11.4

Beilage 11.4 Teil IV:

2010-2798

Beilage nach Artikel 10 Absatz 3 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen und nach Artikel 7b Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG; vgl.

auch Art. 9a Zolltarifgesetz) (zur Genehmigung)

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Botschaft über die Genehmigung der Änderungen der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein im Bereich pharmazeutischer Stoffe vom 12. Januar 2011

11.4.1

Grundlagen und Überblick zum Abkommen

Bei den Verhandlungen über den Marktzutritt der Uruguay-Runde kamen grundsätzlich zwei Verhandlungsarten zur Anwendung: Einerseits wurden bilaterale Verhandlungen geführt, die den gegenseitigen Austausch von Konzessionen für die wichtigsten Exportgüter zwischen zwei GATT-Vertragsparteien zum Inhalt hatten.

Andererseits fanden sektorielle Verhandlungen zwischen den Hauptexporteuren statt, mit dem Ziel, in bestimmten Sektoren Zölle schrittweise zu senken oder zu beseitigen (sog. Sektorinitiativen). Aufgrund der im GATT-/WTO-Abkommen vorgesehenen Meistbegünstigungsklausel musste das Ergebnis bei beiden Verhandlungsarten allen WTO-Mitgliedern zugute kommen.

Die Schweiz hat sich an der Sektorinitiative zur Beseitigung der Zölle und Abgaben für pharmazeutische Stoffe (sog. Pharma-Initiative) beteiligt. Beim Abschluss der Verhandlungen haben sich die betroffenen Mitglieder1 verpflichtet, regelmässig, mindestens alle drei Jahre, den Produkteumfang der Pharma-Initiative zu revidieren (Evolutivklausel), damit Innovationen erfasst werden können (vgl. GATT-Botschaft 1 vom 19. September 1994, BBl 1994 IV 136, Ziff. 2.2.2.3). Bei den Beitrittsverhandlungen zur WTO hat die Slowakei 1995 diese Initiative ebenfalls gutgeheissen. Macao ist im Juli 1997 Mitglied geworden.

Die erzielten Resultate wurden gemäss der Meistbegünstigungsregel allen WTOMitgliedern eingeräumt. Die an der Sektorinitiative beteiligten Mitglieder haben die Resultate direkt in ihre jeweiligen Verpflichtungslisten aufgenommen.

Die WTO-Verpflichtungsliste LIX-Schweiz-Liechtenstein (in der Folge: Liste LIX) ist dem Protokoll von Marrakesch (SR 0.632.20, Anhang 1A.2) zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen von 1994 (GATT 94, SR 0.632.29, Anhang 1A.1) beigefügt2. Sie ist Bestandteil der von der Schweiz im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Änderungen dieser Liste unterliegen den einschlägigen Verfahrensbestimmungen der WTO und machen landesrechtlich entsprechende Anpassungen des schweizerischen Generaltarifs erforderlich, der in den nicht veröffentlichten Anhängen 1 und 2 des Zolltarifgesetzes (ZTG; SR 632.10) enthalten ist. Die Schweizer Zollsenkungsverpflich-

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An der Pharma-Initiative haben sich neben der Schweiz die folgenden WTO-Mitglieder beteiligt: Europäische Union, Japan, Kanada, Norwegen, Tschechien, Slowakei und die Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein wurde in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlicht. Ein Separatdruck (Stand 1. Januar 2007) kann bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (Oberzolldirektion, Hauptabteilung Zolltarif, 3003 Bern, Fax: 031/322 78 72) bezogen oder eingesehen werden.

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tung ist in den Anhängen I­IV der Schweizer Liste LIX sowie im schweizerischen Zolltarifgesetz3 entsprechend aufgeführt.

