine stetige Zunahme der ausländischen Wohnbevölkerung. Die im letzten Jahrzehnt stark gestiegene Zahl von Asylbewerbern trägt weiter dazu bei, dass das Verhältnis zwischen einheimischer und ausländischer Bevölkerung ein zentrales Thema unserer aktuellen Innenpolitik ist. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Bewältigung solcher bevölkerungspolitischer Fragen in allen Industriestaaten - auch in der Schweiz - eine der grossen politischen Herausforderungen der Zukunft sein wird 1 )*).

Die aktuellen Wanderungsbewegungen lösen bei vielen Schweizerinnen und Schweizern Ängste aus und verstärken Abwehrhaltungen, die mit dem aus verschiedenen Gründen drohenden Verlust unseres hohen Lebensstandards verbunden sind. Wie in andern Ländern Europas entladen sich solche Ängste in Aggressionen gegenüber jenen Menschen - Arbeitssuchende und Flüchtlinge die als Eindringlinge empfunden werden. Gerade weil unsere eigene wirtschaftliche und kulturelle Welt in immer noch zunehmendem Masse von Mobilität geprägt ist, werden wir uns in unserem kleinen Land mit einer zunehmenden ethnischen und kulturellen Vielgestaltigkeit zwangsläufig auseinandersetzen müssen. Eine solche Auseinandersetzung braucht durchaus nicht den befürchteten Identitätsverlust unseres Landes mit sich zu bringen, sondern kann auch wertvolle Anregung für unsere eigenen politischen und gesellschaftlichen Strukturen bedeuten.

Seit einiger Zeit ist in der Schweiz eine Zunahme von gewalttätigen Akten gegen fremde Staatsangehörige festzustellen. Seien es nun die immer häufiger werdenden Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte oder Gewalttaten gegen einzelne Personen: die zum Teil brutalen Übergriffe bringen eine zunehmende Radikalisierung extremistischer Kräfte in unserem Land zum Ausdruck. Oft genug wird deutlich, dass das kriminelle Verhalten auf menschenverachtenden, rassistischen Grundhaltungen beruht, die sich in einem allgemeinen Hass auf Fremde, vor allem auf die sozial am wenigsten
akzeptierten Asylbewerber, äussert.

Die Zunahme rassistisch begründeter Gewalt ist allerdings nur ein Teil des Phänomens. Tiefverwurzelte rassistische Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit prägen das Verhalten eines Teils der schweizerischen Bevölkerung, sei dies nun im täglichen Umgang mit dem Fremden, «Andersartigen» oder in politischen Stellungnahmen. Rassistische Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit können sich auf

*> Die Pussnoten befinden sich am Schluss der Botschaft.

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sehr unterschiedliche Weise äussern: Von der irrationalen Angst vor den «bösen Fremden» über das Verarttwortlichmachen von Ausländern für alle möglichen Übel bis zur pseudo-wissenschaftlichen Abhandlung über die Überlegenheit bestimmter Rassen gibt es die verschiedensten Erscheinungsformen einer Grundhaltung, die anderen Menschen bestimmte menschliche Eigenschaften abspricht oder zuerkennt, nur weil sie einer bestimmten Rasse oder einer ethnischen oder nationalen Gruppe angehören. Rassistisches Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass es die menschliche Würde der Betroffenen, sei es nun von Einzelpersonen oder von einer Vielzahl von Angehörigen einer Gruppe, in Frage stellt. Ein Klima von Intoleranz und rassistischen Vorurteilen erschwert oder verunmöglicht ein friedliches Zusammenleben verschiedener Gruppen in einer Gesellschaft und beeinträchtigt die Fähigkeit einer Gesellschaft, befriedigende Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden. Unter Umständen sind davon sogar Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene bedroht.

Die eingangs geschilderte internationale Migrationssituation bedarf zu ihrer Verbesserung zweifellos verstärkter internationaler Zusammenarbeit, welche unter anderem den massiven wirtschaftlichen Problemen der Entwicklungsländer Rechnung trägt. Im Rahmen ihrer Entwicklungs- und Aussenwirtschaftspolitik leistet auch die Schweiz ihren Beitrag zur Ursachenbekämpfung. Vor allem ist aber auch die schweizerische Menschenrechtspolitik gefordert. Der vorgeschlagene Beitritt zum Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung (vgl. dazu unten Ziff. 4 und 5) ist Ausdruck der Solidarität, welche die Schweiz der universellen Staatengemeinschaft in ihrem Bestreben zur Bekämpfung der Verletzung zentraler Menschenrechte wie des Verbotes von Rassendiskriminierung schuldet. Die Rassendiskriminierung ist Ausdruck der Missachtung menschlicher Würde, welche in der europäischen und in der universellen Geschichte zu schier unvorstellbarem Schrecken geführt haben. Die Judenverfolgung im Deutschen Reich, aber auch die menschenunwürdigen Verhältnisse, welche der Kolonialismus durch die Rassendiskriminierung in einigen Ländern der Dritten Welt geschaffen hatte, sind Beispiele für die Auswirkungen, die solche menschenverachtenden Grundhaltungen zeitigen können.
Das Übereinkommen verpflichtet die Schweiz zur Ergreifung konkreter Massnahmen zur aktiven Bekämpfung von Rassendiskriminierung und rassistischen Vorurteilen. Die rassistischen Übergriffe der letzten Zeit haben den Bundesrat in seiner Überzeugung bestärkt, dass die Behörden des Bundes und der Kantone nun in diesem Sinne handeln müssen. Er schlägt deshalb vor, das schweizerische Strafgesetzbuch und das Militärstrafgesetz mit einer neuen Bestimmung zu ergänzen, die bestimmte rassistische Verhaltensweisen neu unter Strafe stellen. Er erhofft sich davon eine generalpräventive Wirkung (vgl. zur vorgeschlagenen Strafrechtsrevision unten Ziff. 6).

Der Bundesrat ist sich allerdings bewusst, dass strafrechtliche Bestimmungen allein nicht genügen, dem Phänomen der Fremdenfeindlichkeit und der Rassendiskriminierung zu begegnen. Wie das Übereinkommen bereits zum Ausdruck bringt, braucht es vor allem Massnahmen auf dem Gebiete der Erziehung und der Kultur, um das Verständnis zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu fördern und um die «Fremden» in unsere Gesellschaft zu integrieren, ohne dass sie zur Aufgabe ihrer fremden Identität gezwungen sind. Sollen solche 272

Massnahmen in unserer Gesellschaft wirklich greifen, ist der Bund allerdings auf die aktive Mitarbeit der in diesen Sachbereichen vor allem kompetenten Kantone und auf die Unterstützung durch private Kreise angewiesen (vgl. zur Frage weiterer Massnahmen gegen die Rassendiskriminierung unten Ziff. 8).

Das Verbot der Rassendiskriminierung bedeutet allerdings nicht etwa, dass alle Unterscheidungen zwischen Schweizerinnen und Schweizern einerseits sowie Ausländerinnen und Ausländern andererseits, beispielsweise in der Aufenthaltsbewilligungspolitik, unzulässig wären. Verpönt sind nur solche Diskriminierungen, die einzig und allein auf der Unterschiedlichkeit der rassischen oder ethnischen Herkunft beruhen und sich auf keine sachlichen Gründe stützen.

Unser Land rühmt sich einer grossen kulturellen Vielfalt: Auf kleinem Raum leben traditionellerweise vier verschiedene Sprachgruppen in einem föderalistischen Staatsgebilde zusammen, welches ein Gleichgewicht zwischen der Achtung der kulturellen Eigenart der verschiedenen Gruppen und dem Anliegen einer minimalen schweizerischen Gemeinsamkeit und Homogenität schaffen soll.

Das Verbot der Diskriminierung von Bürgern aufgrund ihrer ethnischen, sprich sprachlichen oder kantonalen Herkunft war zur Zeit der Entstehung des schweizerischen Bundesstaates alles andere als selbstverständlich, und die praktische Umsetzung dieses Grundsatzes bietet auch heute noch beträchtlichen politischen Diskussionsstoff, wie sich beispielsweise im Bereich des neuen Sprachenrechts zeigt.

Das Gebot der in der schweizerischen Bundesverfassung verankerten Rechtsgleichheit: hat seine Wurzeln in der Erkenntnis, dass jedem Menschen, unbesehen seiner Herkunft, seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts, in gleicher Weise menschliche Würde zukommt. Ein Beitritt zum Übereinkommen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung und die vorgesehene Strafrechtsrevision entsprechen dieser Erkenntnis und bringen den Willen zum Ausdruck, rassistisches und menschenverachtendes Verhalten in der Schweiz nicht zu tolerieren.

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Historisches

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Das Verbot der Rassendiskriminierung im Völkerrecht

Der Begriff der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung hat zu Beginn dieses Jahrhunderts, zunächst als Korrelat und Ergänzung der Gleichbehandlungspflichten im Handelsverkehr, Eingang in das Völkerrecht gefunden. Von diesem Ansatzpunkt begann er auch auf andere Bereiche des Völkerrechts Einfluss auszuüben, so auf den Schutz der nationalen Minderheiten vor Benachteiligung, auf die Rechtsstellung der Ausländer und deren Zulassung auf dem Gebiet eines fremden Staates.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes, erhielt der Mensch als Individuum seinen Platz in der Rechtsordnung des Völkerrechts, das bis anhin im wesentlichen nur die Rechte und Pflichten der Staaten regelte und den einzelnen Menschen lediglich mittelbar berechtigte und verpflichtete. Der Grundsatz der Gleichheit aller Menschen ohne Unterschied nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Herkunft oder

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sonstigen Umständen wurde in alle internationalen Übereinkommen der Nachkriegszeit im Bereich der Menschenrechte aufgenommen.

Auf universeller Ebene sieht zunächst Artikel l der Charta der Vereinten Nationen als eines der Ziele der Vereinten Nationen vor, «eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen.» In der Folge bestätigte die Generalversammlung in der am 10. Dezember 1948 angenommenen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass «alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren» sind (Art. 1) und dass «jeder Mensch Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen» hat (Art. 2) 2 ).

Die beiden internationalen Menschenrechtspakte von 1966 verpflichten die Vertragsstaaten zur Achtung der in den Pakten aufgeführten Menschenrechte, ohne jede Unterscheidung (Art. 2). Artikel 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte enthält zusätzlich ein selbständiges allgemeines Gleichbehandlungsgebot, das seine Wirkung auch ausserhalb des Geltungsbereichs der im Pakt festgehaltenen Menschenrechte entfalten soll. Das Parlament hat in der Dezembersession 1991 den Beitritt der Schweiz zu den beiden Pakten unter anderem mit einem Vorbehalt zu dieser Bestimmung genehmigt3). Nach dem Ablauf der Referendumsfrist im März 1992 wird die Schweiz den beiden Pakten voraussichtlich beitreten können, da ein Referendum kaum zu erwarten ist.

Das Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) von 1958, welches die Schweiz 1961 ratifiziert hat, verbietet die Diskriminierung, unter anderem aufgrund der Rasse, in Beschäftigung und Beruf4). Ein Übereinkommen der UNESCO von 1960 untersagt die Diskriminierung im Unterrichtswesen. Völkerrechtliche Rassendiskriminierungsverbote finden sich zudem im Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 19515\ im Übereinkommen über
die Rechtsstellung der Staatenlosen von 19546', im UNOÜbereinkommen gegen die Folter von 19847* und im Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989S>.

Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid von 1973 erklärt die Apartheid als besondere Erscheinungsform einer systematischen Rassendiskriminierung zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit, welches den Grundsätzen des Völkerrechts widerspreche und eine Bedrohung für Frieden und internationale Sicherheit darstelle.

Das Übereinkommen zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes hatte im weiteren als Reaktion auf die Greuel des Zweiten Weltkrieges bereits 1948 den Völkermord - die Tötung, schwere Schädigung oder zwangsweise Assimilierung von Menschen in der Absicht der Zerstörung nationaler, ethnischer, rassischer

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oder religiöser Gruppen - zum «Delikt des Völkerrechts» erklärt, zu dessen Verhinderung und Bestrafung die Vertragsstaaten sich verpflichten.

Das allgemeine Verbot systematischer Rassendiskriminierung ist im übrigen zum Völkergewohnheitsrecht geworden und als staatliche Verpflichtung «erga omnes» anerkannt worden ').

Die Bekämpfung der Rassendiskriminierung war und ist im weiteren Gegenstand zahlreicher Aktivitäten der UNO. So ernannte die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Jahr 1971 zum «Internationalen Jahr des Kampfes gegen den Rassismus und die Rassendiskriminierung» und schuf 1973 sogar ein «Jahrzehnt des Kampfes gegen Rassismus und Rassendiskriminierung», für welches sie ein Aktionsprogramm verabschiedete. In dessen Rahmen fanden 1979 und 1983 in Genf zwei Konferenzen zum Thema statt. 1983 beschloss die Generalversammlung, das folgende Jahrzehnt als «zweites Jahrzehnt des Kampfes gegen Rassismus und Rassendiskriminierung» zu erklären und beschloss ein entsprechendes Aktionsprogramm, das insbesondere die Organisation von internationalen Seminarien vorsah und sich speziell mit den Themenkreisen Apartheid, Eingeborene Völker, Sklaverei, Gastarbeiter und ethnische Minderheiten befasst"».

Auf europäischer Ebene enthält Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein Diskriminierungsverbot: Der Genuss der in der Konvention aufgeführten Rechte soll ohne Benachteiligung gewährleistet werden, die «insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist» 11 ). Das Diskriminierungsverbot der EMRK ist damit nicht selbständig, sondern entfaltet seine Wirkung nur im Geltungsbereich anderer in der EMRK garantierten Rechte12). Ferner kann eine auf der Rasse beruhende Diskriminierung nach der Praxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte unter gewissen Umständen eine erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 3 darstellen 13 ).

Der Europarat beschäftigt sich ebenfalls seit Jahren mit dem Problem von Diskriminierung und Rassismus. Die Europäische Ministerkonferenz über die Menschenrechte, die im März 1985 in Wien stattfand, verabschiedete eine «Erklärung
über die Menschenrechte in der Welt», in welcher die Staaten unter anderem dazu aufgerufen wurden, den internationalen Menschenrechtsübereinkommen beizutreten. Das Ministerkomitee des Europarates hatte sich bereits früher zu einigen Aspekten der Diskriminierung geäussert, so in der Resolution 68 (30) zu Massnahmen gegen die «Aufreizung zu rassischem, nationalem und religiösem Hass», in der Resolution 72 (22) zur «Unterdrückung ungerechtfertigter Diskriminierung und zum Schutz gegen diese» und in der Erklärung vom 14. Mai 1981 über «Intoleranz - eine Bedrohung für die Demokratie», in der es jegliche Form von Intoleranz, welches auch immer ihr Ursprung, ihre Beweggründe und Ziele seien, scharf verurteilte. Zudem ist auch auf die Empfehlung des Ministerkomitees 453 (1966) hinzuweisen, die den Mitgliedstaaten des Europarates ein Modellgesetz zur Strafbarkeit gewisser rassistischer Akte vorschlägt. Der Europarat beschäftigt sich im weiteren in zunehmendem Masse mit 275

der Problematik des Minderheitenschutzes, einem mit der Rassendiskriminierung mindestens verwandten Thema.

Die Europäische Gemeinschaft hat auf der Grundlage einer Gemeinsamen Erklärung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die 1986 von den Präsidenten des Parlamentes, der Kommission und des Rats sowie den Mitgliedstaaten der EG unterzeichnet worden war, in einem Bericht eine Reihe von Massnahmen vorgeschlagen und teilweise bereits durchgeführt, beispielsweise im Bereich von Information, Bildung und Erziehung, auf dem Gebiete der Unterstützung von Wanderarbeitern und Angehörigen von Minderheiten, im Bereich der internationalen Bekämpfung von terroristischen Aktivitäten sowie auf dem Gebiet der Massenmedien. Das Parlament verabschiedete am 14. Juni 1990 eine entsprechende Resolution über den Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit14). Der Europäische Rat verabschiedete schliesslich am 12. Dezember 1991 eine Erklärung zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, in welcher er die Gültigkeit der internationalen Verpflichtungen der Staaten im Rahmen der UNO, des Europarates und der KSZE zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung bekräftigte und von den Regierungen konkrete Massnahmen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz verlangte 15l Auch die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hielt bereits in der Schlussakte von Helsinki 1975 fest, dass die Teilnehmerstaaten die Menschenrechte achten, ohne nach Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion zu unterscheiden. Auch die folgenden Dokumente der KSZE bekräftigten diesen Grundsatz immer wieder an zentraler Stelle. In den Dokumenten der Konferenz über die menschliche Dimension verurteilten die Teilnehmerstaaten zudem «klar und unmissverständlich Totalitarismus, Rassenhass und Hass zwischen Volksgruppen, Antisemitismus, Fremdenhass und Diskriminierung irgendeines Menschen sowie Verfolgung aus religiösen und ideologischen Gründen»16). Sie verpflichteten sich zu einer Reihe von wirksamen Massnahmen zur Verbesserung des rechtlichen Schutzes gegen Rassendiskriminierung und zur Bekämpfung von rassistischen Vorurteilen und Rassenhass im Bereich der Erziehung17).

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Werdegang des Übereinkommens

Am 12. Dezember 1960 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen als Reaktion auf antisemitische Vorfälle in verschiedenen Teilen der Welt eine Resolution, die alle Manifestationen rassischen, religiösen und nationalen Hasses im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, erzieherischen und kulturellen Bereich des gesellschaftlichen Lebens als Verletzung der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verurteilte18).

Am 7. Dezember 1962 beauftragte die Generalversammlung den Wirtschaftsund Sozialrat bzw. dessen Menschenrechtskommission mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine Erklärung und für ein Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung"'. In der Folge verabschiedete die Generalversammlung am 23. November 1963 die Erklärung der Vereinten 276

Nationen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung20). Die » Erklärung hält fest, dass die Diskriminierung von Menschen aus Gründen der Rasse, der Farbe oder des ethnischen Ursprungs einen Angriff auf die Menschenwürde darstelle. Die Rassendiskriminierung müsse als Missachtung der Grundsätze der Charta, als Verletzung der Menschenrechte, als Hemmnis freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen und als Gefährdung von Frieden und Sicherheit der Völker verurteilt werden.

Zwei Jahre später, am 21. Dezember 1965, verabschiedete die Generalversammlung das Übereinkommen, welches am 4. Januar 1969, nach 27 Ratifikationen, in Kraft getreten ist. 130 Staaten sind dem Übereinkommen bis heute beigetreten und haben es damit auf universeller Ebene zu einem der Übereinkommen mit den meisten Vertragsstaaten gemacht.

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Die schweizerische Haltung zum Übereinkommen

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Die Haltung der Bundesbehörden

Nach Auffassung des Bundesrates gehört das Übereinkommen zu den wichtigsten universellen Instrumenten der Vereinten Nationen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte. Bereits 1971 äusserte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten in Beantwortung einer Frage von Nationalrat Renschier die Absicht des Bundesrates, die Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens anzustreben. Er bekräftigte diese Absicht in der Folge in seinen Antworten auf parlamentarische Vorstösse immer wieder, stellte mehrmals die Notwendigkeit einer entsprechenden Revision des Strafrechts fest und kündigte die vorliegende Botschaft an21'.

In seinem Bericht von 1982 zur schweizerischen Menschenrechtspolitik unterstrich der Bundesrat, dass der Beitritt zum Übereinkommen ein wichtiger Bestandteil der schweizerischen Menschenrechtspolitik ist22). Neben den Verpflichtungen, welche die Schweiz mit der Ratifizierung des Übereinkommens übernimmt, wird unser Land mit dem Beitritt über eine bessere rechtliche Grundlage verfügen, um in andern Vertragsstaaten zu intervenieren, wenn dort das Verbot der Rassendiskriminierung nicht geachtet werden sollte. Schliesslich bedeutet der Beitritt zum Übereinkommen einen Akt der Solidarität gegenüber der Staaten- und Völkergemeinschaft und gegenüber den Menschen aller Rassen. Der Beitritt unterstreicht den Willen der Schweiz, vermehrt an den internationalen Anstrengungen zum wirksamen Schutz der Menschenrechte und der Entwicklung des Völkerrechts in diesem Bereich teilzunehmen. Damit trägt unser Land dazu bei, jene Grundbedingungen nationaler und internationaler Sicherheit zu schaffen, ohne die ein dauerhafter, auf Stabilität und Gerechtigkeit beruhender Friede nicht möglich ist23'.

Die zunehmende Zahl rassistisch begründeter Gewaltakte und die zahlreichen Äusserungen von Fremdenfeindlichkeit und von rassischen Vorurteilen zeigen allerdings auch auf nationaler Ebene einen Handlungsbedarf zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung. Nicht nur der Text des Übereinkommens, sondern auch die heutige Situation in der Schweiz verlangen neben präventiven Massnahmen, welche den Abbau von Vorurteilen in der Bevölkerung und eine bes277

sere Integration der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz zum Ziele haben sollten, eine bessere strafrechtliche Erfassung des Phänomens.

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Das \ernehmlassungsverfahren

Mit Beschluss vom 20. Dezember 1989 hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten und das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement ermächtigt, ein Vernehmlassungsverfahren zum Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen und zu einer entsprechenden Revision des Strafrechtes durchzuführen.

Das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens war in der grossen Mehrheit der Antworten positiv. Mit einer Ausnahme24) befürworteten alle Kantone, die sich geäussert haben, einen Beitritt zum Übereinkommen. Mit wiederum einer Ausnahme 25 ' waren auch alle politischen Parteien für einen Beitritt; viele Parteien führten als Begründung für ihre Zustimmung die zunehmende Zahl von Vorfällen an, welche Ausdruck von Fremdenhass seien. Ausser einer Organisation26) äusserten sich die Spitzenverbände der Wirtschaft ebenfalls grundsätzlich positiv, und die grosse Mehrheit der konsultierten interessierten Organisationen begrüsste die Absicht des Bundesrates, dem Übereinkommen beizutreten.

Auch der Entwurf zur Strafrechtsrevision, welcher von einer interdepartementalen Arbeitsgruppe ausgearbeitet worden war, fand ein gutes Echo. Das Resultat der Vernehmlassung kann als recht positiv bezeichnet werden. Die Kantone haben sich in überwiegender Mehrheit für die Strafrechtsrevision ausgesprochen 27'. Auch von den Parteien wurde die Revision mit zwei Ausnahmen 28 ' grundsätzlich befürwortet. Von den Verbänden wird die Revision mit einer Ausnahme 29 ' gutgeheissen, wenn auch mit einigen Vorbehalten. Bei den interessierten Organisationen sind verschiedene Strömungen zu beobachten: Alle Organisationen, die sich speziell mit Ausländerproblemen befassen, befürworten die Revision. Das gleiche gilt für die religiösen Organisationen, d. h. für solche, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft nahestehen. Die Organisationen, deren Zielsetzung nationale oder patriotische Elemente enthalten, stehen der Gesetzesänderung eher ablehnend gegenüber. Die juristischen Berufsverbände nehmen eine grundsätzlich positive Haltung ein, kritisieren jedoch die Form und die Definition des Tatbestandes30'. Angesichts dieser grundsätzlich positiven, aber dennoch in einigen Punkten kritischen Stellungnahmen drängte sich eine Überarbeitung des Vorentwurfes auf.

Die meisten Vernehmlasser haben zur Parallelrevision des
Militärstrafrechts nicht Stellung genommen. Einige beurteilen sie positiv, andere kritisieren die disziplinarische Bestrafung in leichten Fällen. Einige stellen die Frage, ob eine Anpassung des Militärstrafgesetzes überhaupt notwendig sei und ob man nicht vielmehr die Verfolgung der Rassendiskriminierung den zivilen Strafgerichten überlassen solle.

Die breite Zustimmung zum geplanten Beitritt sowie die ebenfalls überwiegend positiven Stellungnahmen zur vorgeschlagenen Strafrechtsrevision bestärkte jedenfalls den Bundesrat in seiner Absicht, eine Botschaft zum Beitritt und zur entsprechenden Strafrechtsrevision vorzulegen.

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Analyse des Übereinkommens

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Die Definition der Rassendiskriminierung: der Anwendungsbereich des Übereinkommens (Art. 1)

Bereits der Titel des Übereinkommens weist darauf hin, dass Rassendiskriminierung in allen möglichen Erscheinungsformen erfasst werden soll. Im Lichte der Präambel, die als erstes auf den zentralen Grundsatz der «angeborenen Würde und Gleichheit aller Menschen» hinweist, gibt Artikel l Absatz l denn auch eine umfassende Definition des Begriffs: Rassendiskriminierung bedeutet «jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Aussehliessung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Geniessen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird».

Die vom Übereinkommen erfassten unzulässigen Unterscheidungsgründe beschränken sich nicht etwa, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, auf physische Unterscheidungsmerkmale. Während «Rasse» und «Hautfarbe» biologische und physische Merkmale sind, bezeichnet «Abstammung» die soziale Zugehörigkeit; bei der «nationalen oder ethnischen Herkunft» kommen sprachliche, kulturelle und historische Komponenten hinzu. Jedenfalls schliesst der Begriff der Rasse subjektive und soziale Komponenten mit ein: Eine Rasse ist in diesem breiten - soziologischen - Sinn eine Menschengruppe, die sich selbst als unterschiedlich von anderen Gruppen versteht und/oder so verstanden wird, auf der Grundlage angeborener und unveränderlicher Merkmale 31 ).

Als rassendiskriminierendes Verhalten kommt jede Handlung oder Unterlassung in Betracht, die gezielt andere Menschen in der Ausübung ihrer Grundrechte beschränken oder sich auch nur in dieser Weise auswirken 32 ). Das Übereinkommen schützt alle im Völkerrecht anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten vor rassendiskriminierenden Einschränkungen. Artikel 5 nennt zwar eine Reihe von Rechten, welche im Zusammenhang mit der Rassendiskriminierung von besonderer Bedeutung sind, diese Liste ist jedoch nicht abschliessend.

Der Begriff der Rassendiskriminierung beschränkt sich auf das «öffentliche Leben». Das Übereinkommen erfasst aber nicht nur das Handeln staatlicher Behörden, sondern zumindest indirekt auch das Verhalten von Privatpersonen im öffentlichen
Leben. Das Übereinkommen fasst zwar direkt nur die Vertragsstaaten in die Pflicht; diese müssen aber die Rassendiskriminierung auch unter Privaten zu verhindern suchen. Die Verpflichtungen der Staaten gemäss Artikel 2 Buchstabe d (Verbot der Rassendiskriminierung durch jede Person oder Organisation mit geeigneten Mitteln), aber auch Artikel 4 (strafrechtliche Sanktionierung rassendiskriminierender Akte) und Artikel 5, besonders Buchstabe e und Buchstabe f (Garantie des Zugangs zu öffentlich angebotenen Dienstleistungen und zu öffentlichen Orten) des Übereinkommens wären sonst sinnlos. Öffentli-

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ches Leben ist damit nicht gleichbedeutend mit behördlichem Handeln, sondern als Gegenbegriff zum Privatleben zu verstehen33', welches in der Schweiz durch das ungeschriebene verfassungsmässige Recht auf persönliche Freiheit geschützt wird34). Die konkrete Abgrenzung des «öffentlichen» vom «privaten Leben» bietet jedoch in der Praxis einige Schwierigkeiten 35). Wieweit das Übereinkommen Privatpersonen konkret zu diskriminierungsfreiem Verhalten verpflichtet, ist deshalb in der Literatur umstritten und bleibt auch in der Praxis des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (in der Folge «Ausschuss» genannt) unklar.

Gemäss Artikel l Absatz 2 «findet das Übereinkommen keine Anwendung» auf Unterscheidungen der Vertragsstaaten zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen.'Diese nach der Ansicht zahlreicher Autoren unglückliche Formulierung scheint fremde Staatsangehörige generell vom Geltungsbereich des Übereinkommens auszunehmen, was jedoch der Zielsetzung des Übereinkommens klar widersprechen würde. Einige Bestimmungen des Übereinkommens, etwa Artikel 4 und Artikel 5, sind denn auch grundsätzlich auf die Anwendung gegenüber allen Menschen auf dem Territorium ausgerichtet. Literatur, Ausschuss und Vertragsstaaten sind sich heute einig, dass das Übereinkommen grundsätzlich auch auf fremde Staatsangehörige anwendbar ist. Die Vertragsstaaten sind allerdings berechtigt, eigene und fremde Staatsangehörige unterschiedlich zu behandeln, solange diese Unterscheidung nicht rassendiskriminierende Ziele verfolgt oder solche Folgen zeitigt36). Nach der überwiegenden Meinung des Ausschusses ist zudem eine unterschiedliche Behandlung von Angehörigen fremder Staaten aufgrund von völkerrechtlichen Verpflichtungen (Meistbegünstigung) zulässig, da die Bevorzugung von bestimmten Staaten und deren Angehörigen der Zielsetzung des Übereinkommens nicht widerspricht37).

