11.053 Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Singapur vom 31. August 2011

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 24. Februar 2011 unterzeichneten Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Singapur.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. August 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-1266

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Übersicht Das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit Singapur ersetzt dasjenige vom 25. November 1975. Es sieht die Aufnahme einer Bestimmung über den Informationsaustausch gemäss internationalem Standard vor. Weiter werden eine Reduktion des Residualsatzes von 10 % auf 5 % auf Ausschüttungen von Dividenden einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft sowie eine Reduktion der Mindestbeteiligungshöhe von 25 % auf 10 % vorgesehen. Für Ausschüttungen von Dividenden an die jeweiligen Nationalbanken sieht der Entwurf den Nullsatz vor. Für Zinsen konnte ebenfalls eine Senkung des Residualsteuersatzes von 10 % auf 5 % sowie eine Quellensteuerbefreiung für Zinszahlungen von einer Bank in einem Vertragsstaat an eine Bank im anderen Vertragsstaat und für Zinszahlungen an die Singapurische Nationalbank bzw. an die Schweizerische Nationalbank vereinbart werden.

Leasinggebühren gelten nicht mehr als Lizenzgebühren. Schliesslich enthält der Entwurf vorteilhafte Bestimmungen hinsichtlich der Pensionen und der Leistungen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Abkommens begrüsst.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

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2 Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

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3 Würdigung

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4 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens

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5 Finanzielle Auswirkungen

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6 Verfassungsmässigkeit

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Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Singapur (Entwurf)

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz seit jeher den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen zwischen der Schweiz und Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.968.91, nachfolgend «das Abkommen von 1975») wurde am 25. November 1975 abgeschlossen und seither keiner Revision unterzogen. Es enthält Lösungen, die auf der bilateralen Ebene die wirtschaftlichen Beziehungen jener Epoche widerspiegeln (z.B. einen Quellensteuersatz von 10 % auf Dividenden bei einer Mindestbeteiligung von 25 % und einen Quellensteuersatz von 10 % auf Zinsen zugunsten des Quellenstaates). Dieses Abkommen zeichnet sich wie andere relativ alte Abkommen, die mit Staaten dieser Region Asiens abgeschlossen wurden, ausserdem dadurch aus, dass es keine Bestimmung über den Informationsaustausch zu Steuerzwecken enthält.

Nachdem der Bundesrat am 13. März 2009 beschlossen hatte, den Vorbehalt der Schweiz zum Informationsaustausch gemäss Musterabkommen der OECD zurückzuziehen, ersuchte Singapur die Schweiz darum, Verhandlungen aufzunehmen, um eine Klausel zu integrieren, die der neuen Abkommenspolitik der Schweiz auf dem Gebiet des Informationsaustausches zu Steuerzwecken Rechnung trägt. Die Schweiz ihrerseits wünschte nebst dieser Anpassung unter anderem eine Senkung der im Abkommen verankerten Residualsätze für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, um den Schweizer Steuerstandort zu stärken. Zur Erreichung der zwölf unterzeichneten Abkommen mit OECD-Standard bis zum G-20-Gipfel in Pittsburgh Ende September 2009 vereinbarten Singapur und die Schweiz, die Abkommensrevision in zwei Etappen zu vollziehen und in einer ersten Phase hauptsächlich die Änderung 8688

der Amtshilfebestimmung anzugehen. Das ausgehandelte Protokoll zur Änderung des Abkommens von 1975 (nachfolgend «Änderungsprotokoll») wurde am 28. August 2009 paraphiert und enthielt eine neue Bestimmung über den Informationsaustausch (Art. 24A) sowie Änderungen für die Besteuerung für Seeschifffahrts- und Luftfahrtunternehmungen (Art. 8) und für Kapitalgewinne (Art. 13). In der danach durchgeführten Anhörung der interessierten Wirtschaftsverbände und der Kantone sprachen sich die Kantone gegen die Unterzeichnung des Änderungsprotokolls aus, weil Singapur eine Klausel wünschte, wonach die Vertragsstaaten nur in dem Ausmass Amtshilfe verlangen dürfen, wie sie es gemäss innerstaatlichem Recht oder ihrer Verwaltungspraxis tun können. Zudem wurde bemängelt, dass der Informationsaustausch nicht auf die Steuern eingeschränkt werden konnte, die unter das Abkommen fallen. Der damalige Vorsteher des EFD hatte deshalb angeordnet, das paraphierte Änderungsprotokoll mit Singapur nicht zu unterzeichnen und die Verhandlungen weiterzuführen.

Ende November 2009 wurde eine weitere Verhandlungsrunde in Bern durchgeführt, um das ganze Abkommen von 1975 zu revidieren und insbesondere die Senkung der Quellensteuersätze erneut zu thematisieren. Diese Revisionsverhandlungen wurden mit dem vorliegenden Ergebnis für ein neues Abkommen zwischen der Schweiz und Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen abgeschlossen.

Zusammenfassend wurden folgende Resultate erreicht: Bei den Dividenden: ­

5 % für Gesellschaften die mindestens 10 % des Aktienkapitals an der ausschüttenden Gesellschaft halten,

­

Quellensteuerbefreiung für Dividenden, die an die Schweizerische Nationalbank bzw. an die Singapurische Nationalbank («Monetary Authority of Singapore») oder an den Staatsfonds von Singapur («the Government of Singapore Investment Corporation Pte Ltd») gezahlt werden,

­

15 % in den übrigen Fällen.

Bei den Zinsen: ­

Allgemeine Senkung des Residualsteuersatzes von 10 % auf 5 %,

­

Quellensteuerbefreiung für Zinszahlungen von einer Bank in einem Vertragsstaat an eine Bank im anderen Vertragsstaat sowie für Zinszahlungen an die Singapurische Nationalbank oder an die Schweizerische Nationalbank.

Bei den Lizenzgebühren: ­

Künftig werden Leasinggebühren als Einkünfte nach Artikel 7 und nicht mehr als Lizenzgebühren behandelt. Damit entfällt für singapurische Leasinggebühren die heutige Quellensteuer von 5 %.

Weitere von der Schweiz erwünschte Ergebnisse: ­

Behandlung der Kapitalleistungen als wiederkehrende Zahlungen im Sinne von Artikel 18 des Abkommens,

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­

bilaterale Bestimmung für die Besteuerung der Einkünfte aus der Säule 3a und dem vergleichbaren singapurischen Supplementary Retirement Scheme im Quellenstaat,

­

Einfügung einer Generalklausel, der zufolge übrige Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden können,

­

Gleichbehandlung der Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr eines Unternehmens.