Dem Produkteumfang der Pharma-Initiative (über 6 000 Produkte) sowie der darin enthaltenen Evolutivklausel haben die eidgenössischen Räte mit Bundesbeschluss vom 16. Dezember 1994 (SR 632.105.16) zugestimmt (siehe auch GATT-Botschaft 1 vom 19. September 1994, BBl 1994 IV 136). Die ersten drei Revisionen des Produkteumfangs der Pharma-Initiative (Pharma II, III und IV), die zwischen November 1995 und Juli 1996, zwischen Oktober 1997 und Oktober 1998 sowie zwischen April 2004 und Oktober 2006 erfolgten, haben die Aufnahme von rund 2 490 neuen Produkten in die Liste der zollfreien Produkte ermöglicht. Das Parlament hat diesen drei Revisionen zugestimmt: der ersten mit Bundesbeschluss vom 21. März 1997 betreffend Änderungen der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein (AS 1997 2256) und mit Änderung vom 30. April 1997 des Zolltarifgesetzes (AS 1997 2236); der zweiten mit Bundesbeschluss vom 15. Juni 2000 betreffend Änderungen der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein im Bereich pharmazeutischer Stoffe (BBl 2000 3669) und Bundesbeschluss betreffend die vorläufige Anwendung von Zollkonzessionen im Bundesbeschluss vom 15. Juni 2000 über die Genehmigung von zolltarifarischen Massnahmen (BBl 2000 3649), der im Rahmen des Berichts über zolltarifarische Massnahmen im zweiten Halbjahr 1999 (BBl 2000 1789) unterbreitet wurde; der dritten mit Bundesbeschluss vom 13. Juni 2008 über die Genehmigung der Änderungen der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein im Bereich pharmazeutischer Stoffe (BBl 2008 5337), der mit der im Bericht vom 16. Januar 2008 zur Aussenwirtschaftspolitik 2007 enthaltenen Botschaft (BBl 2008 1087) und Bundesbeschluss vom 29. Mai 2008 über die Genehmigung von zolltarifarischen Massnahmen (BBl 2008 5805), der im Rahmen des Berichtes über Zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2007 (BBl 2008 1073) dem Parlament unterbreitet worden war.

Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat dem Parlament, unter Einhaltung der in Artikel 7b des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG; SR 172.010) statuierten Frist von sechs Monaten seit Beginn der vorläufigen Anwendung der Ergebnisse der vierten Revision der sektoriellen PharmaInitiative am 1. Januar 2011, die Änderungen der Liste LIX im Bereich pharmazeutischer Stoffe zur Genehmigung.

11.4.2

Erläuterungen zu den Änderungen der Liste LIX im Rahmen der vierten Pharma-Initiative

Die vierte Revision der Pharma-Initiative dauerte von Juli 2009 bis Mai 2010. Sie verlief in Übereinstimmung mit der unter Ziffer 11.4.1 erwähnten Evolutivklausel.

Die Position der Schweiz wurde in Abstimmung mit der Pharma- und der Chemiebranche festgelegt.

3

Der Generaltarif wird nach Art. 5 Abs. 1 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512) in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlicht. Die Verordnung mit dem Text dieser Änderungen kann bei der Oberzolldirektion, 3003 Bern, eingesehen werden.

Ausserdem werden die Änderungen in den Generaltarif aufgenommen, der im Internet unter www.ezv.admin.ch publiziert wird. Sie werden ebenfalls in den gestützt auf Art. 15 Abs. 2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986 herausgegebenen Zolltarif übernommen, der im Internet unter www.tares.ch konsultiert werden kann.

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Das Verhandlungsergebnis wurde am 30. Juli 2010 im WTO-Sekretariat hinterlegt.

Es stellt einen Konsensentscheid unter den Mitgliedern der Pharma-Initiative dar und wird von der Schweizer Industrie vollumfänglich mitgetragen.

Mit der nun vereinbarten Erweiterung der Pharma-Initiative wird 718 zusätzlichen pharmazeutischen Produkten Zollfreiheit gewährt. Die Änderungen sind nachfolgend beschrieben.

Das Ergebnis der Verhandlungen, das die Anhänge I­IV der Liste LIX betrifft, kann wie folgt zusammengefasst werden: ­

Anhang I (INN-Stoffe = International Non-Proprietary Names) wird mit 381 Produkten aus den WHO-Listen 94­99 ergänzt.