Gemäss Artikel l Absatz 3 soll das Übereinkommen nicht so ausgelegt werden, dass es die Rechtsvorschriften über Staatsangehörigkeit und Bürgerrecht berührt, sofern diese Vorschriften nicht Angehörige eines bestimmten Staates diskriminieren. Auch hier ist Vorzugsbehandlung von bestimmten Staaten und ihren Angehörigen auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge zulässig. Vertragsstaaten und Ausschuss sind sich einig, dass die Vertragsstaaten
das souveräne Recht haben, über Einreise in und Aufenthalt auf ihrem Territorium zu entscheiden, sofern keine rassendiskriminierenden Gründe für die Ungleichbehandlung geltend gemacht werden. Auch die Frage der diskriminierungsfreien Zulassung von Flüchtlingen diskutiert der Ausschuss unter dieser Vorschrift38).

Schliesslich bestimmt Artikel l Absatz 4, dass Sondermassnahmen, die einzig zu dem Zweck getroffen werden, eine angemessene Entwicklung bestimmter schutzwürdiger Gruppen oder Personen zu gewährleisten, keine Rassendiskriminierung darstellen. Zulässig ist solche «positive Diskriminierung» allerdings nur, soweit die erforderlichen Schutzmassnahmen nicht die Beibehaltung getrennter Rechte für verschiedene Rassengruppen zur Folge haben und sofern sie abgebrochen werden, sobald die Gleichstellungsziele erreicht sind.

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Die Verpflichtungen der Vertragsstaaten

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Artikel 2

Die Verpflichtungen der Vertragsstaaten werden in Artikel 2 in allgemeiner Form umschrieben und in den Artikeln 3 bis 7 teilweise konkretisiert. Nach Artikel 2 Absatz l verurteilen die Vertragsstaaten die Rassendiskriminierung und verpflichten sich, eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung und der Förderung des Verständnisses unter den Rassen zu verfolgen. Im besonderen: Buchstabe a richtet sich an die Vertragsstaaten selbst: Sie haben rassendiskriminierende Handlungen und Praktiken gegenüber Personen, Personengruppen oder Einrichtungen zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass alle staatlichen und lokalen Behörden und Institutionen in diesem Sinne handeln.

Buchstabe b verbietet den Staaten die Förderung, den Schutz oder die Unterstützung von rassendiskriminierenden Handlungen durch Personen oder Organisationen.

Nach Buchstabe c soll jeder Vertragsstaat wirksame Massnahmen treffen, um das Verhalten seiner Behörden zu überprüfen und alle Rechtsvorschriften abzuändern, welche sich rassendiskriminierend auswirken.

Gemäss Buchstabe d hat der Vertragsstaat jede Rassendiskriminierung durch Personen, Personengruppen oder Organisationen mit allen geeigneten Mitteln, einschliesslich den durch die Umstände erforderlichen Rechtsvorschriften, zu verbieten und zu beendigen. Diese Bestimmung verpflichtet den Staat, das rassendiskriminierende Verhalten von Privatpersonen aktiv zu bekämpfen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Vertragsstaaten entsprechende gesetzgeberische Massnahmen ergreifen müssen, ungeachtet der konkreten Umstände.

Ein Vertragsstaat kann demzufolge seine Passivität nicht damit begründen, es gebe zur Zeit keine Rassendiskriminierung auf seinem Territorium; dies liesse sich nach Ansicht des Ausschusses mit der präventiven Zielsetzung des Übereinkommens nicht vereinbaren 39\ Schliesslich sollen nach Buchstabe e die Vertragsstaaten alle eine Rassenintegrierung anstrebenden vielrassischen Organisationen unterstützen, sonstige Mittel zur Beseitigung der Rassenschranken fördern und allem entgegenwirken, was zur Rassendiskriminierung beiträgt.

Artikel 2 Absatz 2 knüpft an die Zulässigkeit der positiven Diskriminierung gemäss Artikel l Absatz 4 an und verpflichtet die Vertragsstaaten, wenn die Umstände es rechtfertigen, besondere und konkrete Massnahmen auf sozialem, wirtschaftlichem
und kulturellem Gebiet zu treffen, um die Entwicklung und den Schutz bestimmter Rassengruppen oder ihnen angehörender Einzelpersonen sicherzustellen. Ziel solcher Massnahmen ist wiederum die Gewährleistung des gleichberechtigten Genusses der Menschenrechte.

Welche «Gruppen» in den Genuss dieser positiven Massnahmen kommen sollen, bleibt dem Staat überlassen; der Ausschuss geht immerhin davon aus, dass jede ethnische Diversität solche unter Umständen schutzbedürftigen Gruppen schafft. Er hat denn auch folgende Gruppen in bestimmten Vertragsstaaten als 281

förderungswürdig bezeichnet: Zigeuner, gewisse religiös-ethnische Gruppen, immer noch benachteiligte Eingeborenengruppen und sonstige Minderheiten oder Gruppen mit auffallend unterschiedlicher sozialer oder wirtschaftlicher Entwicklung, Flüchtlinge oder Wanderarbeiter. Zielsetzung dieser Massnahmen ist die Integration solcher Gruppen in die Gesellschaft, ohne dass sie ihre Identität verlieren; bezweckt ist nicht etwa eine Assimilierung, welche die vollständige Anpassung an die Mehrheit der Bevölkerung bedeuten würde 40 '.

422

Artikel 3 : Verurteilung der Apartheid

Die Vertragsstaaten verurteilen die Ségrégation und die Apartheid und verpflichten sich, derartige Praktiken in ihren Hoheitsgebieten zu verhindern, zu verbieten und auszumerzen.

Der Ausarbeitung dieses Artikels gingen lange Diskussionen über die Frage voraus, ob nicht auch der Antisemitismus und der Nationalsozialismus ausdrücklich verurteilt werden sollten, doch gaben politische Erwägungen den Ausschlag für die aktuelle Formulierung. Die Bestimmung auferlegt den Vertragsstaaten keine neuen Verpflichtungen und stellt auch keinen Unterschied zu andern Formen der Rassendiskriminierung her. Der Ausschuss hat an dieser Stelle Auskünfte über die Beziehungen der Vertragsstaaten mit Südafrika verlangt, obwohl die Verknüpfung einer solchen Pflicht mit Artikel 3 umstritten ist - eine Frage, die mit dem Reformprozess in Südafrika an Aktualität einbüsst.

423

Artikel 4 : Massnahmen zur Bestrafung bestimmter rassendiskriminierender Akte

Diese Bestimmung knüpft an Artikel 2 Absatz l Buchstabe d an. Die Vertragsstaaten verurteilen Propaganda und Organisationen, welche auf der Idee rassischer Überlegenheit beruhen oder Rassenhass und Rassendiskriminierung zu rechtfertigen oder zu fördern versuchen. Sie verpflichten sich zu Massnahmen, um jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und alle rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen. In gebührender Berücksichtigung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Grundsätze und der im nächsten Artikel ausdrücklich genannten Rechte verpflichten sie sich, eine Reihe von qualifizierten rassendiskrimierenden Akten im Bereich der Propaganda unter Strafe zu stellen, rassistische Propagandaorganisationen zu verbieten und die Beteiligung an solchen unter Strafe zu stellen41'.

424

Artikel 5 : Beseitigung der Rassendiskriminierung insbesondere in den Bereichen bestimmter Menschenrechte

In Übereinstimmung mit den in Artikel 2 genannten grundsätzlichen Verpflichtungen sieht diese Bestimmung vor, dass die Vertragsstaaten die Rassendiskriminierung in jeder Form zu verbieten und zu beseitigen und das Recht jedes Einzelnen auf Gleichheit vor dem Gesetz zu gewährleisten haben. Obschon der Text dies nicht ausdrücklich nennt, legt Artikel 2 Absatz l Buchstabe c nahe, 282

dass die Bestimmung sowohl für die Rechtssetzung (Gleichheit durch das Gesetz) wie auch für die Rechtsanwendung (Gleichheit vor dem Gesetz) gelten muss.

In der Folge nennt Artikel 5 eine Reihe von Rechten, für die dies besonders gelten soll42'. Die Liste ist nicht abschliessend. Das vorliegende Übereinkommen schafft diese Rechte nicht etwa selbst neu; es will lediglich die Ausübung dieser Rechte, wo sie in den jeweiligen Gesetzgebungen bereits bestehen, ohne Rassendiskriminierung sicherstellen43^.

425

Artikel 6 : Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs

Nach dieser Bestimmung gewährleisten die Vertragsstaaten jeder Person in ihrem Hoheitsgebiet einen wirksamen Schutz und wirksame Rechtsbehelfe durch die zuständigen nationalen Gerichte und sonstigen staatlichen Einrichtungen gegen alle rassendiskriminierenden Handlungen, die ihre Menschenrechte verletzen. Sie garantieren im weiteren das Recht, bei diesen Gerichten eine gerechte und angemessene Entschädigung oder Genugtuung für den in Folge der Rassendiskriminierung erlittenen Schaden zu verlangen.

426

Artikel 7 : Massnahmen auf den Gebieten des Unterrichts, der Erziehung, Kultur und Information

Dieser Artikel verpflichtet die Vertragsstaaten, unmittelbare und wirksame Massnahmen, insbesondere auf den Gebieten des Unterrichts, der Erziehung, Kultur und Information zu ergreifen, um Vorurteile zu bekämpfen, die zu Rassendiskriminierung führen, um Verständnis zwischen den Völkern und ethnischen Gruppen zu fördern sowie um die Ziele und Grundsätze der UNOCharta, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Erklärung der UNO über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung sowie des vorliegenden Übereinkommens zu verbreiten. Dieser programmatischen Vorschrift misst der Ausschuss im Bereich der Verhütung der Rassendiskriminierung grosse Bedeutung bei44'.

43

Die Kontrollmechanismen

431

Der Ausschuss

Teil II des Übereinkommens enthält Bestimmungen über die verschiedenen Mechanismen, mittels deren die Staatengemeinschaft darüber wachen soll, dass die einzelnen Vertragsstaaten die eingegangenen Verpflichtungen einhalten. Zu diesem Zweck setzt Artikel 8 einen Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung ein, welcher aus 18 in persönlicher Eigenschaft tätigen Sachverständigen besteht. Die Ausschussmitglieder werden zwar von den Vertragsstaaten auf Vorschlag ihres Heimatstaates gewählt, sie sind jedoch nicht weisungsgebunden 45 ) und sollen unparteiisch sein. Die Zusammensetzung des Ausschusses soll einer gerechten geographischen Verteilung und der Vertretung der verschiedenen Zivilisationsformen und der hauptsächlichen Rechtssysteme Rechnung 283

tragen. Die Ausschussmitglieder werden für vier Jahre gewählt46). Der Ausschuss tagt heute zweimal jährlich in Genf.

432

Das Berichtssystem

Das in Artikel 9 geregelte Staatenberichtssystem geht - gleich wie etwa die ähnlichen Berichtssysteme der Menschenrechtspakte und des Übereinkommens gegen die Folter - als Kontrollmechanismus im Vordergrund. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Ausschuss binnen eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens und dann alle zwei Jahre einen Bericht über die Massnahmen vorzulegen, die sie in Gesetzgebung, Verwaltung und sonstigen Bereichen zur Durchführung des Übereinkommens getroffen haben. Der Ausschuss kann weitere Berichte und Auskünfte vom Vertragsstaat verlangen; weitere Abklärungen - etwa das Sammeln von Informationen nichtstaatlicher Herkunft kann er zumindest offiziell nicht vornehmen 47 ). Trotzdem fliessen solche Informationen über die einzelnen Mitglieder des Ausschusses in die Arbeit des Ausschusses ein. Der Ausschuss berichtet der Generalversammlung jährlich über seine Tätigkeit und kann auf der Grundlage der Prüfung der Berichte und Auskünfte der Vertragsstaaten Vorschläge machen und allgemeine Empfehlungen abgeben. In der Praxis enthält der Jahresbericht des Ausschusses Fragen und Bemerkungen der einzelnen Mitglieder sowie kurze Schlussbemerkungen des Ausschusses zu den vorgelegten Staatenberichten im einzelnen. Die formellen Vorschläge und Empfehlungen des Ausschusses beziehen sich vor allem auf prozedurale Probleme.

Seit seiner ersten Sitzung im Jahr 1970 sind dem Ausschuss, der jährlich zweimal zu je dreiwöchigen Sessionen zusammentritt, etwa 900 regelmässige und 70 zusätzliche Berichte vorgelegt worden, einige Staaten haben unterdessen schon den 11. regelmässigen Bericht abgeliefert48*. Um die Aufgabe der Vertragsstaaten bei der Erstellung ihrer Berichte zu erleichtern, hat der Ausschuss Richtlinien bezüglich deren Form und Inhalt ausgearbeitet, die zur qualitativen Verbesserung der Berichte beigetragen haben. Seit 1972 lädt der Ausschuss die Vertragsstaaten dazu ein, sich bei seinen Sitzungen vertreten zu lassen, wenn ihre Berichte beraten werden, damit die Aüsschussmitglieder Fragen stellen und zusätzliche Informationen erhalten könnten. Dies trägt dazu bei, den Dialog zwischen dem Ausschuss und den Vertragsstaaten zu intensivieren und eine Zusammenarbeit bei der praktischen Umsetzung der Verpflichtungen zu gewährleisten. Obwohl der Ausschuss nur Vorschläge und
allgemeine Empfehlungen abgeben darf; wird das Berichtverfahren im allgemeinen als wirksam betrachtet49).

Für die Finanzierung des Ausschusses kommen gemäss dem heute gültigen Artikel 8 Absatz 6 des Übereinkommens die Vertragsstaaten auf. Verschiedene Vertragsstaaten sind allerdings mit ihren Zahlungen beträchtlich im Rückstand, so dass die Arbeit des Ausschusses ernsthaft gefährdet ist. Einzelne Sitzungen des Ausschusses mussten jedenfalls bereits wegen Geldmangels gestrichen werden. Die Generalversammlung der UNO hat deshalb mit Konsens beschlossen, den erwähnten Artikel in dem Sinne zu revidieren, dass die Arbeit des Aus284

Schusses aus dem allgemeinem UNO-Budget entschädigt wird. Dies gäbe dem Kontrollsystem eine solidere finanzielle Grundlage. Die Generalversammlung wird voraussichtlich an ihrer nächsten Session im Herbst 1992 über den neuen Text und über das weitere Vorgehen zur Änderung von Art. 8 Absatz 6 beschliessen.

433

Die Staatenbeschwerde

Das Staatenbeschwerdeverfahren ist ausführlich in den Artikeln 10-13 des Übereinkommens geregelt. Es ist bis heute noch nie angewendet worden. Ähnliche Staatenbeschwerdeverfahren, welche ebenfalls nur wenig benützt werden, finden sich auch in andern internationalen Übereinkommen im Menschenrechtsbereich.

Zunächst kann ein Vertragsstaat dem Ausschuss zur Kenntnis bringen, dass ein anderer Vertragsstaat seiner Ansicht nach die Bestimmungen des Übereinkommens nicht durchführt. Der angesprochene Vertragsstaat hat darauf Gelegenheit, dem Ausschuss seine Erklärung zur betreffenden Sache mitzuteilen. Wird die Angelegenheit nicht zwischen den Staaten beigelegt, ernennt der Ausschuss eine ad-hoc-Vergleichskommission aus fünf Mitgliedern, welche den Streitparteien ihre guten Dienste anbietet, um eine gütliche Einigung zu erzielen. Die Vergleichskommission verfasst darauf einen Bericht an den Vorsitzenden des Ausschusses über die Feststellungen in der Sache und über die zur Beilegung des Streites angebrachten Empfehlungen, welche dann den Streitparteien zur Annahme vorgelegt werden, bevor sie den übrigen Vertragsstaaten übermittelt werden.

434

Das individuelle Mitteilungsverfahren

Gemäss Artikel 14 kann ein Vertragsstaat jederzeit erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses zur Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner, seiner Hoheitsgewalt unterstehender Personen oder Personengruppen anerkennt, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines im Übereinkommen enthaltenen Rechts durch diesen Vertragsstaat zu sein. Der Ausschuss darf diese Befugnisse allerdings nur wahrnehmen, wenn sich mindestens zehn Vertragsstaaten durch solche Erklärungen gebunden haben. Bis heute haben 14 Vertragsstaaten diese Erklärung abgegeben50). Der Ausschuss ist seit 1982 befugt, individuelle Mitteilungen entgegenzunehmen.

Die Vertragsstaaten, welche das individuelle Mitteilungsverfahren anerkannt haben, können überdies eine Stelle innerhalb ihrer Rechtsordnung -bezeichnen, die für die Entgegennahme und Erörterung von solchen Petitionen zuständig ist. Gelingt es den Petitionären nicht, von dieser Stelle Genugtuung zu erlangen, können sie die Sache dem Ausschuss mitteilen.

Der Ausschuss bringt dem angeschuldigten Vertragsstaat die Mitteilung vertraulich zur Kenntnis. Auf der Grundlage der Angaben des Vertragsstaates und des Petitionärs berät der Ausschuss über die Mitteilung und übermittelt dem betrof-

285

fenen Vertragsstaat und dem Einsender der Petition seine allfälligen Vorschläge und Empfehlungen. Der Ausschuss nimmt überdies in seinen Jahresbericht eine Kurzdarstellung der Mitteilungen und der allfälligen Erklärungen der betroffenen Vertragsstaaten und seiner eigenen Vorschläge und Empfehlungen auf.

Bis heute sind dem Ausschuss erst zwei individuelle Mitteilungen vorgelegt worden. Der erste Fall betraf die Niederlande: Der Ausschuss gelangte zu der Ansicht, dass das niederländische Gericht, welches nach niederländischem Recht für Auflösungen privatrechtlicher Arbeitsverträge zuständig ist, den privatrechtlichen Arbeitsvertrag einer türkischen Gastarbeiterin im Widerspruch zu Artikel 5 Buchstabe e des Übereinkommens (keine Rassendiskriminierung im Bereich eines allfälligen Rechts auf Arbeit) aufgelöst hatte. Der Arbeitgeber hatte seinen Antrag auf Auflösung des fraglichen Arbeitsverhältnisses in rassendiskriminierender Weise begründet51).

Die zweite Mitteilung betraf Frankreich: Ein senegalesischer Staatsangehöriger machte geltend, die Tatsache, dass die Behörden ihm eine Berufsausübungsbewilligung als Anwalt wegen seiner fremden Staatsangehörigkeit verweigere, verletze Artikel 5 Buchstabe e des Übereinkommens (keine Rassendiskriminierung im Bereich eines allfälligen Rechts auf Arbeit). Der Ausschuss trat auf die Beschwerde ein und stellte fest, dass Artikel 5 Buchstabe e im vorliegenden Fall nicht verletzt sei. Es sei nicht Aufgabe des Ausschusses, das Vorhandensein eines allfälligen Rechts auf Arbeit zu überprüfen. Vielmehr habe der Ausschuss die diskriminierungsfreie Anwendung solcher Rechte, wenn sie garantiert sind, zu kontrollieren. Im vorliegenden Fall unterscheide das französische Recht zwischen französischen und fremden Staatsangehörigen. Die Verweigerung der Bewilligung beruhe auf der fremden Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers einer gemäss Artikel l Absatz 2 zulässigen Unterscheidung - und nicht etwa auf rassendiskriminierenden Gründen 52\ Artikel 16 regelt schliesslich das Verhältnis der verschiedenen Kontrollverfahren dieses Übereinkommens zu Verfahren in andern Übereinkommen. Die hier festgelegten Verfahren schränken nicht die Anwendung anderer Verfahren ein, die in der Charta oder in den Übereinkommen der UNO zur Beilegung von Streitigkeiten oder Beschwerden auf dem Gebiet
der Diskriminierung vorgesehen sind. Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, gilt diese Regelung auch für regionale Übereinkommen wie die EMRK"). Einige Staaten 54>, welche die Kompetenz des Ausschusses zur Entgegennahme individueller Mitteilungen anerkannt haben, gaben eine Erklärung ab, welche die doppelte Behandlung desselben Falles durch verschiedene Organe ausschliesst.

44

Die Schiiissbestimmungen

Teil III des Übereinkommens regelt dessen Ratifizierung, den Beitritt und das Inkrafttreten (Art. 17-19), dessen Kündigung (Art. 21) und Änderung (Art. 23), die Funktionen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen als Depositar des Übereinkommens (Art. 24) und die Verbindlichkeit der verschiedenen Wortlaute (Art. 25).

286

Hervorzuheben ist Artikel 20, nach welchem Vorbehalte zum Übereinkommen unzulässig sind, wenn sie mit Ziel und Zweck des Übereinkommens unvereinbar sind oder wenn sie die Arbeit einer aufgrund des Übereinkommens geschaffenen Stelle behindern. Ein Vorbehalt gilt dann als unvereinbar oder hinderlich, wenn mindestens zwei Drittel der Vertragsstaaten Einspruch dagegen erheben.

Artikel 22 sieht im weiteren vor, dass Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens, die nicht auf dem Verhandlungsweg oder nach dem Staatenbeschwerdeverfahren vor dem Ausschuss (Art. 1.1 ff.) beigelegt werden können, auf Verlangen einer Streitpartei dem Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden können 55 ).

5

Art und Tragweite der für die Schweiz entstehenden Verpflichtungen

51

Allgemeine Fragen

511

Der Anwendungsbereich des Übereinkommens in der Schweiz 56

Wie oben * dargestellt, zählt das Übereinkommen eine Reihe von Unterscheidungskriterien auf, welche rassendiskriminierend sein können, wenn sie sich auf die Wahrnehmung von Menschenrechten beziehen. Dies bedeutet, dass das Rassendiskriminierungsverbot in der Definition des Übereinkommens in der Schweiz zum einen Kriterien erfassen wird, nach denen sich die schweizerischen Bevölkerungsgruppen traditionellerweise unterscheiden, wie etwa Unterscheidungen nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachgruppe (deutsch, französisch, italienisch, romanisch), zu den Jenischen oder zur jüdischen Gemeinschaft. Zum anderen betrifft das Übereinkommen auch Diskriminierungen gegenüber anderen ethnischen Beyölkerungsgruppen, die sich heute in der Schweiz befinden.

Das Übereinkommen lässt Ungleichbehandlungen zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen zu, ohne den fremden Staatsangehörigen indessen den Schutz des Rassendiskriminierungsverbotes völlig zu versagen. So gebietet das Übereinkommen zwar nicht eine Gleichbehandlung der Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Staatsangehörigen, aber es verbietet Unterscheidungen, die sich ausschliesslich auf rassische oder ethnische Gründe stützen; und es untersagt rassendiskriminierende Unterscheidungen unter den fremden Staatsangehörigen. Die Zulassung fremder Staatsangehöriger und die Gewährung des Asyls - zwei heute in der Schweiz besonders aktuelle Bereiche - dürfen nicht rassendiskriminierenden Zwecken dienen oder solche Auswirkungen haben").

Im weiteren geht Artikel 7 des Übereinkommens über den Geltungsbereich des eigentlichen Rassendiskriminierungsverbots hinaus, indem diese Bestimmung vorbeugende Massnahmen zur allgemeinen Bekämpfung von Vorurteilen und zur Förderung des Verständnisses zwischen verschiedenen Volksgruppen verlangt. Solche Massnahmen können und müssen, dem präventiven Charakter der Bestimmung zufolge, alle schweizerischen und ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner und spezifisch mit solchen Vorurteilen belastete Gruppen erfas287

sen. Nur so wird es möglich sein, eine Bewusstseinsänderung im Sinne dieses Übereinkommens in der schweizerischen Bevölkerung herbeizuführen 58 '.

512

Art der völkerrechtlichen Verpflichtungen

Der Inhalt der völkerrechtlichen Verpflichtungen, welche der Schweiz aus dem Beitritt zum Übereinkommen erwachsen, ist bereits oben (Ziffer 4) dargestellt worden. Es geht nun um die Frage, ob die Bestimmungen im schweizerischen Recht direkt anwendbar («self-executing») sind oder ob sie erst der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedürfen.

Das Übereinkommen wird wie alle internationalen Verträge Bestandteil der schweizerischen Rechtsordnung, sobald es für unser Land in Kraft getreten ist.

Insoweit Bestimmungen eines internationalen Vertrages direkt anwendbar sind, können die daraus fliessenden Rechte vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an vor den schweizerischen Behörden geltend gemacht werden. Als direkt anwendbar gelten jene Bestimmungen, die - im Gesamtzusammenhang sowie im Lichte von Gegenstand und Zweck des Vertrages betrachtet - voraussetzungslos und genügend bestimmt sind, um auf einen konkreten Sachverhalt angewendet werden und Grundlage für eine Entscheidung bilden zu können 59>. Es wird Sache der rechtsanwendenden Behörden sein, im konkreten Fall über die Justiziabilität der Bestimmungen des Übereinkommens zu entscheiden.

Artikel 2 richtet sich in erster Linie an die Gesetzgebungsbehörden der Vertragsstaaten. Die einzelnen Verpflichtungen in Absatz l Buchstabe c bis Buchstabe e und in Absatz 2, welche die Vertrags Staaten zu bestimmten Massnahmen anhält, sind wohl zuwenig genau umschrieben, um in einem konkreten Anwendungsfall Grundlage für eine Entscheidung bilden zu können. Das gleiche gilt für Artikel 3 und Artikel 4 Buchstabe a und b, letztere sind typische Aufträge an den Gesetzgeber, die selbst keine direkte Wirkung entfalten können. Der in Artikel 7 enthaltene Auftrag an die Vertragsstaaten, Massnahmen zur Bekämpfung von Vorurteilen zu ergreifen, ist zu wenig bestimmt, um im Anwenduhgsfall direkt anwendbar zu sein.

Artikel 2 Buchstabe a hingegen könnte eine direkt anwendbare Verpflichtung des Vertragsstaates enthalten. Der erste Satzteil zumindest bedarf keiner weiteren Konkretisierung: Die staatlichen Behörden selbst haben rassendiskriminierendes Verhalten zu unterlassen - eine, im Lichte des Zweckes dès Übereinkommens betrachtet, durchaus justiziable Vorschrift. Auch Artikel 5, welcher das Recht jedes einzelnen auf Gleichheit gewährleistet, ist mit Artikel 4 der Bundesverfassung
(BV) und mit Artikel 14 EMRK in seiner Bedeutung vergleichbar. Soweit die Bestimmung sich auf die Gleichbehandlung des Einzelnen durch staatliche Behörden bezieht, ist ihre Justiziabilität kaum abzustreiten und entspricht sie der direkt anwendbaren Verpflichtung der Vertragsstaaten gemäss Artikel 2 Buchstabe a des Übereinkommens.

288

52

Das Rassendiskriminierungsverbot und das Gleichbehandlungsgebot im schweizerischen Recht

521

Artikel 4 der Bundesverfassung und das Gleichbehandlungsgebot durch staatliche Behörden

Artikel 4 Absatz l BV hält fest, dass alle Schweizer vor dem Gesetze gleich sind.

Der zweite Satz desselben Absatzes zeigt den historischen Kontext, in dem diese Formulierung im Jahre 1848 entstanden ist: «Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen.» Absatz 2 betrifft die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die nicht Gegenstand des vorliegenden Übereinkommens ist.

Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung steht in engem Zusammenhang mit dem Schutz der Würde jedes Menschen, einem Prinzip, das dem universellen Konzept der Menschenrechte zugrundeliegt. Menschliche Würde und damit auch der menschenrechtliche Schutz muss definitionsgemäss allen Menschen in gleicher Weise zukommen. Das Rechtsgleichheitsgebot untersagt in diesem Sinne staatliche Anordnungen, welche «in Ansehung der Person» getroffen wurden und bestimmte Personen oder Personengruppen privilegieren oder diskriminieren. Das Rechtsgleichheitsgebot gilt, wie bereits erwähnt, in der Rechtssetzung wie in der Rechtsanwendung. Es verlangt allerdings nicht absolut egalitäre Behandlung. Es lässt aber nur sachlich begründete Ungleichbehandlung zu, ja fordert solche sogar. Das Rechtsgleichheitsgebot garantiert damit eine Differenzierung der Rechtsordnung, die auf sachlich begründete Unterscheidungen abstellt60*. Das Bundesgericht bringt dies mit der Formulierung zum Ausdruck, eine Verletzung des Gebots der Rechtsgleichheit liege insbesondere dann vor, «wenn Gleiches nicht nach Massgabe der Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich» behandelt wird 61 *. Die Ungleichbehandlung positiver Art, das heisst spezifische Massnahmen zugunsten besonders benachteiligter Gruppen, welche den Ausgleich früherer oder aktueller Diskriminierung bezweckt, ist damit verfassungsrechtlich nicht nur zulässig, sondern unter Umständen sogar geboten.

Artikel 4 Absatz l Satz l nennt einige unzulässige - weil in jedem Fall unsachliche - Unterscheidungskriterien, mit welchen sich die schweizerische Rechtsordnung zum Zeitpunkt der Entstehung der Bundesverfassung besonders auseinandersetzen musste. Die ausdrückliche Abschaffung der Untertanenverhältnisse und der Vorrechte des Ortes zeugt davon, dass es damals auch in der Schweiz Unterscheidungen nach «Abstammung,
dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum» (Art. l des Übereinkommens) gab. Obwohl Artikel 4 BV weder Rasse noch Hautfarbe ausdrücklich nennt, werden diese Unterscheidungskriterien vom Diskriminierungsverbot zweifellos implizit erfasst. Rechtliche Unterscheidungen nach «rassischen» Kriterien sind grundsätzlich nicht sachlich begründet und besonders geeignet, die Würde des Menschen in Frage zu stellen.

Das Rassendiskriminierungsverbot wird heute sogar zum absolut geschützten Kerngehalt des Rechtsgleichheitsgebots gerechnet62*. Das Bundesgericht hatte denn auch nicht gezögert, die rassendiskriminierende Gesetzgebung des Dritten Reiches als Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public zu bezeichnen und ihr in der Schweiz die Anwendung zu versagen63*.

289

In den Vorarbeiten zur Totalrevision der Bundesverfassung hat der Begriff der «Rasse» Eingang in den Textentwurf zur Rechtsgleichheit gefunden. Artikel 9 Absatz 2 des Verfassungsentwurfs der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung von 1977 sieht vor: «Niemand darf wegen seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner sozialen Stellung, seiner weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder Meinung benachteiligt oder bevorzugt werden.» Dieselbe Formulierung findet sich in Artikel 8 Absatz 2 der Modellstudie des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement vom 30. Oktober 198564'.

Das Rechtsgleichheitsgebot ist ein «Menschenrecht» und gilt gemäss Artikel 4 BV keineswegs nur für Schweizerinnen und Schweizer, sondern auch für Ausländerinnen und Ausländer65'. Eine fremde Staatsangehörigkeit kann allerdings ein sachlich haltbarer Grund für eine unterschiedliche Behandlung sein. Dies steht durchaus im Einklang mit Artikel l Absatz 2 des Übereinkommens 66 '.

Trotz der engen Formulierung erfasst Artikel 4 BV nach Lehre und Rechtsprechung wie das vorliegende Übereinkommen nicht etwa nur die rechtsanwendenden, sondern auch die rechtssetzenden Behörden 67 '. Angesichts der relativen Abstraktheit der bundesgerichtlichen Formel zur Rechtsgleichheit bleibt dem Gesetzgeber allerdings ein recht grosser Gestaltungsspielraum.

Mit Artikel 4 BV sind die staatlichen Behörden aller Stufen schon heute in umfassender Weise an das Rassendiskriminierungsverbot gebunden. Der Beitritt zum Übereinkommen bewirkt in diesem Sinne keine Veränderung der Rechtslage, sondern verstärkt das bereits existierende Diskriminierungsverbot in seiner Bedeutung.

522

Das Gleichbehandlungsgebot und seine Geltung unter Privaten

Die Grundsätze der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit sind tragende Pfeiler unserer Rechtsordnung. Sie sind Ausfluss desselben Konzeptes der Menschenwürde, welches dem Prinzip der Rechtsgleichheit in Artikel 4 BV zugrundeliegt. Auch das Privatrecht statuiert im übrigen eine wichtige, allerdings formale Rechtsgleichheit: Jedermann ist nach Artikeln Zivilgesetzbuch (ZGB) rechtsfähig.

Nach herrschender Praxis und Lehre ist eine direkte Drittwirkung des Diskriminierungsverbotes von Artikel 4 BV auf das Verhältnis unter Privaten - etwa im Sinne einer Gleichbehandlungspflicht beim Abschluss von Verträgen - von einigen Sonderfällen abgesehen grundsätzlich ausgeschlossen68'.

In der neueren schweizerischen Literatur und in der Praxis des Bundesgerichtes ist hingegen das Konzept der indirekten Horizontalwirkung von Grundrechten der Bundesverfassung heute mehrheitlich anerkannt 69 '. Dies bedeutet, dass die rechtsanwendenden Behörden bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe beispielsweise das grundrechtliche Diskriminierungsverbot heranziehen können und sollen. Das Bundesgericht hat denn auch unter bestimmten Umständen die Pflicht von Privatpersonen zum Abschluss von Verträgen bejaht, um Dritten die rechtsgleiche Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb zu ermöglichen70'.

290

Die Literatur nennt unter den privatrechtlichen Normen, die solcher verfassungskonformen Auslegung im Bereich des Diskriminierungsverbots vor allem zugänglich sind, Artikel 27 und Artikel 28 ZGB zum Persönlichkeitsschutz, Artikel 2 ZGB zum Rechtsmissbrauchsverbot, Artikel 19 und 20 Obligationenrecht (OR) über die Nichtigkeit widerrechtlicher, unsittlicher oder das Recht der Persönlichkeit verletzender Verträge, mietrechtliche Bestimmungen über den Kündigungsschutz (Art. 271 OR) und arbeitsrechtliche Bestimmungen über den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers (Art. 328 OR) und den Kündigungsschutz (Art. 336 |OR). Das Diskriminierungsverbot, aber auch andere ideelle Grundrechte wie etwa die persönliche Freiheit oder die Meinungsäusserungsfreiheit finden hier Eingang in bestimmte Bereiche des Privatrechts. Das Rassendiskriminierungsverbot erhält mit dem Beitritt zum Übereinkommen nun besonderes Gewicht in der Auslegung solcher privatrechtlicher Bestimmungen71).

Es bleibt trotzdem festzuhalten, dass das schweizerische Privatrecht mit einzelnen Ausnahmen keinen allgemeinen Kontrahierungszwang kennt. Privatpersonen können in ihren privaten Rechtsbeziehungen beispielsweise Arbeits- oder Mietverträge mit Vertragspartnern ihrer Wahl - ungeachtet des Rassendiskriminierungsyerbotes - abschliessen, solange nicht strafrechtliche Bestimmungen verletzt werden. Eine privatrechtliche Bestimmung, welche Privatpersonen rassendiskriminierende Unterscheidungen in ihren privaten Beziehungen generell verbieten würde, stiesse wohl auf besonders schwerwiegende Probleme in der praktischen Anwendung, da in privaten Beziehungen der Beweis rassendiskriminierender Motivation für ein bestimmtes Verhalten in der Regel nur schwierig zu erbringen sein wird. Der neue Artikel 261 bis Strafgesetzbuch (StGB) wird es allerdings erlauben, das Rassendiskriminierungsverbot in gewissen öffentlichen Bereichen, wo die Privatautonomie gegenüber dem Schutz der Menschenwürde von bestimmten Personengruppen zurückstehen muss. auch gegenüber Privatpersonen durchzusetzen72'.

Im Sinne eines konstitutiven Grundrechtsverständnisses bedeuten verfassungsmässige Rechte und völkerrechtliche Verpflichtungen wie das Rassendiskriminierungsverbot auch und vor allem einen Dauerauftrag an den Gesetzgeber, die abstrakten Grundrechte immer weiter zu
konkretisieren. Der Bundesrat wird bei künftigen Privatrechtsrevisionen auch dem berechtigten Anliegen der Bekämpfung der Rassendiskriminierung in geeigneter Form Rechnung zu tragen suchen.

53

Das Rassendiskriminierungsverbot in den speziell erwähnten Grundrechtsbereichen von Artikel 5 des Übereinkommens

Artikel 5 des Übereinkommens nennt in den Buchstaben a-f eine Reihe von Grundrechtsbereichen, in denen die Garantie der Rechtsgleichheit besonders wichtig scheint. Wie bereits erwähnt, schafft die Liste von besonders geschützten Rechtsbereichen nicht etwa originäre Ansprüche auf die Gewährleistung der genannten Rechte, sondern garantiert einzig den rechtsgleichen Genuss von Rechten, welche die schweizerische Rechtsordnung bereits garantiert73).

291

zu Buchstabe a Gleichbehandlung vor den Gerichten Das schweizerische Rechtschutzsystem kennt weder auf eidgenössischer noch auf kantonaler Ebene Vorschriften, welche den Zugang zu den Gerichten für schweizerische oder ausländische Staatsangehörige oder für Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen in diskriminierender Weise regeln würde.

zu Buchstabe b Recht auf Sicherheit und staatlichen Schutz Der Besondere Teil des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) stellt bestimmte Handlungen unter Strafe, unabhängig von der Identität von Täter oder Opfer. Die Anwendung dieser Bestimmungen auf konkrete Sachverhalte geschieht ohne Unterscheidung beispielsweise nach ethnischer Herkunft von Opfer oder Täter.

Es ist in erster Linie Sache der Kantone, für den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Zu den polizeilichen Schutzgütern, bei deren unmittelbaren Gefährdung die Behörden in die Freiheitsrechte der Bevölkerung eingreifen dürfen und müssen, gehören die Rechtsgüter Leib und Leben, aber auch Eigentum und Sittlichkeit74'. Selbstverständlich sind die Polizeibehörden verpflichtet, ihren Schutz in Berücksichtigung der Rechtsgleichheit allen Personen und Personengruppen, seien sie nun schweizerischer oder ausländischer Nationalität, in gleicher Weise zukommen zu lassen.

zu Buchstabe c Politische Rechte Artikel 74 BV garantiert allen Schweizerinnen und Schweizern die gleichen politischen Rechte und Pflichten auf Bundesebene. Artikel 75 BV bzw. Artikel 80 BV erklären alle schweizerischen Stimmberechtigten als wahlfähig für den Nationalrat und den Bundesrat. Auch für den Zugang zum öffentlichen Dienst gibt es im schweizerischen Beamtenrecht keine diskriminierenden Vorschriften.

Das gleiche gilt für die Kantone. Obwohl Ausländerinnen und Ausländern auf kantonaler bzw. kommunaler Ebene in einzelnen Fällen politische Rechte zugestanden wurden, beschränkt sich die Geltung politischer Rechte grundsätzlich auf Schweizer Staatsangehörige.

zu Buchstabe d Sonstige Bürgerrechte Nach Artikel 45 BV kann sich jede Schweizerin und jeder Schweizer an jedem Ort des Landes niederlassen. Nach Praxis des Bundesgerichtes bedeutet dies auch, dass die Kantone und Gemeinden die Verlegung des Wohnsitzes in einen andern Kanton, eine andere Gemeinde oder ins Ausland nicht zu verhindern oder zu erschweren versuchen
dürfen 75 '.

Die allgemeine Bewegungsfreiheit innerhalb des staatlichen Territoriums gilt gemäss dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte für «jedermann, der sich rechtmässig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält» 76 '. Im schweizerischen Recht ist der Aufenthalt von ausländischen Staatsangehörigen bewilligungspflichtig, und die ausgestellte Bewilligung ist nur für den Kanton gültig, welcher diese ausgestellt hat77'. In diesem Sinne hat die Schweiz anlässlich des Beitritts zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte denn auch einen Vorbehalt zugunsten der schweizerischen Ausländerge292

setzgebung angebracht78'. Die diesbezügliche Unterscheidung zwischen schweizerischen und ausländischen Staatsangehörigen ist nicht rassendiskriminierend und gemäss Artikel l Absatz 2 des Übereinkommens zulässig.

Die gesetzlichen Bestimmungen zum Erwerb und Verlust des Bürgerrechts enthalten keine rassendiskriminierenden Formulierungen.

Artikel 54 BV garantiert die Ehefreiheit, und das Eherecht des Zivilgesetzbuches (Art. 96 ff.) enthält keinerlei diskriminierende Bestimmungen.

Das Recht auf Eigentum ist in Artikel 22ler BV verankert. Grundsätzlich gilt es unabhängig von der Nationalität. Allerdings schränkt das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland den Grundstückerwerb für solche Personen ein (Bewilligungspflicht, Kontingentierung)79', ohne damit gegen das Rassendiskriminierungsverbot zu verstossen. In den zivilrechtlichen Bestimmungen, welche den Erwerb und Verlust von Eigentum regeln, sind keinerlei rassendiskriminierende Elemente feststellbar. Auch im Erbrecht, welches mit dem Recht auf Eigentum verbunden ist, gibt es keine diskriminierenden gesetzlichen Regelungen.

Die Meinungsäusserungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Gewissens- und Religionsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Vereinsfreiheit sind heute als verfassungsmässige Rechte von schweizerischen wie ausländischen Staatsangehörigen anerkannt80'. Unter den zulässigen Einschränkungen, welche diese Rechte erfahren können, sind keine rassendiskriminierenden Elemente auszumachen.

zu Buchstabe e Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Das Recht auf Arbeit ist im schweizerischen Recht nicht ausdrücklich garantiert, auch wenn die Schweiz mit dem bevorstehenden Beitritt zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ein solches Recht als programmatischen Auftrag auf internationaler Ebene anerkennt81'. Das Übereinkommen schafft kein neues Recht auf Arbeit im Sinne eines subjektiven Rechts des einzelnen, sondern bezweckt den diskriminierungsfreien Genuss bereits garantierter Rechte in diesem Bereich. Dies entspricht jedenfalls den Grundvorstellungen, welche das schweizerische Arbeitsrecht prägen und bewegt sich auf der vom Bundesrat in bezug auf die IAO-Konventionen vorgegebenen Linie.

In den konkreten Bereichen des Arbeitsrechts, die das Übereinkommen ausdrücklich
nennt, wird unsere Rechtsordnung dem Rassendiskriminierungsverbot durchaus gerecht: Die freie Wahl des Arbeitsplatzes, gerechte Arbeitsbedingungen, Schutz vor Arbeitslosigkeit, gleiche Entlöhnung für gleiche Arbeit sowie das Recht auf gerechte Entlöhnung sind Grundsätze, auf denen unser Arbeitsrecht auch im Bereich privatrechtlicher arbeitsvertraglicher Beziehungen aufbaut, ohne dass es rassendiskriminierende Unterscheidungen träfe. Insbesondere bestimmt Artikel 328 OR 82) , dass «der Arbeitgeber ... im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen» hat. Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer sind damit auch vor einer willkürlichen Schlechterstellung - etwa wegen ihrer rassischen oder ethnischen Andersartigkeit - gegenüber ihren Arbeitskollegen geschützt83'. Im weiteren ist gemäss Artikel 336 293

OR eine Kündigung dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie «wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht», ausgesprochen wird84).

Ausländerinnen und Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung, welche in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, bedürfen einer Arbeitsbewilligung. Eine solche Bewilligung wird nur erteilt, wenn die Ausländerin oder der Ausländer in den Genuss der für Schweizerinnen und Schweizer orts- und berufsüblichen Arbeitsbedingungen kommt 85 ).

Mit Buchstabe e wird nicht etwa ein allgemeiner Kontrahierungszwang für Arbeitgeber oder Arbeitnehmer eingeführt. Dies würde dem Grundsatz der Privatautonomie im Vertragsrecht widersprechen86), umso mehr als ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, welches Wahlfreiheit beider Partner voraussetzt, die notwendige Grundlage jedes Arbeitsverhältnisses bildet.

Die Koalitionsfreiheit der Sozialpartner ist Ausfluss der Vereinsfreiheit, welche Artikel 56 BV und Artikeln EMRK garantieren87). Das Übereinkommen Nr. 87 der IAO verpflichtet zudem bereits die Schweiz, sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wie auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern «ohne jeden Unterschied» das Recht zuzugestehen, Organisationen nach ihrer Wahl zu bilden und solchen beizutreten88).

Das schweizerische Verfassungsrecht anerkennt kein ausdrückliches Recht auf Wohnung. Allerdings durchzieht der Gedanke der Sicherung einer minimalen Existenz für Bedürftige die schweizerische Rechtsordnung auf Bundesebene wie auf kantonaler Ebene in vielen Bereichen, etwa in der Sozialversicherung, in der Fürsorge, im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht. Die minimale Existenzsicherung substanziert auf materieller Ebene das verfassungsmässige Grundrecht der Persönlichen Freiheit, dem die allgemeine Menschenwürde und die Achtung der Persönlichkeit zugrunde liegt. Minimale Existenzsicherung bedeutet unter anderem den Anspruch auf Obdach, welcher selbstverständlich diskriminierungsfrei gewährt werden muss89). Auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sieht ein - programmatisches - Recht auf einen angemessenen Lebensstandard vor, welches «ausreichende Ernährung, Bekleidung und Unterbringung» umfasst 90 ).

Der private Wohnungsmarkt ist angesichts des prekären Wohnungsangebots heute von zentraler Bedeutung. Auch
hier kann von einem allgemeinen Kontrahierungszwang des Eigentümers nicht die Rede sein.

Im Bereich der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, der ärztlichen Betreuung, sozialen Sicherheit und sozialen Dienstleistungen gibt es keine Hinweise auf rassendiskriminierende Regelungen.

Auch die bundesrechtlichen und kantonalen Bestimmungen, welche Erziehung, Ausbildung und Kultur regeln, enthalten keine rassendiskriminierenden Normen.

Artikel 27 BV verpflichtet die Kantone ausdrücklich, für genügenden Primarunterricht zu sorgen. Der Unterricht öffentlicher Schulen soll obligatorisch und unentgeltlich sein und von Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können.

294

Die Bereiche Bildung und Kultur sind wichtige Aktionsfelder für Förderungsmassnahmen zugunsten schutzwürdiger Gruppen (Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens) sowie für die aktive Bekämpfung und Verhütung rassendiskriminierenden Verhaltens im öffentlichen wie im privaten Bereich. Mit der Garantie des rassendiskriminierungsfreien Zugangs zu diesen Bereichen ist es deshalb noch nicht getan: Artikel 7 des Übereinkommens verpflichtet die Vertragsstaaten denn auch zu positiven Massnahmen in diesen Bereichen, um Vorurteile zu bekämpfen und gegenseitiges Verständnis zu fördern 91 ).

zu Buchstabe/ Recht auf Zugang zu Ort oder Dienst, der für die Benutzung durch die Öffentlichkeit vorgesehen ist Staatliche Institutionen sind aufgrund von Artikel 4 BV zur Gewährleistung eines rassendiskriminierungsfreien Zugangs zu ihrem Leistungsangebot verpflichtet. Das Bundesgesetz über den Transport im öffentlichen Verkehr sieht ausdrücklich eine grundsätzliche Transportpflicht für alle Unternehmen, welche dem Gesetz unterstehen, vor 92 ). Im Gastgewerbe, das in die Kompetenz der Kantone fällt, besteht eine allgemeine Bewirtungspflicht für Gaststätten nur in einigen Kantonen. Im übrigen bestehen keine gesetzlichen Regelungen, welche sich rassendiskriminierend auswirken. Eine ausdrückliche Zulassungspflicht zu kulturellen Veranstaltungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, gibt es im heutigen Recht ebenfalls nicht.

Der Zugang zu Institutionen, die von Privatpersonen geführt werden, aber grundsätzlich der allgemeinen Öffentlichkeit offenstehen, ist auf der Grundlage des heutigen Rechts nicht garantiert. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, eine neue Bestimmung ins Strafrecht aufzunehmen, welche die Verweigerung solcher Leistungen aus rassendiskriminierenden Gründen unter Strafe stellt (vgl. unten Ziff. 6).

54

Die Problematik der Ungleichbehandlung unter Ausländern ein Vorbehalt zugunsten der schweizerischen Ausländerpolitik

Wie bereits mehrmals erwähnt, lässt das Übereinkommen laut Artikel l Absatz 2 Unterscheidungen zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen zu.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Übereinkommen nur auf eigene Staatsangehörige anwendbar wäre: Nach einhelliger Lehre und Praxis gilt das Rassendiskriminierungsverbot des Übereinkommens grundsätzlich auch für Ausländer; Ungleichbehandlungen zwischen In- und Ausländern sind insofern zulässig, als sie nicht rassendiskriminierende Ziele verfolgen :oder solche Auswirkungen haben 93 '.

Artikel l Absatz 3 behält im weiteren die nationalen Rechtsvorschriften betreffend Staatsangehörigkeit und Bürgerrecht vor, sofern diese nicht Angehörige eines bestimmten Staates diskriminieren. Nach Ansicht der Mehrheit der Ausschussmitglieder verstossen völkerrechtliche Verträge, welche die Angehörigen bestimmter Staaten reziprok privilegieren, nicht gegen das Rassendiskriminierungsverbot94'.

295

Das schweizerische Recht unterscheidet im allgemeinen nur zwischen schweizerischen und ausländischen Staatsangehörigen, ohne an eine bestimmte ethnische oder rassische Zugehörigkeit oder an eine bestimmte Staatsangehörigkeit besondere Rechtsfolgen zu knüpfen - eine Ausnahme bilden die gemäss obenstehenden Ausführungen zulässigen Sonderbehandlungen auf der Grundlage bilateraler oder multilateraler Staatsverträge. Nur im Bereich der Zulassung ausländischer Staatsangehöriger stellt das schweizerische Recht indirekt auf die Staatsangehörigkeit der Personen ab, die sich darum bewerben. Es fragt sich deshalb, ob diese Unterscheidungen in der schweizerischen Ausländerpolitik mit dem vorliegenden Übereinkommen vereinbar ist.

Nach einem anerkannten Grundsatz des Völkerrechts haben die Staaten das Recht, über die Zulassung, den Aufenthalt und die Wegweisung von fremden Staatsangehörigen zu befinden, selbstverständlich im Rahmen ihrer bilateralen und multilateralen völkerrechtlichen Verpflichtungen in diesen Bereichen. So haben die europäischen Staaten etwa bei der Ausschaffung ausländischer Staatsangehöriger das Nön-refoulement-Prinzip bei drohender Folter oder Misshandlung, welches die Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention aus deren Artikels ableiten, zu beachten95). In diesem Sinne sind sie auch an das Rassendiskriminierungsverbot gebunden, wie die folgende Darlegung zeigen wird.

Das Übereinkommen definiert zwar die Rassendiskriminierung als Unterscheidung, welche zum Ziel oder zur Folge hat, ein gleichberechtigtes Anerkennen und Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten zu verhindern. Weder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, noch die Menschenrechtspakte, noch die Liste der Menschenrechte in Artikel 5 des Übereinkommens, noch das innerstaatliche Recht geben den Ausländern einen rechtlichen Anspruch auf Zulassung - eine Überlegung, die gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit des Übereinkommens auf die Zulassung von ausländischen Staatsangehörigen spräche.

Dem stehen allerdings andere gewichtige Argumente gegenüber: Artikel l Absatz 3 des Übereinkommens nimmt die nationalen Rechtsvorschriften zu Staatsbürgerschaft und Einbürgerung vom Geltungsbereich des Übereinkommens aus, «sofern diese ... nicht Angehörige eines bestimmten Staates diskriminieren».

Das Diskriminierungsverbot
gilt damit für die Staatsbürgerschaft, auf die ausländische Staatsangehörige ebenfalls keinen Anspruch haben. Umso mehr muss es auch für die blosse Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern gelten, die eine weniger weitgehende Bindung zwischen dem ausländischen Staatsangehörigen und dem betreffenden Staat bewirkt. Vor allem ist aber in diesem Zusammenhang Artikel 2 Absatz l von Bedeutung: Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsstaaten, «mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung in jeder Form zu verfolgen». In Buchstabe a desselben Absatzes verpflichten sie sich, «Handlungen oder Praktiken der Rassendiskriminierung gegenüber Personen, Personengruppen oder Einrichtungen zu unterlassen». Diskriminierende Einwanderungsgesetze und -praktiken sind zweifellos solche «Handlungen und Praktiken». Der Ausschuss hat denn auch in seiner Mehrheit nie gezögert, das Übereinkommen auf die Zulassung von ausländischen Staatsangehörigen anzuwenden, obwohl diese Frage 296

wohl wegen damals fehlender politischer Aktualität - während der Ausarbeitung des Übereinkommens nicht zur Sprache gekommen war. Die Vertragsstaaten berichten dem Ausschuss heute regelmässig über ihre Ausländerpolitik und anerkennen damit die Geltung des Übereinkommens in diesem Bereich.

Die schweizerische Ausländerpolitik beruht auf dem Grundsatz der Begrenzung der Ausländerzahl und auf dem Prinzip der Integration der Ausländerinnen und Ausländer, die hier leben und arbeiten 96 ). Während die Zulassung von Studierenden und von Stagiaires vor allem im Bereich der technischen Zusammenarbeit für alle ausländischen Staatsangehörigen nach gleichen Kriterien erfolgt, gilt für die Zulassung zum Arbeitserwerb das System der «traditionellen Rekrutierungsgebiete». Die Bestimmung von Staaten, in denen Arbeitskräfte praktisch ausschliesslich angeworben werden können 97 V trägt der Integrationsfähigkeit der angeworbenen Arbeitskräfte in der schweizerischen Gesellschaft Rechnung.

Wie bis anhin beruht auch die künftige schweizerische Ausländerpolitik, wie sie der Bericht des Bundesrates vom 15. Mai 1991 zur Ausländer- und Flüchtlingspolitik darstellt98^, auf dem Grundsatz der Zulassungsbegrenzung, allerdings nur noch für Staatsangehörige ausserhalb des EG- und EFTA-Raumes. Dies bedeutet, dass Personen aus dem innersten Kreis (EG- und EFTA-Staaten) nach und nach in den Genuss der vollen Freizügigkeit kommen sollen. Personen aus dem mittleren Kreis (heute besonders USA, Kanada; später allenfalls die Staaten Mittel- und Osteuropas) sollen in begrenztem Rahmen rekrutiert werden können, Spitzenkräfte kommen in den Genuss von Erleichterungen. Personen aus dem äussersten Kreis sollen demgegenüber nur ausnahmsweise zugelassen werden. Die Zuordnung der Herkunftstaaten zum mittleren oder zum äussersten Kreis geschieht nach den folgenden Präferenzkriterien: - Achtung der Menschenrechte - Zugehörigkeit des Staates zum gleichen, im weiteren Sinne europäisch geprägten Kulturkreis mit Lebensverhältnissen, die den unsrigen ähnlich sind - bewährte Handels- und Wirtschaftsbeziehungen - traditionell gute Beziehungen bezüglich Rekrutierung von Arbeitskräften - Bedürfnis der Wirtschaft nach Spezialisten aus dem betreffenden Staat99).

Aus der Sicht des Übereinkommens zur Beseitigung der Rassendiskriminierung stellt die künftige
bevorzugende Behandlung von Angehörigen westeuropäischer Staaten im Rahmen der engen Handelsbeziehungen im künftigen EWR wenn er zustande kommt - keine grossen Probleme. Obwohl das Übereinkommen keinen allgemeinen Vorbehalt betreffend allfälliger privilegierender Spezialabkommen kennt, scheint die Mehrheit des Ausschusses trotz einiger kritischer Äusserungen die gegenseitige Privilegierung bei der Zulassung im Rahmen engerer wirtschaftlicher Zusammenschlüsse wie der EG oder des künftigen EWR zu akzeptieren100).

