zu 05.028 Botschaft zum zweiten Schritt der Bahnreform 2 vom 20. Oktober 2010

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den zweiten Schritt der Bahnreform 2 mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1998

P

98.3531

Übertragung hoheitlicher Aufgaben der SBB an Dritte (Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR 98.047)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Oktober 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2007-0054

911

Übersicht Die Vorlage zur Bahnreform 2 wurde im Jahr 2005 vom Parlament an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, die Vorlage in einzelne Tranchen aufzuteilen und erneut vorzulegen. Ziel dieser Vorlage ist es, die Interoperabilität der Eisenbahnen und die Rechtssicherheit bei Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr zu verbessern, die Marktüberwachung (Schiedskommission im Eisenbahnverkehr) zu stärken und die Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste zu regeln.

Bahnreform steigert Schritt für Schritt die Effizienz des öffentlichen Verkehrs Die Bahnreform ist ein seit den 90er-Jahren laufender Prozess. Der Bundesrat folgt bei den Reformschritten den Aufträgen des Parlaments. Die Bahnreform 2 wurde 2005 vom Parlament zurückgewiesen mit dem Auftrag, die Vorlage in kleineren Tranchen nochmals aufzubereiten.

Die erste Tranche beinhaltete die Revision der Erlasse über den öffentlichen Verkehr (öV) und die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öV. Mit dieser Vorlage wird eine zweite Tranche vorgelegt. Sie hat die Interoperabilität, die Stärkung der Rolle der Schiedskommission im Eisenbahnverkehr und die Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste zum Gegenstand. Sie folgt zudem einem Auftrag der Verkehrskommission des Nationalrates, indem sie die Ausschreibung im regionalen Personenverkehr auf der Strasse behandelt.

Noch ausstehende Tranchen betreffen die Finanzierung des schweizerischen Schienennetzes und die Regelung der Trassenvergabe.

Koordination mit den Bahnreformen der Europäischen Union Die Europäische Union (EU) ist seit dem Abschluss des Landverkehrsabkommens (1999) mit ihren Reformen im Schienenverkehr vorangeschritten. Während sich in der Schweiz die Rechtslage im Schienenverkehr seit dem Abschluss des Landesverkehrsabkommens nicht grundsätzlich geändert hat, beschloss die EU bereits drei grössere Reformschritte, sogenannte Eisenbahnpakete. Im Rahmen des «Gemischten Landverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz» (der im Landverkehrsabkommen für den Austausch zwischen der Schweiz und der EU vorgesehen ist) hat die Schweiz 2002 signalisiert, auf eine Übernahme der ersten beiden EU-Eisenbahnpakete ins schweizerische Recht hinzuarbeiten. Mit der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen in den Bereichen Interoperabilität und Sicherheit soll in dieser Vorlage ein erster
Schritt in diese Richtung getan werden.

Klare Regelung der Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr 1996 wurde mit einer Revision des Eisenbahngesetzes auch die Möglichkeit von Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr geschaffen. Seither wurde diese Möglichkeit unterschiedlich genutzt: Im Busbereich wurden über 30 erfolgreiche Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Insgesamt konnte damit die Effizienz der eingesetzten Mittel gesteigert werden. Im Eisenbahnbereich hingegen kam es nur zu

912

einer einzigen Ausschreibung, die mit grossen Schwierigkeiten verbunden war und nicht abgeschlossen werden konnte.

Ausschreibungen sind bis heute nicht auf Stufe Bundesgesetz geregelt. Dies soll geändert werden. Die gut funktionierenden Ausschreibungen im Busbereich werden neu auf Gesetzesstufe geregelt. Die vielfältigen Erfahrungen der letzten Jahre fliessen in die neuen Regelungen ein. Auch im Eisenbahnbereich kann der Personenverkehr ausgeschrieben werden. Jedoch wird auf eine weitere Ausführung verzichtet.

Die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen betonte in ihrem Auftrag an den Bundesrat, dass nur der Busbereich gesetzlich geregelt werden soll.

Insgesamt wird die Rechtssicherheit bei Ausschreibungen gestärkt.

Mehr Kompetenzen für die Schiedskommission im Eisenbahnverkehr Die Schiedskommission im Eisenbahnverkehr (SKE) entscheidet heute Streitigkeiten über die Gewährung des Netzzugangs und die Berechnung des Trassenpreises. Das heisst, dass sie nur auf Gesuch tätig werden kann; eine aktive Überwachung des Wettbewerbs bleibt ihr verwehrt. Um die Diskriminierungsfreiheit im Netzzugang zu gewährleisten, soll es der SKE ermöglicht werden, von Amtes wegen Untersuchungen einzuleiten, Entscheide zu treffen und auch Sanktionen auszusprechen.

Beitrag der Infrastrukturbetreiberinnen an die Vorhaltekosten der Wehrdienste Die Einsätze von öffentlichen Wehrdiensten im Bahnbereich (Feuer- und Chemiewehren) werden schon heute von den Infrastrukturbetreiberinnen bezahlt. Neu werden die Infrastrukturbetreiberinnen auch einen Beitrag leisten an die Vorhaltekosten der öffentlichen Wehrdienste in den Kantonen (Investitions- und Betriebskosten). Auch hierfür werden die gesetzlichen Grundlagen mit dieser Vorlage geschaffen.

913

Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Abkürzungen und Begriffe

917

1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Die Schweizer Bahnreform als Prozess zur Steigerung der Effizienz 1.1.2 Verkehrspolitische Einbettung 1.1.3 Europäische Entwicklung und Umsetzung der EU-Eisenbahnpakete in der Schweiz 1.2 Ziele der Vorlage 1.3 Die einzelnen Elemente des Reformschritts 1.3.1 Interoperabilität und Sicherheit der Eisenbahnen stärken 1.3.1.1 Ausgangslage 1.3.1.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.3.1.2.1 Staatliche oder private Konformitätsbewertungsstellen 1.3.1.2.2 Beschränkung oder Ausweitung von interoperablen Strecken 1.3.1.3 Die beantragte Neuregelung 1.3.1.3.1 Übernahme technischer Spezifikationen, Einführung von Konformitätsbewertungsstellen und Betriebsbewilligungen für strukturelle Teilsysteme 1.3.1.3.2 Interoperable Strecken 1.3.1.4 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.3.2 Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr klar regeln 1.3.2.1 Ausgangslage 1.3.2.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.3.2.3 Die beantragte Neuregelung 1.3.2.4 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.2.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.3.3 Stärkung der Rolle der Schiedskommission (SKE) 1.3.3.1 Ausgangslage 1.3.3.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.3.3.3 Beantragte Neuregelung: Die SKE erhält mehr Kompetenzen 1.3.3.4 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.3.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.3.4 Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste 1.3.4.1 Ausgangslage 1.3.4.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.3.4.3 Die beantragte Neuregelung 1.3.4.4 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.4.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

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914

919 919 921 922 923 923 923 924 924 925 925

926 927 927 928 928 929 931 932 935 936 936 936 938 938 939 940 941 941 942 942 943 943

1.4

1.5 1.6 1.7

1.3.5 Weitere Anpassungen im Rahmen der Bahnreformen 1.3.5.1 EU-Sicherheitsrichtlinie übernehmen 1.3.5.2 Für regionalen Personenverkehr ein mehrjähriger Zahlungsrahmen 1.3.5.3 Strafbestimmungen im PBG 1.3.5.4 Trassenbestellung durch Dritte 1.3.5.5 Fahrunfähigkeit in der Binnenschifffahrt 1.3.5.6 Strafbestimmungen im SebG Vernehmlassungsverfahren 1.4.1 Ergebnis der Vernehmlassung zu den unterbreiteten Teilen dieser Vorlage 1.4.2 Vorgabe des Bundesrats zum weiteren Vorgehen Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht Umsetzung Erledigung parlamentarischer Vorstösse

944 944 945 945 945 946 946 947 947 948 949 954 955

2 Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesänderungen 2.1 Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) 2.2 Bundesgerichtsgesetz (BGG) 2.3 Eisenbahngesetz (EBG) 2.4 Gütertransportgesetz (GüTG) 2.5 Seilbahngesetz (SebG) 2.6 Personenbeförderungsgesetz (PBG) 2.7 Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt (BSG)

955 955 955 956 965 965 966 976

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.1.3 Sonstige Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden 3.2.1 Finanzielle Auswirkungen 3.2.2 Personelle Auswirkungen 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.3.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlicher Intervention 3.3.2 Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen 3.3.3 Auswirkungen auf verschiedene Gesellschaftsgruppen 3.3.4 Andere in Frage kommende Regelungen 3.4 Andere Auswirkungen 3.4.1 Auswirkungen auf die Umwelt

978 978 978 979 980 980 980 981 981 981 981 982 983 984 984

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

984

915

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

984 984 985 985 985 986

Bundesgesetz über den zweiten Schritt der Bahnreform 2 (Entwurf)

987

916

Abkürzungen und Begriffe Abgeltung

ARPV Ausschreibungsplanung

BAV Besteller Bestellverfahren

BLS BSG EBG ERA GAV ISB KG

Die Abgeltung ist die Entschädigung der ungedeckten Kosten eines bestellten Leistungsangebotes im öffentlichen Verkehr. Die Abgeltung an die Transportunternehmen richtet sich nach deren ungedeckten Kosten aufgrund einer verbindlichen Offerte. Nach dem Bestellverfahren wird der Abgeltungsbetrag für das bestellte Verkehrsangebot in einer Angebotsvereinbarung festgehalten.

Verordnung vom 11. November 2009 über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs Die Kantone erstellen in Absprache mit dem BAV eine rollende Ausschreibungsplanung. Diese enthält die längerfristigen Überlegungen der Besteller des abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehrs betreffend die gemeinsam auszuschreibenden Verkehrsangebote. Für die Transportunternehmen wird somit klar, wann mit Ausschreibungen zu rechnen ist. Auf Wunsch der Kantone werden auch Linien, die vom Bund nicht abgegolten werden, in die Ausschreibungsplanung aufgenommen. Dies unter der Voraussetzung, dass diese Linien in einem Ausschreibungspaket mit von Bund und Kantonen gemeinsam bestellten Angeboten ausgeschrieben werden.

Die Ausschreibungsplanung gibt auch Auskunft über geplante Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr auf der Schiene. Der Bund hat durch die Ausschreibungsplanung Einfluss darauf, ob im Personenverkehr auf der Schiene ausgeschrieben wird.

Bundesamt für Verkehr Bund und Kantone bestellen den abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr gemeinsam.

Bund und Kantone bestellen gemeinsam den abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr. Das Bestellverfahren wird mit dem Fahrplanverfahren koordiniert. Es wird mit einer Angebotsvereinbarung abgeschlossen. Das im Zweijahresrhythmus durchgeführte Bestellverfahren wird in unterschiedlicher Ausprägung sowohl für die ausgeschriebenen als auch für die nicht ausgeschriebenen Linien angewendet. Dabei werden das Verkehrsangebot und die Abgeltung aufgrund von Planrechnungen festgelegt. Die Planrechnungen richten sich nach den zwischen den Bestellern und den Transportunternehmen abgeschlossenen Zielvereinbarungen oder Vergabevereinbarungen.

BLS AG, BLS SA, BLS Ltd. (ehemalige BLS Lötschbergbahn AG) Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 Europäische Eisenbahnagentur Gesamtarbeitsvertrag Infrastrukturbetreiberin Kartellgesetz vom 6. Oktober 1995

SR 745.16

SR 747.201 SR 742.101

SR 251

917

Konzession

Die Konzession verleiht einem Transportunternehmen das Recht, Reisende regelmässig und gewerbsmässig zu befördern. Sie wird vom BAV in der Regel für 10 Jahre vergeben. Für Luftseilbahnen beträgt die Konzessionsdauer in der Regel 25 Jahre.

KTU Unternehmen, die über eine Konzession oder Bewilligung nach den Artikeln 6­8 PBG oder nach den Artikeln 5 und 9 EBG verfügen.

NZV Eisenbahn-Netzzugangsverordnung vom 25. November 1998 PBG Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009 RL Richtlinie (der EG bzw. EU) SBB Schweizerische Bundesbahnen SebG Seilbahngesetz vom 23. Juni 2006 SIMAP Simap.ch ist die gemeinsame Internet-Plattform von Bund, Kantonen und Gemeinden im öffentlichen Beschaffungswesen. Die öffentlichen Auftraggeber können auf einfache Weise ihre Ausschreibungen und nach Bedarf auch die dazugehörenden Ausschreibungsunterlagen auf diesem Portal veröffentlichen. Die interessierten Unternehmen und Anbieter erhalten einen gesamtschweizerischen Überblick über die möglichen Aufträge und können Publikationen und Ausschreibungsunterlagen herunterladen.

SKE Schiedskommission im Eisenbahnverkehr SOB Schweizerische Südostbahn TSI Technische Spezifikationen für die Interoperabilität Vergabevereinba- Vergabevereinbarungen werden nur für Linien abgeschlosrung sen, die ausgeschrieben wurden.

Die Besteller schliessen mit dem bei einer Ausschreibung erfolgreichen Transportunternehmen eine Vergabevereinbarung ab. Diese dient als Grundlage für die langfristige Zusammenarbeit und für das Bestellverfahren. Die Vergabevereinbarung gilt für die in den Ausschreibungsunterlagen für das Verkehrsangebot vorgesehene Dauer. Sie regelt aufgrund der im Ausschreibungsverfahren eingereichten Offerte die Details der zukünftigen Leistungen (Angebot, Preis, Anpassungsmechanismen, Controlling usw.). Eines ihrer Hauptziele ist es, das Bestellverfahren einfach zu gestalten.

VöV Verband öffentlicher Verkehr VPB Verordnung vom 4. November 2009 über die Personenbeförderung WEKO Wettbewerbskommission Zielvereinbarung Die Zielvereinbarung kann für die von den Bestellern gemeinsam bestellten, aber nicht ausgeschriebenen Linien abgeschlossen werden. Die Artikel 24­26 ARPV regeln das Instrument der Zielvereinbarung. Darin werden in der Regel einzelne Ziele festgelegt, nachdem die Besteller im Bestellverfahren einen Mangel festgestellt
haben (z.B. bei der Qualität des Angebotes). Die Transportunternehmen verpflichten sich, die von den Bestellern vorgegebenen Ziele kurz- bis mittelfristig zu erreichen. Die Zielvereinbarung kann mit einem Bonus-Malus-System verknüpft werden. Wird die Zielvereinbarung im Busbereich in mehreren Punkten oder in einem wesentlichen Punkt nicht erfüllt, so schreiben die Besteller das betroffene Verkehrsangebot aus.

918

SR 742.122 SR 745.1

SR 743.01

SR 745.11

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Die Schweizer Bahnreform als Prozess zur Steigerung der Effizienz

Die Bahnreform ist ein wichtiges Element der Schweizer Verkehrspolitik. Sie ist ein Prozess, der darauf abzielt, den öffentlichen Verkehr und insbesondere den Schienenverkehr optimal zu organisieren und somit deren Effizienz zu steigern. Das historisch gewachsene System wurde mit der Revision des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 19571 (1.1.1996) und der Bahnreform 12 (1.1.1999) schrittweise umgestaltet. Mit diesen ersten Schritten konnte die Leistung des öffentlichen Verkehrs im Vergleich zu den Kosten deutlich gesteigert werden. Dieser Reformprozess wird nun mit der Bahnreform 2 fortgesetzt. Die Zusatzbotschaft zur Bahnreform 23 betraf das erste Teilpaket der Bahnreform 2. Dieses wurde im Frühling 2009 vom Parlament verabschiedet.

Zweiter Schritt der Bahnreform 2 (2009) ­ Teil der rollenden Reform Diese Vorlage resultiert aus dem Auftrag des Parlaments von 2005. Hinzu kam der Auftrag aus der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen vom September 2007, dass die Ausschreibungen für Busse im regionalen Personenverkehr im nächsten Teilpaket der Bahnreform 2, d.h. in dieser Vorlage, aufzunehmen seien. Der Bundesrat will mit dieser Vorlage zugleich die Möglichkeit nutzen, das langjährige Problem der Beteiligung der Bahnen an den Vorhaltekosten der Wehrdienste sowie weitere Themen im Rahmen der Bahnreform zu regeln, z.B. die Trassenbestellung durch Dritte und die Pflichten des Fahrzeughalters. Der zweite Schritt der Bahnreform 2 betrifft demnach die folgenden Themen: ­

Interoperabilität der Eisenbahnen,

­

Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr,

­

Stärkung der Rolle der Schiedskommission im Eisenbahnverkehr,

­

Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste,

­

weitere Anpassungen im Rahmen der Bahnreform (u.a. Sicherheits- und Strafbestimmungen).

1.1.2

Verkehrspolitische Einbettung

Öffentlicher Verkehr ist wichtig für attraktiven Standort Schweiz Der öffentliche Verkehr ist ein wichtiger Bestandteil der Grundversorgung. Das Ziel der öffentlichen Hand ist es, die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung nachhaltig 1 2 3

SR 742.101 BBl 1997 I 909 BBl 2007 2681

919

über eine regional ausgewogene Versorgung zu befriedigen. Das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz ist für die Schweiz ein gewichtiger Vorteil im internationalen Standortwettbewerb. Durch einen attraktiven Standort Schweiz schafft der Staat die Rahmenbedingungen, damit sich die Unternehmen im Markt behaupten und entwickeln können.

Schweizer Verkehr und Wirtschaft sind eng mit der EU verbunden Die Schweiz ist durch den Verkehr und die Wirtschaft eng mit der Europäischen Union verbunden. Sie ist umgeben von Mitgliedstaaten der EU und spielt insbesondere für den Warenaustausch zwischen Italien und den nördlichen Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle als Transitland.

Ausdruck dieser engen Verbundenheit sind auch die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Sie erleichtern den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital.

Verbesserungspotenzial im Schienenverkehr Die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung des einschlägigen Rechts sind von einem sinnvollen Nebeneinander von Strasse und Schiene geprägt.

Zwar konnte die Schiene in den letzten Jahren ihre Qualität steigern. Dennoch hat die Strasse ihre Vorzüge weiterhin ausspielen können.

Die Wettbewerbsverhältnisse im Güterverkehr haben sich verändert. Dank des Verlagerungsauftrags im alpenquerenden Güterverkehr und der Einführung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe hat sich die Situation ­ trotz der gleichzeitigen Erhöhung der Gewichtslimite im Strassengüterverkehr ­ insgesamt zugunsten der Schiene verbessert. Zudem hat die Liberalisierung durch die Bahnreform 1 Produktivitätsfortschritte ermöglicht. Zusammen mit den Subventionen für den kombinierten Verkehr sind die Marktpreise und die Qualität im Schienengüterverkehr in den letzten Jahren attraktiver geworden.

Die Angleichung des Schweizer Rechts an die Interoperabilitätsrichtlinie der EG4, die mit dieser Vorlage vorgesehen ist, verbessert die Konkurrenzfähigkeit der Bahn, weil dadurch Hindernisse im Bereich des Schienenverkehrs abgebaut werden können. Gerade der Güterverkehr, der heute eine sehr tiefe Durchschnittsgeschwindigkeit im grenzüberschreitenden Verkehr in Kauf nehmen muss, profitiert von dieser besseren wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit ­ Nutzniesser ist aber auch der Personenverkehr.

Das Volk unterstützt
die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs Die Revision des Eisenbahngesetzes (1.1.1996), die Bahnreform 1 und die Verankerung des Verlagerungsziels für den alpenquerenden Güterverkehr in Artikel 84 der Bundesverfassung5 (Alpenschutzartikel) haben die schweizerische Verkehrspolitik entscheidend beeinflusst. Neben der pragmatischen Weiterentwicklung der Verkehrspolitik haben verschiedene Volksentscheide (z.B. Alpeninitiative, Bundesbeschluss zu Bahn 2000, FinöV-Fonds für Eisenbahngrossprojekte) dabei richtungs4

5

920

Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft (Neufassung), ABl. L 191 vom 18.7.2008, S. 1; geändert durch Richtlinie 2009/131/EG, ABl. L 273 vom 17.10.2009, S. 12, nachfolgend als «Interoperabilitätsrichtlinie» bezeichnet.

SR 101

weisend gewirkt. Das Volk hat dabei gezeigt, dass es die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs wünscht.

1.1.3

Europäische Entwicklung und Umsetzung der EU-Eisenbahnpakete in der Schweiz

Entwicklung des EU-Rechts für die Modernisierung der Bahnen und die schweizerische Verkehrspolitik bedeutsam Die internationale Verflechtung des Personen- und Güterverkehrs nimmt weiterhin zu. Deshalb ist eine enge Koordination der schweizerischen Verkehrspolitik mit jener der umliegenden Länder und folglich mit der Europäischen Union unerlässlich.

Das Abkommen vom 21. Juni 19996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen) sichert die Fortführung der Zusammenarbeit im Verkehrsbereich. Es wurde am 21. Juni 1999 unterzeichnet, am 21. Mai 2000 vom Schweizer Volk genehmigt und ist am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Das Landverkehrsabkommen ist zudem als aussenpolitischer Pfeiler der schweizerischen Verkehrspolitik notwendig: nur so kann die Schweiz den Alpenschutzartikel erfüllen und die schweizerische Verlagerungspolitik umsetzen.

Mit dem «1. EU-Eisenbahnpaket» und dem «2. EU-Eisenbahnpaket» sowie dem Weissbuch von 2001 hat die EU die wichtigsten Pfeiler ihrer Eisenbahnverkehrspolitik errichtet. Sie will die Modernisierung der Bahnen mit hoher Priorität vorantreiben. Dafür setzt sie primär auf die Förderung des Wettbewerbs sowie auf die Verbesserung der Interoperabilität und der Sicherheit. 2007 hat die EU ein «3. EU-Eisenbahnpaket» verabschiedet, das Liberalisierungen im Personenverkehr, eine Stärkung der Passagierrechte und einen europäisch einheitlichen Lokführerausweis vorsieht.

Die EU führt zurzeit eine Überarbeitung («Recast») des 1. EU-Eisenbahnpakets durch. Die definitiven Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überarbeitung des 1. EU-Eisenbahnpakets liegen bereits vor und ermöglichen es abzuschätzen, in welche Richtung sich das europäische Recht weiterentwickeln wird.

Schweiz hat Bereitschaft zur Übernahme der Interoperabilitätsrichtlinien sowie der ersten beiden EU-Eisenbahnpakete signalisiert Die Schweiz hat der EU bereits 2002 mit der Inkraftsetzung der ersten beiden EUEisenbahnpakete und der damals gültigen Interoperabilitätsrichtlinien7 die Bereitschaft zur Übernahme ins schweizerische Recht signalisiert. Infolge der Rückweisung der Bahnreform 2 im Jahr 2005 ist der Übernahmeprozess jedoch ins Stocken geraten.

6 7

SR 0.740.72 Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems, ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 6, sowie Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems, ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 1, beide aufgehoben durch die Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft (Neufassung), ABl. L 191 vom 18.7.2008, S. 1; geändert durch Richtlinie 2009/131/EG, ABl. L 273 vom 17.10.2009, S. 12.

921

Mit dieser Vorlage wird ein weiterer Schritt im Übernahmeprozess gemacht, und zwar in Richtung einheitliche Rechtsakte und Verbesserung der Effizienz und der Sicherheit im öffentlichen Verkehr. Die Interoperabilitätsrichtlinie wie auch das 1. und 2. EU-Eisenbahnpaket, jedoch ohne die Ausgestaltung einer von den Infrastrukturbetreiberinnen unabhängigen Trassenvergabestelle, werden mit dieser Vorlage ins schweizerische Recht übernommen.

Die mögliche Ausgestaltung einer diskriminierungsfreien Trassenvergabestelle wird gegenwärtig durch eine vom Vorsteher des UVEK eingesetzte Expertengruppe erarbeitet und zu gegebener Zeit in einer separaten Vorlage dem Parlament unterbreitet. Auch die Übernahme des 3. EU-Eisenbahnpakets wird zurzeit geprüft. Der Bundesrat verfolgt mit Interesse, wie dessen Regelungen von den einzelnen Mitgliedstaaten angewendet und umgesetzt werden.

1.2

Ziele der Vorlage

Attraktives und leistungsfähiges Bahnsystem durch erhöhte Effizienz sichern Ein zentrales verkehrspolitisches Ziel ist die Sicherung eines attraktiven und leistungsfähigen Bahnsystems und des damit verbundenen öffentlichen Verkehrs. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Effizienz in diesen Bereichen laufend verbessert und das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimiert wird. Dem öffentlichen Verkehr und insbesondere dem Schienenverkehr kommen durch den Staat bedeutende Finanzmittel zu. Mit der Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses strebt die öffentliche Hand an, einen möglichst grossen Nutzen für dieses Geld zu erhalten: Für denselben Aufwand soll mehr Schienenverkehr beziehungsweise mehr öffentlicher Verkehr realisiert werden; dasselbe Verkehrsvolumen soll mit weniger Abgeltung erhältlich sein.

Die ersten Schritte in diese Richtung sind mit der Bahnreform 1 gemacht worden.

Diese stand im Zeichen der Verselbstständigung und Entschuldung der SBB sowie der Einführung des Netzzugangs. Die weiteren Reformschritte arbeiten Pendenzen auf und helfen, wettbewerbshemmende Faktoren und Doppelspurigkeiten abzubauen sowie eine Effizienzsteigerung im öffentlichen wie auch im Güterverkehr zwischen der Schweiz und den Nachbarländern zu ermöglichen.

Reformprozess fortführen, mehr Effizienz und Wettbewerb erreichen Ziel dieser Vorlage ist es, den Reformprozess fortzuführen sowie mehr Effizienz und Wettbewerb unter den Verkehrsunternehmen sowie zwischen der Bahn und den anderen Verkehrsträgern zu erreichen, dies vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr und beim Personenverkehr. Insbesondere folgende Massnahmen sind dafür vorgesehen: ­

Für einen reibungslosen Eisenbahnverkehr über die Grenzen hinweg werden die technischen und sicherheitsrelevanten Vorschriften vereinheitlicht und Konformitätsbewertungsstellen geschaffen, welche die Übereinstimmung von Eisenbahnbestandteilen mit den europäischen Vorschriften bescheinigen.

­

Die Ausschreibung im regionalen Personenverkehr auf der Strasse wird auf Gesetzesstufe geregelt.

