00.059 Botschaft zur Volksinitiative «Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD)» vom 5. Juli 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zur Volksinitiative «Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD)» und beantragen Ihnen, diese Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten.

Der Entwurf zum entsprechenden Bundesbeschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. Juli 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11047

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-1514

4879

Übersicht Am 10. September 1999 wurde die Eidgenössische Volksinitiative «Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD)» von der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» (GSoA) mit 113 299 gültigen Unterschriften eingereicht. Die GSoA hat die ZFD-Initiative gleichzeitig mit der Volksinitiative «Für eine glaubwürdige Sicherheitspolitik und eine Schweiz ohne Armee» eingereicht, die mit 110 108 Unterschriften zustande gekommen ist.

Der ZFD soll im In- und Ausland dazu beitragen, Gewaltverhältnisse abzubauen sowie deren Neuentstehung zu verhindern, und auf Anfrage von Nichtregierungsorganisationen, staatlichen Institutionen und internationalen Organisationen unbewaffnete Friedenseinsätze organisieren.

Im Kern will die Initiative einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst einführen.

Dienstleistende sollen sowohl für Einsätze im In- und Ausland als auch für die Ausund Weiterbildung «angemessen» entschädigt werden. Die Grundausbildung soll allen in der Schweiz wohnhaften Personen kostenlos offen stehen.

Gemäss den Übergangsbestimmungen sollen die freiwilligen Einsätze als unverschuldete Verhinderung der Arbeitsleistung gelten, was bedeutet, dass keiner Person, die einen ZFD-Einsatz leisten möchte, gekündigt werden könnte. Solange der parallel eingereichten Armeeabschaffungs-Initiative kein Erfolg beschieden ist, sollen die ZFD-Grund- und Weiterausbildung und die ZFD-Einsätze als Zivildiensttage angerechnet werden.

Die Förderung von Frieden und Sicherheit ist eines der Hauptziele der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik, und der Bundesrat begrüsst grundsätzlich das Bestreben der Initianten, hierzu einen weiteren Beitrag zu leisten. Dennoch lehnt er die Initiative aus folgenden Gründen ab: Erstens sind die Zielsetzungen, die in Absatz 2 des vorgeschlagenen neuen Artikels 8bis zum Ausdruck kommen, bereits wesentlicher Bestandteil der Bemühungen der Schweiz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit sowie der Friedensförderung: Die Bemühungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Südens wie auch im Bereich der Zusammenarbeit mit den Ländern Osteuropas und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sind, wie in den jeweiligen Botschaften zuhanden des Parlaments deutlich dargelegt, bereits heute stark auf Konfliktprävention und
Wiederaufbauarbeiten nach Konflikten ausgerichtet.

Auch im Falle offener, mit kriegerischer Gewalt ausgetragene Konflikte leistet die Schweiz bereits heute wichtige Beiträge. Im Bereich der humanitären Hilfe gelangten 1999 für die mandatsmässige Erfüllung der Aufgaben der Humanitären Hilfe des Bundes 574 Angehörige des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps zum Einsatz, was rund 40 500 Einsatztagen entspricht. Im gleichen Jahr wurden im Bereich der zivilen Friedensförderung 253 Einsätze von zivilen Friedensexperten in 20 verschiedenen Ländern betreut.

4880

Zweitens wäre bei einer allfälligen Realisierung des ZFD mit zahlreichen negativen Auswirkungen auf die gewachsenen, bewährten und auch international beachteten Aktivitäten der internationalen Zusammenarbeit der offiziellen Schweiz zu rechnen.

Bei den Zusammenarbeitsinstrumenten und organisatorischen Strukturen dürfte die Schaffung eines ZFD sowohl in der Schweiz als auch in den Einsatzländern zu Problemen hinsichtlich der Wirksamkeit, der Kohärenz und Glaubwürdigkeit der schweizerischen Bemühungen führen. Die Auswirkungen auf die Kosten und die Verwendung der Mittel wären unabsehbar.

Drittens zeigen die Erfahrungen, dass der Grad der Professionalisierung der eingesetzten Personen ständig zunimmt. Der Bundesrat hat am 13. Dezember 1999 die Schaffung eines «Corps» ziviler Friedensexpertinnen und -experten beschlossen, mit dem die Schweiz zivile friedensfördernde Missionen der UNO und der OSZE schnell und flexibel unterstützen kann. Er will dieses neue Instrument jetzt aufbauen und anschliessend, den Bedürfnissen und Möglichkeiten angepasst, weiterentwickeln. Im Rahmen der derzeitigen Aufbauarbeiten kommt der Rekrutierung, Ausbildung und Betreuung der Schweizer Experten eine grosse Bedeutung zu.

Viertens ist bereits heute gewährleistet, dass Personen, die den obligatorischen Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Zivildienst leisten können und somit die Möglichkeit haben, auf Gebieten tätig zu sein, die den Förderungsbereichen der ZFD-Initiative entsprechen: 29 Einsatzbetriebe des bestehenden zivilen Ersatzdienstes widmen sich ausdrücklich dem Abbau von Gewaltverhältnissen.

Fünftens übernähme der Staat bei der Gutheissung der ZFD-Initiative nicht selber neue Aufgaben, sondern müsste neu für bestehende Aktivitäten aufkommen, die bereits heute erfolgreich von Nichtregierungsorganisationen ausgeführt werden. Die ZFD-Initiative würde zudem eine bestehende Institution ­ den Zivildienst ­ durch eine andere ersetzen, deren Konturen nicht klar erkennbar sind und bezüglich welcher der Staat keine Kostenkontrolle hätte.

4881

Botschaft 1

Formelles

1.1

Wortlaut

Die Initiative lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 8bis (neu) 1 Die Schweiz unterhält einen Zivilen Friedensdienst (ZFD) als Instrument einer aktiven Friedenspolitik.

2

Der Zivile Friedensdienst trägt im In- und Ausland dazu bei, Gewaltverhältnisse abzubauen sowie deren Neuentstehung zu verhindern. Dazu entwickelt er insbesondere Massnahmen zur Früherkennung und Prävention von Gewaltpotenzialen, zum Schutz der Lebensgrundlagen, zur friedlichen Beilegung gewalttätiger Auseinandersetzungen und zum sozialen Wiederaufbau.

3

Die Mitarbeit im Zivilen Friedensdienst ist freiwillig. Dienstleistende werden für Einsätze sowie einsatzspezifische Aus- und Weiterbildung angemessen entschädigt.

Bei den Friedensdienstleistenden wird eine gleichmässige Vertretung beider Geschlechter angestrebt.

4 Der Zivile Friedensdienst bietet in Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Privaten eine Grundausbildung an, die Wissen und Praktiken gewaltfreier Konfliktbearbeitung vermittelt. Er bereitet auf ZFDEinsätze vor und steht allen in der Schweiz wohnhaften Personen kostenlos offen.

5

Der Zivile Friedensdienst sorgt für die einsatzspezifische Aus- und Weiterbildung von Friedensdienstleistenden. Er berücksichtigt dabei persönliche Qualifikationen der Dienstleistenden und Bedarf.

6 Der Zivile Friedensdienst organisiert auf Anfrage von Nichtregierungsorganisationen, staatlichen Institutionen und internationalen Organisationen unbewaffnete Friedenseinsätze. Dabei arbeitet er eng mit lokalen Organisationen zusammen.

7

Der Zivile Friedensdienst wird mit öffentlichen Mitteln finanziert. In der Regel beauftragt er geeignete Nichtregierungsorganisationen mit der Planung und Durchführung von Einsätzen.

8 Eine unabhängige, geschlechterparitätisch zusammengesetzte Kommission begleitet wegweisend und kontrollierend die Ausgestaltung sowie Durchführung der Grundausbildung, der einsatzspezifischen Aus- und Weiterbildung sowie der Einsätze des Zivilen Friedensdienstes. Darin arbeiten insbesondere Organisationen mit, die friedens-, frauen-, umwelt-, migrations- und entwicklungspolitische Anliegen vertreten.

