00.056 Botschaft zur Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» vom 28. Juni 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Botschaft über die Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» und beantragen Ihnen, diese Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung vorzulegen.

Der Entwurf zum Bundesbeschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Juni 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11017

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

4108

2000-0708

Übersicht Die Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» wurde am 5. November 1999 mit 108 296 gültigen Unterschriften in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Initiative sieht die schrittweise Einführung einer maximalen Jahresarbeitszeit von 1872 Stunden für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor. Dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden. Die Arbeitszeit soll nach Annahme der Initiative jedes Jahr um 52 Stunden reduziert werden, bis das Ziel erreicht ist. Teilzeitpensen sollen von der Arbeitszeitverkürzung ebenfalls profitieren. Bis zum eineinhalbfachen Durchschnittslohn (heute rund Fr. 7600.­) soll die Arbeitszeitverkürzung keine Lohnkürzungen zur Folge haben. Daneben sind begleitende Massnahmen vorgesehen, wie eine höchstzulässige Überzeit (100 Stunden pro Jahr), eine absolute wöchentliche Höchstarbeitszeit (48 Stunden), ein generelles Diskriminierungsverbot von Teilzeitarbeitnehmenden sowie eine finanzielle Unterstützung von Betrieben durch den Bund, wenn sie die Arbeitszeit rascher reduzieren.

Die heutige gesetzliche Regelung wie auch die aktuellen effektiven Arbeitszeiten liegen erheblich über der von der Initiative verlangten Arbeitszeit von durchschnittlich 36 Stunden pro Woche. So sieht das Arbeitsgesetz, das für die grosse Mehrheit der Arbeitnehmenden gilt, eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden vor. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt heute in der Schweiz rund 42 Stunden.

Wie bei den früheren (erfolglosen) Volksinitiativen, die ebenfalls eine Herabsetzung der Arbeitszeit zum Ziel hatten, ist der Bundesrat auch heute der Auffassung, dass die Arbeitszeitverkürzung in erster Linie Sache der Sozialpartner ist. Eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf Verfassungsstufe, mit der damit verbundenen starren Regelung der Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Branchen und Betriebe nicht gerecht werden. Die von der Initiative verlangte massive Arbeitszeitverkürzung mit Lohngarantie für kleine und mittlere Einkommen hätte negative Auswirkungen auf unsere Wirtschaft: Es wäre insbesondere mit einer Erhöhung der Lohnkosten und einer Erhöhung des Preisniveaus zu rechnen; am meisten Probleme hätten
hauptsächlich kleinere Betriebe sowie Branchen mit hohen Arbeitszeiten wie die Landwirtschaft. Da die Zahl der Stellensuchenden und der Arbeitslosen seit Lancierung der Initiative (Frühjahr 1998) markant zurückgegangen ist, ist das ursprüngliche Hauptziel der Initianten ­ die Beseitigung der Erwerbslosigkeit ­ derzeit von geringerer Bedeutung. Dass die Initiative die Erwerbslosigkeit wesentlich reduzieren oder gar beseitigen würde, ist ohnehin unwahrscheinlich. Es ist zwar möglich, dass mit einer allgemeinen Arbeitszeitreduktion in einigen Branchen die Zahl der Stellensuchenden zurückgeht; in anderen Branchen wird sie aber eher offene Stellen schaffen, welche schwer zu besetzen wären; verschärfen würde sich der Mangel an hoch qualifizierten Fachleuten. Auf der anderen Seite dürfte aber die Arbeitszeitreduktion zu einem bedeutenden Teil durch Mehrarbeit der einzelnen Arbeitnehmenden oder durch Rationalisierungen aufgefangen werden. Des Weiteren hätte die Initiative mit grosser Wahrscheinlichkeit auch unliebsame Nebeneffekte zur Folge wie

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die Zunahme von Schwarzarbeit. Schliesslich müssten Bund, Kantone und Gemeinden mit personellen und finanziellen Mehraufwendungen rechnen.

Der Bundesrat beantragt aus diesen Gründen den eidgenössischen Räten, die Initiative «für eine kürzere Arbeitszeit» Volk und Ständen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

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Botschaft 1

Formelles

1.1

Wortlaut

Am 5. November 1999 wurde vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) die eidgenössische Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» eingereicht. Die Initiative ist in die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet und lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 34a (neu) 1 Die maximale Jahresarbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beträgt 1872 Stunden. Davon abgezogen werden die gesetzlichen Ferien und Feiertage.

2 Jährlich können darüber hinaus bis zu 100 Stunden zuschlagspflichtige Überzeit geleistet werden. Die Überzeit ist in der Regel durch Freizeit auszugleichen. Sie kann am Jahresende übertragen werden.

3 Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, inklusive Überzeit, beträgt maximal 48 Stunden. Diese darf nicht überschritten werden. In jedem Arbeitsverhältnis ist eine übliche Arbeitszeit festzulegen.

4 Teilzeitarbeitnehmende dürfen gegenüber Vollzeitarbeitnehmenden nicht diskriminiert werden. Dies gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, berufliche Aus- und Weiterbildung, Beförderung, Entlassung und Sozialversicherungen inklusive berufliche Vorsorge.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 24 (neu) 1 Die maximale Arbeitszeit wird im ersten Jahr nach Annahme der Initiative auf 2184 Stunden pro Jahr, abzüglich die gesetzlichen Ferien und Feiertage, reduziert.

Anschliessend wird die maximale Arbeitszeit um jährlich weitere 52 Stunden verringert, bis die Jahresarbeitszeit von 1872 Stunden erreicht ist. Teilzeitpensen werden pro rata verkürzt oder der Stundenlohn anteilmässig erhöht.

2 Die sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Arbeitszeitverkürzungen dürfen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Bruttolohn das Eineinhalbfache des Durchschnitts der in der Schweiz bezahlten Löhne nicht überschreitet, keine Lohnkürzungen zur Folge haben.

3 Der Bund gewährt Unternehmungen, welche die Arbeitszeit in einem Jahr um zehn Prozent oder mehr reduzieren und in einem Vertrag mit Bund und der zuständigen Arbeitnehmerorganisation vereinbaren, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten, zeitlich befristete finanzielle Unterstützung.

1.2

Zustandekommen

Mit Verfügung vom 9. Dezember 1999 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative «für eine kürzere Arbeitszeit» mit 108 296 gültigen Unterschriften formell zustande gekommen ist (BBl 1999 9787).

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1.3

Behandlungsfrist

Botschaften des Bundesrates zu Volksinitiativen sind nach Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) spätestens ein Jahr nach Einreichen der Initiative der Bundesversammlung zu unterbreiten. Demnach läuft die Frist für den Bundesrat am 4. November 2000 ab.

Bei Initiativen, die auf Teilrevision der Bundesverfassung (BV; SR 101) lauten und in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs vorliegen, muss die Bundesversammlung nach Artikel 27 Absatz 1 GVG innert 30 Monaten nach Einreichung der Initiative darüber beschliessen, ob sie der Initiative zustimmt oder nicht. Vorbehalten bleibt die Möglichkeit für die Bundesversammlung, die Frist um ein Jahr zu verlängern, wenn mindestens ein Rat über einen Gegenentwurf oder einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlass Beschluss gefasst hat (Art. 27 Abs. 5bis GVG).

1.4

Folgen der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999

Nach der Annahme der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BVneu) wird die Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» nicht mehr die bisherige Nummerierung (Art. 34a) tragen können, sondern als Artikel 110a bezeichnet werden müssen. Die Übergangsbestimmung erhält provisorisch die Ziffer 1 in Artikel 197 (neu) der neuen BV, mit der Überschrift «Übergangsbestimmungen zu Artikel 110a». Im Folgenden wird in der vorliegenden Botschaft die neue Nummerierung verwendet.

Der Text der Volksinitiative hingegen bedarf in casu keiner (nach Ziff. III der neuen Bundesverfassung im Rahmen des Gebotenen grundsätzlich möglichen) redaktionellen Anpassung.

1.5

Gültigkeit

1.5.1

Einheit der Form

Nach Artikel 121 Absatz 4 der bisherigen Bundesverfassung (BValt; entspricht Art. 194 Abs. 3 BVneu) ist eine Initiative auf Teilrevision der Bundesverfassung nur in der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs zulässig.

Die Vermengung beider Formen wäre nicht statthaft (Art. 75 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte, BPR; SR 161.1). Die vorliegende Initiative ist ausschliesslich in die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet. Die Einheit der Form ist damit gewahrt.

1.5.2

Einheit der Materie

Eine Initiative darf nur eine Materie zum Gegenstand haben. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 121 Abs. 3 BValt bzw. Art. 194 Abs. 2 BVneu, Art. 75 Abs. 2 BPR).

4112

Neben der Herabsetzung der Arbeitszeit in Form der schrittweisen Einführung einer maximalen Jahresarbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 1872 Stunden sieht die Initiative verschiedene ergänzende Massnahmen vor: eine höchstzulässige Überzeit, eine wöchentliche Höchstarbeitszeit, ein generelles Diskriminierungsverbot von Teilzeitarbeit, eine entsprechende Verkürzung von Teilzeitpensen oder eine anteilmässige Lohnerhöhung, keine Lohnkürzung bis zu einem gewissen Einkommen sowie finanzielle Unterstützung von gewissen Betrieben durch den Bund.

Bei all diesen Massnahmen besteht ein sachlicher Zusammenhang zu der von den Initianten angestrebten Arbeitszeitverkürzung. Man könnte sich allenfalls beim vorgesehenen generellen Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Teilzeitarbeit fragen, ob die Einheit der Materie gewahrt ist. Eine Herabsetzung der Arbeitszeit würde aber ohne Zweifel Auswirkungen auf die Teilzeitarbeitsverhältnisse haben, sieht doch die Initiative selber vor, dass bestehende Teilzeitpensen auch von der Arbeitszeitverkürzung profitieren sollen. Das Erfordernis der Einheit der Materie ist somit gegeben.

1.5.3

Durchführbarkeit der Initiative

Die mit der Initiative bezweckte Herabsetzung der Arbeitszeit ist sowohl rechtlich als auch faktisch durchführbar.

2

Ausgangslage

2.1

Bisherige Volksinitiativen

Die Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» verfolgt ähnliche Ziele wie frühere Initiativen, die alle erfolglos geblieben sind.

Am 23. August 1984 wurde die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund lancierte Volksinitiative «zur Herabsetzung der Arbeitszeit» eingereicht. Sie sah eine stufenweise Herabsetzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit ohne Lohneinbusse bis auf 40 Stunden vor. Die Initiative war mit den Zielsetzungen verbunden, «den Arbeitnehmern einen gerechten Anteil an der durch den technischen Fortschritt erzielten Produktivitätssteigerung zu sichern und Voraussetzungen für die Vollbeschäftigung zu schaffen». Die Initiative wurde in der Volksabstimmung vom 4. Dezember 1988 durch das Volk mit 1 475 536 gegen 769 264 Stimmen und mit Ausnahme von zwei Kantonen von allen Ständen abgelehnt.

Am 20. November 1973 hatten die Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) eine Initiative eingereicht, die eine generelle Herabsetzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche forderte. Diese Initiative wurde am 5. Dezember 1976 durch das Volk mit 1 315 822 gegen 370 228 Stimmen und von allen Ständen abgelehnt.

Eine Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und der Vereinigung der Schweizerischen Angestelltenverbände aus dem Jahre 1960 wurde von den Initianten zurückgezogen.

4113

Im Jahre 1958 wurde eine Initiative des Landesrings der Unabhängigen abgelehnt, die die Einführung der 44-Stunden-Woche zum Ziel hatte.

2.2

Gesetzliche Regelung der Arbeitszeit

Für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen gesetzliche Regelungen über die Arbeitszeit. Vom Geltungsbereich her am umfassendsten ist das Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG, SR 822.11). Das Arbeitsgesetz gilt zwar grundsätzlich für alle öffentlichen und privaten Betriebe, enthält jedoch einige Ausnahmen vom Geltungsbereich. So ist es u.a. nicht anwendbar auf Betriebe, die der Bundesgesetzgebung über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs unterstehen, oder auf Landwirtschaftsbetriebe. Nicht anwendbar sind seine Arbeitszeitvorschriften auf Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden sowie auf bestimmte Arbeitnehmerkategorien wie namentlich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben, Assistenzärzte und -ärztinnen sowie Lehrer und Lehrerinnen an Privatschulen.