922

­

Die Rolle der Schiedskommission im Eisenbahnverkehr wird wesentlich gestärkt.

­

Das langjährige Problem der Beteiligungen der Eisenbahnunternehmen an den Vorhaltekosten der Wehrdienste wird gelöst.

1.3

Die einzelnen Elemente des Reformschritts

1.3.1

Interoperabilität und Sicherheit der Eisenbahnen stärken

Im Eisenbahnverkehr spielen heute in vielerlei Hinsicht die nationalen Grenzen noch eine grosse Rolle. Deshalb ist es ein Ziel des Bundesrats wie auch der Europäischen Kommission, die Interoperabilität zu verbessern. Unter «Interoperabilität» wird die Eignung des europäischen Eisenbahnsystems für einen durchgehenden und sicheren grenzüberschreitenden Zugverkehr verstanden. Ziel ist also ein möglichst reibungsloser Eisenbahnverkehr über die Grenzen hinweg. Dazu sollen unter anderem technische Vorschriften vereinheitlicht, aber auch Verfahren vereinfacht werden, z.B.

durch gegenseitige Anerkennung der Zulassung von Rollmaterial. Das hohe Sicherheitsniveau der Schiene soll dabei gewahrt werden.

1.3.1.1

Ausgangslage

Noch heute spielen nationale Grenzen im Bahnverkehr eine grosse Rolle, die Bahn kann daher ihre Stärken nicht genug ausspielen. Eine dieser Stärken liegt im Transport von Gütern über weite Entfernungen. Momentan kann die Bahn diese Stärke im europäischen Kontext aber nicht wie gewünscht ausspielen. In betrieblicher, organisatorischer und auch in technischer Hinsicht bilden die nationalen Grenzen hierfür ein noch zu grosses Hindernis.

Erste Erfahrungen in der EU mit Interoperabilität Die EU hat zur Überwindung dieses Hindernisses die Interoperabilitätsrichtlinie verabschiedet.

Die ersten Erfahrungen bei der Umsetzung der Richtlinie in der EU zeigen unterschiedliche Erfolge. Zwar ist die Interoperabilität noch nicht überall gleich weit fortgeschritten. Es zeigt sich aber, dass da, wo investiert wird, ein hoher Integrationsgrad möglich und nutzbringend ist: Den grössten Erfolg verzeichnet die EU mit dem grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitsnetz. Beispielsweise können Fahrzeuge der Deutschen Bahn bereits auf französischen Strecken eingesetzt werden.

Kompatibilität mit Entwicklungen in der EU herstellen Das Landverkehrsabkommen der Schweiz mit der EU hat zum Ziel, eine abgestimmte Verkehrspolitik zu entwickeln, die den Anliegen von Umweltschutz und Effizienz der Verkehrssysteme Rechnung trägt und die Nutzung umweltfreundlicher Güter- und Personenverkehrsmittel fördert. Die Vertragsparteien haben sich in Artikel 33 Absatz 2 des Abkommens verpflichtet, den Verbund und die Interoperabilität ihrer Eisenbahnnetze zu entwickeln.

923

Im «Gemischten Landverkehrsausschuss Gemeinschaft/Schweiz» hat sich die Schweiz am 13. Dezember 2002 bereit erklärt, eine Vorlage zur Übernahme der Interoperabilitätsrichtlinien in schweizerisches Recht auszuarbeiten.

Solange die Schweiz das relevante EU-Recht nicht umgesetzt hat, kann sie nicht als Partner in der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) mitwirken. Die ERA erarbeitet im Auftrag der EU-Kommission die für die Sicherheit und Interoperabilität erforderlichen technischen Vorschriften. Dazu gehören u.a. auch die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI). Des Weiteren soll die ERA zu einem integrierten, wettbewerbsfähigen europäischen Eisenbahnraum beitragen.

1.3.1.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Der Bundesrat hat zwei Möglichkeiten untersucht, wie die Interoperabilität der Bahnen verbessert werden kann: ­

Anpassung des Schweizer Rechts an die Interoperabilitätsrichtlinie und anschliessende Aufnahme der Interoperabilitätsrichtlinie in das Landverkehrsabkommen,

­

Anpassung der technischen Spezifikationen an die Interoperabilitätsrichtlinie, ohne das Schweizer Recht vollständig mit dieser zu harmonisieren (autonomer Nachvollzug).

Die erste Möglichkeit stellt sich als effektive und effiziente Lösung dar, da eine grenzüberschreitende Einheitlichkeit der technischen Spezifikationen im Eisenbahnbereich für den ungehinderten grenzüberschreitenden Verkehr unumgänglich ist und da ohne eine Anpassung des Schweizer Rechts an die Interoperabilitätsrichtlinie eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbescheinigungen und Betriebsbewilligungen nicht möglich wäre.

Folgende Einzelfragen wurden geprüft: ­

Staatliche oder private Konformitätsbewertungsstellen,

­

Beschränkung oder Ausweitung von interoperablen Strecken.

1.3.1.2.1

Staatliche oder private Konformitätsbewertungsstellen

Konformitätsbewertungsstellen sind von Herstellern und Behörden unabhängige Sachverständigen-Organisationen, die über das Knowhow verfügen, um die Konformität eines Produktes zu bescheinigen und damit neben dem Gesuchsteller die Verantwortung für die Vorschriftskonformität und Sicherheit des Produktes zu übernehmen. Sie müssen gewisse Kriterien erfüllen, damit sie von einem Mitgliedstaat als solche benannt werden können. Sie werden in der Interoperabilitätsrichtlinie als «benannte Stellen» bezeichnet.

Die Interoperabilitätsrichtlinie sieht vor, dass die Übereinstimmung von Komponenten und Teilsystemen mit den grundlegenden Anforderungen der Richtlinie durch diese unabhängigen Konformitätsbewertungsstellen geprüft und bescheinigt wird.

924

Die Bescheinigungen von schweizerischen Konformitätsbewertungsstellen werden europaweit anerkannt, sobald dies im Rahmen der Aufnahme der Interoperabilitätsrichtlinie in das Landverkehrsabkommen vereinbart werden kann. Dies wiederum setzt voraus, dass die EU zum Ergebnis kommt, dass die entsprechenden schweizerischen Bestimmungen mit dem europäischen Recht in diesem Bereich gleichwertig sind.

Der Nachweis, dass ein Teilsystem den grundlegenden Anforderungen der Interoperabilitätsrichtlinie entspricht, wird dadurch geführt, dass der Gesuchsteller (z.B. ein Eisenbahnunternehmen oder ein Hersteller) der Genehmigungsbehörde (in der Schweiz das BAV) entsprechende Bescheinigungen von Konformitätsbewertungsstellen vorlegt.

Dabei hat die Genehmigungsbehörde (das BAV) die Bescheinigungen aller Konformitätsbewertungsstellen anzuerkennen, gleichgültig, ob die Konformitätsbewertungsstelle ihren Sitz in der Schweiz oder in einem EU-Mitgliedstaat hat.

Mit dieser Vorlage werden die gesetzlichen Grundlagen sowohl für eine staatliche als auch für private Konformitätsbewertungsstellen geschaffen. Auf die Schaffung einer staatlichen Konformitätsbewertungsstelle soll jedoch vorerst verzichtet werden. Mit der Übernahme der Interoperabilitätsrichtlinie können sich auch schweizerische Sachverständige als benannte Stelle akkreditieren lassen. Hier öffnen sich wirtschaftliche Möglichkeiten in einem neuen, europaweiten Markt.

Durch den gesamteuropäischen Markt mit Schweizer Beteiligung entsteht ein effizientes und sicheres Bewertungssystem.

1.3.1.2.2

Beschränkung oder Ausweitung von interoperablen Strecken

Im Rahmen der Vernehmlassung wurde ausdrücklich begrüsst, dass nur Normalspurstrecken als interoperable Strecken bezeichnet werden können. Zudem wurde angeregt, dass schrittweise das ganze Normalspurnetz interoperabel werden soll.

Letzteres wird vor allem mit der Einheitlichkeit begründet.

Somit tragen einerseits eine Beschränkung der interoperablen Strecken auf das Normalspurnetz (ohne Schmalspur- und Zahnradbahnen) und andererseits eine schrittweise Ausweitung auf das gesamte Normalspurnetz den gewünschten Gegebenheiten am besten Rechnung.

1.3.1.3

Die beantragte Neuregelung

Der Bundesrat schlägt diejenigen Bestimmungen vor, die auf Gesetzesstufe notwendig sind, um die Interoperabilitätsrichtlinie vollständig in schweizerisches Recht übernehmen zu können.

925

1.3.1.3.1

Übernahme technischer Spezifikationen, Einführung von Konformitätsbewertungsstellen und Betriebsbewilligungen für strukturelle Teilsysteme

Einheitliche technische Spezifikationen sind im internationalen Verkehr wichtig Die Interoperabilitätsrichtlinie sieht vor, dass die Europäische Kommission technische Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) erlässt. Die ERA unterstützt die Kommission bei der Ausarbeitung der TSI. Diese gelten für jedes Teilsystem oder für Teile davon (sogenannte Interoperabilitätskomponenten) im Hinblick auf die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen.

Das Eisenbahnsystem wird in sieben Teilsysteme aufgeteilt. Teilsysteme sind zum Beispiel die Infrastruktur, die Zugsicherung und die Fahrzeuge. Zu jedem Teilsystem werden zusätzlich seine Interoperabilitätskomponenten spezifiziert. Für die Infrastruktur sind das beispielsweise die Eisenbahnschwellen, für die Zugsicherung die Eurobalisen (Teile von Systemen zur Übertragung sicherheitsrelevanter Daten) und bei den Fahrzeugen die Stromabnehmer von Triebfahrzeugen.

Der Bundesrat soll die Kompetenz haben, die technischen Ausführungsbestimmungen zu bezeichnen. Er erhält so die Möglichkeit, die TSI als technische Ausführungsbestimmungen zu bezeichnen und dafür zu sorgen, dass das schweizerische Recht nicht nur der Interoperabilitätsrichtlinie, sondern auch den diese Richtlinie näher spezifizierenden TSI entspricht.

Im Grundsatz muss das schweizerische Eisenbahnsystem, soweit es auch dem internationalen Verkehr dient, die dafür erforderlichen technischen Anforderungen erfüllen. Zu diesem Zweck ist beabsichtigt, dass grundsätzlich alle Normalspurstrecken als interoperabel bezeichnet werden, wobei der Bundesrat Ausnahmen festlegen kann (siehe Ziff. 1.3.1.3.2). Solche Ausnahmen (die auch das europäische Recht kennt) sind notwendig, um zum Beispiel kostspielige Ausweitungen von Tunnels zur Erreichung des definierten Lichtraumprofils zu vermeiden. Ausnahmen sind auch angebracht, damit nicht Nebenstrecken an die Anforderungen grenzüberschreitender Züge angepasst werden müssen. Hingegen sollen Neubaustrecken in Zukunft schon beim Bau auf die TSI ausgerichtet werden.

Private Konformitätsbewertungsstellen sorgen für Einhaltung von TSI Es ist vorgesehen, dass unabhängige Konformitätsbewertungsstellen zukünftig die Übereinstimmung von Eisenbahnbestandteilen mit den europäischen Vorschriften bescheinigen (siehe Ziff. 1.3.1.2.1). Dies führt zu einer umfassenden Anwendung
des Vieraugenprinzips auf sicherheitsrelevante Bauteile.

Unter «Vieraugenprinzip» versteht man, dass sich neben dem Gesuchsteller eine weitere sachverständige Person oder Organisation von der Sicherheit des zu genehmigenden Objekts überzeugen muss. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, die Konformität von Sicherheitsbauteilen und Teilsystemen durch Konformitätsbewertungsstellen prüfen und bescheinigen zu lassen.

Die konsequente Einführung dieses Prinzips einer externen Beurteilung der Sicherheit und Vorschriftskonformität wird zu einem Mehrbedarf an externer gutachterlicher Tätigkeit führen. Allerdings steht diesem geringen Mehraufwand bei der Zulassung im ersten Land der Vorteil gegenüber, dass die Kosten für weitere Prüfungen der Konformität in den übrigen Ländern entfallen.

926

Betriebsbewilligung für strukturelle Teilsysteme nötig Für alle strukturellen Teilsysteme (Infrastruktur, Energie, Zugsteuerung/Zugsicherung/Signalgebung und Fahrzeuge) wird neu eine Betriebsbewilligung für die erstmalige Inbetriebnahme oder für die Inbetriebnahme nach umfangreichen Umrüstungen oder Erneuerungen obligatorisch. So bedarf jedes Fahrzeug und jede Anlage einer Betriebsbewilligung. Dabei werden ausländische Betriebsbewilligungen im grösstmöglichen Umfang anerkannt.

Gestaffelte Umsetzung möglich, schweizerische Gegebenheiten können berücksichtigt werden Wenn die Schweiz die Interoperabilitätsrichtlinie übernimmt, müssen nicht alle betroffenen Strecken auf einmal und gleich aufgerüstet werden. Bei einem Neubau, einer Umrüstung oder im Rahmen einer Erneuerung müssen die TSI aber eingehalten werden. Ausserdem erlaubt es die Interoperabilitätsrichtlinie, von der Anwendung von TSI abzusehen, wenn diese bei der Erneuerung oder Umrüstung einer Strecke nicht mit den Werten der bestehenden Strecke vereinbar sind oder nur mit einem wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Aufwand umgesetzt werden können.

Dies bedeutet de facto eine langfristige Ausnahmeregelung für spezifisch schweizerische Besonderheiten, selbst wenn formell in den TSI oder bei der Übernahme der TSI keine Ausnahmeregelung getroffen wird. Somit kann den schweizerischen Gegebenheiten ausreichend Rechnung getragen werden.

Der Bundesrat strebt aber an, auf den zentralen Strecken möglichst bald eine europaweit kompatible Interoperabilität herzustellen, um so deren Vorteile ganz nutzen zu können.

1.3.1.3.2

Interoperable Strecken

Die Vorlage sieht vor, dass grundsätzlich alle Normalspurstrecken als interoperabel bezeichnet werden, wobei der Bundesrat Ausnahmen festlegen kann. Die Interoperabilitätsrichtlinie führt nicht dazu, dass auf allen Linien des schweizerischen Normalspurnetzes die gleichen (hohen) Anforderungen gelten müssen. Vielmehr kann spezifisch das Niveau der Interoperabilität festgelegt werden. Insbesondere bauliche Einschränkungen (Tunnelprofile, Maximallasten) bestehender Strecken werden aus Kostengründen bestehen bleiben. Hingegen sollen bei der Weiterentwicklung der Zugsicherung und der Kommunikationssysteme die europäischen Standards angewendet werden.

1.3.1.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Bekenntnis der Schweiz zum gesamteuropäischen Eisenbahnnetz Als Land mitten in Europa hat die Schweiz für das europaweite Projekt Interoperabilität eine zentrale Bedeutung. Umgekehrt ist auch die Interoperabilität von zentraler Bedeutung für die Schweiz. Jedoch wird nicht von heute auf morgen ein durchgängiger in hohem Mass interoperabler Verkehr möglich sein. Dieser ist erst in einigen 927

Jahren zu erwarten und erfordert konstante technische und organisatorische Anpassungen. Wichtig ist daher, dass sich die Schweiz grundsätzlich zu einem interoperablen gesamteuropäischen Eisenbahnnetz bekennt. Erst dieses wird den freien, durchgehenden und sicheren Eisenbahnverkehr quer durch den Kontinent ermöglichen.

Bessere Interoperabilität stärkt Verlagerung Mit der Verbesserung der Interoperabilität kann die Verlagerung auf die Schiene gestärkt werden. Heute ist der Güterverkehr auf der Schiene gegenüber demjenigen auf der Strasse im grenzüberschreitenden Verkehr im Nachteil. Eine verbesserte Interoperabilität führt zu mehr Wettbewerbsfähigkeit der Schiene, stärkt die Verlagerung und trägt zu einer effizienteren Auslastung der NEAT-Basistunnel bei.

Während im Strassenverkehr internationales Recht zur Verbesserung der Interoperabilität bereits jetzt laufend übernommen wird (Beförderung gefährlicher Güter, Fahrzeugbau, Signalisation, technische Kontrolle usw.), werden analoge Schritte im Schienenverkehr erst mit dieser Vorlage gemacht.

1.3.1.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Durch die Übernahme der Interoperabilitätsrichtlinie erhält das BAV die Aufgabe, zusätzliche Betriebsbewilligungen zu erteilen und Sicherheitsmanagementsysteme zu prüfen. Beides kann über Gebühren finanziert werden.

Daneben muss das BAV eine Marktüberwachung einrichten und sich in die Entwicklung von europaweit gültigen technischen Spezifikationen einbringen. Der damit verbundene finanzielle Aufwand für zusätzliche 100 Stellenprozente erscheint mit Blick auf die erreichbaren Ziele (Interoperabilität und Berücksichtigung der schweizerischen Interessen bei der Entwicklung der europäischen technischen Vorschriften) als angemessen.

Da mit dieser Vorlage keine Abgabe für die Marktüberwachung eingeführt wird, werden diese Aufgaben vom Bund finanziert werden müssen.

1.3.2

Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr klar regeln

Mit ihrem Brief vom 17. September 2007 erteilte die Verkehrskommission des Nationalrats (KVF-N) dem Bundesrat den Auftrag, die Ausschreibungen im Busbereich des abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehrs im zweiten Folgepaket der Bahnreform 2 zu regeln. Die Kommission betonte dabei, dass nur der Busbereich gesetzlich geregelt werden solle. Ziel sei eine klare rechtliche Regelung und damit die Steigerung der Effizienz und Qualität im öffentlichen Verkehr.

928

1.3.2.1

Ausgangslage

Grundsätzlich gilt das Bestellverfahren Die Artikel 28­34 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 20098 (PBG) bilden die Grundlage für die Abgeltung der laut Planrechnung ungedeckten Kosten des von Bund und Kantonen gemeinsam bestellten Verkehrsangebotes im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr. Im Rahmen des Bestellverfahrens reichen die Transportunternehmen in einem zweijährigen Prozess bei den Bestellern (Bund und Kantone) eine Offerte mit den geplanten ungedeckten Kosten für ein bestimmtes Verkehrsangebot ein. Der erforderliche Inhalt einer Offerte wird in Artikel 17 der Verordnung vom 11. November 20099 über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs (ARPV) umschrieben. Dies gilt sowohl für den Eisenbahnals auch für den Busbereich. Wenn die Besteller mit einer Offerte einverstanden sind, schliessen sie mit dem Transportunternehmen eine Angebotsvereinbarung ab.

Besteller dürfen unter bestimmten Bedingungen ausschreiben Mit der Revision von 1996 des Eisenbahngesetzes wurde mit der Einführung des Bestellverfahrens auch die Möglichkeit für den Wettbewerb im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr geschaffen. Eine explizite Regelung für Ausschreibungen wurde jedoch auf Gesetzesstufe nicht vorgenommen (z.B. für den Ablauf der Ausschreibung, die Vergabekriterien, die Rechtsqualität des Zuschlags und die Rechtsmittel).

In der ARPV werden Grundregeln zur Ausschreibung festgehalten. Artikel 27 bestimmt, dass im Rahmen des Bestellverfahrens bestimmte Verkehrsleistungen unter den dafür geeigneten Transportunternehmen ausgeschrieben werden können, wenn grössere Veränderungen geplant sind, die mehrere Linien betreffen, oder wenn die Offerten eines bestimmten Transportunternehmens nicht befriedigend sind.

Zudem kann auch generell in bestimmten Zeitabständen ausgeschrieben werden, wenn dies der Kanton vorsieht.

Leitfaden für Ausschreibungen hat sich bewährt Weil die rechtlichen Bestimmungen bezüglich der Ausschreibungen sehr rudimentär sind, hat das BAV zusammen mit den Kantonen im Jahre 2003 einen Leitfaden für Ausschreibungen von Personentransportleistungen im Busbereich erarbeitet. Dieser Leitfaden wurde laufend weiterentwickelt. Er macht klare Vorgaben, wie eine Ausschreibung im Busbereich durchzuführen ist, und er gibt Antworten auf Grundsatzfragen zu den Ausschreibungen. Der
Leitfaden hat sich bewährt und trägt zu einer grösseren Rechtssicherheit von Bestellern und Transportunternehmen im Ausschreibungsprozess bei. Er hat jedoch nur «empfehlenden» Charakter.

Heutiger Ablauf von Ausschreibungen Heute können die Besteller eine Verkehrsleistung im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr unter bestimmten Bedingungen ausschreiben (direkte Anfrage bei mehreren Transportunternehmen und/oder Publikation über die Internetplattform SIMAP und in einschlägigen Zeitschriften oder in Amtsblättern). Sie erstellen hierzu Ausschreibungsunterlagen, die detaillierte Vorgaben für die zu 8 9

SR 745.1 SR 745.16

929

erbringende Leistung enthalten. Zusammen mit den Ausschreibungsunterlagen geben sie auch die Bewertungskriterien bekannt und schaffen damit für die nötige Transparenz. In den Bewertungsunterlagen legen die Besteller die Eignungs- und Zuschlagskriterien fest (Betriebsaufnahme, Umschreibung des Angebotes, Qualitätsanforderungen, Fahrzeuge, Marketing, Personal, Tarife usw.). Die Auswertung der Offerten basiert auf einer Nutzwertanalyse aufgrund dieser Kriterien. Die Zeitspanne vom Beginn einer Ausschreibung bis zur Betriebsaufnahme des Transportunternehmens, dessen Offerte angenommen wird, beträgt im Busbereich in der Regel rund zwei Jahre. Ein Jahr nach dem Start der Ausschreibung sollte dieses Unternehmen bestimmt sein, damit es noch rund ein Jahr Zeit hat, um sich auf die Aufgabe vorzubereiten (Beschaffung von Betriebsmitteln, Einstellung von zusätzlichem Personal usw.).

Positive Erfahrungen im Busbereich Die Ausschreibungen im Busbereich sind heute nicht mehr wegzudenken. Seit 1996 haben Bund und Kantone gemeinsam über 30 Ausschreibungen von Busverkehrsleistungen im regionalen Personenverkehr durchgeführt. Dazu kommen noch zahlreiche Ausschreibungen im Ortsverkehr, welche die Kantone alleine durchführten.

18 Kantone schreiben solche Leistungen fallweise oder sogar regelmässig aus.

Bei den Ausschreibungen im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr wurde gegen den Zuschlag bis heute rund zehn Mal ein Rechtsmittel ergriffen (Gesuch um anfechtbare Verfügung oder Beschwerde). Die Rechtsverfahren haben die Ausschreibungsverfahren verzögert. Bisher wurde jedoch keine einzige Beschwerde gutgeheissen. Das Beschwerderisiko wird mit zunehmender Erfahrung nicht mehr als kritischer Faktor beurteilt.

Komplexe Ausschreibungen im Eisenbahnbereich, in der Schweiz kaum Erfahrungen Die Erfahrungen im Ausland haben gezeigt, dass Ausschreibungen im regionalen Schienenpersonenverkehr sehr komplex sind und Auswirkungen auf die verschiedensten Elemente des Schienenverkehrs haben (für die Schweiz sind dies u.a. Systemführerschaft, regelmässig die Kantonsgrenzen überschreitende Angebote, Auswirkungen auf die Bahnlandschaft, Zugang zur Infrastruktur und zu Betriebsmitteln wie Werkstätten, Netzentwicklung infolge Ausbau des Angebots).

In der Schweiz wurde bis jetzt erst ein Angebot ausgeschrieben. Es handelt
sich dabei um den «City-Vogel» auf der Linie Konstanz­Zürich (im Jahr 2000). Die Ausschreibung musste jedoch abgebrochen werden, nachdem die SBB die Linie in den Fernverkehr integriert hatten.

Keine Ausschreibungen bei den Seilbahnen und Schiffsbetrieben sowie im Fernverkehr Bei den Seilbahnen und den Schiffsbetrieben werden aufgrund der spezifischen Rahmenbedingungen keine Ausschreibungen im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr durchgeführt.

Für den nicht abgeltungsberechtigten Personenverkehr, insbesondere den Fernverkehr, sowie für den Infrastrukturbereich sind auch mittelfristig keine Ausschreibungen vorgesehen. 2007 hat der Bund die Fernverkehrskonzession der SBB für weitere zehn Jahre erneuert.

930

Ausschreibungen im Ortsverkehr unterstehen nicht dem Bundesrecht Wenn im Ortsverkehr, der vom Bund nicht bestellt wird, eine oder mehrere konzessionierten Linien ausgeschrieben werden, untersteht diese Ausschreibung weder den Ausschreibungsregeln noch dem Submissionsrecht des Bundes. Ist die Ausschreibung nicht im kantonalen Recht geregelt, so kann sie formlos durchgeführt werden.

1.3.2.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Der Bundesrat hat verschiedene Möglichkeiten untersucht, wie Ausschreibungen zukünftig geregelt werden können: ­

keine Ausschreibungen vorsehen,

­

Ausschreibungen nur im Busbereich, nicht für Bahn,

­

Ausschreibungen für Bus und Bahn, gegebenenfalls mit unterschiedlichen Vorgaben.

Dabei wurde geprüft, ob Ausschreibungen nach WTO-Regeln beziehungsweise nach dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 199410 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) durchgeführt oder eigene Regeln aufgestellt werden sollen.

Die Untersuchung führte zum Ergebnis, dass Ausschreibungen grundsätzlich sinnvoll sind, jedoch so zu gestalten sind, dass das System des öffentlichen Verkehrs nicht gefährdet wird.

Die bisherigen Erfahrungen mit Ausschreibungen im Busbereich waren positiv. Mit Ausschreibungen können die Effizienz und die Qualität des abgeltungsberechtigten Verkehrs gesteigert werden. Deshalb ist dieses Instrument weiterhin zu nutzen.

Jedoch ist eine klare gesetzliche Regelung im Bundesrecht nötig, damit Ausschreibungen in der ganzen Schweiz gleich ablaufen und damit auch über Kantonsgrenzen hinweg gleiche Massstäbe angelegt werden. So ist auch gewährleistet, dass Transportunternehmen gleich behandelt werden, wenn sie ihre Leistungen in verschiedenen Kantonen erbringen.

