Inspektion der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates und des Ständerates vom 1. Juli 2011

Sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) schlossen ihre im Titel genannte Inspektion am 30. Mai 2010 mit einem Schlussbericht ab, den sie samt ihren Empfehlungen und Vorstössen an den Bundesrat richteten. Der Bundesrat, die FINMA wie auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) wurden darin aufgefordert, zu den Feststellungen, Empfehlungen und Vorstössen der GPK bis Ende 2010 Stellung zu nehmen.

Der Bundesrat kam dieser Aufforderung mit seinem Bericht vom 13. Oktober 2010 nach. Mit seinem Zusatzbericht vom 16. Februar 2011 informierte der Bundesrat die GPK über das Resultat von sechs seiner Aufträge, welche er in Umsetzung der Empfehlungen der GPK erteilt hatte. Der Bundesrat ging auch in seiner Zusatzbotschaft zur Regierungsreform auf gewisse Feststellungen der GPK ein. Im Weiteren informierte der Bundesrat die GPK am 25. Mai 2011 über den Umsetzungsstand der Empfehlungen 3 und 6 sowie des Postulats 1.

Nach Vorberatung dieser Stellungnahmen des Bundesrates durch die Arbeitsgruppe «Finanzmarktaufsicht» beider GPK gelangen die GPK zu folgender Beurteilung derselben.

Genehmigen Sie, sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, den Ausdruck unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Juli 2011

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen des Ständerates und des Nationalrates Die Präsidien: Claude Janiak, Ständerat Maria Roth-Bernasconi, Nationalrätin Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres

2011-1432

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Bericht 1

Allgemeine Feststellungen der GPK

Die GPK stellen mit Befriedigung fest, dass ihre Inspektion wichtige Arbeiten sowohl seitens des Bundesrates, der FINMA aber auch seitens der SNB ausgelöst hat und eine notwendige Überprüfung der Aufgaben und vor allem der Mittel sowohl von FINMA und SNB aber auch des Bundesrates und des EFD stattfindet.

Die Inspektion der GPK bestätigte im Weiteren die Erkenntnis, dass zusätzliche Regulierungen im Bereich der systemrelevanten Grossbanken notwendig sind.

Enttäuscht zeigen sich die GPK zur Umsetzung der Empfehlung 19. Darauf wird weiter hinten noch vertieft einzugehen sein.

2

Einleitende Bemerkungen des Bundesrates (Ziff. 2.1 der Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Oktober 2010)

2.1

Das Vertrauen innerhalb des Bundesrates

Der Bundesrat weist allgemein die Feststellung der GPK, wonach die Zusammenarbeit innerhalb des Bundesrates von Misstrauen geprägt sei, zurück. Diesbezüglich ist es den GPK wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie aufgrund der Anhörungen von Bundesratsmitgliedern bzw. ihrer Aussagen im Rahmen der Inspektion zu dieser Schlussfolgerung gelangte und es sich deshalb um eine belegte Feststellung der GPK handelt. Die GPK erachten es in diesem Zusammenhang als notwendig, dass sich die einzelnen Mitglieder des Bundesrates in der Öffentlichkeit nicht kritisieren, wie dies in der Vergangenheit mehrfach geschehen ist.

Im Weiteren gesteht der Bundesrat ein, dass er für die Steuerung und Sicherstellung des rechtzeitigen Transfers vom Departements- zu einem Bundesratsgeschäft wenig Instrumente zur Verfügung habe und dadurch auch die Früherkennung von Problemen und Herausforderungen verbesserungsbedürftig sei. Damit bestätigt er implizit einen zentralen Mangel, den die GPK in dieser wie auch in früheren Inspektionen festgestellt hatten. Die GPK sind sich bewusst, dass eine Behebung dieses Mangels auch die Verbreitung sensibler Informationen innerhalb des Bundesrates bedingen kann. Sie sind jedoch klar der Ansicht, dass dieser Aspekt der notwendigen Information des Gesamtbundesrates nicht im Wege stehen darf. Von der Landesregierung darf erwartet werden, dass sie einen angemessenen Umgang mit sensiblen Informationen ­ also ihre vertrauliche oder geheime Behandlung ­ gewährleisten kann.