Nach Arbeitsgesetz beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in industriellen Betrieben, für das Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie für das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels 45 Stunden und für alle übrigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen 50 Stunden (Art. 9 Abs. 1 ArG). Diese wöchentliche Höchstarbeitszeit darf ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen durch Überzeitarbeit überschritten werden. Die Überzeitarbeit darf für die einzelnen Arbeitnehmenden zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen. Mit der Änderung des Arbeitsgesetzes vom 20. März 1998 wurde die höchstzulässige Überzeitarbeit pro Kalenderjahr erheblich herabgesetzt: die Überzeitarbeit darf im Kalenderjahr neu 170 (bei der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden) bzw. 140 Stunden (bei 50 Stunden) nicht überschreiten (nach bisherigem Recht 260 bzw. 220 Stunden). Die geleistete Überzeitarbeit ist grundsätzlich mit einem Lohnzuschlag von wenigstens 25 Prozent oder, im Einverständnis mit den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen (Art. 12 und 13 ArG). Zu unterscheiden ist die Überzeitarbeit im Sinne des Arbeitsgesetzes von der Überstundenarbeit nach Obligationenrecht (Art. 321c OR). Als Überstundenarbeit gilt die betrieblich
notwendige Mehrarbeit gegenüber der vereinbarten oder üblichen Arbeitszeit. Überstundenarbeit ist zwar grundsätzlich durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer auszugleichen oder mit einem Lohnzuschlag von mindestens einem Viertel abzugelten, jedoch kann durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag eine andere Lösung getroffen werden.

Besondere Vorschriften gelten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkehrsbetrieben. Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 1971 über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (Arbeitszeitgesetz, AZG, SR 822.21) kennt keine eigentliche wöchentliche Höchstarbeitszeit wie das Arbeitsgesetz. Nach Arbeitszeitgesetz beträgt die tägliche Arbeitszeit im Durchschnitt von 28 Tagen höchstens sieben Stunden und darf im Durchschnitt von 7 aufeinander folgenden Arbeitstagen 9 Stunden nicht überschreiten (Art. 4 AZG). Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass das Arbeitszeitgesetz speziell den ununterbrochenen Betrieb regelt.

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Nach der Verordnung vom 19. Juni 1995 über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer und -führerinnen (Chauffeurverordnung, ARV 1, SR 822.221) beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 46 Stunden und kann bei Mehrfachbesatzungen (Führer und Mitfahrer, die sich ablösen) bis auf 53 Stunden verlängert werden (Art. 6 ARV 1). Die Verordnung vom 6. Mai 1981 über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Führer von leichten Personentransportfahrzeugen und schweren Personenwagen (ARV 2, SR 822.222) sieht eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden und in Taxibetrieben 53 Stunden vor (Art. 5 ARV 2). Eigene Arbeitszeitvorschriften enthalten schliesslich die Gesetzgebungen über die Seeschifffahrt und über die Luftfahrt.

Für Beamte und Angestellte des Bundes gilt eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 41 Stunden. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt in der Regel 42 Stunden, wobei die so zusätzlich geleistete Arbeitszeit mit fünf freien Tagen pro Kalenderjahr ausgeglichen wird. Die Überzeitarbeit darf grundsätzlich zwei Stunden im Tag nicht überschreiten und ist in der Regel durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen (Art. 8 und 8b Beamtenordnung (1), SR 172.221.101; Art. 12 und 12b Angestelltenordnung, SR 172.221.104). Der Entwurf für ein neues Bundespersonalgesetz überlässt die Regelung der Arbeitszeit den Ausführungsbestimmungen. Die Arbeitszeit der öffentlich-rechtlichen Angestellten in Kantonen und Gemeinden richten sich nach den entsprechenden kantonalen und kommunalen Gesetzgebungen.

Für einzelne Branchen und Arbeitnehmerkategorien, die vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind, gibt es keine zwingenden, öffentlichrechtlichen Vorschriften bezüglich der Arbeitszeit. Dies gilt namentlich für die Landwirtschaft, für privatrechtlich angestellte Assistenzärzte oder für Arbeitnehmende, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben. Die kantonalen Normalarbeitsverträge für landwirtschaftliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen wöchentliche Arbeitszeiten (teilweise als Höchst-, teilweise als Normalarbeitszeit bezeichnet) zwischen 49 und 60 Stunden und/oder tägliche Höchstarbeitszeiten zwischen 9 und 11 Stunden vor.

Zu beachten ist jedoch, dass von den Bestimmungen eines Normalarbeitsvertrages abgewichen werden kann (Art. 360 OR).

2.3

Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz

Die Entwicklung der Arbeitszeit in der Schweiz über einen längeren Zeitraum lässt sich nicht ohne einen gewissen Vorbehalt darstellen, da die statistischen Erhebungsmethoden und die erfassten Branchen nicht immer dieselben waren.

Bis 1973 wurde die wöchentliche Arbeitszeit durch eine Umfrage in der Industrie und im Baugewerbe ermittelt; es handelte sich um Durchschnittswerte der üblichen Arbeitszeiten in den Betrieben. Seit 1973 basiert die Statistik der «betriebsüblichen Arbeitszeit» auf den Meldungen verunfallter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen; die Definition der betriebsüblichen Arbeitszeit entspricht grundsätzlich der individuellen Arbeitszeit von vollzeitlich beschäftigten Arbeitnehmenden, die keine Überstunden leisten und die nicht temporär vom Arbeitsplatz abwesend sind. Bis 1985 wurde die betriebsübliche Arbeitszeit nur in der Industrie und im Baugewerbe erfasst, seither auch in den Dienstleistungsbranchen sowie im Gartenbau und in der Forstwirtschaft; nicht erfasst in dieser Statistik ist nach wie vor die Landwirtschaft.

Auf der Grundlage dieser Erhebungen hat die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt der erfassten Branchen zwischen 1946 und 1990 von 47,9 auf 42,3 Stunden 4115

abgenommen, was einer Arbeitszeitreduktion von 5,6 Stunden während einer Zeitspanne von 45 Jahren entspricht. Seit 1991 ist die Arbeitszeit sehr konstant geblieben und hat bis 1998 lediglich um 0,2 Stunden pro Woche abgenommen. Für Einzelheiten wird auf die Tabelle 1 verwiesen, in der auch die Entwicklung einzelner Branchen dargestellt wird. Zu beachten ist, dass in dieser Darstellung die indirekten Arbeitszeitverkürzungen, z.B. infolge Änderung des Ferienanspruchs, nicht berücksichtigt sind.

Durchschnittliche (betriebsübliche) Arbeitszeit (Stunden pro Woche) Tabelle 1 Jahr

Total1

1946 1960 1970 1975 1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998

47,9 46,0 44,7 44,3 43,8 43,4 42,2 42,1 42,0 41,9 41,9 41,9 41,9 41,9 41,9

1 2

Gartenbau

45,4 44,4 44,1 43,8 43,8 43,7 43,7 43,6 43,7 43,5

Maschinen- Chemische industrie2 Industrie

Baugewerbe

Gastgewerbe

Öffentl.

Verwaltung, Landesvert., Sozialvers.

48,2 45,9 45,0 44,6 44,1 42,9 41,0 41,0 40,9 40,9 40,9 40,9 40,9 41,0 40,9

49,9 49,1 47,4 45,9 45,6 44,5 43,5 43,1 42,8 42,5 42,5 42,5 42,4 42,4 42,3

45,0 43,4 43,1 42,7 42,3 42,3 42,3 42,4 42,8 42,9

43,3 41,8 41,8 41,7 41,7 41,7 41,7 41,7 41,7 41,7

46,5 44,0 43,1 43,2 42,9 42,3 40,9 40,9 40,9 40,9 40,9 40,8 40,8 40,8 40,8

bis 1980: Industrie und Baugewerbe; ab 1985: Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen, Gartenbau und Forstwirtschaft bis 1989: Metall- und Maschinenindustrie; ab 1990: Maschinenbau

Quellen: Botschaft des Bundesrates vom 26. November 1975 über die Volksinitiative zur «Einführung der 40-Stunden-Woche», BBl 1975 II 2259 (für die Jahre 1946­1970); Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1987 über die Volksinitiative zur «Herabsetzung der Arbeitszeit», BBl 1987 II 1017 (für die Jahre 1975 und 1980); Statistik der betriebsüblichen Arbeitszeit, BFS (für die Jahre 1985­1998).

Neben der Statistik der betriebsüblichen Arbeitszeit wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) seit 1991 die Arbeitsvolumenstatistik erstellt; die empirischen Grundlagen für die Berechnung des Arbeitsvolumens liefert die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE). Die Definition des Arbeitsvolumens umfasst die Arbeitsstunden aller Personen, die während mindestens einer Stunde pro Jahr einer produktiven Arbeit nachgehen; das Arbeitsvolumen ergibt sich aus dem Total der normalerweise geleisteten Arbeitsstunden aller Beschäftigten pro Kalenderjahr plus alle bezahlten und unbezahlten Überstunden minus alle Absenzen.

4116

Der Arbeitsvolumenstatistik lässt sich entnehmen, dass zwischen 1991 und 1998 das tatsächliche jährliche Arbeitsvolumen der Arbeitnehmenden insgesamt um 4,3 Prozent abgenommen hat (von 5573 auf 5334 Millionen Stunden). Diese Abnahme ist zum einen auf den Rückgang der Zahl der Arbeitnehmenden (­3,6%) zurückzuführen. Andererseits ist von 1991 bis 1998 die Teilzeitquote der Arbeitnehmenden (Anteil der Teilzeitbeschäftigten am Total der Beschäftigten) um 4 Prozentpunkte gestiegen (s. auch Tabelle 3).

Die tatsächliche Jahresarbeitszeit der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hat zwischen 1991 und 1998 insgesamt leicht zugenommen (s. Tabelle 2). Diese Zunahme lässt sich vor allem durch eine Abnahme der Absenzenstunden erklären. Hier haben sich (bei den männlichen Arbeitnehmern) die Reformen der Schweizer Armee ausgewirkt. Die Zahl der Überstunden ist im beobachteten Zeitraum hingegen stabil geblieben.

Tatsächliche Jahresarbeitszeit in Stunden pro vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmende (ohne Ferien und Feiertage) Tabelle 2 Jahr

Total

Land- und Forstwirtschaft

Baugewerbe

Gastgewerbe

Öffentliche Verwaltung

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998

1888 1901 1906 1921 1896 1895 1906 1924

2408 2492 2402 2439 2269 2234 2175 2194

1898 1863 1894 1869 1874 1901 1905 1887

2023 2049 2045 2043 1964 1938 1991 2094

1896 1914 1947 1944 1893 1891 1861 1898

Quelle: Arbeitsvolumenstatistik, BFS

2.4

Verbreitung der Teilzeiterwerbstätigkeit

Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) liefert seit 1991 die Daten für die nachstehend erläuterte Statistik der Teilzeiterwerbstätigen. Zu beachten ist, dass diese Statistik die Erwerbstätigen (d.h. insbesondere auch Selbstständige und mitarbeitende Familienmitglieder) und nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst; ausgenommen sind Saisonniers, Kurzaufenthalter/innen, Grenzgänger/innen und Asylbewerber. Als Teilzeiterwerbstätige gelten Erwerbstätige mit einem Beschäftigungsgrad bis 89 Prozent.

Knapp 30 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz sind demnach in Teilzeit beschäftigt (Stand 1999). Sehr stark verbreitet ist die Teilzeitbeschäftigung bei den Frauen: während fast 55 Prozent der erwerbstätigen Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, liegt der Anteil bei den Männern lediglich bei gut 9 Prozent; der Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten beträgt 82 Prozent. Der Tabelle 3 ist zu entnehmen, dass die Bedeutung der Teilzeiterwerbstätigkeit in den neunziger Jahren

4117

stark zugenommen hat. Während 1991 erst etwa jede vierte Arbeitskraft einer Teilzeitbeschäftigung nachging, war es 1999 nahezu jede dritte. Der Teilzeitanteil ist sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern gestiegen, wobei die Zuwachsrate bei den Männern etwas höher ist.

Prozentualer Anteil der Teilzeiterwerbstätigen Tabelle 3 Jahr

teilzeiterwerbstätige Frauen1

teilzeiterwerbstätige Männer2

Total (teilzeiterwerbstätige Frauen und Männer)3

Anteil Frauen bei Teilzeiterwerbstätigkeit4

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

49,1 51,8 52,4 53,1 52,9 52,2 53,5 53,8 54,6

7,8 7,7 8,1 8,2 8,1 8,3 8,6 8,7 9,4

25,4 26,6 27,0 27,5 27,3 27,4 28,3 28,5 29,4

82,5 83,6 82,9 82,9 83,0 82,8 83,0 82,9 82,0

1 2 3 4

Prozentualer Anteil der teilzeiterwerbstätigen Frauen von allen erwerbstätigen Frauen Prozentualer Anteil der teilzeiterwerbstätigen Männer von allen erwerbstätigen Männern Prozentualer Anteil der teilzeiterwerbstätigen Frauen und Männer von allen Erwerbstätigen Prozentualer Anteil der teilzeiterwerbstätigen Frauen von allen Teilzeiterwerbstätigen

Quelle/Berechnungsgrundlage: SAKE 1991-1999, BFS

Im Vergleich zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist in der Schweiz der Anteil der Teilzeiterwerbstätigen hoch; lediglich in den Niederlanden ist die Teilzeitbeschäftigung stärker verbreitet als bei uns.

