10.105 Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Uruguay vom 3. Dezember 2010

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 18. Oktober 2010 zwischen der Schweiz und Uruguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Dezember 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-2740

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Übersicht Die Schweiz und Uruguay unterzeichneten am 4. März 1938 (SR 0.946.297.761) ein Handelsabkommen. Am 7. Oktober 1988 wurde zudem ein Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen unterzeichnet (SR 0.975.277.6). Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zu verstärken, erklärte sich die Schweiz mit dem Wunsch Uruguays einverstanden, Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aufzunehmen. Dieses Abkommen wurde am 18. Oktober 2010 in Bern unterzeichnet. Es enthält eine Klausel zum Informationsaustausch nach OECD-Standard.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise begrüssen den Abschluss dieses Abkommens.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeine Erwägungen zur Entwicklung der Abkommenspolitik auf dem Gebiet der Doppelbesteuerung

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2 Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

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3 Würdigung

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4 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

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5 Finanzielle Auswirkungen

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6 Verfassungsmässigkeit

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Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Uruguay (Entwurf)

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Östlich des Uruguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

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Botschaft 1

Allgemeine Erwägungen zur Entwicklung der Abkommenspolitik auf dem Gebiet der Doppelbesteuerung

Die Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wesentlicher Bestandteil der schweizerischen Steuerpolitik. Gute Abkommen in diesem Bereich erleichtern die Tätigkeit der Exportwirtschaft, fördern ausländische Investitionen und tragen dadurch zum Wohlstand der Schweiz und ihrer Partnerländer bei.

Die Abkommenspolitik der Schweiz orientiert sich seit jeher an der Norm der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die am besten geeignet ist, diesen Wohlstand zu ermöglichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen zu regeln, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemeine Steuerkonflikte zu verhindern, die sich nachteilig auf international tätige Steuerpflichtige auswirken könnten. Um für günstige Steuervoraussetzungen im eigenen Land einerseits und die Akzeptanz unseres Steuersystems durch die internationalen Partner andererseits zu sorgen, musste die Schweiz stets den Kompromiss im Auge haben. Denn ohne internationale Legitimation taugt auch das beste Steuersystem nichts.

Am 13. März 2009 beschloss der Bundesrat, die Amtshilfe in Steuersachen den neuen Gegebenheiten der internationalen Politik anzupassen.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Uruguay wurde im April 2009 von der G-20 auf die Liste der Länder gesetzt, die den internationalen Standard in Steuersachen nicht einhalten. Um von dieser Liste wieder gestrichen zu werden, verpflichtete sich Uruguay zur Übernahme des OECDStandards hinsichtlich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen. Seither nahm Uruguay Verhandlungen mit ungefähr zehn, mehrheitlich europäischen Staaten (insbesondere Deutschland, Spanien, Belgien, Österreich und Portugal) auf, um sein Netz von Doppelbesteuerungsabkommen auszuweiten. Die Schweiz nahm diese Entwicklung in der Abkommenspolitik zum Anlass, um ebenfalls Verhandlungen für den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit diesem Land aufzunehmen.

Uruguay ist Gründungsmitglied des MERCOSUR (Mercado común del Sur ­ Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) und beherbergt dessen Sekretariat.

MERCOSUR unterzeichnete am 15. Dezember 1995 mit der Europäischen Union ein interregionales Rahmenabkommen und trat 1999 mit dieser über ein Assoziierungsabkommen in Verhandlung. Bei Unterzeichnung eines solchen Abkommens ist eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen Uruguays zur Europäischen Union zu erwarten.

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Die Schweiz und Uruguay unterzeichneten am 4. März 1938 ein Handelsabkommen (SR 0.946.297.761). Am 7. Oktober 1988 wurde zudem ein Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen unterzeichnet (SR 0.975.277.6). Einige Schweizer Unternehmen, vorwiegend aus dem Sektor der Pharmazie und der Bankdienstleistungen, haben einen Standort in Uruguay.

Die Schweiz exportiert vorwiegend pharmazeutische Produkte, Produkte der Uhrenindustrie und Maschinen nach Uruguay. Uruguay, das hauptsächlich landwirtschaftliche Rohstoffe (z. B. Fleisch) sowie Papier und Zellulosebrei exportiert, stellt mit seinen 3,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern für die Schweiz den Haupthandelspartner «pro Kopf» auf dem südamerikanischen Kontinent dar, weshalb auch zahlreiche schweizerische Exporte über Uruguay in andere lateinamerikanische Länder gelangen.

Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken und damit die schweizerischen Unternehmen nicht schlechter zu stellen als ihre europäische Konkurrenz, erklärte sich die Schweiz mit dem Wunsch Uruguays vom November 2009 einverstanden, möglichst bald Verhandlungen aufzunehmen. Diese Verhandlungen fanden im März 2010 in Bern statt, und am 18. März 2010 wurde der Entwurf eines Abkommens paraphiert. Am 18. Oktober 2010 wurde das Abkommen in Bern unterzeichnet.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise begrüssen den Abschluss dieses Abkommens.

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Würdigung

Der Abkommensentwurf entspricht weitgehend dem Musterabkommen der OECD und der schweizerischen Abkommenspraxis im Steuerbereich. Die neue Bestimmung über den Informationsaustausch entspricht dem OECD-Standard und beschränkt den Informationsaustausch auf konkrete Anfragen im Einzelfall. Die vereinbarten Lösungen sind für die Schweiz vorteilhaft. Sie erlauben bilaterale wirtschaftliche Beziehungen mit einem Land zu entwickeln, das die Position einer regionalen Wirtschafts- und Handelsplattform einnimmt. Zudem trägt dieses Abkommen zur Erweiterung des Abkommensnetzes der Schweiz hinsichtlich der Doppelbesteuerung in Südamerika bei.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Für ein besseres Verständnis der mit Uruguay erzielten Lösungen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Uruguay ein territoriales Steuersystem kennt. Einkommen von in Uruguay ansässigen Personen aus ausländischer Quelle unterliegt gemäss diesem System nicht der Einkommenssteuer in Uruguay. Der Steuer unterliegt nur das Einkommen aus uruguayischer Quelle. Ausserdem erfahren Einkommen aus uruguayischer Quelle (wie z. B. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren), die an nicht in Uruguay ansässige Personen ausgeschüttet werden, einen Rückbehalt an der Quelle. In Uruguay wird zurzeit über eine Steuerreform diskutiert, die ­ zumindest in bestimmten Fällen ­ die Einführung einer Besteuerung auf der Grundlage weltweiter Vermögenswerte vorsieht.

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Das Abkommen entspricht sowohl in formeller wie auch in materieller Hinsicht weitgehend dem Musterabkommen der OECD (nachfolgend «OECD-MA») sowie der schweizerischen Abkommenspraxis. Die folgenden Erläuterungen beschränken sich deshalb auf die wichtigsten Besonderheiten dieses Abkommens.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der materielle Anwendungsbereich des Abkommens umfasst die Einkommens- und Vermögenssteuern sowie die uruguayische Steuer mit der Bezeichnung «Impuesto de Asistencia a la Seguridad Social ­ IASS», die auf Ruhegehältern erhoben wird.

Die schweizerische Verrechnungssteuer auf Lotteriegewinnen wird entsprechend der schweizerischen Abkommenspraxis vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen.

Art. 5

Betriebsstätte

Eine Bauführung oder Montage sowie damit zusammenhängende Überwachungstätigkeiten begründen nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer 9 Monate übersteigt (dies entspricht der Dauer, welche Uruguay mit Spanien, seinem wichtigsten Handelspartner, vereinbart hat).

Art. 10, 11 und 12

Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren

Für Dividenden sieht das Abkommen einen Besteuerungssatz von 5 Prozent vor bei Unternehmen, die mehr als 25 Prozent der die Dividenden zahlenden Gesellschaft halten und von 15 Prozent in allen anderen Fällen. Dies entspricht der Regelung im OECD-MA.

Das Besteuerungsrecht für Zinsen liegt grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat. Dem Quellenstaat verbleibt jedoch ein Besteuerungsrecht von maximal 10 Prozent.

Zudem werden Zinsen für Darlehen, die von Finanzinstituten zur Finanzierung von Investitionsprojekten von einer Mindestdauer von drei Jahren gewährt werden, nicht besteuert. Auch Zinsen im Zusammenhang mit Kreditverkäufen von gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen sowie von Waren werden nicht besteuert.

