11.023 Botschaft zum Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung der berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten vom 4. März 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung der berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2009

M 08.3450

Korrekte steuerliche Behandlung der Aus- und Weiterbildungskosten (S 30.9.08, Kommission für Wirtschaft und Abgaben SR; N 23.9.09)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. März 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-3258

2607

Übersicht Im geltenden Steuerrecht können die Kosten für die mit dem gegenwärtigen Beruf zusammenhängende Weiterbildung, für die durch äussere Umstände bedingte Umschulung und für den beruflichen Wiedereinstieg vom Einkommen abgezogen werden. Neu sollen auch die Kosten für eine freiwillige berufliche Umschulung und für einen Berufsaufstieg, unabhängig vom gegenwärtigen Beruf, abziehbar sein. Weiterhin nicht abziehbar bleiben die Kosten der Erstausbildung bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II. Der Abzug soll begrenzt werden.

Gestützt auf die überwiesene Motion (08.3450) der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben vom 23. September 2009 sieht die Vorlage vor, die Abzugsfähigkeit von berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten zu erweitern.

Abzugsfähig sind neu alle berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten nach dem ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II. Liegt kein erster Abschluss auf der Sekundarstufe II vor, sind alle berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten ab dem vollendeten 20. Lebensjahr abzugsfähig, sofern es sich dabei nicht um die Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II handelt.

Der Abzug ist bei der direkten Bundessteuer beschränkt auf 6000 Franken. Bei den Staats- und Gemeindesteuern wird die Beschränkung nach kantonalem Recht bestimmt.

Nicht abzugsfähig sind Kosten für Aus- und Weiterbildungen, die nicht berufsorientiert sind (Liebhaberei, Hobby).

So ausgestaltet führt der Aus- und Weiterbildungskostenabzug bei der direkten Bundessteuer zu geschätzten jährlichen Mindereinnahmen von über 5 Millionen Franken. Die Kantone können die Obergrenze des Abzugs selbst bestimmen. Würden sich die Kantone der vom Bund gewählten Obergrenze anschliessen, so dürften sich die geschätzten jährlichen Mindereinnahmen von Kantonen und Gemeinden insgesamt auf rund 30 Millionen Franken belaufen.

Die Vorlage bringt eine Vereinfachung des Steuerrechts, da einerseits nicht mehr zwischen Ausbildung und Weiterbildung und andererseits auch nicht mehr zwischen einer durch äussere Umstände bedingten und einer freiwilligen beruflichen Umschulung unterschieden werden muss. Ob dank den neuen Abzugsmöglichkeiten für Ausund Weiterbildungskosten wesentlich mehr Personen einen berufsorientierten Bildungslehrgang besuchen als ohne diese Gesetzesänderung, ist hingegen fraglich.

2608

Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Motion der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben 1.1.2 Bisherige Vorstösse zum Thema Aus- und Weiterbildungskosten 1.1.3 Geltendes Recht 1.1.3.1 Bildungskosten bei der direkten Bundessteuer 1.1.3.2 Berufskostenverordnung 1.1.3.3 Bildungskosten im kantonalen Steuerrecht 1.1.4 Überblick über das schweizerische Bildungswesen 1.1.5 Bedeutung der berufsorientierten Bildung 1.1.6 Die Weiterbildungspolitik des Bundes 1.1.7 Die Weiterbildungspolitik der Kantone 1.1.8 Analyse der Wirkung staatlicher Massnahmen zur Förderung der Aus- und Weiterbildung in der Schweiz 1.1.9 Analyse des Handlungsbedarfs gemäss Kurzgutachten von Prof. Dr. Stefan C. Wolter 1.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.2.1 Ein neuer allgemeiner Abzug 1.2.2 Gewinnungskostenabzug und allgemeiner Abzug 1.2.3 Erweiterter Gewinnungskostenabzug 1.3 Der neue Abzug für Aus- und Weiterbildungskosten 1.3.1 Die berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten 1.3.2 Abgrenzung zur Erstausbildung 1.3.3 Abgrenzung zur Liebhaberei 1.3.4 Obergrenze 1.3.5 Abzugsmöglichkeiten für Selbstständigerwerbende 1.3.6 Vernehmlassungsverfahren 1.3.6.1 Allgemeiner Abzug oder Gewinnungskostenabzug 1.3.6.2 Einführung einer Obergrenze des Abzugs 1.3.6.3 Verhältnis der Obergrenze zur Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung 1.3.6.4 Abzugsfähigkeit der Kosten für die Erstausbildung 1.4 Umsetzung und Inkraftsetzung 1.5 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

2611 2611

2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) 2.2 Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)

2611 2611 2613 2613 2615 2615 2616 2618 2618 2620 2620 2621 2622 2622 2623 2623 2623 2624 2625 2628 2629 2629 2630 2630 2631 2631 2632 2632 2632 2633 2633 2634

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3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

2635 2635 2635 2636 2636

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

2637

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

2637 2637 2638 2638

Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung der berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten (Entwurf)

2639

2610

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Motion der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben

Im Rahmen der Behandlung mehrerer Vorstösse hat sich die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aus- und Weiterbildungskosten beschäftigt. Gestützt auf die Erkenntnisse einer eigens für diese Frage eingesetzten Subkommission hatte sie an ihrer Sitzung vom 1. September 2008 beschlossen, eine Kommissionsmotion zu verfassen.

Die WAK-S verabschiedete an ihrer Sitzung vom 1. September 2008 die Motion und beantragte mit 7 zu 5 Stimmen Annahme der Kommissionsmotion. In der Herbstsession 2008 nahm der Ständerat mit 25 zu 12 Stimmen die Kommissionsmotion an.

Der Nationalrat überwies die Motion auf Antrag seiner Kommission ebenfalls deutlich mit 157 zu 3 Stimmen.

Die überwiesene Motion hat folgenden Wortlaut: «Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Vorlage betreffend Änderung des DBG und des StHG zu unterbreiten. Zweck der Vorlage ist es, die beruflich veranlassten Aus- und Weiterbildungskosten nach dem Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu behandeln.

Die Vorlage soll Folgendes vorsehen: 1. Beruflich veranlasste und vom Steuerpflichtigen getragene Aus- und Weiterbildungskosten sind abzugsfähig. Beruflich veranlasst sind Bildungskosten, die dem Erhalt oder der Erweiterung der bisher ausgeübten unselbstständigen Erwerbstätigkeit dienen (Berufsaufstieg) oder die zu einer neuen oder wieder aufgenommenen selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit qualifizieren (Umschulung, Wiedereinstieg).

2. Für den Abzug ist eine betragsmässige Obergrenze vorzusehen.

3. Nicht abzugsfähig sind Kosten für die berufsqualifizierende Erstausbildung. Ein berufsqualifizierender Abschluss liegt vor, wenn die betroffene Person durch den Abschluss zum ersten Mal befähigt wird, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, welche es ihr ermöglicht, ihren Lebensunterhalt fortan selber zu verdienen.»

1.1.2

Bisherige Vorstösse zum Thema Aus- und Weiterbildungskosten

In den vergangenen Jahren wurden verschiedenste parlamentarische Vorstösse und Initiativen zu Aus- und Weiterbildungskosten eingereicht, da die kantonalen Unterschiede in der Auslegung der verschiedenen Bildungskostenbegriffe, die Nichtabzugsfähigkeit bestimmter Bildungskosten sowie die damit zusammenhängenden

2611

Abgrenzungsschwierigkeiten je länger je mehr für Unmut sorgten. Es wurden folgende Vorstösse eingereicht: ­

Motion 96.3460 von Nationalrätin Franziska Teuscher «Abzug von Wiedereinstiegskosten im Steuerrecht». Die Motion forderte, eine Bestimmung aufzunehmen, die Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteigern erlaubt, die zum Wiedereinstieg notwendigen Weiterbildungskosten in der ersten ordentlichen Veranlagung vom Einkommen abzuziehen. Abzugsberechtigt sollen Weiterbildungskosten sein, die mit dem erlernten oder vorher ausgeübten Beruf zusammenhängen. Die Motion wurde in Form eines Postulats am 21. März 1997 überwiesen.

­

Motion 97.3084 von Ständerat Eugen David «Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz durch Ausbildungskostenabzug». Die Motion sah die Einführung eines Ausbildungskostenabzugs der steuerpflichtigen Person und der von ihr unterhaltenen Kinder vor. Die Motion wurde in Form eines Postulats am 16. März 1999 überwiesen.

­

Motion 03.3565 von Ständerat Eugen David «Weiterbildungskosten. Steuerliche Behandlung». Die Motion bezweckte, die Kosten der berufsorientierten Weiterbildung im Sinne von Artikel 30 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung als Weiterbildungskosten steuerlich in Abzug zu bringen. Die Motion wurde in Form eines Postulates am 2. März 2004 überwiesen.

­

Parlamentarische Initiative 04.432 von Nationalrätin Chiara SimoneschiCortesi «Direkte Bundessteuer. Abzugsberechtigung von Weiterbildungsund Umschulungskosten». Die Initiative sah vor, dass Aus- und Weiterbildungskosten für berufs- und nicht berufstätige Männer und Frauen abzugsfähig werden. Der Initiative wurde am 23. September 2009 keine Folge gegeben.

­

Motion 04.3632 von Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz «StHG. Ausbildungsabzug». Die Motion forderte eine Änderung des StHG, damit die Kantone die Möglichkeit erhalten, wieder einen Ausbildungsabzug (wie er vor der Umsetzung des StHG in mehreren Kantonen zur Anwendung kam) einzuführen. Der Ständerat lehnte am 30. September 2008 die Motion ab.

­

Motion 05.3129 von Nationalrat Johannes Randegger «Steuerliche Gleichbehandlung beruflicher Bildungs- und Weiterbildungskosten». Der Motionär verlangte eine Gesetzesänderung, sodass steuerrechtlich im tertiären Bildungsbereich kein Unterschied zwischen «Ausbildung» und «Weiterbildung» mehr bestehe. Der Ständerat lehnte am 30. September 2008 die Motion ab.

­

Postulat 05.3699 von Ständerat Alain Berset «Förderung der Weiterbildung». Das Postulat sah vor, dass der Bundesrat seinen Bericht zum Postulat 03.3565 mit einem Zusatzbericht ergänze, der die Vor- und Nachteile von - kostenneutralen - Massnahmen aufzeigt, welche den steuerlichen Abzug der Weiterbildungskosten ersetzen könnten, namentlich Weiterbildungskredite oder die Förderung der Weiterbildungsinstitutionen. Das Postulat wurde am 8. Dezember 2005 zurückgezogen.

2612

­

Standesinitiative 05.301 des Kantons St. Gallen «Ausbildungsabzüge in der Steuergesetzgebung. Wiedereinführung». Die Standesinitiative verfolgte das Ziel, die Ausbildungskosten von den steuerbaren Einkünften abziehen zu können. Der Initiative wurde am 23. September 2009 keine Folge gegeben.

