09.474 Parlamentarische Initiative Flexibilisierung der Waldflächenpolitik Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 3. Februar 2011

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Waldgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

3. Februar 2011

Im Namen der Kommission Der Präsident: Rolf Schweiger

2011-0451

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Übersicht Im Grundsatz hat sich die Waldpolitik, wie sie im Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 festgelegt wurde, bewährt. Insbesondere die Leitidee einer qualitativen und quantitativen Erhaltung des Waldes hat dazu beigetragen, dass der im 19. Jahrhundert stark bedrohte Wald seine Schutz-, Wohlfahrts- und Nutzfunktion wieder vollumfänglich erfüllen kann. Deswegen und auch, weil die unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Interessen am Wald sich im Parlament nicht zu einer gemeinsamen Grundlage für eine Gesetzesrevision vereinen liessen, haben beide Kammern 2007/2008 die vom Bundesrat vorgelegte Teilrevision des Waldgesetzes abgelehnt.

Die Änderungen zielten insbesondere darauf hin, jene Leistungen des Waldes und der Waldwirtschaft, die der Öffentlichkeit zu Gute kommen, sicher zu stellen. Trotzdem herrschte Einigkeit darüber, dass Handlungsbedarf besteht, vor allem im Bereich der Waldflächenpolitik. In Gebieten der Alpen, Voralpen und des Jura, in denen sich der Wald stark ausdehnt, ergeben sich infolge der geltenden Pflicht zum Rodungsersatz immer wieder Konflikte mit der Landwirtschaft, wertvollen Kulturlandschaften oder dem Hochwasserschutz. Aufgrund dessen und der Tatsache, dass die in der Waldgesetzrevision vorgeschlagenen Bestimmungen zur Flexibilisierung des Rodungsersatzes in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen ist, hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates beschlossen, mit einer Kommissionsinitiative die Lösung dieser Probleme anzugehen und einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten.

Der Gesetzesentwurf sieht Anpassungen im Waldgesetz vor. Angesichts der Notwendigkeit einer integralen Betrachtung, die auch die Raumplanung und die Landwirtschaftspolitik einbezieht, sind die vorgeschlagenen Bestimmungen jedoch im Kontext der laufenden oder in nächster Zukunft anzugehenden Gesetzesarbeiten in diesen Bereichen zu verstehen.

Mit den Änderungen im Waldgesetz soll eine Flexibilisierung des Rodungsersatzes im Sinne einer besseren Abstimmung auf die realen Verhältnisse erreicht werden.

Zur Schonung landwirtschaftlicher Vorrangflächen sowie ökologisch und landschaftlich wertvoller Gebiete kann künftig auf den Realersatz verzichtet werden.

Bedingung ist jedoch, dass gleichwertige Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes getroffen werden. Können
die Projekte selbst als gleichwertige Massnahmen qualifiziert werden ­ namentlich bei Rodungen (a) von in den letzten 30 Jahren eingewachsenen Flächen zur Rückgewinnung von landwirtschaftlichem Kulturland, (b) zur Gewährleistung des Hochwasserschutzes und zur Revitalisierung von Gewässern oder (c) für Biotope gemäss Artikel 18a und 18b des Natur- und Heimatschutzgesetzes ­, soll gänzlich auf Ersatz verzichtet werden.

Eigentlicher Realersatz soll nur noch in derselben Gegend möglich sein. Die geltende Regelung, dass auch in anderen Gegenden Realersatz geleistet werden konnte, führte bislang dazu, dass in Gebieten mit ohnehin wachsendem Wald noch zusätzlich aufgeforstet wurde.

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Mit der teilweisen Aufhebung des dynamischen Waldbegriffs soll den Kantonen die Möglichkeit gegeben werden, in Gebieten, wo sie eine Zunahme der Waldfläche verhindern wollen, eine statische Waldgrenze festzulegen. Dies hat zur Folge, dass ausserhalb dieser Grenze neu einwachsender Wald ohne Rodungsbewilligung entfernt und das Gebiet der im Nutzungsplan vorgesehene Nutzung wieder zugeführt werden kann. In Ergänzung zur Flexibilisierung des Rodungsersatzes soll diese Öffnung des dynamischen Waldbegriffs ebenfalls dazu beitragen, die unerwünschte Waldflächenzunahme zu bremsen und eine optimale Landschaftsentwicklung zu ermöglichen. Eine Minderheit lehnt die Ausweitung der statischen Waldgrenze auf Nichtbaugebiet ab. Eine andere Minderheit möchte die Flexibilisierung des Rodungsersatzes auf Gebiete mit zunehmender Waldfläche beschränken.

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Kommissionsinitiative

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (hiernach: die Kommission) hat am 25. Juni 2009 mit 8 gegen 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen entschieden, die Kommissionsinitiative «Flexibilisierung der Waldflächenpolitik» (09.474) auszuarbeiten. Diese sieht vor, mit einer Änderung des Bundesgesetzes über den Wald in Gebieten mit einer Zunahme der Waldfläche Konflikte mit landwirtschaftlichen Vorrangflächen, ökologisch oder landschaftlich wertvollen Gebieten sowie dem Hochwasserschutz zu beseitigen. Als konkrete Massnahme steht die Flexibilisierung der Pflicht zum Rodungsersatz in den betroffenen Gebieten im Zentrum. Da diese allein die unerwünschte Zunahme der Waldfläche aber nicht verhindern kann, sind weitere Instrumente und Massnahmen vorzusehen, welche der nachteiligen Ausdehnung des Waldes in Gebieten mit einer Zunahme der Waldfläche entgegenwirken. Die Erhaltung der Gesamtwaldfläche in der Schweiz wird dabei nicht infrage gestellt und damit der im Waldgesetz verankerte Schutzgedanke nicht tangiert.

1.2

Entstehungsgeschichte

Die Stiftung Helvetia Nostra hat am 14. Oktober 2005 mit 115 464 Unterschriften die Volksinitiative «Rettet den Schweizer Wald» eingereicht, die mit einer Änderung des Artikel 77 der Bundesverfassung auf einen verstärkten Schutz des Waldes und eine Einschränkung der derzeitigen Nutzungsmöglichkeiten zielte. Insbesondere sollten Bund und Kantone dazu verpflichtet werden, umfassend für die biologische Vielfalt und die Waldpflege zu sorgen. Zudem sollte der Bund Massnahmen zur Erhaltung des Waldes und zur Behebung von Waldschäden finanziell grosszügiger fördern. Weiter sollte in der Verfassung ein strengeres Rodungsverbot sowie ein absolutes Kahlschlagverbot festgeschrieben werden. Die von Teilen der forstwirtschaftlichen Fachkreisen unterstützte Initiative war eine Reaktion auf den bundesrätlichen Vorentwurf einer Teilrevision des Waldgesetzes und war insbesondere auch Ausdruck der Besorgnis gegenüber den Plänen des Bundesrates, das Kahlschlagverbot mit grosszügigen Rodungsbewilligungen zu lockern.

Am 28. März 2007 hat der Bundesrat dem Parlament eine aufgrund der Vernehmlassungsantworten angepasste Änderung des Waldgesetzes unterbreitet. Gleichzeitig erklärte er diese Revision formal zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Rettet den Schweizer Wald» und empfahl diese selbst zur Ablehnung (07.033, BBl 2007 3829). Die vorgeschlagenen Änderungen betrafen in der Hauptsache folgende Bereiche: Ausweitung der statischen Waldgrenze auf Nichtbaugebiet und Abschwächung der Rodungsersatzpflicht; Festlegung von Vorrangfunktionen für Wälder zur Ausscheidung entsprechender Waldflächen; Ermöglichung der Vermarktung von Senkenleistungen des Waldes für dessen Eigentümer; neue Anreize für die Holzförderung; Festlegung von Grundanforderungen an einen naturnahen Waldbau zur Vermeidung von ökologischen Schäden; Verdeutlichung der Aufgabenteilung

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zwischen Bund, Kantonen und Waldbewirtschaftenden; Anpassung des Ausbildungsartikels im Hinblick auf die Abschaffung des Forstingenieurstudiengangs an der ETH Zürich und die Einführung eines Fachhochschullehrgangs.

Sowohl der Nationalrat (am 6. Dezember 2007) wie auch der Ständerat (am 12. März 2008) haben einstimmig beschlossen, nicht auf die Vorlage einzutreten.

Damit folgten beide Räte den Anträgen ihrer vorberatenden Kommissionen. Die unterschiedlichen und teils widersprüchlichen ökonomischen und ökologischen Interessen am Wald liessen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner als Grundlage für eine Gesetzesrevision bringen. Insbesondere die in der Revision vorgeschlagenen Änderungen zur wirtschaftlichen Nutzung des Waldes stiessen auf breite Ablehnung: Bedeuteten sie der einen Seite einschneidende Verschärfungen der Auflagen für die Waldbewirtschaftung, sah die Gegenseite darin die Auflösung des Schutzprinzips. In Folge des Nichteintretensentscheides beider Räte wurde die als Gegengewicht zur bundesrätzlichen Gesetzesrevision lancierte Initiative «Rettet den Schweizer Wald» am 26. März 2008 zurückgezogen, wie es die Initianten bereits im Vorfeld in Aussicht gestellt hatten.

Trotz der klaren Absage des Parlaments an die Revision des Waldgesetzes herrschte Einigkeit darüber, dass Handlungsbedarf besteht. Die Notwendigkeit nach pragmatischen Lösungen orteten die vorberatenden Kommissionen wie auch das Plenum insbesondere im Bereich der Flexibilisierung der Waldflächenpolitik. Die vorgeschlagenen Bestimmungen dazu waren denn auch in der Vernehmlassung zur abgelehnten Revision des Waldgesetzes von vielen begrüsst worden. Das im Forstpolizeigesetz von 1876 eingeführte Rodungsverbot war eine Reaktion auf den im 19. Jahrhundert durch die Abholzung für die wachsende Industrie stark bedrohten Wald. Seither hat sich die Waldfläche erholt und in den Alpenregionen verzeichnet der Wald seit einiger Zeit gar eine starke natürliche Zunahme. Aufgrund dieser Ausdehnung erweist sich in diesen Gebieten die Pflicht zu Realersatz oftmals als schwierig umsetzbar und letztlich als obsolete Forderung. Eine stärkere Gewichtung der alternativen Ersatzmassnahmen in Form von Aufwertungen zugunsten von Natur- und Landschaftswerten, die auch einen Beitrag an die Lösung allfälliger Konflikte mit den Kulturlandflächen leisten
können, wurden gerade auch seitens der betroffenen Kantone gefordert.