Die Unterscheidung zwischen Angehörigen von Staaten, die dem mittleren Kreis und solchen, die dem äussersten Kreis zugerechnet werden sollen, ist hingegen heikler, besonders hinsichtlich des Kriteriums der «Zugehörigkeit zum gleichen Kulturkreis». Sie beruht auf der Erfahrung, dass die Eingliederung von Ausländerinnen und Ausländern ganz erheblich erschwert wird, wenn diese aus Staaten stammen, in denen die gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse grundlegend von der schweizeri297

sehen Situation abweichen. Die schweizerische Zulassungspolitik unterscheidet damit grundsätzlich nach der Fähigkeit ausländischer Staatsangehöriger, sich in die schweizerische Gesellschaft zu integrieren und beurteilt diese Fähigkeit verallgemeinernd nach deren Staatsangehörigkeit. Obwohl die Staatsangehörigkeit nicht unter den verbotenen Unterscheidungskriterien gemäss Artikel l des Übereinkommens figuriert, ist diese Unterscheidung aus der Sicht des vorliegenden Übereinkommens problematisch. Sie stellt zwar auf die Staatsangehörigkeit ab, meint aber die «menschliche Eigenart», welche üblicherweise mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit verbunden ist. Die schweizerische Zulassungspolitik gegenüber Erwerbstätigen beruht damit auf dem Grundsatz, dass die ethnische und nationale Andersartigkeit der Menschen, die aus bestimmten Staaten kommen, deren Eingliederung in unsere Gesellschaft allgemein erschwert.

Das für die Einreise zur Erwerbstätigkeit geltende Zulassungskriterium der Integrationsfähigkeit verfolgt keine rassendiskriminierenden Ziele. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass sich die schweizerische Zulassungspolitik dem Vorwurf aussetzen könnte, Auswirkungen zu haben, die mit dem vorliegenden Übereinkommen nicht vereinbar sind. In der Tat erschwert das Kriterium der Integrationsfähigkeit grundsätzlich die Zulassung von Angehörigen anderer ethnischer und rassischer Gruppen - wegen deren eingeschränkten Integrationsfähigkeit - entscheidend. Der Bundesrat ist aber überzeugt, dass die Schweiz wie die meisten Staaten, welche wirtschaftlich überdurchschnittlich entwickelt sind, an ihrer restriktiven Begrenzungspolitik im Bereich der Zulassung von ausländischen Staatsangehörigen zum schweizerischen Arbeitsmarkt grundsätzlich festhalten können muss. Die Fähigkeit der ausländischen Staatsangehörigen, sich in die schweizerische Gesellschaft einzugliedern, ist eine wichtige Voraussetzung für Akzeptanz und Aufnahmebereitschaft der schweizerischen Gesellschaft.

Die meisten europäischen Staaten sind dem Übereinkommen in den frühen siebziger Jahren beigetreten, zu einer Zeit, in der die weltweite Migration ein vergleichsweise weniger aktuelles Thema war. Sie sahen sich denn auch damals nicht veranlasst, allfällige Vorbehalte in diesem Bereich zu prüfen. Die Mehrheit dieser Staaten hat sich heute
mit ähnlichen Einwanderungsproblemen auseinanderzusetzen wie die Schweiz. Unseres Wissens verwenden andere Staaten allerdings flexiblere Kriterien, ohne - wie die Schweiz - unilateral fixe Kategorien von Staaten zu schaffen, deren Angehörige von der Zulassung zum Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen werden. Der Ausschuss hat aber einige Staaten wegen deren restriktiven Zulassungspolitik bereits kritisiert101*. Nur Grossbritannien brachte zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Übereinkommens einen Vorbehalt zugunsten seiner Einwanderungspolitik gegenüber den Staaten des Commonwealth an.

Die Problematik der Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern zum Arbeitsmarkt wird gerade in den europäischen Staaten infolge der weltweiten Wanderungsbewegungen künftig an politischer Aktualität wohl noch zunehmen. Obwohl die schweizerische Zulassungspolitik keine rassendiskriminierenden Ziele verfolgt, schlägt der Bundesrat deshalb einen Vorbehalt zugunsten der schweizerischen Zulassungspolitik zum Arbeitsmarkt vor, da deren Auswir298

kungen sich dem Vorwurf der Unvereinbarkeit mit dem vorliegenden Übereinkommen aussetzen könnten I01\ Es ist seines Erachtens wichtig, an den Zielen und Grundsätzen unserer Ausländerpolitik, wie sie der erwähnte Bericht formuliert, zur Bewältigung der kommenden Probleme festzuhalten. Ein entsprechender Vorbehalt erhält der Schweiz die dazu notwendigen Handlungsspielräume.

Vorbehalte sind laut Artikel 20 des Übereinkommens zulässig, solange sie nicht mit Ziel und Zweck des Übereinkommens unvereinbar sind. Ein Vorbehalt gilt als unvereinbar, wenn zwei Drittel der Vertragsstaaten dagegen Einspruch erheben. Wie erwähnt bezweckt das Übereinkommen die Bekämpfung der Rassendiskriminierung in all ihren Formen und in allen Lebensbereichen der Bevölkerung. Angesichts dieses umfassenden Geltungsbereichs des Übereinkommens ist der vorgeschlagene Vorbehalt nur von begrenzter Tragweite, zumal er einen Bereich beschlägt, dessen Erfassung durch das Übereinkommen nicht einmal unumstritten ist. Zudem erwähnt Artikel 5 des Übereinkommens, der eine Reihe von diskriminierungsfrei zu garantierenden Rechten speziell hervorhebt, kein Recht auf Zulassung. Jedenfalls berührt der Vorbehalt keinen für das Übereinkommen so zentralen Punkt, dass er als mit dessen Ziel und Zweck unvereinbar erscheinen würde. Es ist angesichts des bereits vorangegangenen Beispiels Grossbritanniens wenig wahrscheinlich, dass andere Vertragsstaaten dagegen Einspruch erheben.

55

Der wirksame Rechtsbehelf gegen Rassendiskriminierung

Allfällige rassendiskriminierende Akte von staatlichen Behörden können als Verletzungen von Artikel 4 BV und von direkt anwendbaren völkerrechtlichen Bestimmungen im Rahmen der Verwaltungsbeschwerdeverfahren bzw. der Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren des Bundes und der Kantone gerügt werden.

Für die Rüge von Verletzungen durch kantonale und kommunale Behörden, sei es durch rechtssetzende oder durch rechtsanwendende Behörden, steht den Verletzten zudem subsidiär das Verfahren der Staatsrechtlichen Beschwerde vor dem Bundesgericht offen.

Im Bereich zivilrechtlicher Rechtsbehelfe steht vor allem der Persönlichkeitsschutz im Vordergrund: Wer sich durch Privatpersonen in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt fühlt, kann gestützt auf Artikel 28 ZGB vor den Zivilgerichten auf Beseitigung der Störung klagen. Dass der Begriff der «persönlichen .

Verhältnisse» im Lichte des verfassungsmässigen und staatsvertraglichen Rassendiskriminierungsverbotes ausgelegt werden muss, ist bereits dargestellt worden.

Auf dem Gebiete des Strafrechts fehlt bisher ein befriedigender Rechtsbehelf gegen rassendiskriminierendes Verhalten. Zwar gilt das Gleichbehandhmgsgebot von Artikel 4 BV selbstverständlich auch auf dem Gebiete der Strafverfolgung wie in allen Verfahren vor staatlichen Behörden, das heisst, es entsteht dem Verletzten im Strafprozess kein Nachteil aus seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe. Damit ist jedoch noch kein wirksamer Schutz gegen rassendiskriminierendes Verhalten geschaffen. Diese Lücke soll durch 299

eine spezifische Strafnorm gegen Rassendiskriminierung geschlossen werden 103 ).

Besonderer Beachtung bedarf Artikel 113 Ziffer 3 BV: Diese Vorschrift bestimmt, dass Bundesgesetze und vom Parlament genehmigte Staatsverträge für die gerichtlichen Behörden massgebend seien. Für den Fall eines Konfliktes zwischen Bundesgesetzen und dem nun staatsvertraglich verankerten Rassendiskriminierungsverbot stellt sich die Frage, ob das Bundesgericht einem Bundesgesetz wegen Verstosses gegen einen Staatsvertrag die Anwendung versagen darf. Obwohl der grundsätzliche Vorrang des Völkerrechts vor dem Landesrecht heute weder in der Praxis noch in der Literatur ernsthaft bestritten wird, ist die Praxis des Bundesgerichtes, aber auch die Literatur mit Bezug auf die Konsequenzen dieses Grundsatzes nicht einheitlich. Eine logische Folge des Primats des Völkerrechts wäre es wohl, wenn die gerichtlichen Behörden einer völkerrechtswidrigen Norm eines Bundesgesetzes die Anwendung im konkreten Einzelfall versagen würden, es jedoch dem Bundesgesetzgeber überliessen, die Änderung der Vorschrift an die Hand zu nehmen 104) .

Artikel 13 EMRK verpflichtet die Vertragsstaaten wie das vorliegende Übereinkommen, wirksame Rechtsbehelfe zur Rüge von Verletzungen der dort verankerten Grundrechte zur Verfügung zu stellen. Nach Auffassung der Lehre entspricht unsere Rechtsordnung den Anforderungen von Artikel 13 EMRK 105 ).

Das Bundesgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren und die verwaltungsinterne Beschwerdemöglichkeit im Asylrecht den Anforderungen von Artikel 13 EMRK genüge106). Es ist davon auszugehen, dass dies auch für Artikel 6 des vorliegenden Übereinkommens gilt.

Gemäss den Haftungsbestimmungen des Zivilrechts (Art. 41 OR 107 )) ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wer einem anderen widerrechtlich (absichtlich oder fahrlässig) oder in sittenwidriger Weise (absichtlich) Schaden zufügt. Eine in ihren persönlichen Verhältnissen verletzte Person hat zudem bei Verschulden des Täters Anspruch auf Schadenersatz und, wo die besondere Schwere der Verletzung und des Verschuldens es rechtfertigt, Anspruch auf Genugtuung (Art. 49 OR). Es wird Sache der Rechtssprechung sein, gerade den Begriff der «besonderen Schwere der Verletzung und des Verschuldens» im Lichte des Rassendiskriminierungsverbots,
das mit dem Beitritt zum Übereinkommen besonderes Gewicht erhalten hat, auszulegen 108 ).

Für Schaden, den Bundesbeamte in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit einem Dritten widerrechtlich zufügen, ist nach dem Verantwortlichkeitsgesetz der Bund selbst vermögensrechtlich verantwortlich, ohne Rücksicht darauf, ob der Beamte oder die Beamtin schuldhaft oder schuldlos gehandelt hat. Die Leistung einer Genugtuung ist allerdings von einem Verschulden des Beamten oder der Beamtin abhängig109). Artikel 61 OR erlaubt dem Bund und den Kantonen, von den allgemeinen Regeln des Obligationenrechts abweichende Haftungsnormen für Schäden, die in Ausübung amtlicher Verrichtungen entstanden sind, zu erlassen. Die Mehrzahl der Kantone sieht denn auch wie der Bund und im Gegensatz zur allgemeinen Verschuldenshaftung des Obligationenrechts Kausalhaftungssysteme vor.

300-

Aus diesen Darlegungen geht hervor, dass die schweizerische Rechtsordnung, mit Ausnahme des Strafrechts, den Anforderungen von Artikel 6 des Übereinkommens genügt.

6

Die Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes

61

Die Problematik

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Die Anforderungen des internationalen Übereinkommens

Das internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung verlangt von den Vertragsstaaten eine Reihe von gesetzgeberischen Massnahmen. In einigen Punkten sind ausdrücklich strafrechtliche Massnahmen verlangt, so in Artikel 4 Buchstabe a und b. An anderer Stelle sind die Formulierungen mehr allgemeiner Art: die Staaten verurteilen Ségrégation und Apartheid und verpflichten sich, derartige Praktiken in ihren Hoheitsgebieten zu verhindern, zu verbieten und auszumerzen (Art. 2 Abs. 1), sie werden Rassendiskriminierung in jeder Form verbieten und garantieren das Recht auf gleichberechtigte Teilnahme an kulturellen Tätigkeiten sowie auf Zugang zu jedem Ort oder Dienst, der für die Benutzung durch die Öffentlichkeit vorgesehen ist (Art. 5). Bei der Auslegung dieser Passagen muss die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten für die Nichtverhinderung oder Nichtverfolgung privater Unrechtstatbestände berücksichtigt werden. Nach herrschender Lehre ist die Verantwortlichkeit eines Staates dann gegeben, wenn ein Mangel an «due diligence» vorliegt. Dieser kommt allgemein bei völkerrechtlichen Verpflichtungen in Betracht, deren Erfüllung in das Ermessen des verpflichteten Staates gestellt ist, sei es, dass er selbst über Massnahmen entscheiden kann, sei es, dass ihm die Wahl der Mittel verbleibt, mit denen er ein vorgeschriebenes Ziel verfolgt («obligations of result»)110'. Eine solche Verpflichtung, ein vorgeschriebenes Ziel zu erreichen, liegt hier zweifellos vor. Angesichts der Besonderheiten des schweizerischen Föderalismus zwingen die erwähnten Formulierungen jedoch praktisch ebenfalls zum Einsatz strafrechtlicher Mittel.

Ferner müssen die Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommen ergeben, im Kontext der allgemeinen Menschenrechtspolitik gesehen werden. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dessen Ratifizierung das Parlament in der Dezembersession 1991 genehmigt hat, sieht in Artikel 20 Absatz 2 vor; dass die Vertragsstaaten jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeiten oder Gewalt aufgestachelt wirdj gesetzlich verbieten. Wie in der Botschaft betreffend den Beitritt der Schweiz zu den Menschenrechtspakten ausgeführt wird, sind die Anforderungen dieses Artikels durch das
geltende Strafrecht nur in begrenztem Mass abgedeckt. Es war daher notwendig, zu diesem Artikel einen Vorbehalt anzubringen111'. Die vorliegende Strafrechtsrevision wird es erlauben, diesen Vorbehalt zurückzuziehen.

Nach Artikel 4 verpflichten sich die Vertragsstaaten des Übereinkommens, unmittelbare und positive Massnahmen zu ergreifen, um jedes Aufreizen zur Ras11 Bundesblau 144.Jahrgang. Bd. III

301

sendiskriminierung und alle rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen, gemäss Buchstabe a soll jede Verbreitung von Ideen, die sich auf der Überlegenheit einer Rasse oder auf Rassenhass gründen, jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und jede Gewalttätigkeit oder Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder eine Personengruppe anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit sowie jede Unterstützung rassenkämpferischer Betätigung zu einer nach dem Gesetz strafbaren Handlung erklärt werden. Nach Artikel 4 Buchstabe b sollen alle Organisationen und alle organisierten oder sonstigen Propagandatätigkeiten, welche die Rassendiskriminierung fördern und dazu aufreizen, als gesetzwidrig erklärt werden. Alle Organisationen, welche die Rassendiskriminierung fördern und dazu aufreizen, müssen verboten und als gesetzwidrig erklärt und die Beteiligung an derartigen Organisationen als strafbare Handlung erklärt werden. Schliesslich wird in Buchstabe c von den Vertragsstaaten gefordert, nicht zuzulassen, dass staatliche oder örtliche Behörden oder öffentliche Einrichtungen die Rassendiskriminierung fördern oder dazu aufreizen. Nach Artikel 5 sollen die Vertragsstaaten die Rassendiskriminierung in jeder Form verbieten und beseitigen. Die nachfolgende Aufzählung besonders geschützter Rechte betrifft in Buchstaben a-d Grundrecht, deren rechtsgleiche Ausübung in der Schweiz durch Artikel 4 der Bundesverfassung gewährleistet ist. Eine gewisse Horizontalwirkung des Diskriminierungsverbotes wird von Artikel 5 Buchstaben e und f gefordert.

Mit Ausnahme des Verbots von Diskriminierung durch Behörden (Art. 4 Est. c)ìn\ die durch das Gleichheitsgebot von Artikel 4 BV abgedeckt ist, sind diese Anforderungen des Übereinkommens in unserem Land heute nicht oder nur unvollständig erfüllt.

Darüber hinaus besteht jedoch auch innerstaatlich durchaus ein Handlungsbedarf auf dem Gebiete der Rassendiskriminierung. Wir leben in einem Zeitalter grosser soziologischer Umwälzungen. Die Idee des Nationalstaates mit einem homogenen Staatsvolk ist auch dort, wo sie jemals einer Realität entsprochen hat, weitgehend von der Wirklichkeit überholt. Weltweite Migrationsströme sind eine Realität, mit der die Industriestaaten der westlichen und nördlichen Hemisphäre sich notgedrungen auseinandersetzen müssen. Ebenso notgedrungen wird der moderne
Staatsbürger sich daran gewöhnen müssen, dass die Wohnbevölkerung seines Staatsgebietes sich aus verschiedenartigen Elementen zusammensetzt. In seinem täglichen Leben werden ihm in zunehmendem Masse Menschen begegnen, die sich in ihrem äusseren Erscheinungsbild wesentlich von ihm unterscheiden und deren Weltbild von anderen Kulturen und Religionen geprägt ist. Die daraus entstehenden sozialen Spannungen verlangen nach wirksamen gesetzlichen Regelungen, zu denen ohne Zweifel, aus Gründen der Signalwirkung, auch strafrechtliche Bestimmungen gehören. Zu einer Bewusstseinsänderung, wie sie vom Übereinkommen grundsätzlich anvisiert ist, reichen Strafrechtsbestimmungen allerdings nicht aus. Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, sind Massnahmen auf dem Gebiete des Unterrichts, der Erziehung, der Kultur und der Information (s. hierzu Kap. 8).

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Das geltende Recht

In der Vernehmlassung ist vereinzelt die Kritik geäussert worden, strafrechtliche Gesetzgebung solle sich auf die Eindämmung von Auswüchsen beschränken. Darum sei eine Ergänzung des Strafgesetzbuches im Zusammenhang mit dem Beitritt der Schweiz zum vorliegenden Übereinkommen überflüssig. Die Bestimmungen des geltenden Strafrechtes seien absolut ausreichend, um Gewaltverbrechen oder Sachbeschädigung strafrechtlich zu verfolgen.

Dies ist bis zu einem gewissen Grade richtig. Eine Reihe von Straftaten, die häufig aus rassistischen Motiven begangen werden, sind vom geltenden Recht bereits erfasst, so z. B. die Straftaten gegen Leib und Leben (Tötung, Körperverletzung, Unterlassung der Nothilfe, Angriff), gegen das Vermögen (Raub. Erpressung), gegen die Freiheit (Nötigung, Freiheitsberaubung, Hausfriedensbruch), gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen (Brandstiftung, Verursachung einer Explosion) sowie in sehr beschränktem Masse die Ehrverletzungsdelikte (Beschimpfung und ev. Verleumdung). Damit sind jedoch weder die Anforderungen des Übereinkommens erfüllt noch ist dem innenpolitischen Handlungsbedarf entsprochen. Rassistische Propaganda ist nicht erfasst, ebensowenig wie die Verharmlosung von Genozid und Rassenverfolgung, die ebenfalls eine Form rassistischer Propaganda darstellt. Das Recht auf Zutritt zu jedem für die Öffentlichkeit bestimmten Ort oder Dienst im Sinne von Artikel 5 Buchstabe f des Übereinkommens ist nicht voll gewährleistet"3). Auch der Angriff auf die Menschenwürde durch rassistische Beleidigung ist durch das geltende Recht nur ungenügend abgedeckt. Die Ehrverletzungsdelikte sind dazu wenig geeignet und zwar vor allem wegen der Art des geschützten Rechtsgutes. Beim Tatbestand der Rassendiskriminierung steht das öffentliche Interesse im Vordergrund: Geschütztes Rechtsgut ist der öffentliche Friede, wenn auch die Menschenwürde des Einzelnen den Angriffspunkt bildet"4'. Bei den Ehrverletzungsdelikten dagegen geht es um den Schutz der persönlichen Ehre, also um ein privates Interesse. Das Bundesgericht hat die Ehre immer als «den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein» definiert und den Ehrenschutz auf die ethische Integrität beschränkt115^. Als Opfer einer Ehrverletzung kommen daher in erster Linie lebende natürliche Personen in Frage. Auch bei der Kollektivbeleidigung und analog dazu wohl
auch bei der Kollektivverleumdung - ist entscheidend, ob erkennbar einzelne betroffen sind. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wirkt sich ausserdem das Antragserfordernis als Erschwerung der Strafverfolgung aus.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang der präventive Effekt. Es handelt sich nicht nur um die nachträgliche Bestrafung von Auswüchsen, sondern um wirksame vorbeugende Massnahmen gegen Verletzungen von Menschenrechten. Die Anforderungen des Übereinkommens müssen aus zwei wesentlichen Wurzeln verstanden werden: zum einen aus dem Bestreben, Greueltaten, wie sie während des Zweiten Weltkrieges durch das Dritte Reich begangen wurden, in Zukunft bereits im Entstehen zu verhindern und zum andern aus dem Wunsch nach einer endgültigen Überwindung des Kolonialismus mit allen seinen Begleit- und Folgeerscheinungen. Diese beiden Zielrichtungen müssen auch beim Erlass von Strafrechtsbestimmungen berücksichtigt werden.

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Die Frage der Grundrechtskonflikte

Das Unter-Strafe-Stellen von rassistischer Propaganda, von Ideologien, die auf die Verleumdung oder Herabsetzung gewisser Bevölkerungsteile gerichtet sind, könnte als verfassungswidrige Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit durch eine Strafnorm aufgefasst werden. Auch die Vereinsfreiheit kann durch Artikel 4 Buchstabe b des Übereinkommens berührt sein. Das Problem hat sich in andern westlichen Industriestaaten in ähnlicher Weise gestellt. Aus den Vorarbeiten zum Übereinkommen geht hervor, dass insbesondere die Meinungsfreiheit Anlass zu intensiven Diskussionen gegeben hat. Schliesslich wurde ein Kompromiss gefunden in Form der sogenannten Due-Regard-Klausel, wonach die Vertragsstaaten ihre Pflichten «unter gebührender Berücksichtigung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Grundsätze» wahrnehmen sollen. Einige Staaten haben bei der Ratifizierung des Übereinkommens denn auch Erklärungen in diesem Sinne abgegeben116).

In der schweizerischen Lehre hat sich die Meinung herausgebildet, dass es sich bei solchen Konflikten um einen Grundrechtskonflikt handle, d. h. um einen Konflikt zwischen Rechtsgütern, die sich auf der gleichen Ebene befinden und daher gleichen Schutz verdienen. Die Lösung derartiger Konflikte kann nur auf dem Wege der Güterabwägung herbeigeführt werden117). Auf der einen Seite stellt die Rassendiskriminierung als Angriff auf die Menschenwürde eine Verletzung der verfassungsmässigen Rechte auf Persönliche Freiheit und auf Rechtsgleichheit dar. Ausserdem sind Diskriminierungsverbote, insbesondere wegen der Rasse, der Herkunft und der Religion durch zahlreiche internationale Instrumente im Völkerrecht verankert. Auf der anderen Seite haben Meinungs- und Vereinsfreiheit eine wichtige Funktion im Prozess politischer Meinungsbildung.

Gerade die Ausübung von Meinungs- und Informationsfreiheit118) birgt eine gewisse Verantwortung in sich und kann daher zugunsten der Rechte anderer und im Interesse der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden 119 ). Dies entspricht auch dem schweizerischen Verfassungsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention120). Der Gedanke erhöhter Verantwortlichkeit in Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit hat sich z. B. auch im Abkommen des Europarates über das grenzüberschreitende Fernsehen121) niedergeschlagen, dessen
Artikel 7 (Verantwortlichkeit des Rundfunkveranstalters) verlangt, dass die Sendungen eines Programms im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten. Nach Artikel 7 Buchstabe b dürfen die Programme insbesondere Gewalt nicht unangemessen herausstellen und nicht geeignet sein, zum Rassenhass aufzustacheln.

Der Kerngehalt der Meinungs- und Informationsfreiheit ist durch den vorliegenden Entwurf nicht berührt. Weder sachliche Berichterstattung noch die in einer Demokratie notwendige politische Diskussion wird von der Definition des Tatbestandes erfasst. Es wird jedoch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit nicht möglich sein, alle Anforderungen von Artikel 4 wortwörtlich im Strafrecht zu verwirklichen. Eine Poenalisierung der Verbreitung von Ideen, welche auf der Überlegenheit einer Rasse beruhen, dürfte sich in dieser Form als problematisch erweisen. Von seilen der Lehre und auch in der Vernehmlassung ist mit 304

Recht darauf hingewiesen worden, dass dadurch jede Untersuchung soziologischer oder ethnologischer Art über das Verhalten gewisser Bevölkerungsgruppen sehr gefährlich in die Nähe der Strafbarkeit rückt und dass selbst positive Ergebnisse einer solchen Untersuchung nach dem Buchstaben des Gesetzes vom Straftatbestand erfasst sein könnten. Es liegt auf der Hand, dass gerade das Ausmerzen der Überlegenheitsidee eines der Hauptanliegen des Übereinkommens darstellt. Andererseits gehört dieses eher moralische Postulat nach dem Rechtsverständnis der meisten europäischen Staaten nicht in den Regelungsbereich des Strafrechts. Die angestrebte Bewusstseinsänderung sollte mit andern Mitteln angegangen werden (vgl. zu den entsprechenden Massnahmen hinten Ziff. 8)..

Die Formulierung des Tatbestandes zu diesem Punkt wird daher - in Anlehnung an das Modellgesetz des Europarates - aus einer etwas anderen Sicht erfolgen müssen. Das Gewicht muss einerseits auf dem Aufrufen zu Rassenhass und Diskriminierung liegen und andererseits auf der Verachtung und Verleumdung, welche den eigentlich verwerflichen Kernpunkt der Überlegenheitstheorien bildet. In der Tat ergeben sich daraus die sozialschädlichen Auswirkungen von Rassenhass und Xenophobie.

Was die Vereinsfreiheit betrifft, so ist sie bereits durch Artikel 56 BV eingeschränkt, wonach die Bürger zwar das Recht haben, Vereine zu bilden, jedoch nur dann, wenn diese weder in ihrem Zweck noch in den dafür bestimmten Mitteln rechtswidrig oder staatsgefährlich sind.

Artikel 4 Buchstabe b des Übereinkommens verlangt von den Vertragsstaaten, dass sie rassistische Organisationen für rechtswidrig erklären und verbieten.

Darüber hinaus soll die Mitgliedschaft an solchen Organisationen als Straftatbestand definiert werden. Das erstere ist nach geltendem Recht ohne weiteres möglich, allerdings mit den Mitteln des Zivilrechtes. Nach Artikel 78 ZGB kann jeder Betroffene, wie auch die zuständige Behörde, die richterliche Auflösung eines Vereins beantragen, dessen Zweck widerrechtlich ist. Mit Inkrafttreten des geplanten Artikels 261bis StGB werden Aufrufen zum Rassenhass und rassistische Propaganda zu strafbaren Handlungen. Ein Verein, welcher derartige Zwecke verfolgt, fällt nicht mehr unter den Schutzbereich des Artikels 56 BV und kann somit ohne Zweifel aufgelöst werden.
Anders verhält es sich mit der Mitgliedschaft. Hier stellt sich folgende Frage: Ist nur die Mitgliedschaft an bereits aufgelösten Organisationen anvisiert, oder soll die Teilnahme an solchen Organisationen schon vor der Auflösung derselben strafbar sein? Mit andern Worten soll der Adressat dieser Strafnorm den (nicht immer offensichtlichen) widerrechtlichen Zweck der Organisation selbständig erkennen und deswegen von einer Mitgliedschaft absehen, andernfalls er sich strafrechtlicher Verfolgung aussetzt? Dies wäre mit dem Grundrecht der Vereinsfreiheit kaum zu vereinen. Auch würde eine entsprechende Umschreibung des Tatbestandes dem Bestimmtheitsgrundsatz des Strafrechtes widersprechen122). Das Erfordernis, die Mitgliedschaft an rassistischen Organisationen generell zu poenalisieren, erklärt sich wahrscheinlich daraus, dass in einigen Vertragsstaaten des Übereinkommens eine Kontrolle der Neugründungen von Organisationen besteht. Dazu bietet das geltende schweizerische Recht jedoch

305

keine Handhabe. Vereine ohne wirtschaftlichen Zweck erlangen die Rechtspersönlichkeit durch Willenserklärung in den Statuten. Eine vorgängige Meldepflicht wird nach herrschender Lehre als verfassungswidrig betrachtet. Sie wäre ausserdem wahrscheinlich ein untaugliches Mittel, um die Gründung rassistischer Organisationen zu verhindern. Die blosse Kontrolle der Statuten würde den wahren Zweck unter Umständen gar nicht erkennen lassen. Eine Organisation kann im allgemeinen erst nach ihrer Gründung aufgrund ihres tatsächlichen Verhaltens beurteilt werden 123l Dies gilt jedoch auch für den Bürger, welcher der Organisation beizutreten gedenkt und dem man daher die Verantwortung, den rechtswidrigen Zweck im voraus zu erkennen, kaum aufbürden kann.