Gegenüber dem paraphierten Änderungsprotokoll konnte zudem der Anwendungsbereich des Informationsaustausches (Art. 26) für alle Steuern wieder eingeschränkt werden und somit eine der Forderungen der Kantone erfüllt werden; auszutauschen sind daher nur Informationen betreffend Steuern, die unter das Abkommen fallen.

Die von den Kantonen beanstandete Klausel, wonach der ersuchende Staat in seinem Amtshilfeersuchen bestätigen sollte, dass er die Informationen auch im Inland beschaffen könnte, wurde nicht in das neue Abkommen übernommen. Die zuständigen Behörden beider Staaten haben anlässlich der Unterzeichnung des neuen Abkommens in einer gemeinsamen Verständigungsvereinbarung festgehalten, dass der ersuchende Staat für Informationen, die er intern nicht beschaffen könnte, keine Amtshilfeersuchen stellen wird. Für die Schweiz entspricht dies mit Blick auf Bankinformationen der Absicht des Bundesrates, wie dies in Artikel 16 Absatz 5 der Verordnung vom 1. September 2010 über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV; SR 672.204) geregelt ist. Der Entwurf des Bundesgesetzes über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz, StAG; BBl 2011 6193) hält dies ebenfalls fest.

Beide Verhandlungsparteien waren übereingekommen, über das erreichte Ergebnis eine interne Konsultation durchzuführen und einander innert nützlicher Frist mitzuteilen, ob der Entwurf des neuen Abkommens paraphiert werden kann oder nicht.

Die im Rahmen der internen Konsultation in der Schweiz begrüssten interessierten Kreise äusserten sich grundsätzlich positiv zum Verhandlungsergebnis. Mit Bezug auf die oben erwähnte Vereinbarung über die eingeschränkten Möglichkeiten der Schweiz, Bankinformationen zu verlangen, bestand Einvernehmen, dass eine Paraphierung respektive eine Unterzeichnung eines Revisionsprotokolls mit Singapur erfolgen könne, falls der Bundesrat im August 2010 an der entsprechenden Bestimmung der ADV festhalten wird. Der Bundesrat hat dieser Bestimmung zugestimmt, und die ADV ist am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten.

Das neue Abkommen wurde am 23. September 2010 auf dem Schriftweg paraphiert.

Am 13. Februar 2011 hat der Bundesrat entschieden, dass die Schweiz ihre Amtshilfepolitik in Steuersachen einer Anpassung unterzieht. Dies weil im Rahmen des durch das Global Forum on Transparency
and Exchange of Information for Tax Purposes (Global Forum) durchgeführten Peer Reviews der Schweiz mitgeteilt wurde, dass die Grosszahl der bisher von der Schweiz unterzeichneten Doppelbesteuerungsabkommen und Änderungsprotokolle mit einer im Sinne des Beschlusses des Bundesrates vom 13. März 2009 erweiterten Amtshilfebestimmung dem internationalen Standard nicht genügen. Die von der Schweiz vereinbarten verfahrenstechnischen Anforderungen an Amtshilfegesuche seien zu restriktiv und stellten ein mögliches Hindernis für einen effektiven Informationsaustausch dar. Dem internationalen Standard würden nur jene Abkommen entsprechen, die über eine Klausel verfügen, wonach die verfahrenstechnischen Anforderungen nicht so ausgelegt 8690

werden dürfen, dass sie einen wirksamen Informationsaustausch behindern. Sollte die Schweiz bis Ende Februar 2011 nicht über mindestens zwölf unterzeichnete Abkommen verfügen, die dem internationalen Standard entsprechen, werde die Schweiz die Phase 1 des Peer Review höchstwahrscheinlich nicht bestehen.

Weil das neue Abkommen mit Singapur im Februar 2011 vor der Unterzeichnung stand, nahm die Schweiz mit Singapur Kontakt auf und fragte, ob das Abkommen noch mit einer solchen Klausel ergänzt werden könne. Dabei wurde der singapurischen Seite auch die Bedeutung der Klausel erläutert und erklärt, dass damit eine Anpassung der Anforderungen an Amtshilfegesuche an den internationalen Standard bezweckt werde. Singapur zeigte sich mit der Anpassung der Anforderungen an den internationalen Standard einverstanden. Am 24. Februar 2011 wurde das neue Abkommen schliesslich in Singapur unterzeichnet.

Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und die am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Kreise haben die Revision dieses Abkommens begrüsst.

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Würdigung

Das im neuen Abkommen reflektierte Ergebnis der Doppelbesteuerungsverhandlungen mit Singapur entspricht grösstenteils der aktuellen Schweizer Abkommenspolitik und stellt eine Verbesserung des Abkommens von 1975 dar.

So entspricht die im neuen Abkommen vorgesehene Bestimmung über den Informationsaustausch dem internationalen Standard und respektiert die vom Bundesrat festgelegten Eckwerte. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Steuersysteme von Singapur und der Schweiz waren die Verhandlungspartner gefordert, für beiden Seiten annehmbare Lösungen zu finden. Singapur zum Beispiel erhebt eine Quellensteuer auf Lizenzgebühren, nicht aber auf Dividenden. In der Schweiz ist es bekanntlich gerade umgekehrt. Die erzielten Resultate im Bereich der Residualsätze sind somit vor allem für den Finanzplatz Schweiz sowie für den Bund und die Kantone von Bedeutung. Unter diesen Umständen sind die erzielten Ergebnisse die bestmöglichen, die die Schweiz derzeit erzielen kann.

Das neue Abkommen mit Singapur wird zweifellos zur weiteren positiven Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Singapur beitragen.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens

Das neue Abkommen folgt sowohl in formaler als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem OECD-Musterabkommen sowie der einschlägigen schweizerischen Praxis. Deswegen beschränken sich die folgenden Ausführungen darauf, die wesentlichen Abweichungen gegenüber dem OECD-Musterabkommen und dem Abkommen von 1975 zu kommentieren.

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Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Das Abkommen von 1975 gilt für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, da Singapur beim Abschluss des Abkommens von 1975 bereit war, die Vermögenssteuer für den Fall unter dem Abkommen zu unterstellen, dass Singapur eine solche Steuer einführen würde. Dies ist jedoch bisher nicht geschehen und wird auch nicht mehr in Erwägung gezogen. Deshalb beschränkt sich das Abkommen neu nur auf die Einkommenssteuer.

Art. 3

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Die Gelegenheit der Totalrevision des Abkommens von 1975 wurde genutzt, um die Definition von Singapur mit der Definition, die dieses Land in seine in den letzten Jahren angepassten Abkommen eingefügt hat, in Einklang zu bringen (Abs. 1 Bst. b). Die neue Formulierung des Textes bringt keine materielle Änderung gegenüber dem geltenden Inhalt dieser Bestimmung mit sich.