Aufgrund dieser Ausgangslage beschloss die Kommission, die Gesetzesarbeit selber an die Hand zu nehmen und eine Kommissionsinitiative auszuarbeiten.

1.3

Anhörung der Konferenz der kantonalen Forstdirektoren und interessierter Kreise

Um die Stossrichtung der zentralen Punkte, in denen im Rahmen der Beratung der abgelehnten Revision des Waldgesetzes Handlungsbedarf festgestellt wurde, zu bestimmen, führte die Kommission Anhörungen durch. Diese fanden am 25. Juni 2009 statt. Dabei wurden die kantonale Forstdirektorenkonferenz, Pro Natura, die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung VLP sowie das Initiativkomitee «Rettet den Schweizer Wald» angehört.

Die kantonale Forstdirektorenkonferenz, die im Gegensatz zu den eidgenössischen Räten bereits die Revision des Waldgesetzes unterstützt hatte, begrüsst die Initiative der Kommission und fordert insbesondere eine gesetzliche Grundlage für die Ein4401

führung des statischen Waldbegriffs auch ausserhalb der Bauzone, die Flexibilisierung der Ersatzaufforstungspflicht ­ allerdings ohne das Rodungsverbot zu lockern ­ und die Erhöhung des Alters der Einwuchsflächen.

Im Wissen darum, dass allein gesetzliche und planerische Instrumente den Wald nicht daran hindern, aufgegebene Landwirtschaftsflächen wieder zu bewachsen, stehen sowohl für Pro Natura als auch für die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung VLP Massnahmen im Landwirtschaftsbereich, die neue Anreize zur Pflege und Offenhaltung solcher Flächen schaffen, im Vordergrund. Gleichwohl begrüssen sie auch ein gezieltes Engagement im Rahmen des Waldgesetzes, um die Offenhaltung von Flächen, die landschaftlich oder naturschützerisch von hohem Wert sind, zu fördern.

Das Initiativkomitee «Rettet den Schweizer Wald» hält fest, dass die Zunahme der Waldfläche nicht a priori als negativ zu bewerten ist. Die Bindung von CO2 und der Schutz vor Naturgefahren und der Trinkwasservorräte sind als wichtige positive Wirkungen der Waldzunahme zu würdigen. Deshalb fordert das Initiativkomitee, dass am Prinzip der Walderhaltung und des Rodungsverbotes unbedingt festgehalten wird. Eine Erhöhung des Einwuchsalters wäre allenfalls denkbar. Es sollen aber vor allem im Landwirtschaftsbereich Massnahmen zur Förderung der Offenhaltung der Landschaft getroffen werden.

1.4

Vorprüfung

Am 20. Oktober 2009 hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates einstimmig dem Beschluss der ständerätlichen Kommission, eine Kommissionsinitiative auszuarbeiten, zugestimmt.

1.5

Neue Vorstösse und Revisionsprozesse mit allfälligen Auswirkungen auf die Waldflächenpolitik

Im Rahmen der Vernehmlassung zur ursprünglich vorgesehenen Totalrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG) verlangten mehrere Vernehmlasser, dass der Wald insgesamt besser mit der Raumplanung zu koordinieren sei. Bei der Vorbereitung der zweiten Revisionsetappe des RPG soll nun auch das Verhältnis Landwirtschaft, Raumplanung und Wald überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Im Parlament sind zudem verschiedene Vorstösse hängig, die verlangen, dass in der Gesetzgebung zur Raumplanung wirksame Instrumente verankert werden, um das Kulturland umfassend zu schützen, die Fruchtfolgeflächen zu sichern, den Wald zu integrieren und die nötigen Massnahmen anzugehen, um den absoluten Schutz des Waldes zu lockern.

1.6

Arbeiten der Kommission

Die Kommission hat den Entwurf der Gesetzesänderung am 16. August 2010 und am 6. September 2010 beraten. Mit 11 gegen 1 Stimme hat die Kommission den Vorentwurf angenommen und in die Vernehmlassung gegeben.

4402

Am 3. Februar 2011 hat die Kommission mit 7 gegen 1 Stimme bei 4 Enthaltungen den aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse leicht angepassten, definitiven Erlassentwurf verabschiedet.

Die Kommission wurde in ihren Arbeiten vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) unterstützt.

2

Vernehmlassungsverfahren

Das Vernehmlassungsverfahren wurde am 15. September 2010 eröffnet und dauerte bis zum 15. Dezember 2010.

2.1

Vernehmlassungsergebnisse

Die von der Kommission ausgearbeitete Vorlage stösst bezüglich der Hauptpunkte grossmehrheitlich auf Zustimmung. Von den 67 Vernehmlassungsteilnehmern, die sich inhaltlich zur Vorlage äussern, sprechen sich 63 für das Gesetzesvorhaben aus, lediglich 4 Teilnehmer lehnen es ab. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der mit der Vorlage angestrebten Flexibilisierung der Waldflächenpolitik gehen auch die Meinungen der Befürworter auseinander.

Abgelehnt wird die Vorlage aus unterschiedlichen Gründen vom Kanton St. Gallen, der SVP sowie den Umweltorganisationen Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL) und Helvetia Nostra.

In ihren allgemeinen Bemerkungen erläutern vor allem die Kantone ihre regional spezifische Sichtweise des Problems. Es wird von vielen Vernehmlassungsteilnehmern betont, dass mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung allein die unerwünschte Ausbreitung des Waldes nicht verhindert werden könne; vielmehr seien zur Erhaltung offener vielseitiger Kulturlandschaften durch die Landwirtschafts- und Regionalpolitik Anreize zur Bewirtschaftung unrentabler Flächen zu schaffen.

Vielfach wird die Bedeutung eines Festhaltens an der qualitativen und quantitativen Walderhaltung betont. Vereinzelt wird allerdings auch eine Diskussion über eine Lockerung des Rodungsverbots vermisst oder deutlich eine weitergehende Flexibilisierung in der Waldflächenpolitik gefordert. Ausserdem werden die Flexibilisierung der Waldflächenpolitik für das Mittelland kritisch beurteilt und Waldumverteilungen zu Gunsten von Siedlungsflächen mehrheitlich abgelehnt.

Immer wieder wird die Notwendigkeit einer Verbesserung der Koordination zwischen Wald-, Agrar- und Raumplanungspolitik hervorgehoben. Die Waldflächenpolitik brauche eine integrale, sektorübergreifende Betrachtungsweise für die ganze Schweiz, jedoch mit einer regional differenzierten Umsetzung. Zum Teil wird gar die Integration des Waldes als Schutz- und Nutzungszone in die Raumplanung gefordert, allerdings auch vehement abgelehnt. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die landwirtschaftlichen Vorrangflächen ebenfalls eines effektiven Schutzes bedürften.

Insgesamt zeigt die Auswertung der Vernehmlassung aber eine breite Zustimmung zur Vorlage der Kommission. Es sind nur punktuelle Anpassungen erforderlich, um die Bestimmungen zu präzisieren oder zu ergänzen.

4403

2.2

Änderungen gegenüber dem Vernehmlassungsvorentwurf

Die wichtigsten Änderungen, die die Kommission beschlossen hat, sind folgende: Anstelle des Begriffs Nutzfläche tritt neu der Begriff Kulturland (Art. 7 Abs. 3 Bst. a). Zudem wird im gleichen Artikel die Betrachtung der Zeitspanne für die Rückgewinnung von landwirtschaftlichem Kulturland auf eingewachsenen Flächen von 50 Jahre auf 30 Jahre reduziert. Um bei dieser Rückgewinnung spekulative Motive auszuschliessen, wird neu der Artikel 7 Absatz 4 eingeführt. Demzufolge muss für rückgewonnenes landwirtschaftliches Kulturland, das innerhalb von 30 Jahren einer anderen Nutzung zugeführt wird, nachträglich Rodungsersatz geleistet werden.

In der französischen Version der Vorlage wurden die Begriffe «Rodungsersatz» (compensation du défrichement) und «Zunahme des Waldes» (croissance de la surface forestière) präzisiert.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Ausgangslage

Die Bundesverfassung1 hält in Artikel 77 Absatz 1 die drei Hauptfunktionen des Waldes (Schutz, Nutz- und Wohlfahrtsfunktion) als materielle Ziele fest. Erreicht werden sollen diese Ziele durch den Grundsatz der Walderhaltung in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Einerseits soll die gemäss bundesrechtlicher Walddefinition aktuelle Waldfläche erhalten werden (quantitative Walderhaltung) und andererseits soll die für die Erfüllung der Waldfunktionen wesentliche Qualität der Wälder bewahrt und gefördert werden (qualitative Walderhaltung).

Die vorliegende Vorlage befasst sich mit der quantitativen Walderhaltungspolitik, die in den letzten 130 Jahren in der Schweiz sehr erfolgreich war. Allerdings resultieren aus diesen Erfolgen der Walderhaltung auch Folgen für andere Landnutzungsformen und das Landschaftsbild, wobei zwei Folgeerscheinungen besonders hervorzuheben sind:

1 2

­

Die Landwirtschaft hat über Jahrhunderte die Vielfalt von Lebensräumen mit ihren charakteristischen Arten erhöht. Offenland mit Kleinstrukturen entwickelte sich an Orten, wo von Natur aus Wald vorherrschte.2 Wird die bisherige land- und alpwirtschaftliche Bewirtschaftung in waldfreien Gebieten unterhalb der Waldgrenze aufgegeben, entwickelt sich meistenorts Wald.