­

Parlamentarische Initiative 06.492 von Ständerat Eugen David «Steuerliche Behandlung der Aus- und Weiterbildungskosten». Die Initiative sah eine Ergänzung vor, sodass künftig selbst bezahlte berufliche Aus- und Weiterbildungskosten nach abgeschlossener beruflicher Erstausbildung bis zu einem zu definierenden Höchstbetrag von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden können. Die Initiative wurde am 1. September 2008 zurückgezogen.

­

Interpellation 07.3089 von Nationalrat Mario Fehr «Berufliche Aus- und Weiterbildungskosten. Steuerliche Verbesserungen». Die Interpellation wurde am 1. Oktober 2007 im Nationalrat erledigt.

­

Standesinitiative 07.309 des Kantons Glarus «Wiedereinführung von Ausbildungsabzügen». Die Standesinitiative sah vor, das StHG und das DBG so zu ändern, dass für die Ausbildungskosten ein konkreter Betrag vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden kann. Der Initiative wurde von beiden Räten keine Folge gegeben.

1.1.3

Geltendes Recht

1.1.3.1

Bildungskosten bei der direkten Bundessteuer

Abzugsfähige Bildungskosten Im Bundesgesetz vom 14. Dezember 19901 über die direkte Bundessteuer (DBG) und im Bundesgesetz vom 14. Dezember 19902 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) sind von den steuerbaren Einkünften diejenigen Ausgaben als Gewinnungskosten abziehbar, die unmittelbar zur Erzielung des Einkommens verursacht werden und die in einem direkt ursächlichen Zusammenhang dazu stehen. Gewinnungskosten sind zur Einkommenserzielung notwendig. Der Verzicht auf die Aufwendungen darf der steuerpflichtigen Person nicht zumutbar sein. Zu den Gewinnungskosten gehören unter anderem die Berufskosten. In Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe d DBG und in Artikel 9 Absatz 1 StHG sieht das Gesetz vor, dass die mit dem Beruf zusammenhängenden Weiterbildungsund Umschulungskosten als Berufskosten abgezogen werden können.

Weiterbildungskosten sind gemäss einhelliger Doktrin notwendige und durch die berufliche Tätigkeit verursachte Kosten. Der Begriff ist gemäss Praxis zum früheren Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt, aufgehoben per 1. Januar 1995) weitherzig auszulegen.

Gemäss heute noch geltender Praxis umfasst die Weiterbildung darum alle Tätigkeiten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Beruf stehen und auf die die steuerpflichtige Person nicht verzichten kann. Der unmittelbare Zusammenhang ist insbesondere dann gegeben, wenn die Weiterbildung dazu 1 2

SR 642.11 SR 642.14

2613

dient, im angestammten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, den steigenden Anforderungen durch Erwerb verbesserter Kenntnisse zu genügen, das bereits Erlernte aufzufrischen und zu überarbeiten, die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten und die Stellung in jenem Beruf zu erhalten, welcher das in der Berechnungsperiode steuerbare Erwerbseinkommen der steuerpflichtigen Person generiert hat. Eine Weiterbildung umfasst auch den Erwerb verbesserter Kenntnisse für die Ausübung des gleichen Berufs. Diese Kosten werden auch Berufsaufstiegskosten im weiteren Sinne genannt und dienen der steuerpflichtigen Person dazu, den bisherigen Beruf besser auszuüben beziehungsweise den Anforderungen des bisherigen Berufs besser gerecht zu werden (z.B. Ausgaben für Fachkurse). Sie können durchaus zu einer höheren beruflichen Stellung führen, solange sich die neue Funktion nicht eindeutig von der bisherigen Tätigkeit unterscheidet. Der ursächliche Zusammenhang muss bei allen Weiterbildungskosten auch in zeitlicher Hinsicht gegeben sein, das heisst, sie müssen in der gleichen Zeitperiode wie das Erwerbseinkommen generiert werden.

Beispiele für Weiterbildung sind branchenspezifische Wiederholungs- oder Fortbildungskurse, Seminare, Kongresse etc. Als Weiterbildung gilt gemäss Rechtsprechung auch, wenn sich ein kaufmännischer Angestellter der Buchhaltungsabteilung einer Treuhandgesellschaft zum diplomierten Buchhalter/Bücherexperten oder ein Maler zum Malermeister weiterbildet; abziehbar sind auch Auslagen zum Besuch einer Computerschule, womit sich die Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens mit den auf diesem Gebiet eingetretenen Veränderungen vertraut macht, und Kosten, um vom Kopiloten zum Flugkapitän zu avancieren.

Umschulungskosten sind Kosten, die der steuerpflichtigen Person dazu dienen, sich beruflich völlig neu auszurichten und eine Neuausbildung abzuschliessen. Abziehbar sind jedoch nur die Kosten für Umschulungen, zu denen die steuerpflichtige Person durch äussere Umstände wie z.B. Betriebsschliessung, mangelnde berufliche Zukunft in der angestammten Tätigkeit, Krankheit oder Unfall gezwungen wird.

Bei Wiedereinstiegskosten handelt es sich um Kosten, die eine steuerpflichtige Person aufwenden muss, um nach längerer erwerbsloser Zeit im seinerzeit erlernten und ausgeübten Beruf tätig zu werden. Sie sind grundsätzlich
abziehbar. Sollte während der gleichen Bemessungsperiode den Kosten noch kein Erwerbseinkommen gegenüberstehen, so entfällt in der Regel ein Abzug als Gewinnungskosten, es sei denn, der Ehegatte bzw. die Ehegattin verfügt über ein Erwerbseinkommen in der gleichen Bemessungsperiode. Abgezogen werden können die während des Jahres der Erwerbsaufnahme anfallenden Wiedereinstiegskosten.

Nicht abzugsfähige Bildungskosten Im Gegensatz zu den Weiterbildungs- und Umschulungskosten wird die Abzugsfähigkeit von anderen Ausbildungskosten in Artikel 34 Buchstabe b DBG ausdrücklich ausgeschlossen, da Ausbildungskosten zu den Lebenshaltungskosten gehören.

Lebenshaltungskosten sind Kosten, welche zur Deckung des privaten Lebensbedarfs aufgewendet werden. Ausbildungskosten werden auch im StHG nicht in der Reihe der allgemeinen Abzüge (Art. 9 Abs. 2 StHG) erwähnt und sind daher nach Artikel 9 Absatz 4 StHG nicht zum Abzug zugelassen. Als Ausbildungskosten gelten einerseits die Kosten für die Erstausbildung, andererseits die Kosten für eine freiwillige Umschulung und Berufsaufstiegskosten, die nicht im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Beruf stehen.

2614

Die Erstausbildung ist abgeschlossen, wenn die steuerpflichtige Person erstmals theoretisch dazu befähigt wird, unter Einsetzung des durch diesen Lehrgang erworbenen Wissens die finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen.

Bei den nicht abzugsfähigen Umschulungskosten geht es um einen freiwilligen Berufswechsel, der in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Erwerbseinkommen steht und zu einem neuen Beruf führt. Diese freiwillige Umschulung wird von der Umschulung, die aufgrund eines äusseren Zwanges vorgenommen wird, abgegrenzt. Die ebenfalls nicht abzugsfähigen Berufsaufstiegskosten im engeren Sinne sind diejenigen Kosten, die im Hinblick auf den Aufstieg in eine eindeutig vom bisherigen Beruf zu unterscheidende höhere Berufsstellung oder gar in einen anderen Beruf aufgewendet werden. Die durch solche Ausbildungen verursachten Kosten stellen Lebenshaltungskosten dar.

1.1.3.2

Berufskostenverordnung

Die Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements vom 10. Februar 19933 über den Abzug von Berufskosten der unselbstständigen Erwerbstätigkeit bei der direkten Bundessteuer (Berufskostenverordnung) präzisiert, welche Aufwendungen als steuerlich abziehbare Berufskosten gelten. In Artikel 8 der Berufskostenverordnung wird festgelegt, dass die mit der gegenwärtigen Berufsausübung unmittelbar zusammenhängenden Weiterbildungs- und Umschulungskosten abziehbar sind und dass die eigentlichen Ausbildungskosten (Art. 34 Bst. b DBG) nicht abzugsfähig sind.

1.1.3.3

Bildungskosten im kantonalen Steuerrecht

Vor der Einführung des StHG liessen zwölf Kantone (BE, BL, BS, FR, JU, NE, NW, OW, SH, VD, VS, ZG) nur Bildungskosten (Weiterbildung und Umschulung) im Sinne von Gewinnungskosten zum Abzug zu. Einzig Zug fixierte eine Obergrenze. Freiburg, Schaffhausen und Waadt kannten Obergrenzen im Rahmen von Berufspauschalen. Die übrigen Kantone legten im Bereich der berufsbedingten Bildungskosten keine Höchstbeträge fest.

Elf Kantone (AG, AI, AR, GL, GR, LU, SG, SO, TG, UR, ZH) kannten Bildungsabzüge im Sinne von Gewinnungskosten, liessen aber weitere Bildungskosten zum Abzug zu. Bei den Ausbildungskosten schrieben die betroffenen Kantone allesamt Obergrenzen vor. Bei den Weiterbildungs- und Umschulungskosten (Gewinnungskosten) schrieben nur Luzern, Solothurn und Uri Maximalbeträge vor.

Der Kanton Tessin gewährte neben dem begrenzten Weiterbildungsabzug zwar keinen Abzug der Ausbildungskosten im engeren Sinn, aber einen nach oben begrenzten Pauschalabzug pro Familie.

Einzig der Kanton Schwyz unterschied nicht zwischen den als Gewinnungskosten zum Abzug zugelassenen Bildungskosten und übrigen Bildungskosten. Der Abzug für Aus- und Weiterbildungskosten war mit einer Obergrenze versehen. Der Kanton Genf kannte vor der StHG-Umsetzung überhaupt keine Bildungskostenabzüge.

3

SR 642.118.1

2615

Heute sind die Kantone gehalten, den Begriff der Aus- und Weiterbildungskosten im gleichen Verständnis, wie es im StHG zum Ausdruck kommt, in ihrer Steuerordnung anzuwenden. In der Praxis muss im konkreten Fall in den meisten Fällen geprüft werden, ob die steuerpflichtige Person durch den Lehrgang eine vom bisherigen Beruf deutlich zu unterscheidende höhere Stellung erlangt hat oder erlangen könnte.

Diese Prüfung lässt einen gewissen Spielraum für die subjektive Wertung zu, weshalb es vorkommen kann, dass ein Kanton mit einer liberaleren Praxis die gleiche Situation anders beurteilt als ein Kanton mit einer restriktiveren Praxis. Anstelle des früher teilweise zulässigen Ausbildungskostenabzuges sehen verschiedene kantonale Steuergesetze heute unterschiedliche Kinderabzüge vor, z.B. für «Kinder im Vorschulalter», «Kinder in Ausbildung mit ständigem Aufenthalt zu Hause» oder «Kinder in Ausbildung mit auswärtigem Aufenthalt». Auf die tatsächlich anfallenden Kosten kann der abgestufte Kinderabzug jedoch nicht Rücksicht nehmen.

1.1.4

4

Überblick über das schweizerische Bildungswesen4

Quelle: Der Schweizerische Bildungsserver, http://www.educa.ch (Stand: 20.01.2011).

