zu 10.443 Parlamentarische Initiative Indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative «gegen die Abzockerei» Zusatzbericht vom 22. November 2010 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Dezember 2010

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Zusatzbericht vom 22. November 2010 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates betreffend den indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «gegen die Abzockerei» nehmen wir nachfolgend gemäss Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Dezember 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-3166

243

Stellungnahme 1

Ausgangslage

1.1

Parlamentarische Initiativen

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) beschloss am 20. Mai 2010 mit 9 zu 4 Stimmen, im Rahmen einer parlamentarischen Initiative einen (neuen) indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «gegen die Abzockerei»1 auszuarbeiten.2 Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates stimmte diesem Beschluss am 2. Juni 2010 mit 15 zu 11 Stimmen zu (Art. 109 Abs. 3 des Parlamentsgesetzes; ParlG3).

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) beschloss am 21. Juni 2010 mit 7 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung, eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Aktienrechtliche und steuerrechtliche Behandlung sehr hoher Vergütungen 175 (10.460) auszuarbeiten. Diese ausformulierte Initiative sieht vor, dass Vergütungen von über drei Millionen Franken demzufolge neu als Tantiemen im Sinne von Artikel 677 OR gelten sollen. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates stimmte diesem Beschluss am 28. Juni 2010 mit 14 zu 12 Stimmen zu.

1.2

Arbeiten der Kommissionen

Im Rahmen eines ersten Mitberichts vom 25. Juni 2010 ersuchte die WAK-S die RK-S, ihre parlamentarische Initiative «Aktienrechtliche und steuerrechtliche Behandlung sehr hoher Vergütungen« bei deren Beratungen zum indirekten Gegenvorschlag zu berücksichtigen. Die RK-S hat den Mitbericht an ihrer Sitzung vom 19. August 2010 geprüft. Mit 9 zu 4 Stimmen beschloss sie, dem Anliegen der WAK-S im Grundsatz zu entsprechen. Die WAK-S hielt in einem zweiten Mitbericht vom 3. September 2010 fest, wie wichtig es sei. dass die gesellschaftsrechtliche Behandlung von sehr hohen Vergütungen zeitlich parallel mit dem neuen indirekten Gegenvorschlag behandelt werde. Zudem sei es unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit wenig plausibel, die Regelung auf börsenkotierte Unternehmen zu beschränken.

Und schliesslich wies die WAK-S darauf hin, dass sie einige offene Fragen nicht geklärt habe, nämlich einerseits die Rechtsfolgen einer solchen Regelung innerhalb des Aktienrechts selber und andererseits die Auswirkungen auf andere Gesetze, insbesondere auf das Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Um den Entwurf der RK-S abzuwarten, hat die WAK-S ihre Arbeiten an der parlamentarischen Initiative sistiert.

Am 25. Oktober 2010 hörte die RK-S im Zusammenhang mit dem Anliegen der parlamentarischen Initiative der WAK-S zwei Experten im Bereich des Aktien1 2

3

244

Geschäft Nr. 08.080, vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 5. Dezember 2008, BBl 2009 299.

Vgl. für den weiteren politischen Kontext die Ziffer 1.1 des Berichts der RK-S vom 25. Oktober 2010 zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «gegen die Abzockerei», BBl 2010 8253.

SR 171.10

rechts, einen Experten im Bereich des Arbeitsrechts, Vertreterinnen und Vertreter von drei Wirtschaftsverbänden sowie Vertreterinnen undVertreter der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktorenn an. Nach den Anhörungen kam die RK-S zum Schluss, dass weitere Abklärungen notwendig sind. Aus terminlichen Gründen verabschiedete sie den Entwurf zum indirekten Gegenvorschlag (im Folgenden «Vorlage 1») jedoch bereits am 25. Oktober 2010. Der Bundesrat nahm dazu am 17. November 2010 Stellung und begrüsste den indirekten Gegenvorschlag der RK-S. Am 22. November 2010 beschloss die RK-S mit 7 zu 6 Stimmen, das Anliegen der WAK-S dem Ständerat in Form einer eigenständigen Vorlage (im Folgenden «Entwurf») zu unterbreiten. Demnach soll das sog. Tantiemen-Modell als eigenständiger Nachtrag zu Vorlage 1 behandelt werden.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Zustimmung zum neuen indirekten Gegenvorschlag