Ist eine Fläche erst einmal zu Wald geworden, so ist eine Rückführung in die bisherige Nutzung oder eine Überführung in eine andere Nutzung wegen des Rodungsverbots nur unter bestimmten gesetzlichen Kriterien möglich.

­

Die bauliche Entwicklung der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg hat vor allem die landwirtschaftlich genutzte Fläche reduziert. Rodungen zur Erweiterung von Bauzonen wurden nur in wenigen Ausnahmefällen bewilligt, bei denen in einer Planung der Bedürfnisnachweis für die Schaffung von BauSR 101 Agrarbericht 2009, S. 105.

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land erbracht wurde.3 Die in der Gesamtkonzeption für eine schweizerische Wald- und Holzwirtschaftspolitik (1975) geäusserte Befürchtung, dass auch zunehmend Waldflächen für Wohn- und Industriebauten beansprucht würden, hat sich nicht bewahrheitet.4 Die Walderhaltungspolitik wehrte sich mit Erfolg gegen das Postulat einer Opfersymmetrie zwischen Wald und Landwirtschaftsland. Die Vernehmlassung zum (gescheiterten) Raumentwicklungsgesetz (REG) im Jahr 2009 hat aber deutlich gemacht, dass der Grundsatz, wonach das Waldareal durch die Forstgesetzgebung umschrieben und geschützt werden soll (Art. 18 Abs. 3 Raumplanungsgesetz), teilweise in Frage gestellt wird: Einige Vernehmlasser vertraten die Auffassung, der Wald gehöre zur Kulturlandzone und sei mithin in die Raumplanung einzubeziehen. Andere verlangten, ein besserer Einbezug in die Raumplanung sei zumindest zu prüfen.5 Tatsache ist, dass die Schweiz mit dem Waldgesetz vom 4. Oktober 19916 (WaG) über ein Regelwerk verfügt, welches das Forstpolizeigesetz von 1902 im Bereich der quantitativen Walderhaltung konsequent weiter geführt und sich bewährt hat. Unter dem Aspekt der quantitativen Walderhaltung, welcher der schweizerischen Waldgesetzgebung als wichtiger und unbestrittener Grundsatz zugrunde liegt (Art. 1 Abs. 1 Bst. a und Art. 3 WaG), erscheint die Zunahme der Waldfläche auf den ersten Blick unproblematisch. Zum Problem kann die Waldausdehnung werden, weil sie auf die Art und die Funktion der einwachsenden Flächen keine Rücksicht nimmt. Nach übergeordneten Gesichtspunkten ist eine Waldflächenzunahme dort unerwünscht, wo sie zu einer Monotonisierung der Landschaft mit einer geschmälerten Strukturvielfalt und zu einer Abnahme der Artenvielfalt führt, also ökologisch und landschaftlich wertvolle Gebiete beeinträchtigt, oder wo sie der Nutzung und Funktion der einwachsenden Flächen zuwiderläuft und deshalb zu Konflikten mit der Landwirtschaft führt. Ebenfalls unerwünscht kann die Ausbreitung des Waldes im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz sein, wenn der Abflussraum stark einwächst und aus Sicherheitsgründen zur Erhaltung der Abflusskapazität ausgeholzt werden muss. Zudem benötigen Sanierungsprojekte für den Hochwasserschutz in der Regel einen zusätzlichen Raumbedarf und im Falle einer Beanspruchung von Waldareal entsprechende Ersatzflächen,
die kaum mehr zur Verfügung stehen.

Um der unerwünschten Waldflächenzunahme zu begegnen, sieht das geltende Waldrecht kein adäquates Instrumentarium vor. Das Waldgesetz gilt grundsätzlich für den Wald im Rechtssinne. Solange die Flächen am Einwachsen und die Bestockungen jünger als 10 oder 20 Jahre sind (Art. 1 Abs. 1 Bst. c Waldverordnung)7, fallen sie demnach nicht in den Geltungsbereich des Waldgesetzes. Dies bedeutet, dass

3

4

5 6 7

Siehe dazu die einschlägigen Bundesgerichtsentscheide «Aresol» (BGE 99 Ib 192), wo das Bundesgericht sich zur Planungspflicht äusserte, sowie «Maderni» (BGE 99 Ib 497), wo das Bundesgericht bei einem Waldanteil der Gemeinde von 80 % das überwiegende Interesse an der Rodung bejaht hat. Im Fall «Ried-Brig», wo eine Rodung für eine Ferienhauszone anbegehrt wurde, verneinte das Bundesgericht das überwiegende Interesse (BGE 199 Ib 397).

Hansjörg Steinlin/Heidi Schelbert-Syfrig/Gérard Crettol; Gesamtkonzeption für eine Schweizerische Wald- und Holzwirtschaftspolitik, hrsg. v. Eidgenössischen Oberforstinspektorat. Bern 1975, S. 227.

Ergebnisbericht zur Vernehmlassung zu einer Revision des Raumplanungsgesetzes (Entwurf zu einem neuen Raumentwicklungsgesetz), Sept. 2009, S. 34.

SR 921.0 SR 921.01

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Lösungen gegen eine unerwünschte Waldflächenzunahme auch mit anderen Instrumenten und ausserhalb des Waldgesetzes gesucht werden müssen.

In den intensiv genutzten Gebieten des Mittellands und generell in Agglomerationsgebieten und Tourismuszentren präsentiert sich die Ausgangslage komplett anders: Aufgrund der ungebremsten Siedlungsentwicklung stehen der Wald und auch die landwirtschaftlich genutzten Flächen unter grossem Druck. Während der Wald dank des bewährten rechtlichen Gefüges von Rodungsverbot und Erfordernis einer Ausnahmebewilligung diesem Druck Stand zu halten vermochte,8 sind bei den landwirtschaftlich genutzten Flächen grosse Verluste zu verzeichnen: 94 Prozent des Kulturlandverlusts sind auf die Ausbreitung der Siedlungsfläche zurückzuführen.9 Können eingewachsene Flächen grundsätzlich wieder urbar gemacht werden, sind dagegen überbaute Böden in aller Regel dauerhaft versiegelt und für den Anbau von Nahrungsmitteln für immer verloren. Landwirtschaftliche Vorrangflächen bedürfen deshalb eines effektiven Schutzes mit raumplanerischen Instrumenten, welcher nicht zu einer Schwächung des Waldschutzes führen darf.

Nachdem die eidgenössischen Räte auf die vom Bundesrat als indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Rettet den Schweizer Wald» vorgelegte Teilrevision des Waldgesetzes10 nicht eingetreten sind, kamen in der Folge auch an sich unbestrittene Lösungsvorschläge zur Waldflächenproblematik nicht zum Tragen. Mit dieser Vorlage soll deshalb das Instrumentarium für eine Waldflächenpolitik bereitgestellt werden, mit welchem den unterschiedlichen Entwicklungen der Waldflächen in der Schweiz Rechnung getragen werden kann.

3.2

Grundlagen für die Vorlage

Die Zunahme der Waldfläche wurde bereits 1975 im Rahmen der Gesamtkonzeption für eine schweizerische Wald- und Holzwirtschaftspolitik11 thematisiert. In Bezug auf die sich natürlich bewaldenden Brachlandflächen wurde vorgeschlagen, dass diese während einer Dauer von 30 Jahren seit der Brachlegung nicht als Wald gelten und dementsprechend auch nicht der forstlichen Gesetzgebung unterstehen sollten.12 Im Weiteren begrüssten sie «Waldverschiebungen» in Gebieten mit Waldflächenzunahme (Voralpen, Jura, Alpen), allerdings nur im «Rahmen eines verbindlichen Gesamtplanes, welcher sowohl eine Regionalplanung sowie sämtliche Ortsplanungen der Region zu umfassen hat».13 Das Waldprogramm Schweiz (WAP-CH),14 welches in den Jahren 2002/2003 als Grundlage für die zukünftige Waldpolitik erarbeitet wurde, griff diese Problematik differenziert auf und hat für eine neue 8 9 10 11

12 13 14

Im dritten Schweizerischen Landesforstinventar (LFI3) 2004­2007 wird für das Mittelland eine gleichbleibende Waldflächenzunahme ausgewiesen.

Bodennutzung im Wandel: Arealstatistik Schweiz, hrsg. v. Bundesamt für Statistik.

Neuchâtel 2001, S. 17.

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über den Wald und zur Volksinitiative «Rettet den Schweizer Wald» vom 28. März 2007, BBl 2007 3829.

Hansjörg Steinlin/Heidi Schelbert-Syfrig/Gérard Crettol; Gesamtkonzeption für eine Schweizerische Wald- und Holzwirtschaftspolitik, hrsg. v. Eidgenössischen Oberforstinspektorat). Bern 1975, S. 334 ff. und 346 ff.

A.a.O., S. 347.

A.a.O., S. 346.

Waldprogramm Schweiz (WAP-CH) Handlungsprogramm 2004­2015, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Schriftenreihe Umwelt Nr. 363, Bern 2004, S. 24 und 102 f.

4406

Waldflächenpolitik Ziele und darauf ausgerichtete Massnahmen formuliert. Insbesondere wurde unter dem Titel «Weitere Massnahmen» vorgeschlagen, den Kriterienkatalog für Ausnahmebewilligungen für Rodungen zu ergänzen (Massnahme 1a1), den dynamischen Waldbegriff in raumplanerisch festgelegten Gebieten mit unerwünschter Waldflächenzunahme teilweise aufzugeben (Massnahme 2a2) sowie auf Realersatz in Gebieten mit zunehmender Waldfläche zugunsten von Massnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes zu verzichten (2a3).15 Des Weiteren berücksichtigt die vorliegende Vorlage auch den Revisionsentwurf von 2007, welcher entsprechende Regelungen auf Gesetzesstufe vorgesehen hat.16 Eine umfassende Waldflächenpolitik, welche auch die Gebiete mit bedrängter Waldfläche einschliesst, hat sodann auch Überlegungen zu berücksichtigen, wie sie der Weiterentwicklung des WAP-CH («WAP-CHplus») zugrunde liegen. Es hat sich gezeigt, dass neue Themen wie zum Beispiel Klimawandel, Biodiversität, Waldflächenentwicklung, Walderschliessung aktuell geworden sind. Der Bundesrat hat am 21. April 2010 dem Vorgehen zur Weiterentwicklung des WAP-CH zugestimmt.