­

Anhang II (Präfixe und Suffixe für Salze, Ester und Hydrate von INN des Anhangs I) wird verdichtet.

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Anhang III (Salze, Ester und Hydrate aktiver INN-Substanzen, die nicht nach derselben HS-Position klassifiziert sind) wird nicht geändert.

­

Anhang IV (zollfrei zugelassene Zwischenprodukte, das heisst Verbindungen, die bei der Herstellung von pharmazeutischen Fertigprodukten verwendet werden) wird mit 352 neuen Zwischenprodukten ergänzt, wobei 15 Zwischenprodukte in den Anhang I transferiert werden.

Der Bundesrat hat die Verhandlungsergebnisse der vierten Revision der sektoriellen Pharma-Initiative am 27. Oktober 2010 unter Vorbehalt ihrer parlamentarischen Genehmigung gutgeheissen und beschlossen, die Änderungen der Liste LIX in Anwendung von Artikel 7b RVOG ab dem 1. Januar 2011 vorläufig anzuwenden.

Aufgrund der zunehmenden internationalen Konkurrenz erachtete es der Bundesrat als für die pharmazeutische Industrie der Schweiz entscheidend, von den Ergebnissen der vierten Revision der sektoriellen Pharma-Initiative schnellstmöglich profitieren zu können. Damit wurden die Kriterien der Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und der besonderen Dringlichkeit erfüllt. Die parlamentarischen Kommissionen wurden in Anwendung von Artikel 152 Absatz 3bis des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) vor der vorläufigen Anwendung konsultiert (die Aussenpolitische Kommission des Ständerates am 8. November 2010, die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates am 15./16. November 2010). Aus Artikel 3 Absätze 1 und 2 des Vernehmlassungsgesetzes (SR 172.061) ergibt sich, dass bei einem internationalen Abkommen, das nicht dem fakultativen Referendum unterstellt ist und keine wesentlichen Interessen der Kantone betrifft, grundsätzlich kein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt wird, ausser wenn es sich um ein Vorhaben von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite handelt oder wenn dieses in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen wird. Da die Verhandlungsergebnisse der vierten Revision der sektoriellen Pharma-Initiative weder dem Referendum unterstehen, noch wesentliche Interessen der Kantone berühren, noch es sich um ein Vorhaben von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite handelt, konnte auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

Allerdings ist festzuhalten, dass die interessierten Wirtschaftskreise von Anfang an aktiv an der vierten Revision der Pharma-Initiative beteiligt waren.

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Zur Umsetzung der vierten Revision der sektoriellen Pharma-Initiative hat der Bundesrat in Anwendung von Artikel 9a ZTG eine Verordnung4 erlassen, welche die Beseitigung der Zollansätze auf den 1. Januar 2011 für die relevanten pharmazeutischen Produkte umsetzt. Diese Massnahme wird den Eidgenössischen Räten im Rahmen des Berichts über zolltarifarische Massnahmen (Ziff. 11.3.2.1.3) unterbreitet.

11.4.3

Auswirkungen

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden Die Beseitigung der Zölle für 718 pharmazeutische Stoffe wird zu einem Zollausfall von rund 2000 Schweizerfranken führen.

Diese Änderung hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand.

Die Anpassung des Produkteumfangs im Verlauf der vierten Revision der PharmaInitiative hat keine Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden.

Volkswirtschaftliche Auswirkungen Die Beseitigung der Zölle führt zu einer Verbesserung der Marktzutrittsmöglichkeiten der schweizerischen Exportindustrie, da die übrigen Teilnehmer der Sektorinitiative ihrerseits die Zölle auf den von der vierten Revision betroffenen Produkten eliminiert haben. Die Preise verschiedener pharmazeutischer Produkte dürften leicht sinken, da die Zölle für über 352 Zwischenprodukte abgeschafft wurden.

11.4.4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 20085 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 20086 über die Legislaturplanung 2007­2011 konkret angekündigt. Sie entspricht jedoch dem Ziel 1 (Wettbewerb im Binnenmarkt verstärken und Rahmenbedingungen verbessern) dieser Planung.