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II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert: Art. 25 (neu) 1

Einsätze sowie einsatzspezifische Aus- und Weiterbildung im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) gemäss Artikel 8bis der Bundesverfassung gelten als unverschuldete Verhinderung der Arbeitsleistung. Der Kündigungsschutz richtet sich nach den Bestimmungen über den Zivildienst.

2

Der Zivile Friedensdienst darf keine bestehenden Arbeitsplätze gefährden oder geltende Arbeitsbedingungen verschlechtern.

3

Solange in der Schweiz ein Zivildienst besteht, werden die im Rahmen der Grundausbildung, der einsatzspezifischen Aus- und Weiterbildung und der Einsätze des Zivilen Friedensdienstes geleisteten Tage als Zivildiensttage angerechnet.

4

Soweit binnen fünf Jahren kein Ausführungsgesetz zu Artikel 8bis der Bundesverfassung in Kraft gesetzt worden ist, regelt der Bundesrat die Einzelheiten des Zivilen Friedensdienstes mittels Verordnung.

1.2

Zustandekommen

Die Volksinitiative «Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD)» wurde am 10. September 1999 von der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» (GSoA) eingereicht. Mit Verfügung vom 21. Oktober 1999 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Volksinitiative mit 113 299 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen ist (BBl 1999 8958).

1.3

Behandlungsfristen

Gemäss Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung die Botschaft zur Initiative spätestens ein Jahr nach deren Einreichung, somit bis spätestens 9. September 2000.

Die Bundesversammlung muss innert 30 Monaten nach der Einreichung der Initiative, somit bis zum 9. März 2002, darüber Beschluss fassen (Art. 27 Abs. 1 GVG).

1.4

Gültigkeit

1.4.1

Einheit der Form

Eine Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung kann entweder in der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht werden (Art. 139 Abs. 2 BV). Die Volksinitiative «Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD)» ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf abgefasst. Die Einheit der Form ist gewahrt.

4883

1.4.2

Einheit der Materie

Eine Initiative darf nur eine Materie zum Gegenstand haben. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht.

Die Initiative hat folgenden Inhalt: ­

Die Einführung eines Zivilen Friedensdienstes;

­

Aufgaben und Finanzierung des Zivilen Friedensdienstes;

­

Mitarbeit, Aus- und Weiterbildung sowie Einsätze im Rahmen dieses Dienstes;

­

Aufgaben und Zusammensetzung einer begleitenden und kontrollierenden Kommission für den Zivilen Friedensdienst.

In den Übergangsbestimmungen werden arbeitsrechtliche Folgen der Dienstleistungen sowie die Anrechnung der im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes geleisteten Tage geregelt. Zudem wird der Bundesrat beauftragt, die Einzelheiten des Dienstes auf dem Verordnungsweg zu regeln, sofern innert einer bestimmten Frist kein entsprechendes Gesetz in Kraft getreten ist.

Die oben dargestellten einzelnen Punkte der Initiative stehen in sich in einem offensichtlichen sachlichen Zusammenhang (Art. 75 Abs. 2 BPR). Damit ist auch die Einheit der Materie als zweite formale Voraussetzung für die Gültigkeit der Volksinitiative gegeben. Die Einheit der Materie bezweckt eine unverfälschte Willensbildung des Souveräns; das bedeutet, dass von Seiten der Behörde sichergestellt werden muss, dass nur Volksbegehren zur Abstimmung vorgelegt werden, bei denen, wer dem Anliegen grundsätzlich zustimmt, in allen Teilen zustimmen können muss bzw. einzelne Teile nicht ablehnen können soll (s. dazu Etienne Grisel, Initiative et Référendum populaires, Traité de la démocratie semi-directe en droit suisse, Lausanne 1987, S. 192 ff.).

1.4.3

Weitere Gültigkeitserfordernisse

Neben der Einheit der Form und der Materie nennt die neue Bundesverfassung in Artikel 194 Absatz 2 die Einhaltung des zwingenden Völkerrechts als Gültigkeitserfordernis. Nach der Praxis der Bundesbehörden ist zudem die Durchführbarkeit einer Verfassungsbestimmung ebenfalls erforderlich für die Gültigkeit einer Volksinitiative.

Zwingendes Völkerrecht wird durch die Volksinitiative nicht betroffen. Ebenso gibt ihre Durchführbarkeit zu keinen Bemerkungen Anlass.

Die Volksinitiative «Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD)» ist somit gültig.

1.5

Anpassungen an die neue Bundesverfassung

Die Volksinitiativen, die sich noch auf die Bundesverfassung von 1874 beziehen, müssen in formaler Hinsicht an die neue BV angepasst werden. Ziffer III des Bun-

4884

desbeschlusses vom 18. Dezember 19981 über eine neue Bundesverfassung gibt der Bundesversammlung die Kompetenz, solche Anpassungen vorzunehmen.

Bei der vorliegenden Initiative ist davon auszugehen, dass der materielle Text nicht geändert werden muss. Zu ändern ist aber die Artikelnummerierung. In Frage kommt eine Eingliederung der Bestimmung unter den Abschnitt «Beziehungen zum Ausland» (Art. 54 ff. BV) oder unter den Abschnitt «Sicherheit, Landesverteidigung, Zivilschutz» (Art. 57 ff. BV). Da der Zivile Friedensdienst seine Ziele nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland verfolgen soll, haben wir vorgeschlagen, die Bestimmung im letzteren Abschnitt als Artikel 61a der neuen BV vorzusehen.

Die Initianten hingegen möchten Artikel 8bis der Initiative neu als Artikel 57a einfügen, da sie den freiwilligen Zivilen Friedensdienst als «friedens- und sicherheitspolitisches Instrument» betrachten und nicht als Erweiterung des Zivilschutzes. Sie schlagen zudem, analog zur Volksinitiative «Für eine glaubwürdige Sicherheitspolitik und eine Schweiz ohne Armee», vor, den BV-Zwischentitel «2. Abschnitt: Sicherheit, Landesverteidigung Zivilschutz» abzuändern in «2. Abschnitt: Friedensund Sicherheitspolitik, Zivilschutz».

2

Auslegung der Initiative

2.1

Allgemeines

Das im Initiativtext vorgesehene Leistungsprofil des Zivilen Friedensdienstes führt auf den ersten Blick zu einer Verbreiterung des sicherheitspolitischen Instrumentariums. Allerdings ist zu bemerken, dass heute bereits verschiedene staatliche und nichtstaatliche Organisationen in diesem Segment tätig sind; so waren zum Beispiel im März 2000 im Kosovo 437 namentlich bekannte zivile Institutionen tätig.

Die Vielzahl der bestehenden, humanitären und friedensfördernden zivilen Organisationen würden durch einen schweizerischen Zivilen Friedensdienst noch weiter konkurrenziert. Weil der ZFD zudem faktisch die Unabhängigkeit einer Nichtregierungsorganisation anstrebt, könnte er nur beschränkt als Bestandteil der schweizerischen Sicherheitspolitik betrachtet werden.

2.2

Auslegungsbedürftige Begriffe

2.2.1

Zivildienst

Artikel 59 Absatz 1 der Bundesverfassung lautet: «Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.» «Zivildienst» ist somit die Kurzfassung des Begriffs «ziviler Ersatzdienst». Aus dem Wortlaut der zitierten Verfassungsbestimmung ergibt sich, dass Militärdienst die Regel und Zivildienst die Ausnahme ist. Wer die Ausnahme vom Militärdienst für sich in Anspruch nimmt, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen und deren Vorliegen selbst geltend machen und darlegen. Eine freie Wahl zwischen Militärdienst und Zivildienst schliesst der Wortlaut der Verfassung aus. Dem Militärdienst kommt der Vorrang zu.

1

AS 1999 2556

4885

Da Militärdienst die Regel und Zivildienst die Ausnahme ist, steht der Zivildienst nur Personen offen, die Militärdienst leisten müssen. Freiwillige, nicht Militärdienst leistende Frauen, Kinder, aus dem Militärdienst Entlassene und Militärdienstuntaugliche können deshalb nicht zum Zivildienst zugelassen werden.