Im Sinne einer Angleichung an das Musterabkommen der OECD wurde die Definition des Begriffs «Staatsangehöriger» (Abs. 1 Bst. h) aufgenommen.

Bei den Begriffsbestimmungen wünschte Singapur die Aufnahme einer Definition des Begriffs des «Trustees». Begründet wurde dieses Begehren damit, dass in Singapur das Trust-Einkommen steuerlich dem Trustee zugerechnet wird; die Erträge eines Trusts werden in Singapur mit 17 % besteuert, die nachträgliche Ausschüttung dieser Einkünfte an die Begünstigten in Singapur oder im Ausland unterliegt nicht mehr der Besteuerung in Singapur, sondern gilt als Vermögen der Begünstigten.

Dieses Begehren hätte zur Folge gehabt, dass ein in Singapur ansässiger Trustee künftig als abkommensberechtigt zu behandeln wäre, das heisst für die Zwecke der Artikel 10, 11 und 12 (Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren) des Abkommens als der Nutzungsberechtigte dieser Einkünfte zu behandeln wäre. Der von Singapur gewünschte Vorschlag der Besteuerung von Trustees steht nicht im Einklang mit der Besteuerungspolitik der Schweiz, weshalb einer solchen Bestimmung nicht zugestimmt wurde. In der Schweiz werden Trusts grundsätzlich steuerlich transparent behandelt, und die Ausschüttungen werden bei den Begünstigten besteuert.

Art. 4

Ansässige Person

Im Einklang mit dem OECD-Musterabkommen umfasst der Ausdruck «eine in einem Vertragsstaat ansässige Person» neu auch diesen Vertragsstaat und seine politischen Unterabteilungen und lokalen Körperschaften. Auf Wunsch Singapurs umfasst dieser Ausdruck zusätzlich Körperschaften des öffentlichen Rechts (sogenannte «Statutory Bodies»; Abs. 1). Nach dem Recht Singapurs üben Körperschaften des öffentlichen Rechts öffentlich-rechtliche Funktionen aus und verfügen in den Bereichen Budget und Personal über weitgehende Befugnisse. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts werden durch einen Beschluss des Parlaments errichtet. Die singapurische Zentralbank sowie die «Inland Revenue Authority of Singapore» sind Beispiele solcher Körperschaften des öffentlichen Rechts. Letztere handelt im Namen des Finanzministeriums. Als Vorsteher einer Körperschaft des öffentlichen Rechts fungiert ein Verwaltungsbeamter. Für die Zwecke des Abkommens wird der Ausdruck «Körperschaft des öffentlichen Rechts» in Ziffer 1 des Protokolls zum Abkommen definiert und erläutert. Diese Bestimmung ist bilateral gefasst. Folglich

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werden auch schweizerische Körperschaften als ansässig im Sinne des Abkommens betrachtet, sofern sie staatliche Funktionen ausüben.

Aufgrund des singapurischen Rechts werden die in Singapur ansässigen Personen nicht auf ihrem weltweiten Einkommen besteuert, sondern lediglich auf den aus singapurischen Quellen stammenden Einkünften (Territorialitätsprinzip). Um zu vermeiden, dass die steuerpflichtigen Personen, die in Singapur wohnen und kein Einkommen aus dem Ausland erzielen, von den Abkommensvorteilen ausgeschlossen werden, ist auf den im OECD-Musterabkommen vorgesehenen Satz, wonach der Ausdruck «eine in einem Vertragsstaat ansässige Person» nicht eine Person umfasst, die in diesem Vertragsstaat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Vertragsstaat steuerpflichtig ist, verzichtet worden.

Die Möglichkeit, dass beide Vertragsstaaten sich einvernehmlich über den Ort der Ansässigkeit einer steuerpflichtigen Person mit den Staatsangehörigkeiten beider Vertragsstaaten verständigen, wurde nicht vorgesehen. Diese Abweichung vom OECD-Musterabkommen in Absatz 2 Buchstabe d des Abkommens trägt der Besonderheit des singapurischen innerstaatlichen Rechts Rechnung, wonach einem Staatsangehörigen von Singapur eine weitere Staatsangehörigkeit untersagt ist.

Art. 5

Betriebsstätte

Nach dem Abkommen von 1975 (Art. 5 Abs. 2 Bst. h) begründen Bauausführungen oder Montagen eine Betriebstätte, wenn deren Dauer sechs Monate übersteigt. Diese Dauer wurde, entsprechend dem OECD-Musterabkommen und der Schweizer Abkommenspolitik, auf zwölf Monate erhöht (Abs. 3 Bst. a). Gleichzeitig wurde der bisherige Absatz 4, wonach die Überwachung von Baustellen ab einer Dauer von mehr als sechs Monaten eine Betriebstätte begründet, aufgehoben.

Absatz 3 Buchstabe b sieht neu vor, dass die Erbringung von Dienstleistungen, einschliesslich Beratungsdienste vor Ort, zum Entstehen einer Betriebsstätte führt, sofern die entsprechenden Tätigkeiten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten während mehr als 300 Tagen im anderen Staat ausgeübt werden. Eine ähnliche Bestimmung hat die Schweiz unter anderem bereits mit China abgeschlossen, wobei die Dauer für die Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte in jenem Abkommen kürzer ist, nämlich nur 183 Tage.

Schliesslich ist Absatz 5, der den abhängigen Vertreter behandelt, an die aktuelle Fassung des OECD-Musterabkommens und an die Schweizer Abkommenspolitik angepasst worden; diese Anpassung bringt keine materielle Änderung in den gegenseitigen Beziehungen mit sich.

Art. 6

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

Die Anpassung dieser Bestimmung ist rein redaktioneller Natur und entspricht dem aktuellen Text des OECD-Musterabkommens.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Artikel 7 des Abkommens zwischen der Schweiz und Singapur folgt grundsätzlich dem OECD-Musterabkommen (Stand 2008) und der bisherigen schweizerischen Abkommenspraxis.

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Die Protokollbestimmungen zu den Absätzen 1 und 2 präzisieren, wie in anderen durch die Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen, dass der Anteil des Gewinns, der der Betriebsstätte zuzurechnen ist, nur aufgrund desjenigen Teils der Geschäftstätigkeit festzulegen ist, welcher dieser Betriebsstätte zuzuordnen ist.