3.3

Neuregelung der Waldflächenpolitik

Das Waldareal ist in intensiv genutzten Räumen vor allem durch Siedlungen und Infrastrukturen stark unter Druck. Dies bedeutet, dass sich eine neue Waldflächenpolitik nicht nur auf Gebiete mit zunehmender Waldfläche konzentrieren kann, sondern dass eine integrale, sektorübergreifende Betrachtungsweise für die ganze Schweiz notwendig ist. Festgehalten wird am Grundsatz des Rodungsverbots, d.h.

die Gesamtwaldfläche soll nicht reduziert werden. Rechtliche Anpassungen werden nur dort vorgenommen, wo diese zur Umsetzung einer neuen Waldflächenpolitik erforderlich sind.

Die neue Waldflächenpolitik basiert auf vier Säulen: (a) Flexibilisierung des Rodungsersatzes, (b) teilweise Aufhebung des dynamischen Waldbegriffs, (c) Stärkung der Raumplanung bei der Begrenzung des Siedlungswachstums und bei der Abstimmung der weiteren Entwicklung der Waldfläche (Ziff.

3.7.2) und (d) wirksame Förderanreize, um bestimmte Flächen offen halten zu können (Ziff. 3.7.3).

Die Umsetzung der Waldflächenpolitik muss regional differenziert erfolgen: In Gebieten, wo die Waldfläche unter Druck ist (Siedlungsgebiete, Mittelland), stehen Instrumente im Vordergrund, welche die Verteilung des Waldes als Grünraum im weiteren Sinne sicherstellen. Dies umfasst einerseits das Festhalten an der Pflicht zu realem Rodungsersatz und andererseits eine bessere Abstimmung der Waldflächenpolitik mit weiteren Landnutzungspolitiken (insb. Landwirtschaft) im Rahmen der Raumplanung.

15 16

WAP-CH, S. 62.

BBl 2007 3829 3879

4407

Der Schutz des Waldes mittels grundsätzlichem Rodungsverbot ist aufrecht zu erhalten; eine Abkehr davon würde eine Verfassungsänderung bedingen. Hingegen ist der Kriterienkatalog zur Erteilung der Ausnahmebewilligungen für Rodungen zu prüfen und zu erweitern (z.B. Rodungsbewilligungen für die Rückgewinnung von landwirtschaftlichem Kulturland).

Aufgrund der unkontrollierten Siedlungsentwicklung auf Landwirtschaftsflächen im Mittelland entstehen heute Situationen, wo die Siedlungsfläche direkt an Wald grenzt. Weiteres Wachstum würde Waldfläche benötigen. Zwei Lösungsansätze für diese Problematik sind vorstellbar: Zum einen könnten mittels kleinflächiger Waldumverteilungen sinnvolle Siedlungsplanänderungen umgesetzt werden. Dies bedingt eine vorausschauende Raumplanung auf Gemeindeebene (z.B. vorsorglicher Erwerb von adäquaten Ersatzflächen). Zum anderen soll ein regionales Siedlungsflächenmanagement als Instrument zu einer wirksamen Steuerung der Siedlungsentwicklung (in erster Linie nach innen, vor der Realisierung von Erweiterungen) etabliert werden.

Im Gebirge kann die zunehmende Waldfläche infolge Aufgabe oder Extensivierung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung insbesondere für den Tourismus und für die Erhaltung der biologischen und kulturlandschaftlichen Vielfalt sowie für die Landwirtschaft zu unerwünschten Effekten führen. Mit der neuen Waldflächenpolitik wird auf die unterschiedliche Entwicklung der Waldfläche, deren Verteilung sowie auf die regionalen Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft reagiert.

Gemäss Revisionsentwurf sollen in Gebieten, in denen die Kantone eine Zunahme der Waldfläche verhindern wollen, statische Waldgrenzen zwischen Wald und weiteren Nutzungszonen festgelegt werden können. Dies ist heute bereits zwischen Wald und Bauzonen vorgesehen, allerdings mit dem Unterschied, dass die Waldgrenzen gemäss Artikel 13 Absatz 1 WaG in den Bauzonen zwingend einzutragen sind.

Zudem soll die Pflicht zum Rodungsersatz in bestimmten Fällen zwecks Umsetzung der neuen Waldflächenpolitik angepasst werden. In den genannten Konfliktfällen soll neu auf Realersatz verzichtet werden können, soweit gleichwertige Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes getroffen werden. Ansonsten wird die grundsätzliche Pflicht zur Leistung von Realersatz in der gleichen Gegend
beibehalten. Die Pflicht, wonach ausnahmsweise Realersatz in einer anderen Gegend geleistet werden muss, entfällt. Auf den Rodungsersatz soll grundsätzlich verzichtet werden können bei Rodungen von in den letzten 30 Jahren eingewachsenen Flächen für die Rückgewinnung von landwirtschaftlichem Kulturland. Ebenso bei Rodungen im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz und der Revitalisierung von Gewässern sowie bei Rodungen, die für den Erhalt und die Aufwertung von Biotopen nach Artikel 18a und 18b des Bundesgesetzes vom 1. Juli 196617 über den Natur- und Heimatschutz (NHG) notwendig sind.

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SR 451

4408

3.4

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

In Erwägung gezogen wurde eine Änderung des Waldbegriffs, wonach auch einwachsende Flächen, die älter als 20 Jahre sind, keinen Wald im rechtlichen Sinn darstellen und deshalb nicht der Waldgesetzgebung unterstehen (Art. 2 Abs. 4 WaG).18 Von einer entsprechenden Änderung wurde jedoch abgesehen, da das Problem der einwachsenden Flächen damit nicht gelöst wird. Vielmehr wird es bei einer Erhöhung des Alters, ab welchem eine einwachsende Fläche als Wald gilt ­ auf 30 oder 50 Jahre je nach Festlegung des Alterskriteriums ­, nur hinausgeschoben. Darüber hinaus wäre eine solche Regelung nur mit Schwierigkeiten zu vollziehen, da 50-jährige Bestockungen nur sehr schwer von Bestockung zu unterscheiden sind, welche sich aus der Verjüngung bestehenden Waldes entwickelt haben. Ganz allgemein sollte sich die Walddefinition aus Gründen der Vollziehbarkeit nicht zu weit von dem entfernen, was gemeinhin unter Wald verstanden wird.

Ebenso wurde auf eine Lockerung des Rodungsverbotes (Art. 4 Abs. 1 WaG) verzichtet. Eine solche Änderung ist nicht vereinbar mit dem verfassungsmässigen Ziel der Waldflächenerhaltung (Art. 77 BV; Art. 1 Abs. 1 Bst. a und Art. 3 WaG): Soll Wald zu Nichtwald werden, dann soll dies grundsätzlich nur mittels einer Ausnahmebewilligung für eine Rodung möglich bleiben. Das Rodungsverbot soll zentrale Folge des in der Bundesverfassung angelegten Ziels der Waldflächenerhaltung bleiben.

Auch auf eine generelle Lockerung der Voraussetzungen für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen (Art. 5 Abs. 2 WaG) wurde verzichtet, vor allem deshalb, weil die im Rodungsbewilligungsverfahren vorzunehmende Interessenabwägung aufgrund der gesetzlichen Kriterien bereits heute Rodungen von eingewachsenen Flächen zulässt. Massgeblich ist dabei weniger die Entstehungsgeschichte des Waldes als vielmehr der mit dem Rodungsvorhaben verfolgte Zweck, das übergeordnete Interesse und die Standortgebundenheit. Im Übrigen steht eine generelle Lockerung dieser Voraussetzungen auch im Konflikt mit dem Ziel der Waldflächenerhaltung (siehe Erläuterungen in Ziff. 3.3).

3.5

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die vorliegende Gesetzesänderung setzt die parlamentarischen Initiative 09.474 «Flexibilisierung der Waldflächenpolitik» um und nimmt im Wesentlichen Bezug auf die unbestrittenen Ziele einer neuen Waldflächenpolitik, wie sie bereits in den im WAP-CH vorgesehenen Massnahmen formuliert worden sind.19 Der Verfassungsauftrag gemäss Artikel 77 Absatz 1 der Bundesverfassung wird nach wie vor erfüllt; insbesondere wird der Grundsatz der quantitativen Walderhaltung (Art. 3 WaG) nicht angetastet.

18

19

Peter M. Keller, Evaluation der rechtlichen Möglichkeiten der Umsetzung der Ziele des Waldprogramms Schweiz im Bereich Waldfläche. Evaluationsbericht zuhanden des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL). Bern 2004, S. 21 ff.

WAP-CH, S. 62, weitere Massnahmen 1a1, 2a2 und 2a3.

4409

3.6

Umsetzung

Die Änderungen auf Gesetzesstufe machen auch Anpassungen auf Verordnungsebene nötig. Die erforderlichen Verordnungsbestimmungen sollen im Rahmen einer Teilrevision der bestehenden Waldverordnung vom 30. November 199220 (WaV) erlassen werden.

Gemäss Artikel 50 WaG vollziehen die Kantone dieses Gesetz und erlassen unter Vorbehalt der Ausführungsvorschriften des Bundes die notwendigen Vorschriften.

3.7

Regelungsbedarf in anderen Rechtsgebieten

3.7.1

Vorbemerkungen

Alleine auf der Grundlage der Waldgesetzgebung kann das Problem der unerwünschten Waldausdehnung bzw. der unter Druck stehenden Waldfläche nicht gelöst werden. Erfolgversprechend ist eine integrale Betrachtungsweise, welche eine Abstimmung der Sektorpolitiken und deren Gesetzgebung einbezieht. In Gebieten mit Waldflächen unter Druck steht die verbesserte Abstimmung zwischen den Instrumenten der Waldpolitik sowie der Raumplanung im Vordergrund.