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2.2

Allgemeine Bemerkungen des Bundesrates zur Untersuchung der GPK des Verhaltens der Behörden im Zusammenhang mit der Finanzkrise

Der Bundesrat führt an, dass die Untersuchung der GPK unvollständig sei, da die GPK den Umstand ausblenden würde, dass im August/September 2008 noch mit einer zweiten Kapitalisierung durch private Investoren gerechnet worden sei. Dieser Umstand war den GPK selbstverständlich bekannt, doch sind sie der Ansicht, dass dies an ihren Feststellungen und Schlussfolgerungen nichts ändert.

Die GPK begrüssen es, dass der Bundesrat bei der Einbindung aller Mitglieder des Bundesrates ins Krisenmanagement die von den GPK aufgedeckten Schwachstellen beheben will.

2.3

Allgemeine Bemerkungen des Bundesrates zur Untersuchung der GPK des Verhaltens der Behörden im Zusammenhang mit der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA

Der Bundesrat beurteilt auch diesen Teil der Untersuchung der GPK als unvollständig, sei doch im Bericht der GPK ein Verfahren der amerikanischen Justizbehörden, die zum Schluss gekommen seien, dass die UBS für ihr Gebaren in den USA juristisch nicht belangt werden könne, nicht erwähnt. Trotz ihrer umfassenden Abklärungen im Rahmen ihrer Inspektion, ist den GPK nicht bekannt, auf welches Verfahren sich der Bundesrat bei seiner Kritik bezieht. Auch die FINMA war nicht in der Lage, den GPK diese Frage zu beantworten. Die GPK laden den Bundesrat ein, das in seiner Stellungnahme erwähnte Verfahren gegenüber den GPK genauer zu bezeichnen.

Es ist hier ebenfalls festzuhalten, dass der Bundesrat vorgängig zur Verabschiedung des Inspektionsberichts durch die GPK im Mai 2010 zur Vollständigkeit des im Bericht dargestellten Sachverhalts konsultiert wurde und keine entsprechenden Beanstandungen vorbrachte.

Aufgrund oben genannter Punkte müssen die GPK den Vorwurf der Unvollständigkeit zurückweisen.

Der Bundesrat ortet im Bericht der GPK im Weiteren auch einzelne Widersprüche z.B. bezüglich der Befassung des Bundesrates mit den Bestrebungen der amerikanischen Behörden, Kundendaten der UBS AG zu erhalten. Die GPK können dies nicht nachvollziehen, bezeugen doch die entsprechenden Ausführungen im Bericht der GPK eine differenzierte Auseinandersetzung der GPK mit diesem Aspekt. Der Verweis auf mündliche Ausführungen des ehemaligen Vorstehers EFD im Bundesrat, welche durch die Bundesratsprotokolle nicht bestätigt werden, zeigt jedoch deutlich die von den GPK aufgeworfene Problematik der unvollständigen Schriftlichkeit der Bundesratssitzungen auf.

Auch die Kritik des Bundesrates, er habe in seiner Stellungnahme vom 26. Mai 2010 die GPK darauf hingewiesen, dass das Kollegium anlässlich der Information durch den Vorsteher EFD am 19. September 2008 Ratschläge zu weiteren Vorgehen und insbesondere zur Beschleunigung der Amtshilfeverfahren erteilt habe, verkennt, dass den GPK dafür keine schriftlichen Belege vorliegen.

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Ebenso können die GPK nicht nachvollziehen, dass der Bundesrat nur bedingt die Auffassung der GPK teile, wonach die Planung und die Umsetzung der Massnahmen zur Bearbeitung der Amtshilfegesuche zu spät erfolgt seien, obwohl er in seiner Stellungnahme im selben Abschnitt zum Schluss kommt, dass ein schnelleres Aufziehen der Projektorganisation im Rückblick angezeigt gewesen wäre.