Bei der Ermittlung der Gewinne einer Betriebsstätte werden die für diese Betriebsstätte entstandenen Aufwendungen zum Abzug zugelassen, sofern diese Aufwendungen angefallen wären, wenn die Betriebsstätte ein unabhängiges Unternehmen wäre und diese Aufwendungen vernünftigerweise dieser Betriebsstätte zugeordnet werden können (Abs. 3). Die singapurische Delegation hat festgehalten, dass Singapur keine Abzüge von fiktiven Zahlungen, sondern nur Abzüge von effektiven Aufwendungen in der Betriebsstätte zulassen würde.

Art. 8

Seeschifffahrt und Luftfahrt

Das Abkommen von 1975 sieht eine unterschiedliche Besteuerung der Gewinne von Unternehmen der Luftfahrt und solchen der Schifffahrt vor.

Neu gilt bilateral, dass die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden können. Wie in anderen Schweizer Doppelbesteuerungsabkommen (z.B. mit Kanada, Chile oder der Ukraine) wird künftig festgehalten, dass der Begriff Gewinne auch diejenigen Einkünfte umfasst, die aus der Vermietung von unbefrachteten Seeschiffen und Luftfahrzeugen oder von Containern und deren Ausrüstung erzielt werden. Dabei werden auch die Zinsen aus Guthaben, die direkt mit dem Betrieb im internationalen Verkehr von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen zusammenhängen, diesen Gewinnen zugerechnet.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Diese Bestimmung entspricht materiell Artikel 9 des OECD-Musterabkommens.

Absatz 2 stellt ­ im Einklang mit der Schweizer Haltung in diesem Bereich ­ klar, dass die Vertragsstaaten sich beraten, nachdem eine Aufrechnung in einem der beiden Vertragsstaaten vorgenommen worden ist. Falls im Rahmen des Verständigungsverfahrens eine Einigung bezüglich der Aufrechnung durch einen der Vertragsstaaten erzielt wird, wird der andere Staat die entsprechende Gegenberichtigung vornehmen.

Allgemeine Bemerkungen zu den Art. 10 (Dividenden), 11 (Zinsen) und 12 (Lizenzgebühren) Wie eingangs erwähnt, wünschte die Schweiz vor allem eine Senkung der im Abkommen verankerten Residualsätze für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, um den Schweizer Steuerstandort zu fördern. Da im Sommer 2009 eine Einigung in diesem Bereich aufgrund stark divergierender Sichtweisen nicht möglich war, ist dieses Anliegen erneut ein wichtiges Thema der Verhandlungsrunde Ende November 2009 gewesen.

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Art. 10

Dividenden

Das Abkommen von 1975 begrenzt den Residualsteuersatz allgemein auf 15 % zugunsten des Quellenstaates und sieht einen reduzierten Satz von 10 % auf dem Bruttobetrag von Dividenden vor, wenn die Gesellschaft, die die Dividenden erhält, mindestens 25 % des Aktienkapitals an der ausschüttenden Gesellschaft hält.

Singapur hat im innerstaatlichen Recht keine Quellensteuer auf Dividenden und war deshalb interessiert an einem Nullsatz für massgebende Beteiligungen sowie an einem möglichst tiefen Portfoliosatz.

Das neue Abkommen behält den allgemeinen Residualsteuersatz von 15 % bei und sieht einen Satz von 5 % für Gesellschaften vor, die mindestens 10 % des Aktienkapitals an der ausschüttenden Gesellschaft halten. Ausserdem sind die Dividenden, die an die Schweizerische Nationalbank sowie an die Singapurische Nationalbank («Monetary Authority of Singapore») oder an den Staatsfonds von Singapur («the Government of Singapore Investment Corporation Pte Ltd») gezahlt werden, von der Besteuerung im Quellenstaat befreit.

Ferner sieht das neue Abkommen vor, die fiktive Steueranrechnung für 10 % der singapurischen Nettodividende, welche heute von der Schweiz gewährt wird, in Zukunft nicht mehr zu gewähren. Seit dem 1. Januar 2008 sind alle in Singapur ansässigen Gesellschaften für Zwecke der Zahlung von Dividenden zu einem einstufigen Steuersystem («One-Tier Corporate Tax System») übergegangen. Dieses System ersetzt das frühere Anrechnungssystem («Imputation System»). Nach dem neuen System unterliegen somit alle Dividenden, die von in Singapur ansässigen Gesellschaften gezahlt werden, keiner singapurischen Steuer.

Art. 11

Zinsen

Nach dem Abkommen von 1975 beträgt die Residualsteuer höchstens 10 %. Für Zinsen aus Singapur, die an eine in der Schweiz ansässige Person auf der Basis eines von der zuständigen Behörde in Singapur genehmigten Darlehens oder eines anderen Schuldverhältnisses gezahlt werden, ist eine Steuerbefreiung im Quellenstaat vorgesehen. Die Schweiz ihrerseits gewährt auch in diesen Fällen eine pauschale Steueranrechnung von 10 % des Bruttobetrags dieser Zinsen.

Das Abkommen reduziert den allgemeinen Residualsteuersatz auf 5 % und sieht ausserdem eine Quellensteuerbefreiung vor für Zinszahlungen von einer Bank in einem Vertragsstaat an eine Bank im anderen Vertragsstaat sowie für Zinszahlungen an die Singapurische Nationalbank bzw. an die Schweizerische Nationalbank.

Die heute noch gültige Regelung, die den Nullsatz auf Zinsen für in Singapur genehmigte Darlehen oder andere Schuldverhältnisse vorsieht, ist aufgehoben worden. In der Folge entfällt die von der Schweiz bis anhin gewährte fiktive Steueranrechnung. Singapur hat einen Entwicklungsstand erreicht, der es nicht mehr rechtfertigt, diesen für Entwicklungsländer gedachten Mechanismus aufrecht zu halten. Eine «Grandfathering»-Klausel ist jedoch vereinbart worden, wonach die Befreiung im Quellenstaat für weitere fünf Jahre ab Inkrafttreten des neuen Abkommens gewährt wird, sofern das Darlehen oder das Schuldverhältnis von der zuständigen Behörde in Singapur vor dem Inkrafttreten des neuen Abkommens genehmigt worden ist. Während dieser Zeitspanne gewährt die Schweiz weiterhin die pauschale Steueranrechnung für eine fiktive Steuer von 10 % des Bruttobetrags dieser Zinsen (vgl. Art. 28 Abs. 3).

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Art. 12

Lizenzgebühren

Nach dem Abkommen von 1975 beträgt die Residualsteuer höchstens 5 %. Für Lizenzgebühren aus Singapur, die an eine in der Schweiz ansässige Person gezahlt werden, ist eine Steuerbefreiung im Quellenstaat vorgesehen, wenn diese Lizenzgebühren von der zuständigen Behörde in Singapur genehmigt worden sind. Die Schweiz ihrerseits gewährt auch in diesen Fällen eine pauschale Steueranrechnung von 10 % des Bruttobetrags dieser Lizenzgebühren.