Wald breitet sich vorwiegend auf Flächen im Alpenraum aus, deren Bewirtschaftung von der Landwirtschaft aufgegeben wird. Waldrechtlich werden neu aufwachsende Waldbestände jedoch erst ab einem Alter von bis zu 20 Jahren (je nach kantonaler Waldgesetzgebung) erfasst und geschützt. Massnahmen gegen den Einwuchs müssten demnach ergriffen werden, bevor die betreffenden Flächen vom Geltungsbereich des Waldgesetzes erfasst werden.

Wo andere Funktionen wie die Erhaltung vielfältiger Kulturlandschaften mit einem hohen Anteil an Biodiversität oder die Stärkung der lokalen Landwirtschaft im Vordergrund stehen, ist eine sektorübergreifende Koordination und Zusammenarbeit insbesondere mit der Landwirtschaft, Raumplanung und Regionalpolitik erforderlich, um integrierte Landschaftsentwicklungsziele zu formulieren, wie dies auch das Nationale Forschungsprogramm NFP 48 «Landschaften und Lebensräume in den Alpen» in seiner Synthese (Empfehlung 4 «Leistungsauftrag Landschaft») angeregt hat.21 Gefragt sind neue Strategien, welche die Nutzung und Erhaltung der landschaftlichen Vielfalt in den Mittelpunkt stellen. Zur Förderung von landschaftlich wertvollen Bewirtschaftungsformen werden die Kantone und der Bund künftig weitere Instrumente und Massnahmen entwickeln müssen, die der teilweise unerwünschten Waldflächenzunahme entgegenwirken.

3.7.2

Raumplanung

Über raumplanerische Instrumente ist sicherzustellen, dass die Differenzierung des Rodungsersatzes und die Möglichkeit zur Aufhebung des dynamischen Waldbegriffs insbesondere dort zur Anwendung kommt, wo auch wirklich eine Waldflächenzu20 21

SR 921.01 Bernard Lehmann et al. Landschaften und Lebensräume der Alpen ­ Zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung, Zürich 2007.

4410

nahme verhindert werden soll (vor allem Voralpen, Alpensüdseite und Alpen).

Den Kantonen ist deshalb die Möglichkeit einzuräumen, in den kantonalen Richtplänen Gebiete mit unerwünschten Waldflächenzunahmen zu bezeichnen. Es ist dann Sache der zuständigen kantonalen Behörden, die entsprechenden Waldfeststellungen durchzuführen und die Waldgrenzen in den Nutzungsplänen eintragen zu lassen.

Dabei sind zwei Varianten denkbar: Entweder wird die Möglichkeit eröffnet, über die Richtplanung Gebiete direkt auszuscheiden, in denen solche Waldfeststellungen auch angrenzend an Nichtbaugebiet durchgeführt werden können, oder im Richtplan werden die Kriterien festgelegt, anhand derer bestimmt wird, wann auf Stufe der Nutzungspläne Waldfeststellungen gegenüber Nichtbaugebieten angeordnet werden können.

Die Bezeichnung von Gebieten mit unerwünschter Waldflächenzunahme in der kantonalen Richtplanung wurde bereits beim Entwurf zu einem neuen Raumentwicklungsgesetz diskutiert.22 In der Vernehmlassung wurden überdies von vielen Vernehmlassern auch für den Wald Vorgaben an den Inhalt des kantonalen Richtplans gefordert.23 Für die vorgesehene bessere Abstimmung zwischen Waldpolitik und Raumplanung im Sinne einer optimalen Ressourcennutzung sind die nötigen Instrumente zu erarbeiten. So soll z.B. für kleinräumige Waldumverteilungen im öffentlichen Interesse die Möglichkeit geschaffen werden, Flächen für einen späteren Realersatz raumplanerisch und rechtlich zu sichern. Soweit dabei die Raumplanung betroffen ist, erfolgen allenfalls notwendige gesetzliche Anpassungen im Rahmen der nun anlaufenden zweiten Revisionsetappe des Raumplanungsgesetzes.

Um den Siedlungsdruck auf die unverbauten Gebiete generell einzudämmen, sollten die Fruchtfolgeflächen besser geschützt werden. Im Weiteren sollten die Bestimmungen in Bezug auf die Abschöpfung des Mehrwerts gemäss RPG und auf das Bauen ausserhalb der Bauzone (inklusive Umnutzungen und Ausschluss von Zweitnutzungen) in der Landwirtschaftszone überprüft werden, da der Vollzug sehr heterogen ist und die gewünschte Wirkung nicht erreicht wird.

3.7.3

Landwirtschaft

Auch die Kombination von wald- und raumplanungsrechtlichen Mitteln reicht nicht aus, um die unerwünschte Ausdehnung des Waldes zu verhindern. Wird der dynamische Waldbegriff in einem Gebiet mit unerwünschter Waldflächenzunahme durch feste Abgrenzungen des Waldes aufgehoben, wird lediglich die spätere Entfernung der Bestockung erleichtert, die faktische Offenhaltung der Fläche aber noch nicht erreicht. Die Zunahme der Waldfläche ist also weniger die Konsequenz der strikten Walderhaltungspolitik, als vielmehr die Folge aus dem Verzicht auf Mahd und Beweidung bzw. deren Extensivierung.

22 23

Eingabe des BAFU an das ARE vom 8. Oktober 2008 im Rahmen der Ämterkonsultation.

Vernehmlassung zu einer Revision des Raumplanungsgesetzes (Entwurf zu einem neuen Raumentwicklungsgesetz): Ergebnisbericht, hrsg. v. Bundesamt für Raumentwicklung (ARE). Bern 2009, S. 23.

4411

Die feste planerische Abgrenzung zwischen Wald und Landwirtschaftszone und der damit verbundene Wegfall des dynamischen Waldbegriffs kann dem Ziel der Offenhaltung gar entgegenstehen, da sich der Grundeigentümer nicht mehr veranlasst sieht, das Einwachsen durch geeignete kulturlandschaftspflegerische Massnahmen zu bekämpfen, um so zu verhindern, dass Wald in rechtlichem Sinn entsteht. Dort, wo der Wald an land- oder alpwirtschaftlich nutzbare Flächen grenzt, sind weitere Instrumente nötig, die einer Zunahme der Waldflächen entgegenwirken. Im Vordergrund stehen finanzielle Anreize.

Der Zusammenhang zwischen Bewirtschaftungsaufgabe und Waldflächenzunahme ist ansatzweise evident, aber dennoch ein komplexer Vorgang.24 Schwieriger ist die Bestimmung der geeigneten Mittel, die einer Bewirtschaftungsaufgabe entgegen wirken. Zwischen der Bewirtschaftungsaufgabe und der Feststellung eines Waldbestands liegen Zeiträume von 10­30 Jahren. Eine heute zu beobachtende Waldflächenzunahme ist somit das Ergebnis von in der Vergangenheit liegenden Ursachen.

Es konnte jedoch festgestellt werden, dass rund zwei Drittel der extensivierten oder aufgegebenen und in der Folge verbuschten oder verwaldeten Flächen im Sömmerungsgebiet liegen. Der Rest der wieder bewaldeten Fläche liegt überwiegend in den Bergzonen III und IV gemäss Landwirtschaftliche Zonen-Verordnung vom 7. Dezember 1998.25 Durch die bisherige Agrarpolitik, welche in der Schweiz insbesondere auch den Erhalt und die Förderung der Berglandwirtschaft beinhaltet, konnte das Einwachsen des Waldes auf ertragsschwachen Flächen deutlich gebremst werden. Die direkten Anreize zur Aufrechterhaltung einer minimalen Bewirtschaftung von Grenzertragslagen haben mit der neuen Agrarpolitik noch zugenommen, aber die Waldflächenzunahme wird dadurch nicht gestoppt werden können. Eine Ursache liegt darin, dass heute nur rund 4 Prozent der Direktzahlungen ins Sömmerungsgebiet gehen. Folglich ist die heutige Politik wenig wirksam in Bezug auf den gezielten Erhalt der Kulturlandschaft (inkl. Sömmerungsgebiet). Die Stärke des alpwirtschaftlichen Strukturwandels gemessen als prozentuale Abnahme der Betriebe ist hingegen wenig relevant. Die Erhaltung der Anzahl Betriebe ist somit keine geeignete Steuerungsvariable, um eine weitere Waldflächenzunahme zu verhindern.26 Laut Bericht
des Bundesrats vom 6. Mai 2009 zur Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems zeigen Evaluationen des heutigen Systems, dass dieses mit Bezug auf die Offenhaltung der Kulturlandschaft grundsätzlich eine gute Effektivität aufweist.27 Bei einer differenzierten Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die nationale Zielsetzung «Offenhaltung der Landschaft und Erhaltung des Kulturlandes» nicht flächendeckend erreicht wird, insbesondere in den höheren Bergzonen, im Sömmerungsgebiet und auf Grenzertragsflächen besteht hinsichtlich Offenhaltung eine 24

25 26

27

Sandra Maag/Josef Nösberger/Andreas Lüscher; Mögliche Folgen einer Bewirtschaftungsaufgabe von Wiesen und Weiden im Berggebiet: Ergebnisse des Komponentenprojektes D, Polyprojekt PRIMALP. Zürich 2001.

SR 912.1 Priska Baur/Peter Bebi/Mario Gellrich/Gillian Rutherford; WaSAlp ­ Waldausdehnung im Schweizer Alpenraum: Eine quantitative Analyse naturräumlicher und sozio-ökonomischer Ursachen unter besonderer Berücksichtigung des Agrarstrukturwandels (Schlussbericht hrsg. v. der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Birmensdorf 2006, S. 8.

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems, Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 10. November 2006 (06.3635), S. 5.