Bei der Bahn hingegen stehen Ausschreibungen aufgrund der Komplexität nicht im Vordergrund, sie sollen aber weiterhin möglich sein.

In der Schweiz gibt es im öffentlichen Verkehr einige wichtige Errungenschaften, die es auch für die Zukunft abzusichern gilt und die durch Ausschreibungen nicht gefährdet werden dürfen. Zu nennen sind zum Beispiel das dichte Liniennetz mit dem integralen Taktfahrplan und den Anschlüssen in den Knoten, die Tarifierung im «direkten Verkehr» und in den Tarifverbünden, die gut funktionierenden S-Bahnsysteme sowie eine Bahnlandschaft mit mehreren wettbewerbsfähigen Akteuren.

Vor diesem Hintergrund hat auch die KVF-N betont, dass vorerst nur der Busbereich gesetzlich zu regeln sei.

10

SR 172.056.1

931

1.3.2.3

Die beantragte Neuregelung

Ausschreibungen im bestellten regionalen Personenverkehr auf der Strasse vorsehen, auf der Schiene ermöglichen Die beantragte Neuregelung sieht Ausschreibungen im Busbereich grundsätzlich vor. Die Möglichkeit einer Ausschreibung im Bahnbereich schliesst sie nicht aus.

Sie stützt sich auf die bisherigen Erfahrungen und deckt sich im Wesentlichen mit dem bereits heute verwendeten Leitfaden.

Die neuen Regelungen für das Ausschreibungsverfahren lehnen sich an die WTORegeln und an das BöB an. Es ist aber keine direkte Übernahme dieser Regeln und Normen vorgesehen, damit den Besonderheiten einer konzessionierten und subventionierten Dienstleistung gebührend Rechnung getragen werden kann. Ausserdem werden verschiedene Instrumente eingeführt, die der Koordination dienen und damit den öffentlichen Verkehr insgesamt stärken. Die beantragte Neuregelung soll dazu beitragen, dass Ausschreibungen von Leistungen im öffentlichen Verkehr die Effizienz und die Qualität von abgeltungsberechtigten Verkehren steigern.

Es gibt zwei Welten: Angebotsbestellung aufgrund einer Ausschreibung ­ Angebotsbestellung ohne Ausschreibung Grundsätzlich gilt nach wie vor das zweijährige Bestellverfahren, dies jedoch in zwei unterschiedlichen Ausprägungen. Unverändert bleibt dabei, dass Bund und Kanton(e) gemeinsam den abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr bestellen.

Wird keine Ausschreibung durchgeführt, so werden das Verkehrsangebot und die Abgeltung aufgrund einer Planrechnung (Normalfall) und gegebenenfalls einer Zielvereinbarung festgelegt. Im Bestellverfahren werden dabei die Vorgaben konkretisiert und die Abgeltungen ausgehandelt. Es ist das zentrale Verfahren bei der Angebotsdefinition.

Wird das Verkehrsangebot ausgeschrieben, so basieren die Bestellung und die Abgeltung auf der Vergabevereinbarung. Diese wird aufgrund der Offerte des im Verfahren siegreichen Unternehmens erstellt. Dem Bestellverfahren kommt dabei eine untergeordnete Rolle zu. Es dient vor allem der Aktualisierung des Verkehrsangebotes. So ist beispielsweise nicht vorgesehen, dass die Vergabevereinbarung während ihrer Laufzeit aufgrund vorliegender Ist-Ergebnisse (Nachkalkulationen) angepasst wird. Das Bestellverfahren, dem eine Vergabevereinbarung zugrunde liegt, wird bewusst schlank gehalten. Dadurch wird bei den Bestellern und den
Transportunternehmen ein verwaltungsökonomischer Effizienzgewinn angestrebt.

Klar geregeltes Ausschreibungsverfahren unter Federführung des Kantons Bei einer Ausschreibung im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr übernimmt der Kanton die Federführung. Er erstellt unter Einbezug des BAV die Ausschreibungs- und Bewertungsunterlagen und leitet die Kommunikation mit den Transportunternehmen. Das BAV unterstützt den Kanton in rechtlicher und materieller Hinsicht und macht auf kritische Punkte aufmerksam. Wenn Linien Kantonsgrenzen überschreiten, arbeiten die Kantone zusammen. Das BAV nimmt eine Koordinationsrolle wahr.

932

Gestützt auf die vom Kanton erstellten Bewertungsunterlagen werten die Besteller die Offerten gemeinsam aus und bereiten den Vergabeentscheid vor. Sie vergeben das ausgeschriebene Verkehrsangebot dem Transportunternehmen mit dem insbesondere bezüglich Qualität und Preis wirtschaftlich günstigsten Angebot. Der Entscheid wird vom BAV zusammen mit der Konzession in Form einer anfechtbaren Verfügung erlassen. Letztinstanzliche Beschwerdestelle ist das Bundesverwaltungsgericht.

Integration von grenzüberschreitenden Linien bei Ausschreibungsverfahren des Nachbarstaates Mit der zunehmenden Liberalisierung im regionalen Personenverkehr und im Personennahverkehr, einschliesslich des Ortsverkehrs, sowie mit der Vernetzung im grenznahen Raum ist bei auszuschreibenden Angeboten mit Linienabschnitten im Ausland die Koordination mit den Nachbarstaaten zwingend. Erste Erfahrungen im Raum Genf wie auch bei einer anstehenden Ausschreibung im Raum Basel/Schaffhausen­Baden-Württemberg haben gezeigt, dass die verschiedenen Verfahren schwierig miteinander zu koordinieren sind. Es soll daher ermöglicht werden, den in der Schweiz liegenden Linienabschnitt in ein Ausschreibungsverfahren des Nachbarstaates zu integrieren oder dessen Vergabeentscheid mitzutragen.

Vergabevereinbarung mit Transportunternehmen erhöht die Effizienz und setzt positive Anreize Die Besteller schliessen mit dem bei einer Ausschreibung siegreichen Transportunternehmen eine Vergabevereinbarung ab. Diese wird auf der Grundlage der bei der Ausschreibung eingereichten Offerte erstellt und dient der langfristigen Zusammenarbeit zwischen den Bestellern und dem Transportunternehmen. Zeitlich umfasst diese Vereinbarung die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Geltungsdauer des ausgeschriebenen Verkehrsangebotes.

Die Vergabevereinbarung regelt soweit möglich die Details der zukünftigen Leistungen (Angebot, Tarife, Abgeltung, Anpassungsmechanismen usw.). Eines der Hauptziele ist es, das Bestellverfahren, dem die Vergabevereinbarung zugrunde liegen wird, schlank gestalten zu können. Das heisst, die Unternehmen müssen nicht wie im ordentlichen Bestellverfahren jeweils eine umfangreiche Offerte einreichen, sondern können die notwendigen Angaben aus der Vergabevereinbarung ziehen und in einer noch zu bestimmenden «schlanken» Form den Bestellern
unterbreiten. Die in der Vergabevereinbarung festgelegten Parameter sollen unter Berücksichtigung der vereinbarten Anpassungsgründe während der ganzen Laufzeit ihre Gültigkeit behalten. So werden zum Beispiel Ist-Ergebnisse (Nachkalkulationen) in der Regel nicht zu einer Anpassung der Vergabevereinbarung führen. Dies ergibt sowohl bei den Bestellern als auch bei den Transportunternehmen eine Effizienzsteigerung.

Mit der Bündelung des Konzessions- sowie des Ausschreibungsverfahrens in einer Verfügung und vor allem mit der Unterzeichnung einer Vergabevereinbarung gewinnt das siegende Transportunternehmen eine mehrjährige Planungssicherheit.

Damit sollen die Transportunternehmen animiert werden, sich aktiv an Ausschreibungen zu beteiligen.

933

Ausschreibung zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgesehen Ausschreibungen sind vorgesehen, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Die Frage, ob eine Ausschreibung vorzunehmen ist, stellt sich zu verschiedenen Zeitpunkten. Ziel der neuen Regelung ist es, das Ausschreibungsverfahren so effizient wie möglich zu gestalten.

Die folgende Tabelle zeigt im Überblick, wann und aus welchen Gründen eine Ausschreibung stattfinden muss (X). Sie bezieht sich ausschliesslich auf den Busbereich, da im Bahnbereich nach wie vor keine Ausschreibungspflicht vorgegeben ist.

Gründe für Ausschreibungspflicht im Busbereich

Zeitpunkt Bei einer Konzessionserteilung

Während Konzessionsdauer

Bei einer Konzessionserneuerung

Abgeltungsvolumen des neuen Verkehrsangebots ist grösser als der Schwellenwert und die Linie ist nicht Bestandteil eines bestehenden Netzes.

X

­

­

Abgeltungsvolumen des neuen Verkehrsangebots ist kleiner als der Schwellenwert.

Die Linie ist jedoch in der Ausschreibungsplanung der Besteller zur Ausschreibung vorgesehen.

X

­

­

Konzessionsentzug oder Konzessionswiderruf aus definierten Gründen.

­

X

­

Anforderungen aus Zielvereinbarung nicht erfüllt. Konzession muss entzogen werden.

­

X

­

Vergabevereinbarung wird vom Transportunternehmen nicht eingehalten.

­

X

­

Ausschreibungsplanung der Besteller sieht eine Ausschreibung vor.

X

­

X

Verzicht auf Ausschreibung in bestimmten Fällen möglich Nachstehend sind einige Fälle aufgeführt, bei denen keine Ausschreibungspflicht im Busbereich besteht und somit auf eine Ausschreibung verzichtet werden kann. Der Bundesrat wird in einer Verordnung die Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht regeln (vgl. Erläuterungen zu Art. 32 PBG): ­

Die geplanten ungedeckten Kosten eines neuen Angebots unterschreiten einen in der Verordnung festzulegenden Schwellenwert. Da eine Ausschreibung kosten- und personalintensiv ist, macht es aus verwaltungsökonomischer Sicht wenig Sinn, Angebote mit einem kleinen Abgeltungsvolumen auszuschreiben.

­

Ein neues Angebot lässt sich in ein bestehendes und regional begrenztes Liniennetz integrieren und wird von demselben Transportunternehmen angeboten. Dabei müssen jedoch Synergien erzielt werden.

934

­

Es ist nicht zu erwarten, dass eine Konkurrenzofferte eingereicht wird. Diese Feststellung muss publiziert werden, sodass ein interesiertes Unternehmen die Durchführung einer Ausschreibung verlangen kann.

­

Eine bestehende konzessionierte Linie wird infolge einer Anpassung geändert.

In welchen Fällen ein neues Verkehrsangebot einer Konzessionserteilung oder einer Konzessionsänderung unterliegt, ist in der Verordnung zu regeln.

­

Eine Konzession wird unverändert auf ein neues Unternehmen übertragen.

Besteller planen die Ausschreibungen transparent Die Kantone erstellen im Einvernehmen mit dem BAV für den Bus- und den Bahnbereich eine rollende Ausschreibungsplanung, in der die längerfristigen Überlegungen der Besteller des abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehrs enthalten sind. Für die Transportunternehmen wird so klar, wann mit Ausschreibungen zu rechnen ist.

Auf Wunsch der Kantone werden auch Linien, die vom Bund nicht abgegolten werden, in die Ausschreibungsplanung aufgenommen. Dies unter der Voraussetzung, dass diese Linien in einem Ausschreibungspaket mit vom Bund und Kantonen gemeinsam bestellten Angeboten ausgeschrieben werden.

Das BAV kann über die Ausschreibungsplanung Einfluss auf die Durchführung einer Ausschreibung im Personenverkehr im Bahnbereich nehmen.

1.3.2.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Regelung führt zur Gleichbehandlung der Transportunternehmen in der ganzen Schweiz Die landesweit einheitliche Regelung der Ausschreibungspflicht ist ein wichtiger Bestandteil dieser Vorlage. Sie führt zu einer Gleichbehandlung der Transportunternehmen in der ganzen Schweiz.

Heute werden bereits viele Aspekte des Ausschreibungsverfahrens im vorerwähnten Leitfaden des BAV geregelt. Dieser geht jedoch nicht über den Charakter einer Empfehlung hinaus. Deshalb sollen nun die wichtigsten Elemente einer Ausschreibung auf Gesetzesstufe geregelt und dadurch eine höhere Rechtssicherheit sowie eine schweizweit einheitliche Ausschreibungspraxis erzielt werden.

Auf Gesetzesstufe geregelt werden insbesondere: ­

die Ausschreibungsplanung,

­

die Beurteilung der Eignung der Unternehmen,

­

die Verfahrensgrundsätze,

­

der Ausschluss vom Ausschreibungsverfahren,

­

der Vergabeentscheid und sein Widerruf,

­

die Verfügungen und ihre Veröffentlichung,

­

die Vergabevereinbarung,

­

der Wechsel des beauftragten Unternehmens.

935

So enthalten die Ausschreibungsunterlagen in Zukunft Angaben sowohl zum offerierten Angebot als auch zu den konzessionsrechtlichen Belangen.

Mehr Rechtssicherheit Durch die klare und allgemeinverbindliche Ausschreibungsregelung wird für die Transportunternehmen ersichtlich, wann sie mit einer Ausschreibung zu rechnen haben. Dadurch wird das System für sie kalkulierbarer. Bei genügenden und rechtskonformen Leistungen sind die Transportunternehmen während der Konzessionsdauer in jedem Fall vor Ausschreibungen geschützt. Weiter erhalten sie bei ungenügenden Leistungen auf nicht ausgeschriebenen Linien mit der Zielvereinbarung die Möglichkeit, sich zu verbessern.

Die Kompetenzen der Kantone bezüglich der Durchführung einer Ausschreibung bleiben gleich wie heute. Auch mit der neuen Regelung werden sie für die Ausschreibungsplanung verantwortlich sein. Die Zustimmung des Bundes zu einer Ausschreibung ist schon heute erforderlich.

Mit der Einführung eines vierjährigen Zahlungsrahmens wird dem auf längere Dauer angelegten Engagement der Besteller gegenüber den Transportunternehmen Rechnung getragen. Die mit dem Hinweis auf die alljährlich wiederkehrende Budgethoheit des Parlaments vorgenommene Einschränkung der Mitfinanzierung des bestellten Verkehrs durch den Bund wird somit gemildert.

1.3.2.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Durch eine Zielvereinbarung oder eine Ausschreibung eingesparte finanzielle Mittel kommen der Aufrechterhaltung und punktuellen Verbesserung des bestehenden Angebots des regionalen Personenverkehrs bzw. den Bestellern (Bund und Kantone) zugute. Allerdings kann die Einsparung der Mittel nicht quantifiziert werden.

1.3.3

Stärkung der Rolle der Schiedskommission (SKE)

Mit der Bahnreform 1 wurde der diskriminierungsfreie Netzzugang angestrebt. Zu diesem Zweck wurden die rechnerische und organisatorische Trennung von Verkehr und Infrastruktur eingeführt und die unabhängige Schiedskommission eingerichtet.

Ziel dieser Vorlage ist es, weitere Schritte in Richtung Diskriminierungsfreiheit zu unternehmen. Dafür ist die Marktaufsicht zu stärken, indem die SKE zusätzliche Kompetenzen erhält.

1.3.3.1

Ausgangslage

Grundsätzlich übt das BAV die Aufsicht über den Netzzugang aus. Gewisse Kompetenzen stehen aber schon heute der SKE nach Artikel 40a EBG sowie der Wettbewerbskommission (WEKO) zu. Kontrollrechte (aber nicht Kontrollpflichten) werden zudem den Infrastrukturbetreiberinnen eingeräumt.

936

SKE behandelt Streitigkeiten zwischen Netzbenutzerin und Infrastrukturbetreiberin und beaufsichtigt die Trassenvergabestelle Nach dem Kartellgesetz vom 6. Oktober 199511 (KG) werden wettbewerbsrechtliche Fragen, insbesondere die missbräuchliche Preisbildung im Sinne von Artikel 7 KG (Massnahmen, welche geeignet sind, die Konkurrenz zu behindern oder bestimmte Verkehre trotz freier Trassenkapazitäten zu verhindern), von der WEKO behandelt.

Davon ausgenommen ist im Sinne von Artikel 3 KG die Bestimmung der Trassenpreise, soweit sie durch das BAV oder das UVEK erfolgt.

Viele Fragen der Personenbeförderung sind im Rahmen der entsprechenden Konzessionen (Zuständigkeit BAV oder UVEK) zu regeln und damit der Beurteilung durch die WEKO entzogen.

Schliesslich ist die SKE zuständig für alle Streitigkeiten zwischen der Netzbenutzerin und der Infrastrukturbetreiberin.

Die SKE kann Netzzugangsvereinbarungen ändern oder gegen den Willen der Infrastrukturbetreiberin in Kraft setzen. Ihre gegenwärtigen Aufgaben sind wie folgt umschrieben: a.

Die SKE entscheidet nach Artikel 40a EBG über Streitigkeiten in Fragen der Gewährung des Netzzugangs und die Berechnung des Entgeltes für die Benützung der Infrastruktur. Sie entscheidet auf Gesuch der Parteien alle Streitigkeiten, soweit eine Verletzung des Diskriminierungsverbots im Zusammenhang mit tarifären (Berechnung des Trassenpreises) oder nicht tarifären Massnahmen (z.B. Trassenzuteilung) gerügt wird.

b.

Die SKE beaufsichtigt die Trassenvergabestelle von SBB, BLS, SOB und VöV im Hinblick auf eine diskriminierungsfreie Vergabe. Die Aufsicht beruht gegenwärtig lediglich auf einer freiwilligen, privatrechtlichen Vereinbarung zwischen der SKE und der Vergabestelle.

c.

Die SKE wird bei der Bestimmung der Trassenpreise zu ihrer Information einbezogen. Hiermit wird gewährleistet, dass sie die Grundlagenkenntnis für entsprechende Entscheide im Streitfall hat.

d.

Die SKE pflegt Kontakte und tauscht Erfahrungen aus mit den europäischen Regulierungsbehörden. Sie wirkt in der Arbeitsgruppe der Regulierungsbehörden der IQ-C (International Group for Improvement of Rail Freight Traffic on the North-South-Corridor) mit und unterstützt die Bemühungen der politischen Behörden, die Qualität auf dem Korridor Rotterdam­Genua zu optimieren.

Handlungsbedarf Die SKE entscheidet Streitigkeiten über die Gewährung des Netzzugangs und die Berechnung des Trassenpreises. Das heisst, dass sie nur auf Gesuch tätig werden kann; eine aktive Überwachung des Wettbewerbs bleibt ihr verwehrt. Um die Diskriminierungsfreiheit im Netzzugang zu stärken, müssen den Wettbewerb behindernde Entwicklungen und diskriminierendes Handeln frühzeitig erkannt und bekämpft werden können. Dies ist umso wichtiger, als die integrierte Bahn in der Schweiz nach wie vor die Regel ist, d.h. die Infrastrukturbetreiberinnen gleichzeitig 11

SR 251

937

Konkurrentinnen der auf ihren Netzen verkehrenden Netzbenutzerinnen sind. Die Stärkung der Regulierung im Eisenbahnbereich wird auch von der EU angestrebt («Recast»).

1.3.3.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Folgende Möglichkeiten wurden geprüft: ­

Übernahme der Marktüberwachung durch die WEKO,

­

Erweiterung der Aufgaben der SKE.

Die WEKO hätte entweder zugleich als Beschwerdeinstanz und als Marktaufsicht oder nur als Marktaufsicht funktioniert. Allerdings ist die Aufgabe der Beschwerdeinstanz der WEKO fremd und ihr Sekretariat zog es vor, auf die Marktaufsicht im Eisenbahnverkehr zu verzichten. Aus diesem Grund wurde die Möglichkeit der Übernahme der Marktüberwachung durch die WEKO nicht mehr weiterverfolgt.

Vor diesem Hintergrund ist es zwingend, der SKE mehr Kompetenzen zu übertragen, weil das angestrebte Ziel einer stärkeren Marktaufsicht sonst nicht erreicht werden kann.

1.3.3.3

Beantragte Neuregelung: Die SKE erhält mehr Kompetenzen

Die europäische Lösung Die Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 200112 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Regulierungsstelle zu schaffen haben. Diese muss von Infrastrukturbetreiberinnen wie auch von Behörden, die als Besteller tätig sind, unabhängig sein. Gemäss dem geltenden Bundesrecht entscheidet die SKE über Streitigkeiten betreffend: ­

die Schienennetz-Nutzungsbedingungen,

­

die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthaltenen Kriterien,

­

das Zuweisungsverfahren und dessen Ergebnis,

­

die Entgeltregelung (Trassenpreis),

­

die Höhe oder Struktur der Entgelte, und

­

die Netznutzungsvereinbarungen.

Die SKE gewährleistet darüber hinaus, dass die Entgelte den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und nichtdiskriminierend sind.

Im Rahmen der Überprüfung der einschlägigen Richtlinien («Recast») werden auch die Aufgaben der Regulierungsstelle behandelt. Es wird noch mehr als bisher die Bedeutung der Unabhängigkeit der Regulierungsstelle betont. Nebst den heutigen 12

938

ABl. L 075 vom 15.3.2001, S. 29

Aufgaben soll die Regulierungsstelle mit der Wettbewerbsaufsicht betraut werden.

Sie soll aktiv die oben erwähnten Punkte auf ihre Diskriminierungsfreiheit prüfen und auch das Recht erhalten, Sanktionen (z.B. Bussen) auszusprechen. Sie wird berechtigt sein, bei den Infrastrukturbetreiberinnen und Netzbenutzerinnen alle Dokumente und Auskünfte einzufordern, die für ihre Untersuchung notwendig sind.

Die SKE soll neben ihren Entscheidkompetenzen bei Streitigkeiten zwischen Eisenbahnunternehmen neu auch die Wettbewerbsaufsicht ausüben In der Botschaft zur Bahnreform 2 war vorgesehen, die Kompetenzen der SKE in Richtung einer Wettbewerbsaufsicht auszuweiten. Die Erfahrungen und die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene zeigen, dass die Übertragung dieser Aufgabe an die SKE nach wie vor erwünscht ist. Das von der SKE präventiv zu überwachende, möglicherweise diskriminierende Verhalten kann sich dabei nicht nur auf die Gewährung des Netzzugangs im engeren Sinne beziehen, sondern auf jedes Verhalten, das geeignet ist, den diskriminierungsfreien Netzzugang zu behindern.

Die SKE wird mit dieser Vorlage ermächtigt, von Amtes wegen Untersuchungen einzuleiten und Entscheide zu treffen, wenn der Verdacht besteht, dass der Netzzugang verhindert oder nicht diskriminierungsfrei gewährt wird. Entscheide der SKE können mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen werden.

An der Aufgabenteilung zwischen der SKE und der WEKO ändert sich damit nichts.

Die WEKO befasst sich mit dem Verhalten marktmächtiger Unternehmen im Wettbewerbsbereich ausserhalb des Netzzugangs, also insbesondere mit dem Verhältnis zwischen zwei Verkehrsunternehmen oder zwischen zwei Infrastrukturbetreiberinnen.

Die Fragen der Trassenvergabe und der damit verbundenen Festlegung des Trassenpreises werden in dieser Vorlage nicht berührt, sondern in einer späteren Vorlage behandelt.

1.3.3.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die vorgeschlagene Neuregelung führt zu einer Stärkung der SKE. Sie gewährleistet die Diskriminierungsfreiheit, ermöglicht eine Vereinheitlichung des Rechtswegs und führt damit zu klaren Zuständigkeiten. Aus nachstehender Tabelle sind die neuen Zuständigkeiten beim Netzzugang ersichtlich. Abschliessend können die Zuständigkeiten der SKE, die dann vollständig mit den Regelungen der EU übereinstimmen werden, erst mit der Ausgestaltung der Trassenvergabestelle festgelegt werden (siehe Ziff. 1.1.3 und 1.4.2).

939

Die Zuständigkeiten beim Netzzugang Heute

Nach Änderung des EBG im Rahmen dieser Vorlage

Bund

­ ­ ­ ­

­ unverändert

Infrastrukturbetreiberin

­ ­ ­ ­

Trassenvergabestelle

im Auftrag von SBB, BLS, SOB und VöV: Trassenzuteilung auf Strecken der SBB, BLS und SOB ­ Überprüfung der Trassenkataloge ­ Bereinigung von Trassenkonflikten ­ Genehmigung des Netzfahrplans ­ Überlastererklärung von Strecken ­ Engpass- bzw. Kapazitätsanalyse

­ unverändert

SKE

­ entscheidet über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Netzzugang

­ unverändert ­ überprüft den Markt auf diskriminierendes Verhalten von Infrastrukturbetreiberinnen, leitet von Amtes wegen Verfahren ein und fällt Entscheide

Bundesverwaltungsgericht

­ Rekursinstanz gegen Entscheide der SKE

­ unverändert

1.3.3.5

Gesetzgebung Festlegung der Trassenpreise Netzzugangsbewilligung (NZB) Sicherheitsbescheinigung (SiBe)

Bau und Betrieb der Infrastruktur ­ unverändert Netzfahrplan Trassenvergabe Deckungsbeitrag (ausser konzessionierter Personenverkehr ­ Inkasso ­ Kontrollrechte (operativ)

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die SKE übt bereits heute eine Marktaufsicht aus, die allerdings auf freiwilligen und kündbaren Vereinbarungen mit Infrastrukturbetreiberinnen beruht. Dies ist im Hinblick auf die erforderliche Unabhängigkeit der SKE problematisch. Es könnte der Anschein der Befangenheit entstehen, wenn die SKE eine Untersuchung gegen ein Unternehmen einleitet, mit dem sie eine vertragliche Regelung hat. Die entsprechende Tätigkeit ist deshalb auf eine gesetzliche Basis zu stellen, auf eine vertragliche Ausweitung des Tätigkeitsgebietes ist in Zukunft zu verzichten. Hinsichtlich der Aufsicht über die Trassenvergabestelle (deren Tätigkeit im Sinne des Gesetzes als Tätigkeit der Infrastrukturbetreiberinnen zu betrachten ist) wird sich das Aufgabengebiet der SKE somit kaum verändern. Es ist daher davon auszugehen, dass die Neuregelung keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund haben wird.