Nach wie vor ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» mit ihren absoluten Verboten bestimmter Arten von Vergütungen (z. B.

der Abgangsentschädigungen), ihren umfassenden Vorgaben an den zwingenden Inhalt der Statuten, der zwingenden Genehmigung der Vergütungen der Geschäftsleitungsmitglieder durch die Generalversammlung und der sehr unbestimmten Strafandrohung von drei Jahren Freiheitsentzug zu stark in die Wirtschafts-, Organisations- und Vertragsfreiheit der Unternehmen und ihrer Aktionärinnen und Aktionäre eingreift und bedeutsame Rechtsunsicherheit verursachen kann. Die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» beinhaltet folglich ein grosses Potenzial, den Wirtschaftsstandort Schweiz zu schädigen.

Der Bundesrat hatte bereits in seiner Botschaft vom 5. Dezember 2008 zur Volksinitiative4 darauf hingewiesen, dass die Frage der Vergütungspolitik eines Unternehmens nicht allein der Selbstregulierung überlassen bleiben kann. Er begrüsste deshalb in seiner Stellungnahme vom 17. November 20105 den neuen indirekten Gegenvorschlag der RK-S vom 25. Oktober 20106.

Zum Tantiemen-Modell, das weder im indirekten Gegenvorschlag der RK-S vom 25. Oktober 2010 noch in den Botschaften vom 21. Dezember 20077 und vom 5. Dezember 2008 enthalten ist, konnte sich der Bundesrat bisher noch nicht umfassend äussern.

2.2

Darstellung des Tantiemen-Modells

Der Anteil sämtlicher Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, des Beirates oder an Arbeitnehmer ohne Organstellung, der pro Empfängerin oder Empfänger oder ihr oder ihm nahestehenden Personen drei Mil4 5 6 7

Geschäft Nr. 08.080, vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 5. Dezember 2008, BBl 2009 299.

BBl 2010 8323 BBl 2010 8253 Geschäft Nr. 08.011, vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember 2007, BBl 2008 1589.

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lionen Franken pro Geschäftsjahr übersteigt, soll neu als Tantieme im Sinne von Artikel 677 OR gelten (Tantiemen-Modell). Solche Gewinnanteile dürfen nur dem Bilanzgewinn entnommen werden und sind zudem erst zulässig, wenn die Zuweisung an die gesetzliche Reserve erfolgt ist und eine Dividende von mindestens 5 Prozent an die Aktionärinnen und Aktionäre ausgerichtet wird.

Um Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern, sieht der Entwurf vor, dass für die Ermittlung des Gesamtbetrags der Vergütungen gemäss Artikel 677 gemäss Entwurf die Vergütungen, die von Konzerngesellschaften oder der Gesellschaft nahestehenden Personen an die Empfängerin oder den Empfänger geleistet werden, zusammengerechnet werden. In Konzernen ist folglich nicht massgeblich, wie viel eine Person in der Konzernmuttergesellschaft verdient, sondern es sind aufgrund einer konsolidierten Betrachtungsweise alle Vergütungen, die einer Person innerhalb eines Konzerns von den verschiedenen Konzerngesellschaften zustehen, zusammenzurechnen.

2.3

Fehlende Einbettung in das geltende Obligationenrecht

Die RK-S hat im Zusammenhang mit dem Tantiemen-Modell einzig Artikel 677 OR materiell geändert. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass eine Abstimmung mit weiteren Bestimmungen des Gesellschaftsrechts zwingend notwendig wäre. Das Tantiemen-Modell könnte unter anderem hinsichtlich folgender Bestimmungen des geltenden Obligationenrechts zu Schwierigkeiten führen: Damit die Generalversammlung über ausreichende Informationen über die sehr hohen Vergütungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Organstellung verfügen kann, müssten die Transparenzvorschriften nach Artikel 663bbis OR entsprechend ausgebaut werden.