2616

Das Bildungswesen bildet die politische Organisation der Schweiz ab. Entsprechend der föderalen Struktur der Schweiz teilen sich die drei politischen Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden die Aufgaben im Bildungswesen und sorgen gemeinsam und im jeweiligen Zuständigkeitsbereich für eine hohe Qualität im Bildungssystem.

Das schweizerische Bildungswesen umfasst grundsätzlich folgende Bildungsstufen bzw. Bereiche: ­

Vorschulstufe

­

Primarstufe: Die Kantone mit ihren Gemeinden sind zuständig für die Organisation und Finanzierung der Primarschulen. Träger der Schulen sind die Gemeinden. Der Schulbesuch ist für alle Kinder obligatorisch und kostenlos.

­

Sekundarstufe I: Die Sekundarstufe I folgt auf die Primarstufe und dauert in der Regel drei Jahre (siebtes bis neuntes Schuljahr). Die Sekundarstufe I vermittelt eine grundlegende Allgemeinbildung und bereitet auf die berufliche Grundbildung oder auf den Übertritt an allgemeinbildende Schulen der Sekundarstufe II vor. Die Kantone mit ihren Gemeinden sind zuständig für die Organisation und Finanzierung der Sekundarstufe I. Die Gemeinden, teilweise auch die Kantone, sind Träger der Schulen. Der Schulbesuch ist obligatorisch und kostenlos. Die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I sind in der Regel zwischen 12 und 15 Jahre alt.

­

Sekundarstufe II: Nach der obligatorischen Schule treten die Jugendlichen in die Sekundarstufe II über. Unterteilen lässt sich die Sekundarstufe II in allgemeinbildende und in berufsbildende Ausbildungsgänge. Allgemeinbildende Schulen sind gymnasiale Maturitätsschulen (Gymnasien) und Fachmittelschulen (FMS). Die berufliche Grundbildung kann in Lehrbetrieben mit ergänzendem Unterricht in den Berufsfachschulen und überbetrieblichen Kursen oder in einem schulischen Vollzeitangebot wie Lehrwerkstätten oder beruflichen Vollzeitschulen absolviert werden. Es können folgende Ausbildungsgänge der beruflichen Grundbildung unterschieden werden: zweijährige berufliche Grundbildung mit einem eidgenössischen Berufsattest, drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis, Berufsmaturitätsbildung ergänzend zur drei- oder vierjährigen beruflichen Grundbildung.

­

Tertiärstufe: Die Tertiärstufe umfasst Ausbildungen im Rahmen der höheren Berufsbildung und im Rahmen der Hochschulen: Die höhere Berufsbildung umfasst die eidgenössischen Berufsprüfungen, eidgenössische höhere Fachprüfungen sowie die höheren Fachschulen. Zu den Hochschulen zählen die universitären Hochschulen (kantonale universitäre Hochschulen sowie Eidgenössische Technische Hochschulen [ETH]), die Fachhochschulen (FH), einschliesslich Kunst- und Musikhochschulen, sowie Pädagogische Hochschulen (PH).

2617

1.1.5

Bedeutung der berufsorientierten Bildung

Die im Dezember 2004 publizierte Studie «Abzugsmöglichkeiten für Weiterbildungskosten»5 der Arbeitsgruppe «Weiterbildung» zum Postulat David vom 2. März 2004 hat die Bedeutung der Bildung dargelegt: Die Weiterbildung hat im Zuge des Strukturwandels von Gesellschaft und Wirtschaft stark an Bedeutung gewonnen. Die immer kürzeren Wissenszyklen können ohne ständige berufsorientierte Weiterbildung nicht mehr bewältigt werden. Auch ist die Menge des sich ständig überholenden Erfahrungswissens innert nützlicher Frist nicht mehr zu vermitteln. Unternehmen erwarten von den Mitarbeitenden, dass sie bereit sind, sich fortwährend neues Wissen anzueignen.

Exemplarisches Lernen und die Fähigkeit, Neues zu verarbeiten, sind heute gefragt und müssen weiterentwickelt werden. Dem Berufsbildungsgesetz vom 13. Dezember 20026 liegt deshalb die Konzeption zugrunde, dass die berufsorientierte Weiterbildung im Sinne des Qualifikationserhalts und der besseren Arbeitsmarktfähigkeit auf allen Stufen gepflegt wird.

Um mit den Veränderungen Schritt zu halten, sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angehalten, sich im Rahmen der bisherigen Tätigkeit weiterzubilden oder sich in einem anderen Berufsfeld Kenntnisse anzueignen. Die Beschäftigungsfähigkeit ist dann gesichert, wenn Bildungschancen rechtzeitig wahrgenommen werden.

Die Vorstellung, den «Beruf für das Leben» zu lernen und sich während des Berufslebens im angestammten Berufsfeld weiterzuentwickeln, entspricht längst nicht mehr der wirtschaftlichen Realität. Patchwork-Biografien sind heute weit verbreitet: Wer nicht riskieren will, aus dem Arbeitsmarkt zu fallen, muss sich fortwährend weiterbilden ­ und zwar nicht nur im angestammten Berufsfeld.

Die Globalisierung der Wirtschaftsmärkte und der technologische Fortschritt haben in den letzten Jahren weltweit zu einem verschärften Wettbewerb geführt. Verkürzte Produktzyklen, eine rasche Anpassung von Herstellungsverfahren an neue Erfordernisse und Kostendruck zwingen zu einer Erneuerung, Anpassung und Erweiterung betrieblichen Wissens und Könnens. Bildung wird zusätzlich zu Finanzwesen, Technik, Organisation, Logistik, Kommunikation und Marketing zum kritischen Faktor für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit.

1.1.6

Die Weiterbildungspolitik des Bundes

Volk und Stände haben am 21. Mai 2006 die neuen Bildungsartikel der Bundesverfassung (BV)7 angenommen. Mit dem neuen Artikel 64a BV hat der Bund den Auftrag erhalten, Grundsätze über die Weiterbildung festzulegen. Zudem erhielt er die Kompetenz, die Weiterbildung zu fördern und Kriterien festzulegen. Die Weiterbildung in der Schweiz ist historisch und pragmatisch gewachsen. Dies führte zu einem Nebeneinander von staatlichen und privaten, gemeinnützigen und gewinnorientierten, betrieblichen und öffentlichen Bildungsangeboten.

5 6 7

Im Internet publiziert unter: www.estv.admin.ch/dokumentation (Stand: 20.01.2011).

SR 412.10 SR 101

2618

Die Weiterbildung ist in der Schweiz überwiegend marktwirtschaftlich organisiert.

Das Angebot an privaten und betrieblichen, gemeinnützigen und gewinnorientierten Weiterbildungsmöglichkeiten ist gross. Der marktwirtschaftlich organisierte Anteil macht gemäss Bildungsbericht Schweiz 20068 über 80 Prozent des gesamten Angebots aus. Im Unterschied zum formalen Bildungssystem handelt der Staat im Bereich der Weiterbildung hauptsächlich subsidiär.

Der Bund regelt heute die Weiterbildung in vielen Spezialgesetzen. Die spezialrechtlichen Regelungen sind sehr spezifisch auf Themen und Zielgruppen ausgerichtet.

Alles in allem gibt die Eidgenossenschaft heute unter fünfzig Rechtstiteln jährlich 600 Millionen Franken für Weiterbildung aus. Inhaltlich sind folgende Bereiche zu nennen: ­

Arbeitgeber: In seiner Rolle als Arbeitgeber fördert der Bund die Weiterbildung seiner Angestellten. Er ermöglicht ihnen den Zugang zu Weiterbildungsveranstaltungen oder tritt selber als Veranstalter auf. Neben den Angeboten des Eidgenössischen Personalamts gibt es auch spezifische Angebote zu Themen wie Landesverteidigung, Zollwesen usw.

­

Sozialversicherungen: Weiterbildungsbestimmungen im Sozialversicherungsrecht haben zum Ziel, dass die Betroffenen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, im Arbeitsprozess verbleiben oder wieder integriert werden. Für Bildungsmassnahmen der Arbeitslosenversicherung werden jährlich rund 300 Millionen Franken verwendet. Die Leistungen werden hauptsächlich durch Beiträge der Erwerbstätigen und der Arbeitgeber finanziert.

­

Minimalstandards im Arbeitsrecht: Weiterbildung in der Arbeitswelt liegt in der Eigenverantwortung der Einzelpersonen und der Unternehmen. Der Bund setzt nur wenige ergänzende Minimalstandards.

­

Integration einzelner Gruppen: Zielgruppenspezifische Weiterbildungsmassnahmen werden namentlich in den Regelungsbereichen Migration, Jugend und Sport, Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, Kampf gegen Illettrismus usw. unterstützt.

­

Qualitätssicherung: In verschiedenen Erlassen wird Weiterbildung als Instrument zur Qualitätsentwicklung bzw. -sicherung und Problembekämpfung eingesetzt. Beispiele sind Vorschriften zur Tierhaltung, für Drogenfachleute oder für Kontrollorgane im Lebensmittelbereich.

Zum Teil werden Verbände oder gemeinnützige Vereine in die Gestaltung und Bereitstellung der Angebote einbezogen. Die Angebote werden in der Regel durch öffentliche Subventionen finanziert, zum Teil werden Teilnahmegebühren mit unterschiedlichen Kostendeckungsgraden erhoben.

Die Förderungsinstrumente des Bundes sind vielfältig: Finanzierung von Institutionen und Programmen, Infrastrukturleistungen usw. Bildungsgutscheine gelten als besonders geeignetes Instrument, um Anreize zu erhöhen und die Beteiligung an der Weiterbildung zu fördern. Zu den Wirkungen dieses Instruments liegen indes noch keine abschliessenden Resultate vor.9

8 9

Im Internet publiziert unter: http://www.skbf-csre.ch (Stand: 20.01.2011).

Bericht des EVD über eine neue Weiterbildungspolitik des Bundes, in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), November 2009, Ziffer 2.4.

2619

1.1.7

Die Weiterbildungspolitik der Kantone

Fünf Kantone besitzen ein Gesetz oder eine Verordnung ausschliesslich für die Weiterbildung (AI, FR, GE, GR, VS). Bei den anderen Kantonen finden sich einschlägige Bestimmungen in der Berufsbildungsgesetzgebung.

Die Förderungs- und Beitragskriterien in den kantonalen Gesetzen sind unterschiedlich ausgestaltet. Eine Subventionierung erfolgt zunehmend nur noch in Bereichen, in denen ohne Förderung keine Angebote oder Massnahmen bereitgestellt werden könnten. Knapp die Hälfte der Kantone kennt individuelle Weiterbildungsförderung in Form von finanzieller Unterstützung bestimmter Personen oder Gruppen (Subjektförderung). In einigen Kantonen ist die Subjektförderung auf wenig qualifizierte oder benachteiligte Personen ausgerichtet.