940

1.3.4

Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste

Ereignisse (Brandfälle, Unfälle, Freisetzungen von gefährlichen Gütern etc.) auf der Bahninfrastruktur treten nur sehr selten auf, können aber erhebliche Auswirkungen haben. Zu den notwendigen Massnahmen nach dem Stand der Technik gehört die Bereitschaft, Ereignisse verschiedenster Art zu bewältigen. Die Einsatzplanung, die Ausbildung der Einsatzkräfte und die Bereitstellung des Materials sind eine gemeinsame Aufgabe der öffentlichen Feuer- und Chemiewehren sowie der betroffenen Infrastrukturbetreiberinnen (ISB).

Ziel der Vorlage ist es, die Finanzierung der Wehrdienste klarer zu regeln.

Vertreter der Kantone, des VöV, der SBB, der BLS und der Bundesverwaltung haben in einer paritätischen Projektgruppe die Ausgangslage analysiert und die Grundlagen für den vorliegenden Lösungsvorschlag erarbeitet.

1.3.4.1

Ausgangslage

Einzelne ISB unterhalten für die Ereignisbewältigung eigene Betriebswehrdienste.

Für verschiedene Ereignisse nehmen die ISB aber auch Leistungen von Wehrdiensten der Kantone, Bezirke bzw. Gemeinden in Anspruch. Dies gilt insbesondere für die folgenden Ereignisse bzw. Situationen: ­

Freisetzungen von gefährlichen Gütern bzw. radioaktiven Stoffen, die den Einsatz einer Chemie- bzw. Strahlenwehr erfordern;

­

Feuerwehreinsätze an Ereignisorten, die mit dem Lösch- und Rettungszug nur nach unverhältnismässig langer Zeit erreichbar sind;

­

im Brandfall Ersteinsätze durch lokale Feuerwehren, da diese oftmals den Ereignisort schneller erreichen und dadurch die Brandbekämpfung besser wahrnehmen können;

­

Unterstützung bei der Bergung von Todesopfern oder Verletzten.

Geschehen Unfälle mit der Eisenbahn, so werden die ISB durch die kantonalen und lokalen Wehrdienste (Feuer- und Chemiewehren) bei der Bewältigung der Ereignisse unterstützt. Ohne diese Unterstützung wären die ISB nicht in der Lage, grössere Ereignisse in der erforderlichen Zeit und im notwendigen Umfang zu bewältigen.

ISB bezahlen Einsätze, beteiligen sich aber bisher nicht an den Vorhaltekosten Die ISB bezahlen die einsatzbezogenen Kosten von öffentlichen Wehrdiensten. Sie beteiligen sich jedoch in der Regel nicht an den Vorhaltekosten. Unter Vorhaltekosten werden die Investitions- und Betriebskosten verstanden, die unabhängig von Einsätzen anfallen. Dazu gehören die Beschaffung und der Unterhalt von Material, Ausbildungs- und Personalkosten oder Bereitschaftskosten (Pikettdienst).

Diese Vorhaltekosten, an denen sich die ISB beteiligen sollen, gilt es klar abzugrenzen von den Kosten, die bei den Bahnen für die Sicherheitsmassnahmen an ihrer Infrastruktur anfallen (wie z.B. Sicherheitsfunk oder Selbstrettungsmassnahmen in Tunnels).

941

1.3.4.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Bei der Tragung der Kosten von ca. 3 Millionen Franken wurden neben der Abgeltung der geplanten ungedeckten Kosten der ISB verschiedene Alternativen wie die Überwälzung auf den Trassenpreis, eine Spezialfinanzierung oder eine direkte Abgeltung der Kantone durch den Bund geprüft.

Eine Schaffung von neuen Rechtsgrundlagen und Instrumenten, wie dies beispielsweise bei einer Spezialfinanzierung der Fall wäre, würde schon nur für deren Entwicklung einen hohen administrativen Aufwand bedeuten. Zudem wäre auch wiederkehrend mit neuen Instrumenten und Abläufen zu arbeiten. Dieser zusätzliche Aufwand scheint in Anbetracht der Höhe der Beträge nicht gerechtfertigt.

Mit der Finanzierung der zusätzlichen Aufwendungen über die Infrastrukturabgeltung hält sich der administrative Aufwand in engen Grenzen, die Instrumente sind bereits etabliert und einfach.

1.3.4.3

Die beantragte Neuregelung

Die ISB sollen sich künftig an den Vorhaltekosten der Wehrdienste beteiligen. Der Bevölkerungsschutz und damit die Organisation sowie die Finanzierung der öffentlichen Wehrdienste ist grundsätzlich Aufgabe der Kantone. Die Betreiber von Bahnlinien sind gestützt auf die Bundesgesetzgebung verpflichtet, für einen sicheren Betrieb zu sorgen. Wie weit diese Verpflichtung geht und ob das hauptsächlich in der Umweltschutzgesetzgebung verankerte Verursacherprinzip hinsichtlich der Finanzierung der Leistungen anwendbar ist, wurde bisher nicht konkretisiert.

Darüber hinaus hat in den letzten Jahren der Druck seitens der Kantone auf die ISB zugenommen, sich an den Vorhaltekosten von öffentlichen Wehrdiensten angemessen zu beteiligen. Die Kantone verlangen eine verursachergerechte Verteilung der Kosten. Zudem leisten private Betriebe über die Gebäudeversicherungen sowie das ASTRA als Betreiberin der Nationalstrassen bereits Beiträge an die Vorhaltekosten der Wehrdienste.

Vor diesem Hintergrund hat die paritätische Projektgruppe die rechtlichen Grundlagen analysiert, die Anforderungen an die einzelnen Wehrdienste (Feuer- und Chemiewehren) definiert sowie mögliche Kosten- und Finanzierungsmodelle für die Beteiligung der Bahnen an den Vorhaltekosten der Wehrdienste aufgezeigt.

Die Bahnen sollen zur Kostentragung verpflichtet werden. Dazu muss das Eisenbahngesetz so angepasst werden, dass die ISB die Vorhaltekosten der Wehrdienste tragen müssen, soweit die Wehrdienste Leistungen für den Einsatz auf Eisenbahnanlagen erbringen. Das konkrete Vorgehen soll im Rahmen einer Verordnung festgehalten werden. Zurzeit ist eine Beteiligung der Bahnen an den Vorhaltekosten rechtlich nicht zwingend.

Damit erhalten die Kantone Mittel, auch langfristig eine zweckmässige Bewältigung von Ereignissen auf der Bahninfrastruktur zu gewährleisten. Zudem haben sie damit die Möglichkeit, auch bahnspezifische Einsatzmittel zu beschaffen.

Die Beteiligten haben einen Vorgehensvorschlag entwickelt und die verabschiedeten Ergebnisse festgehalten. Dieses Vorgehen dient als Grundlage für eine künftige Erarbeitung von einzelnen Leistungsvereinbarungen zwischen Kantonen und ISB.

942

Ausgehend von diesen Grundsätzen müssen selbstverständlich die Vereinbarungen jeweils im Einvernehmen zwischen den Beteiligten den konkreten Gegebenheiten jeder Region und Bahnanlage angepasst werden.

Der Bundesrat will keine detaillierten allgemeingültigen Vorgaben erlassen. Mit der Definition von Grundsätzen sollen aber die Verhandlungen zwischen ISB und Kantonen vereinfacht werden. Materiell werden die bereits entwickelten Einsatztaktiken, einschliesslich der Zusammenarbeit der verschiedenen Einsatzkräfte, nicht in Frage gestellt. Die grundsätzlichen Verantwortungen von ISB und Kantonen bei der Ereignisbewältigung werden nicht verändert.

Das Vorgehen bei bereits abgeschlossenen Vereinbarungen wird auf Verordnungsstufe geregelt.

1.3.4.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Lösung des Problems der Vorhaltekosten der Wehrdienste wurde von den Beteiligten gemeinsam entwickelt und getragen. Im Verhältnis zu den insgesamt innerhalb des öffentlichen Verkehrs fliessenden Subventionsgeldern handelt es sich nicht um grosse Beträge. Aus Sicht der Wehrdienste geht es allerdings um wesentliche Beträge. Der Lösungsvorschlag ist relativ einfach, wird von allen Beteiligten getragen und kann rasch umgesetzt werden.

1.3.4.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Sämtliche ISB in der Schweiz müssen sich für ein Netz von ca. 5200 km mit einem jährlichen Beitrag von insgesamt 3 Millionen Franken an den Vorhaltekosten der Wehrdienste beteiligen. Die Kosten pro ISB reichen ­ abgestuft nach Streckenlänge (Eigentumslänge) und Risiko ­ von wenigen hundert Franken pro Jahr bis ca.

2,2 Millionen. Als Kriterien für die Abschätzung des Risikos werden das Verkehrsaufkommen (Reisende, Güterverkehr), die Risiken aus dem Gefahrguttransport, Tunnels und Naturgefahren verwendet.

Die Kantone erhalten damit Beiträge zwischen ca. 3000 und 500 000 Franken pro Jahr ­ wiederum abhängig von den Risiken und der Länge des von ihnen zu betreuenden Streckennetzes. Die Finanzierung soll mit Hilfe der Infrastrukturabgeltung erfolgen.

Der Bundesrat erwartet, dass mit der neuen Regelung ein langjähriger Streitpunkt gelöst und dadurch Projekte schneller verwirklicht werden können. Die ISB sind damit im Rahmen von einzelnen Projekten weniger dem Druck der Kantone ausgesetzt, projektspezifische Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Tragung von Vorhaltekosten einzugehen. Der Betrag, der durch die schnellere Verwirklichung der Projekte gespart werden kann, ist jedoch nicht bezifferbar.

943

1.3.5

Weitere Anpassungen im Rahmen der Bahnreformen

Mit dieser Vorlage sollen zudem Regelungslücken geschlossen und Verbesserungen in den folgenden Bereichen erreicht werden: Bereich

Massnahmen

Gesetzesartikel

1.

Netzzugang

EU-Sicherheitsrichtlinie übernehmen

EBG Art. 5, 8a­8f (neu)

2.

Datenlieferungspflicht für Verkehrsstatistik

Präzisierung mit dem Begriff Verkehrsstatistik

EBG Art. 16 und PBG Art. 53

3.

Regionaler Personenverkehr

Mehrjähriger Zahlungsrahmen

PBG Art. 30a (neu)

4.

Reisende ohne gültigen Fahrausweis

Strafbestimmungen

PBG Art. 57 und 60

5.

Gewährung des Netzzugangs Trassenbestellung durch Dritte klar regeln

EBG Art. 9a

6.

Behindertengleichstellung

ganzes BehiG und Art. 9 Abs. 3 Bst. c Ziff. 6

7.

Pflichten des Fahrzeughalters Aufnahme der Bestimmung ins EBG statt ins GüTG

GüTG Art. 8 EBG Art. 17a und 17b

8.

Fahrunfähigkeit Binnenschifffahrt

Alkoholgrenzwerte festlegen

BSG Art. 20, 22a, 22b, 41a und 41b

9.

Sicherheitsrelevante Tätigkeiten

Strafbestimmungen

SebG Art. 18a und 25 Abs. 1 und 2

SBB konzessionspflichtig auch für ihre Infrastruktur und Verweis auf SebG

Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen kurz erläutert.

1.3.5.1

EU-Sicherheitsrichtlinie übernehmen

Neu werden Infrastrukturbetreiberinnen eine Sicherheitsgenehmigung benötigen und Eisenbahnverkehrsunternehmen auch dann eine Netzzugangsbewilligung brauchen, wenn sie auf ihrem eigenen Netz verkehren: Damit werden die entsprechenden Anforderungen der revidierten EU-Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit (Richtlinie 2004/49/EG13) umgesetzt.

13

944

Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit), ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 44; zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/149/EG der Kommission vom 27. November 2009, ABl. L 313 vom 28.11.2009, S. 65.

1.3.5.2

Für regionalen Personenverkehr ein mehrjähriger Zahlungsrahmen

Die mit der Zusatzbotschaft zur Bahnreform 214 eingeführten mehrjährigen Angebotsvereinbarungen sollen mit einem vierjährigen Zahlungsrahmen gesteuert werden.

1.3.5.3

Strafbestimmungen im PBG

Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen zwei Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die mit dem Inkrafttreten des PBG15 entstanden sind. Zum einen soll das Reisen ohne gültigen Fahrausweis wieder klarer geregelt werden. Zum anderen soll der Bundesrat das Recht erhalten, andere Verhaltensweisen zum Nachteil der Mitreisenden oder Transportunternehmen zu Übertretungstatbeständen zu erklären, wie z.B. ungebührliches Verhalten oder Verstösse gegen die Benützungs- und Verhaltensvorschriften. Auch sollen die vom BAV zu verfolgenden Übertretungen wiederum zu Antragsdelikten werden.

1.3.5.4

Trassenbestellung durch Dritte

Im Güterverkehr sind Netzbenutzerinnen häufig lediglich als Traktionärinnen im Auftrag Dritter tätig. Das heisst, dass sie Züge befördern, die sie nicht selbst zusammengestellt haben und für die sie auch nicht die Marktverantwortung tragen.

Es ist offensichtlich, dass das verantwortliche Güterverkehrsunternehmen so weit wie möglich selbst bestimmen möchte, wann und wo seine Züge verkehren, und dass es daher daran interessiert ist, selbst Trassen bestellen zu können. Die Netzzugangsverordnung vom 25. November 199816 erlaubt dies bereits heute, eine Regelung auf Gesetzesstufe fehlte aber bisher.

Trassenbestellungen durch Dritte ermöglichen den Güterverkehrsunternehmen, die ihre Züge nicht selbst befördern, eine bessere Planung und stärken so ihre Position im Wettbewerb. Dies kommt letztlich der Verkehrsverlagerung auf die Schiene zugute. Die Trassenbestellung durch Dritte soll mit dieser Vorlage deshalb ausdrücklich ermöglicht werden. Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr17 beinhaltet auch die Möglichkeit der Trassenbestellung durch Dritte.

Artikel 9 EBG ist entsprechend zu ergänzen. Gleichzeitig wird im Einklang mit der Richtlinie 2001/14/EG der Trassenhandel verboten, wie dies auch im Rahmen der Vernehmlassung zu dieser Vorlage gefordert wurde.

14 15 16 17

BBl 2007 2681 SR 745.1 SR 742.122 Verordnung (EU) Nr. 913/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr, ABl. 276 vom 20.10.2010, S. 22.

945

1.3.5.5

Fahrunfähigkeit in der Binnenschifffahrt

In den letzten Jahren wurde der Bund von den Kantonen aufgefordert, für das Führen eines Schiffes unter Alkoholeinfluss den Begriff der Angetrunkenheit mittels klaren Blutalkoholgrenzwerten zu definieren. Zwar untersagt das BSG18 bereits heute das Führen eines Schiffes in angetrunkenem Zustand. Es gibt aber bisher keine Konkretisierung dazu, ab welcher Alkoholkonzentration im Blut Angetrunkenheit vorliegt. Zudem fehlen Bestimmungen über das Verfahren zur Feststellung der Angetrunkenheit (verdachtsfreie Atemalkoholprobe).

Soweit bekannt ist, haben die kantonalen Stellen in der Schifffahrt bis anhin teilweise die Grenzwerte für den Strassenverkehr analog angewendet. Eine unterschiedliche Praxis sowohl im Strafverfahren als auch beim Administrativverfahren war damit nicht zu vermeiden. Eine optimale präventive Wirkung gegen Angetrunkenheit am Steuer eines Schiffes war damit nicht gewährleistet.

Im BSG wird nun eine Delegationskompetenz an den Bundesrat geschaffen, damit dieser festlegen kann, ab welcher Blutalkoholkonzentration von Angetrunkenheit gesprochen werden kann. Der Bundesrat soll zugleich eine qualifizierte Blutalkoholkonzentration festlegen, ab welcher eine schärfere Strafe ausgesprochen wird.

Bei gewerbsmässig eingesetzten Schiffen sollen für Personen, die diese Schiffe führen, an deren Führung beteiligt sind oder an deren Bord einen nautischen Dienst ausüben, tiefere Grenzwerte für Blutalkoholkonzentration festgelegt werden können als im Bereich der Sport- und Freizeitschifffahrt bzw. ein Alkoholverbot erlassen werden können.

Zugleich werden die gesetzlichen Grundlagen für eine verdachtsfreie Atemalkoholprobe geschaffen.

Analog der Regelung für den Strassenverkehr soll der Bundesrat im gleichen Schritt Grenzwerte für den Konsum von die Fahrfähigkeit herabsetzenden Substanzen (Betäubungs- und Arzneimittel) festlegen.

Ergänzend zur Festlegung der vorgenannten Grenzwerte werden die Bestimmungen über die Strafen und die Administrativmassnahmen weiter differenziert und angepasst.

1.3.5.6

Strafbestimmungen im SebG

Im Bereich der Seilbahnen wurden Vorschriften erlassen, die sicherstellen sollen, dass die sicherheitsrelevanten Tätigkeiten nur von dienstfähigem Personal ausgeübt werden. Die Ausübung sicherheitsrelevanter Tätigkeiten in dienstunfähigem Zustand, insbesondere unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen, wird unter Strafe gestellt. Diese Bestimmungen werden hier noch präzisiert (Art. 18a SebG).

Zudem wird unterschieden zwischen der vorsätzlichen und der fahrlässigen Begehung von Straftaten (Art. 25 Abs. 1 und 2 SebG).

18

946

SR 747.201

1.4

Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat beauftragte das UVEK am 17. Juni 2009, eine Vernehmlassung zum zweiten Schritt der Bahnreform 2 durchzuführen. Die Vernehmlassung wurde am 3. Juli 2009 eröffnet und dauerte bis zum 16. Oktober 2009. Eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die auf gesamtschweizerischer Ebene tätigen Wirtschaftsverbände und Organisationen, die Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie weitere interessierte Kreise. Insgesamt gingen 75 Vernehmlassungsantworten ein.

1.4.1

Ergebnis der Vernehmlassung zu den unterbreiteten Teilen dieser Vorlage

Positives Echo Die Vernehmlassungsvorlage mit den Themenbereichen diskriminierungsfreier Netzzugang, Interoperabilität des europäischen Schienennetzes, Ausschreibungen im Personenverkehr und Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste wurde von der überwiegenden Mehrheit der Konsultierten in ihren Zielsetzungen und Hauptinhalten unterstützt. Die Bahnreform als Prozess zur Effizienzsteigerung wird grundsätzlich als notwendig angesehen.

Ausweitung der interoperablen Strecken auf das gesamte Normalspurnetz In vielen Antworten wurde eine Ausweitung der interoperablen Strecken auf das gesamte Normalspurnetz gewünscht, weil einheitliche Standards praktikabler sind und durch das geplante Vorgehen (Umsetzung der TSI bei grundsätzlichen Neubauten, Umrüstungen und Erneuerungen) keine hohen Investitionen getätigt werden müssen. Zusätzlich wurde begrüsst, dass Schmal- und Meterspurbahnen von der Interoperabilität ausgenommen werden.

Private und staatliche Konformitätsbewertungsstellen Zustimmung fand auch der Vorschlag, dass die Bescheinigung der Konformität eines Produkts von privaten Konformitätsbewertungsstellen wahrgenommen werden soll, dass aber auch die Rechtsgrundlage für eine staatliche Konformitätsbewertungsstelle geschaffen wird. Eine staatliche Konformitätsbewertungsstelle soll subsidiär sein. Sie soll also nur geschaffen werden, wenn am Markt nicht genügend private Konformitätsbewertungsstellen entstehen.

Trassenbestellung Die Mehrheit unterstützt die Möglichkeit, dass auch Unternehmen, die den Eisenbahnverkehr nicht selber durchführen, Trassen bestellen können. Voraussetzung ist aber, dass keine Trassen blockiert werden und kein Handel mit Trassen möglich ist.

Neues Ausschreibungssystem im Busbereich Die Mehrheit bejaht die neue Lösung, dass die Besteller sich im Busbereich nach Ablauf der Konzession entscheiden müssen, ob sie ein abgeltungsberechtigtes Angebot ausschreiben wollen oder ob das Angebot alle zwei Jahre dem herkömmlichen Bestellverfahren unterstellt wird. Zudem erscheint es für die überwiegende

947

Mehrheit sinnvoll, dass der Zuschlag sowie die Konzessionserteilung bzw.

-erneuerung in derselben Verfügung geregelt werden.

Keine Ausschreibungspflicht im Bahnbereich Anders als im Busbereich sah die Vernehmlassungsvorlage keine Ausschreibungspflicht im Bahnbereich vor. Ausschreibungen sind jedoch grundsätzlich möglich.

Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung sind gegensätzlich. In einigen Antworten wurde gefordert, dass die Ausschreibungspflicht zukünftig auf den Bahnbereich ausgeweitet wird. Im Gegensatz dazu haben andere gefordert, dass nur im Busbereich eine Ausschreibungspflicht vorgesehen wird.

Beteiligung der Infrastrukturbetreiberinnen an den Vorhaltekosten der Wehrdienste Mehrheitlich begrüsst werden der Abschluss von Leistungsvereinbarungen zwischen den ISB und den Kantonen, die Art der Mittelverteilung nach Massgaben der Länge und des Risikos der Strecke wie auch die Kriterien für die Abschätzung des Risikos.

1.4.2

Vorgabe des Bundesrats zum weiteren Vorgehen

In der Vernehmlassung zum zweiten Schritt der Bahnreform 2 wurde auch der Themenbereich «Diskriminierungsfreier Netzzugang» und im Speziellen die Ausgestaltung einer Trassenvergabestelle dargelegt. Die unterbreitete Lösung stiess grundsätzlich auf ein positives Echo. Sondierungsgespräche mit den Fachdiensten der EU-Kommission haben aber ergeben, dass das in der Vernehmlassung präsentierte Modell einer unabhängigen Trassenvergabestelle nicht den Standards der EURichtlinien entsprach.

Separate Vorlage für Trassenvergabestelle Vor diesem Hintergrund, aber auch, um Klarheit über die künftige Ausgestaltung der Eisenbahninfrastrukturlandschaft zu erhalten, hat der Bundesrat am 11. Juni 2010 beschlossen, dass für die Ausgestaltung des diskriminierungsfreien Netzzugangs und insbesondere der Trassenvergabestelle verschiedene Modelle geprüft werden sollen.

Das UVEK wurde beauftragt, unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der EU verschiedene Modelle vertieft zu prüfen und deren Vor- und Nachteile im Hinblick auf eine separate Vorlage darzulegen. Hierfür wird das UVEK eine Arbeitsgruppe einsetzen.

Übernahme der EU-Bahnpakete bleibt grundsätzliches Ziel Das Ziel, die EU-Bahnpakete grundsätzlich zu übernehmen, verlangt unter anderem eine unabhängige und diskriminierungsfreie Vergabe der Trassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die EU selbst die entsprechenden Richtlinien und Verordnungen gegenwärtig überarbeitet («Recast»). Die Erkenntnisse aus dieser Überarbeitung sind in die separate Vorlage mit aufzunehmen.

Die Vorgabe des Bundesrats für den zweiten Schritt der Bahnreform 2 ist es, die unbestrittenen Teile des 1. und 2. EU-Eisenbahnpakets (vorab: Interoperabilitätsund Sicherheitsrichtlinie) umzusetzen, wie auch die Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr und die Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste zu regeln.

948

1.5

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

Das schweizerische und das europäische Recht driften im Bereich des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs seit einigen Jahren auseinander. Während die EU mit Liberalisierungsprojekten voranschreitet, hält die analoge Entwicklung des schweizerischen Rechts nicht Schritt.

Mit dieser Vorlage wird lediglich ein Teil (namentlich die Interoperabilitäts- und die Sicherheitsrichtlinie) der EU-Bahnpakete übernommen. Der diskriminierungsfreie Netzzugang und insbesondere die Ausgestaltung der Trassenvergabestelle sollen Gegenstand einer separaten Vorlage sein. In jenem Rahmen wird es dann auch möglich sein, die weiteren Schritte zur Stärkung der SKE zu machen.

Die europäische Regelung bei Ausschreibungen im Personenverkehr geht grundsätzlich nicht weiter als diejenige der Schweiz. Eine Ausschreibungspflicht im Schienenpersonenverkehr sieht die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 200719 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Strasse nicht zwingend vor. So können die zuständigen Behörden öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr ­ mit Ausnahme anderer schienengestützter Verkehrsträger wie Untergrund- oder Strassenbahnen ­ direkt vergeben, sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist.

1. EU-Eisenbahnpaket: Netzzugang und Diskriminierungsfreiheit stärken Mit dem 1. EU-Eisenbahnpaket im Jahr 2001 beschloss die EU wichtige Ergänzungen zur ursprünglichen Bahnreform-Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 199120 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft. Die Richtlinie 91/440/EWG ist Bestandteil von Anhang 1 des Landverkehrsabkommens, in welchem die Gleichwertigkeit der Rechtsnormen in der Schweiz und in der EU im fraglichen Bereich anerkennt werden. Das 1. EU-Eisenbahnpaket ist in der EU am 15. März 2003 in Kraft getreten. Die drei EU-Richtlinien (Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 200121 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, Richtlinie 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 200122 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 26. Februar 200123 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung) sehen insbesondere Folgendes vor:

19 20 21 22 23

­

Der Marktzugang bzw. der Netzzugang im Güterverkehr wird ausgeweitet.

­

Um die Diskriminierungsfreiheit zu gewährleisten, verlangt die EU, dass die Trassenvergabe durch eine Stelle erfolgt, die selbst keine Eisenbahnver-

ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1.

ABl. L 237 vom 24.8.1991, S. 25.

ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 1.

ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 26.

ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29; zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/58/EG, ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 44.

949

kehrsleistungen erbringt und rechtlich, organisatorisch sowie in ihren Entscheiden von Eisenbahnunternehmen unabhängig ist.

­

Die Regelungen für den Netzzugang, die Zulassung der Unternehmen und die Festsetzung des Trassenpreises werden in vielen Detailpunkten verfeinert.

Interoperabilitätsrichtlinien Das Thema Interoperabilität wird in der Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 199624 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems und in der Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 200125 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems behandelt. Grosses Gewicht wird auf die schrittweise Umsetzung der Interoperabilität in allen Ländern gelegt. Diese ist im Gegensatz zu den anfänglichen Bestrebungen nicht mehr beschränkt auf die Hochgeschwindigkeitsnetze, sondern betrifft auch den konventionellen Bahnbetrieb. Für die Schweiz ist im Prinzip nur die zweite Richtlinie von Bedeutung, da es in der Schweiz keine eigentlichen Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt. Selbst auf der Neubaustrecke Mattstetten­Rothrist verkehren (nachts) auch Güterzüge.

