11.2.4

Botschaft zum Abkommen zwischen der Schweiz und Russland über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen vom 12. Januar 2011

11.2.4.1

Grundlagen und Übersicht zum Abkommen

Das Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Russischen Föderation über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen (nachfolgend: Abkommen) wurde am 29. April 2010 in Bern unterzeichnet. Es befasst sich mit dem Schutz der geografischen Angaben (nachfolgend: GA) und Ursprungsbezeichnungen (nachfolgend: UB) für alle Arten von Waren sowie mit dem Schutz der Namen von Ländern, amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete, Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen der Parteien. Ferner beinhaltet es einen allgemeinen Schutz für die geografischen Angaben zur Kennzeichnung von Dienstleistungen.

Das zwischen der Schweiz und Russland ausgehandelte bilaterale Abkommen ist ein Meilenstein im Rahmen der Schweizer Strategie für eine Verbesserung des internationalen Schutzes der GA und UB sowie des Namens und der Flagge unseres Landes für alle Arten von Waren. Die Bedeutung dieses Abkommens liegt nicht nur in der überragenden wirtschaftlichen Rolle eines Landes wie Russland, das noch nicht Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) ist, sondern auch darin, dass das Abkommen ein hohes Schutzniveau für die GA und UB aller Arten von Waren, sowie einen spezifischen Schutz für die Namen der Länder, die amtlichen Verwaltungseinheiten der Parteien und ihrer Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen umfasst.

Die Schweiz hat auf diesem Gebiet in der Vergangenheit mit dem Abschluss bilateraler Abkommen1 gute Erfahrungen gemacht. Diese gewährleisten den Vertragsparteien einen höheren und effizienteren Schutz als auf multilateraler Ebene2. Die Beifügung einer Liste von GA und UB, die von den Parteien anerkannt und geschützt werden, verleiht diesen Bezeichnungen einen mit nationalen Eintragungen in der jeweils anderen Partei vergleichbaren Schutz. Der Abschluss solcher bilate1

2

Vgl. insbesondere: Vertrag vom 7. März 1967 mit der Bundesrepublik Deutschland (SR 0.232.111.191.36), Vertrag vom 16. November 1973 mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (SR 0.232.111.197.41), Vertrag vom 14. März 1974 mit der Französischen Republik (SR 0.232.111.193.49), Vertrag vom 9. April 1974 mit dem Spanischen Staat (SR 0.232.111.193.32), Vertrag vom 16. September 1977 mit der Portugiesischen Republik (SR 0.232.111.196.54), Vertrag vom 14. Dezember 1979 mit der Ungarischen Volksrepublik (SR 0.232.111.194.18), Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Anhang 7 betreffend Weine und Anhang 8 betreffend Spirituosen (SR 0.916.026.81).

Vgl. insbesondere Art. 22­24 des WTO-Abkommens betreffend die handelsbezogenen Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS-Abkommen, SR 0.632.20, Anhang 1C) und Art. 6ter der Pariser Übereinkunft vom 20. März 1883 zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 (SR 0.232.04) (Pariser Übereinkunft).

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raler Abkommen ist folglich für die Schweiz eine höchst nützliche ergänzende Massnahme zu ihren aktuellen Verhandlungen auf multilateraler Ebene, namentlich im Rahmen der Doha-Runde der WTO.

Der Abschluss des bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und Russland entspricht der direkten Fortsetzung der von der Schweiz unternommenen Anstrengungen für einen verbesserten Zugang zu den Märkten der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) für Schweizer Waren. Dies entspricht der aussenwirtschaftspolitischen Strategie für die BRIC-Staaten, die der Bundesrat an seiner Sitzung vom 15. Dezember 2006 genehmigt und der Bundesversammlung im Bericht vom 10. Januar 20073 zur Aussenwirtschaftspolitik 2006 vorgelegt hat.

Wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Schweiz und der Russischen Föderation Russland ist ein Schwerpunktland der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland sind gegeben. Seit 1991 besteht ein Investitionsschutzabkommen4, seit 1995 ein bilaterales Handels- und Wirtschaftszusammenarbeitsabkommen5 und seit 1997 ein Doppelbesteuerungsabkommen6. Die vom Bundesrat im Jahr 2006 verabschiedete Russland-Strategie enthält Massnahmen zum weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Im Jahr 2008 wurden deren Schwerpunkte in einem auf drei Jahre angelegten Aktionsplan festgelegt. Am 1. Januar 2011 wird der neue Aktionsplan für den Zeitraum 2011­2013 in Kraft treten. Es ist geplant, im Rahmen der EFTA Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Russland und den weiteren Mitglieder der Zollunion (Belarus und Kasachstan) aufzunehmen.