Die Quellensteuer auf Lizenzgebühren wurde auf 10 Prozent festgelegt. Im Protokoll wird in Ziffer 3 jedoch festgehalten, dass dieser Satz von 10 Prozent so lange keine Anwendung findet, als das schweizerische Recht keine Quellensteuer auf Lizenzgebühren vorsieht, was einem Nullsatz gemäss schweizerischer Abkommenspolitik entspricht.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Wie in anderen schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen sieht dieser Artikel vor, dass Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Vermögen unmittelbar oder mittelbar mehrheitlich aus in einem Vertragsstaat gelegenem unbeweglichem Vermögen besteht, in diesem Staat besteuert werden. Einige Ausnahmen (Fusionen, die Minderheitsbeteiligung, das Halten der eigenen Immobilie über eine Immobiliengesellschaft zu gewerblichen oder Geschäftszwecken) wurden angefügt. Schweizerischerseits wird in der Bestimmung über die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23 Abs. 1 Bst. a) festgehalten, dass die 176

Schweiz solche Gewinne nur dann von den schweizerischen Steuern befreit, wenn deren Besteuerung in Uruguay nachgewiesen wird.

Art. 18

Ruhegehälter

Das territoriale Steuersystem Uruguays begünstigt die Ansiedlung von ausländischen pensionierten Personen in Uruguay, da diese Personen insbesondere auf ihren Ruhegehältern aus dem Ausland in Uruguay keine Steuer entrichten müssen.

Uruguay wünschte zudem, das Besteuerungsrecht für Ruhegehälter ausschliesslich dem Ansässigkeitsstaat zuzuteilen. Dies hätte zu einer doppelten Nicht-Besteuerung geführt, da die Ruhegehälter pensionierter Personen mit Wohnsitz in Uruguay aufgrund des Territorialitätsprinzips nicht besteuert würden, gleichzeitig aber zur Zeit der Einzahlung in der Schweiz zum Abzug zugelassen worden wären. Diesem Vorschlag konnte die Schweiz nicht zustimmen. Ziffer 4 des Protokolls zum Abkommen sieht daher vor, dass die Schweiz das Besteuerungsrecht behält, solange die Ruhegehälter in Uruguay nicht effektiv besteuert werden und das uruguayische Steuerrecht keine Besteuerung auf der Grundlage weltweiter Vermögenswerte kennt.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Uruguay wendet zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wo notwendig, die Anrechnungsmethode sowie gegebenenfalls die Freistellung mit Progressionsvorbehalt an. Die Schweiz wendet die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt an und gewährt, wo notwendig, die pauschale Steueranrechnung. Entsprechend ihrer Abkommenspolitik behält sich die Schweiz jedoch das Recht vor, Gewinne aus der Veräusserung von Immobiliengesellschaften zu besteuern, wenn diese Gewinne in Uruguay nicht besteuert wurden.

Art. 25

Verständigungsverfahren

Dieser Artikel sieht vor, eine Schiedsgerichtsklausel nach Vorbild des OECD-MA in das Abkommen aufzunehmen. Sie entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis in Steuerfragen. Für Einzelheiten zum Schiedsgerichtsverfahren wird auf die Botschaft vom 5. September 2007 über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Südafrika verwiesen (BBl 2007 6589).

Das Schiedsgerichtsverfahren wird auf Verlangen des betroffenen Steuerpflichtigen eingeleitet, sofern sich die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten nicht innert drei Jahren nach Vorlage des Falls gütlich einigen können. Der Entscheid des Schiedsgerichts ist im Einzelfall für die Vertragsstaaten verbindlich, sofern keiner der direkt betroffenen Steuerpflichtigen den Entscheid ablehnt. Die Verfahrensfragen müssen von den zuständigen Behörden im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart werden. Die im Rahmen eines Verständigungsverfahrens von den zuständigen Behörden an die Schiedskommission weitergeleiteten Informationen unterstehen den Geheimhaltungsregeln nach Artikel 26 Absatz 2 (Informationsaustausch).

Art. 26

Informationsaustausch

Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise gewann die internationale Zusammenarbeit in Steuersachen an Bedeutung. Die Schweiz unterstützt die diesbezüglichen Bemühungen. Indem sie ihren Vorbehalt zu Artikel 26 des OECD-MA zurückzog, ver177

pflichtete sie sich politisch, diese Bestimmung entsprechend den Erläuterungen im dazugehörigen Kommentar umzusetzen.