2. EU-Eisenbahnpaket: 1. EU-Eisenbahnpaket und Interoperabilitätsrichtlinien weiterentwickeln Um den Aufbau eines integrierten europäischen Eisenbahnraums zu beschleunigen, hat die EU am 30. April 2004 das 2. EU-Eisenbahnpaket in Kraft gesetzt. Dieses ist die konsequente Weiterentwicklung des 1. EU-Eisenbahnpakets. Hierbei geht es insbesondere um die Verbesserung der Sicherheit und der Interoperabilität sowie um die Beschleunigung der Marktöffnung für den Schienengüterverkehr. So ist die Marktöffnung im grenzüberschreitenden Güterverkehr bereits ab 2006 erfolgt, die Einführung der Kabotage per Januar 2007. Im Einzelnen haben die Rechtsakte des 2. EU-Eisenbahnpakets folgende Inhalte: ­

Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 200426 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit) Diese Richtlinie regelt die Verantwortlichkeiten und die Aufgabenverteilung betreffend der Sicherheit im europäischen Eisenbahnraum. Neu ist für den Betrieb der Infrastruktur eine Sicherheitsgenehmigung erforderlich, welche für die ganze Gemeinschaft gültig ist.

­

24 25 26 27

950

Richtlinie 2004/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 200427 zur Änderung der Richtlinie 96/48/EG des Rates über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems und der Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 6.

ABl. L 110 vom 20.04.2001, S. 1.

ABl. L 164 vom 30.04.2004, S. 44.

ABl. L 164 vom 30.04.2004, S. 114.

über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems Mit der Änderungsrichtlinie wird im Wesentlichen die Richtlinie 96/48/EG (Hochgeschwindigkeit) an die Systematik der aktuelleren Richtlinie 2001/16/EG (konventioneller Bahnbetrieb) angeglichen. Der Geltungsbereich wird nun schrittweise auf das gesamte konventionelle Eisenbahnsystem ausgeweitet.

­

Richtlinie 2004/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 200428 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft Ab dem 1. Januar 2006 erhalten Eisenbahnunternehmen für den grenzüberschreitenden Güterverkehr zu angemessenen Bedingungen Zugang zur gesamten Eisenbahninfrastruktur der Gemeinschaft. Ab dem 1. Januar 2007 erhalten sie für alle Arten von Schienenfrachtdiensten Zugang zur Infrastruktur aller Mitgliedstaaten. Dies bedeutet, dass auch die nationale Kabotage ermöglicht wird.

­

Verordnung (EG) Nr. 881/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 200429 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur (Agenturverordnung) Die Agenturverordnung enthält die Vorgaben zum Aufbau der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA). Die ERA koordiniert seit April 2006 die Aspekte der Sicherheit und der Interoperabilität des europäischen Eisenbahnsystems.

Sie erarbeitet im Auftrag der Europäischen Kommission die für die Sicherheit und Interoperabilität erforderlichen technischen Vorschriften (u.a. die TSI) und prüft die Vereinbarkeit von nationalen Vorschriften mit den technischen Vorschriften für die Sicherheit und Interoperabilität in der EU.

3. EU-Eisenbahnpaket: Rechte der Fahrgäste stärken, grenzüberschreitenden Personenverkehr öffnen, Vorschriften für Lokführer und -führerinnen vereinheitlichen Am 23. Oktober 2007 hat die EU das 3. EU-Eisenbahnpaket beschlossen. Es besteht aus zwei Richtlinien und einer Verordnung. Sie sehen insbesondere Folgendes vor: ­

Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 200730 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr Die Rechte der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr sollen verbessert werden.

Dafür werden Vorschriften über die Ausgabe von Fahrkarten, die zur Verfügung zu stellenden Informationen, über die Haftung der Eisenbahnunternehmen sowie ihre Versicherungspflicht gegenüber Fahrgästen und deren Gepäck eingeführt. Zudem werden Mindestentschädigungen bei Verspätungen und Zugausfällen festgesetzt. Die Regelungen zu den Rechten der Fahrgäste sind in der EU im Dezember 2009 in Kraft getreten.

28 29 30

ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 164.

ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 1.

ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 14

951

­

Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 200731 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur Der Markt für den grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr wird ab 2010 für den Wettbewerb geöffnet. Kabotage wird vorerst nur im grenzüberschreitenden Verkehr möglich sein, d.h. für grenzüberschreitende Verkehrsdienste, deren Hauptzweck in der Beförderung von Fahrgästen zwischen Bahnhöfen in verschiedenen Mitgliedstaaten besteht. Die Einzelheiten des Zugangsrechts werden in dieser Richtlinie präzisiert. Es wird ein Verfahren geschaffen, das eine Einschränkung des Zugangs zum Markt ermöglicht.

Zusätzlich kann für die ausgeschriebenen Personenverkehrsdienste das Kabotagerecht während 15 Jahren eingeschränkt werden, dies über einen Konzessionsvertrag mit ausschliesslichen Rechten.

­

Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 200732 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen Es wird ein europäisch einheitlicher Lokführerschein geschaffen. Die Voraussetzungen und das Verfahren der Zertifizierung sind klar definiert. Damit müssten die Lokführer und -führerinnen künftig nicht mehr an der Grenze wechseln. Die Vorschriften werden etappenweise umgesetzt.

Weitere Vorschriften der EU zu Interoperabilität und Personenverkehr In engem Zusammenhang mit dem 3. EU-Eisenbahnpaket steht die gleichentags erlassene Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäisches Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 200733 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Strasse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) 1107/70 des Rates. Mit dieser Verordnung werden Diskriminierungen auf dem sich mehr und mehr öffnenden Markt vermieden und insbesondere die Verfahren zur Festsetzung von Abgeltungen harmonisiert. Sie ist am 3. Dezember 2009 in Kraft getreten.

Mit dem 2. EU-Eisenbahnpaket waren bereits die Richtlinien 96/48/EG (Hochgeschwindigkeit) und 2001/16/EG (konventioneller Betrieb) durch die Richtlinie 2004/50/EG geändert worden. Mit der neuen Interoperabilitätsrichtlinie 2008/57/EG34 wurde aus Gründen der Klarheit und Vereinfachung eine Neufassung entwickelt, welche die bestehenden Richtlinien zu einem einzigen Text zusammenfasst und weitere Entwicklungen aufnimmt. Insbesondere wurde die gegenseitige Anerkennung von Betriebsbewilligungen geregelt.

In der folgenden Tabelle sind die Entwicklungen des EU-Rechts und der Stand der Umsetzung in der Schweiz im Überblick dargestellt.

31 32 33 34

952

ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 44.

ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 51.

ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1.

Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft (Neufassung), ABl. L 191 vom 18.7.2008, S. 1.

Tabelle Entwicklungen des EU-Rechts und Nachvollzug in der Schweiz Entwicklung des EU-Rechts Inhalte

RL 91/440/EG

Nachvollzug in der Schweiz

­ Herauslösen der Staatsbahnen Bahnreform 1 ­ 1999: in eigenständige Unternehmen, ­ Herauslösen der Staatsbahnen ­ Wettbewerb auf dem Schienenin eigenständige Unternehmen, netz, vor allem im Güterverkehr. ­ rechnerische und organisatorische Trennung von Infrastruktur und Verkehr, ­ Netzzugang, ­ Ausdehnung des Bestellprinzips auf alle Abgeltungen, ­ Liberalisierung des Güterverkehrs.

1. EU-Eisenbahnpaket ­ Ausweitung des Marktzugangs ­ Nachvollzug ins Auge gefasst, 2001 im Güterverkehr, aber noch offen ­ Errichtung einer rechtlich und organisatorisch unabhängigen Trassenvergabestelle, ­ Verfeinerung der Regelungen für den Netzzugang, die Zulassung der Unternehmen und die Trassenpreisfestsetzung.

Interoperabilitätsricht- ­ Schrittweiser Nachvollzug der linien 96/48/EG und Interoperabilität in allen Län2001/16/EG; geändert dern.

durch RL 2004/16/EG (Neufassung: RL 2008/57/EG)

­ Nachvollzug mit dieser Vorlage

2. EU-Eisenbahnpaket ­ Regelungen der Verantwortlich- ­ Nachvollzug ins Auge gefasst, 2004 keiten und der Aufgabenverteiaber noch offen lung betreffend die Sicherheit im europäischen Eisenbahnraum, ­ Anpassung der Richtlinie 96/48/EG (Hochgeschwindigkeit) an die Systematik der aktuelleren Richtlinie 2001/16/EG (konventioneller Bahnbetrieb), ­ Ermöglichung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs und ab dem 1. Januar 2007 Zugang zur Infrastruktur für die Eisenbahnunternehmen für alle Arten des Güterverkehrs, ­ Vorgaben zum Aufbau der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA).

3. U-Eisenbahnpaket 2007

­ Verbesserung der Rechte und ­ Nachvollzug in Prüfung, so Pflichten der Fahrgäste im Eibald wie möglich senbahnverkehr, ­ Öffnung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs, ­ Einheitliche Zertifizierung von Triebfahrzeugführern.

953

Verfahren zur Harmonisierung der schweizerischen Gesetzgebung im Verkehrsbereich mit dem EU-Recht Mit dem Abschluss des bilateralen Landesverkehrsabkommens mit der EU hat sich die Schweiz verpflichtet, im Bereich des Eisenbahnverkehrs die Interoperabilität der Eisenbahnnetze zu entwickeln und im Rahmen einer koordinierten Verkehrspolitik wettbewerbsfähige Verkehrsdienste im Eisenbahnverkehr bereitzustellen. Daraus kann sich für die Schweiz das Bedürfnis einer Rechtsangleichung ergeben. Nach Artikel 52 des Landverkehrsabkommens35 sieht das Verfahren zur Entwicklung des Rechts wie folgt aus: ­

Sobald eine Vertragspartei neue Rechtsvorschriften in einem Bereich ausgearbeitet hat, für den dieses Abkommen gilt, holt sie auf informellem Weg die Stellungnahme der anderen Vertragspartei ein.

­

Ist eine Änderung der Rechtsvorschriften verabschiedet, so wird diese der anderen Vertragspartei mitgeteilt. Auf Verlangen einer Vertragspartei erfolgt im Gemischten Landverkehrsausschuss Gemeinschaft/Schweiz ein Meinungsaustausch über die Auswirkungen der Änderungen. (Der Gemischte Ausschuss setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsparteien zusammen und ist für die Verwaltung und ordnungsgemässe Anwendung des Landverkehrsabkommens zuständig.)

­

Im Gemischten Ausschuss kann die Vereinbarkeit der Bestimmungen mit dem Abkommen festgestellt werden. Wird das neue Recht aber als Änderung gegenüber dem Abkommen angesehen, dann müssen entweder die Anhänge den neuen Rechtsvorschriften entsprechend angepasst oder aber das Abkommen selbst neu verhandelt werden, welch Letzteres nicht im Interesse der Schweiz ist. Als dritte Möglichkeit kommt in Betracht, andere Massnahmen zu beschliessen, die das ordnungsgemässe Funktionieren des Abkommens gewährleisten.

Bei Vertragsverletzungen oder wenn ein Beschluss des Gemischten Ausschusses nicht ausgeführt wird, kann die geschädigte Vertragspartei nach Beratung im Gemischten Ausschuss ausgleichende Massnahmen ergreifen.

1.6

Umsetzung

Im Rahmen der Umsetzungsarbeiten müssen unter anderem in folgenden Verordnungen Änderungen vorgenommen werden: ­

Eisenbahnverordnung (EBV) und die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen (AB-EBV),

­

Netzzugangsverordnung (NZV) und die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen (AB-NZV),

­

Verordnung über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs (ARPV),

­

Gebührenverordnung BAV (GebV-BAV)

In Einzelfällen kann es sich aufdrängen, eine neue Verordnung zu erlassen.

35

954

SR 0.740.72

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der vorliegenden Botschaft wird die Forderung des nachstehenden Postulats erfüllt: 1998

P

98.3531

Übertragung hoheitlicher Aufgaben der SBB an Dritte (Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR 98.047)

Der Bundesrat beantragt daher, dieses Postulat als erfüllt abzuschreiben.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesänderungen

2.1

Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)36

Mit der Zusatzbotschaft zur Bahnreform 237 werden die SBB auch für ihre Infrastruktur konzessionspflichtig und fallen dadurch unter den Begriff «konzessionierte Unternehmen». Der Begriff «SBB» wird somit im ganzen Erlass gestrichen, und der Text wird entsprechend angepasst.

Art. 9 Abs. 3 Bst. c Ziff. 6 Die Seilbahnverordnung vom 10. März 198638 wurde mit dem SebG39 und den zugehörigen neuen Verordnungen, gegenstandslos und deshalb aufgehoben. Materiell entspricht Artikel 9 SebG dem Artikel 27 der aufgehobenen Seilbahnverordnung von 1986.

2.2

Bundesgerichtsgesetz (BGG)40

Der Ausnahmekatalog von Artikel 83 BGG wird um diejenigen Verfügungen ergänzt, die das BAV gestützt auf den neuen Artikel 32i PBG erlässt.

Bei den Vergabeentscheiden im öffentlichen Verkehr handelt es sich um ein spezielles Verfahren, das eine spezielle Regelung im Beschwerdeverfahren rechtfertigt. So wird zum Beispiel der erstinstanzliche Vergabeentscheid jeweils vom BAV und vom betroffenen Kanton zusammen erarbeitet, was zu einer hohen Qualität des erstinstanzlichen Entscheides führt. Dies rechtfertigt es, dass das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden abschliessend entscheidet. Diese Lösung entspricht auch dem Bundesratsbeschluss vom 17. Juni 2009 betreffend das öffentliche Beschaffungswesen, mit dem das UVEK unter anderem beauftragt wurde, im Rahmen einer Teilrevision des BöB vorzusehen, dass bei Beschaffungen von nationaler Bedeutung das Bundesverwaltungsgericht abschliessend entscheidet.

36 37 38 39 40

SR 151.3 BBl 2007 2681

AS 1986 632, 1991 1476, 1994 1233, 1997 1008, 1999 754, 2000 2103, 2005 4957

SR 743.01 SR 173.110

955

2.3

Eisenbahngesetz (EBG)41

Art. 1

Gegenstand und Geltungsbereich

Das Eisenbahngesetz regelt den Bau und den Betrieb von Eisenbahnen. Die Definition der Eisenbahn findet sich neu und klarer als bisher in Absatz 2. Dabei ist der Begriff Verkehr im umfassenden Sinn zu verstehen. Das Gesetz gilt nicht nur für Eisenbahnunternehmen. Vielmehr gibt es Bestimmungen, die auch für Dritte gelten müssen. Zwei Beispiele: Das Inverkehrbringen einer mangelhaften Interoperabilitätskomponente muss jedermann mittels einer Allgemeinverfügung untersagt werden können (Art. 23i Abs. 4). Auch muss die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit haben, Aufsichtsmassnahmen dort durchzuführen, wo dies am wirksamsten ist. Deshalb kann es beispielsweise angezeigt sein, den Hersteller, Importeur oder Händler eines mangelhaften Produkts, den Halter eines Eisenbahnwagens oder eine Instandhaltungswerkstätte zu kontrollieren und nicht lediglich die Eisenbahnunternehmen, die Fahrzeuge bewegen, in welche das mangelhafte Produkt eingebaut sein könnte. Das bisherige Abgrenzungskriterium («spurgeführt») wird fallen gelassen, weil es aufgrund der technischen Entwicklung zu eng geworden ist. In Zweifelsfällen soll der Bundesrat entscheiden können, ob eine Anlage unter das EBG fällt oder nicht.

Art. 2

Eisenbahnunternehmen

Die Bestimmung definiert die beiden Erscheinungsformen von Eisenbahnunternehmen, nämlich die Infrastrukturbetreiberinnen und die Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Zweites Kapitel: Eisenbahnunternehmen 1. Abschnitt: Infrastrukturbetreiberinnen Art. 5 Abs. 4 Die Einführung einer mit dem EU-Recht kompatiblen Sicherheitsgenehmigung wird in Artikel 5 Absatz 4 festgelegt, die Details werden in den Artikeln 8a und 8b geregelt. Der Bundesrat erhält in Übereinstimmung mit dem EU-Recht die Kompetenz, für regional tätige Unternehmen Erleichterungen vorzusehen. Solche Erleichterungen werden vor allem für Schmalspurbahnen in Frage kommen.

Art. 8a (neu)

Erteilung und Erneuerung der Sicherheitsgenehmigung

Die Sicherheitsgenehmigung, deren Einführung zur Umsetzung der EU-Sicherheitsrichtlinie erforderlich ist, wird vom Staat erteilt, in dem die Infrastruktur liegt. Sie muss entsprechend der Vorgaben der EU-Richtlinie alle fünf Jahre erneuert werden.

Wesentlichster Inhalt ist die Prüfung des Sicherheitsmanagement-Systems der Infrastrukturbetreiberin.

Das BAV muss daher neu Sicherheitsgenehmigungen für die Infrastrukturbetreiberinnen ausstellen.

41

956

SR 742.101

Art. 8b (neu)

Widerruf (der Sicherheitsgenehmigung)

Erfüllt ein Unternehmen die Anforderungen nicht mehr, so kann die Sicherheitsgenehmigung widerrufen werden. Dies bedeutet praktisch, dass das Unternehmen gezwungen wird, die Konzession auf ein anderes Unternehmen zu übertragen.

2. Abschnitt: Eisenbahnverkehrsunternehmen Art. 8c (neu)

Netzzugangsbewilligung und Sicherheitsbescheinigung

Bislang waren Eisenbahnunternehmen berechtigt, auf eigener Infrastruktur Personen und Güter zu befördern, ohne dass sie dafür eine Netzzugangsbewilligung gebraucht hätten. Bereits in der Beratung der Bahnreform 1 wurde zu Protokoll gegeben, dass für Fahrten auf eigener Infrastruktur die Anforderungen nicht geringer sein könnten als bei Fahrten auf fremder Infrastruktur. Zukünftig sind auch für Fahrten auf eigener Infrastruktur eine Genehmigung als Eisenbahnverkehrsunternehmen (Netzzugangsbewilligung) und eine Sicherheitsbescheinigung erforderlich. Dies ist auch notwendig, um die EU-Richtlinie 2004/49/EG über die Eisenbahnsicherheit in schweizerisches Recht umsetzen zu können.

Art. 8d (neu)

Erteilung und Erneuerung der Netzzugangsbewilligung

Die Voraussetzungen zur Erteilung der Bewilligung entsprechen weitestgehend dem bisherigen Artikel 9 EBG sowie den Vorgaben der Richtlinien 95/18/EG (in der Fassung der Richtlinie 2001/13/EG) und 2004/49/EG.

Neu benötigen alle Eisenbahnverkehrsunternehmen eine Netzzugangsbewilligung, auch wenn sie nur auf dem eigenen Netz verkehren. Die wesentlichen Elemente aus dem bisherigen Artikel 9 sind im neuen Artikel 8d wiederzufinden.

Die in Artikel 8d enthaltenen Bestimmungen werden im Wesentlichen bereits heute angewendet, wenn ein Unternehmen um eine Netzzugangsbewilligung für Fahrten auf Infrastrukturen anderer Bahnen ersucht (siehe auch Eisenbahn-Netzzugangsverordnung vom 25. November 1998; NZV; SR 742.122). Sie haben sich in der Praxis bewährt.

Aufgrund des Landverkehrsabkommens gilt zwischen der Schweiz und den Ländern der EU bereits heute die gegenseitige Anerkennung der Netzzugangsbewilligungen.

Art. 8e (neu)

Erteilung und Erneuerung der Sicherheitsbescheinigung

Die Sicherheitsbescheinigung umfasst die Zulassung des Sicherheitsmanagementsystems und die Zulassung streckenspezifischer Vorkehrungen, die das Eisenbahnunternehmen getroffen hat, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Zulassung des Sicherheitsmanagementsystems wird genauso wie die Netzzugangsbewilligung europaweit gültig sein. Dagegen handelt es sich bei der Zulassung der streckenspezifischen Vorkehrungen um eine rein nationale Zulassung.

Dies hat zur Folge, dass das BAV neu die Sicherheitsmanagementsysteme aller überregional tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen zulassen muss.

957

Art. 8f (neu)

Widerruf (von Netzzugangsbewilligung und Sicherheitsbescheinigung)

Erfüllt ein Unternehmen die Voraussetzungen nicht mehr, so müssen die Sicherheitsbescheinigung und allenfalls auch die Netzzugangsbewilligung widerrufen werden.

Art. 9a Abs. 1, 4, 5 (neu) und 6 (neu) Das EU-Recht (Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) verbietet den Handel mit Trassen. Dieses Verbot wird ins schweizerische Recht übernommen. Die Übertragung von Trassen ist aber zulässig, wenn mit der Durchführung eines bestimmten Verkehrs ein (anderes) Eisenbahnverkehrsunternehmen betraut wird.

Art. 16 Abs. 1 zweiter Satz Zur Präzisierung der Datenlieferungspflicht wird ein zweiter Satz eingefügt, der bereits in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung enthalten war.

Viertes Kapitel: Planung, Bau und Betrieb 1. Abschnitt: Grundsätze Art. 17a

Register der zugelassenen Fahrzeuge

Das Register der zugelassenen Fahrzeuge soll den entsprechenden Bestimmungen der Interoperabilitätsrichtlinie (Art. 33) sowie den Vorgaben des COTIF entsprechen. Da dort keine uneingeschränkte Zugänglichkeit des Registers vorgesehen ist, muss Artikel 17a infolge der Güterverkehrsvorlage entsprechend modifiziert werden. In der Verordnung soll explizit geregelt werden, welche Teile des Registers öffentlich zugänglich sind.

Der Bundesrat kann regeln, wer kennzeichnungspflichtig ist und welche genauen Vorgaben für die Kennzeichnung gelten.

Die Anmeldepflicht des Bewilligungsinhabers (Halters) dient dazu, dass alle ehemals bei den SBB oder einem konzessionierten Eisenbahnunternehmen eingestellten Wagen mit einer Zulassung nach Artikel 83 Absatz 4 EBV dem BAV gemeldet werden. Geht der Wagen auf einen neuen Halter über, so ist dieser verpflichtet, den Halterwechsel anzumelden.

Der Bundesrat kann die Zugangsrechte konkretisieren und dabei über allfällige Antragserfordernisse entscheiden.

Art. 17b

Instandhaltung von Fahrzeugen

Diese Bestimmung tritt an die Stelle von Artikel 8 GüTG (vgl. Ziff. 2.4). Sie regelt in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2008/110/EG42 und des COTIF, wer für die Instandhaltung verantwortlich ist. Die Regelung betrifft die 42

958

Richtlinie 2008/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 zur Änderung der Richtlinie 2004/49/EG über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit), ABl. L 345 vom 23. 12. 2008 S. 62.

Regressmöglichkeit der Eisenbahnverkehrsunternehmen, die gegenüber Dritten für die Sicherheit des Zuges verantwortlich bleiben. Wird ein Eisenbahnverkehrsunternehmen nach einem Unglück in Anspruch genommen, so kann es bei der für die Instandhaltung verantwortlichen Stelle Regress nehmen, wenn der Schaden auf mangelhafte Instandhaltung zurückzuführen ist.

Damit eine Stelle als für die Instandhaltung verantwortlich in das Register eingetragen wird, ist ihre Einwilligung erforderlich. Soll eine neue Stelle für die Instandhaltung eines Wagens die Verantwortung übernehmen, so wird der Wechsel in der Verantwortung gegenüber den Eisenbahnverkehrsunternehmen erst mit der geänderten Eintragung wirksam.

Der Bundesrat kann Anforderungen an die für die Instandhaltung zuständigen Stellen festlegen. Die Richtlinie 2008/110/EG sieht in diesem Zusammenhang vor, dass ein Eisenbahnunternehmen, ein Infrastrukturbetreiber oder ein Halter eine für die Instandhaltung zuständige Stelle sein kann. Weiter kann der Bundesrat betreffend Güterwagen eine Zertifizierungspflicht der für die Instandhaltung verantwortlichen Stelle vorsehen, wie sie von der Richtlinie 2008/110/EG eingeführt wird. Er kann die Zertifizierungspflicht auf die Instandhaltung anderer Fahrzeuge und auf Instandhaltungswerke ausdehnen, wie dies aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1335/200843 vorgesehen ist.

Art. 17c

Beurteilung der sicherheitsrelevanten Aspekte

Diese Bestimmung entspricht dem heutigen Artikel 17b. Sie wird aus systematischen Gründen zu Artikel 17c.

7a. Abschnitt: Interoperabilität mit dem europäischen Eisenbahnsystem (neu) Art. 23a

Grundsatz

In den Artikeln 23a­23l finden sich die massgebenden Bestimmungen für Eisenbahnen, die die Anforderungen an die Interoperabilität erfüllen sollen.

Art. 23b

Geltungsbereich

Das ganze Normalspurnetz gilt als interoperabel. Der Bundesrat kann Ausnahmen zulassen, damit nicht auf allen Linien des schweizerischen Eisenbahnnetzes die gleichen (hohen) Anforderungen gelten müssen. Vielmehr kann spezifisch das Niveau der Interoperabilität festgelegt werden. Insbesondere bauliche Einschränkungen (Tunnelprofile, Maximallasten) bestehender Strecken können aus Kostengründen bestehen bleiben. Hingegen müssen bei der Weiterentwicklung der Zugsicherung und der Kommunikationssysteme die europäischen Standards angewendet werden.

43

Verordnung (EG) Nr. 1335/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur (Agenturverordnung), ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 51.

959

Hochgeschwindigkeitsstrecken im Sinne der Interoperabilitätsrichtlinie existieren in der Schweiz keine.

Art. 23c

Teilsysteme

Die Interoperabilitätsrichtlinie unterteilt das Eisenbahnsystem in sogenannte Teilsysteme. Sie unterscheidet zwischen den strukturellen Teilsystemen (Infrastruktur, Energie, Zugsteuerung/Zugsicherung/Signalgebung sowie Fahrzeuge) und den funktionellen Teilsystemen (Verkehrsbetrieb-Verkehrssteuerung, Instandhaltung sowie Telematik-Anwendungen für den Personen- und Güterverkehr). Sämtliche Teilsysteme müssen den grundlegenden Anforderungen und den sie betreffenden technischen Spezifikationen entsprechen. Die strukturellen Teilsysteme benötigen überdies eine Betriebsbewilligung.

