11.004 Jahresbericht 2010 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 27. Januar 2011

Sehr geehrte Herren Präsidenten, Sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen gestützt auf Artikel 55 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10) den Bericht über die Tätigkeit der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation im Jahr 2010 und bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Dieser Bericht gibt Auskunft über die wichtigsten während des Berichtsjahrs vorgenommenen Kontrollen sowie über ihre Ergebnisse und die daraus zu ziehenden Lehren. Ein besonderes Augenmerk gilt auch den Folgen, die den Empfehlungen der Kommissionen und der Delegation gegeben wurden.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Januar 2011

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Der Präsident der GPK-S: Claude Janiak, Ständerat Die Präsidentin der GPK-N: Maria Roth-Bernasconi, Nationalrätin

2011-0239

4045

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

4048

1 Einleitung 1.1 Jahresprogramm 2010 und wichtige Geschäfte des Berichtsjahrs 1.2 Veröffentlichte Berichte und Briefe an den Bundesrat 1.3 Ausblick

4052 4052 4054 4055

2 Auftrag und Organisation 2.1 Aufgaben und Kompetenzen der GPK 2.1.1 Aufgaben 2.1.2 Aufsichtsbereich 2.1.3 Informationsrechte und Vertraulichkeit der Arbeiten 2.1.4 Pa.Iv. Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen 2.2 Organisation der Arbeiten und Überblick über die behandelten Geschäfte

4055 4055 4055 4056 4057

3 Ausgewählte Themen 3.1 Wirtschafts- und Finanzpolitik 3.1.1 Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA 3.1.2 Nutzung des RemoteGate von SWIFT für inländische Zahlungen in der Schweiz 3.1.3 Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement 3.2 Soziale Sicherheit und Gesundheit 3.2.1 Neufestsetzung der Labortarife 3.2.2 «Prämiengenehmigung» in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung 3.2.3 Krankenversicherungsgesetz: Bessere Umsetzung der Qualitätssicherung 3.2.4 Abklärung einzelner Aspekte der Organisation der Bekämpfung der Grippepandemie 3.2.5 Lobbyarbeit mit Bundesmitteln (Pro Audito) 3.3 Umwelt, Verkehr und Infrastruktur 3.3.1 Geschäftsprüfungsaudit zum Bundesamt für Umwelt (BAFU) 3.3.2 Sicherheit in der Zivilluftfahrt 3.4 Internationale Beziehungen und Aussenhandel 3.4.1 Kohärenz und strategische Führung der Aktivitäten der DEZA 3.4.2 Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen 3.4.3 Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz 3.5 Staat und Verwaltung 3.5.1 Corporate Governance 3.5.2 Die strategische politische Steuerung des Bundesrates

4066 4066

4046

4059 4061

4066 4075 4076 4077 4077 4079 4080 4080 4081 4082 4082 4083 4083 4083 4084 4096 4097 4097 4100

3.5.3 Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeits-beauftragter und Öffentlichkeitsgesetz 3.5.4 Probleme bei der Führung des Personals des Stabs des ETH-Rats 3.5.5 Standardisierung von Informatikprodukten in der Bundesverwaltung 3.5.6 Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen 3.6 Justizwesen 3.6.1 Oberaufsicht über die Eidgenössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft: Koordination unter den parlamentarischen Kommissionen 3.6.2 Umstände des Rücktritts eines eidgenössischen Untersuchungsrichters 3.6.3 Neu- und Umbau des Bundesstrafgerichts 3.7 Sicherheit 3.7.1 Rüstungsbeschaffung im VBS 3.7.2 Umstände der Ernennung des Armeechefs 3.7.3 Risikoreporting zuhanden des Bundesrates 3.8 Staatsschutz und Nachrichtendienste 3.8.1 Aufgaben, Rechte und Organisation der GPDel 3.8.2 Einsicht des Bundesrats in die Untersuchungsunterlagen der GPDel im Fall Libyen 3.8.3 Information der GPDel über geheime Bundesratsbeschlüsse (Nachkontrolle zum Fall Tinner) 3.8.4 Datenbearbeitung im Staatsschutzinformations-system ISIS 3.8.5 Treffen der parlamentarischen Aufsichtsorgane über die Nachrichtendienste der EU-Staaten 3.8.6 Aufsicht über die Einhaltung der Vorgaben des ZNDG bei der Datenbearbeitung im NDB 3.8.7 Pilotversuch ISAS 3.8.8 Regelung der Datenfelder von ISAS und ISIS

4101 4102 4105 4106 4107 4107 4107 4108 4109 4109 4110 4111 4113 4113 4116 4118 4119 4122 4123 4128 4131

4 Geschäftsberichte 2009 und weitere Berichte 4.1 Geschäftsbericht 2009 des Bundesrats 4.2 Geschäftsbericht 2009 des Bundesgerichts 4.3 Weitere von den GPK behandelte Berichte

4135 4135 4135 4136

Anhang Jahresbericht 2010 der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle

4139

4047

Abkürzungsverzeichnis AAD-10 AbBA AHVG APK ASTRA ATSG BA BAG BankG BAZL BBl BGer BGÖ BJ BK BLW BPG BStGer BSV BV BVGer BWIS BWO CEO DAP DEZA DOJ DSG DV/EDA EBK EDA EDI EDÖB EFD EFK 4048

Armee-Aufklärungs-Detachement 10 Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft Bundesgesetz vom 20.12.1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10) Ausserpolitische Kommissionen Bundesamt für Strassen Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1) Bundesanwaltschaft Bundesamt für Gesundheit Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, SR 952.0) Bundesamt für Zivilluftfahrt Bundesblatt Bundesgericht Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, SR 152.3) Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Bundesamt für Landwirtschaft Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (SR 172.220.1) Bundesstrafgericht Bundesamt für Sozialversicherungen Bundesverfassung (SR 101) Bundesverwaltungsgericht Bundesgesetz vom 21. März 1997 über die Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (SR 120) Bundesamt für Wohnungswesen Chief Executive Officer (geschäftsführende Vorstandsmitglied) Dienst für Analyse und Prävention Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Department of Justice Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1) Direktion für Völkerrecht Eidgenössische Bankenkommission Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzkontrolle

EFV eidg.

EJPD EMEA ESBK ESTV ETCS ETH-Rat EU EVD Fachstelle PSP FED FinDel FINMA FK FK-N FK-S FUB GPDel GPK GPK-BS GPK-N GPK-S GRN GRS GSK GWM&BB ICAO IDHEAP IGE IOS IRB IRS ISAS ISIS ISIS-NT ISV-NDB

Eidgenössische Finanzverwaltung Eidgenössisch/e Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement European Medicines Agency (Europäische Arzneimittel-Agentur) Eidgenössische Spielbankenkommission Eidgenössische Steuerverwaltung European Train Control System Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen Europäische Union Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen Federal Reserve System (Amerikanische Zentralbank) Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finanzkommissionen Finanzkommission des Nationalrats Finanzkommission des Ständerats Führungsunterstützungsbasis Geschäftsprüfungsdelegation Geschäftsprüfungskommissionen Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats Geschäftsprüfungskommission des Ständerats Geschäftsreglement des Nationalrats vom 3. Oktober 2003 (SR 171.13) Geschäftsreglement des Ständerats vom 20. Juni 2003 (SR 171.14) Generalsekretärenkonferenz Global Wealth Management & Business Banking Internationale Zivilluftfahrt-Organisation Institut de hautes études en administration publique Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum Informations- und Objektsicherheit Informatikrat des Bundes Internal Revenue Service (Amerikanische Steuerbehörde) Informationssystem Äussere Sicherheit Informatisiertes Staatsschutz-Informationssystem Informatisiertes Staatsschutz-Informationssystem -Neue Technologie Verordnung vom 4. Dezember 2009 über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (SR 121.2) 4049

IWF KLV KVFs KVG KVV MG MKG MND NAD NDB Neat NGO NLR OECD OKP PA V Pa.Iv.

ParlG PSPV PublV PublG PUK PUK-EJPD PVK QIA RAB RVOG

4050

Internationaler Währungsfonds Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung; Krankenpflege-Leistungsverordnung (SR 832.112.31) Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10) Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (SR 832.102) Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz; SR 510.10) Militärkassationsgericht Militärischer Nachrichtendienst Neat-Aufsichtsdelegation Nachrichtendienst des Bundes Neue Eisenbahn-Alpentransversale Non Government Organizations (Sammelbegriff für nichtstaatliche Organisationen) National Aerospace Laboratory Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Obligatorische Krankenpflegeversicherung Politische Abteilung V des EDA Parlamentarische Initiative Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) Verordnung vom 19. Dezember 2001 über die Personensicherheitsprüfungen (SR 120.4) Verordnung vom 17. November 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (Publikationsverordnung; SR 170.512) Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (Publikationsgesetz; SR 170.512) Parlamentarische Untersuchungskommission Parlamentarischen Untersuchungskommission für die Überprüfung der Amtsführung im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement Parlamentarische Verwaltungskontrolle Qualified Intermediary Agreement Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010)

SAP SBB SEC SECO SERV SGK-N SiA SMS SNB SND SPK-N SR StBOG StGB SWIFT Swissmedic UBS UKI URA USA USOAP UVEK VA VBS VEKF V-NDB VSPA ZNDG

Integrierte betriebswirtschaftliche Standardsoftware Schweizerische Bundesbahnen Securities an Exchange Commission (US-Börsenaufsicht) Staatssekretariat für Wirtschaft Schweizerische Exportrisikoversicherung Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats Sicherheitsausschuss des Bundesrates Short Message Service (Kurznachrichtendienst) Schweizerische Nationalbank Strategischer Nachrichtendienst Staatspolitischen Kommission des Nationalrates Systematische Rechtssammlung Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz; Referendumsvorlage: BBl 2010 2031) Schweizerisches Strafgesetzbuch (SR 311.0) Socitey for Worldwide Interbank Financial Telecommunication Schweizerisches Heilmittelinstitut Union de banques suisses Unabhängige Kontrollinstanz Untersuchungsrichteramt United States of America (Vereinigte Staaten) Universal Safety Oversight Audit Programme Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Verteidigungsattaché Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Verordnung vom 15. Oktober 2003 über die elektronische Kriegführung (SR 512.292) Verordnung vom 4. Dezember 2009 über den Nachrichtendienst des Bundes (SR 121.1) Verordnung vom 3. Mai 2006 über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland (SR 513.76) Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (Ziviles Nachrichtendienstgesetz; SR 121)

4051

Bericht 1

Einleitung

Der vorliegende Jahresbericht soll einen Überblick über die Tätigkeiten der parlamentarischen Aufsicht der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) im Jahr 2010 bieten sowie Informationen über die Arbeitsmethoden und -prozesse, über die Probleme im Zusammenhang mit bestimmten Aufsichtsgeschäften und über die am Ende des Kalenderjahres erzielten Ergebnisse vermitteln. Der Jahresbericht enthält zum Teil Informationen, die bisher noch nicht veröffentlicht wurden.

Die GPK haben den vorliegenden Bericht an der Plenarsitzung vom 27. Januar 2011 einstimmig gutgeheissen und beschlossen, ihn zu veröffentlichen. Der Berichtsentwurf wurde gemäss Artikel 157 Parlamentsgesetz (ParlG1) den betroffenen Behörden zur Stellungnahme unterbreitet. Die abgegebenen Stellungnahmen wurden von den GPK und der GPDel geprüft und soweit als möglich berücksichtigt.

1.1

Jahresprogramm 2010 und wichtige Geschäfte des Berichtsjahrs

Anlässlich der Verabschiedung des Jahresprogramms 2010 durch die beiden GPK Ende Januar 2010 wurden vier neue Inspektionen beschlossen. In der Folge erhielt die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) den Auftrag, folgende vier Evaluationen durchzuführen: 1.

Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren auf Bundesebene

2.

Monitoring zu den flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit

3.

Praxis des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB

4.

Steuerung der Sozialversicherungen

Alle diese Inspektionen sollen vor Ende der laufenden Legislatur durch die GPK abschliessend behandelt werden können.

Die schon im 2009 beschlossene Evaluation zur «Wahrnehmung von wichtigen Funktionen und Führungsaufgaben durch die Schweiz in internationalen Organisationen am Beispiel des Präsidiums der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates» wird im 2011 abgeschlossen.

Nach wie vor sistiert, ist die Inspektion der Geschäftsprüfungskommission des Natioanlrats (GPK-N) zur Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat, nachdem seitens des Bundesrates in diesem Dossier die Informationsrechte der GPK bestritten und deshalb der GPK-N die notwendigen Informationen nicht übermittelt wurden.

Diese Situation stellt für die GPK ein ernsthaftes Problem für die Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auftrags dar. Sie wird im kommenden Jahr im Gespräch mit dem 1

Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10).

4052

Bundesrat versuchen, die Situation zu deblockieren und ihre Inspektion weiterzuführen.

Aufgrund der gewichtigen Inspektion zum Behördenverhalten vor und während der Finanzkrise und zum Behördenverhalten bei der Übergabe von UBS-Kundendaten mussten die GPK schon im Frühjahr alle Tätigkeiten sistieren, die keinen Zusammenhang mit dieser Inspektion, dem Geschäftsbericht 2009 des Bundesrates und der Inspektion zum Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen aufwiesen. Die unter grossem politischen Druck Ende Mai 2010 abgeschlossene Inspektion zeigte klar die Ressourcengrenzen der GPK und ihres Sekretariats auf. In der Folge mussten die GPK Ende Juni 2010 erneut eine Standortbestimmung und eine klare Prioritätensetzung vornehmen.

Aufgrund der ebenfalls grossen und ressourcenintensiven Inspektion zu Libyen, welche anfangs Dezember 2010 abgeschlossen werden konnte, war es den GPK auch in der zweiten Jahreshälfte nur beschränkt möglich, sistierte Arbeiten fortzuführen oder weitere Dossiers zu vertiefen.

Wegen dieser äusserst angespannten Ressourcensituation insbesondere auf Stufe des Sekretariats GPK/GPDel beantragten die GPK zuerst bei der Verwaltungsdelegation zusätzliche Ressourcen. Die Verwaltungsdelegation ergriff in der Folge bis Ende 2010 befristete Sofortmassnahmen, welche die Ressourcensituation bis zu einem gewissen Grad entschärften. Sie beantragte ebenfalls, diese zusätzlichen Ressourcen ab dem nächsten Budget unbefristet weiterzuführen. Dies wurde durch die GPK begrüsst. Die Kommissionen stellten jedoch ebenfalls fest, dass diese zusätzlichen Ressourcen nur knapp ausreichen, um die in den letzten Jahren gestiegene Arbeitslast der GPK ­ ohne Sonderinspektionen wie zur Finanzkrise und zu Libyen ­ einigermassen abzudecken. Um die Personalsituation in ihrem Sekretariat nachhaltig zu verbessern und auch einen gewissen Spielraum beim Aufnehmen aktueller Themen zu bewahren, beantragten die GPK den Finanzkommissionen (FK) beider Räte eine grössere Erhöhung des Stellenetats ihres Sekretariats, nämlich um 3.8 Stellen. Eine Minderheit der Finanzkommission des Nationalrats (FK-N) unterstützte diesen Antrag, während deren Mehrheit und die Finanzkommission des Ständerats (FK-S) dem Antrag der Verwaltungsdelegation folgten (+1.8 Stellen). Im Rahmen der Beratung
des Budgets 2011 beschlossen die eidg. Räte dem Antrag der GPK zu folgen, also den Stellenetat des Sekretariats GPK/GPDel ab 2011 um 3.8 Stellen zu erhöhen.

Seitens der GPDel konnte am 21. Juni 2010 eine grössere Inspektion zur Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem (ISIS) mit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts abgeschlossen werden. Dieser Bericht wurde in der Öffentlichkeit sehr diskutiert; dies auch vor dem Hintergrund, dass in diesem Bereich vor Jahren eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt worden war.

Nebst den schon erwähnten Inspektionen konnten die GPK drei weitere Untersuchungen im Berichtsjahr abschliessen (Evaluation der Eidg. Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement/Umstände des Rücktritts eines Eidg. Untersuchungsrichters / Risikoreporting zuhanden des Bundesrats).

Auch dazu finden sich weiter hinten in diesem Jahresbericht detaillierte Ausführungen.

Es ist ebenfalls daran zu erinnern, dass die GPK Abklärungen und Untersuchungen durchführen, die aufgrund ihres geringeren Umfangs nicht in einer eigens dafür 4053

vorgesehenen Publikation ihrer Resultate münden. Der Jahresbericht der GPK/GPDel schliesst diese Lücke teilweise, indem er über einzelne dieser Untersuchungen bzw. Arbeiten informiert. Als Beispiele können hier folgende Untersuchungen und Arbeiten genannt werden: Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter und Öffentlichkeitsgesetz (Ziff. 3.5.3), Probleme bei der Führung des Personals des Stabs des ETH-Rats (Ziff. 3.5.4), Standardisierung von Informatikprodukten in der Bundesverwaltung (Ziff. 3.5.5), Verstärkte Koordination unter den parlamentarischen Kommissionen bei der Oberaufsicht über die Eidgenössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft (Ziff. 3.6.1), Neu- und Umbau des Bundesstrafgerichts (Ziff. 3.6.3), die Aktivititäten der GPDel (Ziff. 3.8 mit Ausnahme der Ziff. 3.8.4.).

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK-S) arbeitete im Berichtsjahr auch ihre parlamentarische Initiative (Pa.Iv.) zur Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen (10.404) aus. Die Revisionsvorlage soll den GPK erlauben, über eine Präzisierung ihrer Informationsrechte dieselben gegenüber dem Bundesrat und der Bundesverwaltung besser durchzusetzen. Dadurch soll es den GPK ermöglicht werden, ihre Oberaufsichtsfunktion wieder vollumfänglich wahrzunehmen. Die Pa.Iv. wird in der Frühlingssession 2011 im Ständerat behandelt werden. Die GPK haben im Weiteren im 2010 verschiedene Mitberichte eingereicht.

So äusserten sie sich z.B. zur Pa.Iv. der FK-N «Parlamentarisches Instrumentarium zu den strategischen Zielen der verselbständigten Einheiten» (07.494) und auch zur Pa.Iv. der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) «Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen» (09.402).

1.2

Veröffentlichte Berichte und Briefe an den Bundesrat

Gemäss ihren Handlungsgrundsätzen publizieren die GPK in der Regel ihre Untersuchungsresultate. Nebst ihren Medienmitteilungen veröffentlichten die GPK im Berichtsjahr folgende sieben Berichte bzw. Briefe (Kurzbericht in Form des Briefs): ­

Jahresbericht 2009 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 22. Januar 2010

­

Inspektion «Umstände des Rücktritts eines Eidg. Untersuchungsrichters».

Bericht der GPK-N/S vom 22. Januar 2010

­

Inspektion «Die strategische politische Steuerung des Bundesrates». Bericht der PVK, überwiesen und veröffentlicht von der GPK-N/S vom 16. und 26. Februar 2010

­

lnspektion «Risikoreporting zuhanden des Bundesrats». Bericht der GPKN/S vom 28. Mai 2010

­

Inspektion «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA». Bericht der GPK-N/S vom 30. Mai 2010

­

Inspektion «Evaluation der Eidg. Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement». Bericht der GPK-S vom 12. Oktober 2010

4054

­

Inspektion «Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen». Bericht der GPK-S vom 3. Dezember 2010.

Zusätzlich wurde ein Bericht der GPDel veröffentlicht: ­

Inspektion «Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS».

Bericht der GPDel vom 21. Juni 2010

Alle diese Berichte erscheinen im Bundesblatt (BBl) und sind auf der Internetseite der GPK bzw. der GPDel abrufbar.