Die paraphierte Bestimmung entspricht weitgehend dem Wortlaut von Artikel 26 des OECD-MA. Abweichungen bestehen hinsichtlich der Einschränkung des materiellen Anwendungsbereichs des Informationsaustausches auf Steuern, die unter das Abkommen fallen, der Möglichkeit zum Gebrauch der Informationen für andere Zwecke mit Einverständnis beider Staaten sowie der ausdrücklichen Ermächtigung der Vertragsstaaten zu Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung von Informationsbegehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie zur Ermittlung von Beteiligungsverhältnissen. Die vorgesehenen Abweichungen sind mit dem OECD-Standard hinsichtlich der internationalen Amtshilfe vereinbar.

Absatz 1 hält den Grundsatz des Informationsaustausches fest. Auszutauschen sind jene Informationen, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind. Durch die Beschränkung auf voraussichtlich erhebliche Informationen sollen sogenannte «fishing expeditions» verhindert werden. Zudem wird festgehalten, dass der ersuchende Staat gehalten ist, seine eigenen Untersuchungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er den anderen Staat um Informationen ersucht. Nicht erforderlich für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass die steuerpflichtige Person in der Schweiz oder in Uruguay ansässig ist, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Absatz 2 umfasst Geheimhaltungsregeln. Diese Bestimmung erklärt die Geheimhaltungsregeln desjenigen Staates für anwendbar, der die Informationen erhalten hat. Er hält jedoch fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung, Erhebung, Vollstreckung, Strafverfolgung oder Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der vom Abkommen umfassten Steuern befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden. Um den Kreis der Personen, die Zugriff auf die Informationen haben, einzuschränken und so das Missbrauchsrisiko zu verringern, bemüht
sich die Schweiz darum, die Weiterleitung der Informationen auf Aufsichtsorgane auszuschliessen. Uruguay erklärte sich mit dieser Abweichung einverstanden.

Dieser Absatz sieht zudem die Möglichkeit der Verwendung für andere, nicht steuerliche Zwecke vor, wenn dies nach dem Recht beider Vertragsstaaten zulässig ist und der übermittelnde Staat seine Zustimmung zur steuerfremden Verwendung gibt. Diese Bestimmung ermöglicht beispielsweise die Verwendung der erhaltenen Auskünfte in einem anderen Strafverfahren, ohne jedoch der betroffenen Person die diesbezüglich separaten Verfahrensrechte in der Schweiz zu entziehen. Damit kann vermieden werden, dass gleiche Informationen für unterschiedliche Zwecke mehrmals beschafft und übermittelt werden müssen. Die Zustimmung des ersuchten Staates ist jedoch in allen Fällen notwendig.

Absatz 3 sieht zugunsten des ersuchten Staates gewisse Einschränkungen des umfassenden Informationsaustausches vor. Der ersuchte Staat ist weder gehalten, Verwaltungsmassnahmen durchzuführen, die über seine eigenen Gesetze oder seine eigene Verwaltungspraxis hinausgehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates 178

abweichen. Im Falle der Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass das rechtliche Gehör der Betroffenen ebenso wie die Möglichkeit, einen vorgesehenen Informationsaustausch gerichtlich überprüfen zu lassen, gewahrt bleibt. Der ersuchte Staat braucht ferner keine Informationen zu erteilen, die nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis oder nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates nicht beschafft werden können. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn sie wirtschaftliche Geheimnisse betrifft oder die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Informationen nicht in ausreichendem Masse geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Informationen ermitteln und austauschen muss, die er selbst nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Staates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen bezüglich der Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden, sowie betreffend Eigentumsverhältnisse an Personen. Solche Informationen sind unabhängig von den Einschränkungen des Absatzes 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Informationen auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis die anbegehrten Informationen nicht erhältlich wären.

Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen. Anfragen über die Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften mit Inhaberaktien müssen daher nur so weit beantwortet werden, als diese Informationen für die Behörden des ersuchten Staates, ungeachtet allfälliger Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, effektiv ermittelbar sind.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens im innerstaatlichen Recht die notwendigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der Informationen nach Absatz 5. Der Austausch dieser Informationen setzt jedoch gemäss der neuen Bestimmung des Abkommensentwurfs keinen Steuerbetrug mehr voraus. Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen
Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, wurde mit dem letzten Satz des Absatzes 5 die notwendige rechtliche Grundlage für die erforderlichen Verfahrensbefugnisse zur Erlangung der ersuchten Informationen geschaffen. Die Bestimmungen von Artikel 26 werden in Ziffer 5 des Protokolls zum Abkommen weiter konkretisiert.