3

Stellungnahmen des Bundesrates zu den Empfehlungen und Vorstössen der GPK

3.1

Empfehlungen 1, 5, 8 und 9

Die GPK begrüssen die grundsätzliche Bereitschaft des Bundesrates, die Empfehlungen 1, 5, 8 und 9 umzusetzen.

Der Bundesrat legt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. Februar 2011 in einem Konzept dar, wie er im Fall einer akuten Finanzkrise in die Krisenorganisation eingebunden wird. Die GPK sind deshalb grundsätzlich der Ansicht, dass ihre entsprechende Empfehlung 1 zumindest auf der konzeptionellen Ebene umgesetzt wurde. Die Arbeitsgruppe stellte sich auch die Frage, wie diese Krisenorganisation in Einklang mit dem System der bundesrätlichen Ausschüsse gebracht werden kann.

Einerseits sollten diese Ausschüsse wichtige Fragen zuhanden des Bundesrates vorbesprechen, andererseits steht dies in gewissen Krisensituationen zeitlich in einem Spannungsfeld zu einem zeitgerechten Krisenmanagement. Die GPK lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, wie der zuständige bundesrätliche Ausschuss gegebenenfalls angemessen in den Informationsfluss eingebunden werden kann.

Der Bundesrat erkannte im Weiteren einen diesbezüglichen Handlungsbedarf auch bei Krisen, die nicht den Finanzmarkt betreffen. Das durch den Bundesrat in Auftrag gegebene Konzept konnte aufgrund seiner verzögerten Fertigstellung nicht mehr durch die GPK geprüft werden. Mit Erstaunen stellten die GPK fest, dass die Verzögerung erfolgte, weil «noch kein interdepartementaler Konsens» zum Konzept im Februar 2011 vorgelegen habe. Die GPK begrüssen aber die bundesrätliche Intention dieses Konzepts und bitten den Bundesrat um Zustellung, sobald die diesbezüglichen Arbeiten abgeschlossen sind.

Mit dem Abschluss eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem EFD, der FINMA und der SNB im Frühjahr 2011 wurde auch die Empfehlung 5 der GPK umgesetzt. Allerdings wird sich das MoU in der Praxis zuerst noch bewähren müssen.

Bei den Ausführungen des Bundesrates zur Empfehlung 8 der GPK muss zuerst festgehalten werden, dass die Kritik zum Fehlen von Handlungsoptionen bei einer Verschärfung der Krise betreffend die finanzielle Lage nach wie vor angemessen ist.

Der Bundesrat bestreitet diese Aussage mit Hinweisen auf Massnahmen im Amtshilfeverfahren, welche jedoch den zweiten Teil der GPK-Untersuchung betreffen und nicht den ersten Teil. Wichtig ist, dass der Bundesrat mit den GPK einig geht, dass der Gesamtbundesrat früher über die Situation der UBS
AG hätte informiert werden müssen und er deshalb bereit ist, seine politische Steuerung zu verbessern.

Auch bezüglich der Empfehlung 9 (Einrichten eines wirksamen Überwachungs- und Frühwarnsystems) beurteilen die GPK die Willenskundgebung des Bundesrates, im Sinne der Empfehlung Massnahmen zu ergreifen, als positiv.

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3.2

Empfehlung 2

Der Bundesrat erkennt eine gesetzgeberische Notwendigkeit, die Krisenresistenz des Finanzsystems auf Stufe der materiellen Finanzmarktregulierung zu verstärken und kündigt entsprechende Gesetzesvorlagen an. Allerdings sieht er keinen Handlungsbedarf auf der Stufe der gesetzlichen Ziele von FINMA und SNB.

Eine grössere Bedeutung sei zukünftig der Analyse der Schnittstellen zwischen der makroökonomischen Einschätzung und dem Risikoprofil eines einzelnen Finanzinstituts zu verleihen. Zu den diesbezüglichen Auswirkungen auf die Instrumente der SNB und der FINMA hat sich der Bundesrat noch nicht geäussert.