Die Verfassung sagt nicht, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um zum Zivildienst zugelassen zu werden. Aus der Entstehungsgeschichte der Verfassungsbestimmung ergibt sich aber, dass der Zivildienst für Personen geschaffen wurde, die den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Der Verfassungswortlaut allein liesse es zu, weitere Personenkreise zum Zivildienst zuzulassen, insbesondere Personen, die aus Gesundheitsgründen nicht mehr Militärdienst leisten können.

Wer Zivildienst leisten will, muss gemäss Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, SR 824.0, AS 1996 1445, in Kraft seit dem 1. Oktober 1996) ein schriftliches Gesuch einreichen und sich darin auf seine Gewissensgründe berufen. Er wird danach eingeladen, vor einer Kommission im persönlichen Gespräch diese Gewissensgründe glaubhaft darzulegen. Auf Antrag der Kommission erlässt in der Folge die Vollzugsstelle für den Zivildienst eine Verfügung, mit welcher der Gesuchsteller zum Zivildienst zugelassen oder aber abgelehnt wird. Mit der Zulassung zum Zivildienst endet die Militärdienstpflicht.

Der Zivildienst dauert 1,5 mal so lange wie die Gesamtdauer der noch nicht geleisteten Militärdienste (für Kader 1,1 mal so lange). Er dient zivilen Zwecken und wird ausserhalb der Armee geleistet. Wer Zivildienst leistet, erbringt eine Arbeitsleistung, die im öffentlichen Interesse liegt, und zwar entweder bei einer öffentlichen Institution oder bei einer privaten Institution, die in gemeinnütziger Weise tätig ist.

Die Tätigkeitsbereiche sind im Zivildienstgesetz abschliessend aufgezählt.

Die Zivildienstleistungen erfolgen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Sonderstatus. Da viele Einsatzbetriebe des Zivildienstes private Institutionen sind und Zivildienstleistende ihren Dienst gemeinsam mit zivilen Angestellten verrichten, sind die Vollzugsbestimmungen jedoch weitgehend zivilen Arbeitsverhältnissen angeglichen. Dies gilt insbesondere für Arbeitszeiten und Pflichtenhefte. Aus
diesem Grund dauert der Zivildienst länger als der Militärdienst.

Die meisten Zivildiensteinsätze sind Einzeleinsätze. Gruppeneinsätze bilden die Ausnahme. Nur bei einer Dienstleistungspflicht von unter 180 Tagen Gesamtdauer und bei Einsätzen im Ausland können alle Zivildiensttage an einem Stück geleistet werden. Ansonsten müssen mehrere Einsätze geleistet werden. Für Auslandeinsätze gelten strenge Voraussetzungen. Entsprechend sind solche Einsätze selten. Sie dienen fast ausschliesslich der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe. Bei der Suche nach Einsatzmöglichkeiten wird den Zivildienstpflichtigen viel Eigenverantwortung zugestanden. Es stehen ihnen über 800 Institutionen mit einem Mehrfachen an Einsatzplätzen zur Verfügung, welche durch eine Kommission überprüft und anschliessend durch eine Verfügung der Vollzugsstelle für den Zivildienst als Einsatzbetriebe des Zivildienstes anerkannt wurden. Ist der Einsatzplatz gefunden, so stellt die Vollzugsstelle für den Zivildienst dem Zivildienstpflichtigen ein verbindliches Aufgebot zu.

4886

2.2.2

Friedensdienst

Das Konzept eines «Zivilen Friedensdienstes» wurde im deutschen Sprachraum erst Anfang der 90er-Jahre in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen im zweiten Golfkrieg (1991) und der Zuspitzung des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien intensivierte sich damals die Diskussion über Möglichkeiten, Konzepte und Erfahrungen aus dem Bereich der gewaltfreien, zivilen Konfliktbearbeitung unter Einbezug von freiwilligen Akteuren aus der Zivilgesellschaft weiter zu entwickeln und aufzuwerten.

Die entsprechenden Überlegungen zielten hauptsächlich darauf ab, in Krisengebieten Personen zu unterstützen und Gruppen aufzubauen, die einen konstruktiven Beitrag zu einer gewaltfreien Lösung von Konflikten leisten können. Gleichzeitig wurde diskutiert, inwiefern die Gesellschaften in den westlichen Geberstaaten diese Unterstützungs- und Aufbauarbeit durch die Schaffung eines zivilen Friedensdienstes ergänzen könnten. Im Zentrum der Überlegungen standen dabei meistens friedensfördernde Dienstleistungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.

2.2.3

Zivilschutz

Während der Zivilschutz auf ein Bundesgesetz abgestützt ist, handelt es sich beim Bevölkerungsschutz zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Botschaft noch um ein Projekt im Planungsstadium. Gemäss dem Zivilschutzgesetz vom 17. Juni 1994 (ZSG) bezweckt der Zivilschutz den Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkungen von Katastrophen, Notlagen und bewaffneten Konflikten und trägt zur Bewältigung solcher Ereignisse bei; er dient humanitären Zwecken. Der Zivilschutz beruht auf dem Milizsystem und auf der Dienstpflicht der Männer im Alter von 20 bis 50 Jahren. Die meisten Angehörigen der Armee werden mit 42 Jahren aus der Wehrpflicht entlassen. Anschliessend sind sie somit grundsätzlich noch während acht Jahren im Zivilschutz dienstpflichtig.

Gemäss Projektstand wird der Bevölkerungsschutz eine zivile Struktur auf Stufe Kanton, Region und Gemeinde für Führung, Schutz, Rettung und Hilfe, die unter einer zivilen Führung stehen wird. Im Sinne des Grundsatzes der nationalen Kooperation bedeutet der angestrebte umfassende Bevölkerungsschutz das Zusammenführen unter einem Dach aller massgebenden Partner (Zivilschutz, Feuerwehr, Gesundheitswesen und sanitätsdienstliches Rettungswesen, technische Werke und Betriebe sowie Polizei), die im Bedarfsfall subsidiär von der Armee und auch vom Zivildienst unterstützt werden können. Der Bevölkerungsschutz wird auf im Alltag vorhandenen Mitteln basieren und kann modular aufgebaut werden. Er wird organisatorisch, personell und ausbildungsmässig primär auf Katastrophen und Notlagen nicht machtpolitischer Art ausgerichtet.

2.2.4

Freiwilligkeit

Nach Absatz 3 des Begehrens wäre die Mitarbeit im ZFD freiwillig. Dies wird von Seiten der Initianten damit begründet, dass Friedensarbeit in mancher Hinsicht anspruchsvoller als andere Gemeinschaftsdienste sei. Zudem wäre es ein Widerspruch in sich, wenn jemand zur Friedensarbeit gezwungen werden könnte. Der Initiativtext 4887

lässt offen, ob die Freiwilligkeit sich nur auf die Anmeldung zum ZFD bezieht (analog dem Militärdienst für Frauen, Art. 3 MG) oder ob auch die Teilnahme an jedem einzelnen Einsatz freiwillig ist. Die entsprechende Regelung müsste auf Gesetzesstufe verankert werden.

3

Bisherige Aktivitäten des Bundes in den von der Initiative begünstigten Bereichen

3.1

Entwicklungszusammenarbeit, Ostzusammenarbeit und humanitäre Hilfe im Ausland

Mit dem Ziel, im Ausland dazu beizutragen, Gewaltverhältnisse abzubauen sowie deren Neuentstehung zu verhindern, deckt sich die Zweckbestimmung des ZFD weitgehend mit einem Teil der Aufgaben und der operationellen Tätigkeit der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe des Bundes über bilaterale wie multilaterale Kanäle. Dies gilt auch für die besonders erwähnten Massnahmen zur Früherkennung und Prävention von Gewaltpotenzial, zum Schutz der Lebensgrundlagen, zur friedlichen Beilegung gewalttätiger Auseinandersetzungen und zum sozialen Wiederaufbau.

Während die humanitäre Hilfe des Bundes schon lange in den von der Initiative begünstigten Bereichen aktiv ist, ist die Konfliktprävention und -bewältigung in der Entwicklungszusammenarbeit in den 90er-Jahren zu einem wichtigen Thema geworden. Bereits in der Botschaft ern vom 7. Dezember 1998 über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zu Gunsten von Entwicklungsländern wird näher darauf eingetreten, wie Entwicklungszusammenarbeit dazu beiträgt, die Voraussetzungen für einen friedlichen Umgang mit Interessenkonflikten zu schaffen. In der Zusammenarbeit mit Osteuropa und den Staaten der GUS gilt die Konfliktprävention gar als expliziter Grundsatz (vgl. dazu Botschaft über die Weiterführung der verstärkten Zusammenarbeit vom 19. August 1998).