2.5

Internationales Recht und Ländervergleich

2.5.1

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Im Bereich der Höchstarbeitszeit hat die Internationale Arbeitsorganisation verschiedene Übereinkommen angenommen.

Drei Übereinkommen sehen grundsätzlich eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche und 8 Stunden pro Tag vor: Übereinkommen (Nr. 1) über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf acht Stunden täglich und achtundvierzig Stunden wöchentlich (1921 in Kraft getreten; bisher von 52 Staaten ratifiziert); Übereinkommen (Nr. 30) über die Regelung der Arbeitszeit im Handel und in Büros (1933 in Kraft getreten; von 30 Staaten ratifiziert); Übereinkommen (Nr. 153) über die Arbeitszeit und die Ruhezeiten im Strassentransport (1983 in Kraft getreten; von 7 Staaten ­ darunter der Schweiz ­ ratifiziert).

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Rein programmatischer Natur ist das Übereinkommen (Nr. 47) über die Verkürzung der Arbeitszeit auf vierzig Stunden wöchentlich (1957 in Kraft getreten; von 14 Staaten ratifiziert). Für einen ratifizierenden Staat ist es sowohl eine Grundsatzerklärung zu Gunsten der 40-Stunden-Woche, deren Einführung und Anwendung keine negativen Folgen für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben soll, als auch eine Verpflichtung, Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels zu unterstützen oder zu treffen. Die Übereinkommen Nr. 109 und Nr. 180, die u.a. die Arbeitszeit an Bord von Schiffen bzw. der Seeleute regeln, sind noch nicht in Kraft getreten.

Ebenfalls noch nicht in Kraft getreten ist das Übereinkommen (Nr. 175) vom 7. Juni 1994 über die Teilzeitarbeit.

Von den erwähnten Übereinkommen hat die Schweiz lediglich das Übereinkommen (Nr. 153) über die Arbeitszeit und die Ruhezeiten im Strassentransport ratifiziert (BBl 1980 III 781).

2.5.2

Recht der Europäischen Union (EU)

Die «Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung» (ABl Nr. L 307 vom 13.12.1993, S. 18) enthält unter anderem eine Bestimmung über die wöchentliche Arbeitszeit. Danach darf die durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche (bzw. pro Siebentageszeitraum) 48 Stunden einschliesslich der Überstunden nicht überschreiten. Die Mitgliedstaaten der EU können dafür einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten vorsehen. Diese Richtlinie, von der unter bestimmten Voraussetzungen teilweise abgewichen werden kann, findet heute Anwendung auf alle privaten und öffentlichen Tätigkeitsbereiche, mit Ausnahme des Verkehrs (Strassen-, Luft-, See- und Schienenverkehr) und der Schifffahrt sowie der Tätigkeiten der Ärzte in der Ausbildung. Die Richtlinie soll jedoch auf bisher ausgenommene Bereiche ausgedehnt werden (u.a. auf Ärzte in der Ausbildung, wobei eine Übergangsfrist von neun Jahren vorgesehen ist).

2.5.3

Regelung der Höchstarbeitszeit in den Mitgliedstaaten der EU

In den meisten Mitgliedstaaten der EU ist die Höchstarbeitszeit gesetzlich geregelt.

In etlichen Staaten ist grundsätzlich eine Wochenarbeitszeit von (teilweise durchschnittlich) 40 Stunden gesetzlich zulässig (Luxemburg, Finnland, Griechenland, Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien). Andere Staaten sehen eine (durchschnittliche) wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor (Deutschland, Irland, Italien, Vereinigtes Königreich). In Portugal beträgt die Arbeitszeit höchstens 44 Stunden bzw. 42 Stunden pro Woche für Büroangestellte. In Belgien wurde 1999 die 39-Stunden-Woche eingeführt (bisher 40 Stunden). Frankreich ist zur Zeit daran, die Wochenarbeit auf 35 Stunden zu begrenzen (bisher 39 Stunden). In Dänemark wird die Dauer der Arbeitszeit nicht durch Rechtsvorschriften festgelegt, sondern gesamtarbeitsvertraglich geregelt. Im Folgenden wird die gesetzliche Regelung von Frankreich, Deutschland und Österreich, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Überzeitregelungen, näher dargestellt.

4119

Mit der sog. Loi Robien vom 11. Juni 1996 wurden in Frankreich finanzielle Anreize geschaffen für die Erhaltung oder Schaffung von Arbeitsplätzen, unter anderem mittels freiwilligen Arbeitszeitverkürzungen.

Das erste Gesetz über die 35-Stunden-Woche (loi du 13 juin 1998 d'orientation et d'incitation relative à la réduction du temps de travail, «Loi Aubry») legt für Betriebe mit mehr als 20 Angestellten ab 1. Januar 2000 und für die übrigen ab 1. Januar 2002 die Arbeitszeit gesetzlich auf 35 (statt 39) Stunden fest. Dieses Gesetz verpflichtet Arbeitgeber und Gewerkschaften zur Aushandlung der Modalitäten über die Arbeitszeitverkürzung, damit diese den Berufsbranchen und den Betrieben so gut wie möglich angepasst sind. Den Betrieben, welche eine Arbeitszeitverkürzung von mindestens 10% aushandeln (um 35 Stunden oder gar weniger zu erreichen), wird eine Unterstützung gewährt, wenn die Massnahme auf die Beschäftigung positive Auswirkungen in der Höhe von 6% des Personalbestands hat (Wahrung oder Schaffung von Stellen). Die gesetzliche Arbeitszeit von 35 Stunden ist die Schwelle für Überstunden, und die effektive Arbeitszeit in den Betrieben kann demzufolge im Rahmen der wöchentlichen Maximalarbeitszeit von 48 Stunden auch höher liegen (wobei in der Regel maximal 130 Überstunden pro Jahr zulässig sind).

Das zweite Gesetz (über die Arbeitszeitverkürzung) sieht eine Übergangsfrist für Überstunden vor, bestimmt den neuen rechtlichen Rahmen für die Arbeitszeit und legt eine Skala der Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherungen für jene Betriebe fest, welche ein «35-Stunden»-Abkommen geschlossen haben. Es ist am 1. Februar 2000 in Kraft getreten, nachdem es vom Verfassungsrat mit einigen wichtigen Änderungen gutgeheissen worden war. Der Rat hat insbesondere den Bestand der nach dem ersten Gesetz geschlossenen Abkommen gesichert; er hat das von der Regierung vorgeschlagene Besteuerungssystem für Überstunden gestrichen, was einen Einnahmenausfall für die Finanzierung der Abgabensenkung zur Folge haben wird, welchen die Regierung nun aus dem Staatsbudget begleichen muss.

Die ersten acht Überstunden geben Anrecht auf einen Bonus von 25% (in Form von Ruhezeit oder Lohnzuschlag), die folgenden (über die 43. Wochenstunde hinaus) auf einen Bonus von 50%. Die Betriebe, welche Abkommen über die Arbeitszeitverkürzung
abschliessen, profitieren von Rückvergütungen der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber, wobei diese Rückvergütungen bei tiefen Löhnen ziemlich bedeutend sind.

Die beiden Gesetze gelten grundsätzlich für alle privaten und öffentlichen Betriebe; ausgenommen sind insbesondere öffentliche Spitäler, öffentliche Verwaltungen (doch sind gegenwärtig Verhandlungen im Gang, um die 35-Stunden-Woche auch in der öffentlichen Verwaltung einzuführen), Kader in leitender Stellung und gewisse Berufe (z.B. Hausangestellte, Reisende, Hausmeister und Hauswarte); besondere Regelungen sind vorgesehen für den Strassentransport.

Seit der ersten Loi Aubry konnten auf Grund der 35-Stunden-Woche 180 000 Stellen geschaffen oder gerettet werden1; im März 2000 galten für 3,1 (von 14) Millionen Angestellte Abkommen über die Arbeitszeitverkürzung2. Diese Verkürzung wurde in ganz unterschiedlichen Formen durchgeführt, die geläufigste war die Gewährung eines ganzen oder eines halben Ruhetages pro Woche. Zahlreiche Abkommen haben Mechanismen zur Berechnung der Arbeitszeit auf Jahresbasis eingeführt.

In mehr als 80% der Abkommen kommen die Angestellten in den Genuss einer inte1 2

Ministère de l'emploi, «la réduction du temps de travail», Bilan au 22 mars 2000.

Ministère de l'emploi, «la réduction du temps de travail», Bilan au 22 mars 2000.

4120

gralen Lohnkompensation. Im Gesetz selber gibt es eine Lohngarantie nur für die tiefsten Löhne (im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Mindestlohn SMIC).

In Deutschland darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann bis auf zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb eines halben Jahres acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. In Tarifverträgen können abweichende Regelungen getroffen werden (Deutsches Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994, §§ 3 und 7). Die gesetzliche Regelung erlaubt ­ im Durchschnitt von sechs Monaten ­ wöchentliche Arbeitszeiten von bis zu 48 Stunden.

In Österreich ist als Grundsatz geregelt, dass die tägliche Normalarbeitszeit acht Stunden und die wöchentliche Normalarbeitszeit vierzig Stunden nicht überschreiten darf (Österreichisches Arbeitszeitgesetz, § 3, Inkrafttreten dieser Bestimmung am 1. Juli 1994). Durch Überstunden kann die Normalarbeitszeit um fünf Stunden pro Woche und höchstens 60 Stunden pro Kalenderjahr verlängert werden. Durch Gesamtarbeitsverträge sind Abweichungen möglich und das Gesetz selber sieht Ausnahmen vor (in Bezug auf Höchstarbeitszeit und Überstunden).

2.5.4

Arbeitszeitvergleich

In der Tabelle 4 werden die in den Staaten der EU und der Schweiz normalerweise pro Woche geleisteten Arbeitsstunden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Vollzeittätigkeit dargestellt. In diesen Durchschnittszahlen sind alle Branchen berücksichtigt, wobei zu beachten ist, dass in den EU-Ländern ­ im Gegensatz zur Schweiz ­ in der Regel die geleisteten Überstunden sowie die Absenzen (abgesehen von Ferien und Feiertagen) mitberücksichtigt sind. Würden diese Elemente auch in der Statistik für die Schweiz miteinbezogen, so wäre die Stundenzahl für unser Land vermutlich leicht nach unten zu korrigieren. Trotz dieser Einschränkung lassen sich die Angaben aber recht gut miteinander vergleichen, da die Statistiken ansonsten weitgehend vereinheitlicht sind.

Gestützt auf diese Grundlagen beträgt die wöchentliche Arbeitszeit in den Mitgliedstaaten der EU im Durchschnitt 40,5 Stunden, wobei alle Staaten ausser das Vereinigte Königreich zwischen 38,5 und 41 Stunden liegen (Stand 1998). Die mit Abstand höchste Arbeitszeit verzeichnet das Vereinigte Königreich mit 44 Stunden, die tiefsten Arbeitszeiten sind in Italien (38,5), Belgien (38,6) und Dänemark (38,7) anzutreffen. In den meisten (14) Staaten der EU ist die wöchentliche Arbeitszeit tiefer als in der Schweiz; mit 42 Stunden pro Woche liegt die Schweiz eineinhalb Stunden über dem Durchschnitt der EU, aber 2 Stunden tiefer als das Vereinigte Königreich.

4121

Normalerweise pro Woche geleistete Arbeitsstunden Tabelle 4

Belgien Dänemark Deutschland Griechenland Spanien Frankreich Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Finnland Schweden Vereinigtes Königreich Europäische Union (15 Länder) Schweiz

1997

1998

38,3 38,6 40,1 40,5 40,6 39,7 40,1 38,5 39,5 39,2 40,0 40,9 39,1 40,1 44,0 40,4 42,0

38,6 38,7 40,1 40,8 40,7 39,7 ...

38,5 39,3 39,0 40,1 41,0 39,2 40,1 44,0 40,5 42,0

Quellen: Labour Force Surveys/EUROSTAT; Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE, BFS.

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) hat im Herbst 1999 eine umfassende Studie veröffentlicht, in welcher insbesondere die Arbeitszeiten aus zahlreichen Ländern der Welt verglichen und präsentiert werden («Key Indicators of the Labour Market 1999», Geneva, International Labour Office 1999). Aus der Studie ist unter anderem erkennbar, dass die Länder im Fernen Osten und in Südostasien die grösste jährliche Arbeitsstundenzahl aufweisen und in Nordamerika im Mittel länger gearbeitet wird als in Europa. In den USA ist die durchschnittliche Arbeitszeit ­ insbesondere im Dienstleistungssektor ­ in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Die in der Studie präsentierten Zahlen sind im Übrigen aber nur mit einem grossen Vorbehalt vergleichbar, da die Daten von Land zu Land sehr unterschiedlich erfasst worden sind.