2009 beliefen sich die Schweizer Exporte nach Russland auf 2,13 Milliarden Schweizerfranken. Nach den pharmazeutischen Produkten (36 %) und Maschinen (24 %) waren chemische Produkte (8 %), landwirtschaftliche Erzeugnisse (8 %) und Uhren (7 %) die meistexportierten Waren. Die Importe der Schweiz aus Russland betrugen 2009 725 Millionen Schweizerfranken. Die am häufigsten eingeführten Waren sind chemische Produkte (41 %) sowie Edelmetalle und Edelsteine (30 %).

Verhandlungsverlauf Die Parteien verpflichteten sich im Rahmen des Abkommens vom 12. Mai 19947 über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Russischen Föderation
sowie des Aktionsplans über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement und dem Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel der Russischen Föderation vom 8. Juli 2008 zum Abschluss eines bilateralen Abkommens über den Schutz der GA und UB. Unter Bekräftigung ihres Willens zur 3 4

5

6

7

BBl 2007 897 Abkommen vom 1. Dezember 1990 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (SR 0.975.277.2).

Abkommen vom 12. Mai 1994 über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Russischen Föderation (SR 0.946.296.651).

Abkommen vom 15. November 1995 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.966.51).

SR 0.946.296.651

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Umsetzung dieser Verpflichtung nahmen die Schweiz und Russland im November 2008 die Verhandlungen über ein solches Abkommen auf.

Ergebnis dieser Verhandlungen ist das am 29. April 2010 in Bern unterzeichnete bilaterale Abkommen über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen.

11.2.4.2

Inhalt des Abkommens

Das Abkommen mit Russland umfasst ein hohes Schutzniveau für die GA und UB der Parteien, mit denen Waren bezeichnet werden, sowie für die Namen der Länder und die amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete, Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen der Parteien. Ferner beinhaltet es einen allgemeinen Schutz für die zur Kennzeichnung von Dienstleistungen verwendeten GA.

Mit seinem Abschluss bestätigen die Parteien die Bedeutung, die sie einem wirksamen Schutz der Rechte am geistigen Eigentum für die Entwicklung einer Wirtschafts- und Handelszusammenarbeit zwischen den beiden Ländern beimessen.

Ferner anerkennen sie die positive Rolle der GA und UB für den Handel und die regionale wirtschaftliche Entwicklung der beiden Länder.

Zweck und Geltungsbereich (Art. 1) Mit Artikel 1 soll ein wirksamer Schutz für die in Artikel 3 des Abkommens genannten und in ihrem Ursprungsland geschützten Angaben der Parteien gewährleistet werden. Diese Angaben betreffen die Namen der Länder und die amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete der Parteien (Anhang I des Abkommens) sowie ihre GA und UB (Art. 3 Abs. 2 sowie Anhang II des Abkommens). Der Umfang des Schutzes für die verschiedenen Bezeichnungen ist in den Artikeln 4­6 und 11 festgelegt; die Artikel 7­10 enthalten Bestimmungen für eine einfachere Durchsetzung des gewährten Schutzes.

Begriffsbestimmungen und Schutzgegenstände (Art. 2 und 3) Artikel 2 des Abkommens enthält die Definitionen der Begriffe GA und UB.

Die Definition der «geografischen Angabe» entspricht derjenigen von Artikel 22 Absatz 1 des WTO-Abkommens betreffend die handelsbezogenen Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (nachfolgend: TRIPS-Abkommen)8 als internationale Referenz auf diesem Gebiet. Die Aufnahme dieser Definition in das bilaterale Abkommen ist besonders nützlich, weil Russland noch nicht Mitglied der WTO ist und diesen Begriff noch nicht in ihre Gesetzgebung eingeführt hat.