Obwohl es ein wichtiges Anliegen der Schweiz ist, Residualsätze zu senken, um die wirtschaftlichen bilateralen Beziehungen zu fördern, war es in diesem Fall für Singapur eingangs nicht möglich, dem Schweizer Begehren für eine Reduktion des Residualsatzes auf Lizenzgebühren entgegenzukommen. Die singapurische Delegation begründete diese starre Haltung mit den grossen Lizenzgebührenflüssen, die heutzutage von Singapur in die Schweiz fliessen.

Zumindest hat Singapur dem Schweizer Begehren zugestimmt, dass die Leasinggebühren nicht mehr unter Lizenzgebühren fallen und somit künftig nicht an der Quelle zu besteuern sind. Die Besteuerungsrechte solcher Zahlungen werden, wie von der Schweiz gefordert, gemäss Artikel 7 oder Artikel 14 bestimmt.

Die im geltenden Abkommen noch vorgesehene, aber in der Praxis nur selten angewendete Quellensteuerbefreiung für in Singapur genehmigte Lizenzgebühren wurde im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. Immerhin sieht eine «Grandfathering»-Klausel vor, dass die Befreiung im Quellenstaat für Lizenzgebühren, die vor dem Inkrafttreten des neuen Abkommens von der zuständigen Behörde in Singapur genehmigt worden sind, weitere fünf Jahre ab Inkrafttreten des neuen Abkommens gewährt wird. Während dieser Zeitspanne muss die Schweiz weiterhin die pauschale Steueranrechnung für eine fiktive Steuer von neu 5 % des Bruttobetrags dieser Lizenzgebühren gewähren (vgl. Art. 28 Abs. 3).

Art. 13

Kapitalgewinne

Diese Bestimmung wurde aktualisiert und entspricht in den wesentlichen Punkten dem Musterabkommen der OECD. In Übereinstimmung mit Artikel 8 sind Kapitaleinkünfte aus der Veräusserung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Betrieb nur in dem Staat steuerbar, in dem das Unternehmen, das den Gewinn erzielt, seinen Sitz hat. Auf Ersuchen der Schweiz hält der neue Absatz 4 fest, dass die Gewinne, die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person aus der Veräusserung nicht kotierter Aktien erzielt werden, deren Wert direkt oder indirekt zu mehr als 50 % aus im anderen Vertragsstaat gelegenem unbeweglichen Vermögen stammt, in diesem anderen Staat steuerpflichtig sind.

Art. 14

Selbstständige Erwerbstätigkeit

Der Artikel 14 wurde im Jahr 2000 aus dem OECD-Musterabkommen gestrichen.

Begründet wurde dieser Schritt damit, dass die Zuteilungsnormen über die Gewinne von Unternehmen gemäss Artikel 7 auch für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gelten und damit ein separater Artikel überflüssig ist.

Im Abkommen von 1975 wurden die Artikel 14 und 15 in einem Artikel kombiniert.

Auch wenn unterdessen Artikel 14 im OECD-Musterabkommen gestrichen wurde, bleibt diese Bestimmung der schweizerischen Abkommenspolitik entsprechend und aus Gründen der Klarheit und der Systematik im Abkommen erhalten.

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Aus Gründen der Symmetrie mit Artikel 5 wünschte Singapur eine Bestimmung, wonach eine Person nach diesem Artikel auch im Arbeitsortstaat besteuert werden kann, wenn sie sich dort mehr als 300 Tage während zwölf Monaten aufhält.

Wie in einigen anderen schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen wurde im Abkommen mit Singapur neben der festen Einrichtung ein solches Aufenthaltskriterium als zusätzlicher Anknüpfungspunkt für die Besteuerung von Einkünften aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Arbeitsortstaat aufgenommen. Eine selbstständige Tätigkeit vor Ort, deren Dauer innerhalb einer Zwölfmonatsperiode insgesamt 300 Tage übersteigt, begründet ein Besteuerungsrecht am Ort der erbrachten Leistungen.

Art. 15

Unselbstständige Erwerbstätigkeit

Der Schweizer Abkommenspolitik entsprechend ist für die Berechnung der Aufenthaltsdauer von höchstens 183 Tagen das Kalenderjahr massgebend.

Art. 17

Künstler und Sportler

Diese Bestimmung richtet sich nach dem OECD-Musterabkommen.

Auf Begehren von Singapur sind die Absätze 1 und 2 nicht auf Einkünfte von Künstlerinnen, Künstlern, Sportlerinnen oder Sportlern anwendbar, die unmittelbar oder mittelbar überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden (Abs. 3).

Dies bedeutet, dass die Besteuerung im Auftrittsstaat ausgeschlossen ist, wenn die künstlerische oder sportliche Tätigkeit in diesem Staat unmittelbar oder mittelbar in erheblichem Umfang mit aus dem anderen Staat stammenden öffentlichen Mitteln finanziert wird. Die Schweiz hat entsprechende Bestimmungen bereits in anderen Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen.

Art. 18

Ruhegehälter

Das Besteuerungsrecht für Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen kommt nur dem Ansässigkeitsstaat zu. Im Protokoll zum Abkommen wird, in Übereinstimmung mit der Abkommenspolitik der Schweiz, festgehalten, dass Artikel 18 ebenfalls auf Kapitalleistungen anwendbar ist.

Art. 21

Andere Einkünfte

Das Abkommen enthält eine Bestimmung, die das Besteuerungsrecht für andere Einkünfte regelt. Dieser Bestimmung nach werden Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den anderen Artikeln des Abkommens nicht behandelt wurden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert (Ansässigkeitsortsprinzip).

Im Sinne einer Ausnahme zu dieser Regel sieht das Abkommen vor, dass Vergütungen, die von einem «Supplementary Retirement Scheme»-Konto nach Artikel 10L des Singapurischen Einkommensteuergesetzes (Kap. 134, revidierte Auflage 2008) an eine in der Schweiz ansässige Person gezahlt werden, nur in Singapur zu besteuern sind. Gleichermassen werden Vergütungen an eine in Singapur ansässige Person aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge nach Artikel 82 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 (SR 831.40) über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Säule 3a) nur in der Schweiz besteuert.

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Art. 22

Überweisungsvorbehaltsklausel («Remittance Clause»)

Das Abkommen von 1975 trägt bereits in Artikel 21 der Besonderheit des singapurischen Steuerrechts Rechnung, wonach Singapur dort ansässige Personen auf bestimmten im Ausland erzielten Einkünften nur dann und insoweit besteuert, als diese Einkünfte nach Singapur überwiesen werden (Besteuerung auf der sogenannten «Remittance Basis»). Um doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden, beschränkt diese Bestimmung die Entlastung der schweizerischen Steuern auf den nach Singapur überwiesenen Betrag. Diese Bestimmung wurde auch im neuen Abkommen beibehalten (Art. 22 Abs. 1).