Gemäss dem Tantiemen-Modell gelten sehr hohe Vergütungen stets als Tantiemen.

Dies führt bei der Rückerstattungsklage dazu, dass sehr hohe Vergütungen von der Empfängerin oder dem Empfänger zurückgefordert werden können, wenn die (formellen) Voraussetzungen von Artikel 677 gemäss Entwurf nicht eingehalten wurden (Art. 678 Abs. 1 OR/gemäss Vorlage 1), nicht mehr jedoch, wenn ein Missverhältnis zur erbrachten Gegenleistung besteht (Art. 678 Abs. 2 OR/gemäss Vorlage 1). Die sehr hohen Vergütungen, d.h. der Anteil sämtlicher Vergütungen, der die Grenze von drei Millionen Franken überschreitet, wären folglich für die Empfängerinnen und Empfänger besser geschützt, als die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Tantiemen-Modells fallenden Vergütungen in der Höhe bis drei Millionen Franken. Diese neue Konstellation ist die automatische Folge, die sich aus dem Tantiemen-Modell ergibt: Als Gewinnanteil müssen die sehr hohen Vergütungen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu einer bestimmten Gegenleistung stehen. Dies entspricht jedoch nicht den Zielen und Bestrebungen des neuen indirekten Gegenvorschlags (Entwurf 1).

Im Konkurs der Gesellschaft müssen die Mitglieder des Verwaltungsrats alle Tantiemen, die sie in den letzten drei Jahren vor Konkurseröffnung erhalten haben, zurückerstatten, es sei denn, sie weisen nach, dass die Voraussetzungen zur Ausrichtung der Tantiemen nach Gesetz und Statuten erfüllt waren (Art. 679 OR). Der persönliche Anwendungsbereich von Artikel 679 OR ist nicht auf das Tantiemen-

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Modell abgestimmt, da er beispielsweise Mitglieder der Geschäftsleitung nicht erfasst.

Das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Art. 798b OR) und das Recht zur Kommanditaktiengesellschaft (Art. 764 Abs. 2 OR) verweisen hinsichtlich der Tantiemen auf das Aktienrecht. Allgemeine Verweise des Gesellschaftsrechts sind gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dynamischer Natur, was dazu führt, dass das Tantiemen-Modell auch für diese beiden Gesellschaftsformen gelten würde.

Hingegen fallen Genossenschaften jeglicher Grösse aufgrund eines fehlenden Verweises des Genossenschaftsrechts auf das Aktienrecht nicht in den Geltungsbereich des Tantiemen-Modells. Es liegt folglich keine einheitliche Regelung der sehr hohen Vergütungen bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften vor.

Hinzu kommen Aspekte des zum Teil zwingenden Arbeitsrechts, mit denen das Tantiemen-Modell in Konflikt geraten könnte, u.a. Artikel 322a OR (Anteil am Geschäftsergebnis), Artikel 322d OR (Gratifikationen) und Artikel 323 OR (Ausrichtung des Lohns, Zahlungsfristen und -termine).

Dem Bundesrat ist es aufgrund des eng begrenzten zeitlichen Rahmens nicht möglich, diesbezügliche Verbesserungsvorschläge vorzubringen. Eine allfällige Abstimmung des Tantiemen-Modells mit diesen und gegebenenfalls weiteren Bestimmungen innerhalb und ausserhalb des Obligationenrechts wäre keine bloss technische Anpassung.

2.4

Fehlende Einbettung in den neuen indirekten Gegenvorschlag (Vorlage 1)

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das Tantiemen-Modell nicht ausreichend auf das System der Genehmigung der Grundvergütungen und der zusätzlichen Vergütungen der Mitglieder des Verwaltungsrates, des Beirates und der Geschäftsleitung durch die Generalversammlung abgestimmt ist (Art. 731c ff. gemäss Vorlage 1).

Um sehr hohe Vergütungen ausschütten zu können, müssen die Voraussetzungen von Artikel 677 gemäss Entwurf erfüllt sein; es muss ein Bilanzgewinn vorliegen, eine Zuweisung an die gesetzlichen Reserven erfolgen und eine Dividende von mindestens fünf Prozent ausgeschüttet werden. Nach Artikel 717 Absatz 1bis gemäss Vorlage 1 müssen die Vergütungen der wirtschaftlichen Lage und dem dauernden Gedeihen der Gesellschaft entsprechen. Das Tantiemen-Modell stellt keine explizite Verbindung zwischen den unterschiedlichen Voraussetzungen her.