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren strebt mit ihren Empfehlungen zur Weiterbildung von Erwachsenen vom 20. Februar 2003 eine Koordination der Angebote und Strukturen an. Vorgesehen ist insbesondere, die Nachholbildung zu fördern, benachteiligten Gruppen den Zugang zur Weiterbildung zu ermöglichen und die Qualitätsentwicklung der Weiterbildungsträger zu unterstützen. Angesichts der neuen Bildungsartikel in der Bundesverfassung und in Erwartung eines Bundesgesetzes über die Weiterbildung haben viele Kantone die Modernisierung ihrer Weiterbildungsregelungen sistiert.10

1.1.8

Analyse der Wirkung staatlicher Massnahmen zur Förderung der Aus- und Weiterbildung in der Schweiz

Untersuchungen haben ergeben, dass die Weiterbildungsbeteiligung in der Schweiz, nach verschiedenen Personengruppen betrachtet, sehr unterschiedlich ist11. Insbesondere bei Personen mit niedriger Grundbildung wird davon ausgegangen, dass eine höhere Weiterbildungsquote sowohl individuellen wie wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen stiften dürfte. Ebenso wird davon ausgegangen, dass vor allem finanzielle Faktoren (direkte Kosten und entgangener Erwerbsausfall durch die Ausbildung) die nicht bildungsaktiven Personen von der Weiterbildung fernhalten. Ob dem tatsächlich so ist, haben verschiedene Gutachten und Studien analysiert, die die Wirkung von staatlichen Massnahmen im Allgemeinen und von bestimmten Massnahmen im Besonderen untersucht haben.

Eine der untersuchten staatlichen Massnahmen ist die Abgabe von Bildungsgutscheinen. Bildungsgutscheine sind in der Schweiz das bekannteste Modell der nachfrageorientierten Finanzierung von Weiterbildung. Die abgegebenen Gutscheine können für eine Weiterbildung nach Wahl eingelöst werden.

10 11

Bericht des EVD über eine neue Weiterbildungspolitik des Bundes, in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), November 2009, Ziffer 2.5.

Vgl. Bericht des EVD über eine neue Weiterbildungspolitik des Bundes, in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), November 2009, Ziffer 1.3.

2620

Die Forschungsstelle für Bildungsökonomie an der Universität Bern hat im Auftrag des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie 2006 ein grossangelegtes Feldexperiment12 durchgeführt. 2400 zufällig ausgewählten Personen wurden Weiterbildungsgutscheine ausgegeben, die diese frei für Weiterbildung einsetzen konnten.

Ihr Verhalten wurde mit rund 10 000 Personen verglichen, welche keine Gutscheine erhalten hatten.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich mit finanzieller Unterstützung die Weiterbildungsbeteiligung auch von bildungsfernen Personengruppen durchaus steigern lässt. Für eine Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung sind deshalb Bildungsgutscheine sicherlich das richtige Anreizinstrument.

Allerdings zeigt sich auch, dass es Faktoren gibt, die gegen einen flächendeckenden Einsatz von Gutscheinen sprechen. Erstens beobachtet man bei allen Personen mit nachobligatorischer Ausbildung sogenannte Mitnahmeeffekte. Diese führen dazu, dass diese Personen Gutscheine durchschnittlich nur in einem von drei Fällen tatsächlich für eine Weiterbildung verwenden, die sie nicht auch sonst absolviert hätten. Zweitens lassen sich für die Personen, die den Gutschein für Weiterbildung eingesetzt haben ­ zumindest kurzfristig ­ keine positiven Arbeitsmarkteffekte beobachten. Dies spricht vorderhand eher gegen ein starkes öffentliches Engagement bei der Weiterbildungsfinanzierung. Das Experiment legt deshalb nahe, dass, falls überhaupt, die öffentliche Finanzierung von Weiterbildung nur für eine sehr eng umschriebene Zielgruppe gerechtfertigt wäre.

Im Kanton Genf werden Bildungsgutscheine seit 2001 erfolgreich eingesetzt.

Anspruch auf den jährlichen Bildungsgutschein haben nur Personen bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe. Das Modell wird laufend evaluiert und weiterentwickelt. Wie die Erfahrungen zeigen, können Bildungsgutscheine mit ergänzender Beratung dazu beitragen, die Weiterbildungsbeteiligung von wenig qualifizierten Personen zu steigern.13

1.1.9

Analyse des Handlungsbedarfs gemäss Kurzgutachten von Prof. Dr. Stefan C. Wolter

Ein staatlicher Handlungsbedarf für eine finanzielle Bildungsförderung wäre begründet, wenn im Bereich der Weiterbildungsbeteiligung ein Marktversagen vorliegen oder wenn Verteilungs- und Gerechtigkeitsüberlegungen dafür sprechen würden. Von einem Marktversagen wird dann gesprochen, wenn eine marktwirtschaftliche Regelung ohne staatliches Handeln zu keinem effizienten Zustand führt.

In seinem Kurzgutachten «Die steuerliche Behandlung der Kosten für die Aus- und Weiterbildung»14 kommt Prof. Dr. Stefan C. Wolter zum Schluss, dass es für eine flächendeckende staatliche Förderung von Weiterbildungsanstrengungen keine ausreichende Begründung gibt. Eine staatliche Mitfinanzierung von Weiterbildungs12

13 14

«Weiterbildung und Bildungsgutscheine. Resultate aus einem experimentellen Feldversuch», Zusammenfassung und Einzelaspekte der Studienergebnisse von S. C. Wolter und Dolores Messer, Bern, Februar 2009.

Schweizerischer Verband für Weiterbildung SVEB: ALICE - Weiterbildung aktuell, http://www.alice.ch/de/themen/finanzierung/bildungsgutscheine/ (Stand: 20.01.2011).

Stefan C. Wolter: Die steuerliche Behandlung der Kosten für die Aus- und Weiterbildung, Gutachten vom 27. März 2008, VPB 2009.3, S. 14­24 (im Internet publiziert unter: www.estv.admin.ch).

2621

angeboten ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese eine ganz bestimmte Zielgruppe umfasst (nämlich schlecht qualifizierte Personen) und auf Weiterbildungsmassnahmen beschränkt ist, deren Ziel und Wirkung ganz klar in einer besseren und nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt liegt.

Die Ausweitung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Weiterbildungskosten als Förderinstrument in Bezug auf Zielgruppengenauigkeit, Mitnahmeeffekte und Anreizwirkungen schneidet im Vergleich mit anderen Förderungsinstrumenten schlechter ab. Die Wirkung von Abzügen in Bezug auf bildungsferne und ökonomisch schwache Bevölkerungsschichten ist eher bescheiden, einerseits weil aufgrund der Progressionswirkung die steuerliche Belastung und damit die Wirkung von Abzügen bei diesen Gruppen ohnehin gering ist, andererseits weil die Kostenentlastung bei Steuerabzügen retrospektiv anfällt. Angesichts der Tatsache, dass durch zusätzliche Abzüge die Weiterbildungsbeteiligung kaum gesteigert werden kann und in erster Linie Mitnahmeeffekte dominieren, ist dieses Instrument gemäss Wolter für die Weiterbildungsförderung ungeeignet.

1.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Zur Umsetzung des Motionsauftrags wurden drei verschiedene Lösungsmöglichkeiten untersucht, nämlich die Ausgestaltung des Abzugs für berufliche Aus- und Weiterbildungskosten als: ­

allgemeiner Abzug (Ziff. 1.2.1)

­

Gewinnungskostenabzug und allgemeiner Abzug (Ziff. 1.2.2)

­

erweiterter Gewinnungskostenabzug (Ziff. 1.2.3 unten)

1.2.1

Ein neuer allgemeiner Abzug

Eine Lösungsmöglichkeit sieht vor, einen neuen allgemeinen Abzug einzuführen, der sowohl die Aus- wie auch die Weiterbildungskosten unter einem Titel zusammenfasst. Die heute geltende Unterscheidung zwischen Ausbildung (freiwillige Umschulung, Berufsaufstieg, der nicht im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Beruf steht) und Weiterbildung (Weiterbildung, durch äussere Umstände bedingte Umschulung, berufliche Wiedereinstieg) würde wegfallen. Der Abzug würde betragsmässig begrenzt. Die Kosten für die Erstausbildung blieben ausgeschlossen.

Diese Lösungsmöglichkeit hebt die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten auf und vereinfacht somit die Steuerveranlagung. Die Kosten, die heute vollumfänglich als Weiterbildungskosten abziehbar sind, können allerdings nur noch bis zum vorgesehenen Höchstbetrag abgezogen werden. Ein solcher Höchstbetrag ermöglicht es, die aufgrund der Massnahme zu erwartenden Mindereinnahmen zu begrenzen. Dieser Lösung gibt der Bundesrat den Vorzug.

2622

1.2.2

Gewinnungskostenabzug und allgemeiner Abzug

Eine zweite Lösungsmöglichkeit wäre die Unterteilung des Abzugs in einen Berufskostenabzug (Gewinnungskostenabzug) und einen neuen allgemeinen Abzug. Der Gewinnungskostenabzug würde wie im geltenden Recht die Kosten für die Weiterbildung, für die durch äussere Umstände bedingte Umschulung und für den beruflichen Wiedereinstieg umfassen. Der neue allgemeine Abzug würde die übrigen Bildungskosten für die freiwillige Umschulung und den Berufsaufstieg, der nicht im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Beruf steht, beinhalten.

Diese Zweiteilung des Abzugs wurde verworfen. Da Gewinnungskosten keine Obergrenze kennen, würden die steuerpflichtigen Personen ihre Aus- und Weiterbildungskosten tendenziell immer als Gewinnungskosten definieren. Die Folgen wären vermehrte Rechtsmittelverfahren und hohe Rechtsmittelkosten. Das Steuerrecht würde zudem komplizierter, da zwei Abzüge voneinander abgegrenzt werden müssten. Die heute kritisierte Abgrenzungsproblematik würde damit weiterbestehen.

1.2.3

Erweiterter Gewinnungskostenabzug

Ebenfalls nicht weiterverfolgt wurde die Ausweitung des Gewinnungskostenabzugs (Berufskostenabzug) auf Kosten, die keinen Gewinnungskostencharakter haben.

Dieser Lösungsansatz würde bedeuten, dass Bildungskosten, die in keinem Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Beruf stehen (z.B. freiwillige Umschulungskosten), als Gewinnungskosten definiert und somit unbeschränkt abzugsfähig würden.

Der Vorteil dieser Lösung mit einem Abzug wäre zweifelsohne, dass die Abgrenzungsproblematik entschärft würde. Jedoch würde dies eine Ausweitung des Begriffs «Gewinnungskosten» mit nicht abschätzbaren Folgen bedeuten. Würden Gewinnungskosten auch Ausbildungskosten umfassen, die nicht direkt mit der Erzielung des Erwerbseinkommens zu tun haben, so könnten auch andere Kosten, die ebenfalls nicht direkt mit der Erzielung des Erwerbseinkommens zu tun haben, als Gewinnungskosten angesehen werden und in unbeschränkter Höhe abgezogen werden. Deshalb sollte der Gewinnungskostenbegriff weiterhin eng ausgelegt werden, um weiteren Anschlussbegehren nicht Vorschub zu leisten.

1.3

Der neue Abzug für Aus- und Weiterbildungskosten

Als beste Neuregelung zur Umsetzung des Motionsauftrags wird die Einführung eines neuen allgemeinen Abzugs für alle berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten (= Kosten für die Weiterbildung, die freiwillige oder durch äussere Umstände bedingte Umschulung, den Wiedereinstieg, den Berufsaufstieg im engeren und weiteren Sinn) erachtet. Dieser neue Abzug soll in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe j DBG und in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe n StHG eingeführt werden.