Armutsbekämpfung, die Förderung guter Regierungsführung sowie die Unterstützung demokratisch ausgerichteter unabhängiger Gruppen und Institutionen gehören hier ebenso dazu wie eine auf die Bewältigung von Konfliktfolgen angelegte Wiederaufbauarbeit in den Bereichen physische Infrastruktur, Gesellschaft und Institutionen. Tatsächlich ist bereits heute ein beträchtlicher Anteil der Aufwendungen für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz derart ausgerichtet, und die in Erarbeitung befindliche Strategie der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA 2010) sieht Krisenprävention und Krisenbewältigung als einen von insgesamt fünf thematischen Schwerpunkten der nächsten Jahre vor. Ein für Ende 2000 vorgesehener Bericht der DEZA wird den Beitrag der Entwicklungs- und der Ostzusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe zur internationalen Friedensförderung und Konfliktverhütung detailliert darlegen.

Was die auf Friedensförderung und Konfliktverhütung
ausgerichteten Aktivitäten der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit betrifft, besteht seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit schweizerischen und internationalen Hilfswerken. Diese werden von der DEZA entweder mit allgemeinen Programmbeiträgen unterstützt oder mit der Durchführung einzelner Projekte betraut. Mit Blick auf den Einsatz von Freiwilligen in den von der Initiative anvisierten Bereichen ist auf internationaler Ebene insbesondere das UN-Freiwilligen-Programm (United Nations Volunteers) zu er-

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wähnen, welches von der Schweiz seit Jahren finanziell und personell unterstützt wird und im vergangenen Jahr gegen 5000 Einsätze organisiert hat.

Die Zusammenarbeit mit den grösseren schweizerischen Hilfswerken bringt sowohl Synergie-Effekte als auch eine Komplementarität der öffentlichen und privaten Anstrengungen in der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit sich. Wichtigstes Instrument dieser Zusammenarbeit sind Programmkredite über jeweils drei Jahre, die es den Hilfswerken erlauben, den Einsatz ihrer Ressourcen sowie ihre Aktivitäten mittelfristig zu planen. Die DEZA ihrerseits hat dadurch einen besseren Überblick über Aktivitäten, aktuelle Ansätze und Erfahrungen, die sich allesamt in den Rahmen einfügen, wie er durch das Entwicklungshilfegesetz von 1976 gegeben ist. Als Prinzip gilt dabei, dass die Beiträge der DEZA 50 Prozent der Projektkosten nicht übersteigen sollen, damit die Unabhängigkeit der Hilfswerke gewahrt und deren Eigenbestrebungen zur Mobilisierung von privaten Unterstützungsgeldern nicht unterlaufen werden.

In den von der Initiative begünstigten Bereichen ist traditionellerweise auch die humanitäre Hilfe des Bundes aktiv. Sie kommt im Falle von Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten zum Einsatz und generell in Notsituatione, deren Ausmass so gross ist, dass die betroffenen Regionen oder Länder sie allein nicht bewältigen können. Ihr Ziel ist es, Leben zu retten und Leiden zu lindern. Sie zielt aber auch auf die Reintegration und damit auf die Wiederherstellung der «Normalität» ab.

Und schliesslich bezweckt sie, zusammen mit der betroffenen Bevölkerung lokale Präventionsmechanismen zu stärken, um künftig ähnliche Notlagen besser auffangen und bewältigen zu können. Sie trägt damit Wichtiges dazu bei, den Aufbau neuer Gewaltverhältnisse zu verhindern, die Früherkennung und Prävention von Gewaltpotenzialen zu ermöglichen, die Lebensgrundlagen zu schützen und den sozialen Aufbau zu unterstützen. Wie die andern entwicklungspolitischen Instrumente versucht auch die humanitäre Hilfe, Selbsthilfe zu fördern, bestehende Abhängigkeiten zu lösen und neue Abhängigkeiten zu verhindern.

Die humanitäre Hilfe des Bundes erbringt ihre Leistung u.a. durch Einsätze mit den Angehörigen des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps (SKH). Dem 1973 gegründeten SKH gehören heute rund 1500
Personen mit schweizerischer Nationalität an. Diese Personen haben sich freiwillig um die Aufnahme beworben. Ihre Aufnahme indessen war das Ergebnis eines strengen Selektionsverfahrens, das nicht nur berufliche, sondern auch persönliche Qualifikationen umfasst. Für die Korpsangehörigen besteht ein intensives Aus- und Weiterbildungsprogramm, um sicherzustellen, dass sie den hohen Anforderungen genügen, die im Einsatz an sie gestellt werden.

Entsprechend ihrer Ausbildung, beruflichen Erfahrung und speziellen Fähigkeiten sind die Korpsangehörigen in eine der zwölf Fachgruppen eingeteilt, aus denen das SKH zur Zeit besteht und die die Tätigkeitsfelder der humanitären Hilfe in den direkten Aktionen umschreiben: Rettung, Bau, Logistik, Medizin, Trinkwasser/ Siedlungshygiene, Umwelt/ABC, (Naturkatastrophen-)Prävention, Kommunikation, Management/Beratung, Menschenrechtsbeobachtung, Information/Dokumentation, Monitoring/Evaluation. In den vergangenen Jahren sind Korpsangehörige einzeln oder in Gruppen in den Interessensbereichen der humanitären Hilfe zunehmend bei internationalen Partnerorganisationen eingesetzt worden.

1999 sind für die mandatsgemässe Erfüllung der Aufgaben der humanitären Hilfe des Bundes 547 Korpsangehörige zum Einsatz gelangt, was rund 40 500 Einsatztagen entspricht.

4889

3.2

Zivile Friedensförderung

In den letzten Jahren hat sich die Tätigkeit der Politischen Abteilung III (PA III; Internationale Organisationen, Sicherheit und Frieden) im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten stetig verlagert: Finanzbeiträge an Organisationen und Logistik treten immer mehr in den Hintergrund, während gleichzeitig die Betreuung von Projekten und Experteneinsätzen an Bedeutung gewinnt.

Im Jahre 1999 betreute die Politische Abteilung III/B des EDA weltweit insgesamt 235 Einsätze von zivilen Schweizer Friedensexpertinnen und -experten in 19 Ländern. Dies bedeutet, dass ­ hochgerechnet über das ganze Jahr ­ rund 70 Fachleute ständig im Einsatz standen. Schweizer Expertinnen und Experten nehmen Aufgaben wahr als Zivilpolizeibeobachter, Wahl- und Menschenrechtsbeobachter, Gerichtsmediziner, Zollfachleute, sowie Aufgaben in der Fernmeldetechnik, im Gesundheits-, Presse-, Finanz- oder im Personalwesen. Die meisten dieser Einsätze finden heute im Rahmen von multilateralen Missionen statt.

Das strategische Ziel der friedensfördernden Aktivitäten der Politischen Abteilung III/B besteht darin, zu langfristig tragfähigen Konfliktlösungen beizutragen. Auf der operationellen Ebene stehen präventivdiplomatische und Vermittlungsmethoden im Zentrum, mit denen die Schlüsselakteure eines Konfliktes unterstützt werden sollen, Konfliktregelungen politisch, diplomatisch und rechtlich voranzubringen.

Schweizerische Friedensexpertinnen und -experten haben in der Vergangenheit immer wieder nützliche Beiträge zur Umsetzung dieses Ziels geleistet. Um die Erfolgschancen solcher Beiträge zu erhöhen, bedarf es in vielen Fällen der ergänzenden Unterstützung der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine kohärente gemeinsame Strategie, die es ermöglicht, die Instrumente der involvierten staatlichen Akteure komplementär aufeinander abzustimmen.