11.4.5

Rechtliche Aspekte

Verhältnis zum europäischen Recht Die Änderung der Liste LIX hat keinen Bezug zum europäischen Recht. Im Rahmen der Beziehungen Schweiz­EFTA und Schweiz­EU unterliegen die Pharmaprodukte seit Langem dem Freihandel.

Gültigkeit für das Fürstentum Liechtenstein Die Änderung des Generaltarifs und der Liste LIX hat auch für das Fürstentum Liechtenstein Gültigkeit, solange dieses durch eine Zollunion mit der Schweiz verbunden ist.

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AS 2010 5057 BBl 2008 753 BBl 2008 8543

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WTO-rechtliche Grundlagen für die Änderungen der Liste LIX Das Eingehen von zusätzlichen Zollsenkungsverpflichtungen, wie dies im Rahmen dieser vierten Revision der Pharma-Initiative geschehen ist, stellt WTO-rechtlich einen Liberalisierungsschritt dar, der jederzeit vorgenommen werden kann.

Es ist vorgesehen, die Änderungen der Liste LIX über pharmazeutische Stoffe beim WTO-Sekretariat zu hinterlegen. Die geänderte Liste LIX erlangt endgültig Rechtskraft, sofern innert einer Frist von 90 Tagen keine Einsprachen anderer WTO-Mitglieder beim WTO-Sekretariat eingehen.

Verfassungsmässigkeit Die Verfassungsgrundlage für den Bundesbeschluss betreffend die Änderung der Liste LIX bildet Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101), welcher den Bund ermächtigt, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV und Artikel 24 Absatz 2 ParlG genehmigt die Bundesversammlung die völkerrechtlichen Verträge, sofern nicht der Bundesrat durch Gesetz oder völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist, was vorliegend nicht der Fall ist.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen diejenigen Staatsverträge dem Referendum, die unbefristet und unkündbar sind, die den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Als Anhang zum GATT 1994 ist die Liste LIX und damit auch die mit der Umsetzung der Verhandlungsergebnisse der vierten Revision der sektoriellen PharmaInitiative erfolgte Änderung dieser Liste kündbar (vgl. Protokoll von Marrakesch zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen 1994; SR 0.632.20, Anhang 1A.2, Ziff. 1). Mit der vorgeschlagenen Änderung der Liste LIX ist kein Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden7, da die Schweiz bereits seit 1995 Mitglied der Welthandelsorganisation ist. Die Verhandlungsergebnisse der vierten Revision der sektoriellen Pharma-Initiative enthalten weiter keine wichtigen rechtssetzenden Bestimmungen. Schliesslich wird zwar neben den Änderungen der Liste LIX, die erga omnes anwendbar sind, die Änderung des Generaltarifs angestrebt. Gestützt auf Artikel 9a ZTG wurde diese Änderung vom Bundesrat am 27. Oktober
2010 auf dem Verordnungsweg8 beschlossen und per 1. Januar 2011 vorläufig angewendet9.

Werden Massnahmen nach den Artikeln 4­7 und 9a ZTG getroffen, so erstattet der Bundesrat gemäss Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b ZTG der Bundesversammlung jährlich Bericht, damit das Parlament diese genehmigt10. Da aber der Bundesrat die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse der vierten Revision der sektoriellen Pharma-Initiative auch gemäss Artikel 4 Absatz 2 ZTG in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 2 ZTG auf dem Verordnungsweg vornehmen könnte, fehlt es an der Voraussetzung der Erforderlichkeit der Umsetzung auf Gesetzesstufe, weshalb der Bundesbeschluss dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV nicht unterliegt.

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Vgl. dazu auch GATT-Botschaft 1 vom 19. September 1994 (BBl 1994 IV 1), Ziff. 8.3.2 (S. 419 der Botschaft).

AS 2010 5057 Vgl. Art. 7b Abs. 1 RVOG Vgl. Art. 13 Abs. 2 ZTG; vgl auch Art. 7b Abs. 2 RVOG

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