Die Definition der UB im Schweizer Recht gemäss der Verordnung vom 28. Mai 19979 über den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse oder der Verordnung vom 14. November 200710 über den Rebbau und die Einfuhr von Wein ist in der Definition der GA enthalten. Das Abkommen enthält eine Definition der «Ursprungsbezeichnung», die berücksichtigt, dass dies die zurzeit 8 9 10

SR 0.632.20, Anhang 1C SR 910.12, Art. 2.

SR 916.140, Art. 21.

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einzige Definition im russischen Recht ist. Diese ist auch in der breiteren Definition der GA gemäss Abkommen enthalten.

In Artikel 3 werden die verschiedenen, durch das Abkommen geschützten Angaben aufgezählt. Dabei geht es um zwei Arten von Angaben: die Namen der amtlichen Verwaltungseinheiten der Hoheitsgebiete der Parteien (Schweizer Kantone und Subjekte der Russischen Föderation) sowie die GA und UB der Parteien.

Die Aufnahme der Namen der Länder, ihrer Adjektiven und ihrer Verwaltungseinheiten unabhängig von ihrer Eigenschaft als GA oder UB in das Abkommen (Art. 3 Abs. 1) soll einen allgemeinen Schutz gegen ihre unrechtmässige Verwendung im Sinne von Artikel 4 sicherstellen, dies ungeachtet der Art der Waren oder Dienstleistungen, auf denen sie verwendet werden. Für mehr Transparenz sind die Namen der Schweizer Kantone und die Namen der Subjekte der Russischen Föderation in Anhang I des Abkommens aufgezählt.

Alle in ihrem Ursprungsland geschützten GA und UB der Parteien geniessen die im Abkommen vorgesehenen Schutzmechanismen (Art. 3). Der durch das Abkommen gewährte Schutz gilt ungeachtet der Art des Schutzes, den diese Bezeichnungen in ihrem Ursprungsland geniessen ­ ob es sich um eine formelle Eintragung oder eine andere Art des Schutzes handelt (zum Beispiel der den GA und UB in der Schweiz gemäss den Artikel 47­51 des Markenschutzgesetzes vom 28. August 199211 gewährte Schutz sui generis). Einige GA und UB (nämlich die als solche von den Parteien eingetragenen und die besonders angesehenen und wirtschaftlich bedeutenden) sind nach Produktkategorie im Anhang des Abkommens aufgelistet (Art. 3 Abs. 1 sowie Anhang II). Die Aufnahme in diese Listen sichert den fraglichen Angaben eine Berücksichtigung als GA oder UB durch die Parteien ohne weitere Formalitäten und erleichtert die Durchsetzung des durch das Abkommen gewährten Schutzes auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet der Parteien.

Schutzumfang (Art. 4­6) Das im Abkommen vorgesehene Schutzniveau ist höher als die Normen, die auf internationaler Ebene allgemein anerkannt werden, insbesondere im Rahmen des TRIPS-Abkommens oder der Pariser Übereinkunft vom 20. März 188312 zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 (nachfolgend: Pariser Übereinkunft).

Das Abkommen sichert allen in Artikel 3 genannten Angaben
der Parteien einen gegenseitigen Schutz gegen ihre Verwendung auf identischen oder vergleichbaren Waren, die ihren Ursprung nicht an dem von der fraglichen Angabe bezeichneten Ort haben oder nicht den übrigen Bedingungen entsprechen, die in den Gesetzen und Vorschriften der betroffenen Partei festgelegt sind, einschliesslich der Pflichtenhefte für die gemäss der GUB/GGA-Verordnung geschützten landwirtschaftlichen Schweizer GUB und GGA (Art. 4 Abs. 1 Bst. a). Der Schutz von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b bezweckt ein Verbot der Verwendung dieser Angaben auf nicht identischen oder nicht vergleichbaren Waren, wenn dadurch die Öffentlichkeit über den geografischen Ursprung der Ware irregeführt wird oder diese unlauteren Wettbewerb im Sinne der Pariser Übereinkunft darstellt.

