00.040 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Nidwalden, Basel-Landschaft, Thurgau und Genf vom 3. Mai 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Nidwalden, Basel-Landschaft, Thurgau und Genf mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Mai 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10956

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0913

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Übersicht Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Die Gewährleistung wird erteilt, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht. Erfüllt eine kantonale Verfassung diese Anforderungen, so muss sie gewährleistet werden; erfüllt eine kantonale Verfassungsnorm eine dieser Voraussetzungen nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Nidwalden: ­ Wahl der Mitglieder der kantonalen Gerichte; im Kanton Basel-Landschaft: ­ Strafrechtspflege; im Kanton Thurgau: ­ Justizreform; im Kanton Genf: ­ Arbeitsgericht.

Alle Änderungen entsprechen Artikel 51 der Bundesverfassung; sie sind deshalb zu gewährleisten.

3530

Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Nidwalden

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Nidwalden haben in der Volksabstimmung vom 28. November 1999 der Änderung der Artikel 59a Ziffern 2­4 und 106 Absatz 2, der Aufhebung der Artikel 51 Absatz 1 Ziffer 4 und Absatz 2 und 106 Absatz 4 sowie der Ergänzung der Kantonsverfassung durch die Artikel 59a Absatz 2 und 106 Absatz 5 mit 3649 Ja gegen 1859 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 5. Januar 2000 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Nidwalden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Wahl der Mitglieder der kantonalen Gerichte

1.1.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Art. 51 Abs. 1 Ziff. 4 und Abs. 2 1 Die Stimmberechtigten wählen: 4. das Obergericht, das Kantonsgericht und das Verwaltungsgericht.

2 Die Wahlen für das Obergericht, das Kantonsgericht und das Verwaltungsgericht sind so festzulegen, dass alle zwei Jahre die Hälfte der Richterinnen und Richter zu wählen ist.

Art. 59a Ziff. 2­4 Der Landrat wählt: 2. aus der Mitte des Obergerichts auf die Amtsdauer von zwei Jahren die Präsidentin oder den Präsidenten; 3. aus der Mitte des Kantonsgerichts auf die Amtsdauer von zwei Jahren die Präsidentinnen oder die Präsidenten; 4. aus der Mitte des Verwaltungsgerichts auf die Amtsdauer von zwei Jahren die Präsidentin oder den Präsidenten; Art. 106 Abs. 2 und 4 Die Wahl der Behörden sowie der Beamtinnen und Beamten ist unter Vorbehalt von Artikel 51 Absatz 2, Artikel 59, 59a und Artikel 76 Ziffer 2 so anzuordnen, dass die Amtsdauer mit jener des Landrates zusammenfällt.

4 Die Amtsdauer der bisherigen Beamtinnen und Beamten endigt am Ende der Amtsdauer 1994 bis 1998.

2

Neuer Text Art. 51 Abs. 1 Ziff. 4 und Abs. 2 Aufgehoben Art. 59a Abs. 1 Ziff. 2­4 und Abs. 2 1 Der Landrat wählt: 2. die Präsidentin oder den Präsidenten und die weiteren Mitglieder des Obergerichts;

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3.

die Präsidentinnen oder die Präsidenten und die weiteren Mitglieder des Kantonsgerichts; 4. die Präsidentin oder den Präsidenten und die weiteren Mitglieder des Verwaltungsgerichts; 2 Die Amtsdauer der Präsidentinnen oder der Präsidenten der Gerichte hat mit jener des Landrats zusammenzufallen. Die Wahlen der übrigen Richterinnen und Richter sind so vorzunehmen, dass alle zwei Jahre die Hälfte zu wählen ist.

Art. 106 Abs. 2, 4 und 5 Die Wahl der Behörden sowie der Beamtinnen und Beamten ist unter Vorbehalt von Art. 59, 59a Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 sowie Art. 76 Ziff. 2 so anzuordnen, dass die Amtsdauer mit jener des Landrates zusammenfällt.

4 Aufgehoben 5 Für die Besetzung der Gerichtspräsidien, deren Amtsdauer im Jahr 2000 abläuft, findet im Jahr 2000 eine Wahl für den Rest der Amtsdauer bis 2002 statt.

2

Durch die Verfassungsänderung wird die bisherige Kompetenz der Stimmberechtigten, die Mitglieder des Obergerichts, des Kantonsgerichts und des Verwaltungsgerichts zu wählen, dem Landrat übertragen.