Abzugsfähig sind nur die berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten. Von dieser neuen Regelung bleiben die Kosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II ausgenommen. Ab dem vollendeten 20. Lebensjahr können auch steuerpflichtige Personen ohne einen Abschluss auf der Sekundarstufe II ihre berufsorien-

2623

tierten Aus- und Weiterbildungskosten abziehen, die sie nicht im Hinblick auf einen Abschluss auf der Sekundarstufe II aufwenden müssen.

Die Altersgrenze von 20 Jahren wird gewählt, weil davon auszugehen ist, dass die grosse Mehrheit der steuerpflichtigen Personen (unter Berücksichtigung möglicher Verzögerungen) in diesem Alter die Erstausbildung abgeschlossen hat.

Der Abzug wird nach oben begrenzt. Im DBG wird die Obergrenze auf einen Betrag von 6000 Franken festgelegt. Im StHG bestimmt das kantonale Recht die Obergrenze.

Quellensteuerpflichtige Personen ­ beispielsweise ausländische Studierende, die die fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung (Bewilligung C) nicht besitzen, sich jedoch in der Schweiz aufhalten und für ihre Einkünfte (Bruttobetrag) aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit und entsprechende Ersatzeinkünfte (Bruttoeinkünfte) der Quellensteuerpflicht unterliegen ­ können im Rahmen einer nachträglichen Tarifkorrektur von diesem Abzug profitieren, da er nur gegen Nachweis gewährt wird.

Der Korrekturantrag ist jeweils bis am 31. März des Folgejahres (vgl. Art. 137 DBG) beim zuständigen kantonalen Steueramt zu stellen.

1.3.1

Die berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten

Der neue Abzug beschränkt sich auf die berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten. Darin enthalten sind auch die berufsorientierten Umschulungskosten.

Der Lehrgang, für den die Aus- und Weiterbildungskosten aufgewendet werden, muss demnach einer (aktuellen oder zukünftigen) beruflichen Tätigkeit dienen. Dies ist dann der Fall, wenn der absolvierte Bildungslehrgang nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem allgemeinen Lauf der Dinge für die berufliche Tätigkeit nützlich ist und die gewonnenen Erkenntnisse somit im konkreten Fall bei der Arbeit angewendet werden können.

Es ist unerheblich, ob die berufsorientierte Aus- und Weiterbildung zu einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit führt. Es spielt auch keine Rolle, ob die Aus- oder Weiterbildung im direkten Zusammenhang mit der Erzielung des gegenwärtigen Erwerbseinkommens steht. Die berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten berechtigen auch dann zum Abzug, wenn nach Abschluss der Ausoder Weiterbildung nicht im erlernten Berufsfeld gearbeitet wird.

Die steuerpflichtige Person kann nur diejenigen Kosten abziehen, die sie selbst für ihre berufsorientierte Aus- und Weiterbildung bezahlen muss. Kommt der Arbeitgeber der steuerpflichtigen Person für die Aus- oder Weiterbildung auf und musste die steuerpflichtige Person nichts dafür ausgeben, so kann sie keinen Abzug vom steuerbaren Einkommen geltend machen. Muss die steuerpflichtige Person einen Teil der Gesamtkosten selber bezahlen, so kann sie den Teil, den sie tatsächlich selber bezahlt hat, geltend machen.

Beispiele: Ein Bäcker kann die Kosten für seine Ausbildung zum Tauchlehrer abziehen, da er als Tauchlehrer theoretisch in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dies gilt auch, wenn der Bäcker nie als Tauchlehrer arbeitet.

Die Juristin kann die Kosten für die Ausbildung zur Sportmasseurin in Abzug bringen, obwohl sie weiterhin als Juristin arbeitet.

2624

Abzugsfähigkeit

Geltendes Recht

Neu

Weiterbildung (im engen Sinne) Ausbildung zum beruflichen Aufstieg freiwillige Umschulung durch Umstände bedingte Umschulung Wiedereinstieg Erstausbildung Liebhaberei, Hobby

ja nein nein ja ja nein nein

ja ja ja ja ja nein nein

1.3.2

Abgrenzung zur Erstausbildung

Finanzpolitische Überlegungen haben zum Schluss geführt, dass die Kosten der Erstausbildung von den abzugsfähigen Kosten auszuschliessen sind.

Der steuerrechtliche Begriff der Erstausbildung gründete bis anhin sowohl auf einer eigenen steuerlichen Definition wie auch auf der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht.

Die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern kann bei Fehlen einer «angemessenen Ausbildung» über das Mündigkeitsalter des Kindes hinausgehen, bis das Kind «eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen» hat15. Nach Zivilrecht angemessen ist eine Ausbildung, wenn das geplante (und realistische) Ausbildungsziel erreicht ist. Welche Ausbildungslehrgänge darin eingeschlossen sind, hängt von den Umständen ab, insbesondere von den getroffenen Absprachen, der Zumutbarkeit, vom konkreten Ausbildungsgang, aber auch vom einmal entworfenen Ausbildungs- beziehungsweise beruflichen Lebensplan16. Daraus wurde für das Steuerrecht geschlossen, dass auch im steuerrechtlichen Sinn eine Erstausbildung vorliegt, wenn die betroffene Person erstmals dazu befähigt wird, unter Einsetzung des durch diesen Lehrgang erworbenen Wissens bei einer 100-prozentigen Anstellung die finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen, mit andern Worten, wenn sie fortan theoretisch in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt dank diesem Lehrgang selbst zu verdienen. Die Erstausbildung gilt als abgeschlossen, wenn die steuerpflichtige Person das dazugehörige Abschlussdiplom erworben hat, nicht aber, wenn sie lediglich die dafür nötige Lehr- oder Studienzeit hinter sich gebracht hat. Diese Definition führte dazu, dass im geltenden Recht der Abschluss der Erstausbildung je nach Bildungsinstitution und Bildungsgang unterschiedlich festgelegt wurde. So gilt heute bei der beruflichen Bildung der Abschluss der beruflichen Grundbildung als Abschluss der Erstausbildung. An einer Fachhochschule endet die Erstausbildung nach geltendem Recht grundsätzlich mit dem Erwerb des Bachelordiploms17, an einer universitären Hochschule mit dem Erwerb des Mastertitels. In ihrer Motion schlägt die WAK-S vor, diese Definition der Erstbildung aufzunehmen («Ein berufsqualifizierender Abschluss liegt vor, wenn die betroffene Person durch den

15 16 17

Artikel 277 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches, SR 210 Artikel 277 N. 8 ff. in Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I (Honsell/Vogt/Geiser, 3. Auflage, Helbing & Lichtenhahn 2006).

Artikel 4 des Fachhochschulgesetzes, SR 414.71

2625

Abschluss zum ersten Mal befähigt wird, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, welche es ihr ermöglicht, ihren Lebensunterhalt fortan selber zu verdienen»18).

Die verschiedenen Definitionen des Abschlusses der Erstausbildung je nach Ausbildungsgängen bringen nicht nur eine unterschiedliche Behandlung von steuerpflichtigen Personen hervor, die im gleichen Ausbildungsgang an der gleichen Bildungsinstitution (Sekundarstufe II oder Tertiärstufe) unterrichtet werden, aber einen unterschiedlichen Werdegang haben, sondern sind auch für das Veranlagungsverfahren, das ein Massenfallverfahren ist, zu komplex, im Moment der Veranlagung kaum überprüfbar und damit nicht tauglich. Die ungleiche Behandlung verschiedener steuerpflichtiger Personen lässt sich anhand folgender drei Beispiele veranschaulichen:

18 19

­

Beispiel 1: Steuerpflichtige Person A hat ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis mit Berufsmatura erworben und damit nach geltendem Recht ihre Erstausbildung abgeschlossen. Sie setzt ihr Studium an einer Fachhochschule fort, und da sie einen Erstausbildungsabschluss in der Tasche hat, sind alle Kosten des Fachhochschulstudiums als Aus- und Weiterbildungskosten abziehbar. Steuerpflichtige Person B hat die Fachmittelschule besucht und mit einer Fachmatura abgeschlossen. Sie setzt ihr Studium ebenfalls an einer Fachhochschule fort. Da Person B jedoch noch keinen Erstausbildungsabschluss hat, kann sie ihre Kosten des Fachhochschulstudiums bis und mit Bachelordiplom steuerlich nicht in Abzug bringen.

­

Beispiel 2: Steuerpflichtige Person C hat ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis mit Berufsmatura erworben und damit nach geltendem Recht ihre Erstausbildung abgeschlossen. Sie besteht die Ergänzungsprüfung und setzt ihr Studium an einer universitären Hochschule fort. Da sie einen Erstausbildungsabschluss in der Tasche hat, sind alle Kosten des Hochschulstudiums als Aus- und Weiterbildungskosten abziehbar. Steuerpflichtige Person D hat die gymnasiale Matura bestanden und wechselt nun ebenfalls an eine universitäre Hochschule. Da Person D jedoch noch keinen Erstausbildungsabschluss hat, kann sie ihre Kosten des Hochschulstudiums bis und mit Mastertitel steuerlich nicht in Abzug bringen.

­

Beispiel 3: Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz19. Für eine bessere Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Hochschultypen (Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen) haben die drei Rektorenkonferenzen der Schweizer Universitäten, der Fachhochschulen der Schweiz und der Pädagogischen Hochschulen 2007 in einer Durchlässigkeitsvereinbarung geregelt, unter welchen Bedingungen der direkte Übertritt von einem Bachelorstudium eines Hochschultyps zu einem Masterstudium eines anderen Hochschultyps möglich ist. Aus steuerlicher Sicht würde das mit der geltenden Definition bedeuten, dass die steuerpflichtige Person E, die mit einer Fachmatura und einem Bachelordiplom von einer Fachhochschule (Abschluss Erstausbildung) in den Masterstudiengang an einer universitären Hochschule wechselt, die Studienkosten des Masterstudiengangs als Aus- und Weiterbildungskosten 08.3450 ­ Motion «Korrekte steuerliche Behandlung der Aus- und Weiterbildungskosten».

Artikel 61a Absatz 1 BV

2626

steuerlich abziehen kann. Hingegen kann die steuerpflichtige Person F, die mit einer gymnasialen Matura und einem Bachelordiplom von einer universitären Hochschule in den gleichen Masterstudiengang wechselt, ihre Kosten des Hochschulstudiums bis und mit Mastertitel steuerlich nicht in Abzug bringen.

Die genannten Beispiele legen dar, dass das Steuerrecht mit der heute geltenden Definition der Erstausbildung zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem, welcher Ausbildungsgang gewählt wird. Diese unterschiedlichen Ergebnisse könnten sich gar als willkürlich erweisen. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat vor, dieses Element der «Erstausbildung» aus der Motion der WAK-S durch objektive, gerechtere, einfachere, schematische und praktikablere Kriterien zu ersetzen, die auf dem oben dargelegten schweizerischen Bildungswesen basieren (Ziff. 1.1.4).