1.3

Ausblick

Im Jahr 2011 steht die Fortsetzung der laufenden Arbeiten im Vordergrund. Wichtige Geschäfte dieses Jahres wurden einleitend schon genannt2. Bis zum Ende der Legislatur gilt es, möglichst alle Inspektionen abzuschliessen, was angesichts der Anzahl laufender Inspektionen eine Herausforderung für die GPK, ihr Sekretariat und die PVK darstellen wird. Deshalb werden für das Jahr 2011 auch keine neuen Evaluationen beschlossen.

2

Auftrag und Organisation

2.1

Aufgaben und Kompetenzen der GPK

2.1.1

Aufgaben

Bei den GPK handelt es sich um parlamentarische Kommissionen, die im Auftrag der eidg. Räte die Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Bundesrats und der Bundesverwaltung, der Eidg. Gerichte sowie der anderen Träger von Aufgaben des Bundes wahrnehmen. Diese Zuständigkeit ist in Artikel 169 der Bundesverfassung (BV)3, aber auch in Artikel 52 Parlamentsgesetz (ParlG) festgelegt.

Die Aufgaben und Zuständigkeiten der GPK werden hauptsächlich in den Artikeln 2627, 5255 und 153158 ParlG sowie in weiteren Gesetzes-4 und Verordnungstexten5 definiert.

Bei der Ausübung ihres Auftrags überprüfen die GPK hauptsächlich, ob die Bundesbehörden im Sinne der Verfassung und der Gesetze handeln und ob die vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben richtig erfüllt worden sind (Überprüfung der Recht2 3 4

5

Ziff. 1.1 Bundesverfassung (BV; SR 101).

Art. 32 des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial vom 13.12.1996 (KMG; SR 514.51), Art. 5 Abs. 1 des Bundespersonalgesetzes vom 24.3.2000 (BPG; SR 172.220.1), Art. 8 Abs. 1 der Verordnung vom 10.6.2004 über die Stellen- und Personalbewirtschaftung im Rahmen von Entlastungsprogrammen und Reorganisationen (SR 172.220.111.5), Art. 20 des Bundesbeschlusses vom 4.10.1991 über den Bau der schweizerischen Eisenbahn- und Alpentransversale (Alpentransit-Beschluss; SR 742.104) oder Art. 10 des Bundesgesetzes vom 18.3.2005 über den Anschluss der Ost- und der Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz (HGVAnG; SR 742.140.3).

Handlungsgrundsätze der GPK vom 29.8.2003 und 4.9.2003, die im Jahresbericht 2002/2003 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 23.1.2004 veröffentlicht wurden (BBl 2004 1673 ff.).

4055

mässigkeit). Zudem achten sie darauf, dass die vom Staat getroffenen Massnahmen sinnvoll sind und dass die Bundesbehörden ihren Entscheidungsspielraum richtig nutzen (Überprüfung der Zweckmässigkeit). Schliesslich kontrollieren sie auch die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen mit Blick auf die vom Gesetzgeber gesetzten Ziele.

Die GPK erfüllen ihre Aufgaben, indem sie: ­

Inspektionen durchführen;

­

die PVK mit Evaluationen und Audits beauftragen;

­

den jährlichen Geschäftsbericht des Bundesrats und den Tätigkeitsbericht des Bundesgerichts (BGer) sowie die Jahresberichte anderer Organe des Bundes prüfen;

­

die Berichte behandeln, welche ihnen der Bundesrat, die Departemente und weitere Stellen vorlegen müssen;

­

Behörden und Dienststellen des Bundes besuchen;

­

von Dritten eingereichte Aufsichtseingaben behandeln;

­

Empfehlungen an den Bundesrat, an die Departemente und an die Eidg.

Gerichte richten;

­

die Umsetzung früherer Empfehlungen kontrollieren.

Die GPK können ausserdem für technische Fragestellungen zeitlich befristet Experten beiziehen.

Die GPK erstatten dem Parlament über die Hauptergebnisse der Arbeit ihrer Tätigkeit einmal jährlich Bericht (Art. 55 ParlG). Dieser Jahresbericht wird in der Frühlingssession in den beiden Räten erörtert.

2.1.2

Aufsichtsbereich

Der Aufsichtsbereich der GPK ist äusserst umfangreich: Er umfasst sämtliche Tätigkeiten des Bundesrats und der Einheiten der Bundesverwaltung sowie der Eidg.

Gerichte, wobei deren Rechtsprechung von der Aufsicht ausgenommen ist (Art. 30 Abs. 1 und Art. 191 BV, Art. 26. Abs. 4 ParlG).

Auch alle öffentlich-rechtlichen und privaten Körperschaften sowie die natürlichen und juristischen Personen, die Träger von Bundesaufgaben sind, unterliegen der parlamentarischen Oberaufsicht, auch wenn diese in der Praxis weniger direkt ist als gegenüber den Dienststellen der Zentralverwaltung. Im Bereich der parlamentarischen Oberaufsicht über die ausgelagerten Einheiten laufen zurzeit verschiedene Arbeiten zur Frage, wie weit die Kontrolltätigkeit der FK und der GPK gehen soll6.

Die Kantone sind ebenfalls der Aufsicht der GPK unterstellt, soweit sie mit der Umsetzung von Bundesrecht beauftragt sind (Art. 46 Abs. 1 und Art. 49 Abs. 2 BV).

Die GPK wie auch die GPDel üben ihre Oberaufsichtsfunktion sowohl nachträglich wie auch begleitend aus.

6

Ziff. 3.5.1

4056

Nebst den Geschäften, welche die GPK von Gesetzes wegen prüfen müssen, bestimmen sie ihre Untersuchungsgegenstände autonom und setzen ihre Arbeitsschwerpunkte nach eigenem Ermessen. Zu diesem Zweck erstellen sie jedes Jahr ein Programm, das die Prioritäten für die Aufsicht in jedem Verwaltungsbereich festlegt. Ab und zu erhalten die GPK Mandate von den eidg. Räten oder von anderen parlamentarischen Kommissionen. Die Arbeitsplanung wird regelmässig aktualisiert, um auch im Laufe des Jahres auftauchende unvorhergesehene Bedürfnisse abzudecken.

2.1.3

Informationsrechte und Vertraulichkeit der Arbeiten

Für die Wahrnehmung ihrer Oberaufsichtsaufgabe verfügen die GPK über weit reichende Auskunftsrechte (Art. 150 und 153 ParlG). Die Kommissionen haben insbesondere das Recht, alle Behörden, Dienststellen und übrigen Träger von Bundesaufgaben direkt zu befragen, und sie können von diesen alle zweckdienlichen Auskünfte verlangen. Die Kommissionen bestimmen selbst, welche Personen der beaufsichtigten Einheiten sie anhören wollen ­ mit der einzigen Auflage, die politische vorgesetzte Behörde (Bundesrat, Eidg. Gerichte) vorgängig zu informieren.

Sie sind somit auch nicht an den Dienstweg der Verwaltung oder der Gerichte gebunden. Die politisch vorgesetzten Behörden können verlangen, sich vor der Anhörung eines ihrer Unterstellten gegenüber den GPK äussern zu können (Art. 153 Abs. 3 ParlG und Art. 162 Abs. 1 Bst. c ParlG). Das Amtsgeheimnis findet bei Anhörungen von Bediensteten des Bundes durch die GPK keine Anwendung und es kann deshalb durch die angehörten Personen nicht vorgebracht werden, um eine Aussage vor den GPK zu verweigern. Die GPK sind ausserdem berechtigt, sämtliche Dienststellen des Bundes mit oder ohne Vorankündigung zu besuchen.

Bei den Informationsrechten der GPK gibt es nur zwei Einschränkungen. Erstens haben die GPK keinen Anspruch auf Unterlagen, die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesratskollegiums dienen. Darunter fallen insbesondere die Mitberichte der Departemente. Doch auch der Zugriff auf Mitberichtsakten darf nicht generell ausgeschlossen werden, sondern nur insoweit, als sie zum Schutz des Kollegialitätsprinzips geheim gehalten werden müssen. Zweitens sind die GPK nicht berechtigt, Informationen zu verlangen, die im Interesse des Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste geheim zu halten sind (Art. 150 Abs. 2 ParlG).

Ist in einem konkreten Fall die Tragweite und die Ausübung der Informationsrechte der GPK oder der GPDel strittig, so sieht das ParlG eine klare Regelung vor: «Sie entscheiden endgültig über die Ausübung ihrer Informationsrechte.» (Art. 153 Abs. 4 erster Satz ParlG). Der Bundesrat kann in solchen Fällen die GPK zwar im Sinne von Artikel 153 Absatz 3 ParlG darauf aufmerksam machen, dass nach seiner Beurteilung das Informationsbegehren unter eine der beiden erwähnten Ausnahmekategorien fällt, und die GPK haben selbstredend die Pflicht, die Einwände des
Bundesrats zu prüfen. Danach entscheiden sie jedoch abschliessend über die Tragweite und die Ausübung ihrer Informationsrechte, und dieser Entscheid ist auch für den Bundesrat verbindlich. Diese abschliessende Entscheidungskompetenz der Aufsichtskommissionen gewährleistet, dass nicht die Exekutive als kontrolliertes Organ, sondern die GPK als das kontrollierende Organ über die Tragweite und Ausübung der Informationsrechte im Einzelfall bestimmen. Wird vom Bundesrat

4057

geltend gemacht, das verlangte Dokument falle in die Kategorie des Staatsschutzes, ziehen die GPK die GPDel bei, um über diese Frage zu befinden.

Diese beiden erwähnten Vorbehalte bei den Informationsrechten der GPK gelten nicht für die GPDel. Diese verfügt gemäss Artikel 169 Absatz 2 BV und Artikel 154 ParlG über uneingeschränkte Informationsrechte gegenüber den ihrer Aufsicht unterworfenen Behörden und Organen. Sie kann nicht nur alle für die Ausübung ihrer Aufgaben notwendigen Informationen verlangen, sondern dazu auch formelle Zeugeneinvernahmen anordnen (Art. 155 ParlG). Weder das Amts- noch das Militärgeheimnis können ihr entgegengehalten werden.

Die weitgehenden Auskunftsrechte der GPK und der GPDel erfordern im Gegenzug eine Vertraulichkeitspflicht und einen verantwortungsvollen Umgang mit derselben.

Die GPK sind deshalb gehalten, geeignete Vorkehren für den Geheimnisschutz zu treffen (Art. 150 Abs. 3 ParlG)7. Die Mitglieder der GPK sind zudem hinsichtlich aller Tatsachen, von denen sie im Rahmen ihres Mandats Kenntnis erhalten, an das Amtsgeheimnis gebunden (Art. 8 ParlG). Verletzungen des Amtsgeheimnisses können mit Disziplinarmassnahmen geahndet (Art. 13 Abs. 2 ParlG) oder strafrechtlich verfolgt werden (Art. 320 StGB8).

Der verantwortungsvolle Umgang mit den weitgehenden Informationsrechten der GPK/GPDel bedeutet u.a., dass nach der Herausgabe der einverlangten Dokumente der Präsident oder die Präsidentin der zuständigen Subkommission oder Arbeitsgruppe im Auftrag der GPK die Unterlagen auf ihre Vertraulichkeit hin überprüft und gegebenenfalls die nötigen Schutzmassnahmen trifft, bevor die ihnen zugrunde liegenden Informationen an die einzelnen Mitglieder weitergeleitet werden. Dabei kommt den beaufsichtigten Behörden ebenfalls eine gewisse Verantwortung zu: Von ihnen wird erwartet, dass sie die Kommissionen von sich aus vor oder mit der Herausgabe von Unterlagen auf besonders hohe Vertraulichkeit der einverlangten Information aufmerksam machen. Gestützt darauf können danach die GPK oder die GPDel im Rahmen einer Interessenabwägung den kommissionsinternen Zugang zu den einverlangten Dokumenten einschränkend regeln oder unter Umständen sogar auf die Durchsetzung ihrer Informationsrechte einstweilen verzichten.

Die GPK haben in den letzten beiden Jahren im Rahmen von sensiblen
Untersuchungen oder im Nachgang zu Indiskretionen eine ganze Reihe von Schutz- oder Sicherheitsmassnahmen entwickelt, die situativ und stets im Auftrag der Gesamtkommissionen dem Vertraulichkeitsschutz im Einzelfall dienen.

Die Verpflichtung der GPK zur Vertraulichkeit ist ferner das Gegenstück zu der den Personen im Dienste des Bundes auferlegten Pflicht, vor den Kommissionen vollständig und wahrheitsgetreu Auskunft zu erteilen. Kommen diese Personen ihrer vollständigen und wahrheitsgetreuen Auskunftspflicht nach, haben sie Anspruch darauf, dass ihnen aus ihren Aussagen vor den Kommissionen keine personalrechtlichen oder anderweitigen Nachteile seitens ihrer vorgesetzten Stelle erwachsen. Aus diesem Grund sind diese Personen auch nicht gehalten, den ausschliesslich 7

8

Von der GPK-N in Auftrag gegebenen Gutachten: Giovanni Biaggini, «Informationsrechte der Geschäftsprüfungskommissionen der eidg. Räte im Bereich der Strafverfolgung aus verfassungsmässiger Sicht, Zürich, 5.6.2008» und Niklaus Oberholzer, «Informationsrechte der Geschäftsprüfungskommissionen der eidg. Räte im Bereich der Strafverfolgung aus strafprozessualer Sicht: Gutachten im Auftrag der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 5.6.2008».

Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0).

4058

ihnen zugestellten Protokollauszug ihrer Anhörung der vorgesetzten Stelle zur Kenntnis zu bringen. Erfahren die GPK oder die GPDel von Druckversuchen seitens der vorgesetzten Stelle, so machen sie diese auf die entsprechende Bestimmung in Artikel 156 Absatz 3 ParlG aufmerksam.

Bei grösseren Untersuchungen streben die GPK die Veröffentlichung der gewonnenen Erkenntnisse zur Geschäftsführung des Bundesrates an. Die betroffenen Behörden erhalten vorgängig zur Publikation die Möglichkeit zur Stellungnahme (Art. 157 ParlG). In der Praxis werden die Feststellungen der Kommissionen in Form eines vorläufigen Berichts den betroffenen Behörden unterbreitet. Diese nehmen grundsätzlich schriftlich Stellung; sie können aber auch um eine mündliche Anhörung ersuchen. Die betroffenen Behörden können in ihrer Stellungnahme ihre eigenen Argumente vorbringen, die Beschreibung der Sachlage korrigieren oder neue Angaben machen. Die Stellungnahmen werden im Schlussbericht berücksichtigt, soweit sie berechtigt und zutreffend sind. Dieser wird in aller Regel veröffentlicht, sofern keine schutzwürdigen Interessen entgegenstehen (Art. 158 Abs. 3 ParlG). In diesem qualifizierten Verfahren haben die GPK folglich das Recht, Informationen, die bis zu diesem Zeitpunkt dem Amtsgeheimnis unterlagen, zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Mittel für eine effektive Oberaufsicht. Die Berichte der GPK werden in aller Regel veröffentlicht.

Die Mittel, über welche die GPK gegenüber den beaufsichtigten Stellen verfügen, sind vor allem politischer Natur. Die Kommissionen teilen ihre Schlussfolgerungen in der Regel in der Form von öffentlichen Berichten oder Briefen an die vorgesetzte politische Behörde mit. Diese enthalten Empfehlungen, zu denen die verantwortlichen Behörden Stellung beziehen müssen. Mit ihrer Arbeit verpflichten die Kommissionen demnach die Behörden, Rechenschaft über ihre Tätigkeiten (oder Unterlassungen) abzulegen. Dagegen haben die GPK keine Mittel, die beaufsichtigte Behörde zum Handeln zu zwingen, Entscheide aufzuheben bzw. zu ändern oder anstelle der beaufsichtigten Behörde Entscheide zu treffen (Art. 26 Abs. 4 ParlG).

Die GPK müssen allein mit ihren Argumenten überzeugen. Daneben stehen ihnen die parlamentarischen Instrumente zur Verfügung (Einreichung einer Motion, eines Postulats oder einer Pa.Iv.), um eine Gesetzesänderung in die Wege zu leiten.

2.1.4

Pa.Iv. Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen

Nachdem bereits 2008 die Durchsetzung der Informationsrechte der GPK, insbesondere aufgrund eines Aufsichtsentscheids des Bundesstrafgerichts (BStGer), auf Schwierigkeiten gestossen war, akzentuierte sich das Problem in den letzten zwei Jahren weiter. Aufgrund konkreter Informationsbegehren der GPK im Rahmen zweier Inspektionen (Inspektion zum Behördenverhalten bei der Bekämpfung der Finanzkrise und Inspektion zur Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat) stellten der Bundesrat wie auch einzelne Departemente die Informationsrechte der GPK in Frage und verweigerten zu einem grossen Teil die Herausgabe von Unterlagen (vgl. Jahresbericht 2009 der GPK und der GPDel9).

9

Jahresbericht 2009 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidg. Räte vom 22.1.2010, BBl 2010 2671 2684 ff.

4059

Zu Anwendungsproblemen hat namentlich der Passus in Artikel 153 Absatz 4 ParlG geführt, wonach die Aufsichtskommissionen «keinen Anspruch auf Einsichtnahme in Unterlagen» haben, «die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesratskollegiums dienen». Nach Auslegung des Bundesrates handelt es sich dabei um alle Unterlagen des Mitberichtsverfahrens (Anträge des federführenden Departementes, Mitberichte und Beilagen) sowie Aussprachepapiere und Informationsnotizen10.

Dagegen waren die GPK der Auffassung, dass diese Einschränkung des Aktenzugangs primär dem Schutz des Kollegialprinzips diene und deshalb bloss die Mitberichte der anderen Departemente zu Anträgen der federführenden Departemente ausgeschlossen sind. Es sei nicht die Meinung des Gesetzgebers gewesen, den GPK, die zur Aufgabe haben, die Geschäftsführung des Bundesrates sowie der einzelnen Bundesräte zu beaufsichtigen, die gesamten Entscheidgrundlagen des Bundesrates, für welche die einzelnen Departementschefs verantwortlich zeichnen, zu entziehen.

Deshalb gingen sie stets davon aus, dass ihnen die Anträge der Departemente mit den zugehörigen Grundlagenpapieren nicht vorenthalten werden dürften.

Die GPK kamen deshalb zum Schluss, dass die Praxis des Bundesrates ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe nicht mehr in adäquater Weise erlaubt. Sie beschlossen deshalb am 22. Januar 2010, mit einem Gesetzesentwurf eine Klärung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen in die Wege zu leiten.

Die GPK-S hat in der Folge eine entsprechende Gesetzesvorlage ausgearbeitet und ihren Bericht am 3. Dezember 2010 verabschiedet11. Die Vorlage bezweckt, die bestehenden Unklarheiten zu beseitigen und bessere Arbeitsgrundlagen für die Oberaufsicht des Parlamentes zu schaffen. Die GPK-S schlägt folgende Änderungen des ParlG vor:

10 11

1.

Die GPK sollen zur Wahrnehmung ihrer Oberaufsichtsfunktion einen verbesserten Zugang zu den Akten des Bundesrats erhalten. Insbesondere soll die unklare Begrifflichkeit der Unterlagen, die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesratskollegiums dienen, durch eindeutige Definitionen ersetzt werden. Zum Schutz des Kollegialprinzips sollen die Protokolle der Bundesratssitzungen den GPK weiterhin vorenthalten werden können, doch soll ihnen ein Zugriff auf die formellen Anträge und Mitberichte der einzelnen Departemente ermöglicht werden.

2.

Die Auskunftspflicht gegenüber den Aufsichtskommissionen und ihren Delegationen sowie gegenüber der PUK soll nicht mehr nur für Personen gelten, die aktuell im Dienste des Bundes stehen, sondern für die Zeit ihrer Tätigkeit beim Bund auch auf Personen ausgedehnt werden, welche den Bundesdienst verlassen haben. Die Aufsichtskommissionen, Delegationen und die PUK sollen zudem die Möglichkeit erhalten, auskunfts- oder zeugnispflichtige Personen vorzuladen und nötigenfalls vorführen zu lassen.