Sowohl das Vergütungsreglement (Art. 731d gemäss Vorlage 1) als auch der Vergütungsbericht (Art. 731f gemäss Vorlage 1) umfassen zwingend Regeln beziehungsweise Informationen zu sämtlichen Vergütungen, die den Mitgliedern des Verwaltungsrates, des Beirates und der Geschäftsleitung ausgerichtet werden. Der persönliche Anwendungsbereich des Tantiemen-Modells umfasst zudem Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer ohne Organstellung, jedoch wird im Gesetz nicht festgehalten, wie und wo die für den Genehmigungsentscheid der Aktionärinnen und Aktionäre notwendigen Informationen festzuhalten und zu veröffentlichen sind.

Aufgrund dieser Unterschiede ist anzunehmen, dass die Aktionärinnen und Aktionäre über dieselben Vergütungen zweimal abstimmen müssen, da unterschiedliche materielle Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Damit entsteht die Gefahr inkonsistenter Generalversammlungsbeschlüsse.

247

2.5

Steuerliche Aspekte

Verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Anhörung vom 26. Oktober 2010 erwähnten, dass das Tantiemen-Modell neu zu einer dreifachen Belastung der Vergütungen über drei Millionen Franken führen würde. Beim Unternehmen würde die Gewinnsteuer und bei den Empfängerinnen und Empfängern die Einkommenssteuer erhoben. Vergütungen über drei Millionen Franken würden zudem massgebenden Lohn bilden, auf dem Sozialversicherungsabgaben erhoben würden.

Der Bundesrat hält fest, dass das Tantiemen-Modell hinsichtlich der Einkommenssteuer und der Sozialversicherungsabgaben zu keiner neuen Belastung der beteiligten Personen führen würde. Tantiemen sind bereits nach geltendem Recht als Einkommen zu versteuern (Art. 17 Abs. 1, Art. 84 Abs. 2 und Art. 93 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer; DBG8) und bilden Bestandteile des massgebenden Lohns zur Erhebung der Sozialversicherungsabgaben (Art. 7 Bst. h der Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Altersund Hinterlassenenversicherung; AHVV9).

Hinsichtlich der Gewinnsteuer würde das Tantiemen-Modell zu einer gewissen zusätzlichen Belastung der Gesellschaften führen. Diese könnten d Arbeitnehmerinnen und en Anteil sämtlicher Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, des Beirates oder an Arbeitnehmer ohne Organstellung, der pro Empfängerin oder Empfänger oder ihr oder ihm nahestehenden Personen drei Millionen Franken pro Geschäftsjahr übersteigt, nicht mehr als geschäftsmässig begründeten Aufwand verbuchen, welchen den steuerpflichtigen Jahresgewinn reduziert, sondern es würde eine Verwendung von zu versteuerndem Gewinn vorliegen.

Der Bundesrat erachtet diese Mehrbelastung als für die Unternehmen berechenbar.

Es werden keine neue Steuer und kein neues System der Steuererhebung eingeführt, sondern es wird an der seit Jahrzehnten geltenden Rechtsfigur der Gewinnsteuer angeknüpft. Die aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen belegen, dass 383 Arbeitnehmende im Jahr 2007 beitragspflichtige Löhne von mehr als drei Millionen Franken aufwiesen. Die massgebende Lohnsumme dieser Personen belief sich auf insgesamt 2,346 Milliarden Franken. Werden von diesen 2,346 Milliarden Franken die vom Tantiemen-Modell nicht erfassten drei Millionen Franken pro Empfängerin oder Empfänger abgezogen,
so verbleiben 1,197 Milliarden Franken, die maximal zu einer Erhöhung des steuerrelevanten Jahresgewinns führen könnten.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass Vergütungen ab einem gewissen Ausmass ­ gemäss Tantiemen-Modell ab der Grenze von drei Millionen Franken ­ aktien- und steuerrechtlich beziehungsweise rechnungslegungstechnisch eine Gewinnbeteiligung/-verwendung und deshalb keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen.