3

Ziele der Initianten

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) verfolgt mit der von ihm lancierten Initiative drei Ziele (SGB-Dokumentation Nr. 62, Arbeitszeit umverteilen, Februar 1999): Erstens soll durch die Initiative die Erwerbslosigkeit beseitigt werden. Die Arbeitszeitverkürzung sei eine der wichtigsten und wirksamsten Möglichkeiten, der Erwerbslosigkeit zu begegnen, indem sie die Arbeit auf mehr Hände verteile. Im Prin4122

zip könne man davon ausgehen, dass jede Form der Arbeitszeitverkürzung zu rund 50 Prozent beschäftigungswirksam sei. Der Beschäftigungseffekt der Initiative liege dementsprechend bei etwa 250 000 Arbeitsplätzen, die zusätzlich geschaffen oder weniger abgebaut würden.

Zweitens soll die Initiative zu einer gerechteren Umverteilung der Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern führen. Die Verkürzung der Arbeitszeit gebe Frauen und Männern mehr Spielraum, um neben der Erwerbstätigkeit Zeit für die Familie oder andere notwendige unbezahlte Arbeit aufzuwenden. Männer und Frauen sollen die gleichen Chancen haben zur Beteiligung am Erwerbsleben wie auch zur Beteiligung am Familienleben. In diesem Sinne sei die Initiative ein bedeutender Schritt zur Gleichstellung der Geschlechter.

Schliesslich soll durch die mit der Arbeitszeitverkürzung gewonnene zusätzliche Freizeit die Lebensqualität erhöht werden.

Die Initianten sind der Meinung, dass die vorgeschlagene Arbeitszeitverkürzung durch die Produktivitätsfortschritte problemlos aufgefangen würde, so dass nicht nur die vorgesehene Lohngarantie für kleine und mittlere Löhne realistisch sei, sondern auch bei den höheren Löhnen keine Lohnkürzung vorgenommen werden müsste.

4

Inhalt und grundsätzliche Beurteilung der Initiative

Im Folgenden werden die einzelnen Elemente der Initiative näher erläutert und insbesondere aus praktischer und juristischer Sicht beurteilt. Die Auswirkungen der Initiative auf die schweizerische Wirtschaft sowie auf Bund, Kantone und Gemeinden werden in den nachfolgenden Kapiteln 5 und 6 dargestellt.

4.1

Geltungsbereich

Die mit der Initiative beabsichtigte Arbeitszeitverkürzung sowie die ergänzenden Massnahmen sollen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten3. Der Begriff des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin wird im Initiativtext nicht definiert. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass der Begriff in einem umfassenden Sinne zu verstehen ist und sich nicht etwa auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse beschränkt. So gibt es keine Hinweise, dass die Initianten ihre Initiative einschränkend verstanden hätten.

Da der Initiativtext keinerlei Ausnahmen vorsieht und solche auch nicht im Rahmen von gesetzlichen Regelungen zulässt, ist weiter davon auszugehen, dass die Initiative für sämtliche privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse (inkl. Lehrverhältnisse) in allen Branchen sowie für sämtliche öffentlich-rechtlichen Angestellten- und Dienstverhältnisse in Bund, Kantonen und Gemeinden gilt. Die mit der Initiative ange3

Im Gegensatz zum deutschen Text enthalten die französischen und italienischen Fassungen von Artikel 110a Absatz 1 und Absatz 4 BV keinen ausdrücklichen Bezug zum Begriff der «Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer». Trotz dieser unterschiedlichen Formulierung ist aber von der identischen Bedeutung des Initiativtextes in den drei Sprachen auszugehen, wobei der deutschsprachige Text am klarsten ist. Dies ergibt sich aus der in allen drei Sprachen übereinstimmenden Übergangsbestimmung (Absatz 2), die sich auf Artikel 110a bezieht und wo in allen drei Sprachen ausdrücklich von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Rede ist.

4123

strebte Arbeitszeitverkürzung würde somit auch für Branchen und Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen Anwendung finden, die heute ­ im Vergleich zum Durchschnitt ­ eine sehr hohe Arbeitszeit aufweisen, wie z.B. die Landwirtschaft, Assistenzärzte und -ärztinnen oder Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen in einer höheren Kaderfunktion. Die Initiative geht damit vom Geltungsbereich her weiter als die Übereinkommen der IAO (ausgenommen das Übereinkommen Nr. 47, das aber programmatischer Natur ist), als die Regelung der EU, aber auch weiter als die innerstaatlichen gesetzlichen Regelungen etwa in Frankreich, Deutschland oder Österreich (s. Ziff. 2.5.1, 2.5.2 und 2.5.3).

4.2

Stufenweise Herabsetzung der Arbeitszeit

Nach Artikel 110a Absatz 1 BV müsste die maximale Jahresarbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 1872 Stunden betragen, was einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von rund 36 Stunden entspricht (1872 : 52 = 36).

Die gesetzlichen Ferien und Feiertage werden davon abgezogen (Satz 2 dieser Bestimmung), d.h. dass die gesetzlichen Ferien und Feiertage in der Jahresarbeitzeit von 1872 Stunden inbegriffen sind. Nach Obligationenrecht betragen die Ferien pro Jahr wenigstens fünf Wochen für Arbeitnehmende bis zum vollendeten 20. Altersjahr und mindestens vier Wochen für alle übrigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Art. 329a Abs. 1 OR). Werden darüber hinausgehende, zusätzliche Ferien vereinbart, so würden diese nicht vom Jahresarbeitssoll abgezogen, sondern im Ergebnis zu einer entsprechend höheren durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit führen.

Absatz 1 der vorgeschlagenen Übergangsbestimmung sieht eine zeitlich abgestufte Herabsetzung der Jahresarbeitszeit vor. Im ersten Jahr nach Annahme der Initiative wäre die maximale Arbeitszeit, inklusive die gesetzlichen Ferien und Feiertage, auf 2184 Stunden pro Jahr ­ bzw. durchschnittlich rund 42 Stunden pro Woche ­ zu reduzieren. Anschliessend würde die maximale Arbeitszeit um jährlich weitere 52 Stunden ­ bzw. um durchschnittlich rund eine Stunde pro Woche ­ verringert, bis die Jahresarbeitszeit von 1872 Stunden erreicht ist. Dies wäre im siebten Jahr nach einer allfälligen Annahme der Initiative der Fall.

Die Einführung einer durchschnittlichen 42-Stunden-Woche im ersten Jahr nach der Volksabstimmung wäre für die meisten Branchen und Arbeitnehmenden vermutlich problemlos zu verkraften, beträgt doch die durchschnittliche bzw. normale wöchentliche Arbeitszeit bereits heute rund 42 Stunden (s. Tabellen 1 und 4). Vor grosse praktische Probleme gestellt würden dagegen die Landwirtschaftsbetriebe oder andere Arbeitgeber, die Arbeitnehmende mit traditionell hohen Arbeitszeiten beschäftigen, wie z.B. höhere Kaderangehörige oder Assistenzärzte/innen.

Des Weiteren würde die zeitlich abgestufte Arbeitszeitreduktion die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit innerhalb von sechs Jahren um sechs Stunden reduzieren. Die Arbeitszeit würde damit innerhalb von sechs Jahren in etwa um das gleiche Ausmass reduziert, wie dies alleine in den
letzten 45 Jahren geschehen ist (vgl. Tabelle 1). Es ist nahe liegend und offensichtlich, dass eine solche Entwicklung einschneidende Auswirkungen auf sämtliche Branchen haben würde.

Nicht zu unterschätzende Auswirkungen hätte die Arbeitszeitverkürzung aber auch auf die Sozialpartnerschaft. Es ist absehbar, dass die Spielräume in den Verhandlungen über Abschluss oder Änderung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) einge4124

schränkt würden, da die Arbeitgeber wohl kaum mehr bereit wären, über die Höhe der Arbeitszeit zu verhandeln; gesamtarbeitsvertragliche Arbeitszeitverkürzungen würde es vermutlich kaum mehr geben. Wir sind aber der Auffassung, dass eine allfällige Verkürzung der Arbeitszeit in erster Linie Aufgabe der Sozialpartner ist. Die einzelnen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände können am besten beurteilen, ob und inwieweit eine Arbeitszeitverkürzung für ihre Branche möglich oder tragbar ist.

4.3

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die Löhne

Die Initiative sieht eine Lohngarantie für kleine und mittlere Lohneinkommen vor.

Nach Absatz 2 der Übergangsbestimmung dürfen die Arbeitszeitverkürzungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Bruttolohn das Eineinhalbfache des Durchschnitts der in der Schweiz bezahlten Löhne nicht überschreitet, keine Lohnkürzungen zur Folge haben.

Es stellt sich hier insbesondere die Frage, von welcher Basis bzw. von welchem Durchschnitt auszugehen ist. Die vom Bundesamt für Statistik publizierte Lohnstrukturerhebung (LSE) unterscheidet nämlich zwischen dem so genannten Zentralwert (Median) und dem eigentlichen Durchschnitt (arithmetisches Mittel). Der Zentralwert bezeichnet denjenigen Wert, bei dem für die Hälfte der Arbeitnehmenden der auf 40 Stundenwochen standardisierte monatliche Bruttolohn4 darüber, für die andere Hälfte dagegen darunter liegt. Der eigentliche Durchschnittslohn berechnet sich dagegen aus der Summe aller Lohneinkommen dividiert durch die Anzahl aller Arbeitnehmenden. Die beiden Werte differieren beträchtlich: im Jahre 1994 lag der Zentralwert bei 4841 Franken, das arithmetische Mittel aber erheblich höher, nämlich bei 5418 Franken5. Seither wird in der Lohnstrukturerhebung (LSE) nur noch der Zentralwert publiziert; im Jahre 1998 betrug dieser 5096 Franken4. Es ist anzunehmen, dass das arithmetische Mittel weiterhin erheblich über diesem Wert liegt.

Nimmt man den Wortlaut der Initiative («Durchschnitt der in der Schweiz bezahlten Löhne»), so wäre eigentlich das arithmetische Mittel massgebend. Die Initianten gehen aber offenbar vom Zentralwert aus. So führen sie in der SGB-Publikation Nr. 62 aus, dass die Initiative Lohnkürzungen bis zu einem monatlichen Lohneinkommen von heute ca. 7200 Franken verbietet, was einem «Durchschnittslohn» von 4800 Franken, also in etwa dem früheren Zentralwert, entsprechen würde. Das BFS bezeichnet den Zentralwert als das wohl beste Mass für die Bestimmung des Lohnniveaus; im Vergleich zum arithmetischen Mittel ist der Zentralwert gegenüber dem Einbezug von Extremwerten (sehr tiefe oder sehr hohe Löhne) relativ robust. Da zumal in der Presse der so genannte Zentralwert häufig als Durchschnittslohn angegeben wird (s. z.B. Agenturmeldung sda vom 21. Dezember 1999: «Durchschnittslohn in der Schweiz beträgt 5096 Franken») und der eigentliche Durchschnittslohn 4

5

In der Lohnstrukturerhebung (LSE) werden die erhobenen Beträge auf standardisierte Monatslöhne umgerechnet, das heisst, auf eine einheitliche Arbeitszeit von 41/3 Wochen à 40 Stunden. Als Lohnkomponenten werden berücksichtigt: Bruttolohn im Monat (inkl.

Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungen, Naturalleistungen, regelmässig ausbezahlte Prämien-, Umsatz- oder Provisionsanteile), Entschädigung für Schicht-, Nacht- und Sonntagsarbeit, 1/12 vom 13. Monatslohn und 1/12 von jährlichen Sonderzahlungen.

Es handelt sich hierbei jeweils um Angaben aus dem Total der Arbeitnehmenden in der Privatwirtschaft und im Bund; die Kantone sind in der Statistik (noch) nicht erfasst.

4125

seit einiger Zeit nicht mehr publiziert wird, erscheint es uns gerechtfertigt, den Zentralwert mit dem in der Initiative angeführten «Durchschnitt der in der Schweiz bezahlten Löhne» gleichzusetzen. Ausgehend vom zur Zeit aktuellen Zentralwert bestünde die Lohngarantie bis zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von 7644 Franken6. Weil der Zentralwert auf 40 Stundenwochen standardisiert ist, müsste sich dieses Einkommen ebenfalls auf 40 Stundenwochen beziehen. Bei höherer Arbeitszeit würde sich die Grenze anteilsmässig erhöhen, bei tieferer Arbeitszeit läge sie entsprechend tiefer. Anzufügen bleibt, dass diese Grenze jeweils auf Grund der aktuellen Statistik anzupassen wäre.