Die GPK begrüssen den Willen des Bundesrates, ihrer Empfehlung 2 nachzukommen. Sie konnten auch feststellen, dass entsprechende Arbeiten sowohl auf Seite des EFD wie auch der SNB und der FINMA im Gang sind. Auch die GPK sind der Ansicht, dass der makroprudentiellen Aufsicht eine besondere Bedeutung zukommt.

Sie nahm mit Interesse die Bestrebungen der SNB für eine Verstärkung ihres Instrumentariums in diesem Bereich zur Kenntnis. Es liegt nun an den betroffenen Institutionen, gemeinsam eine sinnvolle Aufgabenteilung in diesem Bereich zu finden, welche den gesetzlichen Zielen der SNB und der FINMA entspricht und welche sich auch in der Praxis bewährt.

3.3

Empfehlungen 3 und 6

Der Bundesrat stellt fest, dass die FINMA angekündigt hat, ihre Verfahren kritisch zu überprüfen. Er werde nach Abschluss dieser Prüfung durch die FINMA in Umsetzung der Empfehlung 3 externe Experten mit der Evaluierung der von der FINMA ergriffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und Praktiken beauftragen. Diese Überprüfung wird gemäss Bundesrat voraussichtlich ebenfalls Auswirkung auf die Umsetzung der Empfehlung 6 haben.

Die GPK haben das Resultat der Überprüfung der FINMA in Form eines Berichts im April 2011 erhalten. Somit sind die Grundlagen für die von den GPK geforderte Evaluation gelegt. Die GPK stellen fest, dass die im Bericht der FINMA erläuterten Massnahmen in ihrer Stossrichtung den Empfehlungen 3 und 6 gerecht werden und die FINMA mit diesen Massnahmen auch aufzeigt, dass sie sich an die Entwicklung des Finanzsystems anpasst.

Die GPK werden sich jedoch zur Umsetzung ihrer beiden Empfehlung erst nach Abschluss der Arbeiten der externen Experten und Vorliegen der Stellungnahme des Bundesrates definitiv äussern. Gerne erwarten wir die Stellungnahme des Bundesrates bis Frühling 2012.

3.4

Empfehlung 4

Im Rahmen seiner Kompetenzen ist der Bundesrat gewillt, dem «groupthink» bei der SNB und der FINMA vorzubeugen. Konkret bedeutet dies, dass er in Zukunft verstärkt noch darauf achten wird, Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat der FINMA und in den Bankrat der SNB zu wählen, die sich durch kritisches Denken auszeichnen.

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3.5

Empfehlung 7

Der Bundesrat verweist in seiner Stellungnahme zur Empfehlung 7 auf seinen Bericht «Das Verhalten der Finanzmarktaufsicht in der Finanzmarktkrise ­ Lehren für die Zukunft» vom 12. Mai 2010 sowie auf die Arbeiten der Expertengruppe «Too big to fail». Die GPK nehmen dies zur Kenntnis und sind überzeugt, dass die Gutachten von Hans Geiger und David Green auch in Zukunft von Bedeutung sein werden.

3.6

Motion 1 (10.3391/10.3630)

Der Bundesrat ist willens der Motion nachzukommen und empfahl die Annahme der Motion. Diese wurde durch beide Räte überwiesen und ist deshalb für den Bundesrat bindend. Wichtig erscheint es den GPK, dass nebst der Verwaltungsratspräsidentin auch der Direktor der FINMA an den Treffen mit dem Wirtschaftsausschuss des Bundesrates teilnimmt.

3.7

Postulat 1 (10.3389/10.3628)

Auch dieses Postulat, das wie alle Vorstösse der GPK im Rahmen dieser Inspektion in beiden Räte eingereicht wurde, empfahl der Bundesrat zur Annahme. Es wurde durch die beiden Räte überwiesen. Hier gilt es nun den Bericht des Bundesrates abzuwarten.

3.8

Empfehlung 12

Die GPK ist der Ansicht, dass ­ falls die aktuelle Praxis bezüglich der regelmässigen Treffen des Gesamtbundesrates bzw. seines Wirtschaftsausschusses beibehalten wird ­ die Empfehlung als umgesetzt betrachtet werden kann.