3.

Die Tätigkeit der GPDel ist schon heute nicht nur auf die Kontrolle der Tätigkeit von Organen des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste im engeren Sinne begrenzt; die GPDel ist vielmehr zusammen mit der Finanzdelegation (FinDel) für alle Geheimbereiche des staatlichen Handelns zuständig. Die gesetzliche Umschreibung des Tätigkeitsbereichs der GPDel

Thomas Sägesser, Die Informationsrechte der Ratsmitglieder und der parlamentarischen Kommissionen im neuen Parlamentsgesetz, Leges 2003/2, S. 67­78.

10.404 Pa.Iv. Präzisierung der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen. Bericht der GPK-S vom 3.12.2010 (BBl. 2011 1817).

4060

soll entsprechend angepasst werden. Hinsichtlich des Informationszugangs und des Informationsflusses soll die GPDel formell der FinDel gleichgestellt werden. Die beiden Delegationen sollen laufend und regelmässig sämtliche Beschlüsse des Bundesrates einschliesslich der Mitberichte erhalten. Die Einzelheiten der Zustellung, der Einsichtnahme und der Aufbewahrung sollen sie gemeinsam festlegen. Entsprechend anzupassen ist in den Artikeln zu den Informationsrechten der Parlamentsmitglieder und der Kommissionen die Umschreibung des Geheimbereichs, für den die Einsichtsrechte beschränkt sind.

4.

Weil wirkungsvolle Massnahmen zum Geheimnisschutz mit den ausgedehnten Informationsrechten der Aufsichtskommissionen einher gehen müssen, sind die Aufsichtskommissionen bereits heute verpflichtet, geeignete Vorkehrungen für den Geheimnisschutz zu treffen. Neu soll dieser Verpflichtung Nachdruck verliehen werden, indem die Aufsichtskommissionen Weisungen zum Geheimnisschutz erlassen müssen.

5.

Weiter wird für die Mitglieder der GPK und der GPDel eine Ausstandsregelung vorgeschlagen.

2.2

Organisation der Arbeiten und Überblick über die behandelten Geschäfte

Wie die übrigen parlamentarischen Kommissionen setzen sich die GPK aus 25 Mitgliedern des Nationalrats und aus 13 Mitgliedern des Ständerates zusammen.

Die Mitglieder werden für eine Dauer von vier Jahren gewählt; das Mandat ist verlängerbar. Die Zusammensetzung der Kommissionen und die Zuteilung der Präsidien und Vizepräsidien richten sich nach der Stärke der Fraktionen im jeweiligen Rat (Art. 43 Abs. 3 ParlG). So weit wie möglich werden ausserdem die Amtssprachen und die Landesgegenden berücksichtigt.

Jede Kommission ist in mehrere ständige Subkommissionen unterteilt (Art. 45 Abs.

2 ParlG; Art. 14 Abs. 3 GRN12 und Art. 11 Abs. 1 GRS13), welche alle eidg. Departemente, die BK und die eidg. Gerichte abdecken.

Die Bereiche werden wie folgt zugewiesen: Subkommissionen EDA/VBS:

­ Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ­ Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS)

Subkommissionen EJPD/BK:

­ Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ­ Bundeskanzlei (BK)

Subkommissionen EFD/EVD:

­ Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD) ­ Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (EVD)

12 13

Geschäftsreglement des Nationalrates vom 3.10.2003 (GRN; SR 171.13).

Geschäftsreglement des Ständerates vom 20.6.2003 (GRS; SR 171.14).

4061

Subkommissionen EDI/UVEK:

­ Eidgenössisches Departement des Innern (EDI) ­ Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)

Subkommissionen Gerichte:

­ Bundesgericht (BGer) ­ Militärkassationsgericht (MKG) ­ Bundesstrafgericht (BStGer) ­ Bundesverwaltungsgericht (BVGer)

Im Herbst 2010 beschlossen die GPK, die Oberaufsicht über die neu geschaffene Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AbBA) wie auch die Bundesanwaltschaft (BA) selbst den beiden Subkommissionen Gerichte zuzuweisen. Dies führte auch zur Anpassung der Bezeichnung dieser Subkommissionen (neu: Subkommissionen Gerichte/BA).

Die Subkommissionen verfolgen im Auftrag der Plenarkommissionen die Arbeit der ihnen zugeteilten Behörden mit. Sie leisten die eigentliche Untersuchungsarbeit (z. B. Durchführungen von Anhörungen, Aufträge für Expertisen, Anfordern von Unterlagen) und erstatten den Plenarkommissionen ­ den Entscheidungsgremien ­ Bericht. Es obliegt den Plenarkommissionen, Beschlüsse zu fassen, Berichte zu genehmigen und zu publizieren sowie den verantwortlichen politischen Behörden Empfehlungen zu unterbreiten (Art. 158 ParlG).

Die GPK können auch Arbeitsgruppen oder ad hoc-Subkommissionen einsetzen, um Themen zu untersuchen, die beispielsweise besondere Fachkenntnisse erfordern.

Die 2006 eingerichtete gemeinsame Arbeitsgruppe «Controlling BGer» wird weitergeführt14. Im Jahr 2010 waren drei weitere Arbeitsgruppen, die sowohl aus Mitgliedern der GPK-S wie auch der GPK-N bestehen, aktiv: Eine dieser Arbeitsgruppen führte die Inspektion zum Behördenverhalten bei der Bekämpfung der Finanzkrise/Datenübergabe an die USA und deren Nachbegleitung durch. Eine weitere Arbeitsgruppe widmet sich der zukünftigen Ausgestaltung der Oberaufsicht über die Gerichte. In dieser Arbeitsgruppe nehmen auch zwei Vertreter der FK Einsitz. Die Arbeitsgruppe zum Risikomanagement der Bundesverwaltung schliesslich setzt sich mit dem Risikomanagement und dem Risikoreporting an den Bundesrat kritisch auseinander. Sie ist um einen Vertreter der FinDel ergänzt.

Daneben bestimmt jede Kommission aus ihrer Mitte drei Mitglieder, welche die GPDel bilden. Diese befasst sich mit der Überwachung der Tätigkeiten im Bereich des Staatsschutzes und der zivilen und militärischen Nachrichtendienste. Die Delegation verfügt gemäss Verfassung und Gesetz über sehr weitgehende Auskunftsrechte (für genauere Einzelheiten s. Ziff. 3.8.1).

Schliesslich bestimmt jede Kommission zwei Mitglieder für die Neat-Aufsichtsdelegation (NAD), die die parlamentarische Oberaufsicht über die Realisierung der neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) ausübt. Die NAD umfasst neben den Mitgliedern der GPK vier Mitglieder aus den FK sowie vier Vertreter der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF).

14

Jahresbericht 2006 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 19.1.2007 (BBl 2007 3069).

4062

Im Berichtsjahr erfolgten drei Wechsel. So löste Nationalrätin Maja Ingold Nationalrat Thomas Weibel ab dem 1. Juni 2010 in der GPK-N ab. Seitens der GPK-S verliess Ständerat Hansruedi Stadler die Kommission auf den 31. Mai 2010. Er wurde durch Ständerat Markus Stadler ersetzt. Ständerätin Anne Sexdoux nahm für Hansruedi Stadler Einsitz in die Arbeitsgruppe «Oberaufsicht über die Gerichte». Das Präsidium der GPK-N wird seit der Wintersession 2009 durch Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi (Präsidentin) und Nationalrat Ruedi Lustenberger (Vize-Präsident) ausgeübt. Auf den gleichen Zeitpunkt übernahm Ständerat Claude Janiak von Ständerat Hans Hess das Präsidium der GPK-S. Als Vize-Präsident amtiert Ständerat Paul Niederberger.

Die namentliche Zusammensetzung der GPK, der Subkommissionen und der Delegation (Stand am 31.12.2010) ist aus der Tabelle 1 zu ersehen.

Tabelle 1 Zusammensetzung der GPK, der Subkommissionen und der GPDel für die Legislatur 2008­2011 (Stand 2010) GPK-N (Plenarkommission)

GPK-S (Plenarkommission)

Roth-Bernasconi Maria (Präsidentin), Lustenberger Ruedi (Vize-Präsident), Bader Elvira, Baumann J. Alexander, Binder Max, Cathomas Sep, Daguet André, Eichenberger Corina, Français Olivier, Frösch Therese, Gadient Brigitta M., Glanzmann-Hunkeler Ida, GlauserZufferey Alice, Glur Walter, Goll Christine, Ingold Maja (ab 1.6.2010), Maire Jacques-André, Miesch Christian, Moret Isabelle, Rossini Stéphane, Veillon Pierre-François, von Siebenthal Erich, Wasserfallen Christian, Weber-Gobet Marie-Thérèse, Weibel Thomas (bis 31.5.2010), Wyss Brigit

Janiak Claude (Präsident), Niederberger Paul (Vize-Präsident), Briner Peter, Cramer Robert, Graber Konrad, Hêche Claude, Hess Hans, Imoberdorf René, Kuprecht Alex, Leumann-Würsch Helen, Reimann Maximilian, SeydouxChriste Anne, Stadler Hansruedi (bis 31.5.2010), Stadler Markus (ab 1.6.2010)

Subkommissionen EDA/VBS Glanzmann-Hunkeler Ida (Präsidentin), Bader Elvira, Baumann J. Alexander, Daguet André, Eichenberger Corina, Frösch Therese, Goll Christine, Miesch Christian, Rossini Stéphane, Veillon Pierre-François, Wasserfallen Christian, Wyss Brigit

Briner Peter (Präsident), Cramer Robert, Hêche Claude, Imoberdorf René, Reimann Maximilian, Seydoux-Christe Anne

4063

Subkommissionen EJPD/BK Wyss Brigit (Präsidentin), Baumann J.

Alexander, Binder Max, Daguet André, Français Olivier, Glanzmann-Hunkeler Ida, Glur Walter, Lustenberger Ruedi, Maire Jacques-André, Moret Isabelle, Roth-Bernasconi Maria

Hess Hans (Präsident), Cramer Robert, Graber Konrad, Imoberdorf René, Janiak Claude, Leumann-Würsch Helen

Subkommissionen EFD/EVD Gadient Brigitta M. (Präsidentin), Glauser-Zufferey Alice, Glur Walter, Goll Christine, Ingold Maja (ab 1.6.2010), Lustenberger Ruedi, Maire Jacques-André, Moret Isabelle, Roth-Bernasconi Maria, von Siebenthal Erich, Wasserfallen Christian, WeberGobet Marie-Thérèse, Weibel Thomas (bis 31.5.2010)

Leumann-Würsch Helen (Präsidentin), Briner Peter, Graber Konrad, Niederberger Paul, Reimann Maximilian, Stadler Hansruedi (bis 31.5.2010), Stadler Markus (ab 1.6.2010)

Subkommissionen EDI/UVEK Binder Max (Präsident), Bader Elvira, Français Olivier, Goll Christine, Ingold Maja (ab 1.6.2010), Miesch Christian, Rossini Stéphane, Roth-Bernasconi Maria, von Siebenthal Erich, Veillon Pierre-François, Wasserfallen Christian, Weber-Gobet Marie-Thérèse, Weibel Thomas (bis 31.5.2010)

Hêche Claude (Präsident), Cramer Robert, Kuprecht Alex, Imoberdorf René, Niederberger Paul, SeydouxChriste Anne

Subkommission Gerichte/BA Eichenberger Corina (Präsidentin), Cathomas Sep, Daguet André, Frösch Therese, Gadient Brigitta M., GlauserZufferey Alice, Roth-Bernasconi Maria

Seydoux-Christe Anne (Präsidentin), Briner Peter, Hess Hans, Janiak Claude, Leumann-Würsch Helen, Stadler Hansruedi (Präsident bis 31.5.2010), Stadler Markus (ab 1.6.2010)

GPDel Janiak Claude (Präsident), Frösch Therese, Moret Isabelle, Niederberger Paul (ab 1.6.2010), Veillon Pierre-François (Vize-Präsident), Kuprecht Alex, Stadler Hansruedi (bis 31.5.2010) NAD (nur GPK-Mitglieder) Binder Max, Cathomas Sep, Hess Hans, Imoberdorf René (ab 1.6.2010), Stadler Hansruedi (bis 31.5.2010)

4064

Arbeitsgruppe «Finanzmarktaufsicht»

,

Veillon Pierre-François (Präsident), Hess Hans (Vize-Präsident), Daguet André, Eichenberger Corina, Frösch Therese, Gadient Brigitta M., Graber Konrad, Hêche Claude, Kuprecht Alex, Leumann-Würsch Helen, Lustenberger Ruedi, SeydouxChriste Anne Arbeitsgruppe «Risikoreporting Bundesrat» (nur GPK-Mitglieder) Leumann-Würsch Helen (Präsidentin), Gadient Brigitta M., Hess Hans, Janiak Claude, Roth-Bernasconi Maria, Veillon Pierre-François Arbeitsgruppe «Controlling BGer» Gadient Brigitta M. (Präsidentin), Eichenberger Corina, Frösch Therese, RothBernasconi Maria, Hans Hess, Seydoux-Christe Anne Arbeitsgruppe «Oberaufsicht über die Gerichte» (nur GPK-Mitglieder) Eichenberger Corina (Präsidentin), Seydoux Anne (ab 1.6.2010), Stadler Hansruedi (bis 31.5.2010) Während des Berichtsjahres traten die GPK zu 21 Plenarsitzungen und zu 81 Subkommissionssitzungen zusammen. Davon waren 7 Termine Dienststellenbesuchen gewidmet. Die GPDel führte 12 Sitzungen durch. Insgesamt fanden 114 Sitzungen statt.

Die GPK erhielten in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörden 30 Aufsichtseingaben, wovon 13 erledigt werden konnten. Im gleichen Zeitraum bearbeiteten die Kommissionen weitere 10 Eingaben, die während des Vorjahres eingereicht worden waren.

Neben den in den Ziffern 3­5 beschriebenen Arbeiten führten die GPK und die GPDel mehrere Besuche bei Behörden und Dienststellen des Bundes durch: EDA

­ Revisionsgruppe Vertretungen

VBS

­ Personensicherheitsprüfung (PSP)

EVD

­ Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV)

EVD

­ Bundesamt für Wohnungswesen (BWO)

EVD

­ Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)

VBS

­ Führungsunterstützungsbasis (FUB)

UVEK

­ Bundesamt für Strassen (ASTRA)

4065

3

Ausgewählte Themen

3.1

Wirtschafts- und Finanzpolitik

3.1.1

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA

Die gemeinsame Untersuchung über das Verhalten der Behörden während der Finanzkrise einerseits (erster Teil) und die Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA andererseits (zweiter Teil), zu der sich die GPK-N und die GPK-S am 23. Januar 2009 entschlossen hatten, wurde fortgesetzt und im ersten Halbjahr 2010 abgeschlossen. Die beiden Kommissionen hatten eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit den Arbeiten betraut. Diese Arbeitsgruppe setzte sich aus je sechs Mitgliedern der beiden Kommissionen zusammen und wurde von Nationalrat Pierre-François Veillon präsidiert. Ziel des ersten Teils der Untersuchung (Finanzmarktkrise) war es, das Verhalten der schweizerischen Behörden (Bundesrat, EFD, EBK/FINMA) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu beurteilen unter den Gesichtspunkten der Früherkennung der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Schweiz, der im jeweiligen Kompetenzbereich der verschiedenen Behörden getroffenen Massnahmen sowie des Umgangs mit dem Fall UBS unter Berücksichtigung der systemrelevanten Bedeutung der Bank und des Gemeinwohls. Daraus sollten Lehren für die Zukunft gezogen werden. Mit dem zweiten Teil der Untersuchung sollte geklärt und beurteilt werden, wie die schweizerischen Behörden (Bundesrat und Bundesverwaltung, EBK/FINMA und SNB) mit den Begehren der amerikanischen Behörden um Herausgabe von Informationen über amerikanische UBSKunden umgegangen sind.

Das erste Quartal 2010 stand namentlich im Zeichen der ­ in den Medien stark thematisierten ­ politischen Debatte darüber, ob eine PUK zum Untersuchungsgegenstand der Arbeitsgruppe eingesetzt werden soll. Aus diesem Grund wurde die Veröffentlichung des Schlussberichts auf den 31. Mai 2010 festgelegt (der erste Sessionstag; an diesem Tag war die Debatte über die Einsetzung einer PUK anberaumt), was für die GPK eine grosse Herausforderung darstellte: In der letzten Phase der Inspektion wurden zunehmend mehr Sitzungen und Anhörungen durchgeführt, um sämtliche Schlüsselakteure befragen zu können. So trat die Arbeitsgruppe im ersten Halbjahr 2010 zu 14 Sitzungen zusammen und hörte Vertreter verschiedener Behörden (FINMA, SNB, EFD, EFV, EDA, EJPD) auf verschiedenen Hierarchiestufen an, die bei der Führung der Geschäfte, die im Mittelpunkt dieser beiden Untersuchungen stehen, mitgewirkt hatten. Der Schlussbericht wurde
wie vorgesehen am 31. Mai 2010 veröffentlicht. Die wichtigsten Schlussfolgerungen der GPK, ihre Empfehlungen sowie die parlamentarischen Vorstösse zu diesem Thema werden im Folgenden dargelegt.

Erster Teil der Untersuchung ­ Verhalten der Schweizer Behörden im Zusammenhang mit der Finanzkrise Die Schweiz verfügte bereits vor der Finanzmarktkrise über ein Krisenmanagement, das Interventionsmöglichkeiten bei einer Finanzkrise oder insbesondere beim Ausfall einer schweizerischen Grossbank vorsah. Als die Krise ausbrach, lag somit bereits eine strukturierte Krisenorganisation vor und die Behörden konnten auf ausgereifte Szenarien zu einer Grossbankenkrise zurückgreifen und sich gewisse Zusammenarbeitserfahrungen zunutze machen. Allerdings sah keines dieser Szenarien eine Krise des gesamten Finanzsystems vor. Der für die Behörden völlig überra4066

schende Krisenausbruch hatte zur Folge, dass diese über keine operativen Einsatzpläne verfügten. Die GPK stellten auch fest, dass die Krisenorganisation nichts über die spezifische Rolle des Bundesrates und die Art und Weise seiner Involvierung in das Krisenmanagement vorsah. Es ist deshalb in den Augen der GPK unabdingbar, die Rolle und die Mitwirkung des Bundesrates in der gesamten Krisenorganisation zu definieren (Empfehlung 1).

Die GPK kamen bei ihrer Untersuchung der Krisenentwicklung im Jahre 2007 zum Schluss, dass die Schweizer ­ wie übrigens weltweit die meisten ­ Behörden nicht in der Lage waren, die Krise frühzeitig zu erkennen. Die GPK gelangten zur Auffassung, dass die Behörden sich allzu schnell mit ihren Befunden zufriedengaben, sich zuweilen einigelten (Groupthink-Phänomen) und kritischeren Stimmen zu wenig Beachtung schenkten. Der EBK ist vorzuwerfen, dass sie ihre Kenntnisse bei der Wahrnehmung ihrer Aufsicht, insbesondere über die UBS, nicht genügend genutzt hat. Vor allem unterliess sie es, bei den Grossbanken in Sachen Risikomanagement vertiefte Abklärungen vorzunehmen.

Diese Unzulänglichkeiten zeigen in den Augen der GPK u. a., dass überprüft werden sollte, ob die Ziele sachgerecht sind, die den Behörden im Bereich der Aufsicht über den Finanzmarkt bzw. der Überwachung der Stabilität des Finanzsystems gesetzt wurden, und dass diesen Behörden die erforderlichen Kompetenzen zur Erreichung dieser Ziele übertragen werden sollten (Empfehlung 2). Zudem sollte die FINMA (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) ihre im September 2009 festgelegten strategischen Ziele für die Jahre 2010-2012 rasch umsetzen (Empfehlung 3). In den Augen der GPK handelt es sich dabei um sachgerechte Ziele, in die bereits erste Lehren aus der Finanzmarktkrise einfliessen. So sollen u. a. die systemischen Risiken reduziert und die Wirksamkeit und Effizienz in der Aufsicht gesteigert werden.