Heute wird in der Schweiz eine staatliche Betriebsbewilligung nur für Fahrzeuge und teilweise für die Infrastruktur erteilt. Sie soll neu für alle strukturellen Teilsysteme obligatorisch werden, also auch für die strukturellen Teilsysteme Energie und Zugsteuerung/Zugsicherung/Signalgebung.

Das Verfahren zur Erteilung einer Betriebsbewilligung ändert sich nur insoweit, als die Gesuchstellerin für die verwendeten Teilsysteme und Interoperabilitätskomponenten die EU-Prüferklärungen bzw. EU-Konformitäts- oder EU-Gebrauchstauglichkeitserklärungen vorzulegen hat. Zu diesem Zweck muss sich die Gesuchstellerin rechtzeitig an eine Konformitätsbewertungsstelle in Europa wenden, die berechtigt ist, entsprechende Bescheinigungen auszustellen.

Die Rolle des BAV im Rahmen der Bewilligungsverfahren wird sich nicht grundsätzlich ändern.

Das BAV wird weiterhin Plangenehmigungen und Betriebsbewilligungen erteilen und in diesem Rahmen risikoorientiert das Gesamtsystem sowie die Einhaltung der übrigen bundesrechtlichen Bestimmungen (z.B. Umweltschutz, Gewässerschutz, Behindertengleichstellung) prüfen.

Allerdings wird es im Rahmen seiner risikoorientierten Beurteilung nicht mehr bewerten müssen, ob Interoperabilitätskomponenten und Teilsysteme tatsächlich den sie betreffenden grundlegenden Anforderungen entsprechen. Dies wird durch die Dokumente der benannten Stellen bescheinigt.

Art. 23d

Umrüstung und Erneuerung von Teilsystemen

Jede Änderung eines strukturellen Teilsystems, die dessen Leistung verbessert, macht eine neue Betriebsbewilligung erforderlich. Sind umfangreiche Erneuerungsarbeiten geplant, welche die Leistung des Teilsystems nicht verändern, so entscheidet das BAV fallweise, ob eine Betriebsbewilligung erforderlich ist und inwieweit TSI auf das Vorhaben anzuwenden sind. Handelt es sich um einfache Instandhaltungs- oder Zustandsüberwachungsarbeiten, so ist keine neue Betriebsbewilligung erforderlich.

Art. 23e

Interoperabilitätskomponenten

Interoperabilitätskomponenten sind Bauteile (auch immaterielle wie Software), die in ein Teilsystem eingebaut sind oder eingebaut werden sollen und von denen die Interoperabilität des Eisenbahnsystems abhängt. Sie dürfen ohne staatliche Bewilli960

gung in Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Anforderungen entsprechen. Der Bundesrat wird voraussichtlich festlegen, dass zum Nachweis der Sicherheit EU-Konformitäts- oder -Gebrauchstauglichkeitserklärungen und -Sicherheitsbescheinigungen vorhanden sein müssen. Die Konformitätsbewertungsstellen bescheinigen die Konformität solcher Komponenten, wenn diese den einschlägigen europäischen Richtlinien, insbesondere den sie betreffenden TSI, entsprechen.

Art. 23f

Zuständigkeiten

Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat als grundlegende Anforderungen die in Anhang III der Interoperabilitätsrichtlinie genannten Anforderungen festlegt. Als technische Ausführungsbestimmungen wird er die TSI festlegen.

Die TSI konkretisieren die grundlegenden Anforderungen nicht umfassend. Vielmehr enthalten sie offene Punkte, in denen die nationalen Rechtsvorschriften (insbesondere EBG, AB-EBV, AB-VEAB) zur Lückenfüllung herangezogen werden.

Auch werden nicht bei jeder Inbetriebnahme, Erneuerung oder Änderung sämtliche TSI zur Anwendung kommen. Vielmehr wird die Aufsichtsbehörde zu entscheiden haben, wann von der Anwendung bestimmter TSI abgesehen werden kann. Sie wird sich dabei von den in Artikel 9 der Interoperabilitätsrichtlinie genannten Kriterien leiten lassen. Für die Beurteilung der Frage, ob die wirtschaftliche Lebensfähigkeit eines Vorhabens durch die Anwendung der TSI beeinträchtigt werden könnte, wird zu berücksichtigen sein, ob die Anwendung der Spezifikation auch auf angrenzenden Strecken im Ausland gewährleistet ist oder ob die Einführung der TSI auch ohne diese Gewissheit die wirtschaftlich richtige Lösung darstellt.

Von besonderer Bedeutung ist der Einsitz in den mit Artikel 21 der Richtlinie 96/48/EG eingesetzten Ausschuss, die Zusammenarbeit mit der ERA und mit den Arbeitsgruppen, die mit der Ausarbeitung neuer und zu überarbeitender TSI betraut sind. Denn nur so kann die Schweiz frühzeitig ihr Interesse an Lösungen einbringen, die den landesspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen. Dies gilt beispielsweise hinsichtlich der Kompatibilität mit den heute in der Schweiz verwendeten technischen Systemen.

Das BAV muss sich an der Entwicklung der TSI und der sie konkretisierenden Normen auf europäischer Ebene beteiligen. Weiter muss es für die Kompatibilität dieser europäischen Vorschriften mit den schweizerischen Vorschriften sorgen.

Art. 23g

Erfüllung der grundlegenden Anforderungen

Die TSI spezifizieren ein Teilsystem nicht in jeglicher Hinsicht. Beispielsweise legen sie die Lage der Fahrleitung fest, nicht aber die Anforderungen an die Stabilität des Fahrleitungsmastes. Dort kommen diejenigen schweizerischen technischen Vorschriften zur Anwendung, die vom Staatssekretariat für Wirtschaft der Europäischen Kommission übermittelt werden. Die Konformität des Teilsystems ist auch diesbezüglich durch eine Konformitätsbewertungsstelle zu bescheinigen.

Art. 23h

Inverkehrbringen

Zur Sicherstellung des freien Verkehrs von Teilsystemen und Interoperabilitätskomponenten wird die Schweiz insbesondere keine Prüfungen vorschreiben, die bereits im Rahmen der EU-Prüfung oder des Verfahrens zur Ausstellung der EU-Konfor-

961

mitäts- oder -Gebrauchstauglichkeitserklärung erfolgt sind. Diese Regelung entspricht Artikel 10 Absatz 2 der Interoperabilitätsrichtlinie.

Art. 23i

Marktüberwachung

Die Interoperabilitätsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten eine Marktüberwachung. Das heisst, die Mitgliedstaaten überprüfen, ob Interoperabilitätskomponenten und Teilsysteme, die in Verkehr gebracht beziehungsweise in Betrieb genommen wurden, den Vorschriften entsprechen. Es bietet sich an, Interoperabilitätskomponenten und Teilsysteme so weit wie möglich im Rahmen der Aufsicht über das Gesamtsystem zu überwachen, da die potenzielle Gefahr von Interoperabilitätskomponenten und Teilsystemen auch erst dann ausgehen kann, wenn sie als Bestandteile des «Gesamtsystems» Eisenbahn eingesetzt werden. Dementsprechend wird die nachträgliche Kontrolle von Teilsystemen im Rahmen der Aufsicht gemäss Artikel 10 EBG und im Rahmen der Erteilung bzw. Erneuerung von Sicherheitsgenehmigungen und Sicherheitsbescheinigungen wahrgenommen.

Daneben muss zur Umsetzung der Interoperabilitätsrichtlinie die Möglichkeit geschaffen werden, die Interoperabilitätskomponenten schon vor deren Einbau zu überwachen. Anderenfalls bestünde keinerlei Kontrolle von Interoperabilitätskomponenten, die in bereits betriebsbewilligte Teilsysteme eingebaut werden. Diesem Zweck dient Artikel 23i.

Art. 23j

Konformitätsbewertung

Konformitätsbewertungsstellen müssen entweder in der Schweiz akkreditiert sein und über eine Haftpflichtversicherung verfügen oder von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union im Rahmen eines Abkommens mit der Schweiz benannt worden sein. Das heisst, dass die Schweiz die Bescheinigungen der europäischen Konformitätsbewertungsstellen anerkennen wird, sobald die Interoperabilitätsrichtlinie in den Anhang 1 zum Landverkehrsabkommen aufgenommen ist. Der Nachweis einer Haftpflichtversicherung ist auch für Konformitätsbewertungsstellen in der europäischen Gemeinschaft erforderlich, er ist aber von dem Mitgliedstaat zu überprüfen, in dem sich die Konformitätsbewertungsstelle befindet.

Der Bundesrat wird festlegen, dass die Konformitätsbewertungsstellen den Kriterien nach Anhang VIII der Interoperabilitätsrichtlinie entsprechen müssen. Zu diesen Voraussetzungen gehört insbesondere die fachliche Eignung des Personals. Die Konformitätsbewertungsstellen müssen nach der Akkreditierungs- und Bezeichnungsverordnung vom 17. Juni 199644 akkreditiert sein. Das bedeutet, dass die Stelle, die sich um eine Benennung bewirbt, sich vorgängig im entsprechenden Fachbereich von der schweizerischen Akkreditierungsstelle hat akkreditieren lassen.

Im Bereich der Interoperabilitätskomponenten und Teilsysteme wird nicht mehr das BAV entscheiden können, ob es ein Sicherheitsgutachten eines unabhängigen Sachverständigen verlangt. Die Gesuchstellerin wird dort, wo entsprechende europäische technische Vorgaben bestehen, verpflichtet, Bescheinigungen von Konformitätsbewertungsstellen beizubringen, welche die Übereinstimmung mit diesen Vorgaben bescheinigen. Die staatlichen Genehmigungsbehörden müssen diese Bescheinigungen anerkennen.

44

962

SR 946.512

Sobald eine Komponente vollständig durch europäische technische Vorgaben spezifiziert ist, wird daher eine zusätzliche staatliche Typenzulassung für diese Komponente entbehrlich.

Art. 23k

Konformitätsbewertungsstelle des Bundes

Mit diesem Artikel erhält der Bundesrat die Kompetenz, eine staatliche Konformitätsbewertungsstelle einzurichten.

Sollte er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so hat sie denselben Anforderungen zu genügen wie jede private Konformitätsbewertungsstelle. Lediglich eine Haftpflichtversicherung ist nicht erforderlich. Sie kann genauso wie eine private Konformitätsbewertungsstelle nur in den Bereichen Dokumente ausstellen, die sie fachlich beurteilen kann. Sie kann also nicht beliebig einspringen, wo private Konformitätsbewertungsstellen fehlen, sondern nur dort, wo sie über ausreichendes technisches Knowhow und ausreichende Kapazität verfügt. Deshalb besteht kein Anspruch auf Übernahme eines Mandats durch die staatliche Konformitätsbewertungsstelle. Für private Konformitätsbewertungsstellen muss dies nicht ausdrücklich geregelt werden, da dort ohnehin der Grundsatz der Privatautonomie gilt.

Konformitätsbewertungsstellen treten am Markt auf, indem sie privatrechtliche Verträge abschliessen. Deshalb sind Streitigkeiten über ihre Arbeit unabhängig von der Frage, ob es sich um eine staatliche oder eine private Konformitätsbewertungsstelle handelt, vor dem Zivilgericht zu beurteilen.

Art. 23l

Datenbearbeitung

Hier wird die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass Eisenbahnunternehmen auf Verordnungsebene verpflichtet werden können, die für Fahrzeugregister, Fahrzeugtypenregister und Infrastrukturregister, wie sie in den Artikeln 33­35 der Interoperabilitätsrichtlinie vorgesehen sind, erforderlichen Daten zu erheben und zu veröffentlichen. Dadurch wird es dem BAV ermöglicht, entsprechende Register zu führen und entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen.

8a. Abschnitt: Vorhaltekosten der Wehrdienste (neu) Art. 32a Absatz 1: Die ISB werden verpflichtet, sich an den Vorhaltekosten der Wehrdienste (Feuer- und Chemiewehren) zu beteiligen. Mit dieser Verpflichtung werden die konzessionierten ISB nach Artikel 56 EBG und die SBB nach Artikel 8 SBBG für die daraus entstehenden Kosten abgeltungsberechtigt. Da es sich um eine neue Subventionsbestimmung handelt, sind die Bestimmungen über die Ausgabenbremse anwendbar.

Absatz 2: Zur Festlegung der Höhe der Beiträge der ISB an die Vorhaltekosten sowie zur Definition der dafür von den Wehrdiensten zu erbringenden Leistungen müssen Vereinbarungen zwischen den ISB und den Kantonen getroffen werden.

Absatz 3: Die Rahmenbestimmungen des UVEK werden in einer Verordnung festgehalten. Grundlage dafür ist das Resultat der paritätischen Projektgruppe. Dieses Resultat, mit Angaben über die Höhe der Kosten und die Leistungen der Wehr963

dienste, ist in einem Projektabschlussbericht festgehalten. Die Mitglieder der paritätischen Projektgruppe werden bei der Ausarbeitung der neuen Departementsverordnung angehört.

12a. Abschnitt: Schiedskommission Art. 40a

Organisation

Die Schiedskommission (SKE) wird ermächtigt, künftig von Amtes wegen Untersuchungen einzuleiten, Entscheide zu fällen und Strafen auszusprechen. Zu diesem Zweck wird der ganze Artikel 40a neu gefasst. Der neue Wortlaut enthält ebenfalls die Verpflichtung der am Netzzugang Beteiligten, der SKE die für ihre Untersuchungen notwendigen Dokumente zur Verfügung zu stellen. Die Bestimmungen über die Wahl und Organisation lehnen sich eng an die entsprechenden Bestimmungen über die Kommunikationskommission (Art. 56 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 199745) bzw. die Elektrizitätskommission (Art. 21 des Stromversorgungsgesetzes vom 23. März 200746) an.

Art. 54 Dieser Artikel ist durch die letzte Revision des EBG bedeutungslos geworden. Er bezog sich auf die Berechnung des kommerziellen Werts bei Rückkauf. Neu bestimmt sich der auf die Infrastruktur beschränkte Rückkauf rein nach dem Buchwert.

Art. 83a (neu)

Mitteilungen an ausländische Behörden

Mit dieser Bestimmung wird die erforderliche Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass ausländische Behörden darüber informiert werden können, wenn sicherheitsrelevantem Personal gestützt auf Artikel 83 die Tätigkeit in der Schweiz untersagt werden musste. Dies ist erforderlich, damit die ausländischen Behörden überprüfen können, ob der betroffenen Person die Tätigkeit auch dort untersagt werden muss.

Art. 86a Abs. 1 Einleitungssatz und Abs. 2 (neu) Vorsätzliches und fahrlässiges Verhalten dürfen hinsichtlich des Strafrahmens prinzipiell nur im Bagatellbereich (bei Ordnungswidrigkeiten oder Bussen bis höchstens 10 000 Franken) auf die gleiche Stufe gestellt werden. Bei Verbrechen und Vergehen müssen sich die Strafrahmen deutlich unterscheiden. Für die fahrlässige Begehung der Tat erscheint vorliegend eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen angemessen.

45 46

964

SR 784.10 SR 734.7

Art. 89b (neu)

Entscheide der SKE

Da die SKE neu auch Sanktionen aussprechen kann, bedarf das EBG einer Ergänzung der Strafbestimmungen und Verwaltungsmassnahmen. Der neue Artikel 89b lehnt sich an die entsprechenden Bestimmungen des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 199547 an.

Übergangsbestimmungen zur Änderung vom ...

Die Übergangsbestimmungen regeln nur, dass der Nachweis der Einhaltung der TSI für eine Übergangsfrist, die vom Bundesrat festzulegen ist, auch auf andere Weise als durch Vorlage von EU-Prüferklärungen möglich sein muss. Wo die Gesuchstellerin TSI-konform gebaut hat und die Einhaltung der vorgesehenen Verfahren zu unzumutbaren Verzögerungen führen würde, muss der Nachweis der Einhaltung der TSI beispielsweise durch herkömmliche Sachverständigengutachten ausreichen.

Der Bundesrat wird bei der Festlegung der Frist berücksichtigen, dass sich die Hersteller in ihren Planungen auf die Gültigkeit veränderter technischer Vorschriften einstellen können müssen.

2.4

Gütertransportgesetz (GüTG)48

Art 8 Dieser Artikel wird ersetzt durch Artikel 17b EBG (siehe Ziff. 2.3).

2.5

Seilbahngesetz (SebG)49

Im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Bahnreform 250 wurden im Bereich der Eisenbahnen, Trolleybusse und konzessionierten Schifffahrtsunternehmen Vorschriften erlassen, die sicherstellen sollen, dass die sicherheitsrelevanten Tätigkeiten nur von dienstfähigem Personal ausgeübt werden. Die Ausübung sicherheitsrelevanter Tätigkeiten in dienstunfähigem Zustand, insbesondere unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen, wird unter Strafe gestellt.

Durch Artikel 18a Buchstabe c werden die entsprechenden Bestimmungen des Eisenbahngesetzes auf Seilbahnen für sinngemäss anwendbar erklärt. Sie werden den heute gültigen Artikel 45 Absatz 4 der Seilbahnverordnung vom 21. Dezember 200651 ersetzen und um eine entsprechende Strafdrohung ergänzen.

47 48 49 50 51

SR 251 SR 742.41 SR 743.01 BBl 2007 2681 SR 743.011

965

2.6

Personenbeförderungsgesetz (PBG)52

Art. 6 Abs. 4 Die Zuständigkeit für die Erteilung einer Personenbeförderungskonzession wechselt vom UVEK zum BAV. Für die Erteilung von Konzessionen für Seilbahnen war bereits heute das BAV zuständig. Nötig wird die Anpassung deshalb, weil das BAV mit vorliegender Ausschreibungsregelung den Vergabeentscheid sowie die Konzessionserteilung in einer einzigen Verfügung erlassen wird.

Mit der Ausschreibungsregelung wird der Konzession eine noch grössere Bedeutung zukommen. Ziel der Vorlage ist es, dass im Regelfall ein Unternehmenswechsel nicht vor Ablauf der Konzession vorgenommen werden kann. Eine Ausschreibung ist so zu terminieren, dass der Start des neuen Unternehmens mit einem Konzessionsablauf zusammenfällt. Die Konzession verleiht einem Transportunternehmen das Recht, Reisende regelmässig und gewerbsmässig zu befördern und wird in der Regel für zehn Jahre vergeben. Für die Übertragung, die Änderung, die Aufhebung, den Widerruf und die Erneuerung aller Konzessionen war bereits bisher das BAV zuständig. Neu wird in Absatz 4 der Entzug aufgeführt. Die Gründe für einen Konzessionsentzug werden in Artikel 9 Absätze 3 und 4 abschliessend festgehalten.

Art. 9 Abs. 3, 4 (neu) und 5 (neu) Absatz 3 besagt, dass bei einer Konzessionsverletzung die Konzession dem Transportunternehmen entzogen werden kann.

Absatz 4 hält fest, dass bei abgeltungsberechtigten Angeboten die erteilende Behörde die Konzession entziehen kann, wenn das Unternehmen eine Zielvereinbarung oder eine Vergabevereinbarung in mehreren Punkten oder in einem wesentlichen Punkt nicht erfüllt. Ein wesentlicher Punkt kann bei einer Zielvereinbarung das Nichterreichen eines von den Bestellern geforderten Qualitätsstandards sein. Bei der Vergabevereinbarung kann dies zutreffen, wenn die vom Unternehmen im Bestellverfahren eingereichte Offerte die Vorgaben der Vergabevereinbarung nicht berücksichtigt (z.B. Preis der zu erbringenden Leistung).

Absatz 5 regelt den Widerruf einer Konzession oder Bewilligung. Im Gegensatz zu einem vom Transportunternehmen verschuldeten Entzug müssen die Behörden bei einem Widerruf das Transportunternehmen angemessen entschädigen.

Art. 13 Abs. 3 Aufgrund dieser Bestimmung hat der Bundesrat das Verfahren für die Aufstellung und die Veröffentlichung der Fahrpläne in der Fahrplanverordnung vom 25. November 199853
geregelt. Auf dieser Grundlage setzt das BAV jährlich die für die Erstellung und Veröffentlichung der Fahrpläne, die Trassenvergabe und das Bestellverfahren im Regionalverkehr geltenden Fristen und Termine fest. Diese werden zunehmend durch internationale Gremien bestimmt. Beispielsweise enthält die Richtlinie 2001/14/EG einen Zeitplan des Zuweisungsverfahrens, den es zu beachten gilt, sofern der grenzüberschreitende Verkehr nicht in unzumutbarer Weise

52 53

966

SR 745.1 SR 742.151.4

erschwert werden soll. Der Bundesrat wird daher neu verpflichtet, bei der Ordnung des Verfahrens die international geltenden Fristen und Termine zu berücksichtigen.

6. Abschnitt: Bestelltes Verkehrsangebot: Allgemeine Bestimmungen Art. 28 Abs. 1 und 5 In Absatz 1 wird neu in einer Klammer der Begriff «Besteller» definiert. Ansonsten ändert sich in diesem Absatz nichts.

Das bisher im Absatz 5 geregelte Bonus-Malus-System von Bund und Kantonen im Rahmen mehrjähriger Zielvereinbarungen ist neu Gegenstand von Artikel 33 Absatz 3. Deshalb soll dieser Absatz aufgehoben werden.

Art. 30

Finanzielle Aufteilung

Dieser Artikel entspricht Artikel 33 bisherigen Rechts.

Art. 30a (neu)

Zahlungsrahmen

Die Mittel des Bundes für seine Verpflichtungen im bestellten Verkehr sollen in einem Zahlungsrahmen für jeweils vier Jahre gesprochen werden. Der Zahlungsrahmen dient der längerfristigen Ausgabensteuerung. Basierend darauf können die mehrjährigen Angebotsvereinbarungen unterzeichnet werden.

Art. 31

Finanzhilfen

Dieser Artikel entspricht Artikel 34 bisherigen Rechts.

Art. 31a

Verkehrsangebot und Bestellverfahren

Dieser Artikel ersetzt Artikel 30 bisherigen Rechts. In Absatz 1 wurde ein Tatbestand geändert, welcher die heutige Praxis nicht ganz korrekt wiedergibt. Die Angebotsvereinbarung regelt nicht das Verkehrsangebot und die Abgeltung «für die einzelnen Sparten», sondern nur für die Sparte «regionaler Personenverkehr». Weiter wird in Absatz 1 festgehalten, dass sich die Planrechnungen der Unternehmen auf Zielvereinbarungen oder Vergabevereinbarungen stützen können, falls diese vorhanden sind.

Gemäss Absatz 2 kann der Bundesrat für den Fall, dass eine Vergabevereinbarung besteht, ein vereinfachtes Bestellverfahren festlegen. Nach Durchführung einer Ausschreibung soll sich der administrative Aufwand für die Besteller wie für das beauftragte Transportunternehmen in den nachgelagerten Bestellverfahren verkleinern. Damit die wiederkehrenden Bestellverfahren schlank gehalten werden können, ist in der Vergabevereinbarung so viel wie möglich zu regeln. Die Vereinfachung des Bestellverfahrens soll für die Transportunternehmen auch ein Anreiz sein, sich aktiv an Ausschreibungen zu beteiligen.

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In Absatz 3 werden die Bestimmungen der Buchstaben a und b mit den in der Botschaft zum Bundesgesetz über das Konsolidierungsprogramm 2012­2013 (KOPG 12/13)54 vorgeschlagenen Änderungen in Einklang gebracht. Sollten die Änderungen im KOPG 12/13 nicht umgesetzt werden, so gelten die heutigen Bestimmungen (Bst. a: eine angemessene Grunderschliessung; Bst. b: Anliegen der Regionalpolitik, insbesondere die Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligter Landesgegenden).

Art. 31b

Periodizität des Bestellverfahrens

Dieser Artikel entspricht Artikel 31 bisherigen Rechts.

Art. 31c (neu)

Ausschreibungsplanung

Das Instrument der Ausschreibungsplanung ist in dieser Form ebenfalls neu. Die grundsätzlichen Überlegungen des Bundes und der Kantone als Besteller des abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehrs, insbesondere zu den Gründen und zum Zeitpunkt der Ausschreibung, werden in eine rollende Ausschreibungsplanung aufgenommen. In die Planung müssen auch Linien aufgenommen werden, die zwar nicht von Bund und Kantonen gemeinsam bestellt, jedoch in ein gemeinsam ausgeschriebenes Linienpaket integriert sind. Die Planung erfolgt pro Kanton und hat gegenüber den Transportunternehmen nur informativen Charakter. Diese können gegen die Ausschreibungsplanung keine Rechtsmittel ergreifen. Federführend bei der Planung sind die Kantone. Das BAV ist für eine schweizweit einheitliche Ausschreibung sowie für die Koordination zwischen den Kantonen besorgt.

6a. Abschnitt: Bestelltes Verkehrsangebot: Ausschreibungsverfahren Art. 32

Ausschreibung

In Absatz 1 wird die Ausschreibungspflicht auf den Busbereich beschränkt. Bereits heute werden ausschliesslich Ausschreibungen in diesem Bereich durchgeführt. Es ist wichtig, dass die heutigen Errungenschaften des öffentlichen Verkehrs, wie der direkte Verkehr oder der Taktfahrplan, nicht gefährdet werden. Aus diesem Grund sollen mit der neuen Ausschreibungsregelung zuerst im Busbereich Erfahrungen gesammelt werden, bevor die Ausschreibungspflicht allenfalls auch auf den Bahnbereich ausgedehnt wird. Aus wirtschaftlichen Gründen macht der Ausschreibungszwang jedoch nicht in jedem Fall Sinn. So kann der Bundesrat Ausnahmen festlegen, etwa wenn der jährliche Abgeltungsbetrag des ausgeschriebenen Angebotes einen Schwellenwert nicht erreicht oder das neue Verkehrsangebot Bestandteil eines bestehenden regionalen Netzes wird. Der Schwellenwert richtet sich nach der pro Jahr zu erwartenden Abgeltung für das neue Angebot. Seine Höhe wird in der Verordnung festgelegt. Im Busbereich ist ein Schwellenwert von 0,5 Millionen Franken vorgesehen. Eine Ausschreibung wird bei Verkehrsangeboten, die den Schwellenwert unterschreiten, nur durchgeführt, wenn sie in die Ausschreibungsplanung der Besteller aufgenommen wurde.