3.9

Empfehlung 13

Die GPK hatten im Rahmen ihrer Inspektion festgestellt, dass die Generalsekretariate des EFD, des EJPD und des EDA zu wenig, wenn überhaupt, in den Informationsfluss einbezogen wurden und damit ihre Funktion als Stabsstelle nicht wahrnehmen konnten. Obwohl der Bundesrat die Empfehlung 13 der GPK begrüsst, gelangt er zum Schluss, dass nebst der formellen Verankerung einer Planungs-, Koordinations- und Begleitungspflicht der Generalsekretariate in den Organisationsverordnungen der Departemente kein weiterer Handlungsbedarf besteht.

Die GPK erachten diese formelle Verankerung der von der GPK geforderten Funktion der Generalsekretariate durchaus als möglichen ersten Schritt für die Umsetzung ihrer Empfehlung. Allerdings vermissen sie in der Stellungnahme des Bundesrates ein Engagement des Gesamtbundesrates, dieser formellen Pflicht mit konkreten

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und für alle Departemente geltenden einheitlichen Massnahmen auch in der Praxis Nachachtung zu verschaffen.

3.10

Empfehlung 14

Der Bundesrat ist bereit, diese Empfehlung umzusetzen, indem die Organe der präventiven Rechtskontrolle bei Geschäften mit wichtigen und strittigen Rechtsfragen immer und rechtzeitig konsultiert werden sollen.

Die GPK begrüssen die entsprechenden Massnahmen des Bundesrates. Allerdings erscheint ihnen die Beschränkung der systematischen Konsultation der Organe der präventiven Rechtskontrolle auf strittige Fälle aus grundsätzlichen Überlegungen als falsch. Es kann durchaus sein, dass ein federführendes Department in einem Geschäft einen wichtigen Rechtsaspekt als klar beurteilt, obwohl die Organe der präventiven Rechtskontrolle bei einer Konsultation zu einem anderen Ergebnis gelangen könnten. Deshalb ist es aus Sicht der GPK von grundlegender Bedeutung, dass die Organe der präventiven Rechtskontrolle in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich auch bei nicht strittigen Fällen systematisch konsultiert werden.

3.11

Motion 2 (10.3392/10.3631)

Die GPK haben sich in ihrem Mitbericht zur Regierungsreform vom 27. Januar 2011, welchen die GPK auch dem Bundesrat zukommen liessen, grundsätzlich zu den Absichten des Bundesrates, wie er die von beiden Räten überwiesene Motion 2 der GPK umzusetzen gedenkt, geäussert und den Umsetzungswillen des Bundesrates grundsätzlich positiv gewürdigt. Allerdings brachten die GPK schon zu diesem Zeitpunkt klar zum Ausdruck, dass die Optimierung der Protokollführung auf Stufe des Bundesrates nicht dazu führen dürfe, dass der Informationsgehalt der Protokolle im Vergleich zu heute verringert werde.

Die seit Anfang 2011 bestehende neue Praxis des Bundesrates weist verschiedene positive Punkte auf. Allerdings ist auch festzustellen, dass keine einzelnen Voten mehr im bundesrätlichen Protokoll festgehalten und auch die Votanten nicht mehr namentlich erwähnt werden, was im Vergleich zu bisher einem geringeren Informationsgehalt der neuen Protokollform gleichkommt. Die GPK nehmen zur Kenntnis, dass der Bundesrat der Ansicht ist, die neue Form würde zusammen mit den weiteren Beilagen als Führungsinstrument genügen.

Die Erfahrungen der GPK bzw. der GPDel der letzten Jahre haben gezeigt, dass es aus der Perspektive der parlamentarischen Oberaufsicht bei wichtigen Inspektionen wesentlich war, dass die einzelnen Votanten im Bundesratsprotokoll bezeichnet waren, um den jeweiligen Sachverhalt auch differenziert beurteilen zu können. Dies bedeutet für die GPK jedoch nicht, dass deshalb die Voten im Bundesrat nicht zusammengefasst werden können. Die GPK haben beschlossen, diesbezüglich die GPDel zu beauftragen, im kommenden Jahr den Informationsgehalt der erweiterten Beschlussprotokolle auf ihre Tauglichkeit für die parlamentarische Oberaufsicht zu prüfen und werden gegebenenfalls auf diesen Punkt zurückzukommen.