Wie eben dargestellt, wird das schweizerische Rechtssystem auch nach dem Inkrafttreten des hier vorgeschlagenen Artikels 261bis StGB den Anforderungen von Artikel 4 des Übereinkommens nicht bis ins letzte Detail gerecht. Artikel 4 des Übereinkommens räumt den Vertragsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit ein, bei der strafrechtlichen Erfassung der Rassendiskriminierung auch andere grundrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Das besondere Gewicht, das der Meinungs- und Vereinsfreiheit in einer westlichen Demokratie im allgemeinen und im teils direktdemokratischen schweizerischen Staatssystem im besonderen zukommt, rechtfertigt dies bei weitem. Dadurch wird es notwendig, dass die Schweiz nach dem Vorbild anderer westeuropäischer Staaten zu diesen Punkten einen entsprechenden Vorbehalt anbringt.

614

Rassendiskriminierung und Migrationsproblem

Ein Teil der Unmutsäusserungen, welche in jüngster Zeit in unserem Land Anlass zu Besorgnis geben und - vielleicht zu Unrecht - als Rassismus angeprangert werden, entspringen der Angst vor Überfremdung, insbesondere in Zusammenhang mit dem Problem der unkontrollierten Einwanderung.

In juristischer Hinsicht besteht zwischen dem Migrationsproblem und der Überführung der völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich aus dem Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen ergeben, kein direkter Zusammenhang. Das Übereinkommen verlangt keineswegs eine generell besonders grosszügige Asylund Ausländerpolitik. Der Ausschuss hat sich anlässlich eines periodischen Berichtes der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu dem Thema geäussert: Wichtig sei lediglich, dass unter den Immigranten aus verschiedenen Herkunftsländern keine Diskriminierung wegen der Rasse stattfände124'. In diesem Sinne bleibt die Praxis der schweizerischen Asylbehörden vom vorliegenden Gesetzesentwurf unberührt. Probleme stellen sich allerdings mit Bezug auf die Vereinbarkeit der allgemeinen Ausländerpolitik mit dem Übereinkommen. Zu diesem Punkt ist, wie bereits erwähnt, ein Vorbehalt angebracht (vgl. vorne Ziff. 54).

Es liegt auf der Hand, dass in soziologischer Hinsicht zwischen Rassismus und Migrationsproblem eine Wechselwirkung besteht. Der wachsende Zustrom von Menschen, die aus den verschiedensten Gründen ihre Heimat verlassen und sich bei uns niederlassen wollen, ist geeignet, Ängste zu wecken und latente Feindseligkeit zum Ausbruch zu bringen. Der Vergleich zwischen der scheinbar bevorzugten Behandlung der Asylbewerber auf dem Gebiete der Sozialfürsorge 306

und der Situation der Armen unter den eigenen Staatsangehörigen verstärkt diese Feindseligkeit. Ablehnung und Ghettoisierung der Fremden führt zu einer fortgesetzten Marginalisierung mit all ihren Begleiterscheinungen und damit zu erneuter Ablehnung seitens der einheimischen Bevölkerung.

Das ungehinderte Ausleben von Aggressionen kann im Rechtsstaat kein gangbarer Weg sein. Hier wird die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns - und zwar auch gerade auf strafrechtlichem Gebiet - besonders deutlich. Der Staat muss ein Zeichen setzen, damit nicht soziale Unzufriedenheit und latente Xenophobie sich allmählich steigern und schliesslich in Brandstiftung und Gewaltverbrechen münden. Besonders gefährlich ist in diesem Zusammenhang, dass derartige Straftaten oft im Umfeld des Täters als eine Art legitimer Selbsthilfe verstanden werden.

62

Die strafrechtliche Behandlung des Rassendiskriminierungsverbotes im internationalen Vergleich

621

Der Europarat

In seiner Empfehlung 453 (1966) zeigte sich das Ministerkomitee des Europarates besorgt über die wachsende Anzahl von Extremisten, welche die in den europäischen Verfassungen garantierten Freiheitsrechte dazu missbrauchten, um das Publikum zum Rassenhass aufzuhetzen. Als besonders besorgniserregend wurde betrachtet, dass sich dieses Aufhetzen oft an Jugendliche richtet und im Rahmen des Unterrichtes an Schulen und Universitäten geschieht.

Der Europarat sah damals bereits in diesem Phänomen eine ernsthafte Gefahr für die internationale Verständigung.

Die Empfehlung enthält ein Modellgesetz, wonach strafbar sein soll - wer zu Hass, Intoleranz oder Diskriminierung gegen Personen oder Gruppen von Personen aufruft, die durch ihre Hautfarbe, Rasse, ethnische oder nationale Herkunft oder Religion bestimmt sind, - wer Personen oder Gruppen von Personen aufgrund der obgenannten Kriterien beleidigt, der Verachtung oder Verleumdung aussetzt, - wer Schriften veröffentlicht oder verbreitet, in denen zur Begehung der obgenannten Straftaten angestiftet wird, wobei unter «Schriften» auch Anschläge oder andere «sichtbare Darstellungen» verstanden werden sollen.

- Organisationen, deren Aktivitäten oder Zielsetzung darin besteht, die obgenannten Straftaten zu begehen, sollen aufgelöst und strafrechtlich verfolgt werden.

622

Gesetzgeberische Lösungen anderer europäischer Staaten

Im Rahmen eines eingehenden Rechtsvergleiches wurden die Lösungen der Staaten der EG und der EFTA unter zwei Gesichtspunkten untersucht: die Religion als Kriterium strafbarer Diskriminierung und die Lösung allfälliger Grundrechtskonflikte, insbesondere im Hinbück auf die Meinungsäusserungsfreiheit.

307

Das Kriterium der Religion ist deshalb interessant, weil es in die Definition der unerlaubten Kriterien des vorliegenden Übereinkommens nicht aufgenommen wurde, wohl aber in das Modellgesetz des Europarates. Die Analyse anderer europäischer Gesetzgebungen im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit ist ebenfalls aufschlussreich. Wie aus den Vorarbeiten zum Übereinkommen ersichtlich ist, hatten zahlreiche westliche Industriestaaten mit liberalem Grundrechtsverständnis Bedenken wegen der verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte, insbesondere in bezug auf die Meinungsfreiheit und die Vereinsfreiheit.

Das Kriterium der Religion im europäischen Vergleich Es ergibt sich folgendes Bild: Eine Mehrheit von zehn Staaten (Österreich, Frankreich, Spanien, Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark, Island, Finnland, Griechenland) erwähnten das Kriterium der Religion ausdrücklich in einer strafrechtlichen Bestimmung über die Rassendiskriminierung. Unter den sechs Staaten (BRD, Italien, Portugal, Belgien, Luxemburg, Grossbritannien 125 )), welche das Kriterium der Religion nicht erwähnen, nimmt die BRD insofern eine Sonderstellung ein, als das Kriterium der Religion im Diskriminierungsartikel des Grundgesetzes genannt ist, der entsprechende Strafrechtsparagraph es zwar nicht ausdrücklich enthält, die Formulierung jedoch so gefasst ist, dass bei der Auslegung die Diskriminierung gemäss religiöser Kriterien einbezogen werden kann 126 ).

Die gesetzgeberische Lösung allfälliger Grundrechtskonflikte Es sind zwei Gruppen von Staaten zu unterscheiden: Eine Gruppe von Staaten, in denen nur das Aufrufen oder Auffordern zur Diskriminierung strafbar ist: die BRD, Österreich, Italien, Portugal, Niederlande, Dänemark, Island, Grossbritannien 127 ), Griechenland, Norwegen, und eine zweite Gruppe von Staaten, in denen auch die Diskriminierung als solche strafbar ist, nämlich Frankreich, Spanien128', Belgien, Luxemburg, Schweden, Finnland.

Was die erste Gruppe (nur Strafbarkeit des Aufhetzens oder Aufforderns zu Rassenhass und Diskriminierung) betrifft, so sind drei Lösungsmöglichkeiten zu beobachten: - Das Diskriminierungsverbot erscheint auf Verfassungsebene. Damit ist klar zum Ausdruck gebracht, dass das Recht, nicht Gegenstand von Diskriminierung zu sein, ebenfalls ein Grundrecht ist und dass daher allfällige
Konflikte mit der Meinungsfreiheit auf dem Wege der Güterabwägung zu lösen sind.

- Die Lösung liegt im Bereich des Völkerrechts. Es besteht ein Vorbehalt hinsichtlich der Meinungsfreiheit häufig in Verbindung mit einem Vorbehalt bezüglich der Vereinsfreiheit.

- Die strafbaren Äusserungen werden entweder eingegrenzt oder qualifiziert.

Sie werden eingegrenzt hinsichtlich des Resultats: geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören bzw. die öffentliche Ordnung zu gefährden (BRD, Österreich).

Wo eine Qualifizierung erfolgt, bezeichnet diese die zur Erfüllung des Tatbestandes erforderliche Intensität: Drohung, Beleidigung, Beschimpfung, Verleumdung, böswilliges Verächtlichmachen, Aufstacheln zum Hass, Auffor-

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dern zu Gewalt- oder Willkürmassnahmen, der Verachtung oder Verfolgung aussetzen.

In der zweiten Gruppe (Strafbarkeit der Diskriminierung als solche) ist die Diskriminierung genau umschrieben, gewöhnlich als Verweigerung einer Leistung.

Damit wird ein konkretes Verhalten poenalisiert, nicht nur das Aufreizen oder Aufstacheln dazu.

Der vorliegende Entwurf enthält Elemente der Lösungen beider Gruppen: Qualifizierung der strafbaren Äusserungen und Poenalisierung der eigentlichen Diskriminierung.

63

Kommentierung der vorgeschlagenen Strafnorm

631

Text

Artikel 261bis.StGB Rassendiskriminierung Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse oder einer ethnischen oder religiösen Gruppe gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe in ihrer Menschenwürde angreift oder aus einem dieser Gründe das Andenken von Verstorbenen verunglimpft, wer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe eine öffentlich angebotene Leistung verweigert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

632

Geschütztes Rechtsgut und Deliktstypus

Rassendiskriminierung stellt eine Gefährdung des öffentlichen Friedens dar, ob sie sich nun in Form von Aufrufen zu Hass oder Diskriminierung äussert, in Angriffen auf die Menschenwürde oder Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, die zu den betroffenen Gruppen gehören, oder in Form von Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung. Der Angriffspunkt ist allerdings die Menschenwürde eines jeden einzelnen der betroffenen Gruppe. Der Zusammenhang ist jedoch eindeutig. In einem Staat, in dem Teile der Bevölkerung ungestraft verleumdet und herabgesetzt werden können, wo zu Hass und Diskriminierung gegen Angehörige bestimmter rassischer, ethnischer oder religiöser 309

Gruppen aufgestachelt werden darf, wo einzelne Menschen aufgrund ihrer rassischen, ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit in ihrer Menschenwürde angegriffen werden können, wo aus derartigen Gründen einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen eine Leistung verweigert werden darf, da ist der öffentliche Friede gefährdet, das Vertrauen in die Rechtsordnung erschüttert und sehr häufig die Gewährleistung anderer Grundrechte gefährdet.

Mit Blick auf das geschützte Rechtsgut gehören sämtliche Varianten des Tatbestandes zum Typus des abstrakten Gefährdungsdeliktes, das heisst, das Verhalten als solches birgt die erhöhte Möglichkeit einer Gefährdung in sich129'. Eine Konkretisierung der Gefahr für den öffentlichen Frieden tritt erst beim Zusammentreffen der Diskriminierungsdelikte mit andern Straftaten ein.

633

Das Marginale

Der Randtitel «Rassendiskriminierung» wurde gewählt, obwohl streng genommen nur in Absatz 5 die eigentliche Diskriminierung erfasst ist. Dies geschah in erster Linie, um die Beziehung zum Übereinkommen herzustellen. Darüber hinaus rechtfertigt sich der Titel jedoch in einem weiteren Sinne für den gesamten Artikel 261bis. Sämtliche Tatbestandsvarianten beruhen auf einer menschenrechtsverletzenden Unterscheidung von Menschen.

Der Begriff der «Rasse» wurde von Soziologen wie folgt definiert: Eine Menschengruppe, die sich selbst als unterschiedlich von andern Gruppen versteht und/oder von diesen so verstanden wird, auf der Grundlage angeborener und unveränderlicher Merkmale "a\ Diese Definition trifft im wesentlichen das, was innerhalb des Begriffes Rassendiskriminierung mit dem Begriff Rasse gemeint ist. Auch die ethnische Zugehörigkeit ist von diesem Begriff erfasst. Auf das Kriterium der Religion, welches im Gegensatz zum vorliegenden Übereinkommen in die Definition des Tatbestandes ausdrücklich aufgenommen wurde, wird weiter unten eingegangen.

634

Der Aufbau

Hinsichtlich des Aufbaus wurde eine vom Vorentwurf leicht abweichende Lösung gefunden. An die Stelle der Gliederung in drei Ziffern tritt eine Einteilung in fünf Absätze, wobei jedoch die Leitgedanken des Vorentwurfes, die sich aus den Anforderungen des Übereinkommens ergeben, erhalten bleiben. Die Neugliederung ist hauptsächlich durch die Vereinheitlichung der Strafdrohung bedingt, welche eine Einteilung in Ziffern überflüssig machte. Allerdings könnten die drei Absätze der ursprünglichen Ziffer l nur schwer in einem einzigen Absatz untergebracht werden. Sie erscheinen daher als drei getrennte Absätze, obwohl sie inhaltlich zusammengehören.

Die Legaldefinition (Ziff. 3 des Vorentwurfes) wurde fallen gelassen, was allerdings dazu zwingt, die Kriterien strafbarer Diskriminierung in die Definition der Tatbestandvarianten zu integrieren. Der Nachteil etwas grösserer Schwerfäl-

310

ligkeit wird dadurch ausgeglichen, dass eine Gesetzestechnik vermieden werden kann, die im schweizerischen StGB einen Fremdkörper dargestellt hätte.

Die Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung, welche im Vorentwurf als Beispiel des Angriffs auf die Menschenwürde erscheint, wurde in einem neuen Absatz 5 als selbständige Tatbestandsvariante definiert.

Als Hauptvarianten des Tatbestandes ergeben sich somit: - Rassistische Propaganda im weiteren Sinn (Abs. 1-3) - Angriff auf die Menschenwürde (Abs. 4) - Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung (Abs. 5).

635

Die Kriterien der strafbaren Diskriminierung

Wie bereits oben erwähnt, wurde aus Gründen der Gesetzgebungstechnik die Lösung der Legaldefinition (Ziff. 3 des Vorentwurfes) aufgegeben zugunsten einer Aufzählung der Diskriminierungskriterien in der Definition des Tatbestandes.

Die Auswahl der Kriterien strafbarer Diskriminierung folgt weitgehend dem Übereinkommen 131 ). Die relativ ausführliche Aufzählung wurde indes etwas gekürzt. So gehört die Hautfarbe zu den Merkmalen der Rasse und ist daher durch die Formulierung «wegen ihrer Rasse» bereits abgedeckt. Die nationale Zugehörigkeit hätte im schweizerischen Kontext zu Missverständnissen führen können, insbesondere im Zusammenhang mit den Bestimmungen über den Erwerb der! schweizerischen Nationalität 13 ^. Andererseits wurde das Kriterium der Religion bzw. der religiösen Zugehörigkeit in die Aufzählung aufgenommen. Die Schweiz folgt damit der Empfehlung des Europarates, welche sich in der Gesetzgebung zahlreicher europäischer Staaten niedergeschlagen hat 133 ). Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Religion ursprünglich auch in die Definition des Übereinkommens aufgenommen werden sollte. Der Verzicht auf dieses Kriterium war eine Konzession an die arabischen Staaten, die es ablehnten, ihre Auseinandersetzung mit Israel nach dem Übereinkommen zu beurteilen 134\ Die Vertreter der arabischen Staaten machten geltend, zwischen Juden und Arabern bestehe kein rassischer Unterschied, sondern ein religiöser. Auch in andern Staaten wird gelegentlich eine ethnische Gruppe nach ihrer Religionszugehörigkeit bezeichnet ns\ Das Kriterium der religiösen Zugehörigkeit ist im Rahmen einer strafrechtlichen Erfassung der Rassendiskriminierung nicht fehl am Platze. In der Tat orientiert sich die Ablehnung des Fremden sehr oft entlang religiöser Kriterien.

Dagegen, wurde auf die Aufnahme anderer Kriterien, wie das Geschlecht, die sexuelle Ausrichtung, die Weltanschauung, bewusst verzichtet, da dies den Rahmen der vorliegenden Gesetzesrevision gesprengt hätte. Es darf nicht vergessen werden, dass es sich bei dem vorliegenden Entwurf um eine Anschlussgesetzgebung in bezug auf den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen handelt. Es ging somit in erster Linie darum, die daraus entstehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen in geeigneter Form in unser nationales Recht zu überführen. Es kommt hinzu, dass ein allgemeiner Diskriminierungsartikel nach französischem

311

Muster "^ nicht in den Kontext der Straftaten gegen den öffentlichen Frieden gepasst hätte 13?).

636

Die einzelnen Tatmodalitäten

636.1

Die rassistische Propaganda im weiteren Sinne (Art. 261bis Abs. 1-3)

Wie bereits erwähnt, gehören die ersten drei Absätze inhaltlich und logisch zusammen, dies umsomehr, als ihre Abgrenzung nicht immer einfach sein dürfte.

Sie werden daher gemeinsam kommentiert. Im Vergleich zum Vorentwurf (Ziff. 1) wurde dieser Komplex etwas gestrafft und präzisiert. Das öffentliche Aufrufen oder Aufreizen zu Rassendiskriminierung wurde zum Aufrufen zu Hass und Diskriminierung gegen Personen oder Gruppen von Personen wegen deren rassischer, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Damit ist die rassistische Hetze erfasst. Das öffentliche Kundtun, Rassendiskriminierung vorzunehmen, fällt weg. Die Ideen und Auffassungen werden zu Ideologien. Mit dieser Formulierung soll ausgedrückt werden, dass zur Erfüllung des Tatbestandes ein planmässiges und gezieltes Handeln gehört. Nicht jede Unmutsäusserung gegenüber Fremden soll strafbar sein, sondern die systematische Herabsetzung und Verleumdung. Ebenso soll das Organisieren und Fördern von rassistischen Propagandaaktionen poenalisiert werden, sowie ausdrücklich auch die Teilnahme an solchen Propagandaaktionen. Damit soll klargestellt werden, dass die rassistische Propagandaaktion in jeder möglichen Form als Haupttat angesehen wird. Es muss sich jedoch um eine aktive Teilnahme handeln. Das blosse passive Zuschauen gilt nicht als Teilnahme138). In der Vernehmlassung wurde mehrfach auf die Finanzierung hingewiesen, die sicher gerade bei Propagandaaktionen eine wesentliche Rolle spielen kann. Gedacht ist aber ebenso an den Täter, der zwar nicht selbst öffentliche Ansprachen hält oder Plakate aufklebt, wohl aber die Ansprachen vorbereitet, die Plakate entwirft oder die ganze Aktion organisiert.

Abgesehen von eigentlichen Propagandaaktionen im landläufigen Sinne, die Absatz 3 unter Strafe stellt, ist mit den Tatbestandsvarianten von Absatz l und Absatz 2 die rassistische Propaganda im weiteren Sinne erfasst, d. h. die Einwirkung auf ein unbestimmt zahlreiches Publikum mit dem Ziel, dieses gegen bestimmte Personen oder Gruppen von Personen aufzuhetzen. Damit ist eine Vorverlegung des strafrechtlichen Schutzes erreicht im Hinblick auf Rassenverfolgung und Genozidium.

Die Propaganda im engeren Sinne ist in der schweizerischen Lehre und Rechtsprechnung im Zusammenhang mit Artikel 275bis StGB objektiv als ein «Kommunikationsverhalten» definiert
worden, z. B. Halten von Vorträgen, Ausleihen oder Verteilen von Schriften, Ausstellen von Bildern, Tragen von Abzeichen, auch averbale Kommunikation (z. B. Hitlergruss). Subjektiv erfordre sie nicht nur das Bewusstsein, dass eine bestimmte Handlung von Menschen wahrgenommen würde, sondern auch die Absicht, durch sie zu werben, d. h. also auf Menschen einzuwirken, dass sie für die geäusserten Gedanken gewonnen oder in ihrer Überzeugung gefestigt werden139). Es spielt keine Rolle, ob die Propa-

312

ganda sich an eine oder mehrere Personen richtet, es reicht aus, dass der Täter sich an einen anoymen Kreis von Personen richtet. Als Adressaten kommen nicht nur Andersdenkende, sondern auch Gesinnungsgenossen in Frage, die dadurch in ihrer Meinung bestärkt und fanatisiert werden140).

Ähnlich wie bei der Pornographie müssen an die Beurteilung von Wissenschaft und Kunst spezifische Massstäbe angelegt werden. Im vorliegenden Entwurf wird dies durch die Einschränkung der Strafbarkeit auf systematische Herabsetzung und Verleumdung ausgedrückt. Wissenschaft und Kunst sollen nicht zu rassistischen Propagandazwecken missbraucht werden. Beim wissenschaftlichen Werk sollte das Kriterium ernsthafter Forschung und objektiver Darstellung den Ausschlag geben, beim Kunstwerk die künstlerische Verarbeitung des Themas. Gewisse Grenzfälle werden allerdings schwer zu beurteilen sein. Es wird immer wieder vorkommen, dass eine an sich verleumderische Grundtendenz in eine objektive Darstellungsweise gekleidet wird. Ebenso ist es möglich, dass die an und für sich kohärente Handlung eines Romans, eines Films oder Theaterstückes nur dazu dient, von einer bestimmten Rasse ein Feindbild zu entwerfen.

Wann die zur Strafbarkeit erforderliche Intensität der hetzerischen Grundtendenz erreicht ist, wird im Einzelfall durch das Gericht zu prüfen sein.

Aufrufen zu Rassenhass und Diskriminierung, Verbreiten rassistischer Ideologien und Betreiben rassistischer Propaganda sind als selbständige Tatbestände definiert und müssen insofern von der Anstiftung unterschieden werden. Der Anstifter hat eine Beziehung zum Täter und zu dessen Tat. Er wirkt auf die Psyche des oder der Angestifteten ein. Es braucht sich nicht um einen einzelnen zu handeln, wohl aber um eine bestimmte und überschaubare Anzahl möglicher Täter. Die Straftat ist nur dann vollendet, wenn der Anstifter den gewünschten Erfolg herbeiführt. Die Propaganda dagegen bildet ein delictum sui generis, richtet sich an die Öffentlichkeit, an unbestimmt viele und braucht nicht unbedingt zum unmittelbaren Erfolg zu führen 141 ). Ähnlich wie beim Aufrufen zu Straftaten (Art. 259 StGB) rührt die Gefährlichkeit rassistischer Propaganda daherj dass unter Umständen die massenpsychologische Erregbarkeit einer Menge ausgenutzt wird 142>. Hetzerische Propaganda schafft ein Klima, welches
die Urteilsfähigkeit der Adressaten beeinträchtigt, die moralische Hemmschwelle herabsetzt und häufig auch die durch die Rechtsordnung aufgebauten Hemmungen abbaut. Dies geschieht gerade auch beim normalen und unter anderen Umständen gesetzestreuen Bürger. Der Begriff «Menge» ist im Sinne moderner Massenpsychologie zu verstehen. Es braucht sich nicht um aufpeitschende Reden an eine physisch vorhandene Volksmenge zu handeln. Gezielte, wiederholte und systematische Beeinflussung über irgendein Kommunikationsmittel hat den gleichen Effekt.

636.2

Der Angriff auf die Menschenwürde

Eine weitere Form, den öffentlichen Frieden durch rassistisches Verhalten zu gefährden, liegt in der konkreten Beschimpfung oder Beleidigung gewisser Personen wegen deren Zugehörigkeit zu einer Rasse oder einer ethnischen oder religiösen Gruppe. Im Unterschied zu den Ehrverletzungsdelikten handelt es sich

313

hier nicht um einen Angriff auf die Ehre des Verletzten. Dem Opfer wird vielmehr seine Qualität als Mensch schlechthin abgesprochen. Die Gefährdung des geschützten Rechtsgutes liegt in der Unentrinnbarkeit der Kriterien, da sich diese jeder Bemühung um Integrierung entziehen. Seiner Abstammung oder rassischen Zugehörigkeit kann ein Mensch sich nicht entledigen. Ebensowenig kann er den religiösen Hintergrund, durch den sein Bewusstsein von Kindheit an geprägt wurde, ohne weiteres ablegen. Es würde ausserdem der in unserer Verfassung gewährleisteten Glaubens- und Gewissenfreiheit widersprechen, wenn Menschen aufgrund ständiger und konkreter Anfeindung zu einem Religionswechsel indirekt gezwungen würden.

Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener wurde im Hinblick auf die Auschwitzlüge in den Tatbestand aufgenommen. Dies soll erlauben, die als wissenschaftlich getarnten Werke der sog. Revisionisten zu erfassen. Es handelt sich dabei um die Behauptung, der Holokaust habe gar nicht stattgefunden, es habe keine Gaskammern gegeben. Auf jeden Fall seien nicht 6 Millionen Juden umgebracht worden, sondern viel weniger, und die Juden würden aus dem Holokaust wirtschaftliche Vorteile ziehen. Diese Art Geschichtsklitterung ist nicht nur ein Historikerstreit. Darin steckt oft ein propagandistisches Ziel. Als besonders gefährlich erweist sich diese Form von rassistischer Propaganda, wenn sie sich im Rahmen von Unterrichtsveranstaltungen an jugendliche Zuhörer richtet.

Andererseits darf natürlich ernsthafte Geschichtsforschung, auch über die Geschichte des 20. Jahrhunderts, nicht verunmöglicht werden. Wie bereits oben erwähnt, sind an wissenschaftliche Werke die spezifischen, in den entsprechenden Fachkreisen anerkannten Massstäbe anzulegen.

636.3

Das Verweigern einer öffentlich angebotenen Leistung (Abs. 5)

Mit dieser Tatbestandsvariante wird die eigentliche Diskriminierung erfasst, welche in letzter Konsequenz zu Erscheinungen wie Ségrégation und Apartheid führen kann. Auch hier liegt die Wurzel in einer Verachtung des Mitmenschen anderer Herkunft im weitesten Sinne. Allen Tatbestandsvarianten gemeinsam ist die Errichtung eines verachteten oder auch gefürchteten Feindbildes, aus dem die Rechtfertigung zu jeder Form von Benachteiligung, Anfeindung und Verleumdung abgeleitet wird. Es muss betont werden, dass die Beziehungen im eigentlichen Privatbereich ausdrücklich ausgenommen sind. Hier handelt es sich um Angelegenheiten legitimer individueller Entscheidungen, die vom ungeschriebenen Recht der persönlichen Freiheit gegen staatliche Eingriffe geschützt sind143'. Strafbar soll die Verweigerung einer Leistung dann sein, wenn sie in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit erfolgt und das Angebot, diese Leistung zu erbringen, grundsätzlich an die Allgemeinheit gerichtet war. Es handelt sich um den quasi-öffentlichen Bereich, der nicht mehr vom Schutz der Privatsphäre umfasst ist. Hier sind die Vertragsstaaten des Übereinkommens verpflichtet, diskriminierende Praktiken zu unterbinden. Erfasst sind davon insbesondere Arbeitsverhältnisse, Schulen, Verkehrsmittel, Hotels und Restaurants, Theater, Parks, Schwimmbäder. Diese Art von Horizöntalwirkung wird von Artikel 5 Buchstabe f des Übereinkommens ausdrücklich verlangt. Es ist richtig, dass in Artikel 5 nicht expressis verbis strafrechtliche Massnahmen gefordert werden.

314

Die Lösung durch ein Spezialgesetz nach dem Muster Grossbritanniens wäre denkbar 144 ), würde sich jedoch an der föderalistischen Struktur unseres Landes stossen. Einige der oben zitierten Gebiete fallen in die Kompetenz der Kantone.