Ein wichtiges Instrument stellt in diesem Zusammenhang das «Corps» ziviler Friedensexpertinnen und -experten dar, das die Politische Abteilung III/B derzeit aufbaut. Die langjährigen Erfahrungen dieser Abteilung im Zusammenhang mit der Entsendung von zivilen Friedensexpertinnen und -experten zeigen vor allem eines: Der Grad der Professionalisierung, der von den entsendeten Personen verlangt wird, sowie die Anforderungen,
die an sie gestellt werden, nehmen ständig zu. Die komplexen Konflikte der Gegenwart erfordern Fachkräfte mit hoch spezialisierten Profilen und Erfahrungen.

Auf Grund dieser Einsicht hat der Bundesrat mit seinem Entscheid vom 13. Dezember 1999 beschlossen, dieser zunehmenden Professionalisierung Rechnung zu tragen und ein «Corps» ziviler Friedensexpertinnen und -experten aufzubauen. Im Rahmen der derzeitigen Aufbauarbeiten kommt der Rekrutierung, Ausbildung und Betreuung der Schweizer Fachleute eine grosse Bedeutung zu. Das EDA kann sich bei diesen Bemühungen auf bewährte, bereits bestehende Strukturen abstützen, insbesondere auf einen Pool von Wahl-, Zivilpolizei- und Menschenrechtsbeobachterinnen und beobachter.

Das Konzept des schweizerischen Corps ist auf ähnlich gelagerte Professionalisierungsmassnahmen in den massgeblichen internationalen Organisationen, insbesondere der OSZE und der UNO, abgestimmt. Das EDA wird sein Corps unter Berücksichtigung der Massnahmen dieser Organisationen, der Bedürfnislage auf internatio-

4890

naler Ebene sowie eigener Interessen und komparativer Vorteile der Schweiz ausgestalten und laufend anpassen.

3.3

Zivildienst

Vom 1. Oktober 1996 (dem Datum des Inkrafttretens des Zivildienstgesetzes) bis zum 31. Dezember 1999 wurden 3166 Zivildiensteinsätze im Gesamtumfang von 325 669 Zivildiensttagen geleistet. Ende 1999 standen dazu 832 anerkannte Einsatzbetriebe zur Verfügung. Allein 1999 wurden rund 160 000 Zivildiensttage geleistet. Im Jahr 2000 sollen es gegen 230 000 Zivildiensttage sein. Nachstehende Tabelle zeigt, in welchen Tätigkeitsbereichen wie viele Einsatzbetriebe zur Verfügung stehen und wo zwischen Oktober 1996 und Dezember 1999 wie viele Einsätze und wie viele Zivildiensttage geleistet wurden: Tätigkeitsbereich

Spitäler Andere Institutionen des Gesundheitswesens Institutionen für Betagte Institutionen für Behinderte Institutionen für Jugendliche Asylwesen Andere Institutionen des Sozialwesens Kulturgütererhaltung Forschung Beheben von Elementarereignissen Umwelt- und Naturschutz Forstwesen Landwirtschaft Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe davon im Ausland Weitere Total

Zahl der Einsatzbetriebe

Zahl der Einsätze

in %

Diensttage

in %

51

204

6

26 867

8

51 104 116 120 35

121 170 467 481 324

4 5 15 15 10

13 479 14 638 40 273 57 027 29 052

4 4 12 18 9

159 33 20

411 101 93

13 3 3

44 563 10 340 12 334

14 3 4

9 79 9 12

35 326 15 256

1 10 0 8

1 268 30 720 1 163 23 145

0 9 0 7

33 17 1

102 34 60

3 1 2

13 767 6 413 7 033

4 2 2

832

3166

100* 325 669

100

* gerundet

Die Vollzugsstelle für den Zivildienst hat die Möglichkeit, Einsatzschwerpunkte des Zivildienstes zu definieren. Dazu gehörten bisher Einsätze im Rahmen des Umweltund Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die Betreuung von Asylsuchenden. Die starke Konzentration der geleisteten Zivildiensttage im Bereich des Sozialwesens dagegen ergab sich ohne gezielte behördliche Einflussnahme: Viele Zivil4891

dienstpflichtige fühlen sich durch Einsatzmöglichkeiten in diesem Bereich von sich aus besonders angesprochen.

Schon heute ist eine bedeutende Anzahl der oben aufgeführten Einsatzbetriebe in Gebieten tätig, die den Förderungsbereichen der ZFD-Initiative entsprechen: 29 Einsatzbetriebe widmen sich ausdrücklich dem Abbau von Gewaltverhältnissen, der Prävention der Entstehung neuer Gewaltverhältnisse, der Früherkennung und Prävention von Gewaltpotenzialen oder der friedlichen Beilegung gewalttätiger Auseinandersetzungen sowie dem sozialen Wiederaufbau. 88 weitere Einsatzbetriebe haben den Schutz unserer Lebensgrundlagen zum Ziel und Inhalt. 33 Einsatzbetriebe sind im Bereich Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe tätig. 17 dieser Betriebe bieten Auslandeinsätze an, setzen unter Umständen Zivildienstleistende jedoch auch für ihre Arbeiten im Inland ein. Die Auslandeinsätze finden in Lateinamerika, Afrika, Osteuropa und Asien statt. Sie werden jeweils durch die DEZA begutachtet und liegen auf der Linie der in Ziffer 3.1 dargestellten Politik der Schweizer Behörden.

Zivildienstpflichtige können den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Dem Gewissensproblem liegt sehr oft eine Vision einer friedlichen, sicheren, gewalt- und konfliktfreien Welt zu Grunde. Nur das Mittel der persönlichen Militärdienstleistung lehnt der Zivildienstpflichtige zur Verwirklichung dieser Vision ab.

Das Interesse an der Friedensförderung ist also grundsätzlich eng mit dem Zivildienst verbunden. Hier mehr zu tun als bisher ist deshalb nicht ausgeschlossen, unabhängig davon, ob die vorliegende Initiative durch die Stimmberechtigten angenommen wird oder nicht. Die anstehende Revision des Zivildienstgesetzes wird darüber Aufschluss geben, inwiefern Aspekten der Friedensförderung und Gewaltprävention im Zivildienst ein grösseres Gewicht gegeben werden soll und ob die Option, Zivildienstpflichtige künftig für die Wahrnehmung entsprechender Aufgaben auszubilden, neu in das Zivildienstgesetz eingebaut werden kann.

4

Auswirkungen im Falle einer Annahme der Initiative

4.1

Auswirkungen auf die Entwicklungszusammenarbeit, die Ostzusammenarbeit und die humanitäre Hilfe im Ausland

Bei der Annahme der Initiative würden bestimmte Teile der schweizerischen internationalen Zusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern des Südens, Zusammenarbeit mit Ländern Osteuropas und der GUS, humanitäre Hilfe) voraussichtlich wesentlich beeinflusst. Im Besonderen dürfte dies für die international als beispielhaft geltende enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Privaten einerseits sowie unter Privaten andererseits gelten. Der Grund liegt in den im Vergleich zu den herkömmlichen Organisationen grundlegend anderen Voraussetzungen eines ZFD: während die operationell tätigen privaten Hilfswerke ­ trotz enger Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen ­ grundsätzlich für Ausrichtung und Finanzierung ihrer eigenen Aktivitäten unabhängig und eigenverantwortlich sind, ist eine derartige Trennung zwischen Staat und ZFD nicht möglich. Eine derartige Institution dürfte wesentliche Auswirkungen auf die bisherigen Kooperationsformen im Inland haben.

Ferner hätte die ungeklärte, jedoch im Vergleich zu den herkömmlichen Hilfswerken andersartige institutionelle Verankerung eines ZFD Auswirkungen auf die Zusam-

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menarbeit verschiedener schweizerischer Akteure und die Kohärenz des schweizerischen Auftritts in unseren Partnerländern. Namentlich der Rückgriff auf jüngeres, trotz geplanten Ausbildungsanstrengungen letztlich wenig erfahrenes Personal steht der heutigen schweizerischen Praxis diametral gegenüber. Diese besteht darin, im Rahmen ihrer Projekte und Programme den Anteil von externem Personal immer mehr zu begrenzen und möglichst auf lokale Fachleute zurückzugreifen. Ferner zeigt die Erfahrung, dass insbesondere in Extremsituationen, welche die Einsatzbedingungen namentlich der humanitären Hilfe auszeichnen, sich staatliche und nichtstaatliche Organisationen nur schwierig koordinieren lassen. Die Schaffung einer weiteren Institution in diesem Bereich würde diese Situation weiter komplizieren.