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BBl 2010 7059

Weiter können die Besteller auf eine Ausschreibung verzichten, wenn für ein Angebot aus technischen, betrieblichen oder regionalen Gründen nicht mehr als eine Offerteingabe zu erwarten ist, es sich um eine Konzessionsänderung handelt oder eine Konzession unverändert auf ein neues Unternehmen übertragen wird.

In Absatz 2 wird festgehalten, dass auch in Zukunft im Bahnbereich ausgeschrieben werden kann. Dieser untersteht jedoch nicht der Ausschreibungspflicht. Geplante Ausschreibungen müssen von den Kantonen in die Ausschreibungsplanung aufgenommen werden. Das heisst, dass der Bund in jedem Fall einer allfälligen Ausschreibung zustimmen muss. So ist die Einflussnahme des Bundes auf den Ausschreibungsgegenstand sichergestellt, und er kann für eine genügende Berücksichtigung der Eigenheiten des Eisenbahnverkehrs sorgen. Werden Verkehrsleistungen im Bahnbereich ausgeschrieben, so richtet sich das Verfahren nach diesem Abschnitt. Auf spezifische Ausführungen zum Bahnbereich wird verzichtet.

Eine Beschränkung der Ausschreibungsregeln auf den von Bund und Kantonen gemeinsam bestellten regionalen Personenverkehr erachten die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV) sowie einige Kantone in der Vernehmlassung als unzureichend. Auf Seiten der Kantone besteht das Bedürfnis, das Vorgehen bei Ausschreibungen von Linienpaketen, die sowohl von Bund und Kantonen gemeinsam als auch nicht gemeinsam bestellte Linien umfassen, auf Bundesebene zu regeln. Der Bund soll als Konzessionsbehörde und Regulator die Ausschreibungen koordinieren und gemischte Ausschreibungen nach einem einheitlichen Verfahren regeln. In Absatz 4 wird deshalb festgelegt, dass die Ausschreibungslose nebst den von den Bestellern gemeinsam bestellten Verkehrsangeboten auch Angebote enthalten können, die nur von den Kantonen allein (ohne Bundesbeteiligung) bestellt werden. Mit diesem Vorgehen kann einerseits vermieden werden, dass zwei ressourcenintensive Ausschreibungsverfahren parallel laufen. Andererseits sind die in einem Ausschreibungslos vorgesehenen (unterschiedlich finanzierten) Verkehrsangebote in der Regel miteinander verknüpft. Mit einer gemeinsamen Ausschreibung können Synergiegewinne erzielt werden.

Art. 32a (neu)

Ausschreibung von Verkehrsangeboten mit Linienabschnitten in Nachbarstaaten

Bei Angeboten mit im Ausland liegenden Linienabschnitten erhöht sich die Komplexität einer Ausschreibung. Die Koordination mit dem Nachbarstaat ist zwingend.

Wird der im Ausland liegende Linienabschnitt auch ausgeschrieben, so sollen sich die Besteller dem Ausschreibungsverfahren oder dem Vergabeentscheid des Nachbarstaates anschliessen dürfen (Abs. 3). Sie haben dann das Angebot auf dem schweizerischen Linienabschnitt beim Unternehmen zu bestellen, das den Zuschlag erhalten hat. Selbstverständlich hat das Unternehmen die für eine Bestellung geltenden Vorgaben nach Schweizer Recht und Staatsvertragsrecht zu erfüllen. Dieses Vorgehen kann effizienter sein als die Durchführung einer Ausschreibung für den schweizerischen Linienabschnitt, bei der dafür zu sorgen ist, dass es an der Grenze nicht zu einem Wechsel des beauftragten Unternehmens kommt. Mit einem Angebot über die gesamte Linie können gegenüber einer Aufteilung in Linienabschnitte oft Synergiegewinne erzielt werden.

969

Art. 32b (neu)

Koordination mit der Konzession

Bei den bisher durchgeführten Ausschreibungen ergaben sich Rechtsunsicherheiten bezüglich des Zusammenspiels zwischen der Konzession und der auf einer Ausschreibung basierenden Übergabe von Verkehrsleistungen von einem zum anderen Transportunternehmen. Dieser Artikel bietet die Grundlage für die Koordination.

Aus verwaltungsökonomischen Überlegungen sollen in Zukunft der Vergabeentscheid sowie die Konzessionserteilung oder Konzessionserneuerung in einer einzigen, anfechtbaren Verfügung des BAV aufgeführt werden. Die Besteller legen in den Ausschreibungsunterlagen fest, welche Angaben die interessierten Transportunternehmen für eine mögliche Konzessionserteilung oder -erneuerung zusammen mit ihrer Offerte einreichen müssen. Parallel zur Auswertung der Offerten kann das BAV für den konzessionsrechtlichen Teil das ordentliche Vernehmlassungsverfahren nach der VPB55 durchführen. Sobald der Vergabeentscheid rechtskräftig ist, erlangt die Konzession ihre Gültigkeit. Die Besteller schliessen mit dem Transportunternehmen eine Vergabevereinbarung ab, das im Vergabeentscheid berücksichtigt wurde. Die Konzessionsdauer entspricht der in den Ausschreibungsunterlagen für das Verkehrsangebot vorgesehenen Geltungsdauer. In der Regel beträgt diese zehn Jahre.

Art. 32c (neu)

Besondere Bestimmungen für Ausschreibungen von Verkehrsangeboten auf der Strasse

Bisher wurde die Durchführung von Ausschreibungen mit einer ziemlich knappen Bestimmung auf Verordnungsstufe geregelt (Art. 27 ARPV). Abgesehen von einigen Anlaufschwierigkeiten haben sich die mit diesem Instrument verbundenen Erwartungen grundsätzlich erfüllt. Indessen hat sich aus den knappen Bestimmungen eine gewisse Rechtsunsicherheit ergeben.

Aus schweizerischer Sicht ist einem System der Vorzug zu geben, das nicht bei jeder Konzessionserteilung oder -erneuerung eine Ausschreibung vorschreibt. Die Absätze 1­3 halten deshalb fest, wann auszuschreiben ist.

Bei einer Konzessionserteilung soll grundsätzlich ausgeschrieben werden. (Gemäss Art. 32 Abs. 1 kann der Bundesrat jedoch festgelegen, wann auf eine Ausschreibung verzichtet werden kann.)

Während der Konzessionsdauer kann nur noch in bestimmten Fällen ausgeschrieben werden, nämlich bei einer Konzessionsverletzung, bei Nichterfüllen einer Zielvereinbarung oder wenn das Transportunternehmen eine Vergabevereinbarung nicht einhält. Die Regelung, während der Konzessionsdauer nur noch in wenigen genau definierten Fällen auszuschreiben, stärkt die Konzession und gibt den Transportunternehmen eine gewisse Sicherheit. Deshalb wird in Zukunft in der Regel bei Linien, die nicht einer Vergabevereinbarung unterstehen und ungenügende Leistungen aufweisen, mit den Transportunternehmen zuerst eine Zielvereinbarung abgeschlossen. Erst bei Nichterreichen der vereinbarten Ziele kann während der Konzessionsdauer ausgeschrieben werden. Einerseits haben die Transportunternehmen so die Chance, mangelhafte Leistungen zu verbessern und dadurch die Verkehrsleistung auch in Zukunft zu erbringen. Andererseits dürfen die Besteller bei Nichterreichen der Ziele die Leistung ausschreiben. Dadurch entsteht eine für alle Beteiligten vor55

970

SR 745.11

teilhafte Situation. In jedem Fall darf erwartet werden, dass die Abgeltungsmittel noch ökonomischer eingesetzt werden.

Bei der Erneuerung der Konzession muss eine Ausschreibung durchgeführt werden, wenn es die Ausschreibungsplanung der Besteller vorsieht. Ein Grund für eine Ausschreibung nach Ablauf der Konzession kann sein, dass ein Unternehmen die Anforderungen aus einer Zielvereinbarung nicht erfüllen konnte und die Besteller deshalb die betroffenen Linien in die Ausschreibungsplanung aufgenommen haben.

Es ist jedoch festzuhalten, dass die Besteller in jedem Fall, also auch ohne einen eigentlichen Grund, ein Verkehrsangebot in die Ausschreibungsplanung aufnehmen können.

Art. 32d (neu)

Verfahrensgrundsätze

Die in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Grundsätze waren bis jetzt im Ausschreibungsleitfaden des BAV festgehalten. Im Ausschreibungsprozess grundlegende Kriterien sind die Mindestanforderungen an die Offerte, die fristgerechte Betriebsaufnahme, die Gleichbehandlung der Transportunternehmen während des Ausschreibungsprozesses, die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen und der Arbeitsbedingungen (insbesondere die Berücksichtigung bestehender Vertragswerke wie etwa eines Gesamtarbeitsvertrages) sowie die Gleichbehandlung von Frau und Mann in Bezug auf Lohngleichheit. Sie sind in einer Offerte zwingend zu berücksichtigen. Aus diesem Grund werden sie neu auf Gesetzesstufe geregelt.

Art. 32e (neu)

Eignung

Eignungskriterien dienen zur Prüfung der Eignung eines Unternehmens für die Erfüllung eines Auftrags. Die Eignungskriterien wurden bis jetzt ebenfalls nur im Ausschreibungsleitfaden des BAV geregelt. Die Besteller können die Transportunternehmen auffordern, einen Nachweis ihrer finanziellen, wirtschaftlichen, technischen und betrieblichen Leistungsfähigkeit zu erbringen. Alle Eignungskriterien müssen zwingend erfüllt werden. Erfüllt ein Unternehmen nur ein Kriterium nicht, so wird es vom Wettbewerb ausgeschlossen. Aufgrund ihres Gewichts im Ausschreibungsverfahren werden die Eignungskriterien neu auf Gesetzesstufe geregelt.

Art. 32f (neu)

Ausschluss vom Ausschreibungsverfahren

Dieser Artikel listet die Gründe auf, die zum Ausschluss eines Unternehmens vom Ausschreibungsverfahren führen können. Ausgeschlossen wird ein Unternehmen etwa, wenn es die Eignungskriterien nicht erfüllt oder den Verfahrensgrundsätzen zuwiderhandelt.

Art. 32g (neu)

Vergabeentscheid

Die Besteller vergeben das ausgeschriebene Verkehrsangebot dem Unternehmen mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot. Dabei ermitteln sie insbesondere die Qualität, die Kosten, die Erlöse und die Umweltverträglichkeit. Gemäss Artikel 32i Absatz 1 Buchstabe d verfügt das BAV den Vergabeentscheid.

Das Verkehrsangebot wird für die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Geltungsdauer vergeben, in der Regel für zehn Jahre.

971

Art. 32h (neu)

Widerruf des Vergabeentscheids

Die Besteller können den Vergabeentscheid aus denselben Gründen widerrufen, aus denen sie ein Unternehmen vom Ausschreibungsverfahren ausschliessen können (vgl. Art. 32f).

Art. 32i (neu)

Verfügungen

Dieser Artikel listet abschliessend die Verfügungen auf, die das BAV erlässt. Dies betrifft die Ausschreibung, den Ausschluss vom Ausschreibungsverfahren, den Abbruch des Ausschreibungsverfahrens, den Vergabeentscheid sowie den Verzicht auf eine Ausschreibung aufgrund einer durch den Bundesrat vorgesehenen Ausnahme nach Artikel 32 Absatz 1.

Die Besteller können das Ausschreibungsverfahren beispielsweise abbrechen, wenn kein Angebot die Kriterien erfüllt, die in den Ausschreibungsunterlagen aufgeführt sind.

Art. 32j (neu)

Veröffentlichung

Ein faires Ausschreibungsverfahren braucht eine gewisse Transparenz. In Zukunft sollen deshalb in einem definierten Publikationsorgan die Verfügungen nach Artikel 32i (mit Ausnahme des Ausschlusses aus dem Ausschreibungsverfahren) veröffentlicht werden.

Art. 32k (neu)

Vergabevereinbarung

Die Vergabevereinbarung ist die Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen einem Transportunternehmen und den Bestellern. Sie wird mit dem Transportunternehmen abgeschlossen, das bei einer Ausschreibung den Zuschlag erhalten hat. Die Besteller verpflichten sich, das ausgeschriebene Angebot während der gesamten Laufzeit der Vergabevereinbarung bei diesem Unternehmen zu bestellen.

Dadurch soll ein Anreiz für die Transportunternehmen geschaffen werden, sich aktiv an Ausschreibungen zu beteiligen.

In der Vergabevereinbarung werden die Rahmenbedingungen definiert, unter denen die abgeltungsberechtigten Verkehrsleistungen zu erbringen sind. Die Vergabevereinbarung gilt für die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Geltungsdauer des ausgeschriebenen Verkehrsangebotes. Damit erhält das Unternehmen, das den Zuschlag erhält, die Zusicherung der Besteller, das Angebot während der gesamten Konzessionsdauer bei ihm zu bestellen. Somit ist es grundsätzlich während der Konzessionsdauer vor weiteren Ausschreibungen geschützt (ausser bei der Kündigung der Vergabevereinbarung). Der Umfang und weitere Bedingungen des zu erbringenden Verkehrsangebots werden für die gesamte Vertragsdauer im Voraus festgelegt, können aber unter Umständen angepasst werden. Die Voraussetzungen für Anpassungen sind in der Vergabevereinbarung zu regeln.

Im Wesentlichen hat die Vergabevereinbarung folgenden Inhalt: ­

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Vereinbarungsdauer. Die Vergabevereinbarung gilt für die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Geltungsdauer. In der Regel sind dies zehn Jahre.

­

Finanzielle Verpflichtung der Besteller. Mit einer Vergabevereinbarung binden sich sowohl das Transportunternehmen wie auch die Besteller. Diese verpflichten sich, das konkrete Angebot während der ganzen Dauer der Vergabevereinbarung beim Unternehmen zu bestellen und diesem abzugelten.

Diese Langzeitverpflichtung ist für den Bund im Bereich des abgeltungsberechtigten Personenverkehrs neu. Sie steht selbstverständlich unter der jährlichen Budgethoheit des Parlamentes.

­

Zu erbringendes Verkehrsangebot.

­

Preis der zu erbringenden Verkehrsleistung. Dabei wird definiert, welche Faktoren zu einer Veränderung des im Voraus für die gesamte Laufzeit des Vertrags festgelegten Preises führen können. Beispielsweise gilt für die ersten vier Jahre nach einer Ausschreibung ein Festpreis, danach kann für bestimmte Kriterien wie die Personal-, Treibstoff- und Materialkosten oder auch für die Erlösentwicklung ein Preisindex eingeführt werden. Weiter muss geregelt werden, wie mit einer von den Bestellern verlangten Leistungsänderung umgegangen wird (z.B. Neukalkulation).

­

Angaben zum Bestellverfahren (Anpassungsmechanismen). Gestützt auf den bei der Ausschreibung eingereichten 10-Jahresplan und die in der Vergabevereinbarung definierten Anpassungsmechanismen erstellt das Transportunternehmen eine Offerte. Die Besteller schliessen nach Anerkennung der Offerte mit dem Transportunternehmen eine Angebotsvereinbarung ab. Wie vorstehend ausgeführt, kann ein Bestellverfahren, das eine Vergabevereinbarung als Grundlage hat, relativ schlank gestaltet werden.

­

Qualität des Verkehrsangebots. Die zu erbringende Qualität (z.B. Standard der Betriebsmittel, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Vertriebsqualität) wird in der Vergabevereinbarung festgelegt.

­

Controlling und Berichtswesen.

Weitere mögliche Vertragspunkte sind: Bonus-Malus-System, Distribution (z.B.

Vertriebskanäle), Fahrgastzählungen und -befragungen, Kundeninformation, Marketing, Sicherheit, Umweltmassnahmen, Zusammenarbeit mit den Bestellern.

Art. 32l (neu)

Wechsel des beauftragten Unternehmens

Das in diesem Artikel begründete Recht des bisherigen Unternehmens, Betriebsmittel an das neu beauftragte Unternehmen zu übergeben, ist bisher in der ARPV geregelt. Aufgrund der Wichtigkeit für die Ausschreibung und für die finanzielle Sicherheit der Unternehmen bei Ausschreibungen soll diese Bestimmung neu auf Gesetzesstufe gehoben werden. Schon bis anhin konnten gemäss ARPV die Übertragung von Betriebsmitteln auch verlangen, wer für die Anschaffung Finanzhilfen gewährt hat (Art. 28 Abs. 2 ARPV). Diese Regelung wird nun so präzisiert, dass die Besteller eine Übergabe der eigens für ein bestimmtes Verkehrsangebot angeschafften Betriebsmittel verlangen können. Diese Betriebsmittel müssen jedoch bei den ausgeschriebenen und vom Bund mitbestellten Linien eine zentrale Funktion (z.B.

Kundeninformationssysteme, Leitsysteme) einnehmen. Mit «Betriebsmittel» sind hier bilanzierte Aktiva gemeint, die mittels Kauf oder auch Leasing angeschafft wurden. Selbstverständlich kann ein mittels Leasing finanziertes Betriebsmittel nur auf das neu beauftragte Unternehmen übertragen werden, wenn dieses vom Leasinggeber als neuer Leasingnehmer akzeptiert wird. Die Betriebsmittel müssen zum 973

Restbuchwert übernommen werden. Welche Abschreibungsregeln dabei anzuwenden sind und mögliche Ausnahmen davon werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Auch die in Absatz 3 geregelte bedingte Übernahme von Personal entstammt der ARPV. Es ist vorgesehen, die branchenüblichen Bedingungen der zusätzlichen Arbeitsstellen bei der Konzessionserteilung zu prüfen.

6b. Abschnitt: Bestelltes Verkehrsangebot: Besondere Bestimmungen für nicht ausgeschriebene Angebote Art. 33

Zielvereinbarung

Die Besteller können für bestellte Verkehrsangebote, die nicht ausgeschrieben werden, mit dem betroffenen Unternehmen eine Zielvereinbarung abschliessen. Die Zielvereinbarung kann Leistungsziele zu Kosten, Erlösen, Qualität oder Quantität des bisher erbrachten Verkehrsangebots enthalten. Dabei kann die Zielvereinbarung mit einem Bonus-Malus-System verknüpft werden. Die Mindestdauer einer Zielvereinbarung beträgt zwei Fahrplanperioden, somit in der Regel vier Jahre. Werden die Ziele nicht erreicht, so schreiben die Besteller das Angebot im Busbereich gemäss Artikel 32c Absatz 2 Buchstabe b aus.

Art. 33a (neu)

Festlegung der Abgeltung

Dieser Artikel entspricht Artikel 32 bisherigen Rechts.

Art. 53 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 Zur Präzisierung der Datenlieferungspflicht wird ein zweiter Satz eingefügt, welcher in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung enthalten war.

Art. 56 Abs. 3 Nach Artikel 29a der Bundesverfassung hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Diese sogenannte Rechtsweggarantie kann zwar in Ausnahmefällen durch Gesetz ausgeschlossen werden. Diese Fälle beschränken sich aber auf Entscheide mit überwiegend politischem Charakter wie z.B. Entscheide im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit oder der auswärtigen Angelegenheiten («actes de gouvernement»; vgl. Art. 83 Bst. a des Bundesgerichtsgesetzes56 und Art. 32 Abs. 1 Bst. a des Verwaltungsgerichtsgesetzes57). Der Ausschluss der Überprüfung der Angemessenheit kann mit der Rechtsweggarantie vereinbart werden. Dies ist beispielsweise auch im öffentlichen Beschaffungswesen (vgl. Art. 31 BöB) so geregelt.

Art. 57

Übertretungen

Gemäss Artikel 51 Absatz 1 Bst. a des Ende 2009 aufgehobenen Transportgesetzes konnte auf Antrag mit Busse bestraft werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig Voll56 57

974

SR 173.110 SR 173.32

zugsvorschriften des Bundesrates über die Zulassung von Personen oder Gegenständen zum Transport verletzte. Gestützt auf diese Bestimmung konnten einerseits Reisende ohne gültigen Fahrausweis gebüsst werden (Art. 1 der Ende 2009 aufgehobenen Transportverordnung, TV), aber auch Personen, welche betrunken waren oder unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln standen (Art. 2 Abs. 1 Bst. a TV), sich ungebührlich benahmen (Art. 2 Abs. 1 Bst. b TV) oder Benützungs- oder Verhaltensvorschriften der Transportunternehmen oder die Anordnungen des Personals nicht befolgten (Art. 2 Abs. 1 Bst. c TV). Seit dem Inkrafttreten des Personenbeförderungsgesetzes fehlt es an entsprechenden Bestimmungen.

Mit Absatz 2 Buchstabe a wird dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben, die Übertretung bestimmter Bestimmungen mit Busse zu belegen, wenn sich ein entsprechendes Bedürfnis hierfür zeigt. Ein Bedürfnis würde insbesondere dann entstehen, wenn sich Zuschläge nach Artikel 22 Absatz 1 PBG als ungenügendes Mittel erweisen sollten. Die Bestimmung entspricht der Formulierung von Artikel 86a Buchstabe e EBG.

Absatz 2 Buchstabe b tritt an die Stelle von Artikel 57 Absatz 1 Buchstabe a PBG und schliesst dessen Strafbarkeitslücke. Das Reisen ohne gültigen Fahrausweis muss nämlich auch dann strafbar sein, wenn man den Fahrausweis nicht selbst entwerten muss, beispielsweise, weil der Billettautomat bereits entwertete Billets ausgibt.

Selbstverständlich bleibt es weiterhin ­ jedenfalls solange die Tarife dies vorsehen ­ zulässig, Züge des Fernverkehrs ohne gültigen Fahrausweis zu betreten und das Billett beim Zugbegleiter zu erwerben. Dies wird durch die Formulierung «oder sonst dazu berechtigt zu sein» erreicht. Ebenso wenig ist strafbar, wer nachweislich über einen gültigen, persönlichen Fahrausweis verfügt (z.B. Generalabonnement), diesen aber vergessen hat. In solchen Fällen können die Transportunternehmen jedoch gestützt auf Artikel 20 PBG einen Zuschlag erheben, da solche Reisende keinen gültigen Fahrausweis vorweisen können.

Bei den Übertretungen nach Absatz 2 sollte es sich um Antragsdelikte handeln, da auch Straftaten wie die Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) oder das Erschleichen einer Leistung (Art. 150 StGB), die im Unrechtsgehalt den in Absatz 2 genannten Übertretungen mindestens vergleichbar sind, ebenfalls nur auf Antrag verfolgt werden.

Art. 58

Vergehen

Siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 86a EBG (siehe Ziff. 2.3).

Art. 60

Zuständigkeit

In Artikel 60 Absatz 3 wird klargestellt, dass das Bundesgesetz vom 22. März 197458 über das Verwaltungsstrafrecht nur für Verfahren vor dem BAV gilt und nicht für die Verfahren in kantonaler Zuständigkeit.

Art. 66

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Beim Zahlungsrahmen zum regionalen Personenverkehr handelt es sich um einen wichtigen Finanzbeschluss, welcher den eidgenössischen Räten zu Beginn der 58

SR 313.0

975

Legislaturperiode unterbreitet werden soll. Um in den Rhythmus der Legislaturplanung zu kommen, ist eine Übergangsbestimmung vorgesehen, da je nach Dauer der parlamentarischen Beratung dieser Vorlage das Inkrafttreten von der Legislaturperiode abweichen kann.

2.7

Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt (BSG)59

Art. 20­20c

Entzug der Ausweise für Führer und Besatzungen

Angesichts der geänderten Strafbestimmungen sind auch die Administrativbestimmungen anzupassen. Dadurch können auch im Rahmen eines Administrativverfahrens differenziertere Massnahmen ausgesprochen werden. Insbesondere sollen bei der Bestimmung der Dauer des Ausweisentzugs auch die Ausweisentzüge nach dem Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 195860 (SVG) berücksichtigt werden.

Ratio legis ist, dass ein Täter auf dem Schiff nicht ein zusätzliches (leeres) Konto an Widerhandlungen zugeteilt bekommen soll, das er ausschöpfen kann, bevor ihm auch nach SVG Entzüge drohen.

Art. 21

Ausweisentzug wegen fehlender Fahreignung

Diese Bestimmung wird neu analog dem SVG eingeführt.

Art. 24a

Fahrunfähigkeit

Eine ähnliche Regelung bestand bisher in Artikel 41 Absatz 3 der Binnenschifffahrtsverordnung vom 8. November 197861 (BSV). Sie wird im Gesetz neu wie folgt definiert: Wer im Zeitpunkt der Fahrt nicht über die erforderliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, um sicher ein Schiff führen zu können oder sich an dessen Führung zu beteiligen oder einen nautischen Dienst auszuüben, ist fahrunfähig. Als Gründe für die Fahrunfähigkeit sollen ausdrücklich auch die Einflüsse von Betäubungs- oder Arzneimitteln erwähnt werden. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass Fahren unter Betäubungs- oder Arzneimitteleinfluss gleich behandelt werden soll, wie Fahren in angetrunkenem Zustand. Mit der Regelung wird zudem präzisiert, dass auch Personen, die im nautischen Dienst an Bord eingesetzt sind (z.B. Matrosen, Maschinisten), nicht durch Einfluss von Alkohol, Betäubungs- oder Arzneimitteln in der Ausübung ihrer Tätigkeit eingeschränkt sein dürfen.

Art. 24b

Feststellung der Fahrunfähigkeit

Absatz 1 ermöglicht die systematische Atemalkoholkontrolle, d.h. die Durchführung verdachtsfreier Atemalkoholproben, wie dies auch in Artikel 55 SVG festgehalten ist. Danach müssen jeder Schiffsführer und jede Schiffsführerin sowie das an der Führung eines Schiffes beteiligte und das übrige nautische Personal jederzeit damit rechnen, auf Alkoholkonsum kontrolliert zu werden.