Seit dem Steuerjahr 2005 sind alle Einkünfte, welche in Singapur ansässige natürliche Personen im Ausland erzielen, von der singapurischen Besteuerung befreit. Die Überweisung nach Singapur spielt hier keine Rolle mehr. Diese Einkünfte unterliegen in Singapur nicht mehr einer Besteuerung nach der «Remittance Basis». Die von der Schweiz im Abkommen zugestandenen Steuerentlastungen oder Steuerermässigungen sind für diese Einkünfte zu gewähren.

Für juristische Personen gilt im singapurischen Steuerrecht grundsätzlich weiterhin das «Remittance-System». Obwohl Singapur nach wie vor für die Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode anwendet, wurden 2003 zur Erleichterung der Verwaltungsverfahren und Förderung der Unternehmenstätigkeit Elemente der Befreiungsmethode für Dividenden, Betriebsstättengewinne und Beratungsdienstleistungen eingeführt. So werden diese Einkünfte, die eine in Singapur ansässige juristische Person von Quellen ausserhalb Singapur erhält, von der Steuer auf diesen Einkünften in Singapur befreit. Natürliche Personen, die diese Einkünfte durch eine Personengesellschaft (Partnership) in Singapur erhalten, sind ebenfalls von der Steuer auf diesen Einkünften in Singapur befreit. Diese Befreiung erfolgt nur dann, wenn gewisse im singapurischen Recht vorgesehene Voraussetzungen erfüllt sind. Das heisst, dass für solche Einkünfte die Steuerentlastung oder Steuerermässigung in der Schweiz auf dem vollen Betrag der Einkünfte schweizerischer Quellen, die in Singapur befreit werden, zu gewähren ist (Abs. 2 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 Bst. b). Die Entlastung in der Schweiz wird also in diesem Ausnahmefall nicht von einer Überweisung des Betrages in Singapur abhängig gemacht.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die Bestimmung über die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entspricht der Abkommenspolitik der Schweiz. Während die Schweiz bei den Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die in beiden Staaten besteuert werden, für die singapurische Steuer auf diesen Einkünften die pauschale Steueranrechnung gewährt (Abs. 2), wurde die fiktive Steueranrechnung für singapurische Dividenden, die einer Empfängerin oder einem Empfänger mit Ansässigkeit in der Schweiz zufliessen, aufgehoben. Die in Artikel 22 Absatz 5 des Abkommens von 1975 festgehaltene Regel der pauschalen Steueranrechnung für eine fiktive Steuer für Zinsen und Lizenzgebühren wurde neu, wie oben erwähnt, in einer «Grandfathering»-Klausel geregelt. Somit wurde erreicht, dass bei einer Befreiung im Quellenstaat die zusätzliche Steuerherabsetzung nur noch während fünf Jahren ab Inkrafttreten des neuen Abkommens gewährt wird (Art. 28 Abs. 3).

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Art. 24

Gleichbehandlung

Das Abkommen von 1975 trägt der Besonderheit des singapurischen Steuerrechts Rechnung, wonach nicht in Singapur ansässige singapurische Staatsangehörige ­ nicht aber Ausländerinnen und Ausländer, die Einkünfte aus Singapur beziehen ­ gewisse Steuerfreibeträge, -vergünstigungen und -ermässigungen geniessen. Somit sind diese Vergünstigungen gemäss dem geltenden Abkommen nicht auf Schweizer Staatsangehörige auszudehnen. Um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen, wurde im Abkommen vereinbart, diese Bestimmung bilateral zu regeln (Abs. 3 Bst. b).

Absatz 5 dieser Bestimmung sieht vor, dass Massnahmen im Steuerbereich, die von einem Vertragsstaat seinen Staatsangehörigen im Rahmen der Wirtschaftsförderung gewährt werden, nicht als diskriminierend im Sinne dieses Artikels gelten.

Ferner wird der materielle Anwendungsbereich dieses Artikels auf diejenigen Steuern beschränkt, die unter das Abkommen fallen (Abs. 6; vgl. Ausführungen zu Art. 2).

Art. 25

Verständigungsverfahren

Diese Bestimmung entspricht materiell derjenigen des bisherigen Abkommens.

Singapur lehnte den Vorschlag der Schweiz, eine Schiedsgerichtsklausel einzufügen, ab. Zwar anerkennt Singapur, dass eine solche Bestimmung in Verrechnungspreisfällen von Nutzen sein kann, erachtet jedoch den mit einem Schiedsverfahren verbundenen Aufwand als nicht gerechtfertigt. Dies vor allem in Fällen, in welchen die gesuchstellende Person das Resultat des Schiedsgerichts nicht akzeptiert und die Folgen der Doppelbesteuerung in Kauf nimmt. Darüber hinaus ist Singapur der Auffassung, dass Steuern in den Bereich der Souveränität des Staates gehören und Steuerfragen daher nicht durch Dritte entschieden werden sollten. Eine Meistbegünstigungsklausel kommt ebenfalls nicht in Frage, da sie der Politik Singapurs nicht entspricht.

Art. 26

Informationsaustausch

Das Abkommen von 1975 enthält keine Bestimmung über den Informationsaustausch.

Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise hat die internationale Zusammenarbeit an Bedeutung gewonnen. Bekanntlich hat der Bundesrat mit Entscheid vom 13. März 2009 beschlossen, den internationalen Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen zu übernehmen, und gleichzeitig die Wahrung des Verfahrensschutzes, die Begrenzung der Amtshilfe auf konkrete Anfragen, faire Übergangslösungen, die Beschränkung auf unter das Abkommen fallende Steuern, das Subsidiaritätsprinzip sowie die Beseitigung allfälliger Diskriminierungen zu den anzustrebenden Eckwerten des Übergangs auf den internationalen Standard erklärt. Der folgende Kommentar geht auf die Erfüllung dieser Eckwerte ein.

Der neue Artikel 26 entspricht weitgehend dem Wortlaut von Artikel 26 des OECDMusterabkommens. Abweichungen bestehen hinsichtlich der Einschränkung des Informationsaustausches auf Steuern, die unter das Abkommen fallen, des Verzichts auf die Weitergabe der Informationen an Aufsichtsbehörden sowie der ausdrücklichen Ermächtigung der Vertragsstaaten zu Zwangsmassnahmen, um Informations8699

begehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern durchzusetzen sowie um Beteiligungsverhältnisse zu ermitteln. Die vorgesehenen Abweichungen bei den Bestimmungen zum Informationsaustausch sind im Kommentar zum OECD-Musterabkommen vorgesehen und mit dem internationalen Standard vereinbar.