Es ist absehbar, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einem über dieser Grenze liegenden Lohn mit Lohneinbussen zu rechnen hätten. Auswirkungen dürfte die Arbeitszeitverkürzung aber auch für die garantierten Löhne haben. So erscheint es fraglich, ob die Arbeitgeber während der Übergangsfrist, in der die Arbeitszeitverkürzung zu erfolgen hätte, noch bereit wären, jährliche Lohnerhöhungen zu gewähren.

4.4

Überzeit, wöchentliche Höchstarbeitszeit und übliche Arbeitszeit

Die Initiative sieht vor, dass über die maximale Jahresarbeitszeit hinaus jährlich höchstens 100 Stunden zuschlagspflichtige Überzeit geleistet werden können; die Überzeit ist in der Regel durch Freizeit auszugleichen und kann am Jahresende übertragen werden (Art. 110a Abs. 2 BV). Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, inklusive Überzeit, wird auf maximal 48 Stunden festgelegt und darf nicht überschritten werden (Art. 110a Abs. 3 BV).

Es ist davon auszugehen, dass der vorgesehene Zuschlag sowohl bei Ausgleich durch Freizeit (Zeitzuschlag) als auch bei Auszahlung der Überzeit (Lohnzuschlag) zu gewähren wäre. Im Übrigen wirft aber die Überzeitregelung einige Fragen auf. So ist etwa die Höhe des Zuschlages oder der für den Zeitausgleich massgebende Zeitraum nicht geregelt. Da sich die Berechnung der Überzeitarbeit auf das Jahr bezieht, könnte zudem erst im nachhinein ­ nach Ablauf des Jahres ­ festgestellt werden, ob überhaupt und wieviele Stunden Überzeitarbeit geleistet wurden. Aus dieser Sicht gesehen macht die Bestimmung, wonach in der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden die Überzeit eingeschlossen sein muss, keinen Sinn. Es könnte nämlich gar nicht bestimmt werden, ob und wieviel Überzeitarbeit in einer Woche geleistet wird. Die Meinung ist vermutlich die, dass die 48 Stunden eine absolute Grenze darstellt, die in keinem Fall überschritten werden darf. Weiter fraglich ist, was mit den bis zu 100 zulässigen Überstunden im folgenden Jahr zu geschehen hat. Es ist nämlich unklar, ob der Jahresübertrag an das Kontingent von 100 Stunden für das neue Jahr anzurechnen ist oder ob zusätzlich zum Jahresübertrag im neuen Jahr das Kontingent von 100 Stunden wieder voll ausgenutzt werden darf. Trifft das Zweite zu, so besteht die Möglichkeit, über den Zeitraum von ein paar Jahren ein ansehnliches Überzeitkonto anzuhäufen.

6

Dieses Bruttoeinkommen beinhaltet ebenfalls die in Fussnote 4 angeführten Lohnkomponenten.

4126

Die Initianten begründen die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden insbesondere mit der Angleichung an das EU-Recht. Die Initiative ist jedoch einschränkender als die entsprechende EU-Regelung, sieht diese doch nur vor, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche 48 Stunden nicht überschreiten darf (s. Ziff. 2.5.2), während die Initiative die Höchstarbeitszeit für jede einzelne Woche auf 48 Stunden begrenzen will. Es ist allerdings festzuhalten, dass die EU lediglich den zwingenden Minimalstandard vorschreibt und die Initiative mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Die vorgesehenen Regelungen betreffend Überzeit und wöchentlicher Höchstarbeitszeit würden zwar für die einzelnen Betriebe einen gewissen Spielraum zulassen, wären aber insgesamt wesentlich unflexibler als die geltenden Vorschriften (vgl.

Ziff. 2.2). Den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Branchen könnte dadurch kaum Rechnung getragen werden.

Die Initiative verlangt weiter, dass in jedem Arbeitsverhältnis eine übliche Arbeitszeit festzulegen ist (Art. 110a Abs. 3 BV). Der SGB will damit Arbeitsverhältnisse ausschliessen, in denen über die normale Arbeitszeit nichts oder zu wenig ausgesagt wird, wie vor allem bei der «Arbeit auf Abruf» (SGB-Dokumentation Nr. 62).

4.5

Teilzeitarbeit

4.5.1

Berücksichtigung der Arbeitszeitverkürzung

Die zeitlich abgestufte Arbeitszeitverkürzung soll auch für Teilzeitarbeitsverhältnisse zum Tragen kommen, wobei zwischen einer Kürzung der Teilzeitpensen pro rata oder einer anteilsmässigen Erhöhung des Stundenlohnes gewählt werden kann (Absatz 1 letzter Satz der Übergangsbestimmung). Die praktische Umsetzung dieser Vorschrift dürfte ­ abgesehen vom administrativen Aufwand ­ mit einigen Problemen verbunden sein, insbesondere bei Teilzeitarbeitsverhältnissen, die nicht in einem prozentualen Verhältnis zur Vollzeitarbeit definiert sind. In diesen Fällen dürfte nämlich vielfach nicht klar sein, von welcher Vollzeitarbeit, nach der sich die stufenweise Arbeitszeitverkürzung berechnet, auszugehen ist.

4.5.2

Diskriminierungsverbot

Die Initiative verlangt weiter, dass Teilzeitarbeitnehmende gegenüber Vollzeitarbeitnehmenden nicht diskriminiert werden, insbesondere hinsichtlich Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, berufliche Aus- und Weiterbildung, Beförderung, Entlassung und Sozialversicherungen (Art. 110a Abs. 4 BV).

Wir sind der Auffassung, dass das heutige Privatrecht einen ausreichenden Schutz der Teilzeitarbeitnehmenden vor Schlechterstellung gegenüber den Vollzeitbeschäftigten bietet. Das geltende Recht enthält zwar kein ausdrückliches Diskriminierungsverbot, jedoch wird im OR die Teilzeitarbeit der Vollzeitarbeit weitgehend gleichgestellt (Art. 319 Abs. 2 OR). Aus dem vom Persönlichkeitsschutz abgeleiteten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot ergibt sich ausserdem, dass einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen desselben Betriebs nicht willkürlich schlechter gestellt werden dürfen. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es allerdings möglich, 4127

z.B. für Teilzeitarbeit schlechtere Arbeitsbedingungen in den Grenzen des Zulässigen (gesetzliche oder GAV-Mindestleistungen, Sittenwidrigkeit) zu vereinbaren. Für die in Teilzeit arbeitenden Frauen ­ in der Schweiz die grosse Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten (s. Tabelle 3) ­ bietet allerdings das Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995 (SR 151) einen zusätzlichen Schutz.

Problematisch wäre die Gleichstellung von Teilzeitarbeit mit Vollzeitarbeit im Zusammenhang mit der beruflichen Grundausbildung, weil Teilzeitbeschäftigung in der Berufslehre insbesondere zu Koordinationsproblemen mit dem Berufsschulunterricht führen würde, da dieser auf Vollzeitbeschäftigung der Lehrlinge ausgerichtet ist.

Im Bereich der Sozialversicherungen sind Teilzeitbeschäftigte heute teilweise schlechter gestellt als Vollzeitbeschäftigte. So sind dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40) Arbeitnehmende nur dann unterstellt, wenn sie einen Jahreslohn von mehr als 24 120 Franken beziehen (Stand 1.1.2000). Fast die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten erreichen diese Grenze nicht. Die Problematik war verschiedentlich Gegenstand von parlamentarischen und politischen Interventionen. Im Rahmen der Vernehmlassung zur ersten Revision des BVG hat der Bundesrat denn auch verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation der Teilzeitarbeitnehmenden aufgezeigt. In Anbetracht der mit diesen Möglichkeiten verbundenen Kosten und unter Berücksichtigung der Vernehmlassungsergebnisse hat er aber schliesslich entschieden, keine besondere Regelung für Teilzeitbeschäftigte vorzuschlagen. Dagegen ist bei der Unfallversicherung vor kurzem eine Besserstellung der Teilzeitbeschäftigten erfolgt. Auf den 1. Januar 2000 wurde die Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV, SR 832.202) dahingehend geändert, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch gegen Nichtberufsunfälle versichert sind, wenn deren wöchentliche Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber mindestens acht Stunden beträgt (früher lag die Grenze bei 12 Stunden). Eine geringfügige Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten gibt es noch bei der Arbeitslosenversicherung. So müssen Arbeitnehmende, die weniger als 500 Franken pro Monat verdienen, zwar Beiträge an die
Arbeitslosenversicherung zahlen, haben aber bei Verlust der Arbeit keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, sofern sie nicht von der Beitragszeit befreit sind (Art. 40 Arbeitslosenversicherungsverordnung AVIV, SR 837.02).

Allfällige Verbesserungen der Stellung der Teilzeitbeschäftigten im Bereich der Sozialversicherungen sind nach Auffassung des Bundesrates im Zusammenhang mit den einzelnen Sozialwerken zu prüfen, insbesondere unter Abwägung der Auswirkungen auf deren Leistungen und Finanzierung.

4.6

Finanzielle Unterstützung von Betrieben durch den Bund

Die Initiative sieht schliesslich eine zeitlich befristete finanzielle Unterstützung durch den Bund vor für Unternehmungen, welche die Arbeitszeit in einem Jahr um mindestens zehn Prozent reduzieren; Voraussetzung ist, dass die Unternehmungen in einem Vertrag mit Bund und der zuständigen Arbeitnehmerorganisation vereinbaren, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten (Abs. 3 der Übergangsbestimmung).

Nicht geregelt sind Höhe und Dauer der finanziellen Unterstützung. Im Übrigen ist 4128

diese Bestimmung im Zusammenhang mit dem Pilotartikel des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, der ähnliche Ziele verfolgt, sowie bei den Auswirkungen der Initiative für den Bund zu beurteilen (s. dazu Ziff. 5.3.3.1 und 6.1).

4.7

Ausführung und Vollzug

Obschon die Initiative an sich eine unmittelbar anwendbare Verhaltensnorm darstellt, lässt sie zahlreiche Fragen offen, die bei deren Annahme ­ vermutlich auf Gesetzesstufe ­ noch geregelt werden müssten (siehe z.B. Ziff. 4.4 betreffend Überzeitarbeit oder Ziff. 4.6 hinsichtlich der finanziellen Unterstützung). Hinzu kommen würden materielle Anpassungen in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen. Nicht zuletzt müsste aber auch der Vollzug geregelt werden. Damit die mit der Initiative vorgesehene massive Arbeitszeitverkürzung auch wirksam durchgesetzt werden könnte, müssten vermutlich entweder die bestehenden Vollzugsorgane (v.a. die kantonalen Arbeitsinspektorate) ausgebaut oder neue Vollzugsorgane geschaffen werden.

5

Auswirkungen der Initiative auf die Schweizer Wirtschaft

5.1

Allgemeine Einschätzung der Auswirkungen der Initiative

Ziel der Initiative ist die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 36 Stunden.

Laut den Initianten soll diese Massnahme 250 000 Stellen schaffen und deshalb die Arbeitslosigkeit nachhaltig abbauen. Die Argumentation der Initianten beruht auf der Idee, dass die Arbeit eine festes Quantum ist, welches sich über die Zeit unabhängig von den Produktivitätsgewinnen und den Arbeitskosten verringert. Sie bemerken, dass die Unternehmen während der jüngsten Rezession die Tendenz hatten, Arbeitsplätze abzubauen, auch wenn sie Produktivitätsgewinne erzielten. Auf Grund dieser Feststellung empfehlen sie eine bessere Verteilung der bestehenden Arbeit auf eine grössere Anzahl Personen. Die Idee ist, die Arbeit «aufzuteilen», die Arbeitszeit derjenigen, die Arbeit haben, zu reduzieren und die dadurch frei werdenden Arbeitsstunden Arbeitslosen zu geben. Diese Sichtweise lässt die Dynamik der Wirtschaft unberücksichtigt. Jedes Jahr werden von den Unternehmen Zehntausende von Stellen abgebaut und Zehntausende von neuen Stellen geschaffen. Zwischen dem 4. Quartal 1997 und 1999 belief sich der Nettosaldo zwischen abgebauten und neu geschaffenen Stellen auf +73 000 (laut BESTA, BFS). Ausserdem ist bekannt, dass 1996­1997, also in der Phase der wirtschaftlichen Rezession, über 7200 neue Firmen gegründet wurden, die nahezu 15 000 Personen beschäftigen. Diese Zahlen zeigen klar, dass die Beschäftigung nicht eine feste Grösse ist, die regelmässig zurückgeht. Im Gegenteil, seit Anfang des Jahrhunderts nahm die Beschäftigung trotz massiver Produktivitätsfortschritte stetig zu. Dieses Phänomen lässt sich wie folgt erklären: durch die Verbesserung der Produktivität sinken die Preise der Güter und Dienstleistungen, gleichzeitig erlauben die Produktivitätsgewinne eine Erhöhung der Löhne. Diese beiden Auswirkungen stimulieren die Gesamtnachfrage und führen damit zu einem Beschäftigungswachstum. Eine Verbesserung der Produktivität hat deshalb mittelfristig positive Auswirkungen auf die Beschäftigung. So ist ­ wie oben

4129

erwähnt ­ festzustellen, dass die Erwerbsquote über das Jahrhundert hinweg bei gleichzeitigem massivem Produktivitätswachstum stetig zugenommen hat. Die Initiative schlägt zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit ein unangemessenes Mittel vor. Ein Abbau der Arbeitslosigkeit ist möglich, indem wir für gefährdete Personen angemessene Massnahmen ergreifen wie Weiterbildungs- und Wiedereingliederungskurse. Im Übrigen sind die Bedingungen zur Stellenschaffung für die Wirtschaft besser, wenn die gegenwärtige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt beibehalten werden kann.