Es wäre im augenblicklichen Zeitpunkt schwierig, auf Bundesbene ein allgemeines Verwaltungsgesetz über Rassendiskriminierung oder über das Zusammenleben verschiedener Kulturen zu erlassen. Auch ist es nicht möglich, Einfluss auf die kantonale Gesetzgebung zu nehmen, obwohl die Kantone grundsätzlich an die internationalen Verpflichtungen der Schweiz gebunden sind. Im Rahmen der Vernehmlassung sind die Kantonsregierungen gebeten worden, zur Frage einer kantonalen Gesetzgebung auf dem Gebiete der Rassendiskriminierung Stellung zu nehmen. Die überwiegende Mehrheit der Kantone kennt bisher keine solche Bestimmung. Im Rahmen der Vernehmlassung hielten 18 Kantone eine derartige Gesetzgebung für überflüssig, davon einige mit dem Hinweis auf den Vorentwurf zu Artikel 261bis StGB.

Die einzige Möglichkeit, das Problem «rassisch diskriminierender Handlungen» im Sinne von Artikel 4 des Übereinkommens wirksam zu lösen, ohne mit der Gesetzgebungskompetenz der Kantone in Konflikt zu geraten, ist daher eine Strafbestimmung auf Bundesbene. Diese Lösung hat ausserdem den Vorteil, dass die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich für die Schweiz aus dem Beitritt zum Übereinkommen ergeben, in allen Kantonen in einheitlicher Weise erfüllt werden.

637

Die Strafdrohung

Entgegen dem Vorentwurf enthält der vorliegende Entwurf einen einheitlichen Strafrahmen für sämtliche Tatmodalitäten. Damit soll dem Richter die Möglichkeit gegeben werden, im konkreten Fall die Sanktion dem Unrechtsgehalt anzupassen, unter Berücksichtigung aller Umstände. Die Erhöhung der Höchststrafe (gegenüber dem Vorentwurf) erklärt sich daraus, dass die Wirksamkeit kurzer Freiheitsstrafen in Kreisen, die sich mit dem Strafvollzug beschäftigen, immer mehr angezweifelt wird. In spezialpräventiver Hinsicht hat sich die kurze Freiheitsstrafe in der Praxis als sinnlos erwiesen und im Hinblick auf die Resozialisierung des Täters sogar als schädlich. Der Richter sollte daher die Möglichkeit haben, in schweren Fällen bis zur Höchststrafe von drei Jahren Freiheitsentzug gehen zu können. Andererseits bleibt die Möglichkeit erhalten, Bagatellfälle nur mit einer Busse zu ahnden oder mit bedingten Freiheitsstrafen.

Bei Zusammentreffen von anderen Straftaten mit einer der Begehungsarten des geplanten Artikels 261bis tritt Konkurrenz nach Artikel 68 StGB ein. Denkbar ist sowohl Realkonkurrenz - Zusammentreffen mehrerer Straftaten -, z. B.

Brandstiftung und Aufrufen zum Rassenhass oder Körperverletzung und rassistische Propaganda, als auch Idealkonkurrenz - eine Tat erfüllt den Tatbestand mehrerer Strafbestimmungen -, z. B. Verweigerung einer Leistung (etwa im Gesundheitswesen) in Idealkonkurrenz mit Artikel 129 StGB (Gefährdung des Lebens).

315

64

Die Anpassung des Militärstrafgesetzes

Im Militärstrafgesetz (nachstehend MStG) ist ein neuer Artikel 171 c vorgesehen, dessen Inhalt mit dem des neuen Artikels 261bls StGB praktisch identisch ist. Der einzige Unterschied betrifft die Sanktionen (Art. 171 c Ziff. 2 MStG). In leichten Fällen drängt sich im Rahmen des Militärdienstes die disziplinarische Bestrafung auf. Kann disziplinarisch bestraft werden, so erfolgt die Reaktion rascher als durch ein Gerichtsverfahren. Fällt diese Möglichkeit weg, so könnte die Gefahr bestehen, dass leichte Fälle überhaupt nicht geahndet würden, weil die Schwelle für einen Beizug der Militärjustiz höher liegt als für die Durchführung eines Disziplinarverfahresn.

7

Die Haltung der Schweiz gegenüber der Apartheid

Die Schweiz hat seit Jahren die Rassensegregation und die Apartheid, wo sie sich auch immer manifestieren, als Ausdrucksformen systematischer und institutionalisierter Rassendiskriminierung verurteilt und diese Haltung beispielsweise den südafrikanischen Behörden mit Klarheit zur Kenntnis gebracht. Der Bundesrat hat mit einer Erklärung vom 22. September 1986 seine Position gegenüber Südafrika verdeutlicht und seine Verurteilung der Apartheid, der systematischen Menschenrechtsverletzungen und der Gewaltanwendung durch die südafrikanischen Behörden bekräftigt. Er hat seither mehrmals auf diplomatischer Ebene für die Einhaltung der Menschenrechte und die Freilassung politischer Gefangener interveniert.

Allerdings hat sich der Bundesrat, wie andere westeuropäische Regierungen, immer wieder gegen wirtschaftliche und andere Sanktionen gegenüber Südafrika gestellt, weil er der Ansicht ist, dass solche Sanktionen nicht das geeignete Mittel sind, um friedliche Veränderungen im gesellschaftlichen und politischen System zu bewirken. Nachdem in Südafrika nun ein Reformprozess in Gang gekommen ist, scheint die Förderung des Dialogs zwischen allen beteiligten Parteien zur friedlichen Lösung der politischen und gesellschaftlichen Probleme Südafrikas nach wie vor dringend notwendig.

Im Rahmen ihres Programms «positiver Massnahmen» hat die Schweiz seit 1986 Organisationen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte in Südafrika einsetzen und die den Dialog und die gegenseitige Verständigung zwischen den Rassengruppen fördern, mit namhaften finanziellen Beiträgen (27 Mio. Fr. für 1985-1990) unterstützt.

Die bisherige schweizerische Haltung entspricht zweifellos,den Anforderungen des vorliegenden Übereinkommens, das im Gegensatz zum Übereinkommen gegen Apartheid keine wirtschaftlichen Sanktionen beispielsweise gegen Südafrika vorschreibt. Mit dem fortschreitenden Reformprozess in Südafrika wird diese Thematik im übrigen wohl an Aktualität verlieren.

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8

Positive Massnahmen gegen rassistische Verhaltensweisen

Das Übereinkommen verlangt von den Vertragsstaaten unmittelbare und wirksame Massnahmen insbesondere auf dem Gebiet des Unterrichts, der Erziehung, Kultur und Information, um Vorurteile zu bekämpfen und das Verständnis zwischen verschiedenen Volksgruppen zu fördern (Art. 7). Dazu verpflichtet es die Vertragsstaaten, die Entwicklung bestimmter Gruppen zu fördern, um deren gleichberechtigten Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten sicherzustellen (Art. 2 Abs. 2). Im Sinne einer Verpflichtung zur Prävention des Rassismus geht die Zielsetzung solcher Massnahmen über die Bekämpfung rassistischen Verhaltens im engeren Sinn hinaus und verlangt die aktive Förderung einer toleranten Gesellschaft, die «Andersartige» zugleich integriert und in ihrer kulturellen Verschiedenheit verstehen lernt.

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Bereits getroffene Massnahmen des Bundes und der Kantone

Es ist ari dieser Stelle nicht möglich, alle Massnahmen des Bundes und der Kantone, die Auswirkungen auf eine solche Integration von Ausländerinnen und Ausländern oder von spezifischen schweizerischen Bevölkerungsgruppen haben, aufzulisten. Es seien nur einige Punkte herausgegriffen, um einen kurzen Überblick über die besonders sensiblen Bereiche zu ermöglichen.

Der Bundesrat hat im Jahr 1970 die Eidgenössische Kommission für Ausländerprobleme (EKA) mit dem Auftrag geschaffen, Möglichkeiten für ein besseres Zusammenleben von Schweizern und Ausländern aufzuzeigen sowie entsprechende Initiativen anzuregen und zu unterstützen. Die Kommission zählt heute 26 Mitglieder, davon sechs ausländischer Herkunft, und verfügt über ein Sekretariat von fünf Personen. Aus der Aufgabenstellung der Kommission ergeben sich zwei Hauptakzente: Einerseits hilft sie mit, den Schweizerinnen und Schweizern die Andersartigkeit der ausländischen Mitmenschen und deren Probleme verständlicher zu machen. Andererseits unterstützt sie Anstrengungen, die den Ausländerinnen und Ausländern Gelegenheit bieten, in die schweizerische Umgebung hineinzuwachsen, die ortsüblichen Denk- und Verhaltensweisen kennenzulernen und Kontakte zur schweizerischen Bevölkerung zu pflegen.

Im Laufe ihrer zwanzigjährigen Tätigkeit hat die Komission mannigfache Abklärungen vorgenommen und sich zu zahlreichen Sachfragen geäussert. Die EKA pflegt regelmässige Kontakte mit Ausländervereinigungen und mit den Ausländerdienststellen. Das Handbuch «Ausländer in der Gemeinde», herausgegeben von der EKA in Zusammenarbeit mit den schweizerischen Dachverbänden der Städte, Gemeinden und Bürgergemeinden, unterstützt die Lokalbehörden in ihrer besonderen Verantwortung gegenüber ;den ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern.

Erziehung und Bildung ist in erster Linie Sache der Kantone, welche bereits heute in vielfältiger Art und Weise um die Förderung interkulturellen Verständnisses und Toleranz bemüht sind und solche Aktivitäten von Privaten unterstützen. Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens, das zum Beitritt zum vorliegenden Übereinkommen durchgeführt wurde, haben sich einige Kantone über

317

Massnahmen im Bereich des Erziehungswesens geäussert, die sie - unter anderem gestützt auf entsprechende Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren - zum Zwecke einer vermehrten Bekämpfung rassistischen Verhaltens zu ergreifen bereit sind. Genannt wurden beispielsweise eine intensivere und bessere Schulung fremdsprachiger Kinder, vor allem in der Ortssprache, vermehrte interkulturelle Erziehung in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften sowie vermehrte Hilfe an Fremdsprachige bei der Berufswahl und Berufsbildung. Einige Kantone verfügen im übrigen über rechtliche Vorschriften, welche das Recht aller Kinder festhalten, ungeachtet des rechtlichen Status ihrer Eltern in die Schule aufgenommen zu werden.

Andere Bestimmungen bezwecken die Förderung der kulturellen Identität der Kinder.

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK hat am 6. Juni 1991 eine Erklärung verabschiedet, in der sie den Beitritt zum vorliegenden Übereinkommen begrüsste und feststellte, dass «das weltweite Problem der Menschenrechte, aber ebenso das Zusammenleben mit Menschen aus andern Ländern und Kulturen in der Schweiz» auch das Bildungswesen herausfordere. Die Konferenz bekräftigte die Grundsätze der vollen Integration fremder Kinder und Jugendlicher sowie der «Wertschätzung der anderen Kultur dieser Menschen und der positiven Rücksichtnahme darauf». Sie stellte fest, dass die Schule aller Stufen «zur Achtung vor den Mitmenschen, zur Toleranz unter religiösen, ethnischen, sozialen u. a. Gruppen und zum Frieden unter den Völkern zu erziehen» habe. Unterricht und Erziehung in der Schule sollten darauf hinwirken, dass offene und versteckte Formen von Rassismus bewusst gemacht und bekämpft würden und dass die Begegnung mit fremden Menschen und Gruppen angstfrei und offen verlaufen könne. Diese Grundsätze sollten namentlich auch in der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung sowie bei der Erstellung von Lehrplänen und Lehrmitteln beachtet werden. Am 24. Oktober 1991 hat die EDK denn auch neue Empfehlungen zur Schulung fremdsprachiger Kinder an die Kantone gerichtet.

Das Sekretariat der Nationalen Kommission für die UNESCO hat im weiteren eine Gruppe von assoziierten Schulen gegründet, um diese mit Unterrichtsmaterial zu beliefern, das zur Sensibilisierung für unterschiedliche
Kulturen beiträgt.

Auch der Bund hat im Bereich seiner Jugendpolitik einige Aktivitäten entwikkelt, welche der Zielsetzung des Übereinkommens entsprechen. So sieht etwa die Verordnung über die Jugendförderung die finanzielle Unterstützung des Austausches von Jugendlichen vor 145 ). Der Jugendaustausch ist zweifellos ein wichtiger Beitrag zum Abbau nationaler und rassischer Vorurteile. Im weiteren erwähnt die gleiche Verordnung die spezielle Förderungswürdigkeit von Organismen, welche die aktive Teilnahme ausländischer Jugendlicher begünstigen.

Der Bund hat denn auch bereits eine Reihe von Subventionen in diesen Bereichen ausgerichtet. So hat er beispielsweise die Kampagne gegen den Rassismus der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände finanziell unterstützt. Im weiteren gewährt der Bund Stipendien an ausländische Studierende und Kunstschaffende und trägt damit zur aktiven Präsenz anderer Kulturen in der Schweiz bei 146 ).

318

Die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen analysiert im übrigen das Phänomen des Rassismus bei Jugendlichen in einem kürzlich erschienenen Teilbericht über die Situation der Jugend in der Schweiz.

In Bereich des Asylrechts unterstützt der Bund schliesslich Projekte in der ganzen Schweiz, an denen Asylbewerberinnen und Asylbewerber, vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge sowie Schweizerinnen und Schweizer teilnehmen. Diese Projekte bezwecken die Verbreitung von Kenntnissen über fremde Kulturen und Religionen oder sind Beschäftigungsprojekte für Asylbewerberinnen und -bewerber oder für anerkannte Flüchtlinge.

Für die Kulturpolitik sind wiederum in erster Linie die Kantone zuständig, welche ihre Kulturpolitik auch am Verbot der Rassendiskriminierung auszurichten haben. In dieser Hinsicht ist besonders auf die Situation der mehrsprachigen Kantone hinzuweisen: Das Zusammenleben verschiedensprachiger Gruppen im selben Kanton ist Gegenstand mannigfaltiger Regelungen und Massnahmen, welche sowohl der kantonalen Einheit wie der kulturellen Identität der einzelnen Gruppe Rechnung zu tragen versuchen.

In verschiedenen Bereichen hat auch der Bund Möglichkeiten wahrgenommen, das interkulturelle Verständnis und die kulturelle Identität von speziellen Gruppen zu fördern. So unterstützt der Bund etwa die schweizerische Vereinigung der Fahrenden, die Radgenossenschaft der Landstrasse, mit einem jährlichen Beitrag von 250 000 Franken.

Ein Bundesgesetz ermöglicht im weiteren Beiträge des Bundes an die Kantone Graubünden und Tessin zur Förderung der rätoromanischen und italienischen Kultur und Spracheul\ Vor allem über die Stiftung Pro Helvetia leistet der Bund namhafte Beiträge an Kulturaustauschprogramme, auch im Verhältnis Nord-Süd. Im Rahmen der Filmförderung erhält die filmische Zusammenarbeit mit der Dritten Welt und deren Präsenz in der Schweiz besondere Unterstützung.

Im Bereich der Information ist in erster Linie auf die Programmautonomie von Radio und Fernsehen (Art. 55bis BV) sowie auf die Pressefreiheit (Art. 55 B V) hinzuweisen. Direkte Einflussmöglichkeiten des Bundes etwa auf die Programmgestaltung von Radio und Fernsehen - im Sinne beispielsweise einer verfügten Kampagne gegen Rassismus - gibt es nicht.

Allerdings verpflichten die Konzessionsbestimmungen die Schweizerische Radio-
und Fernsehgesellschaft SRG, je drei Radioprogramme und je ein Fernsehprogramm für die deutsche, französische und italienische Schweiz sowie ein Radioprogramm für die rätoromanische Schweiz zu veranstalten. Die Fernsehprogramme der andern drei Sprachregionen haben die Belange der rätoromanischen Sprachregionen zu berücksichtigen148*. Die SRG hat darauf zu achten, dass nationale Themen in allen Sprachregionen behandelt werden. Die Programme sollen «insgesamt die kulturellen Werte des Landes wahren und fördern sowie zur geistigen, sittlichen, religiösen, staatsbürgerlichen und künstlerischen Bildung» beitragen; sie sollen «den Interessen des Landes dienen, die nationale i Einheit und Zusammengehörigkeit stärken und zur internationalen Verständigung beitragen» 149). Sendungen, welche den Rassismus zu bekämpfen bezwecken, entsprechen demnach durchaus dem Programmauftrag. Beispiels319

weise hat die SRG 1990 mit «Plaza. Leben und Reden mit Andern» sowie mit «Migrations» im Radio DRS l und Radio RSR l zwei neue Sendungen geschaffen. Die wöchentlich ausgestrahlten Sendungen von je einer Stunde wollen zu einem besseren Verständnis zwischen einheimischer und ausländischer Bevölkerung beitragen.

Sollten Radio und Fernsehen allerdings rassistische Sendungen ausstrahlen, verletzte dies die Konzession. Die Weisungen über die Fernsehwerbung verbietet im übrigen Werbung, die unter anderem gegen die guten Sitten verstösst, Gewalttaten fördert oder unterstützt sowie Dritte in ihrer Würde verletzt.

Schliesslich ist auf das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen von 1989 hinzuweisen, das vorschreibt, dass alle grenzüberschreitenden Sendungen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten müssen. Insbesondere dürfen die Sendungen nicht geeignet sein, zum Rassenhass aufzustacheln150'.

Obwohl der Bund nicht direkt auf die Programme von Radio und Fernsehen einwirken kann, ist es ihm durchaus unbenommen, Informationen, die zur Bekämpfung von Vorurteilen geeignet sind, mediengerecht aufzubereiten und so indirekt die Berichterstattung der elektronischen und gedruckten Medien zu beeinflussen. Im weiteren könnte im Rahmen der angestrebten Ausbildungsförderung für Journalistinnen und Journalisten durch den Bund die Sensibilisierung der Medienschaffenden für die Problematik des Rassismus thematisiert werden.

82

Weitere notwendige Massnahmen

821

Intensivierung der Anstrengungen

Die obenstehende Darstellung hat gezeigt, dass vieles zur Bekämpfung von Vorurteilen bereits getan wird. Angesichts der Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und rassistisch motivierter Gewalt vor allem gegenüber Ausländerinnen und Ausländern, müssen die Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Kultur und Information zur Bekämpfung und Verhütung von Vorurteilen und zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses intensiviert werden. Das Ziel solcher Anstrengungen muss es sein, das Andersartige in unsere Gesellschaft zu integrieren, ohne die Andersartigkeit gleich zu zerstören. Die Suche eines Gleichgewichts zwischen Bewahrung oder allenfalls sogar Förderung der andersartigen Identität einerseits und der Integrierung des Andersartigen andererseits ist eine Daueraufgabe, die immer wieder neu gelöst werden muss. Ziel ist eine möglichst integrierte, aber kulturell vielfältige, tolerante Gesellschaft, in der die verschiedenen Bevölkerungsgruppen einen Grundkonsens über das friedliche Zusammenleben gefunden haben und sich in einem entsprechenden Gesprächsklima mit den allenfalls unterschiedlichen Wertvorstellungen anderer Bevölkerungsteile auseinandersetzen können.

Trotz der in diesen Bereichen weitreichenden Kompetenzen der Kantone hat der Bund dabei eine besondere Verantwortung. Mit der geplanten Revision des Sprachenartikels (neue Schutz- und Förderungskompetenz für die traditionellen Minderheitensprachen sowie Förderung der Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften) und dem vorgesehenen neuen Kulturförderungsartikel 320

(Förderung des kulturellen Lebens in seiner Vielfalt sowie des Verständnisses der Bevölkerung für kulturelle Werte) wird er dieser Verantwortung noch besser gerecht werden können. Der Bundesrat wird deshalb in seinen Kompetenzbereichen - besonders etwa beim Entscheid über Stipendien sowie über Beiträge an Projekte im Bereich der Jugendarbeit, des Kulturaustausches und des Films - dem Aspekt der Bekämpfung und Verhütung rassistischer Vorurteile vermehrt Beachtung schenken. In diesem Sinne hat der Bundesrat auch positiv zu einer Parlamentarischen Initiative der Kommission für soziale Sicherheit des Nationalrates Stellung genommen, in der die Schaffung eines Bundesgesetzes betreffend die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» verlangt wird, um die gegenwärtigen Probleme der Fahrenden in unserer Gesellschaft einer Lösung näher zu bringen. Überdies scheinen dem Bundesrat grössere Anstrengungen im Bereich der Information und ein koordiniertes Vorgehen in den verschiedensten Lebensbereichen von zentraler Bedeutung.

Auch die Kantone werden durch Artikel 7 des vorliegenden Übereinkommens verpflichtet, die Notwendigkeit spezieller Massnahmen im Bereich von Ausbildung und Kultur immer wieder neu zu prüfen und entsprechend zu handeln.

Auch intensive staatliche Anstrengungen werden allerdings nicht genügen, um rassistische Vorurteile aus der Welt zu schaffen. Andere gesellschaftliche Kräfte müssen sich ebenso an der Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus beteiligen. Kirchliche Kreise, Ausländerdienste und Ausländerorganisationen, Flüchtlingshilfswerke, Entwicklungsorganisationen, Menschenrechtsorganisationen, Jugendorganisationen, Kulturinstitute und viele weitere leisten schon heute zum Teil sichtbar, zum Teil unsichtbar wichtige Sensibilisierungsund Informationsarbeit, welche heute kaum überblickbar ist. Die staatlichen Behörden sollten nach Möglichkeit solche äusserst wertvollen Aktivitäten vermehrt fördern.

822

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus

Die Bekämpfung der Rassendiskriminierung in der Schweiz ist eine Aufgabe mit pädagogischen, soziologischen, kulturellen, föderalistischen, entwicklungsund migrationspolitischen sowie juristischen Aspekten. Fremdenfeindlichkeit ist ein vielschichtiges Problem, das sich in fast allen Lebensbereichen stellt und nach einer aktiven, differenzierten Gegenstrategie ruft, um Frieden und Stabilität weiterhin zu gewährleisten.

Schon heute gibt es eine unübersichtliche Vielzahl von Massnahmen auf öffentlicher, halböffentlicher und privater Ebene. Um eine Übersicht darüber zu gewinnen und um der Komplexität des Problems Rechnung zu tragen, ist der Bundesrat der Ansicht, dass eine Eidgenössische Kommission notwendig ist.

Aufgabe dieser Kommission müsste es sein, - die Gründe für die aktuelle Fremdenfeindlichkeit und für rassistische Verhaltensweisen zu analysieren, - für eine Bestandesaufnahme der aktuellen rechtlichen und gesellschaftlichen Situation und der getroffenen Gegenmassnahmen auf staatlicher und nichtstaatlicher Ebene zu sorgen, 321

- neue Massnahmen auf allen Ebenen anzuregen, zu koordinieren und zu unterstützen, allenfalls ein Massnahmenprogramm zu erstellen, - den Bundesrat in allen Fragen, welche mit der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verbunden sind, zu beraten.

Die Arbeit der Kommission, welche sich aus Sachverständigen und aus Politikerinnen und Politikern aller staatlichen und nichtstaatlichen Ebenen zusammensetzen sollte, wäre im weiteren bei der Ausarbeitung der regelmässigen Berichte, welche die Schweiz dem UN-Kontrollausschuss zur praktischen Umsetzung des Übereinkommens abliefern muss, von grossem Nutzen.

Wie der Bundesrat in seiner Antwort vom 6. November 1991 auf eine Einfache Anfrage von Nationalrat Rechsteiner vom 26. September 1991 bereits dargelegt hat, wird der Bundesrat die Modalitäten einer solchen Kommission näher prüfen. Er wird namentlich die Möglichkeit abklären, das Mandat und die Zusammensetzung einer bereits in einem verwandten Gebiet tätigen Kommission, wie etwa der Eidgenössischen Kommission für Ausländerprobleme, zu erweitern.

9

Die Schweiz und das fakultative individuelle Mitteilungsverfahren

Es stellt sich die Frage, ob die Schweiz im Zeitpunkt des Beitritts die in Artikel 14 des Übereinkommens vorgesehene Erklärung abgeben soll, dass sie die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner Personen oder Personengruppen anerkennt151).

Wie bereits erwähnt, haben bis heute nur 14 der 130 Vertragsstaaten die Zuständigkeit des Ausschusses gemäss Artikel 14 anerkannt152). Die westlichen Vertragsstaaten, welche die Anerkennungserklärung bis heute nicht abgegeben haben, begründen dies vor allem mit der Befürchtung, das individuelle Mitteilungsverfahren könnte in unerwünschte Konkurrenz mit den bereits existierenden Individualbeschwerdeverfahren auf europäischer wie auf universeller Ebene treten1"). Obwohl die doppelte Behandlung desselben Falles durch zwei verschiedene Kontrollorgane mit einer entsprechenden Erklärung des betreffenden Staates ausgeschlossen werden kann 154 ), machen die nichtanerkennenden Staaten geltend, dass die Behandlung ähnlicher Fälle im gleichen Rechtsbereich durch verschiedene Kontrollorgane die Gefahr unterschiedlicher, widersprüchlicher Praxis der beiden Organe in sich berge und damit der Rechtssicherheit abträglich sei.

Für die Schweiz gälte dieses Argument heute nur mit Bezug auf einen allfälligen Konflikt mit dem Individualbeschwerdeverfahren der EMRK, da unser Land den Entscheid über den Beitritt zum Ersten Fakultativprotokoll des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte noch aufgeschoben hat155). Die unterschiedliche Tragweite von Artikel 14 EMRK (allgemeines Diskriminierungsverbot bezüglich Rechte der EMRK) und des vorliegenden Übereinkommens (Rassendiskrimierungsverbot in allen Menschenrechtsbereichen) könnten nach Ansicht des Bundesrates verschiedene Kontrollorgane durchaus rechtfertigen. Dasselbe gälte auch für eine mögliche Konkurrenz zwischen dem vorliegenden Verfahren und dem individuellen Kontrollverfahren des Pak322

tes 156 \ Wegen ihrer unterschiedlichen Mandate haben die Kontrollorgane auch unterschiedliche Gesichtswinkel, die beide für sich zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes beitragen können.

Die Schweiz hat sich immer für die Verbesserung und die Entwicklung von internationalen Kontrollmechanismen im Menschenrechtsbereich eingesetzt. Kontrolle ist ein bestimmendes Element jeder Politik für einen besseren Menschenrechtsschutz. In diesem Sinne entspräche es durchaus einer konsequenten Menschenrechtspolitik, wenn die Schweiz die Anerkennungserklärung nach Artikel 14 des Übereinkommens schon beim Beitritt abgeben würde. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass die Schweiz mit diesem Schritt noch zuwarten sollte, wie dies bereits mit Bezug auf den Beitritt zum Fakultativprotokoll des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte geschehen ist.

Dieser Aufschub wird erlauben, den Erfahrungen mit dem Kontrollausschuss des vorliegenden Übereinkommens, der sich auf der Grundlage der Staatenberichte auch ohne Individualbeschwerdeverfahren umfassend mit der praktischen Umsetzung des Übereinkommens in der Schweiz befassen wird, sowie den Erfahrungen mit den Kontrollorganen der Menschenrechtspakte in umfassender Weise Rechnung zu tragen.

Um das Verfahren zu vereinfachen und das Parlament nicht unnötig zu belasten, sollte der Bundesrat die Kompetenz erhalten, die Anerkennungserklärung gemäss Artikel 14 des Übereinkommens abzugeben, wenn er zur Ansicht gelangt, die Voraussetzungen dafür seien erfüllt.

10

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Laut dem heute noch gültigen Artikel 8 Absatz 6 des vorliegenden Übereinkommens haben die Vertragsstaaten für die «Ausgaben der Ausschussmitglieder, solange sie Ausschussaufgaben wahrnehmen» aufzukommen. Die Schweiz wird sich nach; dem ordentlichen Verteilungsschlüssel der UNO anteilsmässig an den entsprechenden Kosten beteiligen. Die vorgesehene Revision der Finanzierungsmodalitäten 157) wird zur Folge haben, dass die Schweiz mit ihrem Beitrag an die allgemeinen Verwaltungskosten der UNO auch die Aktivitäten des Ausschusses zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung mitfinanzieren würde. Der Kostenanteil der Schweiz würde damit tendenziell eher kleiner, und der administrative Ablauf würde damit erleichtert.