4.2

Auswirkungen auf die zivile Friedensförderung

Auch nach dem erfolgreichen Abschluss des Aufbaus des Corps ziviler Friedensexpertinnen und -experten wird sich die Zahl der Schweizer Fachkräfte, die an multilateralen Missionen teilnehmen, nicht beliebig erhöhen lassen. Im Rahmen der OSZE und der UNO steht die Grösse eines nationalen Kontingents in der Regel in einem direkten Zusammenhang zum Volumen der nationalen Beitragszahlungen.

Wie die Schweiz ziehen auch andere OSZE- oder UNO-Mitgliedstaaten die Entsendung von Friedensfachleuten einer Überweisung von Unterstützungsbeiträgen vor.

Dem personellen Engagement der Schweiz im multilateralen Rahmen sind folglich numerische Grenzen gesetzt. Wir befürchten daher, dass die Initiative zu einer Struktur führen würde, die wohl Leute ausbilden, sie dann aber allzu selten in den Einsatz schicken könnte. Wir ziehen es aus diesem Grund vor, das schon angesprochene Corps aufzubauen und dieses Instrument falls nötig im Lichte praktischer Erfahrungen oder einer veränderten Bedürfnislage flexibel anzupassen.

4.3

Volkswirtschaftliche und finanzielle Auswirkungen

4.3.1

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Vorlage sieht den weitgehenden Beizug privater Organisationen für die Durchführung des ZFD vor. Der Staat übernähme bei Gutheissung der Initiative deshalb nicht unbedingt selber neue Aufgaben, sondern würde wohl neu finanziell für bestehende Aktivitäten aufkommen und möglicherweise deren Entfaltung auf einer breiteren Basis gestatten müssen, als dies bei einer Finanzierung aus den heute für solche Zwecke schon erschlossenen Quellen möglich ist.

Ob die beigezogenen Organisationen an Effektivität gewinnen oder verlieren würden, wenn ihre Aktivitäten vom Staat (mit-)getragen werden, lässt sich bei der auf Verfassungsstufe möglichen Konkretisierung der Vorhaben nicht entscheiden. Die Ertragsseite des Vorhabens bleibt so offen; namentlich wird auch nicht der Quervergleich mit den Leistungen versucht, welche die Armee erbringt, die mit der parallel eingereichten Initiative in Frage gestellt wird.

Weitere Betroffene neben den Organisationen, welche die Programme durchführen würden, wären die Steuerzahlenden, von denen ­ je nach Zuspruch, den der ZFD fände, und dessen Ausgestaltung ­ allenfalls Mittel für ausgeweitete Aktivitäten im fraglichen Gebiet abverlangt würden, mit den bekannten Folgen einer höheren Ab4893

gabenbelastung; die Wirkungen von Einsparungen aus dem parallel verfolgten Anliegen einer Abschaffung der Armee bleiben vorbehalten.

Wesentliche wirtschaftliche Auswirkungen ergäben sich aus den Übergangsbestimmungen. Dass in Analogie zum Zivildienst geprüft werden muss, ob die geplanten Einsätze bestehende Arbeitsplätze konkurrenzieren würden, wird explizit vorgesehen. Dies bedingt entsprechende Kontrollen bei der Genehmigung der Programme des ZFD. In diesem Punkt bestehen Erfahrungen aus dem Zivildienst. Ein grösseres Problem stellt der vorgeschlagene Absatz 1 von Artikel 25 dar. Die Kündigung einer ZFD leistenden Person wäre missbräuchlich und würde als Sanktion die Zahlung von bis zu 6 Monatslöhnen auslösen. Anders als der Militärdienst und der Zivildienst wäre der ZFD in seiner Dauer für die Arbeitgeber jedoch nicht absehbar. Auf die Ungewissheit, die aus diesen Umständen für den Betrieb in organisatorischer und finanzieller Hinsicht resultiert, würden die Unternehmungen mit einer entsprechenden Zurückhaltung bei der Anstellung potenziell Friedensdienst leistender Personen antworten.

Die Einrichtung eines ZFD würde keine relevante gesamtwirtschaftliche Bedeutung erreichen, solange sich die Teilnahme mengenmässig von der Anzahl der Teilnehmenden her im Rahmen dessen hielte, was heute als Zivildienst geleistet wird. Anders sähe die Situation aus, würden im Rahmen des ZFD Diensttage erbracht, wie sie heute beispielsweise während eines Jahres bei einem Armeekorps anfallen. In diesem Fall würde sich ein Teil der volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die aus einer Abschaffung der Armee resultieren würden (vgl. das analoge Kapitel in der Botschaft zur Armeeabschaffungs-Initiative), wenigstens teilweise wieder umkehren. Es ist allerdings davon auszugehen, dass solche kompensierenden Effekte nicht in den gleichen Regionen und nicht zu Gunsten derselben Kreise eintreten würden.

Im Rahmen dieser Verfassungsvorlage können noch kaum Angaben zur Vollzugstauglichkeit des Vorhabens gemacht werden. Entscheidende Bedeutung würde der Ausgestaltung der Ausführungsgesetzgebung zukommen.

4.3.2

Finanzielle Auswirkungen

Die Initiative verlangt, dass ZFD-Leistende sowohl für die einsatzspezifische Ausund Weiterbildung als auch für Einsätze «angemessen entschädigt» werden. Die Grundausbildung soll von staatlichen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Privaten angeboten werden und allen in der Schweiz wohnhaften Personen offen stehen.

Anhand dieser Umschreibung lassen sich weder über das Ausmass der Aus- und Weiterbildungskosten noch über die Aufwendungen für allfällige Einsätze schlüssige Angaben über die finanziellen Auswirkungen machen, da zu viele Faktoren unklar sind. Wie lange würde die Ausbildung dauern, wie viele der in der Schweiz wohnhaften Personen würden sich ausbilden lassen wollen, wer würde die Ausbildung zu welchen Bedingungen anbieten, wie lange würde ein Einsatz entschädigt?

Um den Kostenrahmen zu definieren, müssen zuerst diese Fragen beantwortet werden. Dies ist momentan nicht möglich. Auch die Frage der finanziellen Auswirkungen für die Kantone bleibt offen; sie wären dann betroffen, wenn sie die Ausbildung anbieten müssten.

4894

Annäherungswerte lassen sich immerhin aus der Ausbildung in den Bereichen der zivilen Friedensförderung in der DEZA und der friedensunterstützenden Einsätze im VBS ermitteln. Als Beispiel können die Ausgaben der Abteilung für friedenserhaltende Operationen des Generalstabes erwähnt werden. Für die Einsätze 1999 wurden rund 35 Millionen Franken ausgegeben. Dieser Betrag umfasst die Ausgaben für die Ausbildung, die Vorbereitung und den Einsatz von Militärbeobachtern, Einzelpersonen in verschiedenen Missionen und von Spezialeinheiten (Gelbmützen, SWISSCOY). Transport- und Materialkosten sowie Versicherungen sind ebenfalls in diesem Betrag inbegriffen.

Des Weiteren leisteten 613 Angehörige des SKH (inkl. Einsätze der Rettungskette) 1999 insgesamt 42 800 Einsatztage. Die Summe der Löhne und Entschädigungen betrug 12,2 Mio Franken. Ein Einsatztag kostete somit durchschnittlich 285 Franken pro Person, was einem Monatslohn von rund 7350 Franken und einem Jahreslohn von rund 88 000 Franken entspricht. Nicht eingerechnet sind die je nach Einsatzort unterschiedlich hohen Infrastrukturkosten. Was die Ausbildung anbelangt, betrug das Weiterbildungsbudget 1999 des SKH 497 000 Franken. Damit wurde die Weiterbildung von rund 650 aktiven Korpsangehörigen finanziert.