Die neue schematische Abgrenzung sieht vor, dass die Kosten der berufsorientierten Aus- und Weiterbildung, einschliesslich der Umschulung, entweder nach dem ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II oder ohne Abschluss auf der Sekundarstufe II ab dem vollendeten 20. Lebensjahr abzugsfähig sind. Auch nach der Vollendung des 20. Lebensjahrs können die Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II nicht abgezogen werden. Die allgemein- oder berufsbildende Ausbildung der Sekundarstufe II schliesst an die obligatorischen Schulen an. Zu den obligatorischen Schulen zählen die Vorstufe (z.B. Kindergarten), die Primarschule und die Schulen der Sekundarstufe I. Nach den obligatorischen Schulen treten die Jugendlichen entweder in eine weiterführende Schule der Sekundarstufe II wie beispielsweise eine gymnasiale Maturitätsschule (Gymnasien) oder eine Fachmittelschule (FMS) über, oder sie nehmen einen Ausbildungsgang in der beruflichen Grundbildung auf der Sekundarstufe II in Angriff. Die berufliche Grundbildung kann in Lehrbetrieben mit ergänzendem Unterricht in den Berufsfachschulen und überbetrieblichen Kursen oder in einem schulischen Vollzeitangebot wie Lehrwerkstätten oder beruflichen Vollzeitschulen absolviert werden.

Rund zwei Drittel der Jugendlichen treten nach der Sekundarstufe I in die berufliche Grundbildung ein. Ein Drittel wählt einen allgemeinbildenden Ausbildungsgang20.

Die verschiedenen Ausbildungsgänge auf der
Sekundarstufe II dauern zwei bis vier Jahre. Je nach Abschluss auf der Sekundarstufe II kann direkt ein Beruf ausgeübt oder beispielsweise eine weiterführende Ausbildung auf der Tertiärstufe an einer Hochschule (universitäre Hochschulen, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen) oder ein Ausbildungsgang der höheren Berufsbildung (höhere Fachschulen, eidgenössische Berufsprüfungen, eidgenössische höhere Fachprüfungen) begonnen werden.

Mit der vorgeschlagenen neuen schematischen Abgrenzung zwischen abziehbaren und nicht abziehbaren Kosten können sämtliche berufsorientierte Aus- und Weiterbildungskosten von Bildungsaktivitäten sowohl auf der Sekundarstufe II (nach dem ersten Abschluss) und der Tertiärstufe als auch ausserhalb des formalen Bildungssystems steuerlich berücksichtigt werden. Der Abzug kann unabhängig vom Bildungsinstitut geltend gemacht werden. Vorausgesetzt ist, dass bereits ein Abschluss einer Ausbildung auf der Sekundarstufe II besteht, oder das 20. Lebensjahr vollendet wurde und es sich nicht um Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II handelt.

20

Der Schweizerische Bildungsserver, http://www.educa.ch (Stand: 20.01.2011).

2627

Die vorgeschlagene schematische Abgrenzung führt zu einer Vereinfachung des Steuerrechts im Bereich der Abzüge. Sie hat keinen Einfluss auf die zivilrechtlichen Definitionen.

Beispiel einer werktätigen Studentin: Eine Studentin finanziert sich ihr Studium an der Universität mit einer Teilzeitstelle. Sie kommt persönlich beispielsweise für die Semestergebühren auf und kauft die Bücher in der Buchhandlung. Zusätzlich wird sie für den Lebensunterhalt von ihren Eltern mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Die Auslagen für das Studium (z.B. Semestergebühren, Bücherkosten) kann die Studentin im Rahmen ihres Einkommens aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bis zum festgelegten Höchstbetrag steuerlich als Aus- und Weiterbildungskosten in Abzug bringen. Die Eltern ihrerseits können keinen Aus- und Weiterbildungskostenabzug für ihre Tochter geltend machen. Allenfalls können die Eltern den Kinderabzug für das minderjährige oder in der beruflichen Ausbildung stehende Kind, für dessen Unterhalt sie aufkommen, geltend machen.

1.3.3

Abgrenzung zur Liebhaberei

Bildungslehrgänge, die der Liebhaberei oder der Selbstentfaltung dienen, sollen nicht abzugsfähig sein. Solche Bildungslehrgänge sind nicht berufsorientiert.

Um zu bestimmen, welche Bildungslehrgänge der Liebhaberei oder der Selbstentfaltung dienen, muss zuerst entschieden werden, welche Bildungslehrgänge berufsorientiert sind. Bildungslehrgänge, die zu einer beruflichen Qualifikation führen, sind unter dem Titel der berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten abziehbar, auch wenn der Nachweis, dass die steuerpflichtige Person den neuen Beruf tatsächlich ausübt, nicht erbracht wird. Ein Bildungslehrgang wird demnach als Liebhaberei angesehen, wenn er zu keiner beruflichen Qualifikation führt und auch nicht berufsorientiert ist. Eine berufliche Qualifikation liegt vor, wenn die steuerpflichtige Person aufgrund des absolvierten Bildungslehrganges dazu befähigt wird, unter Einsetzung des durch diesen Lehrgang erworbenen Wissens bei einer 100-prozentigen Anstellung die finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Das heisst, dass sie fortan theoretisch in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt dank diesem Lehrgang selbst zu verdienen. Die steuerpflichtige Person hat diesen Nachweis zu erbringen.

Absolviert die steuerpflichtige Person einen mehrstufigen Berufsbildungslehrgang über mehrere Steuerperioden hinweg, so wird sie den Nachweis zu erbringen haben, dass sie beabsichtigt, sämtliche Stufen bis zum Erlangen der beruflichen Qualifikation zu absolvieren.

Beispiele: Ein Sozialarbeiter kann die Kosten für seine jahrelangen Salsatanzstunden nicht abziehen, da sie ihn zu keiner Berufstätigkeit (z.B. Tanzlehrer) befähigen und somit als Liebhaberei qualifiziert werden müssen. Computerkurse gehören grundsätzlich zu den abziehbaren berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten.

Sprachkurse ohne minimalen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit werden der Liebhaberei zugerechnet. Dies wird wohl dann der Fall sein, wenn ein Verwaltungsangestellter russisch lernen möchte, weil er Russland als sein nächstes Ferienziel ausgesucht hat.

2628

1.3.4

Obergrenze

Nach dem Motionsauftrag ist der neue Abzug im DBG und StHG mit einer Obergrenze zu versehen. Die Höhe der Obergrenze war im vorparlamentarischen Verfahren umstritten. Es wurde ins Feld geführt, dass mit grosszügigen steuerlichen Abzügen die Aus- und die Weiterbildung der einzelnen steuerpflichtigen Personen gefördert werden müssen. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach dem Kurzgutachten von Prof. Dr. Stefan C. Wolter21 von einem Mitnahmeeffekt von praktisch 100 Prozent ausgegangen werden muss. Ausserdem haben die Untersuchungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD)22 zum Schluss geführt, dass die Bereitschaft, an einer Weiterbildung teilzunehmen, mit steigendem Bildungsniveau stark zunimmt. Wer bereits ein hohes Bildungsniveau und damit in der Regel auch ein höheres Einkommen hat, wird auch ohne Steuerabzug im eigenen Interesse einer Weiterbildung nachgehen. Bei sogenannten bildungsfernen Personen, die in der Regel auch tiefere Einkommen haben, ist die Bereitschaft zur Weiterbildung nicht so hoch. Für sie wirken sich weniger die direkten Kosten als vielmehr Erwerbsausfälle negativ aus. Die Wirkungen eines Steuerabzugs sind bei Steuerpflichtigen mit tiefen Einkommen nicht sehr gross.

Der Bundesrat ist daher ­ insbesondere aufgrund des hohen Mitnahmeeffektes ­ zum Schluss gekommen, dass bei der direkten Bundessteuer eine Obergrenze von 6000 Franken gerechtfertigt und vertretbar ist. Bei dieser Obergrenze können rund 85 Prozent der steuerpflichtigen Personen, die eine Weiterbildung besuchen, die Kosten für die steuerrechtlich wie oben dargelegt definierte Aus- und Weiterbildung vollständig in Abzug bringen.

Lediglich die Kosten für sehr teure, umfassende Aus- und Weiterbildungsgänge werden nicht vollständig abzugsfähig sein. Solche Bildungsgänge werden in der Regel von Personen mit hohem Bildungsniveau besucht.

Im StHG wird die Festlegung der Obergrenze bei den Staats- und Gemeindesteuern dem kantonalen Gesetzgeber überlassen.

1.3.5

Abzugsmöglichkeiten für Selbstständigerwerbende

Selbstständigerwerbende Steuerpflichtige haben die Möglichkeit, die geschäfts- oder berufsmässig begründeten Kosten ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit vom Bruttoeinkommen abzuziehen23. Aus- und Weiterbildungskosten können somit als Gewinnungskosten unbeschränkt vom Bruttoeinkommen abgezogen werden, sofern sie den Charakter der geschäfts- oder berufsmässigen Kosten haben, das heisst, wenn sie einen Zusammenhang mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit aufweisen.

Aus- und Weiterbildungskosten, welche dieses Kriterium nicht erfüllen, können unter dem Titel des allgemeinen Abzugs bis zur festgelegten Obergrenze abgezogen werden. Es können nur die effektiv selbst getragenen Kosten in Abzug gebracht werden.

21 22 23

Siehe Ziffer 1.1.6 Bericht des EVD über eine neue Weiterbildungspolitik des Bundes, in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), November 2009.

Artikel 27 DBG

2629

Diese Regelung kann zu einer ungleichen Behandlung von Selbstständigerwerbenden und Unselbstständigerwerbenden führen. Den Selbstständigerwerbenden werden die Aus- und Weiterbildungskosten, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit stehen, voll zum Abzug zugelassen. Demgegenüber unterliegen die Unselbstständigerwerbenden der Abzugsobergrenze von 6000 Franken auch für diejenigen Kosten, die im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Beruf stehen.

1.3.6

Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat hat am 14. April 2010 das Eidgenössische Finanzdepartement beauftragt, bei den Kantonen, den politischen Parteien, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Berggebiete, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft und den interessierten Kreisen das Vernehmlassungsverfahren zum Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung der Aus- und Weiterbildungskosten durchzuführen. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 14. April 2010 bis zum 7. August 2010. Es gingen insgesamt 81 Stellungnahmen ein. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden unterstützt die Vorlage vollumfänglich oder unter gewissen Vorbehalten. Nur drei Kantone, zwei Parteien und fünf Organisationen lehnen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen ab.

Vorbehalte wurden insbesondere gegenüber der Einführung einer Obergrenze beim neuen Abzug sowie bezüglich deren Höhe angebracht. Kontrovers fielen die Stellungnahmen zu den Fragen aus, ob die Kosten für die Erstausbildung abzugsfähig sein sollen und ob der Abzug als allgemeiner oder als Gewinnungskostenabzug auszugestalten ist.