Die Bundesverwaltung wird alle zwei Jahre einen substantiellen Bericht zuhanden des Kontrollausschusses über die praktische Umsetzung des Übereinkommens erstellen müssen. Für die Ausarbeitung der Berichte, welche die Schweiz den Kontrollausschüssen der beiden Menschenrechtspakte abliefern muss, hat die Direktion für Völkerrecht (EDA) und das Bundesamt für Justiz (EJPD) bereits je eine zusätzliche Personaleinheit verlangt 15S\ Angesichts der prekären Finanzlage des Bundes sind das EDA und das EJPD bereit zu versuchen, die zusätzliche Arbeitslast im Zusammenhang mit den Berichten über die praktische Umsetzung des Übereinkommens gegen die Rassendiskriminierung mit dem Personalbestand, wie er sich nach den bereits erwähnten Erhöhungen darstellt, zu bewältigen. Sollte sich diese Lösung als nicht gangbar erweisen, wird allerdings darauf zurückzukommen sein.

323

Der Beitritt zum Übereinkommen wird keine finanziellen Lasten für die Kantone nach sich ziehen und keine Auswirkungen auf ihren Personalbestand haben.

11

Legislaturplanung

Die Vorlage zum Beitritt zum Übereinkommen ist im Bericht über die Legislaturplanung 1991-1995 vorgesehen.

12

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über den Beitritt zum Übereinkommen beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, der den Bund ermächtigt, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5 BV.

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über die Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes beruht auf Artikel 64bis BV, welcher den Bund zur Gesetzgebung im Gebiete des Strafrechts befugt. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 2 BV.

Laut Artikel 89 Absatz 3 BV werden völkerrechtliche Verträge dem Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Bst. a), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Bst. b) oder wenn sie eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen (Bst. c). Der Beitritt zum vorliegenden Übereinkommen ist kein Beitritt zu einer internationalen Organisation, und das Übereinkommen ist laut Artikel 21 kündbar. Es stellt sich einzig die Frage, ob der Beitritt zum Rassendiskriminierungsübereinkommen eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführt. Nach konstanter Praxis des Bundesrates unterliegen dem fakultativen Referendum nur diejenigen Verträge zwingend, die Einheitsrecht enthalten, das im wesentlichen direkt anwendbar ist und ein bestimmtes, genau umschriebenes Rechtsgebiet genügend umfassend regelt, d. h. jenen Mindestumfang aufweist, der auch nach landesrechtlichen Massstäben die Schaffung eines separaten Gesetzes als sinnvoll erscheinen liesse (BB1 1988 l 912, 1990 III 948). Das Parlament hat die Praxis des Bundesrates präzisiert und entschieden, dass in Einzelfällen - wegen der Bedeutung und Art der Bestimmungen oder weil internationale Kontrollorgane geschaffen werden - auch dann eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung vorliegen kann, wenn die betreffenden internationalen Normen nicht zahlreich sind (BB1 1990 III 948 mit Hinweisen). Das vorliegende Übereinkommen enthält nur zu einem Teil direkt anwendbare Bestimmungen. Es konkretisiert zwar das Verbot der Rassendiskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen; von einer umfassenden Regelung eines bestimmten Rechtsgebietes kann jedoch keine Rede sein.

Der eingesetzte Kontrollausschuss ist im weiteren nicht befugt, das Übereinkommen
in rechtlich bindender Weise auszulegen oder gar Vertragsstaaten wegen der Verletzung seiner Bestimmungen rechtlich zu verurteilen. Da das Übereinkommen schliesslich das geltende schweizerische Verfassungsrecht nicht abändert, sondern verstärkt, rechtfertigen auch die einzelnen von ihrem Inhalt her 324

mit Verfassungsrecht vergleichbaren Vorschriften des Übereinkommens dessen Unterstellung unter das fakultative Referendum gemäss Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c nicht.

Die Revision des Strafgesetzbuches untersteht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 89 Absatz 2 BV.

325

Fussnoten '' vgl. den Bericht des Bundesrates vom 15. Mai 1991 zur Ausländer- und Flüchtlingspolitik, BEI 1991 III 298 ff.

> Anhang zum Bericht des Bundesrates über die schweizerische Menschenrechtspolitik vom 2. Juni 1982, BEI 1982 II 791 3 > zur Begründung vgl. Botschaft des Bundesrates vom 30. Januar 1991, BB1 1991 I 1201 4 > SR 0.822.721.1, Art. l und 2 5 > SR 0.142.30, Art. 3 ") SR 0.142.40 2

7

> SR 0.105

8

> unterzeichnet von der Schweiz am 1. Mai 1991 vgl. Entscheid des Internationalen Gerichtshofes in Sachen Barcelona Traction Light and Power Company Ltd., ICJ Reports 1970, S. 32; zum Verbot systematischer Folter als völkerrechtliches Jus cogens vgl. Peter Saladin, Völkerrechtliches Jus cogens und schweizerisches Landesrecht, in: Jenny/Kälin, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1988, Bern 1988, S. 79 und dortige Verweise; zum Verbot systematischer Rassendiskriminierung als Jus cogens vgl. Roland Strauss, Das Verbot der Rassendiskriminierung: Völkerrecht, internationales Übereinkommen und schweizerische Rechtsordnung, Zürich 1991, S. 81 ff.

">> vgl. Asbjorn Eide, Study on thè achievements made and obstacles encountered during thé Décades to Combat Racism and Racial Discrimination, vom 24. September 1990, UN-DOC A/45/525.

'» SR 0.101 12 ' vgl. dazu und zur neuesten Rechtsprechung in diesem Bereich Giorgio Malinverni, La Convention européenne des droits de l'homme, Fiches juridiques suisses 1384, XV. L'interdiction de la discrimination (art. 14), p. 18s.

u ' vgl. Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 14. Dezember 1973 in der Sache Asiatiques d'Afrique orientale gegen Grossbritannien, No. 4403/70 etc. S.92; vgl. zu Art. 14 und der Einwanderungspolitik Grossbritanniens den Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Grossbritannien, Série A, Vol. 94, S. 39 '") Europäisches Parlament, Bericht des Untersuchungsausschusses Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom 23. Juli 1990, A3-195/90, Doc-DE/RR/93062 > 5 > «Europe» No. 5628 vom 12. Dezember 1991, S. 6 "' Dokument des Kopenhagener Treffens über die menschliche Dimension der KSZE 1990, Ziff. 5.9; vgl. auch Abschliessendes Dokument des Wiener Folgetreffens der KSZE 1986-1989, Fragen der Sicherheit in Europa, Ziff. 11, 13.7, BB1 1989 II 444 ff.; Dokument des Moskauer Treffens über die menschliche Dimension der KSZE 1991, Ziff. 38.1, 42.1 "' vgl. auch die Charta von Paris für ein neues Europa, S. 17 und den Bericht des Genfer KSZE-Expertentreffens über nationale Minderheiten 1991, v. a. Ziff. VI 18 > Res 1510 (XV) "> Res 1780 (XVII) 2 ») Res 1904 (XVIII) 2 >) Motion (Ziegler-Genf)Robbiani vom 16. Juni 1983, Einfache Anfrage Petitpierre vom 19. Dezember 1985,
Interpellation Rechsteiner vom 20. Juni 1986, Frage Spielmann vom 20. September 1989, Postulat der Petitions- und Gewährleistungskommission des Nationalrates vom 13. Januar 1989, Postulat Grendelmeier vom 22. Juni 1989, Frage Spielmann vom 20. September 1989, Frage Brügger vom 4. Dezember 1989, Interpellation der SP-Fraktion zu Rassismus und Rechtsextremismus vom 27. November 1989, Frage Rechsteiner vom 18. Juni 1990, Frage Grendelmeier vom 10. Dezember 1990, Einfache Anfrage Rechsteiner vom 26. September 1991 (Expertenkommission zum Problem des Rassismus in der Schweiz), Einfache Anfrage Longet vom 23. September 1991 22 > BB1 1982 II 729 ff.

23 ) vgl. dazu den Bericht des Bundesrates über die schweizerische Sicherheitspolitik im Wandel, vom 1. Oktober 1990, BB1 1990 II 847 lf > Appenzell Innerhoden 9)

326

25)

Nationale Aktion (heute Schweizer Demokraten) > Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins > Einzig der Kanton Zürich lehnt sie ausdrücklich ab.

2S > Freisinnig-demokratische Partei FDP, Nationale Aktion (heute Schweizer Demokraten) M > Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins 30 > vgl. Zusammenstellung der Stellungnahmen und Zusammenfassung der Ergebnisse vom 5. Dezember 1990, EDMZ Nr. 201.220 d 31 > vgl. Karl Josef Partsch, Rassendiskriminierung, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, München 1991, 88/N. 9; vgl. zum Begriff der «Rasse» etwa auch Roland Strauss (Anm. 9). S. 24 ff.

32) Theodor Meron, The Meaning and Reach of thè International Convention on thè Elimination of all Forms of Racial Discrimination, in: American Journal of international Law 79/1985, S. 287 f.; Natan Lerner, The UN Convention on thè Elimination of all Forms of Racial Discrimination, Alphen aan de Rijn 1980. S. 30 f.

33 ' Egon Schwelb, The International Convention on thè Elimination of all Forms of Racial Discrimination, in: The International and Comparative Law Quarterly 15/1966, S. 6 3J ' Jörg Paul Müller, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, Bern 1991, S. 9 3ä * Theodor Meron gibt einige Hinweise, wie diese Schwierigkeiten gelöst werden könnten, (Anm. 32), S. 291 ff.

36 > vgl. dazu Drew Mahalic/Joan Gambee Mahalic, The Limitation Provisions of thè International Convention on thè Elimination of all Forms of Racial Discrimination, in: Human Rights Quarterly HRQ 9/1987 S. 74 ff.; Roland Strauss (Anm. 9), S. 103 ff. und dortige Verweise 37) Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 78; vgl. dazu auch hinten, Ziff. 5.4 s > Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 79 ff.; Roland Strauss (Anm. 9), S. 104 ff.

») Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 85 ff.; Roland Strauss (Anm. 9), S. 110 ff.

°> Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 83 ff.

') Näheres vgl. unten Ziff. 6 2 > vgl. zur Liste unten Ziff. 5.3 3 > Theodor Meron (Anm. 32), S. 294; Roland Strauss (Anm. 9), S. 128 und dortige Verweise 44 > vgl. Commitee for thè Elimination of Racial Discrimination (CERO). Teaching, Education, Culture and Information as Means of Eliminating Racial Discrimination, UN New York 1985, CERD/3 «) Natan Lerner (Anm. 32), S. 76 46 > vgl. zu den Aktivitäten des Ausschusses: Human Rights
Fact Sheet No. 12, The Committee on thè Elimination of Racial Discrimination, UN Geneva 1991 "1 Natan Lerner (Anm. 32), S. 78. 118 ff.

48 > Rapport CERD 1990, UN-Doc A/45/18, 21 "') Natan Lerner (Anm. 42), S. 213 5 °) Algerien, Costa Rica, Dänemark, Ecuador, Frankreich, Ungarn, Island, Italien, die Niederlande, Norwegen, Peru, Senegal, Schweden, Uruguay 51 ' Opinion du Comité pour l'élimination de la discrimination raciale (CERD) du 10 août 1988 concernant la communication no. 1/1984 (Yilmaz-Dogan c. Pays-Bas), in: Rapport CERD UN-Doc A/43/18, Annexe IV 52) Opinion CERD du 18 mars 1991 concernant la communication no. 2/1989 (Demba Talibe Diop c. France), in: Rapport CERD UN-Doc A/46/18, Annexe VIII "> Natan Lerner (Anm. 32), S. 90 f.; Egon Schwelb, The International Convention on thé Elimination of ail Forms of Racial Discrimination, in: The International and Comparative Law Quarterly 15/1966, S. 1048 54 ' Schweden. Dänemark, Norwegen und Italien ") Mehrere Vertragsstaaten haben hiezu einen Vorbehalt angebracht, weil sie der Ansicht sind, dass für die Anrufung des Gerichtshofes die Zustimmung beider Streitparteien notwendig sei.

56) vgl. dazu oben Ziff. 4.1 "> vgl. dazu im einzelnen unter Ziff. 5.4 26 27

327

58) 59)

60) 61) 62) 63)

64) 65)

66) 67) 68)

69) 70)

71)

2) 3) 4) i) 6) 7) S)

79) 80)

81)

82) 83) 84)

85)

86) 87) 88) 89) 90) 91)

vgl. dazu unten Ziff. 8 Botschaft des Bundesrates betreffend den Beitritt der Schweiz zu den beiden Internationalen Menschenrechtspakten vom 30. Januar 1991, BB1 1991 I 1203; BGE 112 Ib 184; BB1 1988 III 347, BGE 111 Ib 72 Jörg Paul Müller (Anm. 34), S. 214 Statt vieler BGE 110 la 13 und dortige Verweise Jörg Paul Müller (Anm. 34), S. 218 BGE 68 II 377 ff.; BGE 72 I 407 ff.; ausführliche Darstellung bei Roland Strauss (Anm. 9), S. 184 ff.

BB1 1985 III 163, 192 vgl. Georg Müller, Kommentar Bundesverfassung, Art. 4, Rz. 26; Arthur Häfliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985 S. 51 vgl. oben Ziff. 4.1 Georg Müller (Anm. 65), Rz. 30; Arthur Häfliger (Anm. 65), S. 60 f.

Georg Müller (Anm. 65), Rz. 22; Luzius Wildhaber, Gedanken zur Rassendiskriminierung, Rechtsgleichheit und Drittwirkung im schweizerischen Recht, in: ZB1 72/1971, S. 465 ff.

vgl. dazu BGE 111 II 253 ff. und dortige Verweise In BGE 86 II 365 ff. (Giesbrecht) verneinte das Bundesgericht zwar die Pflicht einer marktbeherrschenden Genossenschaft, weitere Mitglieder aufzunehmen, bejahte aber infolge deren Marktbeherrschung die Pflicht der Genossenschafter, Aussenseiter zu gleichen Konditionen zu beliefern wie die Mitglieder. In BGE 113 II 37 ff.

(SMUV) bejahte das Bundesgericht die Pflicht der Parteien eines Gesamtarbeitsvertrages, eine weitere Arbeitnehmerorganisation in den GAV aufzunehmen, weil sonst die Koalitionsfreiheit - und damit die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer - verletzt sei.

vgl. zur Horizontalwirkung im Bereich der Rechtsgleichheit Herbert Trachsler, Das privatrechtliche Gleichbehandlungsgebot -- Funktionaler Aspekt der Persönlichkeitsrechte gemäss Art. 28 ZGB, St. Gallen 1991 ; Georg Müller (Anm. 65), Rz. 22 f.; Arthur Häfliger (Anm. 65), S. 47 f.; Luzius Wildhaber (Anm. 68), S. 467 ff.

vor allem im Bereich der öffentlich angebotenen Leistung; vgl. unten Ziff. 6 vgl. oben Ziff. 424 Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 171 f.

BGE 108 la 248 E. 1.

Art. 12 Abs. l des Paktes, BB1 1991 I 1233 Art. 8 Abs. l ANAG; SR 142.20 vgl. Botschaft des Bundesrates zum Beitritt zu den beiden Menschenrechtspakten; BB1 1991 I 1199 SR 211.412.41 Daniel Thürer, Der politische Status der Ausländer in der Schweiz, in: Haller/Müller/Kölz/Thürer (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Häfelin, Zürich 1989, S. 188 f. und
dortige Verweise Art. 16 des Pakts, vgl. Botschaft des Bundesrates zum Beitritt zu den beiden Menschenrechtspakten; BB1 1991 I 1197, 1219 SR 220 Roland Strauss (Anm. 9), S. 257 f. und dortige Verweise (Rehbinder) Die entsprechende Botschaft des Bundesrates betreffend Kündigungsschutz im Arbeitsrecht führt unter den ausdrücklich unzulässigen Kündigungsgründen persönliche Merkmale wie Rasse, Herkunft, Nationalität, Geschlecht, Familienstand, Glaube usw. auf; BEI 1984 II 599 Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer, Art. 8 und 9, SR 823.21 ; zur Problematik der Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern auf schweizerischem Territorium vgl. unten Ziff. 5.4 vgl. zur Horizontalwirkung von Art. 4 BV oben Ziff. 522 Jörg Paul Müller (Anm. 34), S. 176 SR 0.822.719.7 vgl. dazu Jörg Paul Müller (Anm. 34), S. 39 ff.

Art. 11, BB1 1991 I 1218 vgl. hierzu hinten Ziff. 8

328

Art. 3 Transportgesetz, SR 742.40 vgl. oben Ziff. 41; Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 75 ff. und dortige Verweise 94) Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 78 95) vgl. etwa den Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 30. Oktober 1991 in Sachen Vilvarajah et autres c. Royaume-Uni (45/1990/236/302-306) und dortige Verweise 96) Art. l der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO), SR 823.21 97) Art. 8 der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO), SR 823.21 98) BB1 1991 III 300 ff.

99) vgl. den erwähnten Bericht des Bundesrates vom 15. Mai 1991, BB1 1991 III 303 100) vgl. Bericht der BRD, CERD/C/149/Add. 21, vom 22. 10. 1986, sowie Bericht CERD 1990 UN-Doc A/46/18, S. 47; vgl. auch Theodor Meron (Anm. 32), S. 312 f., Mahalic/Gambee Mahalic (Anm. 36), S. 78 f.

10!) z.B. die skandinavischen Staaten und die BRD, Bericht CERD 1988 UN-Doc A/ 44/18, S. 61 und 75 f.; Bericht CERD 1990 UN-Doc A/46/18, S. 47 102) Zu dieser Ansicht gelangte auch Prof. Dietrich Schindler in seinem Rechtsgutachten vom 12. Januar 1973 zur Zulassung von Arbeitskräften aus entfernteren Ländern, wo er unter anderem die Vereinbarkeit der damaligen schweizerischen Vorschriften über die Zulassung von Arbeitskräften, welche mit der aktuellen Situation immer noch vergleichbar sind, mit dem Übereinkommen überprüfte, 103) vgl. unten Ziff. 6 104) vgl. hierzu die ausführliche gemeinsame Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz und der Direktion für Völkerrecht vom 26. April 1989 und die dortigen Verweise; VPB 53/IV (1989) Nr. 54 105) Roland Strauss (Anm. 9), S. 258 f. und dortige Verweise 106) Urteil des Bundesgerichtes vom 31. Mai 1988. SJIR 46 (1989), S. 337 f.; BGE 111 Ib 68 107) SR 220 108) vgl. dazu oben Ziff. 52 109) Art. 3, Art. 6, SR 170.32; vgl. Fritz Gygi (Anm. 74), S. 248 ff.

HO) vgl. Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, Berlin 1984, S. 864 111) BB1 1991 I 1200 1)2) vgl. dazu vorne Ziff. 521 113) vgl. dazu hinten Ziff. 636.3 114) vgl. dazu unten Ziff. 632 115) vgl. Stefan Trechsel, Kurzkommentar StGB, Zürich 1989, Einleitung zum Dritten Titel. 1. Ehrverletzungen und dort zitierte Rechtsprechung 116) vgl. hinten 622 Gesetzgeberische Lösungen anderer europäischer Staaten 117) vgl. Luzius Wildhaber (Anm. 68) 118) Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte, Art. 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte 119) Art. 29 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art. 19 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte 120) Jörg Paul Müller, Kommentar Bundesverfassung, Meinungs-, Informations-, Kunst-, Wissenschaftsfreiheit, Rz. 66 ff.; Art. 10 EMRK und die ausdrückliche Bestätigung durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Handyside vom 7. Dezember 1976, Publications of thè European Court of Human Rights, Séries A, Vol. 24, Ziff. 49 und Zulassungsentscheid i. S. X. c. Bundesrepublik Deutschland, Décision 9235/81 of July 16th 1982 on thè Admissibility of thè Application, Décisions and Reports of thè European Commission of Human Rights Vol. 29, S. 194 121) Übereinkommen vom 5. Mai 1989 (BB1 1990 III 925). Die Schweiz hat das Übereinkommen am 9. Oktober 1991 ratifiziert; es ist noch nicht in Kraft getreten, wird aber von der Schweiz seit der Unterzeichnung am 5. Mai 1989 provisorisch angewandt 92)

93)

329

122),

vgl. Karl Josef Partsch, Die Strafbarkeit der Rassendiskriminierung, in: German Yearbook of International Law, 20 (1977), S. 119 vgl. Giorgio Malinverni, Kommentar Bundesverfassung, Art. 56, Rz. 38 f.

124) 'Bericht CERD 1990, UN-Doc A/44/18, S. 63 125); In Grossbritannien wird jedoch erwogen, bei einer allfälligen Revision des «Race Relations Act» die Diskriminierung aus religiösen Gründen zu berücksichtigen.

126) i§ 130 deutsches StGB (Volksverhetzung) 127)
128) Art. 173 spanisches StGB erfasst nur Vereinigungen.

129) !vgl. Peter Moll/Stefan Trechsel, Schweiz. Strafrecht Allgemeiner Teil I, Zürich 1986, t S. 64 ' 130) ,van de Berghe, zitiert bei Karl Josef Partsch, in: Rüdiger Wolf rum (Hrsg.), Rassen(diskriminierung, Handbuch Vereinte Nationen, München 1991, 88/N. 9, S. 651 131) ,Art. l Abs. l des Übereinkommens 132); Rechtsvorschriften über Staatsangehörigkeit, Staatsbürgerschaft oder Einbürgerung sind durch Art. l Abs. 3 des Übereinkommens ausdrücklich ausgenommen, sofern sie nicht Angehörige eines bestimmten Staats diskriminieren; vgl. oben Ziff. 41 133),vgl. oben Ziff. 62 134),vgl. Karl Josef Partsch, Rassendiskriminierung (Anm. 130), S. 652 135) ,vgl. auch Karl Josef Partsch, Bekämpfung der rassischen Diskriminierung im Rah]men des Schutzes der Menschenrechte, in: Ulrich Scheuner/Beate Lindemann l(Hrsg.), Die Vereinten Nationen und die Mitarbeit der Bundesrepublik Deutschland, ]München/Wien 1973, S. 123 136) ,Art. 416 und 416-1 Code pénal français 137)]Paul Logoz, Commentaire du Code pénal suisse, Partie spéciale II, Neuchâtel/Paris 1956, S. 554 138),vgl. hierzu BGE 108 IV 36 139)]BGE 68 IV 147, zitiert bei Stefan Trechsel (Anm. 115), ad Art. 275bis 140),vgl. Ivo Zellweger, Die strafrechtlichen Beschränkungen der politischen Meinungsäusserungsfreiheit (Progandaverbote), Diss. Zürich 1975, S. 47 141) ,vgl. Ivo Zellweger (Anm. 140), S. 51 142),vgl. Paul Logoz (Anm. 137), ad Art. 24 Nr. la zur Problematik der Rassendiskriminierung unter Privaten vgl. Christian Tomuschat, Equality and Non-discrimination under thè International Covenant of civil and politicai Rights, in:
Ingo von Münch (Hrsg.), Staatsrecht - Völkerrecht - Eurol
151) ,vgl. die Darstellung des Verfahrens oben Ziff. 434 152),Algerien, Costa Rica, Dänemark, Ecuador, Frankreich, Ungarn, Island, Italien, die ]Niederlande, Norwegen, Peru, Senegal, Schweden und Uruguay 153),vgl. Art. 25 EMRK, SR 0.101; Erstes Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt lüber bürgerliche und politische Rechte 154) (Schweden, Dänemark, Norwegen und Italien haben eine solche Erklärung abgegel ben.

123) -

143)

;

330

vgl. Botschaft des Bundesrates betreffend den Beitritt der Schweiz zu den beiden internationalen Menschenrechtspakten, BB1 1991 I 1206 zur Tragweite des Diskriminierungsverbotes des Paktes für die Schweiz vgl. BB1 1991 lI 1201 157), vgl. vorne Ziff. 431 ISS) l vgl. BB1 1991 I 1207 ff.

155),

156)

t -

5340

331

Bundesbeschluss betreffend das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992"), beschliesst: Art. l 1

Das Internationale Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung wird mit den folgenden Vorbehalten genehmigt.

a. Vorbehalt zu Artikel 4 Die Schweiz behält sich vor, die notwendigen gesetzgeberischen Massnahmen zur Umsetzung von Artikel 4 in gebührender Berücksichtigung der Meinungsäusserungs- und der Vereinsfreiheit zu ergreifen, welche unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind.

b. Vorbehalt zu Artikel 2 Absatz l Buchstabe a Die Schweiz behält sich ihre Gesetzgebung über die Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern zum schweizerischen Arbeitsmarkt vor.

2

Der Bundesrat wird ermächtigt, den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung mit den oben aufgeführten Vorbehalten zu erklären.

3 Der Bundesrat wird ermächtigt, diese Vorbehalte zurückzuziehen, wenn sie gegenstandslos werden.

4 Der Bundesrat wird ermächtigt, die Kompetenz des Ausschusses zur Entgegennahme und Erörterung individueller Mitteilungen gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt anzuerkennen.

Art. 2

Dieser Beschluss untersteht nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

5340

') BB1 1992 III 269

332

Schweizerisches Strafgesetzbuch Militärstrafgesetz

Entwurf

Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. März 19921* beschliesst:

Art. l Das Schweizerische Strafgesetzbuch 2 ^ wird wie folgt geändert: Art. 261bis (neu) RassenWer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen is ·rimimerung wegen jnrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse oder einer ethnischen oder religiösen Gruppe gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe in ihrer Menschenwürde angreift oder aus einem dieser Gründe das Andenken von Verstorbenen verunglimpft, wer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe eine öffentlich angebotene Leistung verweigert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

') BEI 1992 III 269 > SR 311.0

2

12 Bundesblatt 144.Jahrgang. Bd. III

333

Schweizerisches Strafgesetzbuch, Militärstrafgesetz

Art. 2 Das Militärstrafgesetz 1 ) wird wie folgt geändert: Art. 171 c (neu) Rassen' Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Persodisknmmieiung nen wegen ihrer Rasse oder jhrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse oder einer ethnischen oder religiösen Gruppe gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe in ihrer Menschenwürde angreift oder aus einem dieser Gründe das Andenken von Verstorbenen verunglimpft, wer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe eine öffentlich angebotene Leistung verweigert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2 In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Art. 3 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

5340

» SR 321.0 334

Internationales Übereinkommen

Übersetzung1^

zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, eingedenk der Tatsache, dass die Charta der Vereinten Nationen auf dem Grundsatz der angeborenen Würde und Gleichheit aller Menschen beruht und dass alle Mitgliedstaaten gelobt haben, gemeinsam und einzeln mit der Organisation zusammenzuwirken, um eines der Ziele der Vereinten Nationen zu erreichen, das darin besteht, die allgemeine Achtung und Beachtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen; eingedenk der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthaltenen feierlichen Feststellung, dass alle Menschen frei und an Würde und Rechten gleich geboren sind und dass jeder ohne irgendeinen Unterschied, insbesondere der Rasse, der Hautfarbe oder der nationalen Abstammung, Anspruch hat auf alle in der genannten Erklärung aufgeführten Rechte und Freiheiten; in der Erwägung, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und ein Recht auf gleichen Schutz des Gesetzes gegen jede Diskriminierung und jedes Aufreizen zur Diskriminierung haben; in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen den Kolonialismus und alle damit verbundenen Praktiken der Rassentrennung und der Diskriminierung verurteilt haben, gleichviel in welcher Form und wo sie vorkommen, und dass die Erklärung vom 14. Dezember 1960 [Entschliessung 1514 (XV) der Generalversammlung] über die Gewährung der Unabhängigkeit an Kolonialgebiete und Kolonialvölker die Notwendigkeit einer raschen und bedingungslosen Beendigung derartiger Praktiken bejaht und feierlich verkündet hat; eingedenk der Erklärung der Vereinten Nationen vom 20. November 1963 [Einschliessung 1904 (XVIII) der Generalversammlung] über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung - einer Erklärung, die feierlich bekräftigt, dass es notwendig ist, jede Form und jedes Anzeichen von Rassendiskriminierung überall in der Welt rasch zu beseitigen sowie Verständnis und Achtung zu wecken für die Würde der menschlichen Person; in der Überzeugung, dass jede Lehre von einer auf Rassenunterschiede gegründeten Überlegenheit wissenschaftlich falsch, moralisch verwerflich sowie sozial

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

335

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

ungerecht und gefährlich ist und dass eine Rassendiskriminierung, gleichviel ob in Theorie oder in Praxis, nirgends gerechtfertigt ist; in erneuter Bekräftigung der Tatsache, dass eine Diskriminierung zwischen Menschen auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe oder ihres Volkstums freundschaftlichen und friedlichen Beziehungen zwischen den Völkern im Wege steht und dass sie geeignet ist, den Frieden und die Sicherheit unter den Völkern wie das harmonische Zusammenleben der Menschen sogar innerhalb eines Staates zu stören; in der Überzeugung, dass das Bestehen von Rassenschranken mit den Idealen jeder menschlichen Gesellschaft unvereinbar ist; beunruhigt durch die in einigen Gebieten der Welt immer noch bestehende Rassendiskriminierung und durch die auf rassische Überlegenheit oder auf Rassenhass gegründete Apartheids-, Ségrégations- oder sonstige Rassentrennungspolitik einiger Regierungen; entschlossen, alle erforderlichen Massnahmen zur raschen Beseitigung aller Formen und Anzeichen von Rassendiskriminierung zu treffen sowie rassenkämpferische Doktrinen und Praktiken zu verhindern und zu bekämpfen, um das gegenseitige Verständnis zwischen den Rassen zu fördern und eine internationale Gemeinschaft zu schaffen, die frei ist von jeder Form der Rassentrennung und Rassendiskriminierung; eingedenk des 1958 von der Internationalen Arbeitsorganisation angenommenen Übereinkommens über Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf und des 1960 von der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur angenommenen Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen; in dem Wunsch, die in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung niedergelegten Grundsätze zu verwirklichen und die möglichst rasche Annahme praktischer Massregeln in diesem Sinne sicherzustellen; sind wie folgt übereingekommen: Teil I

Art. l 1. In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck «Rassendiskriminierung» jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschliessung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Geniessen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.