11 12

SR 232.11 SR 0.232.04

1720

Gemäss Artikel 4 Absatz 2 des Abkommens gilt der Schutz von Absatz 1 auch, wenn auf den Waren der tatsächliche Ursprung angegeben ist oder wenn die geschützte Angabe als Übersetzung oder, angesichts der unterschiedlichen Schriften und Alphabete der Parteien, als Transliteration oder Transkription verwendet wird. Der in diesem Absatz vorgesehene Schutz erstreckt sich ferner auf die Fälle, in denen die Angabe durch Ausdrücke wie «Art», «Typ», «Stil», «Imitation», «Methode» oder andere sinngemässe Ausdrücke sowie grafische Symbole begleitet wird, die zu einer Verwechslung mit einer geschützten Angabe führen können.

In den ersten beiden Absätzen von Artikel 4 wird die Lösung aus dem TRIPSAbkommen für die geografischen Angaben für Weine und Spirituosen übernommen (Art. 22 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 1 des TRIPS-Abkommens). Diesen Schutz versucht die Schweiz im Rahmen der Verhandlungen der WTO-Doha-Runde auf alle anderen Arten von Waren auszudehnen.

Für einen wirksameren Kampf gegen Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf nicht korrekte oder irreführende Verwendungen der durch das Abkommen geschützten Angaben, die im Hoheitsgebiet eines Drittlandes stattfinden könnten, sieht Artikel 4 Absatz 3 vor, dass der Schutz der Absätze 1 und 2 auch dann gilt, wenn Waren mit Ursprung im Hoheitsgebiet der Parteien zur Ausfuhr und Vermarktung ausserhalb des Hoheitsgebiets der Parteien bestimmt sind oder wenn die Waren zur Durchfuhr durch das Hoheitsgebiet einer der Parteien verkehren.

Das Abkommen gewährleistet einen Schutz der geschützten Angaben gegen die Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken, die nicht den Bestimmungen von Artikel 4 Absätze 1 und 2 entsprechen (Art. 4 Abs. 4). Solche Marken werden abgelehnt oder für ungültig erklärt ­ entweder von Amtes wegen, falls die Gesetzgebung der betroffenen Partei dies erlaubt, oder auf Ersuchen einer an diesem Verfahren beteiligten Partei. Das Abkommen übernimmt hier die Lösung des TRIPSAbkommens für die GA von Weinen und Spirituosen und erweitert sie auf alle Waren. Artikel 11 Absatz 1 des Abkommens enthält eine Ausnahme von diesem Schutz für die bereits vorher gutgläubig angemeldeten oder eingetragenen Marken, die eine geschützte Angabe enthalten oder daraus bestehen (siehe unten «Frühere Verwendungen und Übergangsmassnahmen»).

In Artikel 4 Absatz 5 des Abkommens
wird festgehalten, dass die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Angaben nicht Gattungsbezeichnungen werden können.

Im Abkommen ist auch ein grundlegender Schutz für die in Artikel 3 genannten und zur Bezeichnung von Dienstleistungen verwendeten Angaben vorgesehen (Art. 4 Abs. 6).

Schliesslich bietet das Abkommen einen weiter gefassten Schutz als die aktuellen internationalen Normen13 in Bezug auf den Schutz der Wappen, Flaggen und Hoheitszeichen der Parteien, da ihr Schutz sich über die Marken hinaus auf die sonstigen Rechte am geistigen Eigentum und die Zeichen erstreckt, die mit diesen verwechselt werden können (Art. 4 Abs. 7).

Artikel 5 des Abkommens befasst sich mit der Beziehung zwischen identischen oder ähnlichen GA und UB. In der Praxis kann es vorkommen, dass in beiden Parteien oder in einer Partei und einem Drittland die gleiche Angabe als GA oder UB geschützt ist, vor allem dann, wenn zwei Orte in zwei unterschiedlichen Ländern 13

Vgl. Art. 6ter der Pariser Übereinkunft.

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den gleichen Namen tragen. Insoweit als bei solchen Angaben grundsätzlich beide einen Schutz verdienen, ist in Artikel 5 des Abkommens eine Konfliktregel vorgesehen, die einen Schutz für gleichnamige Bezeichnungen gewährleistet, sofern die Verwendung dieser Angaben auf Waren unterschiedlichen Ursprungs die Konsumenten in Bezug auf die tatsächliche geografische Herkunft nicht irreführt. Um die Interessen der Produzentinnen und Produzenten nicht zu gefährden und/oder die Konsumentinnen und Konsumenten nicht irrezuführen, sind die Waren mit gleicher Angabe beispielsweise durch die Angabe des Ursprungslandes auf der fraglichen Ware klar und ausdrücklich voneinander abzugrenzen. Das Abkommen übernimmt hier die Lösung von Artikel 23 Absatz 3 des TRIPS-Abkommens.