1.3.6.1

Allgemeiner Abzug oder Gewinnungskostenabzug

Elf Kantone sprechen sich explizit für die Konzeption eines allgemeinen Abzugs aus. Demgegenüber befürworten vier Kantone, zwei Parteien und sieben Organisationen einen Abzug in der Form eines erweiterten Gewinnungskostenabzugs. Die Befürworter eines Gewinnungskostenabzugs begründen ihren Standpunkt damit, dass gegen die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstossen werde, sollten die Weiterbildungskosten nicht mehr wie bisher als Gewinnungskosten zum Abzug zugelassen werden. Steuerpflichtige, deren Weiterbildungskosten vom Arbeitgeber übernommen werden, würden bevorzugt. Eine Ergänzung zum Gewinnungskostenabzug wäre besser und einfacher als der bundesrätliche Vorschlag. Mit einem Gewinnungskostenabzug seien alle aufgeworfenen Probleme gelöst, was im Sinne der Motion sei. Der Gewinnungskostencharakter müsse bleiben, aber es sei eine Obergrenze einzuführen. Eine Abkehr vom Gewinnungskostenabzug bedeute eine Verschlechterung gegenüber der heutigen Situation.

2630

1.3.6.2

Einführung einer Obergrenze des Abzugs

Der Motionsauftrag sieht die Einführung einer Obergrenze vor. Der bundesrätliche Vernehmlassungsvorschlag sah deshalb für den Abzug im DBG eine Obergrenze von 4000 Franken vor. Zwölf Kantone, drei Parteien und 22 Organisationen sprechen sich grundsätzlich oder unter Vorbehalt einer massiv höheren Abzugsobergrenze gegen eine obere Grenze des Abzugs aus. Kritisiert wurde, dass der vom Bundesrat vorgeschlagene Abzug mit einer Obergrenze von 4000 Franken eine Verschlechterung gegenüber der heutigen Situation darstelle, unter anderem auch darum, weil heutige Weiterbildungen deutlich mehr kosten würden.

1.3.6.3

Verhältnis der Obergrenze zur Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung

Zur Höhe der Obergrenze wurden in den eingegangenen Stellungnahmen verschiedene Zahlen genannt. Abgesehen von einer einzigen Stellungnahme forderte eine überwiegende Mehrheit der Stellungnahmen, dass die Obergrenze massiv erhöht werden sollte. Die genannten Zahlen bewegen sich in einer Bandbreite von 8000 Franken bis 40 000 Franken.

Mehr als die Hälfte der Stellungnahmen forderte eine Obergrenze von 12 000 Franken. Dies mit der Begründung, dass eine Koordination des Abzugs mit der Deklarationspflicht gemäss neuem Lohnausweis erreicht werden müsse. Dies führe zu einer Gleichstellung derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Aufwendungen selber bezahlen, mit denjenigen, die ihre Aufwendungen vom Arbeitgeber bezahlt erhalten. Weitere Begründungen waren: Die Beiträge des Arbeitgebers von weniger als 12 000 Franken würden nicht als Lohnbestandteil behandelt und müssten entsprechend nicht im Lohnausweis aufgeführt werden. Der Betrag von 12 000 Franken sei nach intensiven Besprechungen zwischen den Wirtschaftsverbänden und den Steuerverwaltungen des Bundes und der Kantone sowie mit enger Begleitung durch diverse Kommissionen der eidgenössischen Räte als Grenze für die Deklaration von Ausbildungskosten im neuen Lohnausweis festgesetzt worden und sei akzeptiert. Werde für die Obergrenze des neuen Abzugs ein anderer Betrag gewählt, so könne diese Regelung für den Lohnausweis nicht mehr aufrechterhalten werden.

Im Lohnausweis sind alle Vergütungen des Arbeitgebers für Aus- und Weiterbildungen anzugeben, die einem Arbeitnehmer in Geldform ausbezahlt werden.

Beiträge an die Aus- und Weiterbildung, die der Arbeitgeber an Dritte (v.a. Institute) leistet, sind anzugeben, wenn sie für eine bestimmte angestellte Person geleistet werden und in einem Jahr pro Einzelereignis 12 000 Franken oder mehr betragen.24 Die vom Arbeitgeber an Dritte geleisteten Beiträge an die Aus- und Weiterbildung von über 12 000 Franken werden im Lohnausweis zwar erwähnt, jedoch nicht zur Bemessungsgrundlage hinzugezählt. Sie haben somit keinen Einfluss auf die Höhe der Steuer, sondern dienen lediglich Kontrollzwecken. Da der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die selbst bezahlten Weiterbildungskosten in der Steuererklä-

24

Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung, Ziffer 13.3, S. 13.

2631

rung geltend machen kann, ist mit der Deklaration im Lohnausweis gewährleistet, dass er oder sie nur die eigenen Nettokosten abzieht.

Aus diesen Gründen kann die in verschiedenen Stellungnahmen gezogene Parallele zwischen der Obergrenze des neuen Abzugs und der Regelung für den Lohnausweis nicht als Begründung für eine Erhöhung der Obergrenze auf 12 000 Franken herangezogen werden.

1.3.6.4

Abzugsfähigkeit der Kosten für die Erstausbildung

Eine Minderheit von drei Kantonen, drei Parteien und sieben Organisationen beantragte die Abzugsfähigkeit aller Bildungskosten, das heisst auch der Kosten für die Erstausbildung. Begründet wurde der Antrag damit, dass mit der vorgeschlagenen Regelung die Differenzierungen im Massenfallverfahren zu Schwierigkeiten führen würden und die Gefahr einer ungleichen Behandlung gross sei. Man könne die Erstausbildung nicht mit der notwendigen Klarheit definieren, und in qualitativer Hinsicht lasse sich eine Diskriminierung der Erstausbildung sachlich nicht begründen. Aus Sicht der Praxis und der Vereinfachung des Steuersystems sei es bedauerlich, wenn mit der Abgrenzung ein neues Problemfeld für steuerrechtliche Auseinandersetzungen geschaffen würde.

1.4

Umsetzung und Inkraftsetzung

Aufgrund der neuen Bestimmung und der Änderung von Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben c und d DBG muss die Berufskostenverordnung vom 10. Februar 199325 angepasst werden.

Die Inkraftsetzung soll für Bund und Kantone gleichzeitig erfolgen. Der Bundesrat wird das Inkrafttreten bestimmen und dabei den Kantonen genügend Zeit gewähren, um ihre kantonalen Erlasse im Sinne der Änderung anzupassen.

1.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der unterbreiteten Gesetzesänderung wird die Motion 08.3450 «Korrekte steuerliche Behandlung der Aus- und Weiterbildungskosten» (trotz der Abweichung bezüglich der Erstausbildung) umgesetzt, weshalb ihre Abschreibung beantragt wird.

25

SR 642.118.1

2632

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)

Art. 26 Abs. 1 Bst. c und d Der heutige Artikel 26 DBG zählt die aufgrund ihres Gewinnungskostencharakters abziehbaren Berufskosten auf. Dazu gehören die notwendigen Kosten für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte (Bst. a), die notwendigen Mehrkosten für Verpflegung ausserhalb der Wohnstätte und bei Schichtarbeit (Bst. b), die übrigen für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kosten (Bst. c) sowie die mit dem Beruf zusammenhängenden Weiterbildungs- und Umschulungskosten (Bst. d).

Neu sind die in Buchstabe c erwähnten übrigen für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kosten insoweit zu präzisieren, als darunter keine berufsorientierten Ausbildungs- und Weiterbildungskosten (einschliesslich der darin enthaltenen Umschulungskosten) zu verstehen sind. Denn diese werden neu im Rahmen von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe j zum Abzug zugelassen. Buchstabe d in Artikel 26 DBG ist aus demselben Grund zu streichen.

Art. 33 Abs. 1 Bst. j (neu) Das DBG lässt neben den Gewinnungskosten weitere Abzüge zu, die mit der Einkommenserzielung nicht in einem direkten Zusammenhang stehen. Sie betreffen in der Regel Lebenshaltungskosten, die grundsätzlich nicht zum Abzug zugelassen sind. Diese Abzüge werden damit begründet, dass die Aufwendungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindern oder dass mit ihrer Berücksichtigung ein bestimmtes Verhalten gefördert werden soll. Sie werden deshalb sozialpolitische, anorganische oder allgemeine Abzüge genannt. Mit den allgemeinen Abzügen wird immer tatsächlichen Aufwendungen der steuerpflichtigen Person Rechnung getragen.

Der neu konzipierte Aus- und Weiterbildungskostenabzug wird als allgemeiner Abzug in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe j eingereiht. Abziehbar sind alle Kosten der berufsorientierten Aus- und Weiterbildung, einschliesslich der Umschulung nach dem ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II oder nach der Vollendung des 20. Lebensjahrs, sofern es sich nicht um Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II handelt. Alle Bildungskosten, die nicht berufsorientiert sind, werden nicht zum Abzug zugelassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um eine Weiterbildung im Bereich der Freizeitgestaltung (Liebhaberei, Hobby) handelt.

Der Abzug wird betragsmässig begrenzt. Die vorgeschlagene Obergrenze für die Gesamtheit der abziehbaren
Kosten beträgt jährlich 6000 Franken pro Person. Bei Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, steht dieser Betrag jedem Ehegatten zu, da jeder Ehegatte für sich ein Steuersubjekt ist.

Art. 34 Bst. b Artikel 34 DBG folgt dem in den Artikeln 25­33 statuierten Konzept, indem ausdrücklich festgehalten wird, welche Kosten vom steuerbaren Einkommen nicht abgezogen werden können. Im geltenden Recht werden die Ausbildungskosten in Buchstabe b erwähnt.

2633

Die beantragte Neuregelung unterscheidet zwischen den Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss der Sekundarstufe II und den übrigen berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten.

Aus finanzpolitischen Überlegungen sollen die Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss der Sekundarstufe II von den abzugsfähigen Kosten ausgeschlossen werden. Artikel 34 Buchstabe b DBG wird entsprechend angepasst.

2.2

Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)

Art. 9 Abs. 1 Im geltenden Recht hält der erste Satz von Artikel 9 Absatz 1 den Grundsatz fest, dass die zur Erzielung der steuerbaren Einkünfte notwendigen Aufwendungen (Gewinnungskosten) und die allgemeinen Abzüge absetzbar sind. Der zweite Satz in Absatz 1 nennt als Gewinnungskosten explizit die mit dem Beruf zusammenhängenden Weiterbildungs- und Umschulungskosten.

Neu sollen im StHG berufsorientierte Bildungskosten analog zum DBG als allgemeiner Abzug zugelassen werden. Dies wird neu in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe n geregelt. Der zweite Satz von Artikel 9 Absatz 1 muss daher gestrichen werden.

Art. 9 Abs. 2 Bst. n (neu) Artikel 9 Absatz 2 StHG listet die allgemeinen Abzüge auf, die natürliche Personen von den gesamten steuerbaren Einkünften absetzen können. Analog zur Bestimmung bei der direkten Bundessteuer wird hier der neu konzipierte Aus- und Weiterbildungskostenabzug (einschliesslich der Umschulungskosten) eingeführt. Von diesem Abzug sind die Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II ausgenommen. Ohne einen ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II können die Kosten der berufsorientierten Aus- und Weiterbildung ab dem vollendeten 20. Lebensjahr abgezogen werden, sofern es sich dabei nicht um Ausbildungskosten bis zum ersten Abschluss auf der Sekundarstufe II handelt.