4412

Ziellücke.28 Der Bericht hält deshalb im Ergebnis ebenfalls fest, dass die Mittel im Sömmerungsgebiet zu erhöhen sind.29 Im geltenden Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 199830 (LwG) wird heute der Beitrag der Landwirtschaft zur Pflege der Kulturlandschaft (Art. 1 LwG) in quantitativer Hinsicht teilweise konkretisiert: Für den Schutz und die Pflege der Kulturlandschaft (Offenhaltung/Schutz vor Einwaldung) entrichtet der Bund in Lagen mit erschwerenden Produktionsbedingungen Hangbeiträge und im Sömmerungsgebiet Sömmerungsbeiträge (Art. 75 und 77 LwG).

Mit Kulturlandschaftsbeiträgen wird im neuen Konzept für ein weiter entwickeltes Direktzahlungssystem die Offenhaltung der Kulturlandschaft angestrebt. Die Offenhaltung wird erreicht, indem die land- und alpwirtschaftlichen Flächen flächendeckend bewirtschaftet werden. Sie dient als Basis für die Erbringung der übrigen gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Die Höhe der Beiträge ist so zu bemessen, dass eine minimale Bewirtschaftung zur Offenhaltung möglich ist. Die Beiträge werden aufgrund der natürlichen Erschwernisse nach Zonen und Hangneigung differenziert.31 Auch im Sömmerungsgebiet sollen Kulturlandschaftsbeiträge entrichtet werden, wobei sie hier pro Normalstoss und nicht bezüglich der landwirtschaftlichen Nutzfläche flächengebunden ausgerichtet werden sollen. Diese Zahlung entspricht grundsätzlich dem heutigen Sömmerungsbeitrag. Eine Beschränkung der Zahlung auf Alpen unterhalb der Waldgrenze wäre zwar aufgrund der Zielsetzungen logisch, aber nur schwer umsetzbar. Die Förderung auf der Sömmerungsfläche soll einen wichtigen Grundbeitrag zur Bewirtschaftung und Offenhaltung der alpwirtschaftlich genutzten Flächen leisten. Zusätzlich sollen künftig auch im Sömmerungsgebiet Direktzahlungen für Biodiversität und für Landschaftsqualität entrichtet werden.32 Gestützt auf die Motion 09.3973 «Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems.

Konkretisierung des Konzepts» wird der Bundesrat dem Parlament bis Ende 2011 eine Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2014/17) unterbreiten und sich darin auch zur Frage der Offenhaltung land- und alpwirtschaftlich genutzter Flächen äussern bzw. entsprechend wirksame Massnahmen vorschlagen.

3.7.4

Natur- und Heimatschutz

Soweit sich Wald in schützenswerten Landschaften oder in geschützten Biotopen ausbreitet, stellt sich die Frage, ob über die waldrechtlichen Bestimmungen hinaus auch das heutige natur- und heimatschutzrechtliche Instrumentarium gemäss Naturund Heimatschutzgesetz vom 1. Juli 196633 (NHG) angepasst werden muss.

Die Entbuschung von Biotopen ist eine Pflegemassnahme, für welche bereits nach geltendem Recht auf der Grundlage von Programmvereinbarungen globale Abgeltungen ausgerichtet werden (Art. 18d Abs. 1 NHG). In einer im Jahr 2009 gemein28 29 30 31 32 33

A.a.O., S. 124 und 164.

A.a.O., S. 166.

SR 910.1 A.a.O., S. 6.

A.a.O., S. 142.

SR 451

4413

sam von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, der Pro Natura und dem Forum Biodiversität Schweiz herausgegebenen Studie wurden die Kosten für den wirksamen Schutz der Biotope von nationaler Bedeutung mit den tatsächlich ausgerichteten öffentlichen Geldern verglichen. Diese kam zum Schluss, dass für den Schutz und die Pflege der wertvollsten Biotope der Schweiz im Sinne der gesetzlichen Vorgaben doppelt so viele öffentliche Mittel nötig sind. Inwieweit der Einwuchsproblematik durch eine veränderte Prioritätensetzung bei der Mittelverteilung begegnet werden kann, ist im Rahmen der Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen zu diskutieren. Eine allfällige Erhöhung der Kredite für die Entbuschung von Biotopen von nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung ist im Rahmen der Budgetdebatte zu führen.

In Bezug auf die schützenswerten Landschaften fehlen belastbare Entscheidungsgrundlagen zur Frage, wo und inwieweit die Vielfalt und Qualität von attraktiven Landschaften durch Einwuchs beeinträchtigt wird. Für Landschaften im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung werden derzeit gestützt auf einen Bericht der Geschäftsprüfungskommission und im Auftrag des Bundesrates die Schutzziele präzisiert; für Pärke von nationaler Bedeutung ist die Formulierung von Landschaftsentwicklungszielen Gegenstand des konkreten Parkprojekts bzw. der Parkcharta. Für alle übrigen Landschaften liegt die Formulierung konkreter Schutz- und Entwicklungsziele in der Hoheit der Kantone.

3.7.5

Wasserbau und Revitalisierung

Im Interesse des Hochwasserschutzes kann es erforderlich sein, für bauliche Massnahmen im Uferbereich Rodungen vorzunehmen. Gemäss geltendem Waldgesetz muss bei Rodungen Realersatz in der gleichen Gegend geleistet werden. Realersatz kann aber im Widerspruch zur Zielsetzung des Hochwasserschutzes stehen. Da im Rahmen der wasserbaugesetzlichen Anforderungen auch Aufwertungsmassnahmen (z.B. zur Erhaltung oder Schaffung einer standortgerechten Ufervegetation) getroffen werden müssen, soll neu auf den Rodungsersatz verzichtet werden können.

Weiter gehen würde die Qualifikation von Hochwasserschutzmassnahmen als grundsätzlich waldflächenkonform, was beispielsweise bei der Beanspruchung von Waldboden für nichtforstliche Kleinbauten der Fall ist (Art. 4 Bst. a WaV). Das Erfordernis einer Rodungsbewilligung würde diesfalls gänzlich entfallen. Eine solche Lösung bräuchte eine gesetzliche Grundlage und wäre indes, wie bereits oben (Ziff. 3.4) ausgeführt, nicht mit der Zielsetzung der Vorlage vereinbar.

Wird Fliessgewässern im Rahmen von Revitalisierungen nach Artikel 38a des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 199134 (GSchG) mehr Bewegungsfreiheit gegeben, dann führt das zur Erosion des angrenzenden Waldareals. Damit stellt sich die Frage nach der Zweckentfremdung von Waldboden, was dem Rodungstatbestand entspricht (Art. 4 WaG). Vorhaben, welche die natürliche Dynamik eines Fliessgewässers wiederherstellen, stellen keine Zweckentfremdung im Sinn von Artikel 4 WaG dar. Deshalb ist für sie keine Rodungsbewilligung nötig ­ immer vorausgesetzt, folgende Bedingungen sind erfüllt:

34

SR 814.20, beschlossen am 11. Dezember 2009, noch nicht in Kraft.

4414

1.

Interventionslinien begrenzen den natürlichen Fliessgewässerraum;

2.

innerhalb des festgelegten Fliessgewässerraums sind keine anderen Nutzungen erlaubt;

3.

innerhalb des festgelegten Fliessgewässerraums werden die entstehenden potenziellen Waldstandorte der natürlichen Wiederbewaldung überlassen (in Abstimmung mit allfällig vorhandenen Waldentwicklungsplänen).35

Umfassen Revitalisierungen hingegen bautechnische Massnahmen, ist ein zum Hochwasserschutz analoges Vorgehen angezeigt.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

4.1

Anpassung des Waldgesetzes

2. Kapitel: Schutz des Waldes vor Eingriffen 1. Abschnitt: Rodung und Waldfeststellung Insgesamt ist die Schweiz heute auf 31 Prozent ihrer Fläche bewaldet. Seit 1870 hat die Waldfläche mit Ausnahme der Zeit der beiden Weltkriege mehr oder weniger kontinuierlich zugenommen, insgesamt um über 50 Prozent. Diese Zunahme ist vor allem das Resultat der zurückgehenden landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in peripheren Gebieten. Gemäss Landesforstinventar II betrug 1995 die gesamte Waldfläche 12 340 km2. Das sind 476 km2 oder 4 Prozent mehr als 1985.36 Die Zunahme der Waldfläche erfolgte in diesem Zeitraum jedoch nicht gleichmässig: Markant war sie im Alpenraum, wo sich der Wald heute auf die landwirtschaftlichen Grenzertragsflächen ausbreitet (Einwuchs). Im Mittelland und in den alpinen Zentren wie Zermatt dagegen steht die Waldfläche nach wie vor unter grossem Druck.

In den letzten 10 Jahren wurden pro Jahr in der Schweiz durchschnittlich etwa 130 ha Wald oder 0.01 Prozent der Schweizer Waldfläche gerodet37. Die Waldflächenzunahme im gleichen Zeitraum lag bei etwa 0.5 Prozent pro Jahr. Die Flexibilisierung des Rodungsersatzes wird deshalb vergleichsweise einen geringen Einfluss auf die Waldflächenentwicklung haben.

35

36 37

Hochwasserschutz an Fliessgewässern. Wegleitungen hrsg. v. Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG). Bern, 2001, S. 52. Im Rahmen der parlamentarischen Initiative 07.492 «Schutz und Nutzung der Gewässer» läuft aktuell die Anpassung an das neue Gewässerschutzrecht.

Schweizerisches Landesforstinventar, Ergebnisse der Zweitaufnahme 1993­1995.

Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft.

Der Rodungsersatz umfasste in den letzten 10 Jahren durchschnittlich rund 90 ha Aufforstungen an Ort und Stelle und rund 35 ha Aufforstungen an einer anderen Stelle. Zusätzlich wurden Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftschutzes getroffen.

4415

Abbildung

[Flächen in ha]

Bewilligte Rodungen in der Schweiz (1964 bis 2008) sowie Entwicklung des Fünfjahresdurchschnitts (Quelle: Rodungsstatistik des Bundes).