Artikel 6 des Abkommens enthält zwei Ausnahmen vom Schutz für die geschützten Angaben: Gemäss Absatz 1 kann jede Person im geschäftlichen Verkehr ihren Namen oder den Namen ihres Geschäftsvorgängers, der eine durch dieses Abkommen geschützte Angabe enthält oder daraus besteht, weiter verwenden, sofern dieser Name nicht in einer die Konsumentinnen und Konsumenten irreführenden Weise verwendet wird.

Diese Bestimmung entspricht der Ausnahme von Artikel 24 Absatz 8 des TRIPSAbkommens.

Die Ausnahme von Absatz 2 gilt, wenn die durch das Abkommen geschützten Angaben in ihrem Ursprungsland nicht oder nicht mehr geschützt oder ungebräuchlich geworden sind. Der letztere Fall umfasst insbesondere die Einstellung der Produktion der Waren, deren Angabe geschützt war. Diese Bestimmung entspricht der Ausnahme von Artikel 24 Absatz 9 des TRIPS-Abkommens.

Durchsetzung des Abkommens (Art. 7­10 und 13) Die Artikel 7­10 enthalten Bestimmungen für eine erleichterte Durchsetzung der durch das Abkommen geschützten Angaben.

Die Durchsetzung des Schutzes gemäss Abkommen bei den innerstaatlichen Behörden der Parteien obliegt wie bei den übrigen Rechten am geistigen Eigentum in erster Linie den Inhabern der Rechte an den durch das Abkommen geschützten Angaben, den Konsumentinnen und Konsumenten und ihren jeweiligen Verbänden (Art. 7). Trotzdem sind die Parteien gehalten, sich im Fall einer vermuteten nicht konformen Verwendung einer durch das Abkommen geschützten Angabe gegenseitig zu informieren und zu unterstützen, um die Durchsetzung der Rechte durch die interessierte
Kreisen zu erleichtern und zu fördern (Art. 10).

Artikel 8 des Abkommens befasst sich mit der Aufmachung und Etikettierung der Waren. Falls die Bezeichnung oder Aufmachung einer Ware (z.B. in Bezug auf die Etikettierung oder die Verpackung, auf Briefköpfen oder Sendungen, in Anzeigen oder in der Werbung) dem im Abkommen in den Artikeln 4­6 und 11 vorgesehenen Schutz der Angaben widerspricht, sehen die Parteien die notwendigen Massnahmen gemäss ihrer innerstaatlichen Gesetzgebung vor und sorgen für die erforderlichen gerichtlichen Verfahren für die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs oder zur Verhinderung jeder irreführenden oder falschen Verwendung einer geschützten Angabe.

Artikel 9 des Abkommens trägt den Titel «Zuständige Behörden» und bezieht sich auf die Behörden der Parteien, die als Anlaufstelle für die Anwendung des Abkommens dienen. Es handelt sich um die für die Fragen des geistigen Eigentums in jeder Partei zuständigen Behörden, das heisst das Bundesamt für Geistiges Eigentum, 1722

Patente und Marken (ROSPATENT) für Russland und das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum für die Schweiz. Diese Behörden konsultieren sich und arbeiten auf nationaler Ebene mit den materiell zuständigen innerstaatlichen Behörden bei der Behandlung von sich ergebenden Fragen zusammen. Bei einer Änderung der Anlaufstelle wird eine Mitteilung über die diplomatischen Wege zugestellt; dadurch wird eine diesbezügliche Änderung des Abkommens vermieden.