8 9

248

SR 642.11 SR 831.101

3

Alternativ- und Kombinationsmodell

3.1

Vom Alternativmodell gemäss Minderheit Schweiger ...

Der Bundesrat hat in der vorliegenden Stellungnahme dargelegt, dass ihm das Tantiemen-Modell in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht als nicht ausgereift erscheint, da es weder mit dem geltenden Obligationenrecht noch mit dem indirekten Gegenvorschlag (Vorlage 1), den der Bundesrat unterstützt, abgestimmt ist. Der Bundesrat begrüsst jedoch die Bereitschaft der RK-S, die gesellschafts- und steuerrechtlichen Voraussetzungen für sehr hohe Vergütungen zu verschärfen und zudem die Rechte der Aktionärinnen und Aktionäre in diesem Bereich zu stärken.

Deshalb beantragt der Bundesrat der RK-S in einem ersten Schritt die Annahme des Alternativmodells gemäss Minderheit Schweiger. Dieses knüpft nicht am Rechtsinstitut der Tantiemen an, sondern orientiert sich am Mechanismus der sog. unzulässigen Vergütungen nach Artikel 731m gemäss Vorlage 1 (Verbot mit spezifischer Ausnahmemöglichkeit). Weist die Erfolgsrechnung einen Jahresverlust auf oder sind das Aktienkapital und die gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt, so sind sehr hohe Vergütungen gemäss Alternativmodell grundsätzlich unzulässig. Der Verwaltungsrat kann den Aktionärinnen und Aktionäre in einer solchen Krisensituation jedoch begründete Ausnahmen beantragen, sofern diese im Interesse der Gesellschaft sind und mit dem dauernden Gedeihen des Unternehmens im Einklang stehen.

Die Aktionärinnen und Aktionäre haben mit einem qualifizierten Mehr diese Ausnahmen zu genehmigen. Das Alternativmodell gemäss Minderheit Schweiger erweitert folglich die Aktionärsrechte, ohne jedoch die gesellschaftsrechtlichen Probleme des Tantiemen-Modells zu übernehmen.

Der Bundesrat ist zudem der Ansicht, dass es keine zwingenden Gründe gibt, das Alternativmodell gemäss Minderheit Schweiger in einer separaten Vorlage zu behandeln. Deshalb beantragt er der RK-S die Integration der zweiten Vorlage in den indirekten Gegenvorschlag (Vorlage 1), nicht zuletzt um die Detailberatung in verfahrensmässiger Hinsicht zu erleichtern.

3.2

... zum bundesrätlichen Kombinationsmodell

In einem zweiten Schritt stellt der Bundesrat der RK-S vier gesellschaftsrechtliche Anträge, einen steuerrechtlichen und einen sozialversicherungsrechtlichen Antrag, die seines Erachtens das Alternativmodell gemäss Minderheit Schweiger an das Tantiemen-Modell heranführen, ohne jedoch dessen problematischen Aspekte wieder aufleben zu lassen: Der persönliche Anwendungsbereich des Alternativmodells gemäss Minderheit Schweiger soll auf sämtliche Aktiengesellschaften erweitert werden (Art. 731c Abs. 2), da sehr hohe Vergütungen nicht nur in Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, problematisch sein können. Aufgrund des sehr engen zeitlichen Rahmens ist es dem Bundesrat nicht möglich, eine Lösung auch für die Genossenschaften und die Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzubieten.

Die Offenlegungsbestimmung zu den Vergütungen an die Mitglieder der Geschäftsleitung wird derjenigen der Mitglieder des Verwaltungsrates und des Beirates angepasst. Die Aktionärinnen und Aktionären müssen erkennen können, welches Mit249

glied der Geschäftsleitung in welchem Umfang sehr hohe Vergütungen erhalten soll.

Die einzelnen Vergütungen an die einzelnen Mitglieder der Geschäftleitung sind folglich offen zu legen (Art. 731h Abs. 2 Ziff. 2).