336

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

2. Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung auf Unterscheidungen, Ausschliessungen, Beschränkungen oder Bevorzugungen, die ein Vertragsstaat zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen vornimmt.

3. Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als berühre es die Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten über Staatsangehörigkeit, Staatsbürgerschaft oder Einbürgerung, sofern diese Vorschriften nicht Angehörige eines 'bestimmten Staates diskriminieren.

4. Sondermassnahmen, die einzig zu dem Zweck getroffen werden, eine angemessene Entwicklung bestimmter Rassengruppen, Volksgruppen oder Personen zu gewährleisten, die Schutz benötigen, soweit ein solcher erforderlich ist, damit sie die Menschenrechte und Grundfreiheiten gleichberechtigt gemessen und ausüben können, gelten nicht als Rassendiskriminierung, sofern diese Massnahmen nicht die Beibehaltung getrennter Rechte für verschiedene Rassengruppen zur Folge haben und sofern sie nicht fortgeführt werden, nachdem die Ziele, um derentwillen sie getroffen wurden, erreicht sind.

Art. 2 1. Die Vertragsstaaten verurteilen die Rassendiskriminierung und verpflichten sich, mit :allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung in jeder Form und der Förderung des Verständnisses unter allen Rassen zu verfolgen; zu diesem Zweck a) verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, Handlungen oder Praktiken der Rassendiskriminierung gegenüber Personen, Personengruppen oder Einrichtungen zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass alle staatlichen und örtlichen Behörden und öffentlichen Einrichtungen im Einklang mit dieser Verpflichtung handeln, b) verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, eine Rassendiskriminierung durch Personen oder Organisationen weder zu fördern noch zu schützen noch zu unterstützen, c) trifft jeder Vertragsstaat wirksame Massnahmen, um das Vorgehen seiner staatlichen und örtlichen Behörden zu überprüfen und alle Gesetze und sonstigen Vorschriften zu ändern, aufzuheben oder für nichtig zu erklären, die eine Rassendiskriminierung - oder dort, wo eine solche bereits besteht, ihre Fortsetzung - bewirken, d) verbietet und beendigt jeder Vertragsstaat jede durch Personen, Gruppen oder Organisationen ausgeübte Rassendiskriminierung mit allen geeigneten Mitteln einschliesslich der durch die Umstände erforderlichen Rechtsvorschriften, e) verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, wo immer es angebracht ist, alle eine Rassenintegrierung anstrebenden vielrassischen Organisationen und Bewegungen zu unterstützen, sonstige Mittel zur Beseitigung der Rassenschranken zu fördern und allem entgegenzuwirken, was zur Rassentrennung beiträgt.

337

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

2. Die Vertragsstaaten treffen, wenn die Umstände es rechtfertigen, auf sozialem, wirtschaftlichem, kulturellem und sonstigem Gebiet besondere und konkrete Massnahmen, um die angemessene Entwicklung und einem hinreichenden Schutz bestimmter Rassengruppen oder ihnen angehörender Einzelpersonen sicherzustellen, damit gewährleistet wird, dass sie in vollem Umfang und gleichberechtigt in den Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten gelangen.

Diese Massnahmen dürfen in keinem Fall die Beibehaltung ungleicher oder getrennter Rechte für verschiedene Rassengruppen zur Folge haben, nachdem die Ziele, um derentwillen sie getroffen wurden, erreicht sind.

Art. 3 Die Vertragsstaaten verurteilen insbesondere die Ségrégation und die Apartheid und verpflichten sich, alle derartigen Praktiken in ihren Hoheitsgebieten zu verhindern, zu verbieten und auszumerzen.

Art. 4 Die Vertragsstaaten verurteilen jede Propaganda und alle Organisationen, die auf Ideen oder Theorien hinsichtlich der Überlegenheit einer Rasse oder einer Personengruppe bestimmter Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit beruhen oder die irgendeine Form von Rassenhass und Rassendiskriminierung zu rechtfertigen oder zu fördern suchen; sie verpflichten sich, unmittelbare und positive Massnahmen zu treffen, um jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und alle rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen; zu diesem Zweck übernehmen sie unter gebührender Berücksichtigung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Grundsätze und der ausdrücklich in Artikel 5 des vorliegenden Übereinkommens genannten Rechte unter anderem folgende Verpflichtungen: a) jede Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit einer Rasse oder den Rassenhass gründen, jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und jede Gewalttätigkeit oder Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder eine Personengruppe anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit sowie jede Unterstützung rassenkämpferischer Betätigung einschliesslich ihrer Finanzierung zu einer nach dem Gesetz strafbaren Handlung zu erklären.; b) alle Organisationen und alle organisierten oder sonstigen Propagandatätigkeiten, welche die Rassendiskriminierung fördern und dazu aufreizen, als gesetzwidrig zu erklären und zu verbieten und die Beteiligung an derartigen Organisationen oder Tätigkeiten als eine nach dem Gesetz strafbare Handlung anzuerkennen, c) nicht zuzulassen, dass staatliche oder örtliche Behörden oder öffentliche Einrichtungen die Rassendiskriminierung fördern oder dazu aufreizen.

338

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

Art. 5 Im Einklang mit den in Artikel 2 niedergelegten grundsätzlichen Verpflichtungen werden die Vertragsstaaten die Rassendiskriminierung in jeder Form verbieten und beseitigen und das Recht jedes einzelnen, ohne Unterschied der Rasse, der Hautfarbe, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums, auf Gleichheit vor dem Gesetz gewährleisten; dies gilt insbesondere für folgende Rechte: a) das Recht auf Gleichbehandlung vor den Gerichten und allen sonstigen Organen der Rechtspflege, b) das Recht auf Sicherheit der Person und auf staatlichen Schutz gegen Gewalttätigkeit oder Körperverletzung, gleichviel ob sie von Staatsbediensteten oder von irgendeiner Person, Gruppe oder Einrichtung verübt werden, c) die politischen Rechte, insbesondere das aktive und passive Wahlrecht auf der Grundlage allgemeiner und gleicher Wahlen, das Recht auf Beteiligung an der Regierung und an der Führung der öffentlichen Angelegenheiten auf jeder Ebene sowie das Recht auf gleichberechtigten Zugang zum öffentlichen Dienst, d) sonstige Bürgerrechte, insbesondere i) das Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Aufenthaltsortes 'innerhalb der Staatsgrenzen, ii) das Recht, jedes Land einschliesslich des eigenen zu verlassen und in das eigene Land zurückzukehren, iii) das Recht auf Staatsangehörigkeit, iv) das Recht auf Ehe und auf freie Wahl des Ehegatten, v) das Recht, allein oder in Verbindung mit anderen Vermögen als Eigentum zu besitzen, vi) das Recht zu erben, vii) das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, viii) das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung, ix) das Recht, sich friedlich zu versammeln und friedliche Vereinigungen zu bilden, e) wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, insbesondere i) das Recht auf Arbeit, auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen, auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit, auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, auf gerechte und befriedigende Entlöhnung ii) das Recht, Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten, iii) das Recht auf Wohnung, iv) das Recht auf öffentliche Gesundheitsfürsorge, ärztliche Betreuung, soziale Sicherheit und soziale Dienstleistungen, v) das Recht auf Erziehung und Ausbildung, vi das Recht auf eine gleichberechtigte Teilnahme an kulturellen Tätigkeiten,

339

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

f) das Recht auf Zugang zu jedem Ort oder Dienst, der für die Benutzung durch die Öffentlichkeit vorgesehen ist, wie Verkehrsmittel, Hotels, Gaststätten, Cafés, Theater und Parks.

Art. 6 Die Vertragsstaaten gewährleisten jeder Person in ihrem Hoheitsbereich einen wirksamen Schutz und wirksame Rechtsbehelfe durch die zuständigen nationalen Gerichte und sonstigen staatlichen Einrichtungen gegen alle rassisch diskriminierenden Handlungen, welche ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten im Widerspruch zu diesem Übereinkommen verletzen, sowie das Recht, bei diesen Gerichten eine gerechte und angemessene Entschädigung oder Genugtuung für jeden infolge von Rassendiskriminierung erlittenen Schaden zu verlangen.

Art. 7 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, unmittelbare und wirksame Massnahmen, insbesondere auf dem Gebiet des Unterrichts, der Erziehung, Kultur und Information, zu treffen, um Vorurteile zu bekämpfen, die zu Rassendiskriminierung führen, zwischen den Völkern und Rassen- oder Volksgruppen Verständnis, Duldsamkeit und Freundschaft zu fördern sowie die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Erklärung der Vereinten Nationen über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und dieses Übereinkommens zu verbreiten.

Teil II Art. 8 1. Es wird ein (im folgenden als «Ausschuss» bezeichneter) Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung errichtet; er besteht aus achtzehn in persönlicher Eigenschaft tätigen Sachverständigen von hohem sittlichem Rang und anerkannter Unparteilichkeit, die von den Vertragsstaaten unter ihren Staatsangehörigen ausgewählt werden; dabei ist auf eine gerechte geographische Verteilung und auf die Vertretung der verschiedenen Zivilisationsformen sowie der hauptsächlichen Rechtssysteme zu achten.

2. Die Mitglieder des Ausschusses werden in geheimer Wahl aus einer Liste von Personen gewählt, die von den Vertragsstaaten benannt worden sind. Jeder Vertragsstaat kann einen seiner eigenen Staatsangehörigen benennen.

3. Die erste Wahl findet, sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens statt. Spätestens drei Monate vor jeder Wahl fordert der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Vertragsstaaten schriftlich auf, binnen zwei Monaten ihre Benennungen einzureichen. Er stellt sodann eine alphabetische Liste aller demgemäss benannten Personen unter Angabe der sie benennenden Vertragsstaaten auf und legt sie den Vertragsstaaten vor.

340

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

4. Die Wahl der Ausschussmitglieder findet auf einer vom Generalsekretär am Sitz der Vereinten Nationen anberaumten Sitzung der Vertragsstaaten statt. Auf dieser Sitzung, die verhandlungs- und beschlussfähig ist, wenn zwei Drittel der Vertragsstaaten vertreten sind, gelten diejenigen Bewerber als in den Ausschuss gewählt, welche die höchste Stimmenzahl und die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertreter der Vertragsstaaten auf sich vereinigen.

5. a) Die Ausschussmitglieder werden für vier Jahre gewählt. Jedoch läuft die Amtszeit von neun der bei der ersten Wahl gewählten Mitglieder nach zwei Jahren ab; unmittelbar nach der ersten Wahl werden die Namen dieser neun Mitglieder vom Vorsitzenden des Ausschusses durch das Los bestimmt.

b) Zur Besetzung eines unerwartet verwaisten Sitzes ernennt der Vertragsstaat, dessen Sachverständiger aufgehört hat, Mitglied des Ausschusses zu sein, mit Zustimmung des Ausschusses einen anderen Sachverständigen unter seinen Staatsangehörigen.

6. Die Vertragsstaaten kommen für die Ausgaben der Ausschussmitglieder auf, solange sie Ausschussaufgaben wahrnehmen.

Art. 9 1. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Beratung durch den Ausschuss einen Bericht über die zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen vorzulegen, und zwar a) binnen einem Jahr nach Inkrafttreten des Übereinkommens für den betreffenden Staat und b) danach alle zwei Jahre und sooft es der Ausschuss verlangt. Der Ausschuss kann von den Vertragsstaaten weitere Auskünfte verlangen.

2. Der Ausschuss berichtet der Generalversammlung der Vereinten Nationen jährlich durch den Generalsekretär über seine Tätigkeit und kann auf Grund der Prüfung der von den Vertragsstaaten eingegangenen Berichte und Auskünfte Vorschläge machen und allgemeine Empfehlungen abgeben. Diese werden der Generalversammlung zusammen mit etwaigen Stellungnahmen der Vertragsstaaten zugeleitet.

Art. 10 1. Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

2. Der Ausschuss wählt seinen Vorstand für zwei Jahre.

3. Das Sekretariat des Ausschusses wird vom Generalsekretär der Vereinten Nationen gestellt.

341

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

4. Die Sitzungen des Ausschusses finden in der Regel am Sitz der Vereinten Nationen statt.

Art. 11

1. Führt ein Vertragsstaat nach Ansicht eines anderen Vertragsstaats die Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht durch, so kann dieser die Sache dem Ausschuss zur Kenntnis bringen. Der Ausschuss leitet die Mitteilung an den betreffenden Vertragsstaat weiter. Binnen drei Monaten hat der Empfangsstaat dem Ausschuss eine schriftliche Erläuterung oder Erklärung zu der Sache und über die etwa von diesem Staat geschaffene Abhilfe zu übermitteln.

2. Wird die Sache nicht binnen sechs Monaten nach Eingang der ersten Mitteilung bei dem Empfangsstaat entweder durch zweiseitige Verhandlungen oder durch ein anderes Verfahren zur Zufriedenheit beider Parteien beigelegt, so hat jeder der beiden Staaten das Recht, die Sache erneut an den Ausschuss zu verweisen, indem er diesem und dem anderen Staat eine entsprechende Notifizierung zugehen lässt.

3. Im Einklang mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts befasst sich der Ausschuss mit einer nach Absatz 2 an ihn verwiesenen Sache erst dann, wenn er sich Gewissheit verschafft hat, dass alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe eingelegt und erschöpft worden sind. Dies gilt nicht, wenn das Verfahren über Gebühr in die Länge gezogen wird.

4. Der Ausschuss kann in jeder an ihn verwiesenen Sache von den beteiligten Vertragsstaaten aUe sonstigen sachdienlichen Angaben verlangen.

5. Berät der Ausschuss über eine Sache auf Grund dieses Artikels, so können die beteiligten Vertragsstaaten einen Vertreter entsenden, der während der Beratung dieser Sache ohne Stimmrecht an den Verhandlungen des Ausschusses teilnimmt.

Art. 12

1. a) Nachdem der Ausschuss alle von ihm für erforderlich erachteten Angaben erhalten und ausgewertet hat, ernennt der Vorsitzende eine (im folgenden als «Kommission» bezeichnete) Ad-hoc-Vergleichskommission; sie besteht aus fünf Personen, die dem Ausschuss angehören können, aber nicht müssen. Die Mitglieder der Kommission werden mit einmütiger Zustimmung der Streitparteien ernannt; sie bietet den beteiligten Staaten ihre guten Dienste an, um auf der Grundlage der Achtung dieses Übereinkommens eine gütliche Beilegung herbeizuführen.

b) Können sich die an dem Streit beteiligten Staaten nicht binnen drei Monaten über die vollständige oder teilweise Zusammensetzung der Kommission einigen, so wählt der Ausschuss die von den am Streit beteiligten Staaten noch nicht einvernehmlich ernannten Kommissionsmitglieder aus

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Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

seinen eigenen Reihen in geheimer Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder.

2. Die Kommissionsmitglieder sind in persönlicher Eigenschaft tätig. Sie dürfen nicht Staatsangehörige der am Streit beteiligten Staaten oder eines Nichtvertragsstaats sein.

3. Die Kommission wählt ihren Vorsitzenden und gibt sich eine Verfahrensord; nung.

4. Die Sitzungen der Kommission finden in der Regel am Sitz der Vereinten Nationen oder an einem anderen von der Kommission bestimmten geeigneten Ort statt.

5. Das nach Artikel 10 Absatz 3 gestellte Sekretariat arbeitet auch für die Kommission, sobald ein Streit zwischen Vertragsstaaten die Kommission ins Leben ruft.

6. Die an dem Streit beteiligten Staaten tragen zu gleichen Teilen alle Ausgaben der Kommissionsmitglieder nach Voranschlägen, die der Generalsekretär der Vereinten Nationen erstellt.

7. Der Generalsekretär ist befugt, die Ausgaben der Kommissionsmitglieder erforderlichenfalls vor der Erstattung der Beträge durch die am Streit beteiligten Staaten nach Absatz 6 zu bezahlen.

8. Die dem Ausschuss zugegangenen und von ihm ausgewerteten Angaben werden der Kommission zur Verfügung gestellt; diese kann die beteiligten Staaten auffordern, weitere sachdienliche Angaben beizubringen.

Art. 13 1. Sobald die Kommission die Sache eingehend beraten hat, verfasst sie einen Bericht, den sie dem Vorsitzenden des Ausschusses vorlegt und der ihre Feststellung über alle auf den Streit zwischen den Parteien ibezüglichen Sachfragen sowie die Empfehlungen enthält, die sie zwecks gütlicher Beilegung des Streits für angebracht hält.

2. Der Ausschussvorsitzende leitet den Bericht der Kommission jedem am Streit beteiligten Staat zu. Diese Staaten teilen ihm binnen drei Monaten mit, ob sie die in dem Bericht der Kommission enthaltenen Empfehlungen annehmen.

3. Nach Ablauf der in Absatz 2 gesetzten Frist übermittelt der Ausschussvorsitzende den anderen Vertragsstaaten den Bericht der Kommission und die Erklärungen der beteiligten Vertragsstaaten.

Art. 14 l. Ein Vertragsstaat kann jederzeit erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner seiner Hoheitsgewalt unterstehender Personen oder Personengruppen aner343

Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

kennt, die vorgeben, Opfer einer Verletzung eines in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechts durch diesen Vertragsstaat zu sein. Der Ausschuss nimmt keine Mitteilung entgegen, die einen Vertragsstaat betrifft, der keine derartige Erklärung abgegeben hat.

2. Gibt ein Vertragsstaat eine Erklärung nach Absatz l ab, so kann er eine Stelle innerhalb seiner nationalen Rechtsordnung errichten oder bezeichnen, die zuständig ist für die Entgegennahme und Erörterung der Petitionen einzelner seiner Hoheitsgewalt unterstehender Personen oder Personengruppen, die vorgeben, Opfer einer Verletzung eines in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechts zu sein, und die alle sonstigen verfügbaren örtlichen Rechtsbehelfe erschöpft haben.

3. Eine nach Absatz l abgegebene Erklärung und der Name einer nach Absatz 2 errichteten oder bzeichneten Stelle werden von dem betreffenden Vertragsstaat beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt; dieser übermittelt den anderen Vertragsstaaten Abschriften derselben. Eine Erklärung kann jederzeit durch Notifizierung an den Generalsekretär zurückgenommen werden; dies lässt jedoch die dem Ausschuss bereits vorliegenden Mitteilungen unberührt.

4. Die nach Absatz 2 errichtete oder bezeichnete Stelle führt ein Petitionsregister; beglaubigte Abschriften des Registers werden alljährlich auf geeignetem Wege dem Generalsekretär zu den Akten gegeben; jedoch darf der Inhalt nicht öffentlich bekanntgemacht werden.

5. Gelingt es dem Einsender der Petition nicht, von der nach Absatz 2 errichteten oder bezeichneten Stelle Genugtuung zu erlangen, so kann er die Sache binnen sechs Monaten dem Ausschuss mitteilen.

6. a) Der Ausschuss bringt dem Vertragsstaat, der beschuldigt wird, eine Bestimmung dieses Übereinkommens zu verletzen, jede ihm zugegangene Mitteilung vertraulich zur Kenntnis, ohne jedoch die Identität der betreffenden Person oder Personengruppe preiszugeben, sofern diese dem nicht ausdrücklich zustimmt. Der Ausschuss nimmt keine anonymen Mitteilungen entgegen.

b) Binnen drei Monaten hat der Empfangsstaat dem Ausschuss eine schriftliche Erläuterung oder Erklärung zu der Sache und über die etwa von diesem Staat geschaffene Abhilfe zu übermitteln.

7. a) Der Ausschuss berät über die Mitteilungen unter Berücksichtigung aller ihm von dem betreffenden Vertragsstaat und von dem
Einsender der Petition zugegangenen Angaben. Der Ausschuss befasst sich mit einer Mitteilung eines Einsenders nur dann, wenn er sich Gewissheit verschafft hat, dass dieser alle verfügbaren innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hat.

Dies gilt jedoch nicht, wenn das Verfahren über Gebühr in die Länge gezogen wird.

b) Der Ausschuss übermittelt seine etwaigen Vorschläge und Empfehlungen dem betreffenden Vertragsstaat und dem Einsender der Petition.

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Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

8. Der Ausschuss nimmt in seinen Jahresbericht eine Kurzdarstellung der Mitteilungen und gegebenenfalls der Erläuterungen und Erklärungen der betroffenen Vertragsstaaten und seiner eigenen Vorschläge und Empfehlungen auf.

9. Der Ausschuss ist nur dann befugt, die in diesem Artikel vorgesehenen Aufgaben wahrzunehmen, wenn sich mindestens zehn Vertragsstaaten durch Erklärungen nach Absatz l gebunden haben.

Art. 15

1. Bis zur Verwirklichung der in der Entschliessung 1514 (XV) der Generalversammlung vom 14. Dezember 1960 dargelegten Ziele der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an Kolonialgebiete und Kolonialvölker wird das diesen Völkern in anderen internationalen Übereinkünften oder von den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen gewährte Petitionsrecht durch dieses Übereinkommen nicht eingeschränkt.

2. a) Der nach Artikel 8 Absatz l errichtete Ausschuss erhält von den Stellen der Vereinten Nationen, die sich bei der Beratung von Petitionen der Einwohner von Treuhandgebieten, Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung und allen sonstigen unter Entschliessung 1514 (XV) der Generalversammlung fallenden Hoheitsgebieten mit den unmittelbar mit den Grundsätzen und Zielen dieses Übereinkommens zusammenhängenden Angelegenheiten befassen, Abschriften der Petitionen, die sich auf die in diesem Übereinkommen behandelten Fragen beziehen und diesen Stellen vorliegen, und richtet an sie Stellungnahmen und Empfehlungen zu diesen Petitionen, b) Der Ausschuss erhält von den zuständigen Stellen der Vereinten Nationen Abschriften der Berichte über die unmittelbar mit den Grundsätzen und Zielen dieses Übereinkommens zusammenhängenden Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen, die in den unter Buchstabe a bezeichneten Hoheitsgebieten von der Verwaltungsmacht getroffen worden sind, und richtet Stellungnahmen und Empfehlungen an diese Stellen.

3. Der Ausschuss nimmt in seinen Bericht an die Generalversammlung eine Kurzdarstellung der ihm von den Stellen der Vereinten Nationen zugeleiteten Petitionen und Berichte sowie seine eigenen diesbezüglichen Stellungnahmen und Empfehlungen auf.

4. Der Ausschuss verlangt vom Generalsekretär der Vereinten Nationen alle mit den Zielen dieses Übereinkommens zusammenhängenden und dem Generalsekretär zugänglichen Angaben über die in Absatz 2 .Buchstabe a bezeichneten Hoheitsgebiete.

Art. 16

Die Bestimmungen dieses Übereinkommens über die Beilegung von Streitigkeiten oder Beschwerden werden unbeschadet anderer in den Gründungsurkunden 345

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oder den Übereinkünften der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen vorgesehener Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten oder Beschwerden auf dem Gebiet der Diskriminierung angewendet und hindern die Vertragsstaaten nicht daran, nach den zwischen ihnen in Kraft befindlichen allgemeinen oder besonderen internationalen Übereinkünften andere Verfahren zur Beilegung einer Streitigkeit in Anspruch zu nehmen.

Teil III Art. 17 1. Dieses Übereinkommen liegt für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, für alle Mitglieder einer ihrer Sonderorganisationen, für alle Vertragsstaaten der Satzung des Internationalen Gerichtshofs und für jeden anderen Staat zur Unterzeichnung auf, den die Generalversammlung der Vereinten Nationen einlädt, Vertragspartei dieses Übereinkommens zu werden.

2. Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifizierung. Die Ratifikationsurkunden sind beim Generalsekretär der Vereinten Nationen zu hinterlegen.

Art. 18

1. Dieses Übereinkommen liegt für jeden in Artikel 17 Absatz l bezeichneten Staat zum Beitritt auf.

2. Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Art. 19

1. Dieses Übereinkommen tritt am dreissigsten Tag nach Hinterlegung der siebenundzwanzigsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft.

2. Für jeden Staat, der nach Hinterlegung der siebenundzwanzigsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde dieses Übereinkommen ratifiziert oder ihm beitritt, tritt es am dreissigsten Tag nach Hinterlegung seiner eigenen Ratifikationsoder Beitrittsurkunde in Kraft.

Art. 20

l. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen nimmt Vorbehalte, die ein Staat bei der Ratifikation oder beim Beitritt macht, entgegen und leitet sie allen Staaten zu, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind oder werden können.

Erhebt ein Staat Einspruch gegen den Vorbehalt, so notifiziert er dem Generalsekretär binnen neunzig Tagen nach dem Datum der genannten Mitteilung, dass er ihn nicht annimmt.

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Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

2. Mit dem Ziel und Zweck dieses Übereinkommens unvereinbare Vorbehalte sind nicht zulässig; dasselbe gilt für Vorbehalte, welche die Wirkung hätten, die Arbeit einer auf Grund dieses Übereinkommens errichteten Stelle zu behindern.

Ein Vorbehalt gilt als unvereinbar oder hinderlich, wenn mindestens zwei Drittel der Vertragsstaaten Einspruch dagegen erheben.

3. Vorbehalte können jederzeit durch eine diesbezügliche Notifikation an den Generalsekretär zurückgenommen werden. Diese Notifikationen werden mit dem Tage ihres Eingangs wirksam.

Art. 21

Ein Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durch eine schriftliche Notifikation an den Generalsekretär der Vereinten Nationen kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Datum des Eingangs der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.

Art. 22

Entsteht zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens eine Streitigkeit, die nicht auf dem Verhandlungsweg oder nach den in diesem Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Verfahren beigelegt werden kann, so wird sie auf Verlangen einer Streitpartei dem Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt, sofern nicht die Streitparteien einer anderen Art der Beilegung zustimmen.

Art. 23

1. Ein Vertragsstaat kann jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete schriftliche Notifikation eine Revision dieses Übereinkommens beantragen.

2. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschliesst über etwaige hinsichtlich eines derartigen Antrags zu unternehmende Schritte.

Art. 24

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen unterrichtet alle in Artikel 17 Absatz l bezeichneten Staaten von a) den Unterzeichnungen, Ratifikationen und Beitritten nach den Artikeln 17 und 18.

b) dem Datum des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach Artikel 19, c) den nach Artikeln 14, 20 und 23 eingegangenen Mitteilungen und Erklärungen, d) den Kündigungen nach Artikel 21.

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Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

Art. 25 1. Dieses Übereinkommen, dessen chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, wird im Archiv der Vereinten Nationen hinterlegt.

2. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelt allen Staaten, die einer der in Artikel 17 Absatz l bezeichneten Kategorien angehören, beglaubigte Abschriften dieses Übereinkommens.

Z« Urkund dessen haben die von ihnen Regierungen hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben, das in New York am 7. März neunzehnhundertsechsundsechzig zur Unterzeichnung aufgelegt worden ist.

Geschehen in New York, am 21. Dezember 1965.

Es folgen die Unterschriften

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und über die entsprechende Strafrechtsrevision vom 2. März 1992

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1992

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

20

Cahier Numero Geschäftsnummer

92.029

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.05.1992

Date Data Seite

269-348

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10 052 223

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