Artikel 10 des Abkommens sieht ein Verfahren vor, das die Parteien im effizienten Vorgehen gegen die nach dem Abkommen nicht konforme Verwendung geschützter Angaben unterstützt. Dadurch kann die Durchsetzung der Rechte durch die interessierten Kreise, insbesondere die Produzentinnen und Produzenten und die Konsumentinnen und Konsumenten sowie ihre jeweiligen Verbände, unterstützt werden (Art. 7). Wenn eine Partei Grund zur Vermutung hat, dass eine durch das Abkommen geschützte Angabe im Geschäftsverkehr zwischen den Parteien auf eine nicht mit dem Abkommen übereinstimmende Weise verwendet wird oder verwendet wurde und diese nicht konforme Verwendung geeignet ist, Anlass zu verwaltungsrechtlichen Massnahmen oder gerichtlichen Verfahren zu geben, unterrichtet sie die andere Partei unverzüglich darüber und übermittelt ihr die notwendigen Auskünfte über diese Verwendung. Die andere Partei prüft die Frage und teilt der notifizierenden Partei die Ergebnisse ihrer Prüfung sowie Informationen über die verfügbaren Massnahmen oder rechtliche Mittel zur Verhinderung der nicht konformen Verwendung mit. Solche Mechanismen gibt es auch in anderen von der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Abkommen über den Schutz der GA.14 Die Übermittlung der Informationen zwischen den Parteien erfolgt über die Anlaufstellen (vgl. Art. 9).

Diese konsultieren sich und arbeiten auf nationaler Ebene mit den übrigen, für die Behandlung dieser Fragen zuständigen innerstaatlichen Behörden zusammen.

Bei einer nicht konformen Verwendung der durch das Abkommen geschützten Angaben sind die rechtlichen Mittel anwendbar, die in der Partei in Kraft sind, in der die strittige Verwendung erfolgt.

Nach Artikel 13 des Abkommens legen die Parteien bei einer Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Anwendung oder Auslegung des Abkommens diese Frage innerhalb einer vernünftigen Frist mittels
Beratungen bei.

Frühere Verwendungen und Übergangsmassnahmen (Art. 11) Artikel 11 des Abkommens enthält zwei Arten von Bestimmungen zu früheren, nicht konformen Verwendungen der durch das Abkommen geschützten Angaben.

Artikel 11 Absatz 1 enthält eine Ausnahme vom Schutz gemäss Artikel 4 Absatz 4 zugunsten von gutgläubig in einer der Parteien angemeldeten, eingetragenen oder erworbenen Marken, bevor eine Angabe auf dem Hoheitsgebiet dieser Partei durch das Abkommen geschützt wurde. Zwar kann das ausschliessliche Recht an der Marke bei früher gutgläubig erworbenen Marken nicht bestritten werden, aber dieses Recht an der Marke darf nicht die Möglichkeit eines späteren Schutzes und einer Verwendung der durch das Abkommen geschützten Angaben verhindern. Vorbehalten bleiben jedoch die allgemeinen Grundsätze des innerstaatlichen Rechts hinsichtlich Rechtsmissbrauch, Treu und Glauben oder Irrtum bei der Gewährung des Schutzes für ein Recht am geistigen Eigentum.

14

Vgl. insbesondere Art. 16 von Anhang 7 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81).

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Artikel 11 Absatz 2 und 3 enthalten Übergangszeiträume, damit die auf dem Hoheitsgebiet der Parteien tätigen Produzenten und Händler innerhalb bestimmter Fristen die Verwendung der Angaben einstellen können, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens oder nach einer Änderung nicht beziehungsweise nicht mehr dem gemäss dem Abkommen gewährten Schutz entsprechen.

Änderungen und Kündigung des Abkommens (Art. 12 und 14) Laut Artikel 12 Absatz 1 des Abkommens können die Parteien das Abkommen durch gegenseitige Zustimmung ändern. Gemäss Absatz 2 sollten diese Änderungen unter Berücksichtigung der Fälle von Artikel 11 die früheren Rechte und Pflichten aus dem Abkommen nicht berühren.

Um den Schutz neuer GA oder UB zwischen den Parteien und ihre Aufnahme in die Listen im Anhang des Abkommens zu erleichtern, erlaubt Artikel 12 Absatz 3 eine Änderung der Listen von GA und UB im Anhang des Abkommens gemäss einem vereinfachten Verfahren ohne formelle Änderung des Abkommens. Somit kann jede neue Angabe, die von den Parteien als solche anerkannt und geschützt wird oder für eine Partei nach dem Abschluss des Abkommens ein bedeutendes wirtschaftliches oder gewerbliches Interesse erhält, unter Anwendung dieses vereinfachten Verfahrens in Anhang II aufgenommen werden. Dabei gibt es zwei Hauptphasen: die Mitteilung der neu in den Anhang II aufzunehmenden Angabe durch eine Partei und eine sechsmonatige Widerspruchsfrist für die andere Partei. Im Fall eines Widerspruchs führen die Anlaufstellen der Parteien in Zusammenarbeit mit den übrigen betroffenen innerstaatlichen Behörden Beratungen durch, um die Frage nach dem Schutz der betreffenden Angabe zu lösen.