Die Umschreibung der sehr hohen Vergütungen gemäss Minderheit Schweiger erscheint dem Bundesrat als zu wenig genau. Der Bundesrat definiert die sehr hohen Vergütungen wie folgt: Die sehr hohen Vergütungen werden als denjenigen Teil angesehen, welcher drei Millionen übersteigt. Nur dieser übersteigende Anteil soll von der vom Bundesrat vorgeschlagenen Spezialregelung erfasst werden. Er schlägt deshalb eine präzisere, inhaltlich jedoch identische Definition vor (Art. 731n Abs. 1 Satz 1).

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass sehr hohe Vergütungen auch in Geschäftsjahren, in denen kein Jahresverlust und keine Kapitalunterdeckung vorliegen, der Generalversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden sollen (Art. 731n Abs. 4bis).

Zudem hält es der Bundesrat für richtig, dass der Anteil sämtlicher Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, des Beirates oder an Arbeitnehmer, der pro Empfängerin oder Empfänger oder ihr oder ihm nahestehenden Personen drei Millionen Franken pro Geschäftsjahr übersteigt, wertungsmässig und hinsichtlich der Mitwirkung der Aktionärinnen und Aktionäre wie eine Gewinnbeteiligung/-verwendung behandelt wird und steuerrechtlich keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen, der den Jahresgewinn des Unternehmens schmälert. Deshalb beantragt er eine Anpassung von Artikel 59 Absatz 3 DBG10 und von Artikel 25 Absatz. 1ter des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199011 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG). Beim Empfänger stellen die sehr hohen Vergütungen Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit dar. Sie unterstehen der AHV-Pflicht. Da es sich um Lohn handelt, lösen sie keine Verrechnungssteuer aus.

Die Änderung des Steuerharmonisierungsgesetzes hätte ähnliche Auswirkungen auf die kantonalen Steuereinnahmen wie das Tantiemen-Modell. Hiezu wurden die Vertreterinnen und Vertreter der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren am 25. Oktober 2010 bereits konsultiert. Sie äusserten sich kritisch zum Tantiemen-Modell, befürworteten hingegen die Anwendung sowohl auf börsenkotierte wie
auch auf nicht börsenkotierte Gesellschaften. Der Bundesrat wird die FDK gegebenenfalls noch einmal konsultieren.

Das Alternativmodell gemäss Minderheit Schweiger würde durch die sechs ergänzenden Anträge des Bundesrates zu einem neuen Kombinationsmodell. Einerseits würde der Pluspunkt des Tantiemen-Modells betreffend Gewinnverwendung/-steuer mit den gesellschaftsrechtlichen Vorteilen des Alternativmodells kombiniert.

Andererseits würden die in der vorliegenden Stellungnahme dargestellten gesellschaftsrechtlichen Probleme beseitigt, indem nicht an der heiklen Rechtsfigur der Tantieme, sondern am Vergütungsmechanismus des indirekten Gegenvorschlags (Vorlage 1) angeknüpft wird.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine Umgehung der vorgeschlagenen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Folgen nicht ausgeschlossen werden kann.

10 11

250

SR 642.11 SR 642.14

4

Anträge im Einzelnen

4.1

Streichung der Bestimmungen zum Tantiemen-Modell

Artikel 677 OR gemäss Entwurf Streichen Art. 5 AHVG gemäss Entwurf Streichen

4.2

Annahme des Alternativmodells gemäss Minderheit Schweiger

Artikel 704 Absatz 1 Ziffer 10 Ein Beschluss der Generalversammlung, der mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und die Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt, ist erforderlich für:

1

10. die Genehmigung des Gesamtbetrags der sehr hohen Vergütungen bei Vorliegen eines Jahresverlustes oder wenn das Aktienkapital und die gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt sind; Artikel 731d Absatz 2 Ziffer 8 2

Das Vergütungsreglement legt namentlich fest: 8.

die strengeren Bestimmungen für sehr hohe Vergütungen.