1.1.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Die Organisation der Gerichte im Bereich des Zivilrechts (Art. 122 Abs. 2 BV), des Strafrechts (Art. 123 Abs. 3 BV) und des Verwaltungsrechts (Art. 3 und 43 BV) fällt in die Kompetenz der Kantone. In diese Organisationskompetenz fällt namentlich auch die Festlegung des Wahlorgans für die Mitglieder der Gerichte. Da die vorliegende Verfassungsänderung weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1.2

Verfassung des Kantons Basel-Landschaft

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft haben in der Volksabstimmung vom 26. September 1999 der Änderung von § 84 Absatz 1 Buchstaben a und b der Kantonsverfassung mit 26 668 Ja gegen 3565 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1999 ersucht die Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Strafrechtspflege

1.2.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text § 84 Abs. 1 Bst. a und b 1 Die Strafgerichtsbarkeit wird insbesondere ausgeübt durch: a. die Überweisungsbehörde; b. die Polizeigerichte;

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Neuer Text § 84 Abs. 1 Bst. a und b 1 Die Strafgerichtsbarkeit wird insbesondere ausgeübt durch: a. die Bezirksstatthalterämter und das Besondere Untersuchungsrichteramt; b. das Verfahrensgericht in Strafsachen;

Die Verfassungsänderung steht im Zusammenhang mit einer umfassenden Revision der Strafrechtspflege. Auf Verfassungsstufe ist eine Änderung von § 84 Absatz 1 erforderlich, welcher die Organe der Strafgerichtsbarkeit aufzählt. An die Stelle der heutigen Polizeigerichte treten die Bezirksstatthalterämter sowie das Besondere Untersuchungsrichteramt, und an die Stelle der Überweisungsbehörde tritt das Verfahrensgericht.

1.2.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Nach Artikel 123 Absatz 3 BV fallen die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung in Strafsachen in die Kompetenz der Kantone.

Die vorliegende Verfassungsänderung fällt in diese kantonale Organisationskompetenz. Da die Änderung weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1.3

Verfassung des Kantons Thurgau

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Thurgau haben in der Volksabstimmung vom 28. November 1999 der Änderung der Paragrafen 29 Absatz 2, 38 Absatz 2, 52 Absatz 1 Ziffer 1 und 53 Absatz 1 Ziffer 1 mit 33 437 Ja gegen 6766 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 29. November 1999 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Thurgau um die eidgenössische Gewährleistung.

1.3.2

Justizreform

1.3.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text § 29 Abs. 2 2 Die Mitglieder des Regierungsrates, der Staatsschreiber, die vom Grossen Rat gewählten Mitglieder und Ersatzmitglieder des Obergerichtes, des Kriminalgerichtes und des Verwaltungsgerichtes sowie die nicht vom Volk gewählten Beamten und Angestellten der Gerichte und der Verwaltungen des Kantons und seiner Anstalten dürfen nicht dem Grossen Rat angehören.

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§ 38 Abs. 2 2 Er1 wählt den Staatsschreiber, die Präsidenten, die Mitglieder und die Ersatzmitglieder der kantonalen Gerichte und der Anklagekammer, die Staats- und Jugendanwälte sowie die Verhörrichter.

§ 52 Abs. 1 Ziff. 1 Die Zivilrechtspflege üben aus: 1. das Obergericht und die Rekurskommission des Obergerichtes; 1

§ 53 Abs. 1 Ziff. 1 1 Die Strafgerichtsbarkeit üben aus: 1. das Obergericht und die Rekurskommission des Obergerichtes;

Neuer Text § 29 Abs. 2 2 Die Mitglieder des Regierungsrates, der Staatsschreiber, die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Obergerichts, des Verwaltungsgerichtes, der Anklagekammer und der Rekurskommissionen sowie die nicht vom Volk gewählten Mitarbeiter der Bezirksgerichte und der Gerichte und Verwaltungen des Kantons und seiner öffentlich-rechtlichen Anstalten dürfen nicht dem Grossen Rat angehören.

§ 38 Abs. 2 Er2 wählt den Staatsschreiber, die Präsidenten, die Mitglieder und die Ersatzmitglieder der kantonalen Gerichte und der Anklagekammer sowie die Jugendanwälte.

2

§ 52 Abs.1 Ziff. 1 Die Zivilrechtspflege üben aus: 1. das Obergericht; 1

§ 53 Abs. 1 Ziff. 1 1 Die Strafgerichtsbarkeit üben aus: 1. das Obergericht;

Die Verfassungsänderung erfolgt im Rahmen einer zweiten Etappe der Justizreform im Kanton Thurgau. Auf Verfassungsstufe handelt es sich um folgende Änderungen: Zur Verstärkung der personellen Gewaltenteilung dürfen künftig auch die Mitglieder der Anklagekammer und der kantonalen Rekurskommissionen nicht mehr dem Grossen Rat angehören. Im Weiteren werden künftig die Staatsanwälte und die Verhörrichter nicht mehr vom Grossen Rat, sondern vom Regierungsrat ernannt und schliesslich wird die Rekurskommission des Obergerichts aufgehoben.