Die Obergrenze pro Person ist durch das kantonale Steuerrecht festzulegen. Bei Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, steht dieser Betrag jedem Ehegatten zu, da jeder Ehegatte für sich ein Steuersubjekt ist.

Art. 72m (neu) Die Kantone sollen ihre Gesetzgebung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Änderung anpassen. Der Bundesrat wird daher den Zeitpunkt des Inkrafttretens so weit in die Zukunft legen, dass die Kantone zur Anpassung ihrer Steuergesetze genügend Zeit erhalten.

Sollte es im Zeitpunkt des Inkrafttretens säumige Kantone geben, so wird in Absatz 2 die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die neuen Bestimmungen direkt Anwendung finden, wenn ihnen das kantonale Steuerrecht widerspricht.

2634

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Gemäss Schätzungen26 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) führt der beantragte Abzug von maximal 6000 Franken pro steuerpflichtige natürliche Person und Jahr bei der direkten Bundessteuer im Vergleich zur heutigen Situation zu jährlichen Mindereinnahmen von über 5 Millionen Franken. Die Vernehmlassungsvorlage sah eine Obergrenze von 4000 Franken vor. Angesichts der Tatsache dass rund 80 Prozent der Steuerpflichtigen nicht höhere Bildungskosten als 4000 gelten machen, verbleibt nur ein kleiner Prozentsatz von Steuerpflichtigen, die Abzüge zwischen 4000 und 6000 Franken geltend machen können. Aus diesem Grund werden sich die Mindereinnahmen im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage nicht wesentlich erhöhen.

Gemäss einer Studie der ESTV, in der die verfügbaren Daten über die Weiterbildungsaufwendungen im Detail analysiert wurden, verteilen sich die von den Steuerpflichtigen getragenen Kosten für Weiterbildung folgendermassen: Selbst getragene Weiterbildungskosten

Anzahl Steuerpflichtige in Prozent

Kumuliert

0­1000 1001­2000 2001­3000 3001­4000 4001­5000 mehr als 5000

40 23 10 8 4 15

40 63 73 81 85 100

Bei der Einkommensteuer von Kantonen und Gemeinden lassen sich die finanziellen Auswirkungen wegen der nicht vorgegebenen Obergrenze des Abzugs nicht beziffern. Würden sich die Kantone der vom Bund gewählten Obergrenze von 6000 Franken anschliessen, so dürften sich die geschätzten jährlichen Mindereinnahmen von Kantonen und Gemeinden insgesamt auf rund 30 Millionen Franken belaufen.

Kostenberechnungen sind statisch. Wegen Verhaltensänderungen und Tendenzen zur Erhöhung von Studiengebühren dürften die geschätzten Steuerausfälle längerfristig ein wenig höher ausfallen. Angesichts der Vereinfachung bei der Abgrenzung ist ferner damit zu rechnen, dass mehr Ausgaben tatsächlich deklariert werden. Aus diesen Gründen sind die Schätzungen der Mindereinnahmen als Untergrenze zu verstehen.

26

Diese Schätzungen sind Teil der umfassenden Studie von Marc Dubach: «Die steuerliche Behandlung der Kosten für die Aus- und Weiterbildung», 6. Juni 2008; im Internet veröffentlicht unter www.estv.admin.ch.

2635

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Es ergeben sich grundsätzlich keine längerfristigen personellen Auswirkungen für den Bund und die Kantone. In welchem Umfang mit personellen Auswirkungen aufgrund des erwarteten Rückgangs der Rechtsfälle wegen des Wegfalls von Abgrenzungsproblemen zu rechnen ist, lässt sich nicht schlüssig beurteilen. In einer Anfangsphase wird die Anpassung der Informatikprogramme personelle Ressourcen beanspruchen.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Wenn die steuerliche Abzugsfähigkeit der Aus- und Weiterbildungskosten die Kosten der berufsorientierten Bildung indirekt senkt, wäre grundsätzlich zu erwarten, dass die Nachfrage steigt. Hierzu sind jedoch die folgenden Einschränkungen zu machen: ­

Wie stark die Nachfrage nach einer Aus- und Weiterbildung auf eine Kostenminderung reagiert, ist kaum untersucht und theoretisch schwer vorhersehbar. Aufgrund der Tatsache, dass die Kostenentlastung bei der direkten Bundessteuer in der Regel erst ein bis zwei Jahre, nachdem die Kosten wirklich angefallen sind, wirksam wird, ist aufgrund theoretischer Überlegungen keine grosse zusätzliche Berufsbildungsbeteiligung zu erwarten.

­

Da die Entlastung mit steigendem Einkommen ebenfalls steigt, entfaltet sich die Anreizwirkung ­ wenn überhaupt ­ eher bei Personen mit höheren Einkommen. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die Kosten vorfinanziert werden müssen, da die Entlastung erst nachträglich erfolgt. Die Abzugsfähigkeit der Kosten der Berufsbildung ermöglicht somit jenen Steuerpflichtigen die grösste Kostenreduktion, die sich heute schon am ehesten an der Berufsbildung beteiligen. Die bildungsfernen Schichten hingegen dürften davon wenig profitieren.

­

Die Entlastung wird bei allen Bildungsaktivitäten nach dem neuen Konzept wirksam, das heisst auch bei jenen, die die steuerpflichtige Person auch ohne steuerliche Entlastung bezahlt hätte. Diese Subventionierung von Aktivitäten, die auch ohne staatliche Hilfe unternommen worden wären, muss man unter sogenannten Mitnahmeeffekten abbuchen. Im Fall einer Steuerentlastung bei berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten wird von einem relativ grossen Mitnahmeeffekt ausgegangen. Aufgrund von theoretischen Überlegungen ist gar ein Mitnahmeeffekt von beinahe 100 Prozent denkbar.

­

Ausserdem kann für den Arbeitgeber ein Anreiz entstehen, Aufwendungen für Aus- und Weiterbildungsaktivitäten, die er ansonsten selbst bezahlt hätte, auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu überwälzen.

­

Aufgrund des begrenzten Ausmasses der erwarteten Steuerausfälle und der Tatsache, dass die Beteiligung an den Aus- und Weiterbildungen wegen bedeutender Mitnahmeeffekte nur geringfügig erhöht werden dürfte, sind eher geringe volkswirtschaftliche Auswirkungen der Massnahmen zu erwarten. Da gut ausgebildete und gut verdienende Personen häufiger Aus- und Weiterbildungen besuchen, dürfte die neue Abzugsmöglichkeit die Progression der direkten Einkommenssteuer leicht reduzieren.

2636

Die Ausweitung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten dürfte sich deshalb zwar tendenziell positiv, aber dennoch nur in bescheidenem Ausmass auf die Volkswirtschaft auswirken.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200827 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200828 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt, da die ihr zugrunde liegende Motion erst am 23. September 2009 überwiesen wurde.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Artikel 128 BV verleiht dem Bund die Befugnis, eine direkte Bundessteuer auf dem Einkommen natürlicher Personen zu erheben. Artikel 129 BV gibt dem Bund zusätzlich die Kompetenz, Grundsätze über die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden festzulegen. Die Harmonisierung erstreckt sich dabei auf die Steuerpflicht, den Gegenstand und die zeitliche Bemessung der Steuern, das Verfahrensrecht und das Steuerstrafrecht. Von der Harmonisierung ausgenommen bleiben insbesondere die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge.

Die Grundrechte binden den Bundesgesetzgeber beim Legiferieren. Im Bereich der direkten Steuern ist daher neben dem Prinzip der Rechtsgleichheit vor allem auch dasjenige der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 BV) zu beachten.

Die Vorlage verfolgt einen ausserfiskalischen Zweck, der darin besteht, die berufliche Weiterbildung mittels steuerlicher Anreize (Abzüge) zu fördern. Die Förderung ausserfiskalischer Zwecke in der Steuergesetzgebung ist an Grundvoraussetzungen geknüpft. Zentral ist die Bedingung, dass der Legislative eine in der Verfassung festgeschriebene Gesetzgebungs- oder Förderungskompetenz zusteht.

Diese Grundlage findet sich in Artikel 64a Absatz 2 BV, der dem Bund die Kompetenz gibt, die Weiterbildung zu fördern. Neben der erforderlichen Sachkompetenz haben die Rechtslehre29 und die bundesgerichtliche Rechtsprechung30 weitere Voraussetzungen formuliert, die erfüllt sein müssen. Insbesondere muss die Steuergesetzgebung zur Erreichung des ausserfiskalischen Ziels effizienter sein als Alternativen wie beispielsweise direkte Finanzhilfen oder regulatorische Massnahmen.

27 28 29

30

BBl 2008 753 BBl 2008 8543 Paul Richli: Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, in: ASA 54 (1985/86), S. 97­135; Markus Reich: Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommenssteuerrecht, in: ASA 53 (1984/85), S. 5­28; Peter Gurtner: Die Steuerbilanz als wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument ­ Würdigung der wehrsteuerlichen Erleichterungen zur Milderung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in ASA 47 (1978/79), S. 561­577.

2P.43/2006, S. 24

2637

Ob diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, ist offen. Die Ausführungen unter den Ziffern 1.1.8 und 1.1.9 lassen dies allerdings bezweifeln.

Ausserdem führt die vorgeschlagene Lösung zu neuen Ungleichheiten. Einerseits dadurch, weil Ausbildungskosten, die eng mit dem gegenwärtigen Beruf zusammenhängen, nicht mehr als Gewinnungskosten abgezogen werden können und einer Obergrenze unterliegen, während dem selbstständig erwerbenden Personen ihre Bildungskosten vollumfänglich abziehen können. Andererseits durch die Regelung, dass Personen unter 20 Jahre und solche über 20 Jahre bezüglich der Abzugsfähigkeit von Bildungskosten ausserhalb des formalen Bildungssystems nicht gleich behandelt werden. Erstere (unter 20 Jahre) können ohne einen Abschluss auf der Sekundarstufe II keine weiteren Bildungskosten geltend machen. Letztere (über 20 Jahre) hingegen können diese Kosten auch ohne Abschluss auf der Sekundarstufe II abziehen.

Die vorgeschlagene Änderung bringt jedoch eine spürbare Verbesserung für die steuerliche Behandlung der verschiedenen Bildungsstufen und vereinfacht weitgehend die Abgrenzungsproblematik. Ausserdem verzichtet die Vorlage auf das bisherige Kriterium der Erstausbildung und orientiert sich stattdessen an den objektiveren und einfacheren Kriterien des schweizerischen Bildungswesens (Ziff. 1.1.4).

Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die Vorlage im Spannungsverhältnis steht zwischen dem verbindlichen Gesetzgebungsauftrag der eidgenössischen Räte an den Bundesrat, eine Vorlage auszuarbeiten, die diesen ausserfiskalischen Zweck (Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung mittels steuerlicher Abzüge) verfolgt, und der Einhaltung der verfassungsmässigen Grundsätze.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die internationalen Verpflichtungen der Schweiz werden durch die vorgeschlagene Neugestaltung der Abzugsfähigkeit von Aus- und Weiterbildungskosten nicht berührt.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Es ist keine Unterstellung unter die Ausgabenbremse erforderlich.

2638