5.2

Gegenwärtige Situation der Wirtschaft

Die Schweizer Wirtschaft ist im Februar 1997 aus einer langen Periode der Stagnation, ja gar des konjunkturellen Rückgangs aufgetaucht. Tabelle 5 zeigt die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts und der Arbeitslosenquote im Verlauf der letzten zwanzig Jahre.

Tabelle 5

Bruttoinlandprodukt (zu Preisen von 1990)

Arbeitslosenquote 6.0

370'000

5.0

350'000

4.0

330'000

3.0

Arbeitslosenquote

BIP real

390'000

310'000

2.0

290'000

2000

1998

1996

1994

1992

1990

1988

1986

0.0 1984

250'000 1982

1.0 1980

270'000

Quellen: BFS; Staatssekretariat für Wirtschaft (seco).

Seit 1980 erlebte die Schweiz zwei Phasen des Konjunkturrückgangs, die erste 1982­1983 und die zweite zwischen 1991 und 1996. Die Periode 1984­1990 war durch eine Wachstumsphase gekennzeichnet, welche sich zwischen 1988 und 1990 stark beschleunigte. Die gegenwärtige Phase ist durch einen moderaten Aufschwung der Aktivitäten charakterisiert, welcher sich ab 2000 wieder beschleunigen dürfte.

4130

Tabelle 6 Arbeitslose 280'000

3.0

240'000

2.0

200'000

1.0

160'000

4Q 1999

3Q 1999

2Q 1999

1Q 1999

4Q 1998

3Q 1998

2Q 1998

1Q 1998

4Q 1997

3Q 1997

2Q 1997

1Q 1997

4Q 1996

0 3Q 1996

40'000

-3.0 2Q 1996

-2.0 1Q 1996

120'000 80'000

4Q 1995

0.0 -1.0

Arbeitslose

Bruttoinlandprodukt

4.0

3Q 1995

Veränderungen in %

Beschäf tigungsindex

Quellen: Stellenindex, Veränderungen gegenüber dem Vorjahresquartal: BFS. Bruttoinlandprodukt, Abweichungen gegenüber dem Vorjahresquartal: seco, BFS.Anzahl registrierte Arbeitslose: seco.

Diese konjunkturelle Entwicklung kann mit der Entwicklung der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit in Zusammenhang gebracht werden (s. Tabelle 6). Zunächst kann festgestellt werden, dass, entgegen den während der vorangegangenen Rezession geäusserten Befürchtungen, die gegenwärtige Wachstumsperiode mit einer positiven Beschäftigungsentwicklung einhergeht. Mit einer Verzögerung von drei Quartalen auf die Konjunktur waren ab dem dritten Quartal 1998 Fortschritte bei der Beschäftigung festzustellen. Im ersten Quartal 1999 wuchs die Beschäftigung sogar schneller als das BIP. Weiter ist festzustellen, dass die Arbeitslosigkeit seit Beginn des Wiederaufschwungs deutlich abgenommen hat. Es scheint also eine klare Verbindung zwischen Wirtschaftswachstum, Beschäftigungszuwachs und Rückgang der Arbeitslosigkeit im Verlauf der gegenwärtigen Wachstumsperiode der Schweizer Wirtschaft zu bestehen. Und schliesslich stellen wir fest, dass die Arbeitslosenrate in der Schweiz erneut zu den niedrigsten aller OECD-Länder gehört (2,7% im Jahr 1999).

Diese Tendenz ist erfreulich und zeigt, dass der Schweizer Arbeitsmarkt auf die Entwicklung der Konjunktur reagiert. Es ist auch festzustellen, dass die Arbeitslosigkeit mit dem Konjunkturzyklus stärker zu-, aber auch stärker wieder abnimmt.

Diese Tendenz ist für die Schweizer Wirtschaft ein neues Phänomen.

4131

Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre war die Entwicklung der Reallöhne und der mittleren Arbeitszeit gegenläufig (s. Tabelle 7).

Tabelle 7

Betriebsübliche A rbeitszeit

44.0

Reallohnindex 290

260

42.5 250

1998

1996

1994

1992

1990

1988

230

1986

41.5 1984

240

1982

42.0

1980

Arbeitsstunden

270

43.0

Reallohnindex

280

43.5

Quellen: Lohnindex pro Arbeitnehmer/-in (1939 = 100): BFS. Betriebsübliche Arbeitszeit: s. Tabelle 1 (Anmerkung: der «Einbruch» vor 1984 erklärt sich durch eine Änderung in der statistischen Erfassung)

Zunächst ist bei der betriebsüblichen Arbeitszeit (der im Arbeitsvertrag festgelegten Arbeitszeit) in der Periode 1975 bis 1992 eine Tendenz gegen unten festzustellen.

Dieser Rückgang ist seit 1993 unterbrochen. Die Reallöhne haben zu Beginn der 80er-Jahre zugenommen und dann zwischen 92 und 98 stagniert. Diese Entwicklung der Arbeitszeit und der Reallöhne ist direkt mit dem Gang der Konjunktur verbunden. Je nach Präferenzen der Arbeitnehmenden und der Arbeitgeber, Kräfteverhältnis und Branche werden die Wachstumsgewinne in Lohnerhöhungen oder Arbeitszeitverkürzungen umgewandelt. Nach der Wachstumsphase, die seit zwei Jahren im Gang ist, steht zu erwarten, dass in den kommenden Jahren die Arbeitszeiten abund die Reallöhne zunehmen.

5.3

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Die Initiative hätte Auswirkungen auf die beiden Hauptakteure des Arbeitsmarkts: die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einerseits sowie die Unternehmen bzw.

die Arbeitgeber anderseits. Wird die Initiative angenommen, werden die Akteure ihr Verhalten der neuen Situation anpassen. Deshalb muss die Gesamtheit der individuellen Reaktionen berücksichtigt werden, um die Gesamtwirkung dieser Verfassungsänderung zu evaluieren.

4132

5.3.1

Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Bis zum eineinhalbfachen Durchschnittslohn soll die Arbeitszeitverkürzung keine Lohnkürzungen zur Folge haben (gemäss Lohnstrukturerhebung [LSE] erzielen über 80 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen weniger als den eineinhalbfachen Durchschnittslohn). Das bedeutet, dass sie pro geleistete Arbeitsstunde mehr verdienen würden. Diesem Lohnzuwachs muss ein Produktivitätsgewinn entsprechen, damit er für die Unternehmen tragbar ist. In einigen Fällen kann eine Arbeitszeitverkürzung zu einer Steigerung der Arbeitsproduktivität pro Stunde führen. Aber es ist zu befürchten, dass ein grosser Teil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Produktivität nicht in einem Mass steigern können, das dem erhöhten Stundenlohn entspricht. Diese Auswirkung wird sich entweder durch Stagnation der Löhne über mehrere Jahre oder durch einen Abbau von Arbeitsplätzen bemerkbar machen.

Für alle Arbeitnehmenden mit einem Lohn, der über dem Eineinhalbfachen des Durchschnittslohns liegt, wird die Arbeitszeitverkürzung voraussichtlich eine Lohneinbusse nach sich ziehen. Die Unternehmensleitungen dürften diese Massnahme einführen, um die im Produktionsprozess verlorenen Arbeitsstunden zu kompensieren.

Eine neuere Studie zeigte auf, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz einen sicheren Arbeitsplatz und einen angemessenen Lohn bzw. ein gutes Einkommen einer Arbeitszeitverkürzung vorziehen. So wird die Arbeitszeitverkürzung unter 20 Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen erst an 7.

Stelle genannt (Univox, Teil III, B, Wirtschaft 1999, Gfs-Forschungsinstitut, 2000).

Diese Initiative könnte also einen Eingriff in die individuelle Wahlfreiheit bedeuten und den effektiven Wünschen der Betroffenen entgegenlaufen. Es ist deshalb zu befürchten, dass eine bestimmte Anzahl Arbeitnehmender illegal gleich lange arbeiten werden wie vorher. Im Übrigen könnten die Arbeitgeber auch versucht sein, ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dazu zu veranlassen, nicht deklarierte Arbeitsstunden zu leisten. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Initiative der Schwarzarbeit Vorschub leistet.

5.3.2

Auswirkungen auf die Unternehmen

Die Stellen in einem Unternehmen sind keine feste Menge. Die Unternehmen stellen neue Leute ein, wenn sie Wachstumsperspektiven sehen, und nehmen Entlassungen vor, wenn die Verkäufe zurückgehen. Ihre Einstellungs- und Kündigungspolitiken sind nicht einheitlich, sondern hängen von den Entscheiden des Managements ab.

Auch die Möglichkeiten, sich an die Konjunktur anzupassen, sind je nach Branche unterschiedlich. Bei einigen hat ein Rückgang der Nachfrage unverzüglich spürbare Auswirkungen auf die Aktivitäten, und die Unternehmen müssen schnell Kündigungen vornehmen (zum Beispiel im Baugewerbe).

Anderen ist es manchmal möglich, einen Nachfragerückgang vorübergehend aufzufangen, indem sie auf die während der Wachstumsphasen getätigten Rücklagen zurückgreifen.

4133

Eine gesetzliche und für alle Branchen einheitliche Beschränkung der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden birgt die grosse Gefahr eines Eingriffs in die Einstellungsund Kündigungspolitik der Unternehmen. Einige könnten dazu übergehen, mehr Druck auf ihre gegenwärtigen Arbeitnehmenden auszuüben und sie zu veranlassen, härter zu arbeiten. Es besteht auch die Gefahr, dass gewisse Betriebe von ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen verlangen oder erwarten, dass sie «freiwillige», nicht als Überzeit deklarierte Mehrarbeit leisten. Dieser Prozess würde die Produktivität der Arbeitnehmenden verbessern, aber nicht zu Neueinstellungen führen.

Ausserdem ist in den kleinen Unternehmen die Arbeit auf eine beschränkte Anzahl Arbeitnehmender verteilt. Haben alle eine kürzere Arbeitszeit, ist sehr gut vorstellbar, dass die Gesamtheit der «frei gewordenen» Stunden keine Neuanstellungen ermöglicht. Zum Beispiel arbeiten alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Garage nur noch 36 Wochenstunden, doch die frei gewordenen Stunden der Buchhalterin und jene des Mechanikers reichen für eine Neueinstellung nicht aus. Es wäre für das Unternehmen sehr teuer (was die firmeninterne Ausbildung der Arbeitnehmenden angeht), für lediglich einige Wochenstunden eine neue Buchhalterin und einen neuen Mechaniker einzustellen. Zudem könnte es je nach Branche schwierig werden, Leute zu finden, welche nur so wenige Stunden pro Woche arbeiten wollen.

Die Schweizer Wirtschaft besteht aber zum grössten Teil gerade aus kleinen Unternehmen (laut eidgenössischer Betriebszählung 1998 machen Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten 88 Prozent aller Unternehmen und 27 Prozent aller Stellen aus).

Wenn wie im genannten Beispiel ein Unternehmen die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht reduzieren kann, käme es zu Überstunden.

Diese Überstunden müssen zu einem höheren als dem üblichen Stundenansatz vergütet werden, was die Arbeitskosten für das Unternehmen direkt erhöhen würde.

Diese höheren Arbeitskosten könnten dazu führen, dass die Unternehmen die Arbeitnehmenden durch Maschinen ersetzen. Dies gilt insbesondere für Aktivitäten mit tiefer Produktivität und demzufolge tiefen Löhnen. Höhere Arbeitskosten für diese Art von Stellen wären für Unternehmen nur akzeptabel, wenn die Produktivität im gleichen Ausmass
steigen würde.

Eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnsenkung (für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die weniger als das Eineinhalbfache des Durchschnittslohnes verdienen) führt zu höheren Arbeitskosten. Die Unternehmen können aber Lohnerhöhungen nur in einem Mass anbieten, das den Produktivitätssteigerungen entspricht. Die Initiative geht von künftigen Produktivitätssteigerungen der Unternehmen aus, ohne dass sicher ist, dass die Steigerungen auch wirklich realisiert werden können. Damit wird der freie Lohnbildungsprozess eingeschränkt, obwohl die Löhne eigentlich flexibel bleiben und der wirtschaftlichen Entwicklung folgen sollten.