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Abschliessend ist festzuhalten, dass die Vorlage zur Regierungsreform die Motion 2 der GPK nicht erfüllt, da sie keine Pflicht zur durchgehenden Schriftlichkeit der Beratungen und Beschlüsse des Bundesrates enthält und deshalb noch eine entsprechende Revisionsvorlage durch den Bundesrat zu unterbreiten ist. Die GPK laden den Bundesrat im Weiteren ein, ihnen darzulegen, wie er auf Verordnungs- und allenfalls auf Reglementstufe gedenkt, die vorgeschlagene Bestimmung des Artikels 32 Bst. c RVOG bezüglich der Protokollierung umzusetzen.

3.12

Empfehlungen 15 und 18

Obwohl der Bundesrat in seiner Stellungnahme keine näheren Angaben zu den Ressourcen und Mittel für die zeitgerechte Erstellung angemessener Protokolle und für die Gewährleistung seiner Geschäftskontrolle liefert, geht die GPK davon aus, dass er aufgrund seiner diesbezüglichen Massnahmen die Empfehlung 15 umsetzt.

Ergänzend zu den obigen Ausführungen zu den Protokollen des Bundesrates nehmen die GPK mit Befriedigung zur Kenntnis, dass auch bei vertraulichen Geschäften ein Vollzugscontrolling erfolgen soll und dass die einzelnen Mitglieder des Bundesrates einen Gesamtüberblick über alle Geschäfte erhalten. Das vom Bundesrat am 2. Februar 2011 verabschiedete Konzept sieht nun vor, dass auch mündliche Aufträge des Gesamtbundesrates an ein oder mehrere seiner Mitglieder Teil der Geschäftskontrolle sein sollen. Damit erachten die GPK die Empfehlung 18 als umgesetzt. Ebenfalls sehr zu begrüssen ist, dass die Kontrolllisten in kürzeren Abständen aktualisiert werden und die Geschäftskontrolle bis Ende 2011 als Webapplikation den berechtigten Personen in den Departementen zugänglich sein soll.

Die Empfehlung 15 ist spätestens dann umgesetzt.

3.13

Empfehlung 16

Auch wenn die Stossrichtung des bundesrätlichen Vorschlags im Rahmen der Regierungsreform grundsätzlich zu begrüssen ist, birgt der Vorschlag doch auch Probleme: ­

Ein Einbezug der Stellvertretung in ordentlichen Zeiten ist nicht vorgesehen.

Dies erachten die GPK aufgrund ihrer Untersuchungsergebnisse jedoch als notwendig.

­

Mit diesem Vorschlag des Bundesrates wird nur das Prinzip festgelegt. Der Bundesrat unterlässt es jedoch, den Mitgliedern Vorschriften zu machen, wie die Stellvertretung sichergestellt werden soll. Mit anderen Worten: Dies ist jedem Mitglied des Bundesrates selbst überlassen.

Wie im Mitbericht der GPK zur Regierungsreform dargelegt, ist dieser Vorschlag aus Sicht der GPK zu stark durch das Departementalprinzip geprägt.

Zu begrüssen ist jedoch die Pflicht zur geordneten Übergabe der Geschäfte am Schluss einer Stellvertretung. Auch dies war ein Kritikpunkt der GPK.

Der Vorschlag des Bundesrates behebt die von den GPK festgestellten Mängel nur teilweise und vermag deshalb nicht zu überzeugen. Aus Sicht der GPK wäre zu prüfen, ob nicht die Generalsekretärin oder der Generalsekretär der stellvertretenden 6580

Departementsvorsteherin oder des stellvertretenden Departementsvorstehers regelmässig über die wichtigsten Dossiers im anderen Departement informiert werden sollte (durch die Generalsekretärin oder den Generalsekretär des anderen Departements).