Absatz 1 hält den Grundsatz des Informationsaustausches fest. Auszutauschen sind jene Informationen, die für die Durchführung des Abkommens oder die Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts auf dem Gebiet der unter das Abkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind. Durch die Beschränkung auf voraussichtlich erhebliche Informationen sollen sogenannte «fishing expeditions» verhindert werden. Zudem wird festgehalten, dass der ersuchende Staat gehalten ist, seine eigenen Untersuchungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er den anderen Staat um Informationen ersucht. Nicht erforderlich für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass die steuerpflichtige Person in der Schweiz oder in Singapur ansässig ist, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Absatz 2 umfasst Geheimhaltungsregeln. Diese Bestimmung erklärt die Geheimhaltungsregeln des Staates für anwendbar, der die Informationen erhalten hat. Sie hält jedoch fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung, Erhebung, Durchsetzung, Strafverfolgung oder Entscheidung über Rechtsmittel hinsichtlich der vom Abkommen umfassten Steuern befasst sind. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden.

Absatz 3 sieht zugunsten des ersuchten Staates gewisse Einschränkungen des umfassenden Informationsaustausches vor. Der ersuchte Staat ist weder gehalten, Verwaltungsmassnahmen durchzuführen, die über seine eigenen Gesetze oder seine eigene Verwaltungspraxis hinausgehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates abweichen. Im Fall der Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass das rechtliche Gehör der Betroffenen ebenso gewahrt bleibt wie die Möglichkeit, einen vorgesehenen Informationsaustausch gerichtlich überprüfen zu lassen. Der ersuchte Staat
braucht ferner keine Auskünfte zu erteilen, die nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis oder nach dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates nicht beschafft werden könnten. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn sie wirtschaftliche Geheimnisse betrifft oder die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn der ersuchende Staat nicht die erforderlichen Massnahmen trifft, um zu gewährleisten, dass die ersuchten Informationen tatsächlich geheim gehalten werden.

Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Auskünfte ermitteln und austauschen muss, die er selbst nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Staates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen über Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden, sowie über Informationen betreffend Eigentumsverhältnisse an Personen. Solche Informationen sind unabhängig von den Einschränkungen des Absatzes 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Aus8700

künfte auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis die begehrten Informationen nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern. Die Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die ersuchten Informationen tatsächlich bestehen.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens im innerstaatlichen Recht die notwendigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der Informationen nach Absatz 5. Der Austausch dieser Informationen setzt jedoch gemäss der neuen Bestimmung des Abkommens keinen Steuerbetrug mehr voraus. Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, wurde mit dem letzten Satz des Absatzes 5 die notwendige rechtliche Grundlage für die erforderlichen Verfahrensbefugnisse zur Erlangung der ersuchten Informationen geschaffen. Was Singapur anbelangt, so wird mit der Formulierung des letzten Satzes garantiert, dass dieser Staat in seinem innerstaatlichen Recht die erforderlichen Massnahmen trifft, damit er die unter Absatz 5 erwähnten Informationen austauschen kann.

Das anwendbare Verfahren wird vorerst Gegenstand der ADV sein, die am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten ist. Die Verordnung soll durch das Steueramtshilfegesetz ersetzt werden. Die Botschaft zum Steueramtshilfegesetz wurde vom Bundesrat am 6. Juli 2011 verabschiedet (BBl 2011 6193). Dieses Vorgehen wurde mit den Bundesbeschlüssen vom 18. Juni 2010 über die Genehmigung der zehn neuen oder revidierten Doppelbesteuerungsabkommen bestätigt und braucht ausser bei Vorliegen eines speziellen Falls nicht wiederholt zu werden.

Die Schweiz wird gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c ADV bzw. gemäss Artikel 7 Buchstabe 6 des Entwurfs des Steueramtshilfegesetzes Singapur keine Amtshilfe leisten, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht. Dies ist den singapurischen Behörden bekannt gegeben worden.

Das Auskunftsersuchen ist schriftlich zu stellen (einfache Telefonanfragen sind somit ausgeschlossen), entsprechend den diesbezüglichen Vorschriften zum internationalen Standard, insbesondere dem Modul 1 zum Informationsaustausch auf Anfrage des Manuals der OECD zur Umsetzung des Informationsaustauschs
in Steuersachen.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden im Protokoll zum Abkommen weiter konkretisiert (Ziff. 6 des Protokolls zum Abkommen). Das Protokoll hält den Grundsatz der Subsidiarität fest und schliesst «fishing expeditions» ausdrücklich aus (Ziff. 6 Bst. a und b).

Weiter legt das Protokoll die Anforderungen an ein Auskunftsersuchen detailliert fest (Ziff. 6 Bst. c des Protokolls zum Abkommen), wobei diese nach der aufgrund der Erkenntnisse des Peer Reviews eingefügten Klausel so auszulegen sind, dass sie einen wirksamen Informationsaustausch nicht behindern. Nach dem übereinstimmenden Verständnis der beiden Staaten bedeutet dies, dass Auskunftsersuchen die nach dem internationalen Standard erforderlichen Angaben zu enthalten haben.

Demnach hat der ersuchende Staat die betroffene steuerpflichtige Person eindeutig zu identifizieren, wobei diese Identifikation auch auf andere Weise als durch Angabe des Namens und der Adresse erfolgen kann. Ferner ist in Amtshilfegesuchen, sofern vorhanden, der Name und die Adresse des mutmasslichen Informationsinhabers (z.B. einer Bank) anzugeben. Der internationale Standard verpflichtet den ersuchten Staat aber auch Gesuche zu beantworten, die den mutmasslichen 8701

Informationsinhaber nicht zu identifizieren vermögen. Weil sich ohne diese Angaben die Informationssuche schwierig gestalten kann, lässt der Standard es zu, solche Gesuche aus Gründen der Proportionalität (d.h. Verhältnismässigkeit) und Praktikabilität (Durchführbarkeit) abzuweisen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) als zuständige Verwaltungsbehörde ist deshalb nicht verpflichtet, zur Beantwortung eines Amtshilfegesuchs sämtliche der mehr als 300 in der Schweiz tätigen Banken anzufragen. Kommen hingegen beispielsweise nur ein paar wenige Banken als Informationsinhaber in Frage, so ist die ESTV auch ohne Angabe des Namens und der Adresse verpflichtet, diese anzufragen, sofern die Umstände im Gesuch schlüssig dargetan sind und damit eine «fishing expedition» ausgeschlossen werden kann. Damit sichergestellt werden kann, dass sich die schweizerischen Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden an die beschriebene Auslegung der Klausel halten, wird diese zudem im Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens aufgeführt. Ferner wird der ESTV im Bundesbeschluss die Kompetenz eingeräumt, mit der zuständigen singapurischen Behörde eine Verständigungsvereinbarung abzuschliessen und damit auf eine gegenseitige Anerkennung der Auslegung hinzuwirken.