450 400 350 300 250

gleitender Durchschnitt

200 150 100 50

1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

0

Art. 7

Rodungsersatz

Von einer Ausnahme abgesehen, ist nach der bisherigen Regelung bei Rodungen immer Rodungsersatz zu leisten. Die Art des Rodungsersatzes bestimmt sich nach einer Kaskade. Grundsätzlich ist in derselben Gegend durch Aufforstung einer gleich grossen Fläche Realersatz zu leisten. Ausnahmsweise kann Realersatz in einer anderen Gegend geleistet werden. Wenn auch dies nicht möglich ist, können Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes getroffen werden. Dieser Mechanismus führt bei konsequenter Befolgung dazu, dass selbst in Gebieten mit starker Waldzunahme aufgeforstet wird oder natürlich einwachsende Flächen als Waldareal geschützt werden.

Die vorgeschlagene Revision im Bereich Rodungsersatz entspricht teilweise bereits der geltenden Praxis. Da die Leistung von Ersatzaufforstungen in einer anderen Gegend gemäss Artikel 7 Absatz 2 WaG zu Waldflächenzunahmen an Orten führen kann, wo dies nicht erwünscht ist, wenden die kantonalen Vollzugsbehörden Artikel 7 Absatz 3 WaG betreffend die ausnahmsweise Erbringung von Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes heute schon breit an.

Absatz 1: Der Realersatz in derselben Gegend bleibt nach wie vor der Regelfall. Neu kann Realersatz nur noch mit standortgerechten Arten geleistet werden. Das bisherige Recht begnügte sich mit vorwiegend standortgerechten Arten. Die Standortgerechtigkeit der für den Realersatz verwendeten Arten ist mittlerweile in der Praxis generell Standard. Sie entspricht Artikel 1 Absatz 1 Buchststabe b WaG, wonach der Wald als naturnahe Lebensgemeinschaft zu schützen ist.

Absatz 2: Der Realersatz in einer anderen Gegend konnte bisher dazu führen, dass in einer Gegend mit zunehmender Waldfläche noch zusätzlich aufgeforstet wurde.

Daher und weil die Waldverteilung nicht zulasten jener Gegenden verändert werden soll, in welchen der Wald ohnehin unter Druck steht, ist ein Realersatz in einer 4416

anderen Gegend nicht mehr vorgesehen. Diese Stufe der Kaskade der Ersatzmassnahmen entfällt künftig. «Klassische» Fälle, wie Rodung im Talgebiet mit Aufforstung im Berggebiet, werden somit nicht mehr möglich sein. Mit dieser Lösung soll einerseits die bestehende Waldflächenverteilung gewährleistet und andererseits der unerwünschten Waldflächenzunahme in peripheren Gebieten nicht noch aktiv Vorschub geleistet werden.

Zur Schonung landwirtschaftlicher Vorrangflächen sowie ökologisch oder landschaftlich wertvoller Gebiete kann künftig nicht nur in Ausnahmefällen auf Realersatz verzichtet werden. Bedingung dafür ist, dass gleichwertige Massnahmen zu Gunsten des Natur- und Landschaftsschutzes getroffen werden. Gleichwertig können nur Massnahmen sein, die eine dauerhafte Wirkung für die biologische Vielfalt des Waldes beziehungsweise für Natur- und Landschaft haben. Die ordentliche Pflege von schützenswerten Biotopen nach dem NHG fällt nicht darunter. Als gleichwertig kann auch eine umfangreichere Massnahme gelten, mit welcher die Kantone Ersatz für mehrere einzelne, kleinere Rodungsflächen leisten. So genannte Pool-Lösungen, wie sie von verschiedenen Kantonen im Natur- und Heimatschutzbereich für die Ersatzleistung bei kleineren Eingriffen in Biotope getroffen werden, sind also möglich. Als Richtwert für den finanziellen Gegenwert der Ersatzmassnahme kann der theoretische finanzielle Aufwand, der von Seiten des Gesuchstellers für die Leistung von Realersatz notwendig wäre, herbeigezogen werden.

Sofern gleichwertige Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes anstelle eines Realersatzes in derselben Gegend zulässig sind, ist sicherzustellen, dass diese ebenfalls in der derselben Gegend realisiert werden, damit die Kompensation effektiv wirksam ist.

Landwirtschaftliche Vorrangflächen umfassen insbesondere Flächen nach dem Sachplan Fruchtfolgeflächen des Bundesrates. Zu den ökologisch oder landschaftlich wertvollen Gebieten sind namentlich Landschaftsschutzgebiete und Biotope zu zählen, die nach eidgenössischem oder kantonalem Recht unter Schutz stehen.

Eine Minderheit möchte die Lockerung der Realersatzpflicht allein auf Gebiete mit zunehmender Waldfläche beschränken, um zu verhindern, dass der bereits bestehende Druck auf das Waldareal in Gegenden wie dem Mittelland noch grösser wird.
Abs. 3: Sind die Tatbestände nach Abs. 3 Bst. a bis c erfüllt, kann gänzlich auf den Rodungsersatz verzichtet werden. Die Kantone sind angehalten, von dieser Kompetenz insbesondere dann Gebrauch zu machen, wenn die Projekte, für deren Umsetzung gerodet werden muss, selbst gleichwertige Massnahmen zugunsten des Naturund Landschaftsschutzes im Sinne von Abs. 2 darstellen.

Abs. 3 Bst. a: Mit dieser Bestimmung wird die Rodungsersatzpflicht insbesondere im Alpenraum, wo Wald infolge Aufgabe der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung eingewachsen ist, gelockert. Wald kann ungewollt entstehen, dies vor allem dort, wo der Mensch auf eine andere Nutzung des Bodens verzichtet oder wenn Kulturen sich selbst überlassen werden und verwildern. Neu kann bei der Rodung von eingewachsenen Flächen für die Rückgewinnung von landwirtschaftlichem Kulturland auf Rodungsersatz verzichtet werden, wenn die Bestockung nicht älter als 30 Jahre ist.

Die zeitliche Begrenzung ist aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots des Erhalts der Waldfläche notwendig. Zur Waldfeststellung soll in diesen Fällen kein aufwändiges Verfahren angewendet werden, vielmehr genügen die Interpretation von Luftbildern und die Untersuchung einzelner Bäume.

4417

Absatz 3 Buchstabe b: Bautechnische Massnahmen zur Gewährleistung des Hochwasserschutzes richten sich nach Artikel 4 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 199138 über den Wasserbau und solche für die Revitalisierung von Gewässern nach Artikel 38a des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 199139. Diese Massnahmen erfüllen den Rodungstatbestand. Oft werden die gesetzlich geforderten Aufwertungsmassnahmen als gleichwertige Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes zu qualifizieren sein und erfüllen dementsprechend den Rodungsersatz hinreichend.

Absatz 3 Buchstabe c: In seltenen Fällen kann auch für die Aufwertung eines Biotops von nationaler, regionaler oder lokaler Bedeutung eine Rodung notwendig sein.

Ein Beispiel hierfür ist die Entbuschung eines Flachmoors. Auch in diesen Fällen wird die mit der Rodung einhergehende Biotopaufwertung in der Regel als gleichwertige Massnahmen zu Gunsten des Natur- und Landschaftsschutzes zu betrachten sein.

Absatz 4: Damit landwirtschaftliches Kulturland, welches ohne Pflicht zum Rodungsersatz rückgewonnen werden konnte, langfristig gesichert bleibt und nicht kurzum einer anderen Nutzung zugeführt wird, beispielsweise als Bauland ausgeschieden wird, wird für den Fall einer Nutzungsänderung innerhalb von 30 Jahren eine nachträgliche Pflicht zum Rodungsersatz im Grundbuch verankert.

Art. 8

Ersatzabgabe

Die Ersatzabgabe gemäss dem bisherigen Artikel 8 betraf die Differenz zwischen geleistetem Ersatz und gleichwertigem Realersatz. Aufgrund der Änderungen von Artikel 7 kann Artikel 8 aufgehoben und damit das System des Rodungsersatzes weiter vereinfacht werden. Neu ist gemäss Artikel 7 entweder Realersatz oder gleichwertiger Rodungsersatz in Form von Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes zu leisten, oder es kann gänzlich auf Ersatz verzichtet werden.

Die Anforderung der Gleichwertigkeit erlaubt es den vollziehenden Behörden, die Gesuchstellerin ganz oder teilweise zur finanziellen Beitragsleistung an ein definiertes grösseres Projekt von Ersatzmassnahmen zu verpflichten.

Art. 10

Waldfeststellung

Absatz 2: Neu kann der dynamische Waldbegriff auch in Gebieten ausserhalb der Bauzonen, in denen die Kantone eine Zunahme der Waldfläche verhindern wollen, aufgehoben und durch eine statische Waldgrenze ersetzt werden. Die Kantone bezeichnen dazu die Gebiete, in denen die Zunahme der Waldfläche künftig unerwünscht ist. Diese Bezeichnung soll im kantonalen Richtplan erfolgen. Soweit die Kantone nichts anderes vorsehen, entscheiden anschliessend die für die Nutzungsplanung zuständigen Behörden, auf welchem Gemeindegebiet statische Waldgrenzen auch ausserhalb der Bauzone eingeführt werden sollen. Dabei hat in jedem Fall die kantonal zuständige Behörde im Rahmen der Waldfeststellung die aktuellen Waldgrenzen zu ermitteln. Die derart festgelegte statische Waldgrenze wird schliesslich parzellenscharf in den Nutzungsplänen eingetragen.

38 39

SR 721.100 SR 814.20

4418

Eine Waldflächenzunahme gilt als unerwünscht, wenn sie die Umsetzung der Ziele der Raumplanung erheblich erschwert. Die Kriterien des kantonalen Rahmens für die Festlegung von Gebieten mit unerwünschter Waldzunahme sollen in der Waldverordnung festgelegt werden.

Eine Minderheit möchte an der bisherigen Form der statischen Waldgrenze festhalten und verhindern, dass der dynamische Waldbegriff ausserhalb der Bauzone eingeschränkt werden kann.