Schliesslich kann man dem Jahresbericht 1999 des Zivildienstes entnehmen, dass die gesamten Nettokosten des heute bestehenden Zivildienstes für 1999 zirka 7 338 000 Franken betragen. Die Entschädigung der Zivildienst Leistenden entspricht weitestgehend der Entschädigung der Militärdienst Leistenden.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kosten des ZFD sich im Rahmen der oben erwähnten Beträge bewegen würden. Wegen der Tatsache, dass alle in der Schweiz wohnhaften Personen ein Anrecht auf Ausbildung und Einsatz im ZFD hätten, gäbe es jedoch keine Begrenzung der möglichen Gesamtkosten des ZFD.

4.4

Konsequenzen im Hinblick auf die Armee XXI

Kurz- bis mittelfristig sind keine Auswirkungen auf die Gestaltung der Armee XXI erkennbar. Für die Planungsarbeiten der Armee XXI gelten die zwei im sicherheitspolitischen Bericht festgehaltenen und vom Bundesrat genehmigten ­ immer wieder kommunizierten ­ Rahmenbedingungen: Erstens soll an der Wehrpflicht festgehalten und zweitens eine freie Wahl der Dienstleistung ausgeschlossen werden.

Gemäss Initiativtext wäre der ZFD freiwillig, hingegen würden nach den vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen Einsätze des Zivilen Friedensdienstes als Zivildiensttage angerechnet, «solange in der Schweiz ein Zivildienst besteht». Im Gegensatz zu Angehörigen der Armee, die ZFD leisten, wären demnach Zivildienstleistende bevorteilt, da ihr Friedensdiensteinsatz als Zivildiensttage angerechnet würden.

4895

5

Politische Beurteilung der Initiative

5.1

Aus der Sicht der Entwicklungszusammenarbeit, der Ostzusammenarbeit und der humanitären Hilfe im Ausland

Von der politischen Stossrichtung her bestehen zwischen ZFD einerseits und der heutigen internationalen Zusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeit, Ostzusammenarbeit, humanitäre Hilfe) keine Widersprüche. Konfliktprävention ist ein Problem von steigender Bedeutung, und sie ist ein wichtiges Anliegen auch der staatlichen internationalen Zusammenarbeit. Ausgesprochen problematisch ist die Initiative indessen, wo es um die Umsetzung der Zielsetzung, d.h. um die organisatorische Ausgestaltung des ZFD und dessen Finanzierung geht.

Die heutige internationale Zusammenarbeit der Schweiz ­ Entwicklungszusammenarbeit, Ostzusammenarbeit und humanitäre Hilfe ­ zeichnet sich durch ein enges Zusammenwirken zwischen staatlichen Stellen und privaten Kreisen aus. Diese starke zivilgesellschaftliche Verankerung ­ auf der Grundlage von klar unterscheidbaren Rollen und Verantwortlichkeiten der Akteure ­ weist zahlreiche Vorteile auf und wird auch international stark beachtet. Es ist davon auszugehen, dass dieses bewährte Modell auf Grund der grundlegend anderen Voraussetzungen des vorgesehenen ZFD in Frage gestellt wird.

Auch die Erfahrung in den Einsatzländern zeigt, dass das Hinzutreten weiterer Akteure die Problemlösungen auf Grund des gestiegenen Koordinationsbedarfs oftmals noch erschwert. Dies gilt namentlich auch mit Blick auf einen kohärenten Auftritt der offiziellen Schweiz. Zudem unterläuft die vorgesehene Entsendung wenig erfahrener Freiwilliger die jahrelangen, aus entwicklungspolitischen Überlegungen motivierten Bestrebungen der Schweiz, lokales Expertenwissen zu fördern, aufzubauen und einzusetzen.

Nicht auszuschliessen sind konkrete Probleme, wenn ein ZFD Leistender in einem Land oder einer Mission unerwünscht wäre: Die möglichen Folgen könnten zu einer Belastung unserer Beziehungen mit dem betroffenen Staat oder der Mission führen.

In solchen Fällen wäre es unerlässlich, Mechanismen zu entwickeln, mit denen diese Probleme politisch beurteilt und angegangen werden könnten.

Schliesslich wären die Möglichkeiten begrenzt, die generelle Ausgabenentwicklung unter Kontrolle zu halten und eine wirksame und effiziente Verwendung öffentlicher Mittel sicherzustellen.

5.2

Aus der Sicht der zivilen Friedensförderung

Die Erfahrungen, welche die PA III im Zusammenhang mit der Entsendung ziviler Friedensfachleute hat machen können, zeigen vor allem eines: Der Grad der Professionalisierung, der von den berücksichtigten Personen verlangt wird, sowie die Anforderungen, die an sie gestellt werden, nehmen ständig zu. Während es vor einigen Jahren möglicherweise noch denkbar war, fehlende Fach- und Sachkenntnisse durch Enthusiasmus und Unternehmergeist zu kompensieren, ist dies heute ausgeschlossen. Die komplexen Konflikte der Gegenwart erfordern Fachkräfte mit hoch spezialisierten Profilen und Erfahrungen.

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Am 13. Dezember 1999 hat der Bundesrat den Ausbau eines Corps ziviler Friedensexpertinnen und -experten beschlossen. Er traf diesen Entscheid auf der Basis seiner Erfahrungen im Bereich der Entsendung ziviler Friedensexpertinnen und experten ins Ausland, unter Berücksichtigung einschlägiger Entwicklungen in verschiedenen internationalen Organisationen und in Erwägung anderer sachrelevanter Überlegungen. Er hat mit diesem Entscheid eine Grundlage geschaffen, die es künftig erlauben wird, professionell, effizient und flexibel auf das Bedürfnis nach Schweizer Friedensfachkräften für Auslandseinsätze zu reagieren. Für die Schaffung eines zusätzlichen Zivilen Friedensdienstes in diesem Bereich sieht der Bundesrat keine unmittelbare Notwendigkeit.

Der Bundesrat ist sich jedoch bewusst, dass er im Rahmen seiner zivilen Friedensförderung künftig noch stärker als in der Vergangenheit auf die Zusammenarbeit mit kompetenten Nichtregierungsorganisationen angewiesen sein wird. Er begrüsst deshalb grundsätzlich Massnahmen, die darauf abzielen, partnerschaftliche Synergien zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen friedenspolitischen Akteuren zu schaffen und zu intensivieren.

Nach dem erfolgreichen Aufbau dieses Corps kann das EDA schneller und zielgerichteter auf Anfragen nach zivilen, friedensfördernden Dienstleistungen reagieren.

Die Zahl der Schweizer Fachleute, welche an multilateralen Missionen teilnehmen, wird sich aber auch nach der Schaffung des Corps nicht beliebig erhöhen lassen. Im Rahmen von Missionen der OSZE und der UNO steht die Grösse eines nationalen Kontingents in der Regel in einem direkten Zusammenhang zum Volumen der nationalen Beitragszahlungen. Dem personellen Engagement der Schweiz sind folglich numerische Grenzen gesetzt. Diese Tatsache steht im Widerspruch zum Konzept eines breit angelegten zivilen Friedensdienstes, wie er in der vorliegenden GSoAInitiative gefordert wird.

5.3

Aus der Sicht des Zivildienstes

Je nachdem, ob man die Initiative für sich allein beurteilt oder im Zusammenhang mit der anderen GSoA-Initiative («Für eine glaubwürdige Sicherheitspolitik und eine Schweiz ohne Armee»), drängen sich andere Schlussfolgerungen auf. Würden beide Initiativen angenommen, so würde mangels allgemeiner Militärdienstpflicht auch der Zivildienst hinfällig und an deren Stelle ein Ziviler Friedensdienst (ZFD) eingerichtet. Würden Militärdienstpflicht und Zivildienst dahinfallen, so könnte ohne Zwänge und Vorgaben «auf der grünen Wiese» beurteilt werden, wie eine grenzüberschreitende Sicherheitspolitik neu konzipiert und instrumentalisiert werden sollte. Der ZFD würde dann eine mögliche Variante darstellen, welche allerdings eine Reihe von Nachteilen aufweist (sie sind im vorangehenden Text bereits genannt).