Ferner sind die GPK überzeugt, dass die FINMA wie auch die SNB ihre Informationsquellen stärker diversifizieren müssen, um «Groupthink» zu verhindern. In Zukunft müssen die SNB und die FINMA über etablierte und institutionalisierte Beziehungen zu unabhängigen Experten verfügen (Empfehlung 4). Schliesslich sind die GPK der Ansicht, dass Früherkennung im Hinblick auf eine besseren Informationsaustausch eine optimale Koordination
zwischen den für die Stabilität des Finanzplatzes Schweiz zuständigen Behörden bedingt. Deshalb ersuchen sie den Bundesrat, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um Rolle und Kompetenzen der verschiedenen Behörden zu klären und Transparenz und Optimierung des Entscheidungsprozesses sicherzustellen (Empfehlung 5).

Was das Krisenmanagement anbelangt, teilen die GPK die Meinung der internationalen Organisationen (z. B. IWF, OECD) sowie der vom Bundesrat bzw. den GPK beauftragten Experten, wonach die Massnahmen der schweizerischen Behörden angesichts ihrer positiven Auswirkungen auf die finanzielle und wirtschaftliche Stabilität des Landes angemessen waren. Diese Massnahmen wurden in den Augen der GPK zum richtigen Zeitpunkt ergriffen und waren effizient, der Situation angemessen und für den Bund finanziell tragbar. Die GPK verweisen auch auf die aktive Beteiligung und den ausgezeichneten Ruf der schweizerischen Behörden in den internationalen Gremien vor, während und nach der Krise.

Hingegen stellten die GPK fest, dass innerhalb der EBK der Informationsaustausch zwischen den für die Aufsicht über die UBS und den für die Aufsicht über die Credit Suisse zuständigen Personen eindeutig unzureichend war. Deshalb soll der Bundesrat überprüfen, ob die Arbeitsprozesse und die neue Organisation der FINMA zweckmässig sind (Empfehlung 6).

4067

Der Informationsstand des Bundesrates in den verschiedenen Phasen der Krise wurde von den GPK auch genau untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Bundesrat als Kollegium erst spät und ziemlich oberflächlich über die vom EFD, von der SNB und von der EBK vorgenommenen Krisenvorbereitungen informiert worden war.

Einerseits gelangten die GPK zum Schluss, dass der Vorsteher des EFD von der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV), der SNB und der EBK gut unterrichtet war, er seinerseits aber den Bundesrat nicht hinreichend informierte, wobei er dies mit der Angst vor Indiskretionen (Börsenrelevanz) begründete. Der Vorsteher des EFD führte dieses Dossier somit alleine und wollte den Gesamtbundesrat nicht ausreichend einbeziehen. Andererseits stellten die GPK aber auch fest, dass sich die Bundesratsmitglieder mit diesem Informationsstand begnügten und sich nicht einmal um diese Angelegenheit bemühten, als eine ernsthafte Insolvenzgefahr für die UBS bestand. Damit haben sie ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Besonders beunruhigt sind die GPK zudem darüber, dass der Bundesrat offenbar nicht in einem Klima des Vertrauens und der Vertraulichkeit arbeiten kann. In den Augen der GPK darf die Stabilität des Landes nicht durch die Unfähigkeit des Bundesrates gefährdet werden, eine Information vertraulich zu halten. Deshalb empfehlen sie dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass er rasch über geeignete Protokolle und über eine ausreichende Geschäftskontrolle verfügt (Empfehlung 15).

Ferner untersuchten die GPK, wie der Bundesrat seine Steuerungsfunktion im Rahmen der Finanzmarktkrise wahrgenommen hat. Dabei stellte sich heraus, dass der Vorsteher des EFD zwischen Januar 2008 und September 2008 für das Krisenmanagement zuständig war. Erst ab dem 21. September 2008 war der Bundesrat aufgrund der alarmierenden Situation der UBS und der krankheitsbedingten Abwesenheit des Vorstehers des EFD stärker involviert. Der Bundespräsident leitete von da an die Intervention des Bundes mit der Unterstützung der Vorsteherin des EJPD (Vertreterin des Vorstehers des EFD) und des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates.

In Anbetracht des Vorgehens bei der Vorbereitung und Verabschiedung des Massnahmenpakets vom 15. Oktober 2008 gelangten die GPK zu folgenden Schlussfolgerungen: ­

Die Steuerung des Krisenmanagements durch den Bundesrat war nicht gewährleistet. Er wurde erst aktiv, als er Entscheide zum Massnahmenkatalog fällen musste, d. h. am 2. bzw. am 15. Oktober 2008;

­

der Bundesrat hat sich keine Gedanken über die Handlungsmöglichkeiten im Falle einer Krisenverschärfung gemacht;

­

die Bundesratsmitglieder, die nicht dem Wirtschaftsausschuss angehörten, wurden nicht hinreichend in die Informationsflüsse eingebunden, sodass sie nur einen Tag, nachdem sie über den Vorschlag für ein Massnahmenpaket informiert worden waren, einen Entscheid zu treffen hatten. Dieses Vorgehen beeinträchtigt die Wahrnehmung der kollektiven Verantwortung des Bundesrates, weshalb die GPK empfehlen, die Funktion der Bundesratsausschüsse zu überdenken (Empfehlung 16).

­

die Steuerung durch den Bundesrat funktioniert schlecht, dies obwohl die GPK bei früheren Inspektionen in diesem Bereich wiederholt Empfehlungen formuliert haben;

Deshalb halten die GPK den Bundesrat an, zum einen die Probleme in Sachen Steuerung zu lösen, auf welche die GPK in früheren Untersuchungen hingewiesen 4068

haben (Empfehlung 8) und zum anderen auf Stufe Bundesrat ein wirksames Überwachungs- und Frühwarnsystem für Krisen einzurichten (Empfehlung 9).

Schliesslich betonen die GPK wie auch zahlreiche Experten und betroffene Akteure, dass Lehren aus der Krise gezogen werden müssen. Die Probleme im Zusammenhang mit der Vergütungspolitik der Grossbanken, der Bankenaufsicht, der Finanzstabilität und der systemrelevanten Banken sind zwar erkannt worden, doch müssen jetzt konkrete Massnahmen folgen. Mit diesen Massnahmen darf nach Ansicht der GPK nicht länger zugewartet werden.

Deshalb ersuchen die GPK den Bundesrat zusätzlich, sich eingehend mit sämtlichen Empfehlungen der von ihm beauftragten Experten Geiger und Green zu befassen (Empfehlung 7).

Zweiter Teil der Untersuchung ­ Verhalten der Behörden im Zusammenhang mit der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA Im Rahmen des zweiten Teils wollten die GPK klären, wie genau das Krisenmanagement ablief, das im Februar 2009 zur Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA führte. Im Folgenden sind die wichtigsten Feststellungen und Schlussfolgerungen der GPK aufgeführt.

Chronologie der Ereignisse Die Affäre ins Rollen gebracht haben drei im Herbst 2007 von den amerikanischen Behörden eingeleitete Untersuchungen gegen die UBS. Die US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission, SEC) ermittelte im Zusammenhang mit Lizenzierungspflichten in den USA und reichte im März 2008 ein Amtshilfegesuch bei der EBK ein (dabei ging es allerdings nicht um die Herausgabe von Kundendaten). Auch die amerikanische Steuerbehörde (der Internal Revenue Service, IRS) leitete eine Untersuchung gegen die UBS ein, die deren grenzüberschreitendes Geschäft mit Privatkunden in den USA betraf. Ziel des IRS war es in erster Linie, in der USA steuerpflichtige Personen ausfindig zu machen, die sich des Steuerbetrugs schuldig gemacht haben, und deren Steuerschulden einzutreiben. Im Frühjahr 2008 sollte der IRS dann die Herausgabe von Kundendaten fordern, was zur eigentlichen Krise führte. Die Untersuchung des Department of Justice (DOJ) schliesslich sollte klären, welche Rolle die UBS und ihre Führungskräfte im grenzüberschreitenden Geschäft mit Privatkunden in den USA bei Betrugs- und Steuerfluchtfällen gespielt haben. Das DOJ wollte u. a. überprüfen, ob die UBS ihre namentlich im
Qualified Intermediary Agreement15 (QIA) zwischen der UBS und dem IRS verankerten vertraglichen Verpflichtungen wissentlich verletzte bzw. ob sie mitgeholfen hat, die amerikanischen Steuergesetze mit der Errichtung von Offshore-Strukturen für in den USA steuerpflichtige Kunden zu umgehen. Es sollte sich zeigen, dass diese Anschuldigungen zutrafen.

Bereits Anfang März 2008 erkannte die EBK das Ausmass der Affäre. Nachdem die potenziell betroffenen Bundesstellen informiert worden waren, berief der Vorsteher des EFD eine interdepartementale Arbeitsgruppe ein, die «Arbeitsgruppe Karrer».

15

Der Grundgedanke des QIA besteht darin, Finanzinstitute wie die UBS zu verpflichten, Kunden, die amerikanische Kapitalerträge erhalten, zu identifizieren, sie gemäss den Weisungen des IRS und auf der Grundlage des Doppelbesteuerungsabkommens nach Wohnsitz und Status zu kategorisieren und gegebenenfalls Meldepflichten gegenüber dem IRS wahrzunehmen und die Quellensteuer einzubehalten.

4069

Diese hatte keinen schriftlichen Auftrag und nahm ihre eigentliche Arbeit im April 2008 auf, nachdem ein hohes Kader der UBS in den USA verhaftet worden war. Von diesem Zeitpunkt an war klar, dass die amerikanischen Behörden eine möglichst rasche Herausgabe der Kundendaten erwirken wollten. Die Arbeitsgruppe Karrer beschloss deshalb, das Nötige zu veranlassen, damit die Kundendatenforderungen der amerikanischen Behörden im Rahmen des Amtshilfeverfahrens der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) behandelt werden können. Dieses Vorgehen hatte zwei Gründe: Zum einen schienen so am ehesten rasche Ergebnisse möglich, obwohl Unsicherheiten bezüglich der Dimension des Begehrens bestanden sowie aufgrund der Tatsache, dass die Namen der mutmasslichen Steuerbetrüger nicht bekannt waren (a priori unabdingbare Voraussetzung). Zum anderen war auf diese Weise gewährleistet, dass die Begehren unter Einhaltung der Prinzipien des schweizerischen Rechtsstaates behandelt werden.

Im Mai 2008 leitete die EBK eine eigene Untersuchung gegen die UBS ein, als Hinweise dafür vorlagen, dass die Bank im Rahmen ihres grenzüberschreitenden Geschäfts auch schweizerisches Aufsichtsrecht verletzt haben könnte. Seit Herbst 2007 lief zudem eine UBS-interne Untersuchung von bisher unbekanntem Ausmass, die von einer amerikanischen Anwaltskanzlei geführt wurde.

Anfang Sommer 2008 zeigten die Bemühungen der Arbeitsgruppe Karrer Wirkung: Die amerikanischen Behörden konnten dazu gebracht werden, dass der IRS am 16. Juni 2008 gestützt auf das Doppelbesteuerungsabkommen ein Amtshilfegesuch bei der ESTV einreichte. Dieses Gesuch stützte sich zur Identifizierung des Kundenkreises auf neue Kriterien, ohne die Namen der betroffenen Personen bekannt zu geben, und schien zur Folge zu haben, dass der Druck der USA zur Herausgabe von Kundendaten etwas nachliess. Es führte allerdings auch zu einem schwerwiegenden Ressourcenproblem in der ESTV, die nach der Konkretisierung des Amtshilfegesuchs durch den IRS fast 2000 Fälle zu behandeln hatte (die ESTV erhielt damals durchschnittlich drei ausländische Amtshilfegesuche pro Jahr). Nachdem die ESTV zuerst auf verwaltungsinterne Ressourcen zurückgegriffen hatte, stellte sie im letzten Quartal 2008 und Anfang 2009 auch verwaltungsexterne Personen ein.

Im Herbst 2008 spitzte sich die Situation erheblich
zu. Im September fand ein Austausch von «Non-Papers» zur Verständigung zwischen dem DOJ und der EFK in dieser Sache statt. Dabei stellte sich allerdings heraus, das der Amtshilfeweg aus Sicht der amerikanischen Behörden kein geeignetes Mittel war, um ihre Forderungen zu erfüllen, da das DOJ die Kundendaten rasch erhalten wollte und es dies über den Amtshilfeweg nicht als gewährleistet erachtete. Nachdem die amerikanische Anwaltskanzlei am 17. Oktober 2008 in New York die Ergebnisse ihrer Untersuchung präsentiert hatte, konnte die EBK feststellen, dass die Geduld der drei betroffenen amerikanischen Behörden nochmals merklich abgenommen hatte. Die Untersuchung bestätigte nämlich, dass einzelne UBS-Mitarbeitende Kunden geholfen hatten, die QIA-Vorschriften zu umgehen. Sie gelangte allerdings auch zum Schluss, dass die Führungsebene der UBS für die Verstösse gegen das QIA nicht verantwortlich gemacht werden kann. In der Folge sollte der Schlussbericht zur EBK-Untersuchung vom 17. Dezember 2008 zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangen.

Laut der Bankenaufsichtsbehörde waren die Handlungen einzelner Mitarbeitenden der UBS nicht mit der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit vereinbar und mussten nach schweizerischem Bankenaufsichtsrecht beanstandet werden.

Für die EBK war damit klar, dass die Datenübergabe nicht auf dem Amtshilfeweg wird erfolgen können. Die amerikanischen Behörden verloren angesichts der lang4070

wierigen Amtshilfeverfahren ihre Geduld und eine Anklageerhebung (indictment) gegen die UBS in den USA wurde immer wahrscheinlicher, nachdem sie bereits seit Frühling 2008 immer wieder von den amerikanischen Behörden mehr oder weniger ernsthaft erwogen worden war. Die Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Behörden und die UBS waren sich einig, dass eine solche Anklageerhebung die UBS in ihrer Existenz gefährden würde. Deshalb arbeitete die EBK Ende Oktober 2008 mögliche Handlungsoptionen für die Schweizer Behörden aus, die von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Karrer angepasst und dann der Vorsteherin des EJPD, die damals den erkrankten Vorsteher des EFD vertrat, unterbreitet wurden. Die Spannweite der Handlungsoptionen reichte von einem Beharren auf dem Amtshilfeweg über die Datenherausgabe durch die UBS selbst aufgrund eines strafrechtlichen Notstands bis hin zur Datenherausgabe durch den Bundesrat gestützt auf seine Notrechtskompetenz. Während der gesamten Diskussion über die verschiedenen Handlungsoptionen erhoben sich kritische Stimmen, u. a. aus der EFV und der EBK, die sich gegen eine Datenherausgabe durch die Schweizer Behörden stellten und tendenziell eine Datenherausgabe durch die UBS bevorzugten.

Hinweise darauf, dass die Geduld der amerikanischen Behörden ausgereizt war, kamen auch von der amerikanischen Zentralbank (Fed) bzw. der SNB sowie von der UBS, die nach wie vor auch selbst versuchte, eine Lösung mit den amerikanischen Behörden zu finden. Diese Hinweise wurden an die Verantwortlichen der EFV (und an die Arbeitsgruppe Karrer) sowie teilweise direkt an den Vorsteher des EFD weitergeleitet. Daraufhin wurden einige wenige Massnahmen getroffen: Am 10. November 2008 ging ein Schreiben des Vorstehers des EFD und der Vorsteherin des EJPD an den US-Finanzminister und den US-Justizminister, in welchem u. a.

betont wurde, dass die Schweizer Regierung die Datenherausgabe im Rahmen des Amtshilfeverfahrens ernsthaft prüfen wolle. Auch die Bedeutung der UBS für die Finanzstabilität der Schweiz wurde in diesem Schreiben, das unbeantwortet bleiben sollte, thematisiert. Als unmittelbare und klare Antwort auf dieses Schreiben kann hingegen die Anklageerhebung vom 12. November 2008 gegen Raoul Weil, CEO GWM&BB der UBS, betrachtet werden. Eventuell ist der Grund dafür, dass das Schweizer
Schreiben unbeantwortet blieb, zumindest teilweise im Regierungswechsel in den USA zu suchen, der zur gleichen Zeit erfolgte.

Angesichts der zunehmend verworrenen Situation der UBS beschloss der Bundesrat am 19. Dezember 2008, die EBK zu beauftragen, alle notwendigen Massnahmen zu treffen, um existenzgefährdende Zwangsmassnahmen gegen die UBS zu verhindern.

Damit lag der Ball wieder bei der EBK, die Ende Jahr eine leichte Entspannung der Lage herbeiführen konnte. Die EBK signalisierte der UBS, sie solle die Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden fortführen in der Annahme, eine Datenherausgabe werde möglich sein. Sie teilte der Bank auch mit, dass sie als Ultima Ratio mit der Unterstützung der EBK in Sachen Datenherausgabe rechnen könne. Die amerikanischen Behörden waren dadurch bereit, mit der Anklageerhebung vorerst einmal zuzuwarten. Ende Dezember 2008 liess der IRS allerdings durchblicken, dass er sich nicht in eine umfassende Vergleichslösung mit der UBS einbinden lassen wolle.

Anfang 2009 führte die UBS weiterhin Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden mit dem Ziel, im Rahmen eines Vergleichs auf möglichst all deren Forderungen einzugehen. Es sollte sich ziemlich rasch herausstellen, dass die sofortige Herausgabe der Daten von rund 250 Kundinnen und Kunden ausserhalb des Amtshilfeverfahrens für den Abschluss eines Vergleichs unabdingbar war. Da eine 4071

Anklageerhebung von Tag zu Tag wahrscheinlicher wurde, handelte die UBS schliesslich bis am 17. Februar 2009 mit dem DOJ und der SEC ­ allerdings ohne Beteiligung des IRS ­ eine endgültige Vereinbarung aus. Der Bundesrat wurde am Tag darauf konsultiert und beschloss, an seinem Entscheid vom 19. Dezember 2008 festzuhalten. Noch am gleichen Tag verfügte die FINMA als Schutzmassnahme gestützt auf Artikel 25 und 26 des Bankengesetzes16 die Herausgabe von UBSKundendaten an die amerikanischen Behörden.

Feststellungen und Schlussfolgerungen der GPK In den Augen der GPK ist zunächst einmal festzuhalten, dass diese Affäre durch das Fehlverhalten der UBS und einiger ihrer Mitarbeitenden verursacht wurde. Im Rahmen ihrer eigentlichen Oberaufsichtsaufgabe waren die GPK bestrebt, das Verhalten der betroffenen Bundesbehörden in dieser Affäre zu beurteilen. Nachstehend die wichtigsten Ergebnisse für jede dieser Behörden: Die EBK/FINMA hat bei der Bewältigung der Probleme eine entscheidende Rolle gespielt. Sie erkannte frühzeitig, dass die amerikanischen Untersuchungen zu einem Konflikt zwischen der amerikanischen und der schweizerischen Rechtsordnung führen könnten. Ab Herbst 2008 gab die EBK immer wieder entscheidende Impulse an die betroffenen Verwaltungsstellen und den Vorsteher des EFD. Sie war es auch, die die ersten Handlungsoptionen ausarbeitete, die nicht auf ihren eigenen, sondern auf den Kompetenzen des Bundesrates und der Bundesverwaltung basierten. Die GPK werfen der EBK/FINMA allerdings vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt den Gesamtbundesrat auf die gravierende Lage und die Dringlichkeit aufmerksam machte. Auch sind die GPK der Auffassung, in Zukunft müsse gewährleistet sein, dass der Verwaltungsratspräsident der FINMA Zugang zum Gesamtbundesrat und zu seinem Wirtschaftsausschuss hat (Motion 1). Dennoch ist es der Tätigkeit der EBK/FINMA, ihrem Vorschlag einer Datenherausgabe gestützt auf das BankG und ihrer Federführung im Jahr 2009 zu verdanken, dass zumindest eine Teillösung erzielt und eine existenzgefährdende Anklageerhebung gegen die UBS verhindert werden konnte.