Artikel 731g Absatz 1 Ziffer 4bis und Ziffer 4ter 1

Der Vergütungsbericht muss folgende Angaben enthalten: 4bis. sehr hohe Vergütungen, die die Gesellschaft direkt oder indirekt an gegenwärtige Arbeitnehmer ausgerichtet hat; 4ter. sehr hohe Vergütungen, die die Gesellschaft direkt oder indirekt an frühere Arbeitnehmer ausgerichtet hat, sofern sie in einem Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit als Arbeitnehmer der Gesellschaft stehen oder nicht marktüblich sind;

Artikel 731h Absatz 2 Ziffer 5 2

Die Angaben zu Vergütungen und Krediten müssen umfassen: 5.

den Gesamtbetrag der sehr hohen Vergütungen für die Arbeitnehmer sowie die Anzahl der Empfänger.

Artikel 731k Absatz 1bis 1bis

Vorbehalten bleibt Artikel 731n.

251

Artikel 731l Absatz 1bis 1bis

Vorbehalten bleibt Artikel 731n.

Artikel 731n

Sehr hohe Vergütungen

Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, des Beirates oder an Arbeitnehmer, die pro Empfänger oder ihm nahestehende Person 3 Millionen Franken pro Geschäftsjahr übersteigen, gelten als sehr hohe Vergütungen. Für die Ermittlung des Grenzwertes werden alle Vergütungen zusammengerechnet, die von der Gesellschaft und dieser nahestehenden Personen an den Empfänger ausgerichtet werden.

1

Weist die Erfolgsrechnung einen Jahresverlust auf oder sind das Aktienkapital und die gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt, so sind sehr hohe Vergütungen unzulässig.

2

In Abweichung von Absatz 2 kann der Verwaltungsrat der Generalversammlung für das abgeschlossene Geschäftsjahr Ausnahmen beantragen, sofern diese im Interesse der Gesellschaft sind und mit dem dauernden Gedeihen des Unternehmens im Einklang stehen. Die Generalversammlung beschliesst über die Genehmigung des beantragten Gesamtbetrags der sehr hohen Vergütungen für das abgeschlossene Geschäftsjahr.

3

Das Vergütungsreglement kann strengere Bestimmungen vorsehen, namentlich einen tieferen Grenzwert als denjenigen gemäss Absatz 1 oder ein absolutes Verbot von sehr hohen Vergütungen.

4

Die Genehmigung durch die Generalversammlung schränkt die Haftung des Verwaltungsrats nicht ein.

5

4.3

Überführen der zweiten Vorlage in die Vorlage 1

Integrieren der Bestimmungen des Alternativmodells gemäss Minderheit Schweiger in den indirekten Gegenvorschlag (Vorlage 1).

4.4

Sechs ergänzende/präzisierende Anträge des Bundesrats

Artikel 731c Absatz 2 Die Bestimmungen zu den sehr hohen Vergütungen gelten sinngemäss auch für Gesellschaften, deren Aktien an keiner Börse kotiert sind.

2

Artikel 731h Absatz 2 Ziffer 2 2

Die Angaben zu Vergütungen und Krediten müssen umfassen: 2.

252

den Gesamtbetrag für die Geschäftsleitung und den auf jedes Mitglied entfallenden Betrag unter Nennung des Namens und der Funktion des betreffenden Mitglieds;

Artikel 731n Absatz 1 erster Satz Der Anteil sämtlicher Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, des Beirates oder an Arbeitnehmer, die pro Empfänger oder ihm nahestehende Person 3 Millionen Franken pro Geschäftsjahr übersteigt, gilt als sehr hohe Vergütung. ...

1

Artikel 731n Absatz 4bis Die Generalversammlung beschliesst jährlich über die Genehmigung des Gesamtbetrags der sehr hohen Vergütungen.

4bis

Art. 59 Abs. 3 DBG Nicht zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören sehr hohe Vergütungen im Sinne von Artikel 731n des Obligationenrechts12.

3

Art. 25 Abs. 1ter StHG Nicht zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören sehr hohe Vergütungen im Sinne von Artikel 731n des Obligationenrechts13.

1ter

Art. 5 Abs. 2 AHVG Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, sehr hohe Vergütungen im Sinne von Artikel 731n des Obligationenrechts14, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen.

2

12 13 14

SR 220 SR 220 SR 220

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