Das Abkommen kann jederzeit von einer Partei durch schriftliche Mitteilung an die andere Partei über die diplomatischen Wege gekündigt werden. Es erlischt sechs Monate nach dem Datum des Erhalts dieser Mitteilung (Art. 14 Abs. 2).

11.2.4.3

Inkrafttreten

Gemäss Artikel 14 Absatz 1 tritt das Abkommen am ersten Tag des zweiten Monats nach dem Datum der letzten schriftlichen, über die diplomatischen Wege zugestellten Mitteilung über die Beendigung der für das Inkrafttreten des Abkommens notwendigen innerstaatlichen Verfahren durch die Parteien in Kraft.

11.2.4.4

Auswirkungen

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden Da die Anwendung des Abkommens keine gesetzlichen Anpassungen in der Schweiz erfordert und die Durchsetzung dieses Schutzes hauptsächlich von den Rechteinhabern und anderen interessierten Kreisen abhängt, ergeben sich keine Auswirkungen auf die Finanzen oder den Personalbestand von Bund, Kantonen und Gemeinden.

1724

Volkswirtschaftliche Auswirkungen Die GA und UB stellen ein attraktives Mittel zur Förderung des Handels und der regionalen Wirtschaftsentwicklung der Parteien dar. Diese Instrumente können für die Förderung aller Arten von Waren verwendet werden, deren Ruf oder Eigenschaften mit ihrem geografischen Ursprung zusammenhängen. Als Beispiele können genannt werden: Emmentaler, Gruyère, Schweizer Schokolade und Schweizer Uhren (für die Schweiz) sowie russischer Wodka und russischer Kaviar (für Russland). Das mit der Russischen Förderation unterzeichnete Abkommen trägt somit zu einer Verbesserung des Rahmens für den gegenseitigen Handel sowie des Zugangs zu den jeweiligen Märkten der Parteien bei.

11.2.4.5

Rechtliche Aspekte

Bezug zur WTO und zum Völkerrecht Das Abkommen entspricht den Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der WTO.

Es steht auch im Einklang mit den übrigen internationalen Verpflichtungen der Schweiz und ihren europapolitischen Zielen.

Verfassungsmässigkeit Gemäss Artikel 54 Absatz 1 BV15 liegt der Abschluss internationaler Abkommen in Bezug auf die auswärtigen Angelegenheiten in der allgemeinen Zuständigkeit des Bundes. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, Verträge zu unterzeichnen. Der Bundesversammlung obliegt es gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV, den Vertrag zu genehmigen; eine gesetzliche oder staatsvertragliche Bestimmung, die den Bundesrat zum selbständigen Abschluss ermächtigen würde, liegt nicht vor.

Wie oben erwähnt (vgl. Ziff. 11.2.4.4) erfordert das Abkommen für seine Anwendung in der Schweiz keine gesetzlichen Anpassungen des Landesrechts und seine Akzeptanz scheint gegeben zu sein. Im Sinne von Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200516 konnte deswegen auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden. Der Vertrag unterliegt nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge im Sinne der Ziffern 1 und 2 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV. Der Vertrag ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Er sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 zusätzlich die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200217 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Da die in den Anhängen I und II erwähnten GA durch das Abkommen als Angaben anerkannt werden, die der Definition der geschützten GA beziehungsweise der UB gemäss Artikel 2 des Abkommens entsprechen, kann die Ansicht vertreten werden, dass dieses 15 16 17

SR 101 SR 172.061 SR 171.10

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Abkommen rechtsetzende Bestimmungen enthält, die insbesondere die Rechte und Pflichten von Personen gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe c BV berühren. Im Weiteren kann nicht ausgeschlossen werden, dass gewisse Bestimmungen des Abkommens die Aufgaben des Bundes gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe e BV berühren (vgl. Art. 10 und 11 des Abkommens). Aus diesen Gründen wird dieses Abkommen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum unterstellt.

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