1.3.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Nach den Artikeln 122 Absatz 2 und 123 Absatz 3 BV fallen die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung in Zivil- und Strafsachen in die Kompetenz der Kantone. Die vorliegende Verfassungsänderung fällt in diese kantonale Organisationskompetenz. Da die Änderung weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

1 2

D.h. der Grosse Rat D.h. der Grosse Rat

3534

1.4

Verfassung des Kantons Genf

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Genf haben in der Volksabstimmung vom 26. September 1999 der Änderung der Artikel 139 und 140 sowie der Aufhebung der Artikel 141­143 der Kantonsverfassung mit 70 893 Ja gegen 24 836 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 ersucht der Staatsrat des Kantons Genf um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Arbeitsgericht

1.4.2.1

Inhalt des bisherigen und des neuen Textes

Bisheriger Text Kapitel III. Gewerbliches Schiedsgericht Art. 139 Zuständigkeit Die gewerblichen Schiedsgerichte sind nach Massgabe und im Rahmen des Gesetzes zuständig für die Beurteilung: a. von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern; b. jeder anderen Streitigkeit, die diesem Gericht durch Gesetz oder Verordnung zugewiesen wird.

Art. 140 Wahlmodus und Amtsdauer 1 Die Mitglieder der gewerblichen Schiedsgerichte werden nach dem Majorzprinzip für sechs Jahre gewählt.

2 Sie sind wiederwählbar.

Art. 141 Berufsgruppen. Parität 1 Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeder Berufsgruppe wählen die gewerblichen Schiedsrichter separat.

2 Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer ernennen in jeder Gruppe die gleiche Anzahl gewerblicher Schiedsrichter.

Art. 142 Aktives und passives Wahlrecht Wählen und gewählt werden können alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer schweizerischer Nationalität, die ihre politischen Rechte im Kanton ausüben.

Art. 143 Gesetz Das Gesetz regelt die Wahl, die Zahl der Gruppen und die Organisation der gewerblichen Schiedsgerichte.

Neuer Text Kapitel III. Gewerbliches Schiedsgericht (Arbeitsgericht) Art. 139 Zuständigkeit Das gewerbliche Schiedsgericht (Arbeitsgericht) ist nach Massgabe und im Rahmen des Gesetzes zuständig für die Beurteilung: a. von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern; b. jeder anderen Streitigkeit, die diesem Gericht durch Gesetz oder Verordnung zugewiesen wird.

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Art. 140 Wahl 1 Das Gesetz legt die Anzahl der im gewerblichen Schiedsgericht vertretenen Berufsgruppen sowie die Anzahl der jeder Berufsgruppe zustehenden Arbeitsrichter fest.

2 Die Arbeitsrichter werden vom Grossen Rat für die Dauer von sechs Jahren gewählt. Es werden ebenso viele Arbeitsrichter der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer gewählt. Sie sind wieder wählbar.

3 Für die Wahl eines Arbeitsrichters sind zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Wird diese Zahl nicht erreicht, so findet für die nicht besetzten Posten eine Wahl durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeder Berufsgruppe statt, die ihre Arbeitsrichter separat im Majorzverfahren wählen.

4 Stehen nicht mehr Kandidaten als Posten zur Auswahl, so wird eine stille Wahl durchgeführt.

5 Wählen und gewählt werden können alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer schweizerischer Nationalität, die mindestens 18 Jahre alt sind und während mindestens einem Jahr ihre berufliche Tätigkeit im Kanton ausgeübt haben. Wählbar sind ausserdem ausländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die ihre Berufstätigkeit seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz und davon mindestens das letzte Jahr im Kanton ausgeübt haben.

6 Das Gesetz regelt die Wahlmodalitäten sowie die Wahlvoraussetzungen für die Arbeitsrichter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es regelt ebenfalls die Organisation des gewerblichen Schiedsgerichts (Arbeitsgerichts).

Art. 141­143 Aufgehoben

Durch die Verfassungsänderung wird das Wahlverfahren für Arbeitsrichter geändert.

Diese wurden bisher von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern schweizerischer Nationalität gewählt, welche ihre politischen Rechte im Kanton ausüben. Künftig werden die Arbeitsrichter vom Grossen Rat gewählt, wobei zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erforderlich sind. Wird diese Stimmenzahl nicht erreicht, so werden die Arbeitsrichter von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern schweizerischer Nationalität gewählt, welche die Berufstätigkeit seit mindestens einem Jahr im Kanton ausüben. Zwar können ausländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterhin nicht an den Wahlen teilnehmen, sie können künftig jedoch als Arbeitsrichter gewählt werden, wenn sie ihre Berufstätigkeit in der Schweiz seit zehn Jahren und im Kanton seit mindestens einem Jahr ausüben.

1.4.2.2

Übereinstimmung mit dem Bundesrecht

Nach Artikel 122 Absatz 2 BV liegen die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung in Zivilsachen in der Kompetenz der Kantone.

Die kantonale Organisationskompetenz umfasst auch die Befugnis, Bestimmungen über die Wahlart und die Wählbarkeit der Mitglieder eines Arbeitsgerichts aufzustellen. Da die Änderung weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die Gewährleistung zu erteilen.

2

Verfassungsmässigkeit

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 der Bundesverfassung für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig.

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