2. Abschnitt: Wald und Raumplanung Art. 13

Abgrenzung von Wald und Nutzungszonen

Absatz 1: Die mit dem Waldgesetz 1991 eingeführte Regelung, dass in den Nutzungsplänen der Wald verbindlich von den Bauzonen abzugrenzen ist, hat sich in der Praxis bewährt und soll deshalb ausgedehnt werden. Gemäss dem bei Artikel 10 WaG beschriebenen Verfahren werden statische Waldgrenzen auch ausserhalb von Bauzonen parzellenscharf in den Nutzungsplänen eingetragen, wenn das Einwachsen bestimmter Flächen in Gebieten mit unerwünschter Waldzunahme verhindert werden soll. Neue Bestockungen ausserhalb dieser Waldgrenzen gelten nicht als Wald in rechtlichem Sinne und können deshalb zu einem späteren Zeitpunkt ohne Rodungsbewilligung wieder entfernt werden. Somit kann das Gebiet wieder seiner in der Nutzungsplanung vorgesehenen Nutzung zugeführt werden. Diese Lockerung soll die laufende Waldflächenzunahme bremsen und eine optimale Landschaftsentwicklung ermöglichen.

In der Waldverordnung soll geregelt werden, nach welchen Kriterien Gebiete als solche mit unerwünschter Waldflächenzunahme ausgeschieden werden können.

Absatz 2: Diese Bestimmung bleibt unverändert. Neue Bestockungen ausserhalb der Waldgrenzen gelten nicht als Wald und geniessen keinen Schutz. In Ausnahmefällen wird ihnen als Hecke oder Feldgehölze ein Schutz nach der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung zukommen. Für die Feststellung, ob im Einzelfall eine einwachsende Bestockung tatsächlich als schutzwürdig zu bezeichnen ist, und für die entsprechenden Schutz- und Unterhaltsmassnahmen sind die Kantone zuständig.

Absatz 3: Feste Waldgrenzen sollen von den Kantonen im Rahmen der Revision von Nutzungsplänen überprüft werden können, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Diese Möglichkeit der Neufestsetzung der Waldgrenzen ist zur Wahrung der Rechtssicherheit erforderlich. Waldgrenzen müssen bis zu einem gewissen Grad mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen. Wächst trotz fester Waldgrenze eine grössere Fläche ein und wird die entsprechende neue Bestockung während mehreren Generationen nicht zurückgebunden, ergeben sich für das Regime des neu entstandenen «faktischen» Waldes erhebliche Probleme.

Erfüllt die neue Bestockung beispielsweise Schutzfunktion, so sind die Regelungen bezüglich Bewirtschaftung und Förderung des Schutzwaldes nach dem Waldgesetz nicht anwendbar. In solchen Fällen sollen die Kantone feste Waldgrenzen überprüfen können.

4419

4.2

Anpassung des Raumplanungsgesetzes

Die erste Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (10.019 Teilrevision Raumplanungsgesetz) befindet sich gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung und zielt in erster Linie auf eine Steuerung und Begrenzung des Siedlungswachstums. Die Siedlung soll sich in erster Linie nach innen entwickeln, bevor Erweiterungen realisiert werden. Dadurch können landwirtschaftliche Vorrangflächen geschont werden. Auch der Druck auf das Waldareal wird dadurch reduziert.

Gemäss der entsprechenden Botschaft und Vorlage40 stehen folgende Bestimmungen im Vordergrund: Artikel 8a legt den Mindestinhalt des Richtplans im Bereich Siedlung fest, unter anderem wie gross die Siedlungsfläche insgesamt und wie sie im Kanton verteilt sein soll, wie ihre Erweiterung regional abgestimmt und wie eine hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen bewirkt wird.

Artikel 15 wird präzisiert und verlangt neu die überkommunale Abstimmung bei der Einzonung und verschärft die Anforderungen für Neueinzonungen.

Damit eingezontes Land effektiv auf den Markt kommt, werden die Kantone in Artikel 15a neu zur Baulandverflüssigung verpflichtet.

Nach Artikel 37b müssen die Kantone ihre Richtpläne innert fünf Jahren anpassen.

Während dieser Zeit sind Einzonungen nur insoweit zulässig, als dadurch die Fläche der rechtskräftig ausgeschiedenen Bauzonen insgesamt nicht vergrössert wird.

Danach gilt ein Einzonungsstop bis der betreffende Kanton über eine vom Bundesrat genehmigte Richtplananpassung verfügt.

Im Rahmen der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes will die Kommission auch die Bestimungen bezüglich Mehrwertabschöpfung (Art. 5 Abs. 1 RPG) kontretisieren. Die Kantone sollen eine Mehrwertabgabe erheben, die zumindest einem Viertel des planungsbedingten Mehrwerts entspricht, wenn Boden neu einer Bauzone zugewiesen wird.

Im Rahmen der zweiten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes wird das Thema des Schutzes und der Nutzung von Böden aufgegriffen. Das Verhältnis zwischen Raumplaung und Wald soll vertieft untersucht sowie dem Schutz des Kulturlandes ­ insbesondere dem besseren Schutz der Fruchtfolgeflächen (vgl.

Ziff. 2.7.2) ­ die nötige Bedeutung beigemessen werden.

4.3

Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes

Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Revision des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft im Rahmen der Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2014/17) wird der Bundesrat bis Ende 2011 eine Botschaft erarbeiten. Unter anderem gestützt auf die Motion 09.3973 (WAK-SR) «Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Konkretisierung des Konzepts» soll die Förderung der Landwirtschaft insbesondere auf folgende Ziele ausgerichtet werden:

40

­

Offenhaltung der Kulturlandschaft;

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Erhaltung und Förderung der Biodiversität; BBl 2010 1049 1085

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Erhaltung, Förderung und Weiterentwicklung vielfältiger Kulturlandschaften.

Die Kommission wird diese Vorschläge zu gegebener Zeit in Bezug auf die Abstimmung mit einer integralen Lösung zur Flexibilisierung der Waldflächenpolitik gemäss der parlamentarischen Initiative 09.474 überprüfen und bei Bedarf Korrekturanträge formulieren.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgesehenen Anpassungen im Waldgesetz haben keine finanziellen und personelle Auswirkungen auf den Bund. Hingegen kann bei den Kantonen zusätzlicher Bedarf erforderlich sein, falls sie von der Möglichkeit zur Ausscheidung von statischen Waldgrenzen gegenüber dem Offenland Gebrauch machen werden. Ob und in welchem Umfang solche Verfahren umgesetzt werden, legen die Kantone selbständig fest. Auf Grund der modernen elektronischen Datenaufnahme und -verwaltung (vor allem GPS und digitale Luftbildauswertung) werden die zusätzlichen Kosten für die Kantone voraussichtlich in einem beschränkten Ausmass ausfallen.

Offen sind die Auswirkungen im Zusammenhang mit dem skizzierten Handlungsbedarf bei der Raumplanung. Die Höhe dieser Kosten wird im Rahmen der beiden Revisionsetappen des Raumplanungsgesetzes eruiert.

5.2

Vollzugstauglichkeit

Die geplanten Änderungen werden einfach zu vollziehen sein. Die neue Kaskade der Rodungsersatzmassnahmen ermöglicht den Kantonen mit der Anwendung von Artikel 7 WaG, den tatsächlichen Verhältnissen besser gerecht zu werden. Zur Feststellung, in welchen Fällen eine in den letzten 30 Jahren eingewachsene Fläche vorliegt (Art. 7 Abs. 3 Bst. a WaG), genügt die Interpretation von Luftbildern und die Untersuchung einzelner Bäume. Die Festlegung von Waldgrenzen ausserhalb der Bauzonen gemäss Artikel 10 und 13 WaG erfolgt in einem ersten Schritt mittels einer Bezeichnung im kantonalen Richtplan derjenigen Gebiete, in denen die Zunahme der Waldfläche künftig unerwünscht ist. In einem zweiten Schritt werden im Rahmen des bewährten Waldfeststellungsverfahrens die Waldgrenzen ermittelt und parzellenscharf in den Nutzungsplänen eingetragen. Im Rahmen einer Pilotstudie mit dem Kanton Wallis sind eine Methodik und ein Leitfaden entwickelt worden, um Gebiete mit einer unerwünschten Zunahme der Waldfläche festlegen zu können.

Diese Grundlagen können auch anderen Kantonen als Vorlage dienen.

5.3

Andere Auswirkungen

Es sind keine weiteren bedeutenden Auswirkungen zu erwarten, weil am Grundsatz des Rodungsverbotes (Art. 4 und 5 WaG) und am eigentlichen Waldbegriff (Art. 2 WaG) festgehalten wird.

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6

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Zuständigkeit für die Waldpolitik im Raum der Europäischen Union (EU) ist Sache der Mitgliedstaaten. Insbesondere im Bereich der Waldflächenpolitik hat die EU bisher nicht legiferiert. Es ergeben sich deshalb aus dem internationalen Recht keine Verpflichtungen der Schweiz, mit denen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht vereinbar sind.

7

Rechtliche Grundlagen

7.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 77 der Bundesverfassung, der den Bund verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Wald seine Schutz-, Nutz- und Wohlfahrtsfunktionen erfüllen kann, und ihn zu diesen Zwecken ermächtigt, Grundsätze über den Schutz des Waldes festzulegen und Massnahmen zur Walderhaltung zu fördern.

7.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegende Teilrevision des Waldgesetzes führt keine Delegationsnormen zum Erlass von selbständigem Verordnungsrecht ein. Entsprechend den Änderungen der Artikel 7, 10 und 13 WaG wird der Bundesrat indes gemäss seiner Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (Art. 49 Abs. 3 WaG) in der Waldverordnung die erforderlichen Konkretisierungen festhalten.

7.3

Erlassform

Als wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die beispielsweise Rechte und Pflichten der betroffenen Grundeigentümer und Projektanten berühren, sind die vorliegenden Änderungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV).

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