Einige Schlussfolgerungen der EBK-Untersuchung vermochten die GPK hingegen nicht zu überzeugen. Die GPK halten es für wichtig, dass von der FINMA eingehend untersucht wird, wie viel die oberste Leitung der UBS von den QIA-Verletzungen
durch die Bank wusste. Sollten sich in Zukunft ähnliche Fälle ereignen, wäre zudem die Frage der Gewähr von Amts wegen und systematisch zu klären (Empfehlung 10). Was schliesslich die Decharge des Spitzenmanagements anbelangt, kamen die GPK zum Schluss, dass die zuständigen Legislativkommissionen die einschlägigen Gesetzesbestimmungen überprüfen sollten (Empfehlung 11).

Einen weiteren Handlungsbedarf erkannten die GPK in der Rolle der Revisionsfirmen: Die Revisionsfirma der UBS war bezüglich der Aufdeckung der Problematik des grenzüberschreitenden Geschäfts der UBS in den USA ihrer Aufgabe gegenüber der EBK nicht gerecht geworden. Die GPK beauftragten deshalb den Bundesrat, die von der schweizerischen Gesetzgebung definierte Rolle der Revisionsfirmen bei Prüfungen von Grossbanken zu überprüfen (Postulat 1).

Die SNB ihrerseits spielte in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Zum einen intervenierte sie wiederholt bei ihren amerikanischen Amtskollegen zugunsten der 16

Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0)

4072

schweizerischen Behörden und verschaffte sich auf diesem Weg entscheidende Informationen über die drohende Strafklage gegen die UBS. Zum andern orientierte sie den Bundesrat Mitte Dezember 2008 direkt über die inhärenten Risiken des Dossiers und trug damit wesentlich zum Problembewusstsein des Kollegiums bei.

Damit die SNB ihre Rolle als Hüterin der Finanzstabilität weiterhin wahrnehmen kann, empfehlen die GPK, dass sie regelmässige Kontakte mit dem Bundesrat pflegt (Empfehlung 12).

Das EFD reagierte ebenfalls sehr schnell, indem es die Arbeitsgruppe Karrer einsetzte. Da diese aber weder über einen schriftlichen Auftrag noch über besondere Befugnisse verfügte, beschränkte sie sich darauf, die amerikanischen Behörden auf den Amtshilfeweg zu führen und war nicht in der Lage, das Problem, das die Datenherausgabe im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis darstellte, näher anzugehen.

Ausserdem existierte die Arbeitsgruppe ab Sommer 2008 in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr. In den Augen der GPK müssen die Mängel in dieser Projektorganisation dem Vorsteher des EFD angelastet werden.

Nach Auffassung der GPK hatte das EFD zudem die ­ insbesondere mit der personellen Situation der ESTV zusammenhängenden ­ Probleme, die sich mit der Beschreitung des Amtshilfewegs stellten, unterschätzt und es versäumt, frühzeitig entsprechende Abklärungen zu treffen.

Die GPK stellten zudem fest, dass der Vorsteher des EFD aus verschiedenen ­ hauptsächlich mit seinem staatspolitischen Verständnis zusammenhängenden ­ Gründen den Gesamtbundesrat zu spät in das Krisenmanagement einband. Durch dieses Verhalten beraubte er sich potenzieller Handlungsoptionen, was aus der Sicht der GPK ein verhängnisvoller Fehler war. Zudem hatten sowohl das federführende EFD als auch der Gesamtbundesrat es unterlassen, Handlungsoptionen ausserhalb der Amtshilfe einer fundierten Rechtsanalyse zu unterziehen. So liess das EFD weder die Herausgabe der Daten gestützt auf das Notrecht des Bundesrates noch die Herausgabe gestützt auf die Artikel 25 und 26 des BankG vertieft abklären.

Bei der Bearbeitung der Fragen, die während dieser Affäre immer wieder anfielen, spielten die Schweizer Botschaft in den USA, die Politische Abteilung V des EDA (PA V) und das Bundesamt für Justiz (BJ) eine wichtige Rolle. Sie taten im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen
ihr Möglichstes, um die von den amerikanischen Untersuchungen ausgelöste Problematik einer Lösung zuzuführen. Die GPK hätten es allerdings begrüsst, wenn das BJ (bei wichtigen Rechtsfragen wie z. B. Abklärungen zum Notrecht oder zum Staatshaftungsrisiko) sowie die Generalsekretariate des EDA und des EJPD als Departementstabsstellen vermehrt einbezogen worden wären. Die GPK haben zwei Empfehlungen in diesem Sinn abgegeben (Empfehlungen 13 und 14).

Wie bereits erwähnt, übernahm der Bundesrat als Kollegium das Zepter zu spät in dieser Angelegenheit, die Ende 2008 immer verworrener wurde. Aus folgenden Gründen sind die GPK mit der Führung des Bundesrates in diesem Dossier nicht zufrieden: Erstens erachten es die GPK als inakzeptabel, dass der Bundesrat im UBS-Dossier aus Vertraulichkeitsgründen bewusst auf ein Protokoll verzichtete. Die GPK sind der Meinung, dass das Prinzip der Schriftlichkeit in allen Situationen gelten muss, also auch bei geheimen Geschäften oder bei bloss mündlichen Mitteilungen, und dass das Regierungskollegium in der Lage sein muss, mit heiklen Informationen umzugehen.

Deshalb beauftragte die GPK den Bundesrat in einer Motion, die Pflicht zur Nieder4073

schrift seiner Beratungen und Beschlüsse gesetzlich zu verankern (Motion 2). In einer Empfehlung laden sie den Bundesrat ein, sich für adäquate Protokolle und eine ausreichende Geschäftskontrolle mit den notwendigen Mitteln auszustatten (Empfehlung 15).

Zweitens stellten die GPK fest, dass der Bundesrat in dieser Angelegenheit nicht oder viel zu spät über die Informationen verfügte, die zur Wahrnehmung seiner Führungsverantwortung nötig waren. Die GPK kamen überdies zum Schluss, dass der Bundesrat in dieser Angelegenheit die potenziellen Folgen unterschätzt und damit seinen Handlungsspielraum eingeengt hatte. Im Dezember 2008 schliesslich entzog sich der Bundesrat, ohne vorgängig die Rechtslage eingehend geprüft zu haben, seiner Verantwortung, indem er es der EBK überliess, die zur Rettung der UBS erforderlichen Massnahmen zu treffen.

Drittens gelangten die GPK zur Auffassung, dass das Stellvertretungssystem nicht angemessen funktionierte und in seiner heutigen Form überholt ist. Sie empfehlen deshalb dem Bundesrat, dieses System den Anforderungen einer modernen Regierungstätigkeit anzupassen (Empfehlung 16).

Viertens ging aus der Untersuchung der GPK hervor, dass sich das ­ durch einen weitgehend departementalen Ansatz geprägte ­ Kollegialverständnis des Bundesrates als Haupthindernis für eine hinreichende und frühzeitige Einbindung des Gesamtbundesrates erwiesen hatte. Um dem entgegenzuwirken und den Bundesrat als Kollegium zu stärken, muss aus Sicht der GPK das Instrument der Dreierausschüsse des Bundesrates systematisch angewandt und auf Gesetzesstufe grundsätzlich geregelt werden (Motion 3).

Dieses im Kollegium vorherrschende «Departementalprinzip» führte ebenfalls dazu, dass der Bundesrat in dieser Angelegenheit seine Gesamtverantwortung nicht wahrgenommen hatte. Diese gravierende Feststellung, die schon in früheren Untersuchungen gemacht wurde, zeigt einen dringenden Handlungsbedarf. In einer Motion und in einer Empfehlung fordern die GPK, dass im Rahmen der Regierungsreform Massnahmen ergriffen werden, damit der Bundesrat nicht nur formell, sondern auch effektiv die wichtigsten Geschäfte als Kollegium führt und für diese Geschäfte kollektiv verantwortlich ist (Motion 4 und Empfehlung 17).

Betreffend BK stellte sich insbesondere heraus, dass diese ihre Rolle in Zukunft umfassender und
mit mehr Durchsetzungskraft ausüben muss. Die GPK stellten fest, dass die BK ihre Aufgabe als Stabsstelle des Bundesrates nur unzureichend wahrgenommen hatte. Sie forderten deshalb als unmittelbare Massnahme ein umfassendes Controlling der BK, wenn es um Aufträge des Gesamtbundesrates an ein oder mehrere Departemente geht (Empfehlung 18).

Allgemein stellten die GPK Unklarheiten fest bezüglich der Konformität des QIA mit der schweizerischen Rechtsordnung und bezüglich der Bewilligung solcher Abkommen gemäss Artikel 271 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB). Sie beauftragten den Bundesrat, die Fragen rund um die Anwendung dieses Artikels sowie zur Kompatibilität des QIA mit dem schweizerischen Bankkundengeheimnis in einem umfassenden Bericht abzuklären (Postulat 2). In Sachen Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung und Misswirtschaft beauftragten die GPK den Bundesrat angesichts der Ereignisse im Fall UBS und ihrer diesbezüglichen Feststellungen, eine Revision der Artikel 164 und 165 StGB vorzuschlagen, damit deren Anwendbarkeit auf Grossunternehmen erweitert wird, falls diese aufgrund ihrer Systemrelevanz für die schweizerische Volkswirtschaft und für die Finanzsta4074

bilität durch staatliche Interventionen vor ihrem Untergang bewahrt werden müssen (Motion 5).

Im Übrigen stellten die GPK fest, dass in der Öffentlichkeit ein grosses Bedürfnis nach einer Offenlegung der bankinternen Vorgänge und Verantwortlichkeiten besteht. Deshalb forderten sie den Bundesrat und die UBS auf, die bankinternen Vorgänge durch ein unabhängiges Gremium aufzuarbeiten und die Resultate dieser Untersuchung zu veröffentlichen. Die GPK wollen sich insbesondere Klarheit verschaffen über die Opportunität der Einleitung von Strafanzeigen und Verantwortlichkeitsklagen durch die UBS, über die Traktandierung der Décharge für die Jahre 2007 bis 2009 an der Generalversammlung vom 15. April 2010 sowie über die Abgangsregelungen für das höhere und mittlere Management. Zudem forderten die GPK den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die Eidgenossenschaft bzw. Organe des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit als Aktionäre oder andere Aktionärsgruppen in die Lage versetzt werden, straf- bzw. zivilrechtliche Schritte (Verantwortlichkeitsklagen) gegen die verantwortlichen Verwaltungsräte, die verantwortlichen Mitglieder der Konzernleitung und allenfalls die Revisionsstelle in die Wege zu leiten. Zu diesem Zweck sollte die Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten durch die Eidgenossenschaft garantiert werden (Empfehlung 19).

Weiteres Vorgehen Nach der Veröffentlichung des Schlussberichts am 31. Mai 2010 wurden die von den GPK verfassten fünf Motionen und zwei Postulate an die eidg. Räte überwiesen.

Der Bundesrat empfahl, diese Vorstösse ­ mit Ausnahme der Motion 2 über die Schriftlichkeit seiner Beratungen und Beschlüsse und der Motion 5 betreffend die Artikel 164 und 165 StGB ­ anzunehmen.

Der Ständerat wie auch der Nationalrat nahmen bis zur Wintersession 2010 sämtliche Motionen und Postulate an, mit Ausnahme der Motion 2, welche im Nationalrat noch nicht behandelt wurde. Diese Motion, die den Bundesrat auffordert, seine Beratungen und Beschlüsse durchwegs schriftlich festzuhalten, wird während der Frühlingssession 2011 behandelt.

Die Motion 5 wurde durch den Zweitrat in abgeänderter Form überwiesen, um so den Bedenken des Bundesrates möglichst Rechnung zu tragen.

Zudem veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Schlussbericht der GPK am 13. Oktober 2010. Die GPK
beauftragten ihre Arbeitsgruppe, diese Stellungnahme und deren Schnittstellen zur Regierungsreform zu prüfen. Sie werden nach dieser Prüfung darüber beraten. Am 25. November 2010 haben die GPK zudem die Stellungnahme der FINMA und kurz darauf die Stellungnahme der SNB erhalten.

3.1.2

Nutzung des RemoteGate von SWIFT für inländische Zahlungen in der Schweiz

Nachdem die GPK-N Ende November 2008 erfahren hatte, dass ein kleiner Teil der inländischen Zahlungen über das internationale SWIFT-Netzwerk17 (via RemoteGate) erfolgt, setzte sie sich 2009 bei der FINMA dafür ein, dass die Banken ihre 17

Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication.

4075

Kundschaft transparent über die Nutzung des RemoteGate und deren Auswirkungen informieren.18.

Im Jahr 2010 erkundigte sich die GPK-N im Rahmen der Prüfung des Jahresberichts 2009 der FINMA, inwieweit diese Kundeninformation in der Zwischenzeit erfolgt ist. Die FINMA bestätigte gegenüber der GPK-N, dass die Banken allgemeine Informationen zur Nutzung des RemoteGate online gestellt haben und sie diese Informationen bei der nächsten Anpassung in ihre allgemeinen Vertragsbedingungen aufnehmen werden. Die FINMA will dies im Rahmen ihrer regelmässigen Kontrolle überprüfen.

Die GPK-N wollte sich sicher sein, dass diese Informationskampagne wie vorgesehen erfolgt. Da dies der Fall ist, beschloss sie, das Dossier zu schliessen.

3.1.3

Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement

Die GPK-S hat die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) einer umfangreichen Evaluation durch ihre Fachstelle, die PVK, unterzogen (siehe Bericht der PVK im Anhang, Ziff. 2.2.2).

In ihrem Bericht vom 12. Oktober 201019 kam die GPK-S aufgrund der Untersuchung der PVK zum Schluss, dass die Zusammenarbeit des Grenzwachtkorps mit den kantonalen Sicherheitsorganen grundsätzlich pragmatisch organisiert ist und gut funktioniert. Andererseits stellte die GPK-S aber auch fest, dass die Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen im Bereich der inneren Sicherheit, die seit längerer Zeit politisch umstritten ist, nicht hinreichend klar ist. Die GPK-S fordert deshalb vom Bundesrat, die sicherheitspolizeilichen Kompetenzen des Grenzwachtkorps genauer zu klären und zu definieren, welche Aufgaben das Grenzwachtkorps für die Kantone erfüllen darf. Der Bundesrat soll sicherstellen, dass das Grenzwachtkorps nicht zur nationalen «Hilfspolizei» wird. Er soll zudem abklären, welche Spezialdienstleistungen das Grenzwachtkorps für die Kantone erbringt und dafür eine angemessene Abgeltung verlangen.

Die Evaluation hat im Weiteren aufgezeigt, dass die Zollverwaltung, die mit ihren über 4000 Angestellten für rund einen Drittel der Einnahmen des Bundes sorgt, die Veränderungen der letzten Jahre, so etwa die Umsetzung des Schengen-Abkommens, ohne grössere Friktionen gemeistert hat. Die Steuerungsinstrumente der Zollverwaltung sind grundsätzlich zweckmässig konzipiert; sie werden allerdings teilweise nicht im Sinne einer leistungs- und wirkungsorientierten Steuerung angewendet. Daher fordert die GPK-S den Bundesrat in vier Empfehlungen auf, die Steuerungsinstrumente im Sinne der wirkungsorientierten Verwaltung weiter zu verbessern. Insbesondere sind der Bundesrat als Regierungsgremium und das Parlament noch vermehrt in die Mitbestimmung der politischen Schwerpunkte bei der Aufgabenerfüllung der Zollverwaltung einzubeziehen.

18 19

Jahresbericht 2009 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 22.1.2010 (BBl 2010 2671 2696).

Evaluation der Eidgenössischen Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement, Bericht der GPK-S vom 12.10.2010 (BBl 2011 1911).

4076

Aufgrund der Evaluation ist die GPK-S im Weiteren zum Schluss gekommen, dass die im Gesetz festgeschriebene Mindestgarantie des Personalbestandes des Grenzwachtkorps zu Problemen führt. Insbesondere hat der Mindestbestand dazu geführt, dass die Zollverwaltung im Rahmen der Entlastungsprogramme der letzten Jahre beim zivilen Zoll überproportional Stellen abbauen musste. Die GPK-S verlangte deshalb vom Bundesrat in einem Postulat20, zu prüfen, ob und wie auf die heutige Festschreibung der Mindestanzahl Grenzwächter im Schengen-Bundesbeschluss verzichtet werden kann. Gleichzeitig forderte die GPK-S aber, dass auch in Zukunft ein starker und zweckmässiger Grenzschutz sichergestellt wird. Das Postulat wurde am 7. Dezember 2010 vom Ständerat angenommen.

3.2

Soziale Sicherheit und Gesundheit

3.2.1

Neufestsetzung der Labortarife

Am 28. Januar 2009 genehmigte das EDI die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) neu erstellte Analyseliste gemäss Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG)21 in Verbindung mit Artikel 34 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV)22 und Artikel 28 Absatz 1 der Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV)23 und bestimmte als Inkraftsetzungszeitpunkt den 1. Juli 2009.

Aufgrund der durch diese Entscheide bei weiten Teilen der Ärzteschaft ausgelösten Empörung und der Ergebnisse erst kürzlich abgeschlossener Untersuchungen der GPK-N im Bereich der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP)24 beschloss die Kommission, die Rechtmässigkeit und Angemessenheit des Verfahrens bei der Neufestsetzung der Labortarife gemäss KVG zu untersuchen.

In ihrem abschliessenden Schreiben vom 5. Juni 200925 teilte die GPK-N dem Bundesrat mit, dass ihrer Ansicht nach das Verfahren bei der Neufestsetzung der Labortarife grundsätzlich korrekt durchgeführt worden war. Da die Kommission aber dennoch auf einige Schwachstellen gestossen war, formulierte sie sieben Empfehlungen an den Bundesrat und forderte ihn auf, dazu Stellung zu nehmen. Die Inspektion hatte im Übrigen in der Kommission gewisse Zweifel geweckt, ob die neuen Tarife im Sinne des KVG betriebswirtschaftlichen Ansprüchen genügen würden. Deshalb teilte sie dem Bundesrat mit, dass sie beschlossen habe, das angekündigte Monitoring in Zukunft eng zu begleiten.

An ihrer Sitzung vom 13. November 2009 musste die Kommission feststellen, dass zwischen ihren Erwartungen und der Stellungnahme des Bundesrates vom 21. Oktober 200926 eine erwähnenswerte Diskrepanz besteht. Insbesondere bezüg20 21 22 23 24 25 26

Po GPK-SR 10.3888 Prüfung der Aufhebung des Mindestbestandes des Grenzwachtkorps im Schengen-Bundesbeschluss.

Bundesgesetz vom 18.3.1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10) Verordnung vom 27.6.1995 über die Krankenversicherung (SR 832.102).

Verordnung des EDI vom 29.9.1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung; Krankenpflege-Leistungsverordnung (SR 832.112.31).

Kap. 3.2.6 und Kap. 3.2.8 im Jahresbericht 2008 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 23.1.2009 (BBl 2009 2598 und 2600).

Schreiben der GPK-N an den Bundesrat vom 5.6.2009 (BBl 2009 7779).

Stellungnahme des Bundesrates vom 21.10.2009 (BBl 2009 7787).