Letztlich kann die Empfehlung 16 der GPK nur als umgesetzt betrachtet werden, wenn die noch zu ergänzenden Massnahmen des Bundesrates auch in der Praxis Anwendung finden.

3.14

Motion 3 (10.3393/10.3632)

Auch bezüglich der Massnahmen des Bundesrates betreffend sein System der bundesrätlichen Ausschüsse können die GPK auf ihren Mitbericht zur Regierungsreform verweisen (Ziff. 4.6). Im Grundsatz begrüssen die GPK die Stärkung des Systems der bundesrätlichen Ausschüsse. Von besonderer Bedeutung ist es jedoch aus Sicht der GPK, dass die Sekretariate der Ausschüsse nicht beim federführenden Departement anzusiedeln sind, sondern bei der Bundeskanzlei, denn es handelt sich bei den Ausschüssen um Entscheidvorbereitungsorgane des Gesamtbundesrates. Diese Forderung der GPK steht auch im Einklang mit der notwendigen Stärkung der Bundeskanzlei als Stabsstelle des Gesamtbundesrates. Mit dieser Massnahme würde im Weiteren ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des Kollegialprinzips geleistet.

Die GPK begrüssen die Stossrichtung der vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen, doch erachten sie ihre von beiden Räten überwiesene Motion mit den Vorschlägen des Bundesrates im Rahmen der Regierungsreform noch nicht als vollständig erfüllt.

3.15

Motion 4 (10.3394/10.3633)

In seiner Stellungnahme bestätigt der Bundesrat die wiederholte Feststellung der GPK, dass bei der effektiven Führung wichtiger Geschäfte durch den Gesamtbundesrat Lücken bestehen. Die Motion forderte den Bundesrat auf, im Rahmen der Regierungsreform konkrete Massnahmen vorzuschlagen.

Die Analyse der Regierungsreform führte die GPK zum Schluss (vgl. Mitbericht), dass die Vorlage nur sehr beschränkt die identifizierten Grundprobleme des Bundesrates angeht und sie deshalb keine umfassende und zukunftsgerichtete Regierungsreform darstellt. Die GPK vermissen somit in der Revisionsvorlage und in der dazugehörigen Zusatzbotschaft zur Regierungsreform die Vision des Bundesrates, wie das schweizerische Regierungssystem weiterentwickelt werden soll, um den zunehmenden Ansprüchen an die schweizerische Regierung unter Wahrung der Vorgaben der Bundesverfassung nachhaltig gerecht zu werden. Dies würde auch bedingen, dass der Bundesrat die zukünftige Rolle der Bundeskanzlei darin definiert. Eine solche Vision stellt aus Sicht der GPK aber die zentrale Voraussetzung für eine Regierungsreform dar. Dies wird von den GPK sehr bedauert.

Die GPK gelangen deshalb zum Schluss, dass die Motion mit den ungenügenden Vorschlägen im Rahmen der Regierungsreform nicht erfüllt wurde und hier seitens des Bundesrates substantielle Nachbesserungen notwendig sind.

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3.16

Postulat 2 (10.3390/10.3629)

Dieses Postulat beider GPK, beauftragt den Bundesrat, die im Inspektionsbericht aufgeworfenen Fragen zur Anwendung des Artikels 271 StGB sowie zur Kompatibilität des QIA mit dem schweizerischen Bankgeheimnis in einem vertieften Bericht umfassend abzuklären. Das Postulat wurde in beiden Räte überwiesen. Die GPK erwarten nun einen entsprechenden Bericht des Bundesrates und werden sich danach zur Erfüllung des Postulats äussern können.

3.17

Motion 5 (10.3395/10.3634)

Diese Motion verlangt in der Form, wie sie überwiesen wurde, dass der Bundesrat vorschlägt, wie das StGB zu revidieren sei, um die Straftatbestände der Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung sowie Misswirtschaft auf systemrelevante Grossunternehmungen zu erweitern. Gegen den Widerstand des Bundesrates wurde die Motion überwiesen und die GPK werden sich zur Erfüllung der Motion bei Vorliegen der entsprechenden Vorlage äussern.