Das anwendbare Verfahren ist vorerst durch die Verordnung vom 1. September 2010 über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV; SR 672.204) geregelt. Diese ist am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten. Die Verordnung soll jedoch durch ein Gesetz ersetzt werden, das derzeit erarbeitet wird. Dieses Vorgehen wurde mit den Bundesbeschlüssen vom 18. Juni 2010 über die Genehmigung der zehn neuen oder revidierten Doppelbesteuerungsabkommen bestätigt und braucht ausser bei Vorliegen eines speziellen Falls nicht wiederholt zu werden.

Die Schweiz wird gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c der ADV Uruguay keine Amtshilfe leisten, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht.

Das Protokoll hält den Grundsatz der Subsidiarität fest und schliesst «fishing expeditions» ausdrücklich aus (Ziff. 5 Bst. a und b). Weiter legt das Protokoll die Anforderungen an ein Informationsbegehren detailliert fest (Ziff. 5 Bst. c). Notwendig ist insbesondere eine eindeutige Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person 179

sowie der Person (z. B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet.

Aus den Anforderungen folgt, dass sich der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen im Einzelfall beschränkt. Die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch wird zudem ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustausches zu nehmen, wenn ihr innerstaatliches Recht dies vorsieht (Ziff. 5 Bst. d).

Schliesslich sind die Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen gewahrt (Ziff. 5, Bst. e).

Die revidierten Bestimmungen zum Informationsaustausch finden für Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres beginnen.

Art. 28

Inkrafttreten

Das Abkommen tritt an dem Tag in Kraft, an dem die spätere der beiden Notifikationen zur Meldung der Erfüllung der innerstaatlichen gesetzlichen Erfordernisse für das Inkrafttreten dieses Abkommens eingegangen ist. Die Abkommensbestimmungen sind anwendbar ab dem auf dieses Datum folgenden 1. Januar. Der Notenwechsel vom 30. Dezember 1965 betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Schiff- und Luftfahrt (SR 0.672.977.65) wird aufgehoben und entfaltet keine Wirkung mehr, solange das Abkommen anwendbar ist.

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Finanzielle Auswirkungen

In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise oder vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Dividenden und Zinsen sowie durch die Anrechnung der allenfalls von Uruguay auf Dividenden oder Zinsen nach Artikel 10 und 11 erhobenen Quellensteuern. Diese Einbussen, die mangels geeigneter Instrumente nicht genau beziffert werden können, werden teilweise dadurch kompensiert, dass diese Massnahmen gleichzeitig die Attraktivität der Schweiz als Wirtschaftsstandort erhöhen dürften.

Das Abkommen ermöglicht die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Damit werden die bilateralen Beziehungen zur Schweiz und zur Schweizer Wirtschaft auf eine solide Grundlage gestellt und gleichzeitig allfällige steuerliche Nachteile gegenüber anderen Staaten, welche mit Uruguay ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben, vermieden. Das Abkommen verbessert somit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und wirkt sich positiv auf die Wirtschaft und den Finanzsektor aus. Insgesamt trägt das Abkommen zum Erhalt und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und es fördert Direktinvestitionen in Uruguay.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise begrüssen dieses Abkommen.

Ferner ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse des Steuerpflichtigen abgeschlossen werden. Sie tragen ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bei, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV; SR 101;), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist.

Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Abkommens zuständig. Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 jedoch die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, stellte der Bundesrat in der Botschaft vom 19. September 2003 über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel in Aussicht, dem Parlament künftig zu empfehlen, internationale Abkommen nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen, sofern sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten.

Das Abkommen führt zwei neue, mit dem OECD-MA konforme Bestimmungen ein, zum einen eine Schiedsklausel, zum anderen die Bestimmung über den Informationsaustausch, welche eine erweiterte Amtshilfe vorsieht. Das neue Abkommen enthält somit wichtige Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Uruguay unterliegt daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

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