4077

lich der Empfehlungen der GPK-N, welche in Richtung mehr Transparenz und aktiver Kommunikation gehen, erachtete der Bundesrat keinerlei Handlungsbedarf.

In seiner deshalb verlangten, ergänzenden Stellungnahme vom 20. Januar 2010 zeigte sich der Bundesrat dann bereit, der Transparenz der Verfahren und der (aktiven) Kommunikation auch im Rahmen laufender Arbeitsprozesse in Zukunft vermehrt Beachtung schenken zu wollen. Ihrer Genugtuung über diesen Meinungswandel Ausdruck verleihend kündigte die GPK-N mit Schreiben vom 30. März 2010 eine Nachkontrolle in Bezug auf die Umsetzung der Empfehlungen in ca. zwei Jahren an und schloss die Untersuchung ab.

Bereits mit Schreiben vom 18. August 2009 liess der damalige Vorsteher des EDI der zuständigen Subkommission EDI/UVEK im Auftrag des Bundesrates erste Informationen zum Monitoring zukommen. Doch erst die auf Nachfrage am 6. November 2009 vom neuen Vorsteher des EDI erhaltenen Antworten zum Monitoringkonzept befriedigten die zuständige Subkommission. Sie beschloss, den so genannten Baseline-Bericht («Monitoring zur Revision AL. Erste Auswertungen zur Entwicklung in der Vergangenheit») zur Kenntnis zu nehmen, sobald er denn vorliegen würde27, und sich im Herbst 2010 vom Vorsteher des EDI über das Monitoring und dessen ersten Resultaten bezüglich der Auswirkungen der neuen Analyseliste informieren zu lassen. Sie lud den zuständigen Bundesrat ein, ihr bis zum 31. Juli 2010 einen entsprechenden Zwischenbericht zukommen zu lassen und diesen an ihrer Sitzung vom 6. September 2010 vorzustellen.

Den vom EDI erwarteten Zwischenbericht erhielt die Subkommission indessen auch nach erstreckter Frist nicht. Zwar war es dem Departement möglich, der Subkommission an ihrer Sitzung vom 6. September 2010 erste Ergebnisse des Monitorings vorzustellen. Auf der Basis der vorgestellten Daten konnte die Subkommission zur Kenntnis nehmen, dass gewisse befürchtete Auswirkungen der neuen Tarife für Analysen ­ insbesondere Kompensationsmassnahmen seitens der Ärzteschaft ­ bisher nicht eingetreten waren. Was den angekündigten Spareffekt der Massnahme betrifft, konnten aber noch keine Aussagen gemacht werden. Allerdings musste die Präsentation mit Vorsicht genossen werden, da gewisse Daten offenbar noch immer nicht zur Verfügung standen.

Nur kurz nach dieser Aussprache wurde die
Subkommission darüber informiert, dass ein ausführlicher Bericht zum Monitoring im Dezember 2010 in der Begleitgruppe besprochen und der Subkommission erst Ende Januar 2011 vorgelegt werden könne.

Auf der Basis dieser Sachlage teilte die Subkommisson dem EDI ihr Erstaunen mit, dass es mit der Neufestsetzung der Labortarife anscheinend eine Massnahme beschlossen habe, deren Effektivität von der Verwaltung nicht selbst beurteilt werden könne; nur schon weil ihr schlicht die Daten dazu fehlen würden. Die Subkommission plant deshalb, sich auch 2011 intensiv mit diesem Dossier zu beschäftigen.

27

Der Baseline Bericht wurde in der Folge mit Datum vom 3.12.2009 und damit deutlich später als angekündigt veröffentlicht.

4078

3.2.2

«Prämiengenehmigung» in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung

Im Rahmen des Jahresprogramms 2009 beschlossen die GPK eine Evaluation zur Prämiengenehmigung in der OKP durchzuführen.

Dabei sollte insbesondere folgenden zwei Kritikpunkten nachgegangen werden: Zum einen sei die Prämienbestimmung durch die Versicherer nicht genügend nachvollziehbar; die Prämienentwicklung würde nicht nur von den Gesundheitskosten, sondern auch von strategischen Marktüberlegungen der Versicherer bestimmt. Zum anderen wurde moniert, das BAG, das die Prämientarife nach Art. 61 KVG in Verbindung mit Art. 92 KVV im Auftrag des Bundesrates zu genehmigen hat, verfüge nicht über die nötigen Informationsgrundlagen für eine fundierte Genehmigung der Prämientarife und nehme seine Kontrollfunktion nicht in zweckmässiger und wirksamer Weise wahr.

Zur Konkretisierung des Mandats formulierte die zuständige Subkommission EDI/UVEK im Auftrag der GPK-N eine detaillierte Fragestellung zu den Bereichen Datenverfügbarkeit, Transparenz und Ressourcen, Prämien- und Kostenentwicklung, deren kantonalen Abstufung und Nachvollziehbarkeit sowie zu den Anlage- und Reservebestimmungen der Krankenversicherer.

An ihrer Sitzung vom 5. Juni 2009 ergänzte die GPK-N die Fragestellung der Untersuchung um die Problematik der Auswirkungen so genannter «Billigkrankenkassen» auf die Prämienentwicklung in der OKP.

Mit der Ausführung des Auftrages wurde aufgrund der weitgehend finanztechnischen Fragestellung über die FinDel die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) betraut. Im September 2009 bestätigte die EFK die Machbarkeit einer solchen Untersuchung gegenüber der Subkommission und im Juni 2010 präsentierte sie ihr den Schlussbericht «Obligatorische Krankenversicherung. Evaluation der Prämiengenehmigung und der Aufsicht über die Krankenversicherer».

Aus dem Schlussbericht lässt sich entnehmen, dass dem BAG bei der Kontrolle und der Beurteilung der Prämien klare Grenzen gesetzt sind. Einerseits liess sich nachweisen, dass die Prämien grundsätzlich den Gesundheitskosten folgen. Andererseits ist für das BAG die Beurteilung der Plausibilität der von den Krankenversicherern eingegebenen neuen Prämien im Einzelfall kaum abschliessend möglich. Kommt das BAG dennoch einmal zum Schluss, eine Prämie könne nicht wie eingegeben genehmigt werden, wirkt sich eine solche Intervention am Ende nur minimal auf die tatsächliche Höhe
der Prämie aus.

Die GPK-N kam aufgrund dieser Ergebnisse zum Schluss, dass auf grundsätzlicher Ebene regulatorischer Handlungsbedarf besteht. So stellen diese Erkenntnisse nach Ansicht der Kommission in erster Linie keinen Vorwurf an die Akteure dar, sondern werfen die Frage auf, ob das vorgesehene Verfahren die Erwartungen erfüllen kann, die in die Genehmigung der Prämientarife für die OKP durch den Bund gesetzt werden.

Deshalb beschloss die GPK-N den Bericht der EFK einerseits der zuständigen Legislativkommission, der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Natioanlrats (SGK-N), zukommen zu lassen, damit sich diese Gedanken über eine Anpassung der gesetzlichen Vorgaben über die Aufsicht und das Prämiengenehmigungsverfahren im Bereich der OKP machen kann. Andererseits wandte sie sich an den Bundesrat und regte ihm gegenüber neben der Beachtung der im Bericht 4079

genannten Optimierungsmassnahmen an, in Anbetracht der in Frage gestellten Effektivität der für das Prämiengenehmigungsverfahren eingesetzten Ressourcen im BAG und der knappen Ressourcenausstattung der für die Überprüfung des Leistungskatalogs der OKP zuständigen Sektion im BAG, im Sinne der Empfehlung 7 der Inspektion «Bestimmung und Überprüfung ärztlicher Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung»28 eine Verlagerung der vorhandenen Ressourcen innerhalb des Bundesamtes zu prüfen.

3.2.3

Krankenversicherungsgesetz: Bessere Umsetzung der Qualitätssicherung

Im Oktober 2009 veröffentlichte der Bund einen Bericht über die Qualität im Gesundheitswesen. Dieser Bericht wurde aufgrund einer Evaluation der PVK über die Rolle des Bundes bei der Qualitätssicherung nach KVG sowie eines Berichts der GPK-S vom November 2007 zum gleichen Thema erstellt.

Der Bericht der GPK-S umfasst 12 Empfehlungen an den Bundesrat, wie die Qualitätssicherung im Schweizer Gesundheitssystem besser umgesetzt werden kann. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte sich der Bundesrat mit der Empfehlung 1 einverstanden, wonach er eine klare und verbindliche Strategie zu erarbeiten hat, welche den Qualitätssicherungsauftrag des Bundes definiert. Zudem machte er deutlich, dass er die Empfehlungen 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11 und 12 bei der Ausarbeitung dieser Strategie einbeziehen will.

Die GPK-S entnahm dem Bericht des Bundesrates von Oktober 2009, dass er eine Strategie erarbeitet hat ­ ein wichtiger Schritt in die von ihr gewünschte Richtung ­ und eine Debatte über die Rolle des Bundes bei der Qualitätssicherung nach KVG lanciert worden ist. In seiner Strategie definiert der Bundesrat neun Aktionsfelder, in welchen die Qualität im Gesundheitswesen positiv beeinflusst werden kann, und nennt für jedes Aktionsfeld entsprechende Ziele. Der Bericht sieht vor, dass der Bund bei der Umsetzung der Strategie eine führende Rolle einnimmt und hierfür die rechtlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen schafft, ein Prozedere für den Einbezug der verschiedenen Akteure festlegt und Schwerpunktprogramme ausarbeitet.

Die im Bericht des Bundesrates vorgesehenen Handlungsempfehlungen müssen noch konkretisiert und umgesetzt werden. Die GPK-S erwartet deshalb bis Ende Mai 2011 einen Bericht des Bundesrates über den Umsetzungsstand all ihrer Empfehlungen.

3.2.4

Abklärung einzelner Aspekte der Organisation der Bekämpfung der Grippepandemie

Der Umgang der Behörden mit der Grippepandemie A(H1N1) führte in der Schweiz wie auch im Ausland zu Kontroversen. Vor diesem Hintergrund beschloss die GPK-S an ihrer Sitzung vom 26. November 2009, in einer Untersuchung einzelne Aspekte der Organisation der Grippepandemiebekämpfung zu klären.

28

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010 (BBl 2010 2671, 2702 f.).

4080

Gegenstand der Untersuchung der GPK-S ist die Organisation der Impfungen (das Bewilligungsverfahren für die Impfstoffe, namentlich die Koordination zwischen den schweizerischen und europäischen Behörden sowie die Verteilung der Impfdosen), die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen sowie weitere Aspekte der Pandemiebekämpfung.

In Absprache mit der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) beauftragte das EDI im Januar 2010 ein externes Unternehmen, in Zusammenarbeit mit einer internationalen Expertengruppe u. a. die Impfstrategie und ihre Umsetzung umfassend zu evaluieren.

Die GPK-S beschloss aufgrund der vom EDI getroffenen Massnahmen, keine Parallelarbeiten durchzuführen und den Bericht der externen Evaluation abzuwarten. Sie bat das EDI jedoch um zusätzliche Informationen über die Ergebnisse des vom BAG organisierten Debriefings, über die Evaluation der internen Abläufe im BAG, über die von Swissmedic und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMEA) am 12. Februar 2010 unterzeichnete Absichtserklärung sowie über die Verwendung der überzähligen Impfstoffdosen.

Die GPK-S erhielt am 26. Mai 2010 vom EDI den externen Evaluationsbericht sowie eine Antwort auf ihre Fragen. Zur vertieften Untersuchung einzelner Aspekte der Pandemiebekämpfung forderte sie das EDI auf, ihr bis Ende 2010 einen Zusatzbericht mit einer Stellungnahme des Bundesrates zu den Empfehlungen der externen Evaluation, zum Bericht der Kommission für Soziales, Gesundheit und Familienangelegenheiten der parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 7. Juni 2010 und zu den Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Evaluation der internen Abläufe im BAG zu unterbreiten. Darüber hinaus ersuchte die GPK-S das EDI, ihr ebenfalls bis Ende 2010 eine Reihe von Fragen zu beantworten, die sich im Zusammenhang mit dem Bericht der Kommission für Soziales, Gesundheit und Familienangelegenheiten der parlamentarischen Versammlung des Europarats sowie der externen Evaluation über die Impfstrategie ergeben hatten.

3.2.5

Lobbyarbeit mit Bundesmitteln (Pro Audito)

Nach einschlägigen Pressemeldungen leitete die GPK-S im April 2010 eine Untersuchung ein, um abzuklären, ob und inwieweit Unterstützungsbeiträge des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) an den Hörbehindertenverband Pro Audito für Lobbyingaktivitäten im Parlament verwendet worden sind.

Nach einem Briefwechsel mit dem EDI untersuchte die GPK-S anhand der erhaltenen Informationen, wie Pro Audito die Unterstützungsbeitrage des BSV verwendet hat. Ausserdem prüfte die GPK-S die EDI-Controlling-Daten zu den von Pro Audito erbrachten Leistungen.

Die GPK-S stellte fest, dass es auch nach dieser Prüfung noch offene Fragen gibt, namentlich in Bezug auf das Budget von Pro Audito. Deshalb beschloss die Kommission an ihrer Sitzung im November 2010, ihre Untersuchung fortzusetzen und weitere Informationen zu den noch offenen Fragen anzufordern.

4081

3.3

Umwelt, Verkehr und Infrastruktur

3.3.1

Geschäftsprüfungsaudit zum Bundesamt für Umwelt (BAFU)

Die GPK haben im Rahmen ihrer Jahresplanung 2009 am 23. Januar 2009 beschlossen, von der PVK ein Geschäftsprüfungsaudit des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) durchführen zu lassen.

Das Geschäftsprüfungsaudit hatte zum Ziel, die politische und betriebliche Führung des BAFU zu evaluieren. Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage, ob das (formalisierte) Instrumentarium für die politische und betriebliche Steuerung des BAFU zweckmässig ist, um die Aufgabenerfüllung durch das Amt zu gewährleisten.

Im Weiteren wurde die Anbindung an die übergeordnete Steuerung durch das Departement und den Bundesrat untersucht.

Die GPK-N hat an ihrer Sitzung vom 30. März 2010 vom Bericht der PVK vom 28. Januar 2010 Kenntnis genommen.

Die Kommission stellte mit Genugtuung fest, dass die Ergebnisse der Untersuchung insbesondere auf Stufe Bundesamt überwiegend positiv sind. Das Steuerungsinstrumentarium verbindet in vorbildlicher Weise Aufgaben und Ressourcen, was eine integrierte Steuerung ermöglicht.

Das Geschäftsprüfungsaudit zeigte jedoch Optimierungspotenzial auf Stufe Departement auf. So wurde festgestellt, dass das UVEK nur wenige Vorgaben macht und kaum systematische Überprüfungen durchgeführt. Das erscheint insbesondere deshalb erstaunlich, weil die in den gesetzlichen Grundlagen liegenden Zielkonflikte die Definition einer Gesamtstrategie auf Stufe des Bundesamtes erschweren. Deshalb bat die GPK-N das UVEK, zum Schlussbericht der PVK Stellung zu nehmen und sie über die beschlossenen Massnahmen zu orientieren.

Leider musste die Kommission zur Kenntnis nehmen, dass das Departement das aufgezeigte Steuerungsdefizit nicht anerkennt. Zwar hat das UVEK in seiner Stellungnahme vom 29. September 2010 dem Befund der PVK zugestimmt, dass nur wenige formalisierte Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen. Dies hält es aber nicht für einen Mangel, weil eine situative Steuerung ebenso erfolgreich sei.

In Anbetracht dessen, dass der Bundesrat als die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes (vgl. Art. 174 Bundesverfassung, BV) seine Steuerungsaufgabe nur wahrnehmen kann, wenn ihm die Departemente in systematischer Art und Weise ihre eigene Steuerung untergeordneter Verwaltungseinheiten transparent und nachvollziehbar aufzeigen und Rechenschaft über die Verwaltungsführung ablegen, beschloss die Kommission,
das UVEK einerseits dazu aufzufordern, die Steuerung seiner Ämter im Rahmen seines Auftrages und seiner Verpflichtung wahrzunehmen, und andererseits das Steuerungsinstrumentarium so zu ergänzen, dass eine systematische Planung und ein regelmässiges Controlling sichergestellt werden können.

4082

3.3.2

Sicherheit in der Zivilluftfahrt

Die GPK-S befasste sich seit dem Bericht 2003 zur Flugsicherheit der Schweiz, der nach dem Flugunglück von Überlingen vom niederländischen National Aerospace Laboratory (NLR) erstellt worden war, regelmässig mit der Flugsicherheit in der Zivilluftfahrt und setzte sich zu diesem Zweck u. a. mit Lageberichten sowie mit der Reorganisation des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) auseinander.

Im November 2010 prüfte die GPK-S den Bericht des UVEK vom 30. August 2010 über das Sicherheitsniveau in der Schweizer Zivilluftfahrt im Jahr 2009. Die Kommission stellte mit Genugtuung fest, dass der Bericht entsprechend ihrem Ersuchen von 2009 Daten zum Sicherheitsniveau in den Nachbarländern, Informationen über die Entwicklung des Frachtverkehrs sowie zusätzliche Angaben über den Flughafen Basel-Mulhouse enthält. Sie zeigte sich zudem erfreut über die insgesamt zufriedenstellenden Daten über die Sicherheit in der Schweizer Zivilluftfahrt und die geringe Unfallrate im Jahr 2009.

Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) führte vom 1. bis 31. März 2010 in der Schweiz ein umfassendes Audit (ein so genanntes USOAP) durch, dessen Abschlussbericht bis Ende 2010 vorliegen dürfte.

3.4

Internationale Beziehungen und Aussenhandel

3.4.1

Kohärenz und strategische Führung der Aktivitäten der DEZA

Im ersten Halbjahr 2010 setzte die GPK-S ihre Nachkontrolle29 zu ihrem Bericht von 2006 über die Kohärenz und die strategische Führung der Aktivitäten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)30 fort.

Die GPK-S befasste sich dabei an mehreren Sitzungen mit zwei Berichten des Bundesrates: mit dem Bericht vom 21. Oktober 2009 über die Umsetzung ihrer Empfehlungen und mit dem Bericht zu ihrer Motion 06.3666 («Instrumente des Bundesrates zur strategischen Führung und gesetzliche Grundlagen»). An einer dieser Sitzungen hörte sie zur Klärung verschiedener Fragen den Direktor des DEZA an.

Die GPK-S kam nach dieser Prüfung zum Schluss, dass seit dem Erscheinen ihres Berichtes im Dezember 2006 wichtige Schritte in die von der Kommission gewünschte Richtung unternommen worden waren. Sie zeigte sich vor allem erfreut darüber, dass für die DEZA und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine einheitliche entwicklungspolitische Strategie festgelegt wurde. Diese auf drei Pfeilern und sechs Kooperationsbereichen basierende Strategie bildet mittlerweile die Grundlage der Aktivitäten der beiden Ämter. Die GPK-S hielt es zudem für sinnvoll, dass die Südbotschaft (Botschaft vom 14. März 2008 über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern, 08.030) und die SECO-Botschaft (Botschaft vom 7. März 2008 über die 29 30

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 22.1.2010 (BBl 2010 2671 ff.).

Kohärenz und strategische Führung der Aktivitäten der DEZA, Bericht der GPK-S vom 8.12.2006 (BBl 2007 2859).

4083

Finanzierung der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, 08.028) dem Parlament gleichzeitig vorgelegt werden.

Überdies nahm die Kommission mit Genugtuung Kenntnis von den Massnahmen, die zur geografischen und thematischen Konzentration der Entwicklungszusammenarbeit des Bundes getroffen wurden; dazu gehört u.a. die Verringerung der Anzahl Schwerpunktländer der DEZA von 17 auf deren 12.

