zu 10.505 Parlamentarische Initiative Richterverordnung. Überprüfung des Lohnsystems für Richterinnen und Richter Bericht vom 13. Oktober 2011 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 30. November 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 13. Oktober 2011 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates betreffend die parlamentarische Initiative «Richterverordnung. Überprüfung des Lohnsystems für Richterinnen und Richter» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. November 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-2594

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Stellungnahme 1

Vorlage der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats

Im Rahmen ihrer parlamentarischen Initiative «Richterverordnung. Überprüfung des Lohnsystems für Richterinnen und Richter» beantragt die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (Kommission) im Wesentlichen folgende Änderungen von Erlassen: ­

In der Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 2002 über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie der hauptamtlichen Richter und Richterinnen des Bundespatentgerichts (Richterverordnung; SR 173.711.2) soll die untere Grenze für die Festlegung des Anfangslohns der Richter und Richterinnen durch die Gerichtskommission auf 70 Prozent des maximal erreichbaren Lohnes (ohne Zulagen) erhöht werden. Heute beträgt der minimale Anfangslohn zirka 63 Prozent des Höchstlohns.

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Ebenfalls in der Richterverordnung soll der Lohnanstieg, der den Richtern und Richterinnen bis zum Erreichen des Höchstlohns jährlich gewährt wird, wieder auf drei Prozent des Höchstlohns festgesetzt werden. Die Verordnungsänderung vom 6. Oktober 2006 (AS 2006 4217), mit der dieser Satz auf 1,2 Prozent gesenkt wurde, soll damit rückgängig gemacht werden.

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Das Höchstalter, bis zu dem Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentgerichts ihr Amt ausüben dürfen, soll in den einschlägigen Gesetzen von 65 auf 68 Jahre erhöht und damit an die Regelung für die Richter und Richterinnen des Bundesgerichts angeglichen werden.

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Änderungen am Lohnsystem

Die von der Bundesversammlung im Jahr 2006 beschlossene Reduktion der jährlichen Lohnentwicklung nach Artikel 5 Absatz 3 der Richterverordnung von 3 auf 1,2 Prozent des Maximallohns wird aus verschiedenen Gründen kritisiert. Sie hat ­ in Kombination mit der von der Gerichtskommission praktizierten altersabhängigen Festlegung der Anfangslöhne ­ dazu geführt, dass die Richter und Richterinnen den Maximallohn erst im Alter von 62 Jahren erreichen können. Dieser Maximallohn gemäss Lohnklasse 33 des Personals der Bundesverwaltung (Art. 5 Abs. 1 der Richterverordnung) wurde nie geändert. Er wurde seinerzeit gestützt auf einen Vergleich mit kantonalen Richterlöhnen und Funktionsbewertungen bei der Bundesverwaltung und der Bundesanwaltschaft festgelegt. Dabei wurden aber eher Kaderleute mit durchschnittlichem Lebens- und Dienstalter verglichen und nicht in erster Linie solche, die kurz vor der Pensionierung stehen.

Der heutige reduzierte Lohnanstieg von jährlich 1,2 Prozent stellt die Richter und Richterinnen schlechter als das übrige Bundespersonal (inklusive das Personal der Gerichte), bei dem die jährliche Lohnentwicklung 2,5 bis 3,5 Prozent beträgt, sofern 9014

die individuellen Leistungen mit Beurteilungsstufe 3 («erreicht die Ziele vollständig») bewertet werden. Bei Angestellten, die auf Amtsdauer gewählt sind, beträgt die jährliche Lohnentwicklung drei Prozent (Art. 4 Abs. 2 der Amtsdauerverordnung vom 17. Oktober 2001; SR 172.220.111.6). Ausserdem entstanden wegen der Verordnungsänderung vom 6. Oktober 2006 grosse Lohnunterschiede zwischen Richtern und Richterinnen, die bereits am Gericht tätig waren, und solchen die erst nach dem Inkrafttreten der Änderung gewählt wurden.

Der Bundesrat ist nicht der Meinung, dass das Lohnsystem der Richterinnen und Richter in jeder Hinsicht dem Lohnsystem der Bundesverwaltung angepasst werden muss; gewisse Unterschiede sind sachlich gerechtfertigt. Er erachtet aber den Vorschlag der Kommission und der eidgenössischen Gerichte, den jährlichen Lohnanstieg für Richter und Richterinnen, die den Maximallohn noch nicht erreicht haben, wieder auf drei Prozent dieses Maximallohns zu erhöhen, als grundsätzlich taugliche Lösung.

Die beiden anderen von der Kommission vorgeschlagenen Massnahmen im Lohnbereich erscheinen dem Bundesrat ebenfalls vertretbar. Es handelt sich dabei um eine moderate Anhebung des minimalen Anfangslohns sowie um die Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, damit die Richter und Richterinnen gleich wie das obere Kader der Bundesverwaltung für allfällige Überstunden pauschal entschädigt werden können. Hinsichtlich der Frage, ob diese Entschädigung nur in der Form der Barvergütung ausgerichtet wird (Antrag der Kommissionsminderheit) oder ob ausnahmsweise eine Pauschalkompensation durch Freitage oder Anrechnung an ein Sabbatical bewilligt werden kann (Antrag der Kommissionsmehrheit), verzichtet der Bundesrat auf die Festlegung einer Präferenz.

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Änderung des Höchstalters

Der Bundesrat ist mit dem Vorschlag der Kommission einverstanden, das Höchstalter, bis zu dem Richter und Richterinnen am Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht oder Bundespatentgericht tätig sein können, an die Regelung für das Bundesgericht (Art. 9 Abs. 2 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005; SR 173.110) anzupassen. Die Richter und Richterinnen werden somit spätestens am Ende des Kalenderjahres aus ihrem Amt ausscheiden, in dem sie 68 Jahre alt werden.

Was die berufliche Vorsorge angeht, wird durch den von der Kommission beantragten neuen Artikel 9 Absatz 3 der Richterverordnung klargestellt, dass die Altersvorsorge nach Vollendung des 65. Altersjahrs freiwillig ­ unter Beteiligung des Arbeitgebers ­ weitergeführt werden kann, dass aber das ordentliche Rentenalter nicht erhöht wird.

Der Bundesrat teilt auch die Ansicht der Kommission, dass die Richter und Richterinnen für die Weiterführung ihres Amtes nach dem 65. Altersjahr keine Bewilligung der Verwaltungskommission (beim Bundespatentgericht: Gerichtsleitung) oder der Gerichtskommission benötigen sollen. Dies namentlich aus Gründen der Gleichbehandlung.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat kann sich mit den Entwürfen der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates zur Änderung der Richterverordnung und zu einem Bundesgesetz über die Änderung des Höchstalters für Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentgerichts einverstanden erklären.

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