3.18

Empfehlung 19

Die GPK nehmen zur Kenntnis, dass die Stellungnahme des Bundesrates nur beschränkt Auskunft über die Kontakte des Bundesrates mit der UBS AG im Rahmen der Umsetzung 19 erteilt. Auch die Vertreterinnen des Bundesrates, welche durch die Arbeitsgruppe «Finanzmarktaufsicht» angehört wurden, konnten diese Informationslücke nur teilweise beheben. So ist bis heute den beiden GPK nicht bekannt, was anlässlich des Treffens des Bundesrates mit der Spitze der UBS AG im Juli 2010 besprochen wurde.

Bezüglich des dritten Punkts der Empfehlung 19 (Klage durch die Eidgenossenschaft bzw. Organe des Bundes wie z.B. Publica) nehmen die GPK davon Kenntnis, dass aufgrund der geltenden Rechtsordnung die Organe des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit weder vom Bundesrat noch vom Parlament verbindlich angewiesen werden können, eine Klage gegen die UBS-Verantwortlichen zu erheben und dass auch die Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten durch den Bund ausgeschlossen ist. Die GPK werden deshalb prüfen, ob in diesem Bereich legislatorischer Handlungsbedarf besteht.

Die GPK sind sich bewusst, dass der Bundesrat rechtlich keine Handhabe gegenüber der UBS AG hatte, um die weiteren Punkte der Empfehlung 19 umzusetzen. Sie schätzen deshalb grundsätzlich die vom Bundesrat diesbezüglich ergriffenen Massnahmen. Aber die GPK zeigen sich enttäuscht, dass der Bundesrat dem Verwaltungsrat der UBS AG im Oktober 2010 die nochmalige Überprüfung einer Verantwortlichkeitsklage zwar empfiehlt, dies jedoch nur über den Weg seiner veröffentlichten Stellungnahme zum Bericht der GPK und nicht im direkten Kontakt mit der UBS AG. Die GPK hätten sich in dieser Frage ein energischeres Vorgehen des Bundesrates gewünscht.

Die GPK sind der Ansicht, dass sich die Empfehlung 19 insbesondere auch an die UBS AG richtete. Das Resultat der Bemühungen der UBS AG, die Empfehlung 19 im Sinne einer erhöhten Transparenz betreffend die von der GPK untersuchten 6582

Vorkommnisse umzusetzen, vermag die GPK nicht zu überzeugen. Zwar hat die UBS AG einerseits einen Bericht über die Vorkommnisse seitens der Bank intern erstellt («Transparenzbericht») und andererseits zwei externe Experten mit der Abklärung gewisser Aspekte beauftragt, doch wurde der Bundesrat bei der Konzipierung dieser Arbeiten wie auch bei der Auswahl der Experten nicht einbezogen.

Im Weiteren gilt es aus Sicht der GPK festzuhalten, dass die Abklärungen nicht ­ wie von den GPK vorgeschlagen wurde ­ durch ein völlig unabhängiges Expertengremium erfolgten. Ebenfalls vermag nicht zu befriedigen, dass sich die von der UBS AG eingesetzten Experten auf frühere Untersuchungen stützten und im Bereich des grenzüberschreitenden Geschäfts der UBS AG mit den USA keine eigenen Abklärungen vornahmen.

4

Weiteres Vorgehen

Die GPK schliessen mit diesem Schreiben ihre Inspektion vorbehältlich neuer Erkenntnisse aufgrund des zurzeit noch ausstehenden Urteils des Bundesgerichts i.S.

Rechtmässigkeit der Übergabe von Kundendaten der UBS AG im Februar 2009 ab.

Sie werden sich in der ersten Hälfte der neuen Legislatur im Rahmen einer Nachkontrolle mit dem Umsetzungsstand ihrer Empfehlungen auseinandersetzen. Die Erfüllung ihrer parlamentarischen Vorstösse werden die GPK selbstverständlich verfolgen.

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