Mit der Motion 06.3666 beauftragte die GPK-S den Bundesrat insbesondere, zu prüfen, ob es zweckmässig sei, dem Parlament eine Revision des im Jahre 1976 erlassenen Gesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu unterbreiten. Die Kommission fand, dass der Bundesrat diesen Auftrag mit seinem Bericht zu dieser Motion erfüllt hatte und sie nahm davon Kenntnis, dass eine Revision dieses Gesetzes in den Augen des Bundesrates derzeit weder nötig noch zweckmässig ist.

Die GPK-S informierte den Bundesrat über ihren Standpunkt und teilte ihm zudem mit, dass sie ihre Empfehlungen sowie die Motionen 06.3666 (Instrumente des Bundesrates zur strategischen Führung und gesetzliche Grundlage) und 06.3667 (Geografische und thematische Konzentration) als umgesetzt betrachtet und diese somit abgeschrieben werden können.

Die Kommission schloss damit ihre Arbeiten zur Kohärenz und strategischen Führung der Aktivitäten der DEZA ab.

3.4.2

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen

Am 3. Dezember 2010 veröffentlichte die GPK-S ihren Bericht über das Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen.31 Ziel des Berichts war es, das Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Oberaufsicht zu analysieren32.

Dabei umfasst der Untersuchungsauftrag der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) die folgenden drei Hauptthemen:

31 32

1.

Führung durch den Bundesrat und Informationsfluss innerhalb des Kollegiums im Zusammenhang mit der Reise des damaligen Bundespräsidenten vom 20. August 2009 nach Libyen und der Unterzeichnung des Abkommens am gleichen Tag;

2.

Führung durch den Bundesrat und Informationsfluss innerhalb des Kollegiums im Zusammenhang mit der Planung von Exfiltrationsoperationen;

Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen, Bericht der GPK-S vom 3.12.2010.

Für diesen Beitrag wurde aus Zeitgründen die Zusammenfassung des am 3.12.2010 veröffentlichen Berichts übernommen.

4084

3.

Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden und den Behörden des Kantons Genf.

Zu diesem Zweck hat die GPK-S die relevanten Dokumente analysiert und die massgeblich beteiligten Personen angehört. Ausserdem hat die GPK-S in diesem Dossier eng mit der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) zusammengearbeitet.

Nach einer kurzen Einleitung (Kapitel I), folgt die Struktur des Berichts den wichtigsten Zeitabschnitten: Kapitel II befasst sich mit dem Zeitraum von Mitte Juli 2008 bis Juni 2009, Kapitel III mit den Ereignissen von Juni 2009 bis Ende August 2009 und Kapitel IV mit der Periode von Ende August 2009 bis zum 13. Juni 2010. Die Planung von Exfiltrationsoperationen werden in einem separaten Kapitel (Kapitel V) behandelt. Die Schlussfolgerungen der GPK-S werden in Kapitel VI dargelegt.

Die vorliegende Zusammenfassung folgt im Wesentlichen der Struktur des Berichts.

Sie hat zum Ziel, die wichtigsten Schlussfolgerungen der GPK-S in einer Synthese darzulegen. Diese Zusammenfassung vermag jedoch nicht, die Lektüre des Berichts zu ersetzen.

Die wichtigsten Schlussfolgerungen sind die folgenden: Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden und den Behörden des Kantons Genf von Juli 2008 bis Juni 2009 Am 14. Juli 2008 ­ d.h. ein Tag vor der Festnahme eines Sohnes des libyschen Revolutionsführers und seiner Ehefrau (hiernach: Ehepaar G.) durch die Genfer Polizei ­ nimmt das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Genf («Département des institutions») Kontakt auf mit der ständigen Mission der Schweiz beim Büro der Vereinten Nationen und den anderen internationalen Organisation in Genf (hiernach: Schweizer Mission), um Informationen über den Status des Ehepaars G.

zu erhalten. Die Schweizer Mission nimmt ihrerseits Kontakt auf mit den zuständigen Personen der Direktion für Völkerrecht des EDA, um diesen Status zu klären.

Die zuständigen Personen der Direktion für Völkerrecht kommen zum Schluss, dass das Ehepaar G. keine diplomatische Immunität geniesst. Da sie sich der möglichen politischen Auswirkungen, die eine Intervention der Genfer Polizei auf die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Libyen haben könnte bewusst sind, beschliessen sie jedoch, keine Standartantwort zu geben, sondern ihrer Antwort an die Genfer Behörden eine Anmerkung beizufügen, um sie auf diese möglichen Auswirkungen aufmerksam zu machen. Zuvor konsultieren sie den stellvertretenden
Staatssekretär (thematische Zuständigkeit), welcher mit der vorgeschlagenen Antwort einverstanden ist. Er erachtet es jedoch nicht als notwendig, die Vorsteherin des EDA zu informieren.

Aus Sicht der GPK-S war die Antwort des EDA an das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Genf via Schweizer Mission in der vorliegenden Form nicht adäquat, obwohl sie aus einer rein formaljuristischen Betrachtung bezüglich der Frage der diplomatischen Immunität durchaus richtig war. Tatsächlich hätte die Problematik sowohl seitens des Bundes wie auch seitens des Kantons Genf auch auf die politische Ebene gehoben werden müssen. Inskünftig ist innerhalb des EDA zu gewährleisten, dass in derartigen oder ähnlichen Konstellationen die Departementsvorsteherin oder der Departementsvorsteher als politisch Verantwortliche(r) rechtzeitig informiert wird. Es obliegt in erster Linie der Departementsvorsteherin oder dem Departementsvorsteher des EDA, die nötigen politischen Überlegungen anzustellen und gegebenenfalls eine politische Diskussion mit den politischen Behörden 4085

des betroffenen Kantons zu führen. Diese Aufgabe kann aufgrund ihrer politischen Natur weder an die Dienststellen der Direktion für Völkerrecht, welche mit der Beantwortung juristischer Fragen betraut sind, noch an die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Politischen Direktion abschliessend delegiert werden.

Empfehlung 1: Information der Vorsteherin des EDA Die GPK-S fordert das EDA auf, bei schwierigen Konstellationen im Zusammenhang mit Fragen der diplomatischen Immunität Richtlinien zu erlassen, welche festlegen in welcher Situation die Vorsteherin oder der Vorsteher des EDA zu welchem Zeitpunkt und durch wen zwingend informiert und/oder konsultiert werden muss, damit sie ihre politische Verantwortung wahrnehmen kann.

Während der ersten Phase der diplomatischen Krise (Juli 2008 bis Juni 2009) finden zahlreiche Kontakte zwischen den Bundesbehörden und den Genfer Behörden statt; diese sind jedoch informeller Natur.

Information und Führung durch den Bundesrat zwischen Juli 2008 und Juni 2009 Während der ersten Zeitspanne der Krise wird der Bundesrat hauptsächlich mittels Informationsnotizen und mündliche Informationen seitens der Vorsteherin des EDA über die Entwicklungen in dieser Angelegenheit orientiert. Der Bundesrat führt vor dem 17. Juni 2009 keine vertiefte Diskussion über dieses Dossier und fällt auch keinen formellen Beschluss. Daraus ergibt sich, dass während dieser ersten Phase die diplomatische Krise zwischen der Schweiz und Libyen ausschliesslich auf der Ebene des EDA und nicht des Bundesrates gehandhabt wurde. Angesichts der Bedeutung und des Ausmasses dieser bilateralen Krise hätte die Führung dieses Geschäfts und insbesondere die Festlegung der einzuschlagenden Strategie nach Ansicht der GPK-S jedoch durch den Gesamtbundesrat als Kollegium erfolgen müssen.

Empfehlung 2: Festlegung der Strategie durch den Bundesrat bei grösseren aussenpolitischen Krisen Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, inskünftig bei grösseren aussenpolitischen Krisen als Kollegium die Strategie (Ziele, Mittel und wenn möglich Zeitplan) festzulegen.

An den Bundesrat übermittelte Informationen und Führung des Bundesrats während dem Sommer 2009 An seiner Sitzung vom 17. Juni 2009 erteilte der Bundesrat dem damaligen Bundespräsidenten (hiernach: Bundespräsident 2009) keinen formellen Auftrag. Ausserdem ist im Beschluss des Bundesrates vom 17. Juni 2009 nichts über die Erteilung eines solchen Mandats zu finden.

4086

Für die GPK-S ist die Frage, ob der Bundesrat dem Bundespräsidenten 2009 einen Auftrag, keinen Auftrag oder, um es mit den Worten des Bundesrates auszudrücken, bloss einen «formlosen Auftrag» erteilt hat, sekundär. Wichtig ist die Feststellung, dass der Bundesrat den Inhalt und die Grenzen eines allfälligen Auftrages an den Bundespräsidenten 2009 nicht genau definiert hat.

So hätte sich der Bundesrat zumindest zum Umfang und zu den Grenzen der übertragenen Kompetenzen äussern müssen, ebenso wie zur Aufteilung der Kompetenzen und zu den Modalitäten der Zusammenarbeit mit dem bis dahin für das Dossier zuständigen Departement ­ in diesem Falle also das EDA ­ respektive zur Art der Unterstützung durch dieses Departement. Insbesondere hätte im Auftrag explizit erwähnt sein müssen, dass der Bundespräsident 2009 im Namen der Schweizerischen Eidgenossenschaft ein Abkommen mit Libyen unterzeichnen kann, ohne den Gesamtbundesrat vorher zu konsultieren, falls dies dem Willen des Bundesrates entsprochen hätte.

An der Sitzung vom 19. August 2009 hat der Bundespräsident 2009 den Bundesrat nicht über seine feste Absicht orientiert, ein Abkommen mit Libyen abzuschliessen und zu unterzeichnen. Aus diesem Grund konnte sich der Bundesrat weder zum Inhalt des Abkommens gemäss Stand vom 19. August 2009 noch zur Frage äussern, ob es zweckmässig wäre, den damaligen Bundespräsidenten zu ermächtigen, gegebenenfalls ein solches Abkommen zu unterzeichnen.

Für die GPK-S ist es inakzeptabel, dass der Bundespräsident 2009 den Bundesrat am Abend des 19. August 2009 nicht über seinen Entscheid informierte, am folgenden Tag dennoch nach Libyen zu reisen, obwohl er am gleichen Tag an der Sitzung des Bundesrates gesagt hatte, er werde nicht reisen.

Nach Ansicht der GPK-S hat der Bundespräsident 2009 durch die Unterzeichnung eines Abkommens ohne Ermächtigung des Gesamtbundesrates seine Kompetenzen klar überschritten.

Zusammenarbeit zwischen dem damaligen Bundespräsidenten und dem EDA während dem Sommer 2009 Im Laufe des Sommers 2009 ergaben sich einige schwerwiegende Probleme in der Zusammenarbeit zwischen dem Bundespräsidenten 2009 und dem EDA ­ und umgekehrt.

Die GPK-S ist der Auffassung, dass der Bundespräsident 2009 unnötigerweise ein erhebliches politisches Risiko eingegangen ist, als er nach Tripolis reiste, ohne einen
von der Direktion für Völkerrecht bzw. der Vorsteherin des EDA validierten Text im Gepäck zu haben.

Ausserdem hat die Weigerung der Vorsteherin des EDA, dem Bundespräsidenten 2009 den stellvertretenden Staatssekretär (regionale Zuständigkeit) als Begleitperson zuzuweisen, dem Aufbau einer von Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung geprägten Zusammenarbeit zwischen den beiden Bundesräten und ihren jeweiligen Departementen unnötig geschadet.

Weiter stellt die GPK-S fest, dass im Hinblick auf die Reise vom 20. August 2009 die Frage, wer die Vorsteherin des EDA zu welchem Zeitpunkt über welche Entwicklungen zu informieren hatte, vorgängig nicht geregelt wurde. Dies führte faktisch dazu, dass die Vorsteherin des EDA vor der Unterzeichnung des Abkommens von niemandem auf dem Laufenden gehalten wurde.

4087

Am 21. August 2009 gibt der Bundespräsident 2009 eine Medienkonferenz in Bern.

Nach deren Abschluss haben einige Medien berichtet, dass Journalisten während dieser Konferenz SMS vom EDA erhalten hätten. Darin sei präzisiert worden, dass die Direktion für Völkerrecht vor der Unterzeichnung des Abkommens nicht konsultiert worden sei.

Bezüglich dieser SMS ist die GPK-S der Ansicht, dass es entgegen dem, was der Bundespräsident 2009 an seiner Medienkonferenz vom 21. August 2009 mehr oder weniger explizit darlegte, zwar zutrifft, dass die Direktion für Völkerrecht nicht zum definitiven Abkommensentwurf konsultiert wurde. Dennoch hält sie es für inakzeptabel, dass solche SMS während der laufenden Medienkonferenz an einige Journalisten verschickt wurden.

Die GPK-S erwartet von allen Departementen, dass sie sich vor Medienkonferenzen untereinander über deren Inhalt absprechen, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden.

Obwohl die diplomatische Krise zwischen der Schweiz und Libyen zwar in mancher Hinsicht einen Sonderfall darstellt, ist die GPK-S der Ansicht, dass die Grundsatzfrage der Rolle des Bundespräsidiums im Bereich der Aussenpolitik bzw. der Zusammenarbeit zwischen dem Bundespräsidium und dem EDA bzw. einem anderen federführenden Departement in Zukunft jedoch immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Es gilt daher sicherzustellen, dass das Bundespräsidium eine angemessene und ausreichende Unterstützung seitens des EDA bzw. des federführenden Departements erhält.

Empfehlung 3: Übertragung eines Mandates an die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten Die GPK-S empfiehlt dem Bundesrat, bei der Übertragung eines Mandates an die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten aus einem Bereich, der bis dahin in der Zuständigkeit eines anderen Departements lag, folgende drei Punkte zu definieren: ­

die Aufteilung der Kompetenzen,

­

die Modalitäten der Zusammenarbeit und

­

die Verstärkung der Unterstützung der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten durch die Bezeichnung der zugewiesenen Personen und die Festlegung des Inhalts und der Dauer ihres Mandats.

Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Behörden des Bundes und des Kantons Genf während dem Sommer 2009 Ab der Übernahme des Dossiers durch den Bundespräsidenten 2009 finden keine Kontakte zwischen den Bundesbehörden und den Behörden des Kantons Genf mehr statt. Die Behörden des Kantons Genf wurden demnach nicht zum definitiven Text konsultiert, der am 20. August 2009 unterzeichnet wurde.

Die GPK-S hat Kenntnis von zwei Rechtsgutachten genommen, die zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen in Bezug auf die Frage, ob die Mitwirkungs-

4088

rechte des Kantons Genf im Sinne von Art. 55 der Bundesverfassung bei der Unterzeichnung des Abkommens vom 20. August 2009 verletzt wurden.

Es steht der GPK-S an dieser Stelle nicht zu, sich für die eine oder die andere der verschiedenen juristischen Interpretationen auszusprechen. Die GPK-S stellt fest, dass die Differenzen mit der Grundfrage der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Kantonen und der Eidgenossenschaft zusammenhängen.

Angesichts der Tatsache, dass Entscheidungen, die auf internationaler Ebene getroffen werden, einen immer grösseren Einfluss auf die Innenpolitik der Schweiz haben, muss diese Thematik eingehender geprüft werden, um abzuklären, ob es notwendig ist, die Modalitäten der Zusammenarbeit und/oder die bestehenden gesetzlichen Grundlagen zu präzisieren.

Insbesondere die Frage, in welcher Situation es für den Bund möglich ist, vom allgemeinen Grundsatz der Konsultation der Kantone abzuweichen, um seine Handlungsfähigkeit zu wahren, sowie die materiellen Grenzen der Vertragskompetenz des Bundes im Bereich der Aussenpolitik bedürfen einer eingehenderen Prüfung.

Empfehlung 4: Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes: Prüfung der Differenzen zwischen den Rechtsgutachten Die GPK-S empfiehlt dem Bundesrat, in enger Zusammenarbeit mit der Konferenz der Kantonalregierungen die Differenzen zwischen den vorliegenden Rechtsgutachten zu prüfen und einen Bericht zuhanden der APK auszuarbeiten.

Dieser Bericht soll insbesondere abklären, ob die bestehenden Gesetzesgrundlagen zu präzisieren sind, und gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vorschlagen. Der Handlungsfähigkeit des Bundes in ausserordentlichen Situationen muss Rechnung getragen werden.

Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden und den Genfer Behörden von Ende August 2009 bis Juni 2010 Zwischen Ende 2009 und dem 13. Juni 2010 finden erneut informelle Kontakte zwischen dem EDA und den Genfer Behörden statt.

Was die Häufigkeit und den genauen Inhalt dieser Kontakte anbelangt, gehen die Angaben des EDA und der Genfer Behörden allerdings weit auseinander.

Die Differenzen betreffen im Wesentlichen die Frage, ob die Genfer Behörden über den Inhalt der Verhandlungen und insbesondere über die beiden sie betreffenden Punkte des Aktionsplans vom 14. Mai 2010 informiert waren. Konkret geht es dabei
zum einen um die Wiedereinsetzung des Abkommens vom 20. August 2009 und zum andern um die Entschuldigung für die Veröffentlichung der Fotos des Sohnes des Revolutionsführers anlässlich seiner Festnahme sowie um die Ausrichtung einer finanziellen Entschädigung für den Fall, dass es im Rahmen der Strafuntersuchung nicht gelingen sollte, die für die Verletzung des Amtsgeheimnisses verantwortliche Person zu eruieren.

Die GPK-S hält fest, dass die gegenwärtige Situation, in der die Erklärungen der einen Seite denen der anderen Seite widersprechen, nicht zufriedenstellend ist. Dies zeigt klar auf, dass die Bundesbehörden und die Genfer Behörden, da sie keine 4089

klaren Kommunikationskanäle zu Beginn der Krise definiert hatten, demzufolge auch nicht über solche verfügten, als es jeweils nötig gewesen wäre.

Empfehlung 5: Vereinbarung zu den Modalitäten der Zusammenarbeit im Krisenfall Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, zusammen mit den Behörden des Kantons Genf zu prüfen, ob es zweckmässig sei, die Modalitäten der Zusammenarbeit, der Kommunikation und der Entscheidungsfindung sowie die zuständigen Ansprechpartner (Personen oder Organe) im Falle einer Krise in einer Vereinbarung zu definieren. Die Rückverfolgbarkeit der übermittelten Informationen sollte ebenfalls Gegenstand einer solchen Vereinbarung sein.

Information und Führung durch den Bundesrat zwischen Ende August 2009 und Juni 2010 Aus den Unterlagen des Bundesrates und den Erklärungen der verschiedenen angehörten Personen geht hervor, dass der Bundesrat nach der Unterzeichnung des Abkommens vom 20. August 2009 vermehrt in dieses Dossier involviert war.

Es sind aber auch erhebliche Probleme festzustellen, was den Umfang der Informationen betrifft, die dem Bundesrat als Kollegium übermittelt wurden. Aus den Protokollen des Bundesrates geht nämlich hervor, dass sich einige Mitglieder darüber beklagten, lückenhaft informiert worden zu sein. Zudem seien vom Bundesrat beschlossene Korrekturen von den betroffenen Departementen nicht umgesetzt worden, so beispielsweise bei den Chronologien zuhanden der parlamentarischen Kommissionen.

Die Kommission stellt fest, dass sich ab Ende August 2009 ein Klima des Misstrauens innerhalb des Gesamtbundesrates breitmachte. Die GPK-S bedauert diese Situation, die zumindest teilweise darauf zurückzuführen ist, dass die Übertragung des Dossiers an den Bundespräsidenten 2009 am 17. Juni 2009 vom Bundesrat nicht formgerecht vorgenommen wurde.