5.3.3

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und die Arbeitslosigkeit

5.3.3.1

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage

In verschiedenen europäischen Ländern (namentlich in Frankreich und Belgien) haben Ökonomen versucht, die Auswirkungen einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung auf die Beschäftigungslage zu evaluieren (in der Schweiz wurde keine Studie

4134

durchgeführt). Diese Studien kommen zu widersprüchlichen Schlussfolgerungen, welche in grossem Mass von den Hypothesen abhängen, von denen sie ausgehen. Es ist in der Tat äusserst schwierig, die Gesamtheit der Reaktionen der Unternehmen und der Arbeitnehmenden zu berücksichtigen. Gesamthaft kommen die Modelle zum Schluss, dass die Zahl der neu geschaffenen Stellen in der Regel unter den Erwartungen bleibt. Diese Resultate können mit den oben angeführten Gründen erklärt werden. Ferner muss festgehalten werden, dass bestimmte Arbeiten leichter teilbar sind als andere. Nur stets gleich bleibende und einfach durchzuführende Aktivitäten können leicht aufgeteilt werden. Damit eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung zu einer grossen Zunahme an neuen Stellen führt, müssen die betroffenen Unternehmen auch gross genug sein. Die individuelle Arbeitszeitverkürzung mehrerer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen muss die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes ermöglichen. Diese beiden Bedingungen sind in der Schweizer Wirtschaft sehr oft nicht erfüllt. Hinzu kommt, dass die stufenweise Arbeitszeitreduktion, wie sie durch die Initiative vorgesehen ist, nur beschränkt wirksam ist, da die Veränderungen in kleinen Schritten zum Teil durch Steigerung der Arbeitsproduktivität oder organisatorische Massnahmen aufgefangen werden können. Einzig bezüglich Stellen, welche eine bestimmte Präsenzzeit erfordern, kann die Verkürzung der individuellen Arbeitszeit zu einer unmittelbaren Beschäftigungswirkung führen. Allerdings sind solche Stellen eher die Ausnahme.

Angesichts der angespannten finanziellen Lage der öffentlichen Verwaltungen kann davon ausgegangen werden, dass die Effekte der Arbeitszeitreduktion in den öffentlichen Verwaltungen nicht anders ausfallen werden als in der Privatwirtschaft. Insbesondere kann nicht erwartet werden, dass die öffentliche Verwaltung eine Vorreiterrolle durch die volle Umsetzung der Arbeitszeitreduktion in neue Arbeitsplätze spielt.

Zurzeit existiert keine vertrauenswürdige Methode, mit welcher die Beschäftigungswirksamkeit einer Arbeitszeitreduktion zuverlässig berechnet werden könnte.

Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf eine entsprechende Berechnung verzichtet. Allerdings kann angesichts obiger Ausführungen bezweifelt werden, dass eine Arbeitszeitreduktion auf 36 Stunden/Woche die
vom SGB genannten 250 000 Arbeitsplätze nach sich zieht.

Die Initiative verlangt zeitlich befristete finanzielle Unterstützung des Bundes für Unternehmungen, welche die Arbeitszeit nicht stufenweise, sondern praktisch in einem Schritt verkürzen (Arbeitszeitverkürzung von mindestens 10% in einem Jahr) und gleichzeitig Arbeitsstellen schaffen oder erhalten. Ähnliche Ziele verfolgt der Pilotartikel des Arbeitslosenversicherungsgesetzes AVIG (Art. 110a AVIG). Mit diesem Artikel können neue Instrumente erprobt werden, welche durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit bestehende Arbeitsplätze erhalten oder neue Arbeitsplätze schaffen. Allerdings müssen für die Finanzierung einige Bedingungen erfüllt sein.

Einerseits soll die Strukturbereinigung nicht verhindert werden, wobei die Abfederung der Auswirkungen von Strukturbereinigungsmassnahmen sehr wohl möglich ist. Andererseits müssen die betroffenen Stellen in Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit stehen, sprich Entlassungen verhindern oder durch arbeitslose Personen besetzt werden.

4135

5.3.3.2

Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit

Die Initiative des Gewerkschaftsbundes ist in erster Linie als Antwort auf die hohe Erwerbslosigkeit zu verstehen. Durch die Arbeitszeitverkürzung sollen neue Stellen geschaffen oder zumindest keine abgebaut werden. Seit der Formulierung der Initiative hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt stark verändert. Die Zahl der Stellensuchenden und der Arbeitslosen ist markant zurückgegangen. Gleichzeitig wird für das Jahr 2000 von einem Wirtschaftswachstum ausgegangen, welches nicht ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bleibt: Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz wird sich weiter zurückbilden. Trotz dieser Voraussetzung soll an dieser Stelle die Frage, ob eine Arbeitszeitreduktion das Problem der Arbeitslosigkeit lösen könnte, erörtert werden.

In der offiziellen Statistik wird zwischen registrierten Arbeitslosen und registrierten Stellensuchenden unterschieden. Registrierte Arbeitslose sind Personen, welche bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet sind, keine Stelle haben und sofort vermittelbar sind. Registrierte Stellensuchende sind alle arbeitslosen und nichtarbeitslosen Personen, welche beim RAV gemeldet sind und eine Stelle suchen. Im Unterschied zu den registrierten Arbeitslosen umfasst diese Personengruppe auch Personen, die nicht sofort vermittelbar sind. Konkret werden zu dieser Gruppe v.a. auch Stellensuchende gezählt, welche in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung, in Umschulung oder Weiterbildung sowie im Zwischenverdienst sind. Obschon die meisten dieser Personen unabhängig ihres momentanen Einsatzes auch auf der Suche nach einer Arbeitsstelle sind, werden in den folgenden Ausführungen auf Grund genauerer Statistik die Zahlen der registrierten Arbeitslosen verwendet. Die Entwicklung der registrierten Stellensuchenden entspricht dabei der Entwicklung der registrierten Arbeitslosen, nur auf einem höheren Niveau.

Tabelle 8 300

(in 1'000)

250 200 150

Stellensuchende

100

Arbeitslose

50 0 Jan 96

Jan 97

Jan 98

Jan 99

Jan 00

Quelle: «Die Lage auf dem Arbeitsmarkt, Januar 2000»; seco.

4136

Die Zahl der registrierten Arbeitslosen betrug im April 2000 75 642 (Stellensuchende 132 761) im Gegensatz zu 98 602 (Stellensuchende 170 921) im Jahresdurchschnitt 1999, 139 660 (Stellensuchende 217 518) im Jahresdurchschnitt 1998 und 188 304 (Stellensuchende 244 695) im Jahresdurchschnitt 1997 (Arbeitslosenquoten: 1997: 5,2%; 1998: 3,9%; 1999: 2,7% und April 2000: 2,1% ). Die Prognosen der Arbeitslosenzahlen für die kommenden Jahre deuten auf eine weitere Abnahme der Arbeitslosenzahlen hin, sprich 72 000 für das Jahr 2000 (Arbeitslosenquote 2,0%) und 65 000 für die Jahre 2001 und 2002 (Arbeitslosenquote 1,8%).

Allgemein ist zu bemerken, dass mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit in der Schweiz der Anteil der schlecht qualifizierten Stellensuchenden markant zugenommen hat (ca. 38% der im April 2000 registrierten Arbeitslosen haben vor dem Stellenverlust eine Hilfsfunktion ausgeübt). Mittlerweile fehlen in erster Linie nicht mehr die offenen Stellen allgemein, sondern offene Stellen, welche den Qualifikationen der Stellensuchenden entsprechen.

Aus den Zahlen der registrierten Arbeitslosen im April 2000 kann davon ausgegangen werden, dass ­

eine allgemeine Arbeitszeitreduktion zwar in einigen Wirtschaftszweigen im Rahmen einer beschränkten Beschäftigungswirksamkeit zu einer Reduktion der Stellensuchenden führen kann; in anderen Branchen hingegen wird sie eher offene Stellen schaffen, welche schwer zu besetzen wären;

­

die vorgesehene Arbeitszeitreduktion den Mangel an hoch qualifizierten Mitarbeitern verschärfen wird. Ob sie den schlecht qualifizierten Stellensuchenden entsprechend viele offene Stellen schaffen würde, ist fraglich, da genau diese Art von Stellen sich für die Rationalisierung besonders eignen.

Diese Ausführung deckt sich mit der Mehrheit der empirischen Studien auf diesem Gebiet, welche keine nennenswerten positiven Wirkungen auf die Beschäftigung feststellen. Sie zeigen übereinstimmend auf, dass Arbeitszeitverkürzung im Kampf gegen die strukturelle Arbeitslosigkeit nicht das geeignete Mittel ist, da sie das Problem der Qualifikationsmängel der Erwerbstätigen nicht ändert.

Im gleichen Sinne hat die Kommission für Konjunkturfragen (KFK) Stellung genommen: «Zur Bekämpfung lang andauernder, struktureller Arbeitslosigkeit ist eine verordnete Arbeitzeitverkürzung wenig geeignet, vielmehr besteht die Gefahr, dass sie in konjunkturell schlechten Zeiten die Beschäftigung hemmt und während des Aufschwungs die Wachstumschancen vermindert. Zudem ändert sie nichts an den Ursachen, d. h. den Strukturschwächen des Arbeitsmarktes und der Volkswirtschaft allgemein.» (Pressemitteilung der KFK vom 14. Mai 98) Ebenfalls hat die OECD in ihren periodischen Arbeitsmarktanalysen und mittels ihren Empfehlungen zur Arbeitsmarktpolitik bisher von generellen Arbeitszeitverkürzungen als tauglichem Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit abgeraten. Eine Ausnahme betrifft einzelbetriebliche Massnahmen, bei denen die Arbeitszeit gleichzeitig flexibilisiert wird und die Arbeitnehmer bereit sind, gegebenenfalls Lohneinbussen in Kauf zu nehmen. Diese Schlussfolgerung wird auch in einer von der Aufsichtskommission des Fonds der Arbeitslosenversicherung in Auftrag gegebenen Studie gezogen (Blum/Zaugg, «Praxishandbuch Arbeitszeitmanagement ­ Beschäftigung durch innovative Arbeitszeitmodelle», Chur/Zürich 1999).

4137

5.4

Weitere Auswirkungen auf die Wirtschaft

5.4.1

Auswirkungen auf die Preise der Konsumgüter und auf den Aussenhandel

Die Unternehmen, welche hauptsächlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit weniger als dem eineinhalbfachen Durchschnittslohn beschäftigen, müssten eine grosse Zunahme ihrer Lohnkosten gewärtigen. Dabei geht es vor allem um Branchen mit geringer Wertschöpfung wie zum Beispiel das Gastgewerbe, die Landwirtschaft, den Detailhandel, die Textilbranche und die persönlichen Dienstleistungen. Wegen deren geringen Gewinnspanne müssten diese Sektoren ihre Verkaufspreise erhöhen.

Diese Preiserhöhungen laufen den Konsumenteninteressen zuwider. Es besteht ein grosses Risiko, dass die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sich von diesen Gütern und Dienstleistungen abwenden. Damit könnten für diese Branchen zusätzliche Schwierigkeiten entstehen.

Im Übrigen dürfte eine Preiserhöhung die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen auf den Auslandmärkten schwächen. Es ist bekannt, dass die Auslandnachfrage nach bestimmten Gütern und Dienstleistungen besonders heikel auf Preisschwankungen reagiert. So hängt zum Beispiel die Nachfrage im Tourismus in grossem Mass von Preisvergleichen zwischen den verschiedenen Ländern ab. Durch die Initiative würden fast sicher die Preise für Hotelübernachtungen und Mahlzeiten in Restaurants steigen. Die Preiserhöhungen hätten direkte Auswirkungen auf die Auslandnachfrage nach Tourismusangeboten in der Schweiz. Diese Entwicklung wäre für eine Branche, die bereits Schwierigkeiten hat, im internationalen Vergleich zu bestehen, sehr schädlich. Auch andere Sektoren könnten ähnliche Schwierigkeiten haben. Und schliesslich könnte die Zunahme der Lohnkosten einer Verlagerung der Produktion ins Ausland Vorschub leisten. Die Unternehmen hätten einen Anreiz, ihre Produktionsstätten in Länder mit geringeren Lohnkosten zu verlagern.

5.4.2

Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

Die Finanzierung der Sozialversicherungen erfolgt weitgehend über Lohnabzüge (mit Ausnahme der Krankenversicherung und der Ergänzungsleistungen). Die Initiative hat wegen der Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und die Löhne auch Auswirkungen auf die den Sozialabzügen unterstehende Lohnmasse und wird damit die Einnahmen der Sozialversicherungen beeinflussen. Längerfristig hat die Initiative auch Auswirkungen auf die Ausgaben der Sozialversicherungen, da deren Leistungen zumindest teilweise mit den einbezahlten Beiträgen und der Entwicklung von Preisen und Löhnen zusammenhängen.