Die Initiative zielt nicht unmittelbar auf eine Umgestaltung des heutigen Zivildienstes ab, sondern sie fordert die Schaffung einer neuen, von den bestehenden Institutionen unterschiedlichen Einrichtung. Verbindungen zum Zivildienst bestehen entsprechend dem Wortlaut der Initiative in zwei Punkten, die (folgerichtig, da die Initianten ja primär die Armee abschaffen wollen) Teil der vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen sind: Der Kündigungsschutz im ZFD soll sich nach den Bestimmungen des Zivildienstgesetzes richten. Zudem sollen im ZFD geleistete Tage als Zivildiensttage angerechnet werden, solange ein Zivildienst besteht. Daraus lässt sich Folgendes schliessen: 4897

a.

Die Initiative setzt ­ wenngleich nur vorläufig ­ den Bestand eines Zivildienstes neben dem ZFD voraus.

b.

Mit dem ZFD würde, falls nur die ZFD-Initiative allein angenommen würde, der Zivildienst wohl längerfristig überflüssig gemacht. Der ZFD erlaubt auch denjenigen Personen Friedensdienst zu leisten, welche die Zulassungsvoraussetzungen zum Zivildienst nicht erfüllen. Es stellt sich dann die Frage: Warum ein Zivildienstgesuch stellen und die heutige Gewissensprüfung auf sich nehmen, wenn man über den freiwilligen ZFD Leistungen erbringen kann, die an den Zivildienst angerechnet werden? Es ist anzunehmen, dass die Initianten (immer für den Fall, dass nur die ZFD-Initiative angenommen würde) davon ausgehen, dass wegen der einfacheren Zugänglichkeit des ZFD der Zivildienst über kurz oder lang obsolet würde.

c.

Die Initiative soll sicherstellen, dass auch derjenige Zivildienstleistungen erbringen können soll, dessen Gesuch um Zulassung zum Zivildienst abgewiesen wurde. Die Initianten wollen abgelehnten Zivildienst-Gesuchstellern die Verurteilung durch die Militärjustiz und die Kriminalisierung ersparen und eine Alternative zur Ausmusterung auf Grund sanitätsdienstlicher Beurteilung anbieten.

d.

Mit dem vorgeschlagenen Text können die Initianten die unter den Buchstaben b und c dargelegten Absichten jedoch allein nicht verwirklichen.

Denn sie sprechen nur das Verhältnis des ZFD zum Zivildienst an, nicht jedoch dasjenige zum Militärdienst (weil dieser ja durch die Annahme der andern Initiative abgeschafft wäre). Nirgends wird gesagt, es müsse nicht mehr Militärdienst leisten, wer ZFD geleistet habe. Nur die Zulassung zum Zivildienst gemäss Zivildienstgesetz entbindet von der Militärdienstpflicht, nicht jedoch die an den Zivildienst angerechnete ZFD-Leistung. Und die ZFDLeistung erfolgt unabhängig von der Zulassung zum Zivildienst und kann Letztere nicht ersetzen. Der ZFD soll nicht als Zivildienstleistung gelten, er würde nur an sie angerechnet. Wer aber militärdienstpflichtig ist, bleibt es, und die Anrechnung an den Zivildienst bringt ihm nichts, weil er nicht zivildienstpflichtig ist. Für die heutige Armee ist die ZFD-Initiative für sich allein genommen deswegen letztlich völlig belanglos: Auf ihre Bestände und auf die Erfüllung der Militärdienstpflicht hat der ZFD keinen Einfluss. Nur der heutige Vollzug des Zivildienstes wird in Frage gestellt, und zwar nur der Vollzug (nicht jedoch unmittelbar auch die Institution und auch nicht das heutige Zulassungsverfahren mit der Prüfung der Gewissensgründe), indem die zum Zivildienst zugelassenen Personen im Fall der Realisierung des ZFD einen zweiten Weg neben dem Vollzug des Zivildienstes erhalten, um eine Leistung so zu erbringen, dass sie an den Zivildienst angerechnet wird.

Das heisst: Der Zivildienst soll künftig im Zivildienst oder im ZFD geleistet werden können. Da der ZFD mit seiner friedenspolitischen Ausrichtung eine spezifische Attraktivität ins Spiel bringt, Leistungsvorgaben und Wirkungsziele nicht ersichtlich sind und der Vollzug wohl privat erfolgen soll, gehen die Initianten wohl davon aus, dass die heutigen Zivildienstpflichtigen künftig ZFD leisten werden. Auch aus dieser Optik wird somit der Zivildienst längerfristig obsolet.

e.

Aus dem Gesagten und aus dem Wortlaut der Initiative ergibt sich weiter, dass nur Zivildienstpflichtige vom ZFD wirklich profitieren könnten sowie Personen, die einen freiwilligen Friedensdienst, finanziert mit öffentlichen

4898

Geldern, leisten wollen, unabhängig davon, ob sie noch andere Dienstpflichten zu erfüllen haben oder nicht.

6

Schlussfolgerungen

Nachstehende Schlussfolgerungen legen eine Ablehnung der Initiative nahe: ­

Die Zielsetzungen, die in Absatz 2 des vorgeschlagenen neuen Artikels 8bis zum Ausdruck kommen, sind bereits wesentlicher Bestandteil der Bemühungen der Schweiz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Auf Grund der Mängel, welche mit den organisatorischen Vorschlägen zur Realisierung des ZFD verbunden sind, ist jedoch mit zahlreichen negativen Auswirkungen auf die international beachtete und bewährte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen schweizerischen Akteuren zu rechnen. In den Einsatzländern dagegen dürfte die Schaffung eines ZFD zu Problemen hinsichtlich der Wirksamkeit, der Kohärenz und Glaubwürdigkeit der schweizerischen Bemühungen führen. Während die Kostenentwicklung und die Mittelverwendung schwierig unter Kontrolle zu halten wären, dürften die mit einem ZFD zu erzielenden Effekte im Sinne dieser Zielsetzungen sehr bescheiden sein.

­

Die Schweiz setzt bereits heute weltweit zivile Friedensexpertinnen und ­ experten ein, und in den von der ZFD-Initiative begünstigten Bereichen ist auch die Humanitäre Hilfe des Bundes aktiv. Zudem hat der Bundesrat mit seinem Entscheid vom 13. Dezember 1999 beschlossen, ein Corps ziviler Friedensexpertinnen und -experten aufzubauen.

­

Die Initiative ersetzt eine bestehende Institution durch eine andere, deren Konturen nicht klar erkennbar sind. Der Staat müsste diese neue Institution zwar finanzieren, hätte aber keine Kontrolle über die Kosten. Gegenüber dem heutigen Zivildienst bringt der ZFD keine eindeutigen objektiven Vorzüge, abgesehen von dem einen, dass Zivildiensteinsätze, die nicht unmittelbar der Friedensförderung dienen, sondern «nur sonst» dem öffentlichen Interesse, künftig nicht mehr vorkämen. Diese Sehweise kann nur unterstützen, wer Friedensförderung als absolut prioritär gegenüber allen anderen möglichen Arten der Leistungserbringung im öffentlichen Interesse erachtet. Der weiter verstandenen Förderung von Arbeiten im öffentlichen Interesse, wie sie dem Zivildienst heute aufgetragen ist, würde durch die Initiative längerfristig Schaden zugefügt.

­

Schliesslich liegt die einzige durch die Initiative bewirkte Neuerung darin, dass mehr staatliche Gelder der privaten Friedensförderung zufliessen. Die Art und Weise der privaten Friedensförderung ist Privatsache. Sie muss keineswegs im Detail auf Verfassungsstufe geregelt werden.

­

Mit der Ablehnung der Initiative wird nicht gesagt, dass deren Anliegen ­ die Verstärkung der zivilen Friedensförderung und der Gewaltprävention ­ gleichgültig sind. Im bundesrätlichen Bericht «Sicherheit und nachhaltige Entwicklung», der zum Zeitpunkt der Formulierung der vorliegenden Botschaft unter der Federführung der PA III erarbeitet wird, werden gemäss den Zielen des Bundesrates für das Jahr 2000 Vorschläge und Empfehlungen für eine kohärente Friedenspolitik unterbreitet.

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