Aufgrund der Anforderungen an das Auskunftsersuchen ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch wird zudem ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustausches zu nehmen, wenn ihr innerstaatliches Recht dies vorsieht (Ziff. 6 Bst. d).

Ziffer 6 Buchstabe e hält schliesslich die Garantie der Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen fest. In der Schweiz kann die betroffene steuerpflichtige Person die Schlussverfügung der ESTV zum Austausch von Informationen mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht anfechten, das die Sache abschliessend beurteilt.

Die Beschwerde hat Suspensivwirkung. Wurde Beschwerde erhoben, so kann der Auskunftsaustausch daher erst erfolgen, wenn diese rechtskräftig abgelehnt wurde.

Dieses Verfahren darf den Informationsaustausch aber nicht in unzulässiger Weise behindern oder verzögern.

Wie eingangs erwähnt, haben die zuständigen
Behörden beider Staaten anlässlich der Unterzeichnung des neuen Abkommens in einer gemeinsamen Verständigungsvereinbarung festgehalten, dass die Vertragsstaaten amtshilfeweise nur solche Informationen verlangen dürfen, die sie gemäss internem Recht oder Verwaltungspraxis auch beschaffen könnten.

Diese Vereinbarung ist im Einklang mit dem internationalen Standard. Sowohl das OECD-Musterabkommen als auch das Muster der OECD für das auf den Informationsaustausch beschränkte Abkommen sowie die jeweiligen Kommentare sehen diese Einschränkung der Amtshilfe vor. Nach Artikel 26 Absatz 3 des OECDMusterabkommens ist der ersuchte Staat nicht verpflichtet, einem Amtshilfebegehren zu entsprechen, in dem Informationen verlangt werden, auf die der ersuchende Staat nach seinem internen Recht kein Zugriff hätte. Dies bedeutet, dass ein Staat keinen Anspruch darauf hat, von einem anderen Staat amtshilfeweise Informationen für steuerliche Zwecke zu erhalten, die er, wenn diese Informationen in seinem eigenen Hoheitsgebiet verfügbar wären, nicht beschaffen könnte.

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Hinsichtlich Bankinformationen kann die Schweiz nur dann Amtshilfegesuche an Singapur stellen, soweit diese Informationen landesintern ebenfalls beschafft werden könnten. Im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuern können nach schweizerischem Recht Bankinformationen nur zur Aufklärung von Steuerbetrug und schwerer Steuerhinterziehung direkt vom betroffenen Bankinstitut einverlangt werden. Die Schweiz kann also in solchen Fällen nach dem Inkrafttreten des neuen Abkommens mit Singapur Bankinformationen verlangen. Unterhalb dieser Schwellen (beispielsweise bei einfacher Steuerhinterziehung) unterliegt die Schweiz aber einer Selbstbeschränkung. Dies ist, wie bereits erwähnt, in Artikel 16 Absatz 5 ADV klar festgelegt. Der Entwurf des Steueramtshilfegesetzes hält in Artikel 22 Absatz 6 diese Selbstbeschränkung der Schweiz ebenfalls fest.

Sollte die Schweiz künftig ihr innerstaatliches Recht ändern und den kantonalen Steuerbehörden Zugang zu Bankdaten auch im Veranlagungsverfahren und bei einfacher Steuerhinterziehung ermöglichen, würde dies automatisch bedeuten, dass die Schweiz solche Auskünfte amtshilfeweise auch von Singapur verlangen könnte.

Art. 28

Inkrafttreten

Das Abkommen entfaltet keine Rückwirkung (Abs. 1).

Die revidierten Bestimmungen zum Informationsaustausch finden für Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres beginnen. Sie gelten daher ausschliesslich für Einkünfte, die der betroffenen steuerpflichtigen Person an oder nach diesem Datum zugeflossen sind.

Das Abkommen von 1975 wird im Zeitpunkt, in dem das neue Abkommen anwendbar wird, ausser Kraft gesetzt (Abs. 2).

Absatz 3 enthält eine sogenannte «Grandfathering»-Klausel, die gewisse Zinsen und Lizenzgebühren betrifft und bereits in den Ausführungen zu den Artikeln 11 und 12 erwähnt wurde.

Protokoll zum Abkommen Die wesentlichen Bestimmungen aus dem Protokoll zum Abkommen wurden im Rahmen der Kommentierung der betreffenden Artikel des Abkommens vorgestellt.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Reduktionen der Quellensteuersätze auf Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen und auf Zinsen sowie die Quellensteuerbefreiung für Zinszahlungen an Banken haben grundsätzlich steuerliche Einbussen in Form von tieferen Einnahmen aus der schweizerischen Verrechnungssteuer zur Folge. Auf der anderen Seite dürfte die Herabsetzung der Residualsätze eine Standortverbesserung darstellen und so zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen. Ausserdem führt der Ausschluss von Leasinggebühren aus dem Begriff der Lizenzgebühren dazu, dass die pauschalen Steueranrechnungen, die die Schweiz auf solchen Einkünften aus singapurischen Quellen grundsätzlich gewähren und zahlen muss, gänzlich wegfallen.

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Die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Verlangen zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates einerseits und der Zugang zu Bankinformationen auf Ersuchen zu Steuerzwecken andererseits könnten zwar in gewisser Weise als dem Standort Schweiz und indirekt den Steuereinnahmen der Schweiz abträglich betrachtet werden. Angesichts der internationalen Bestrebungen für einheitliche Rahmenbedingungen bei der Amtshilfe in allen Staaten («Global Level Playing Field») und der Sicherstellung eines wirksamen Informationsaustauschs durch einen entsprechenden Kontrollmechanismus dürfte sich die neue Situation für die Schweiz aber insgesamt neutral auswirken.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das neue Abkommen begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zur Beibehaltung und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das neue Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV, SR 101), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des neuen Abkommens. Das neue Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen, sofern sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten.

Die Übernahme des internationalen Standards beim Informationsaustausch stellt eine gewichtige Neuerung der schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Doppelbesteuerung dar. Das neue Abkommen enthält damit gegenüber den bisher mit anderen Staaten vereinbarten Verpflichtungen wichtige neue Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Singapur wird daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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