Die obligatorische berufliche Vorsorge sollte die Veränderungen der Lohnmasse nicht zu spüren bekommen, da ihr System der Finanzierung durch Kapitalisierung im Prinzip ein Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen gewährleistet. Die finanzielle Situation der Arbeitslosenversicherung dagegen dürfte eher von den Auswirkungen der Initiative auf die Arbeitslosigkeit abhängen (welche vor allem die Ausgaben dieser Versicherung beeinflusst) als von jenen auf die Beschäftigungslage und die Löhne (welche vor allem die Einnahmen beeinflussen). Am meisten dürfte die Finanzierung der IV und vor allem der AHV (die durch Lohnabzüge gedeckten Ausgaben sind bei der AHV viel höher als bei der IV) die durch die Initiative aus-

4138

gelösten Veränderungen bei der Beschäftigungslage und den Löhnen zu spüren bekommen, mindestens kurzfristig.

Die Hypothesen der Urheber der Initiative (starke Zunahme der Stellen, hohe Garantie der Löhne) erscheinen nicht plausibel genug (vgl. Ziff. 5.1) für eine Berechnungsgrundlage, welche es erlauben würde, die finanziellen Auswirkungen der Initiative auf die Sozialversicherungen aufzuzeigen. Wegen der Unsicherheit der effektiven Auswirkungen der Initiative auf Beschäftigungslage, Arbeitslosigkeit, Löhne und Preise sind die langfristigen Auswirkungen auf die Sozialversicherungen schwer abzuschätzen. Auf Grund der Analyse der Auswirkungen der Initiative auf den Arbeitsmarkt (vgl. Ziff. 5.3) und der oben gemachten Bemerkungen ist der Bundesrat der Meinung, dass die Vorschläge der Initianten nicht zur Verbesserung der finanziellen Situation der Sozialversicherungen beitragen. Ganz im Gegenteil, die vorgeschlagenen Massnahmen könnten die erhoffte Erhöhung der Lohnmasse im Verlauf der nächsten Jahre hemmen. Daraus würde bei einigen Sozialversicherungen eine Finanzierungslücke entstehen, was angesichts der bereits schwierigen finanziellen Aussichten, welche diese mittel- und langfristig haben, wenig wünschenswert ist.

6

Auswirkungen für Bund, Kantone und Gemeinden

6.1

Bund

Die direkten Auswirkungen des in Absatz 3 der Übergangsbestimmung vorgesehenen Subventionsmechanismus auf den Bundeshaushalt können nicht quantifiziert werden, da nicht abgeschätzt werden kann, wie viele Unternehmen zu welchen Bedingungen finanzielle Entschädigungen durch den Bund erhalten würden. Es ist jedoch festzuhalten, dass dieser Subventionsmechanismus nicht nur auf undifferenzierte Art und Weise versucht, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern fragwürdige Anreize schafft. So ist anzunehmen, dass das Ausmass von Mitnahmeeffekten gross sein dürfte, wenn der Bund gemäss Absatz 3 der Übergangsbestimmung Unternehmen finanzielle Unterstützung gewährt, die Arbeitsplätze erhalten oder schaffen. Eine effektive Überprüfung, ob die fraglichen Arbeitsplätze nicht auch ohne finanziellen Beitrag des Bundes erhalten bzw. geschaffen worden wären, dürfte im Einzelfall schwierig sein. Mit einer Subventionierung von Arbeitsplätzen besteht zudem die Gefahr, dass Strukturen erhalten werden, die auf lange Frist nicht bestehen können. Ein auf diese Weise behinderter Strukturwandel könnte später schmerzliche Anpassungen erfordern. Im Weiteren ist fraglich, inwieweit bei befristeten Subventionen dauerhaft Arbeitsplätze gesichert werden können. Mit dem Ablauf der Subventionierungsfrist könnte der Druck auf den Bund zunehmen, den Erhalt der Arbeitsplätze bei subventionierten Unternehmen mit anderen Mitteln sicherzustellen.

Die Gefahr weiterer dirigistischer und für den Bund finanziell kostspieliger Massnahmen wäre gross. Schliesslich würde der vorgeschlagene Subventionsmechanismus einen erheblichen Kontrollaufwand bei den mit der Durchführung beauftragten Verwaltungsstellen erfordern, damit Missbräuche verhindert werden können.

Neben den zu gewährenden Subventionen hätte die Initiative aber auch direkte Auswirkungen auf die Personalausgaben der allgemeinen Bundesverwaltung, der Post und der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), da die Arbeitszeitverkürzung ­ mit der vorgesehenen Lohngarantie für kleine und mittlere Einkommen ­ auch von den öffentlichen Arbeitgebern einzuhalten wäre. Zu berücksichtigen gilt es dabei, dass insbesondere in der allgemeinen Bundesverwaltung die Grenzen der Effizienz4139

steigerung nach Realisierung der geplanten Sparmassnahmen weitgehend erreicht sein dürften. Die Annahme der Initiative hätte deshalb mit grosser Wahrscheinlichkeit höhere Personalausgaben zur Folge ­ es sei denn, der Bund würde keine neue Stellen schaffen, sondern sein Dienstleistungsangebot abbauen. Schliesslich ist zu erwähnen, dass die Umsetzung des Subventionsmechanismus mit einem erheblichen administrativen Aufwand verbunden wäre, der eine Aufstockung des Personals bei den entsprechenden Bundesstellen erfordern dürfte. Als Arbeitgeber beziehungsweise Eigner der Unternehmungen Post und SBB betrachtet der Bundesrat Arbeitszeitverkürzungen zwar als fallweise geeignetes Mittel seiner Personalpolitik. Er behält sich vor, beschäftigungswirksame arbeitszeitliche Massnahmen zu ergreifen, um in einzelnen Bereichen der Bundesverwaltung einem Personalüberhang entgegenzuwirken. Deshalb unterstützt der Bundesrat auch die von der SBB und ihren Sozialpartnern ausgehandelte Einführung der 39-Stunden-Woche auf den 1. Juni 2000.

Die Initiative dürfte jedoch auch indirekte Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte haben. Da die Arbeitszeitverkürzung bis zu einer bestimmten Lohnhöhe nicht durch Lohnkürzungen kompensiert werden kann, steigen die Lohnkosten der Unternehmen. Dadurch sinkt deren Wettbewerbsfähigkeit, was die Gewinne reduziert.

Längerfristig kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschäftigung und unter Umständen auch die Lohnsumme abnehmen. Die Auswirkungen auf das Steuersubstrat könnten somit tendenziell ungünstig ausfallen. Da im Weiteren die Löhne im oberen Teil der Lohnskala mit der Verringerung der Arbeitszeit gekürzt werden dürften, verschieben sich die Empfänger dieser Löhne in eine niedrigere Progressionsstufe. Dadurch sinkt das Aufkommen bei den direkten Bundessteuern. Schliesslich könnte die Initiative Mehraufwendungen bei der Arbeitslosenversicherung verursachen, da die Verteuerung des Faktors Arbeit im unteren Bereich der Lohnskala tendenziell zu mehr Arbeitslosen führt.

6.2

Kantone und Gemeinden

Da die Arbeitszeitverkürzung auch für die öffentlich-rechtlichen Angestellten- und Dienstverhältnisse zur Anwendung gelangen würde, dürfte die Umsetzung der Initiative auch bei den Kantonen und Gemeinden entweder zu höheren Personalausgaben oder aber zu einem Leistungsabbau führen. Davon wären in besonderem Masse die sog. Schichtbetriebe wie Spitäler, Heime, Verkehrsbetriebe, Entsorgungsunternehmen, Polizei oder Gefängnisse betroffen. Hinzu kommt, dass bei den kantonalen Arbeitsinspektoraten möglicherweise ein personeller Mehrbedarf für den Vollzug (Durchsetzung und Kontrolle) der Arbeitszeitverkürzung entstehen würde.

Ähnlich wie beim Bund müssten zudem auch Kantone und Gemeinden mit einem geringeren Aufkommen bei den direkten Steuern rechnen.

Auch Kantone und Gemeinden sind in der Regel nicht grundsätzlich gegen Arbeitszeitverkürzungen eingestellt. Es sollte aber dem einzelnen Kanton oder der einzelnen Gemeinde überlassen bleiben zu entscheiden, ob und wann eine solche Massnahme erwünscht und verkraftbar erscheint.

4140

7

Beurteilung der Initiative im Hinblick auf die Ziele der Initianten

Das ursprüngliche Hauptziel der Initianten ­ die Beseitigung der Erwerbslosigkeit ­ ist derzeit von geringerer Bedeutung, da die Zahl der Stellensuchenden und der Arbeitslosen seit Lancierung der Initiative (Frühjahr 1998) stark zurückgegangen ist.

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist es unwahrscheinlich, dass die Arbeitslosigkeit durch die vorgeschlagene generelle Arbeitszeitverkürzung wesentlich reduziert oder gar beseitigt werden kann.

Ob die Initiative zu der von den Initianten gewünschten Umverteilung der Erwerbsund Nichterwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern führen würde, erscheint uns ebenfalls fraglich. Hiezu bedürfte es vielmehr vor allem des Willens der Gesellschaft. Dass eine Volksinitiative mit der entsprechenden Zielsetzung nicht zustande gekommen ist (Eidg. Volksinitiative «Arbeitsverteilung», BBl 1999 2625), spricht aber eher gegen eine Verankerung dieses Anliegens in der Bevölkerung. Die mit der vorliegenden Initiative verlangte generelle Arbeitszeitverkürzung von durchschnittlich sechs Stunden pro Woche würde zwar objektiv mehr Zeit geben für nebenberufliche Aktivitäten, für die Kinderbetreuung oder die Betreuung von alten Familienmitgliedern, für Nachbarschaftshilfen und andere unbezahlte Arbeit. In diesem Sinne könnte eine generelle Arbeitszeitverkürzung etwas beitragen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ob die einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die gewonnene Freizeit tatsächlich für Familienarbeit oder andere unbezahlte Arbeit verwenden würden, ist jedoch eine andere Frage. Damit Eltern Erwerbs- und Familienarbeit kombinieren können, wären weitere Massnahmen nötig wie z.B. ein verbessertes Angebot an familienexternen Betreuungsmöglichkeiten (Krippen, Tagesschulen). Dies kann jedoch nicht mit der vorliegenden Initiative erreicht werden und kann den dafür zuständigen Gemeinwesen vom Bund auch nicht vorgeschrieben werden.

Das dritte Ziel ­ Erhöhung der Lebensqualität durch zusätzlich gewonnene Freizeit ­ würde dagegen wohl mehrheitlich erreicht. Es ist aber zu bedenken, dass auch eine ausgefüllte und befriedigende Arbeit zur Lebensqualität gehört und kürzere Arbeitszeiten nicht bei allen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend zu einer höheren Lebensqualität führen werden. Schliesslich gilt es festzuhalten, dass mit der angestrebten
generellen Arbeitszeitverkürzung eben auch erhebliche Risiken (wie Lohneinbussen für höhere Einkommen oder möglicher Arbeitsplatzverlust) verbunden sind, die die gewonnene Freizeit trüben könnten.

8

Schlussfolgerung

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» aus den angeführten wirtschaftlichen, arbeitsmarktlichen, rechtlichen und praktischen Gründen ab. Die mit der Initiative angestrebte stufenweise Herabsetzung der Arbeitszeit mit Lohngarantie für kleine und mittlere Einkommen hätte weitreichende, zum Teil nicht absehbare Konsequenzen für unsere Wirtschaft. Die starre Regelung der Arbeitszeit für sämtliche Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen auf Verfassungsstufe kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Branchen und Betriebe nicht gerecht werden. Der Bundesrat ist grundsätzlich für eine Verkürzung der Arbeitszeit. Diese soll aber weiterhin in erster Linie Sache der Sozialpartner bleiben, die am besten abschätzen können, inwieweit eine Arbeitszeitverkürzung für ihre 4141

Branche möglich ist. Diese Lösung ermöglicht der Schweizer Wirtschaft auch die notwendige Flexibilität im Hinblick auf konjunkturelle Schwankungen. Für die Zukunft nicht auszuschliessen sind selbstverständlich Änderungen auf Gesetzesstufe.

Allerdings hat es das Parlament bei der erst kürzlich erfolgten Revision des Arbeitsgesetzes klar abgelehnt, die Bestimmungen über die Höchstarbeitszeit in die Revision einzubeziehen.

Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten aus den erwähnten Gründen, die Volksinitiative «für eine kürzere Arbeitszeit» Volk und Ständen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

11017

4142