59 60 61

976

SR 747.201 SR 741.01 SR 747.201.1

Bestehen bei diesen Personen auch aus andern Gründen Anzeichen einer Fahrunfähigkeit, so können nach Absatz 2 neben der Atemprobe weitere Voruntersuchungen angeordnet werden. Denkbar sind Urin- und Speicheltests, die Rückschlüsse auf den Konsum von Alkohol, Arznei- oder Betäubungsmitteln zulassen. Damit diese Art von Voruntersuchung angeordnet werden darf, müssen Verdachtsmomente vorliegen. Ansonsten wäre es unverhältnismässig, diese Person solchen Untersuchungen auszusetzen, ohne dass Anzeichen von Fahrunfähigkeit aufgrund des Konsums von Arznei- oder Betäubungsmitteln vorliegen würden.

Wie im SVG wird in Absatz 3 die bundesrechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass bei Verdacht auf Fahrunfähigkeit auch wegen Betäubungs- oder Arzneimittelkonsums eine Blutprobe abgenommen werden kann. Da die Atemprobe nicht gegen den Willen einer kontrollierten Person durchgeführt werden kann, müssen unterstützende Zwangsmassnahmen zur Verfügung stehen. Wer sich also der Durchführung einer Atemprobe widersetzt, entzieht oder den Zweck der Massnahme vereitelt, dem ist eine Blutprobe abzunehmen. Bei Personen mit Atemwegerkrankungen ist die Durchführung der Atemprobe oftmals ­ ohne ihr Verschulden ­ nicht möglich. Bei diesen Personen soll eine Blutprobe weiterhin nur dann abgenommen werden, wenn sie Anzeichen von Angetrunkenheit aufweisen.

In Absatz 6 Buchstabe a wird die Festlegung der Promillegrenzen bei Angetrunkenheit in Abweichung vom SVG in die Kompetenz des Bundesrates gegeben. Dies rechtfertigt sich damit, dass es bei den von diesen Bestimmungen betroffenen Personen um einen sehr eingeschränkten Kreis handelt. Somit ist das Interesse der Bevölkerung, auf die festzulegende Höhe des Grenzwertes Einfluss zu nehmen, auch weniger gross als im Strassenbereich.

Für die Personen nach Absatz 6 Buchstabe b sollen tiefere Grenzwerte im Sinne eines Alkoholverbots festgelegt werden. Auf die Ausdehnung auf Schiffsführende, die Privatfahrten durchführen, oder solche, die Schiffe von Berufs wegen benutzen (z.B. Handwerker, Kleingewerbler wie z.B. Fischer), aber nicht berufsmässig Schiffe führen, wird verzichtet, da der praktische Vollzug schwierig wäre.

Die Regelungen unter Absatz 6 Buchstaben c und d entsprechen den bestehenden Regelungen für den Strassenverkehr.

Die eingesetzten Atemalkohol-Testgeräte unterstehen dem Bundesgesetz vom 9. Juni 197762 über das Messwesen sowie der Messmittelverordnung vom 15. Februar 200663.

Art. 41

Fahren in fahrunfähigem Zustand

Neu macht sich nach Absatz 1 auch das nautische Personal (z.B. Matrosen, Maschinisten) strafbar, wenn es wegen Alkohol fahrunfähig ist und dabei einen nautischen Dienst ausübt. Zudem werden neu die leichtere Angetrunkenheit als Übertretung und das Vorliegen einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration als Vergehen geahndet.

Nach Absatz 2 wird neu auch bestraft, wessen Fähigkeit z.B. wegen Betäubungs-, Arzneimittelkonsum oder aus andern Gründen aufgehoben ist.

Das Führen eines motorlosen Schiffes in fahrunfähigem Zustand wird nach Absatz 3 nur mit Busse bestraft.

62 63

SR 941.20 SR 941.210

977

Art. 41a (neu)

Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit

Bisher war die Vereitelung der Blutprobe in Artikel 41 Absatz 2 BSG geregelt.

Dieser Tatbestand muss aber wegen der Differenzierung des Fahrens in fahrunfähigem Zustand neu geregelt werden.

Nur als Übertretung wird hingegen gemäss Absatz 2 die Vereitelung der Blutprobe bei Benützung eines motorlosen Schiffes geahndet.

Art. 41b (neu)

Ergänzende Strafbestimmungen

Mit diesem Artikel wird eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass der Bundesrat unter anderem die Verletzung eines Alkoholverbots für Personen nach Artikel 24b Absatz 6 Buchstabe b als strafbar erklären kann.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Umsetzung der Interoperabilitätsrichtlinie: keine wesentlichen Mehrkosten Die aufgrund der Interoperabilitätsrichtlinie erforderlichen technischen Neuerungen erfolgen bei bestehenden Eisenbahnanlagen und Fahrzeugen schrittweise. Daher ist unter der Annahme, dass die neuen technischen Spezifikationen nicht zu einer Verteuerung der spezifizierten Produkte führen, mit keinen wesentlichen Mehrkosten zu rechnen. Die Finanzierung erfolgt über die bestehenden Instrumente (u.a.

Leistungsvereinbarung, FinöV-Fonds) und wird sich auf der Infrastrukturseite im Rahmen von grösseren Umbau- und Erneuerungsmassnahmen über Jahrzehnte erstrecken.

Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr: keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund Die durch eine Zielvereinbarung oder durch eine Ausschreibung eingesparten finanziellen Mittel kommen der Aufrechterhaltung, der punktuellen Verbesserung des bestehenden Angebotes des regionalen Personenverkehrs sowie den Bestellern (Bund und Kantone) zugute. Allerdings kann die Einsparung der Mittel nicht quantifiziert werden.

Schiedskommission im Eisenbahnverkehr (SKE) Die zusätzlichen Aufgaben der SKE verursachen für den Bund keine Mehrkosten.

Vorhaltekosten der Wehrdienste Sämtliche ISB in der Schweiz müssen sich für ein Netz von ca. 5200 km mit einem jährlichen Beitrag von insgesamt 3 Millionen Franken an den Vorhaltekosten der Kantone beteiligen. Die Kosten pro ISB reichen (abgestuft nach Streckenlänge und Risiko) von wenigen hundert Franken pro Jahr bis zu ca. 2,2 Millionen Franken. Die Kantone erhalten damit Beiträge zwischen ca. 3000 und 500 000 Franken pro Jahr ­

978

wiederum abhängig von den Risiken und der Länge des von ihnen zu betreuenden Streckennetzes. Die Finanzierung soll mit Hilfe der Infrastrukturabgeltung erfolgen.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Staatliche Konformitätsbewertungsstelle Eine staatliche Konformitätsbewertungsstelle würde 900 weitere Stellenprozente erfordern, nämlich für jedes der sieben Teilsysteme und seine Interoperabilitätskomponenten je 100 Stellenprozente. Hinzu kämen für die Führung, die internationale Zusammenarbeit und das Sekretariat 200 Stellenprozente. Die staatliche Konformitätsbewertungsstelle wäre aber selbsttragend.

Eine staatliche Konformitätsbewertungsstelle ist jedoch nicht zwingend vorgesehen, da die Konformitätsbewertung auch von privaten Konformitätsbewertungsstellen im Inland und von Konformitätsbewertungsstellen im Ausland durchgeführt werden kann.

Zusätzliche Betriebsbewilligungen Das BAV wird verpflichtet, in deutlich grösserem Umfang als bisher Betriebsbewilligungen zu erteilen. Heute entscheidet das BAV im Rahmen der Erteilung der Plangenehmigung von Fall zu Fall, ob eine Betriebsbewilligung erforderlich ist. Die Umsetzung der Interoperabilitätsrichtlinie wird zukünftig eine Betriebsbewilligung für jedes strukturelle Teilsystem des Eisenbahnsystems (erstmalige Inbetriebsetzung und Inbetriebsetzung nach Umrüstungen oder wichtigen Erneuerungen) obligatorisch machen. Es wird jährlich zusätzlich mit mindestens 400 zusätzlichen Bewilligungsverfahren gerechnet, was zu einem Mehrbedarf von mindestens 400 Stellenprozenten führt. Dabei entfallen 200 Stellenprozente auf die Führung der Bewilligungsverfahren und 200 Stellenprozente auf sicherheitstechnische Fachfragen. Diese Kosten können über Gebühreneinnahmen finanziert werden.

Prüfung von Sicherheitsmanagementsystemen Das BAV muss neu die Sicherheitsmanagementsysteme (SMS) aller überregional tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen prüfen. Heute benötigen nur Unternehmen im Netzzugang ein SMS, das zudem keiner behördlichen Zulassung bedarf. Neu sind zudem Sicherheitsgenehmigungen für die Infrastrukturbetreiberinnen auszustellen, die gebührenpflichtig sind. Insgesamt erfordert dies zusätzlich 400 Stellenprozente.

Davon entfallen 200 Stellenprozente auf die Erteilung der zusätzlichen Sicherheitsgenehmigungen und 200 Stellenprozente auf die Prüfung der SMS. Letztere Tätigkeit könnte auch von akkreditierten Zertifizierungsstellen für Managementsysteme erbracht werden. Diese Auslagerung käme aber für die Bahnen teurer, weil so für die Prüfung des SMS das
Zertifikat einer akkreditierten Zertifizierungsstelle erforderlich wäre.

Umsetzung der TSI Das BAV muss sich an der Entwicklung der technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) und der sie konkretisierenden Normen auf europäischer Ebene beteiligen und zwar sowohl im Ausschuss nach Artikel 29 der Interoperabilitätsrichtlinie wie auch in den Gremien, welche die TSI und die Normen erarbeiten.

Das BAV muss zugleich für eine Kompatibilität dieser europäischen Vorschriften 979

für einzelne Bestandteile des Eisenbahnsystems mit den schweizerischen Vorschriften sorgen. Beispiele sind die Notifikation der Schweizerischen Eisenbahn-Sicherheitsvorschriften bei der Europäischen Kommission bzw. der ERA sowie die Bearbeitung der schweizerischen Sonderfälle («Specific Cases») und Abweichungen («Derogations»). Dies löst einen zusätzlichen Stellenbedarf von 200 Stellenprozenten aus. Davon entfallen 100 Stellenprozente auf die Prozessführung und 100 Stellenprozente auf sicherheitstechnische Fachfragen.

Marktüberwachung Die Interoperabilitätsrichtlinie führt zu einer Liberalisierung des Handels mit Interoperabilitätskomponenten und Teilsystemen, indem sie den freien Verkehr dieser Produkte gestattet, ohne dass eine staatliche Behörde einbezogen wäre. Es genügt grundsätzlich die Konformitätserklärung des Herstellers, verbunden mit einer Konformitätsbescheinigung einer Konformitätsbewertungsstelle. Diese Liberalisierung verlangt den Aufbau einer Marktüberwachung. Das BAV benötigt für einzelne stichprobenartige Überprüfungen eine neue Stelle (100 Stellenprozente), insbesondere um konkreten Hinweisen auf Nicht-Konformität einzelner Produkte nachgehen zu können. Da mit dieser Vorlage keine Abgabe für die Marktüberwachung eingeführt wird, werden die Aktivitäten vom Bund finanziert werden müssen. Hinzu kommen die Koordination mit der ERA und der Geschäftsverkehr mit den ausländischen Marktaufsichtsbehörden.

Betreuung der Ausschreibungen Durch die Regelung der Ausschreibungen entsteht mindestens ein Personalbedarf von 100 Stellenprozenten. Einerseits wird sich die Zahl der Ausschreibungen erhöhen. Andererseits erwachsen dem BAV neue Aufgaben: Es wird neu den Zuschlag in Form einer Verfügung erlassen, die Vergabevereinbarungen erstellen und bewirtschaften sowie für die interkantonale Abstimmung der Ausschreibungsplanungen der Kantone sorgen.

Fazit Die mit dieser Vorlage vorgeschlagenen Massnahmen erfordern 100 zusätzliche Stellenprozente, die sich nicht über Gebühren finanzieren lassen. Die 800 weiteren Stellenprozente können ebenso über Gebühren finanziert werden wie eine allfällige staatliche Konformitätsbewertungsstelle (900 Stellenprozente).

3.1.3

Sonstige Auswirkungen

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Informatik des Bundes oder in baulicher Hinsicht.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

3.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Ausführungen unter Ziffer 3.1.1 gelten auch für die Kantone. Was die von einigen Kantonen in der Vernehmlassung geäusserte Befürchtung anbelangt, ihnen könnten als Besteller mittelbar dadurch Kosten entstehen, dass den Bahnunterneh980

men durch die Einführung neuer technischer Spezifikationen Mehrkosten entstehen, ist auf zwei Aspekte hinzuweisen: Die Entscheidung zur Einführung des neuen Zugsicherungssystems ETCS wurde unabhängig von der Übernahme der Interoperabilitätsrichtlinie getroffen, da die heute in der Schweiz verwendeten Systeme aufgrund ihres Alters ersetzt werden mussten. Auch erfolgt die Einführung neuer technischer Spezifikationen nur schrittweise, wenn ein Streckenabschnitt oder ein Fahrzeug ohnehin erneuert oder umgebaut werden muss. Deshalb lässt die schrittweise Anpassung schweizerischer Strecken und Fahrzeuge an die europäischen Spezifikationen keine erheblichen Mehrkosten erwarten.

3.2.2

Personelle Auswirkungen

Operative Leitung von Ausschreibungen bei den Kantonen Bezüglich der Ausschreibungen wird sich der Aufwand für einige Kantone vergrössern. Für andere Kantone, die bereits heute Ausschreibungen durchführen und Zielvereinbarungen erstellen, ändert sich nicht viel. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die operative Leitung von Ausschreibungen bei den Kantonen liegt.

Bei komplexen und interkantonalen Ausschreibungen kann diese Leitung dem BAV übertragen werden. Vor dem Hintergrund, dass mit einem Anstieg der Ausschreibungen gerechnet wird, kann davon ausgegangen werden, dass die Belastungen für die Kantone tendenziell eher steigen wird.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.3.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlicher Intervention

Die Gesetzesänderungen zur Interoperabilität sind erforderlich, damit die Interoperabilitätsrichtlinie in schweizerisches Recht übernommen werden kann. Dies wiederum ist notwendig, um die Interoperabilität der Eisenbahnen in Europa und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Strasse zu verbessern.

3.3.2

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Stabilisierung und Sicherung des schweizerischen Eisenbahnnetzes Die vorgesehenen Regelungen dürften dank der klareren Zuordnung der Verantwortung zu einer Stabilisierung und Sicherung des schweizerischen Eisenbahnnetzes führen.

Die Konsolidierung der bisherigen Reformen für den öffentlichen Verkehr dient der Effizienzsteigerung und damit auch der längerfristigen Sicherung einer angemessenen Versorgung des Landes mit Eisenbahndienstleistungen.

Durch die Übernahme von Teilbereichen aus den ersten beiden EU-Eisenbahnpaketen sowie der Interoperabilitätsrichtlinie sichert die Schweiz die Bedeutung und Wettbewerbsfähigkeit der Schiene als Transitachse durch ihr Gebiet und gewährleis-

981

tet, dass die Jahrhundertbauwerke der NEAT den ihnen zugedachten Zweck erfüllen und zu einer Verkehrsverlagerung auf die Schiene beitragen können.

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch einheitliches europäisches Eisenbahnsystem Die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Strasse wird gestärkt, wenn langfristig ein einheitliches europäisches Eisenbahnsystem entsteht, da die Züge dann ohne Ausrüstung mit zusätzlichen Zugsicherungssystemen und ohne Zeitverlust durch Wechsel der Lokomotive die Landesgrenzen überqueren können. Eine effizientere Auslastung der Strecken kommt den Infrastrukturbetreiberinnen wie auch den Eisenbahnverkehrsunternehmen zugute.

Effizienzsteigerungen durch Regelung der Ausschreibungen Die Regelung der Ausschreibungen ­ unter Berücksichtigung der Möglichkeiten, die Finanzkennzahlen und die Qualität der Verkehrsangebote zu vergleichen sowie bei ungenügenden Resultaten eine Zielvereinbarung abzuschliessen dient der Effizienzsteigerung und damit der längerfristigen Sicherung einer angemessenen Grundversorgung mit Dienstleistungen im Personenverkehr auf der Schiene in der Schweiz.

Die Effizienzsteigerungen im öffentlichen Verkehr ermöglichen zudem ein verbessertes Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Einsatz der öffentlichen Mittel. Damit wird auch dem finanzpolitischen Ziel der Konsolidierung des Bundeshaushaltes Rechnung getragen.

3.3.3

Auswirkungen auf verschiedene Gesellschaftsgruppen

Von der Vorlage sind vor allem die Bahnen betroffen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die unternehmerische Freiheit, aber auch die Verantwortung der Transportunternehmen in einigen Punkten gestärkt wird. Die mit der Bahnreform 1 seit 1999 umgesetzte Rollenteilung zwischen Bund und Unternehmen hat sich bewährt und soll grundsätzlich bestehen bleiben, sie wird jedoch klarer geregelt.

Insgesamt stellen die Massnahmen den diskriminierungsfreien Netzzugang sicher und ermöglichen einen verstärkten Wettbewerb im öffentlichen Verkehr und auf der Schiene, ohne die bestehenden Unternehmen quasi schutzlos einem ungeregelten Markt auszuliefern.

Vorteile für die verladende Industrie Neben den Bahnen ist vor allem die verladende Industrie betroffen. Sie wird voraussichtlich von Angebotsverbesserungen und einer besseren Qualität im Güterverkehr profitieren.

Die Regelungen zur Interoperabilität sind bedeutsam für die Bahnindustrie Im Geltungsbereich der Interoperabilitätsrichtlinie kommt es zu einer zunehmenden Vereinheitlichung der technischen Vorschriften in Europa und zur gegenseitigen Anerkennung von Prüfungen der Konformitätsbewertungsstellen. Es entstehen Synergieeffekte, indem statt verschiedener nationaler Vorschriften einheitliche europäische Vorschriften gelten. Dies wird zu einer Straffung der Produktpalette und zu einer Spezialisierung der Hersteller auf bestimmte Produkte führen. Tendenziell 982

ist dies von Vorteil für grössere Unternehmen, die sich auf dem europäischen Markt durchsetzen können. Schwieriger wird es dagegen für kleinere Unternehmen, die ihr Angebot auf die besonderen nationalen Vorschriften eines Landes zugeschnitten haben, wenn sie es nicht schaffen, sich durch Spezialisierung und Besetzung bestimmter Nischen (z.B. Produkte für Schmalspurbahnen) auf die fortschreitende Vereinheitlichung einzustellen. Es gilt aber zu bedenken, dass die Straffung der Produktpalette im Eisenbahnbereich unabhängig von der Frage voranschreitet, ob die Schweiz die Interoperabilitätsrichtlinie übernimmt oder nicht.

Da in noch grösserem Umfang als bisher die Einhaltung der Vorschriften durch unabhängige Sachverständigen-Organisationen in der Form von Konformitätsbewertungsstellen nachgewiesen werden muss, werden die Kosten der einzelnen Verfahren steigen. Die Mehrkosten für den Beizug unabhängiger Sachverständiger werden aber nur einen kleinen Teil der ohnehin anfallenden Entwicklungs- und Prüfungskosten einer Neuentwicklung ausmachen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass durch die europaweite Anerkennung der Dokumente der Konformitätsbewertungsstellen Kosten eingespart werden, weil entsprechende Prüfungen in anderen europäischen Ländern entfallen.

Neue Aufgabe für Sachverständige Sachverständige müssen sich in Zukunft als Konformitätsbewertungsstellen organisieren, wenn sie weiterhin ­ und nicht nur als Unterakkordanten einer Konformitätsbewertungsstelle ­ die Sicherheit und Vorschriftskonformität von Teilsystemen und Interoperabilitätskomponenten überprüfen wollen.

Vorteile für Bürgerinnen und Bürger Neben den Transportunternehmen sind insbesondere die Bürgerinnen und Bürger von der Vorlage betroffen. Sie werden voraussichtlich von Angebotsverbesserungen und einer besseren Qualität der Verkehrsdienstleistungen profitieren. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die öffentliche Hand bereit ist, das bisherige Abgeltungsvolumen aufrechtzuerhalten.

3.3.4

Andere in Frage kommende Regelungen

Nichtumsetzung der Interoperabilitätsrichtlinie, Auswirkungen auf Wirtschaft Die hier vorgeschlagenen Gesetzesänderungen dienen dem diskriminierungsfreien Netzzugang und der Erleichterung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs.

Sie stärken damit die Bahn im intermodalen Wettbewerb. Vor allem die Interoperabilität lässt sich nur im europäischen Rahmen regeln; aus diesem Grund führt an der Umsetzung der entsprechenden Richtlinie im schweizerischen Recht kein Weg vorbei. Eine Nichtumsetzung der Interoperabilitätsrichtlinie könnte den Zugang der schweizerischen Unternehmen dadurch erschweren, dass die Hersteller für den Export ihrer Produkte auf Konformitätsbescheinigungen von ausländischen Konformitätsbewertungsstellen angewiesen wären.

Schiedskommission im Eisenbahnverkehr Vor allem von Seiten der Eisenbahnunternehmen wird die Ansicht geäussert, die Trassenvergabe geschehe heute vollständig diskriminierungsfrei, weshalb weitere Schritte zur Sicherstellung der Diskriminierungsfreiheit nicht nötig seien. Als 983

Beweis wird angeführt, dass die Schiedskommission bisher kaum angerufen wurde.

Es ist richtig, dass seit Einführung des Netzzugangs kaum Fälle offener Diskriminierung festgestellt werden mussten. In einem Umfeld, in dem der Wettbewerb zunimmt (wie beispielsweise im Güterverkehr), kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Versuchung, fremde Netzbenutzerinnen auf subtile Weise zu benachteiligen, einmal nachgegeben wird. Diese Versuchung besteht so lange, wie Infrastrukturbetreiberinnen gleichzeitig Eisenbahnverkehrsunternehmen sind. Dieser Zustand dauert an, und eine absolut diskriminierungsfreie Behandlung fremder Netzbenutzerinnen ist nicht garantiert. Deshalb muss nach Instrumenten gesucht werden, die geeignet sind, diskriminierendes Verhalten möglichst zu verhindern. Ein Schritt in diese Richtung ist der Ausbau der Schiedskommission zum Marktregulator. Indem die SKE den Markt aktiv beobachtet und indem sie über die Möglichkeit verfügt, auch tatsächlich einzuschreiten und diskriminierendes Verhalten zu unterbinden, senkt sie den Anreiz für Infrastrukturbetreiberinnen, unternehmensfremde Netzbenutzerinnen zu benachteiligen. Um eine vollständige Diskriminierungsfreiheit sicherzustellen, sind noch weitere Massnahmen nötig, die aber nicht Gegenstand dieser Vorlage sind.

3.4

Andere Auswirkungen

3.4.1

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt. Die Stärkung der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs verbessert aber deren Wettbewerbsfähigkeit im Personen- und im Güterverkehr. Es kann deshalb ein mittelbarer, positiver Einfluss auf die Umwelt im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung erwartet werden. Mit der Vorlage wird ein reibungsloser Eisenbahnverkehr über die Grenzen hinweg geschaffen, was zukünftig zu einer besseren Netznutzung führen und sich somit positiv auf die Energienutzung auswirken kann.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 23. Januar 200864 über die Legislaturplanung 2007­2011 und im Bundesbeschluss vom 18. September 200865 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die beantragten Änderungen bewegen sich alle im Rahmen, den die Bundesverfassung in den Artikeln 81, 84, 87 und 92 setzt. Insbesondere ist laut Artikel 87 BV die Gesetzgebung über den Eisenbahnverkehr Sache des Bundes. Der Ausschluss des Weiterzugs von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesgericht 64 65

984

BBl 2008 791 820 BBl 2008 8545

im Bereich der Ausschreibungen verletzt Artikel 29a BV ebenso wenig wie der Ausschluss der Angemessenheitsprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht66.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage setzt verschiedene Teile der im Rahmen des Landesverkehrsabkommens relevanten EU-Rechtsakte um (1. und 2. Bahnpaket der EU) und trägt dazu bei, den Wettbewerb im öffentlichen Verkehr zu stärken.

Die Bestimmungen zur Interoperabilität sind im Lichte von Artikel 33 Absatz 2 des Landverkehrsabkommens zu sehen, wonach sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, die Interoperabilität ihrer Eisenbahnnetze zu entwickeln. Die Übernahme der Interoperabilitätsrichtlinie in schweizerisches Recht dient der grundsätzlich angestrebten gegenseitigen Anerkennung der Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene.

5.3

Erlassform

Wichtige rechtsetzende Bestimmungen sind in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV). Soweit es um Inhalte dieser Bestimmungen geht, werden sie in nicht abschliessender Weise in Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben a­g BV umschrieben. Einen derartigen Inhalt regelt der Entwurf des Bundesgesetzes über den zweiten Schritt der Bahnreform. Weil dieses Bundesgesetz dem fakultativen Referendum unterliegt (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV), ist sichergestellt, dass die direktdemokratische Mitbestimmung in diesem wichtigen Bereich gewahrt bleibt.

Beim Entwurf zum Bundesgesetz über den zweiten Schritt der Bahnreform 2 handelt es sich um einen referendumspflichtigen Mantelerlass, der gleichstufige Rechtserlasse aus verschiedenen Aufgabengebieten unter einem Sammeltitel zusammenfasst. Da unter den Entwürfen ein enger finaler Zusammenhang besteht, kann der zweite Schritt der Bahnreform 2 nur die volle Wirkung entfalten, wenn alle diese Änderungen integral und zeitgleich vorgenommen werden. Das Erfordernis der Zweckmässigkeit der Zusammenfassung unter einem Titel ist somit erfüllt.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Gemäss Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte.

Die Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste nach Artikel 32a (neu) EBG begründet daher eine neue finanzielle Verpflichtung, die der Ausgabenbremse unterstellt ist.

66

Vgl. Komm. BV, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Hrsg.), 2. Aufl. 2008, Art. 29a Rz. 7 und 11.

985

5.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Sowohl Leistungsvereinbarungen wie auch die Angebotsvereinbarungen sind Subventionsverträge, wie sie das Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199067 vorsieht.

Die Subventionsüberprüfung der Leistungs- und Angebotsvereinbarungen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen und Infrastrukturbetreiberinnen wird im Rahmen der dazugehörigen Sonderbotschaften erfolgen.

67

986

SR 616.1