Trotz der festgestellten Mängel möchte die GPK-S betonen, dass es während dieser Periode auch positive Aspekte in Bezug auf die Führung des Bundesrats zu erwähnen gibt. So hat der Bundesrat vertiefte Diskussionen geführt und Entscheide über die zu verfolgende Strategie getroffen. Die Umsetzung von restriktiven Massnahmen im Visa-Bereich hat eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Mitgliedern des Bundesrats vorausgesetzt; diese Zusammenarbeit scheint gut funktioniert zu haben.

4090

Empfehlung 6: Unabdingbare Voraussetzungen für eine effektive Führung durch den Bundesrat bei wichtigen Geschäften Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass in Zukunft die drei folgenden unabdingbaren Voraussetzungen erfüllt sind, damit er bei wichtigen Geschäften eine effektive Führung als Kollegium wahrnehmen kann: ­

korrekte und ausreichende Information durch das oder die betroffene(n) Departement(e);

­

formelle Beschlüsse zu Fragen wie etwa zur vollständigen oder teilweisen Übertragung eines Dossiers, zum Inhalt eines Mandats sowie dessen Dauer;

­

formelle Beschlüsse zur Kompetenzverteilung und zu den Modalitäten der Zusammenarbeit, wenn mehrere Departemente in die Handhabung eines Dossiers involviert sind.

Während dem gesamten Untersuchungszeitraum (Juli 2008 bis Juni 2010) hat weder der Ausschuss des Bundesrates für auswärtige Angelegenheiten noch der Sicherheitsausschuss des Bundesrates dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Der Ausschuss des Bundesrates für auswärtige Angelegenheiten führte in dieser Periode zudem keine einzige Sitzung durch.

Empfehlung 7: Ausschuss des Bundesrates für auswärtige Angelegenheiten Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, anlässlich der für Anfang 2011 geplanten Überprüfung der bundesrätlichen Ausschüsse den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten beizubehalten, seine Zusammensetzung und sein Mandat klar zu definieren.

Organisation des Krisenmanagements zwischen Ende August 2009 und Juni 2010 Die departementsübergreifende «Taskforce LI-CH-T», die am 26. August 2009 eingesetzt und der Leitung des Staatssekretärs des EDA unterstellt wurde, umfasste Vertreterinnen und Vertreter von fünf Departementen (EDA, EFD, EVD, EJPD und VBS).

Der Vorteil dieses Organs bestand darin, dass alle betroffenen Departemente darin vertreten waren und dass alle Papiere, die später dem Bundesrat vorgelegt wurden, von den Vertreterinnen und Vertretern dieser Departemente bereits vorgängig diskutiert worden waren.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist die Tatsache, dass die «Taskforce LI-CH-T» ebenso wie die bereits zuvor bestehenden Arbeitsgruppen ihre Arbeiten anhand von Protokollen ihrer zahlreichen Sitzungen dokumentierte.

Gewisse Fragen wurden im Rahmen des vorliegenden Berichts nicht eingehender geklärt, so insbesondere Fragen zu den Informationsflüssen zwischen den Mitglie4091

dern der «Taskforce LI-CH-T» und den Vorsteherinnen und Vorstehern ihrer jeweiligen Departemente. Gemäss den der GPK-S zur Verfügung stehenden Informationen war den Mitgliedern der «Taskforce LI-CH-T» offensichtlich nicht immer klar, dass es ihnen oblag, ihre jeweiligen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher über die laufenden Arbeiten zu informieren und/oder ihnen wichtige Informationen weiterzuleiten, über die sie manchmal noch vor dem Bundesrat verfügten (z.B. was die Entführung der beiden Schweizer Mitte September 2009 anbelangt).

Empfehlung 8: Informationsflüsse zwischen den Mitgliedern eines departementsübergreifenden Krisenorgan und ihren jeweiligen Departementsvorsteherinnen und -vorstehern Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, die notwendigen Massnahmen zu treffen, damit in Zukunft bei allen departementsübergreifenden Krisenorganen die Informationsflüsse zwischen ihren Mitgliedern und deren jeweiligen Departementsvorsteherinnen und -vorstehern von Anfang an geregelt sind.

Planung der Exfiltration der beiden in Libyen zurückgehaltenen Schweizer Bürger Für ihre Sitzung vom 31. März 2009 hatte die GPDel die zuständigen Stellen im VBS und EDA gebeten, sie über die Unterstützung des VBS zugunsten des Krisenmanagements des EDA in der anhaltenden bilateralen Krise zwischen Libyen und der Schweiz zu orientieren. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die GPDel erstmals von Planungen und Vorbereitungen für eine Exfiltration der beiden in Libyen zurückgehaltenen Schweizer Bürger.

Wegen der Sensitivität des Geschäfts und der damals nach wie vor ungelösten Krise zwischen der Schweiz und Libyen beschloss die GPDel, ihre Abklärungen unter strengster Geheimhaltung vorzunehmen und sich vor allem auf die Führung durch den Bundesrat zu konzentrieren.

Zum Sachverhalt stellt die GPDel fest, dass die Vorsteherin des EDA zwar um die Bemühungen ihres Departements um eine Exfiltration wusste, es aber nicht für notwendig erachtete, sich mit den Einzelheiten zu befassen.

Als im Spätherbst 2008 die Schweizer Armee Angehörige des Armee-AufklärungsDetachements 10 (AAD-10) zur Unterstützung des EDA zur Verfügung stellte, erfolgte dies im Einvernehmen mit dem damaligen Vorsteher des VBS. Bei der Stabsübergabe Ende 2008 hat der vormalige Vorsteher des VBS keine Notwendigkeit erkannt, seinen Nachfolger über die kurz zuvor
erfolgte Unterstützung der Armee zugunsten des EDA zu informieren, da nach seinem Informationsstand die von ihm genehmigten Aktivitäten wieder eingestellt worden waren.

Der neue Vorsteher des VBS erfuhr seinerseits im Januar 2009 vom damaligen Generalsekretär des VBS, dass dieser vom vormaligen Departementsvorsteher von einer Operation erfahren hatte, welche aber abgebrochen worden war. Als im weiteren Verlauf des Jahres 2009 die letzte Operation durch den Chef der Armee genehmigt wurde, besprach dieser vorgängig die Angelegenheit mit dem Vorsteher des VBS.

4092

Weder die Vorsteherin des federführenden EDA noch die beiden Vorsteher des VBS erachteten es damals als notwendig, das Bundesratskollegium ­ und vorgängig den Sicherheitsausschuss des Bundesrates (SiA) ­ über die Aktivitäten ihrer Departemente im Hinblick auf eine Exfiltration der beiden Schweizer Bürger zu informieren. Der Bundesrat fällte somit nie einen Grundsatzentscheid für eine Planung oder sogar für eine allfällige Durchführung einer Exfiltration.

Was die Information der übrigen Mitglieder des Bundesrats anbelangt, wurde der Bundespräsident 2008 von einem Vertreter des EDA in sehr groben Zügen informiert, dass eine Exfiltration geplant war. Der Bundespräsident 2009 hatte seinerseits zumindest andeutungsweise vom Bundespräsidenten 2008 erfahren, dass das EDA mit Unterstützung des VBS eine Exfiltration der beiden Schweizer Bürger vorbereiten würde. Von einer Unterstützung des EDA durch die Armee hatte der zukünftige Bundespräsident 2009 hingegen nichts erfahren.

Für die GPDel steht weniger die Frage des genauen Informationsstandes des Bundespräsidenten 2009 im Vordergrund, als die Frage des Einbezugs des Bundesrates als Kollegium. Artikel 177 der Bundesverfassung, welcher das Kollegial- und Departementalprinzip regelt, sieht nämlich nicht vor, dass der Bundespräsident bloss mit einzelnen Mitgliedern des Bundesrats die Führung und die Verantwortung für ein bestimmtes Geschäft übernehmen kann, ohne dass ein entsprechender vorgängiger Beschluss des Bundesrats vorliegt. Was den Bundespräsidenten 2009 und die Bundespräsidentin 2010 anbelangt, liegt es auf der Hand, dass sie in einer derart heiklen Angelegenheit stets auf dem aktuellsten Informationsstand hätten sein müssen, um auf bilateraler und internationaler Ebene ihrer Rolle gerecht werden zu können.

Im Rahmen ihrer Untersuchung hat die GPDel keinen Anlass gehabt, an der grundsätzlichen Rechtmässigkeit eines Einsatzes des AAD-10 für die Durchführung einer Exfiltration der in Libyen zurückgehaltenen Schweizer zu zweifeln. Die GPDel ist der Auffassung, dass sich ein moderner Rechtsstaat die notwendigen Mittel geben muss, um derartige Optionen vorzubereiten und sie gegebenenfalls mit der Hilfe anderer Staaten durchführen zu können.

Die GPDel ist jedoch zum Schluss gelangt, dass das EDA und das VBS den Bundesrat nicht so in die Vorbereitung
der Operationen einbezogen haben, wie es die Verordnung vom 3. Mai 2006 über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland (VSPA) vorschreibt. Ungeachtet dessen ist die GPDel jedoch davon überzeugt, dass es ­ angesichts der aussenpolitischen Risiken, welche mit derartigen Operationen verbunden sind ­ unabdingbar ist, dass der Bundesrat als oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes (Art. 174 BV) seine Führungsaufgabe rechtzeitig wahrnimmt.

Das Vorgehen der beiden Departemente EDA und VBS hat diesem Erfordernis nicht genügt. Es wäre in erster Linie Sache der Vorsteherin des EDA gewesen, ein entsprechendes Gesuch unter Einbezug des VBS an den Bundesrat zu richten.

Die ohne Auftrag des Bundesrats durch das EDA in die Wege geleiteten Exfiltrationsoperationen überstiegen die Kompetenzen, welche die Verordnung dem federführenden Departement zugesteht.

Im Hinblick auf künftige, unter den Anwendungsbereich der VSPA fallende Operationen stellt die GPDel fest, dass sich diese mit Aktivitäten zur nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung überschneiden können. Derartige Operationen 4093

unterliegen anderen rechtlichen Vorgaben und bedürfen auch keiner Genehmigung durch den Bundesrat.

Empfehlung 9: Abgrenzung zwischen Einsätzen nach der VSPA und den Zuständigkeiten des militärischen sowie des zivilen Nachrichtendienstes Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, aufgrund einer Auslegeordnung gegebenenfalls die Abgrenzung zwischen Einsätzen nach der VSPA und den Zuständigkeiten des militärischen sowie des zivilen Nachrichtendienstes vorzunehmen und im Bedarfsfall die Rechtsgrundlagen zu klären.

Empfehlung 10: Überprüfung des Einbezugs und der Rolle des Bundesrats, so wie in der VPSA definiert Ebenfalls prüfen sollte der Bundesrat, ob sein Einbezug und seine Rolle, wie sie heute in der VSPA definiert sind, auch tatsächlich zweckmässig geregelt sind.

Es stellt sich die Frage, ob es nicht auch Sache des Bundesrats wäre, über die Auslösung wie die Beendigung des Einsatzes zu befinden.

Im Weiteren hätten das EDA und das VBS ­ vorgängig zu einer Befassung durch den Bundesrat ­ den SiA in ihre Arbeiten miteinbeziehen müssen. Aufgrund der zeitlichen Verhältnisse wäre dies ohne weiteres möglich gewesen.

Der SiA ist der einzige ständige Ausschuss des Bundesrates, welcher über eine eigene gesetzliche Grundlage und über eine klar definierte Aufgabe verfügt. Es ist nicht das erste Mal, dass die GPDel feststellt, dass der SiA bei departementsübergreifenden und sicherheitspolitisch relevanten Geschäften aus den SiA-Departementen von diesen übergangen wird. Dieses Vorgehen wirft grundlegende Fragen über das Funktionieren, aber auch über Sinn und Zweck dieses Organs auf.

Empfehlung 11: Überprüfung der Rolle, der Bedeutung und der Aufgabe des SiA Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, die Rolle, die Bedeutung und die Aufgabe des SiA grundsätzlich zu überdenken und dieses Organ entweder entsprechend zu stärken oder aber, es einem neuen Zweck zuzuführen.

Die GPDel muss zudem feststellen, dass der Bundesrat nicht in der Lage war, die notwendige Geheimhaltung zu gewährleisten. So zeigte sich die GPDel am 21. Juni 2010 anlässlich ihrer Aussprache mit dem Bundesrat darüber erschüttert, dass am Freitag zuvor besonders heikle Informationen über die Exfiltrationsbemühungen an die Öffentlichkeit gelangt waren. Diese Informationen dürften wegen ihrer Natur nur aus dem engeren involvierten Umfeld der betroffenen Departemente stammen.

4094

Auch innerhalb des EDA bestand im höheren und mittleren Kader kein hinreichendes Bewusstsein für die Sensitivität gewisser Informationen, wie dies gewisse Vorfälle gezeigt haben.

Empfehlung 12: Massnahmen zur Gewährleistung der Geheimhaltung auf höchster Stufe innerhalb der Bundesverwaltung Der Bundesrat wird aufgefordert, in seinem Kompetenzbereich die nötigen Massnahmen zu treffen, um inskünftig die Geheimhaltung auch auf höchster Stufe innerhalb der Bundesverwaltung gewährleisten zu können. Dabei ist auch den technischen Aspekten der den Mitarbeitenden abgegebenen Geräte eine gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Einsatz des Verteidigungsattachés (VA) Kairo während der Krise mit Libyen Die GPDel anerkennt, dass das Kontaktnetz eines VA vor Ort im Fall einer Krise der Schweiz zusätzliche Handlungsoptionen eröffnen kann. So mag es im Rahmen einer Verhandlungsstrategie zweckmässig sein, über die nachrichtendienstlichen Kanäle einen Dialog zu führen, um die offiziellen Verhandlungen positiv zu beeinflussen.

Ein solches Vorgehen kann aber nur Erfolg haben, wenn es in die gesamte Verhandlungsstrategie eingebettet ist und ­ im vorliegenden Fall seitens des EDA oder zwischenzeitig des EFD ­ ein konkreter Auftrag dafür vorgelegen hätte. Diese Voraussetzungen waren jedoch nicht erfüllt.

Empfehlung 13: Richtlinien über den Einbezug und die Führung der VA im Falle von aussenpolitischen Krisen Dem Bundesrat wird empfohlen, den Einbezug und die Führung der VA im Falle von aussenpolitischen Krisen klar zu regeln.

Beurteilung der Mediation durch einen tunesischen Geschäftsmann in der Präsidialphase Die GPDel hat die Mediation durch einen tunesischen Geschäftsmann in der Präsidialphase ebenfalls untersucht. Sie hat dabei festgestellt, dass der Bundespräsident 2009 den Bundesrat im Vorfeld seiner Reise nach Libyen nicht über den Beizug eines tunesischen Geschäftsmanns als Mediator informiert hat. Zudem wurden weder die Eignung des Mediators vorgängig geprüft noch die Modalitäten des Einsatzes formell geregelt. Insbesondere wurden keine Bundesstellen einbezogen, welche in der Lage gewesen wären, über allfällige sicherheitsrelevante Aspekte eine Beurteilung abzugeben (NDB, EJPD, EDA). Weitere Einzelheiten werden aus Gründen der Sicherheit und übergeordneten Staatsinteressen nicht bekannt gegeben.

Die GPDel hat aber ihre vollständige Beurteilung dem Bundesrat unterbreitet und eine Empfehlung abgegeben. Diese Empfehlung ist eng an den Einzelfall angelegt.

4095

Die untenstehende Empfehlung wurde verallgemeinert.

Empfehlung 14: Regelung der Mediation durch Private Der Bundesrat wird aufgefordert, den Beizug von privaten Mediatoren in aussenpolitischen Krisen klar zu regeln.

Nach Abschluss ihrer Arbeiten kommt die GPK-S zum Schluss, dass die beiden grössten Schwachpunkte beim Umgang der Bundesbehörden mit dieser Krise die nicht funktionierenden Informationsflüsse innerhalb des Bundesrates sowie Kompetenzüberschreitungen in dem Sinne, dass Entscheide, die in die Kompetenz des Gesamtbundesrates gehören, nicht von diesem getroffen wurden, waren.

Schliesslich weist die GPK-S darauf hin, dass sich der vorliegende Bericht zwar auf die grössten Schwachpunkte des Systems in der Berichtsperiode konzentriert, die Kommission sich aber durchaus bewusst ist, wie überaus anspruchsvoll die Handhabung der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen für die Bundesbehörden war. Trotz der in diesem Bericht geäusserten Kritikpunkte, möchte die GPK-S auch unterstreichen, dass sowohl die Vorsteherin des EDA als auch der Bundespräsident 2009 sehr stark in diesem Dossier engagiert waren und viel Energie und Arbeit investiert haben, um den beiden Schweizern eine Ausreise aus Libyen zu ermöglichen.

3.4.3

Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz

Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz Die GPK-N führte im Juni 2010 einen Dienststellenbesuch bei der Internen Revision des EDA durch und erkundigte sich dabei insbesondere über die Arbeit der Revisionsgruppe Vertretungen, in die das ehemalige Visa-Inspektorat seit Anfang 2010 integriert ist.

Die GPK-N schloss mit diesem Besuch ihre Ende 2009 aufgenommene Nachkontrolle33 zu ihrer im Jahr 2007 beendigten Inspektion über Visaerteilungen durch die Auslandvertretungen der Schweiz ab34.

Nach diesem abschliessenden Dienststellenbesuch schätzte die GPK-N die Situation als insgesamt zufriedenstellend ein. Die Kommission hatte bereits in ihrem Bericht vom 17. April 2007 darauf hingewiesen, dass das EDA seine Praktiken seit 2005 einer kritischen Prüfung unterzogen und verschiedene Korrekturmassnahmen getroffen hatte. Danach waren zusätzliche Schritte in die von der GPK-N gewünschte Richtung unternommen worden.

33 34

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 22.1.2010 (BBl 2010 2671 ff.).

Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz, Bericht der GPK-N vom 17.4.2007 (BBl 2007 6027).

4096

Die Kommission zeigte sich u. a. erfreut über den Beschluss des Bundesrates, die zusätzlichen Mittel, die dem EDA 2007 gewährt wurden, langfristig zu sichern und sie für die Stärkung des Visa- und Migrationsbereichs einzusetzen. Auch begrüsste sie den Beschluss des EDA, in Absprache mit dem EFD und der FinDel eine Überprüfung und Neueinstufung des Stellenprofils der Missions- und Postenchefs vorzunehmen und dabei die Führungsverantwortlichkeiten im konsularischen Bereich zu berücksichtigen. Die Kommission ermutigte das EDA, seine Bestrebungen im Sinne eines Kulturwandels fortzusetzen, um zu gewährleisten, dass die Missionschefs in Zukunft den konsularischen Tätigkeiten im Allgemeinen und dem Visabereich im Besonderen die nötige Aufmerksamkeit schenken.

Die GPK-N ist sich bewusst, dass immer ein Restrisiko bestehen bleibt. Allerdings konnte sie sich sowohl in den Gesprächen mit der Vorsteherin des EDA und der Chefin der DR als auch im Rahmen des Dienststellenbesuchs bei der Internen Revision des EDA davon überzeugen, dass die Betrugs- und Korruptionsproblematik ernst genommen wird und Massnahmen zur Einschränkung dieser Risiken getroffen worden sind.

Die GPK-N schloss hierauf ihre Untersuchung über die Visaerteilungen durch die Auslandvertretungen der Schweiz ab.

3.5

Staat und Verwaltung

3.5.1

Corporate Governance

Am 13. September 2006 hat der Bundesrat den eidg. Räten seinen Bericht zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht)35 zur Kenntnisnahme vorgelegt. Im Bericht wurden zum ersten Mal einheitliche Kriterien für die Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben aufgestellt. Bewusst ausgeklammert wurden aus Gründen der Gewaltentrennung alle das Parlament betreffenden Fragen, so insbesondere bezüglich der Wahrnehmung der Oberaufsicht.

Obwohl die beiden GPK grundsätzlich mit dem Bericht zufrieden waren, reichte die GPK-N in der Folge vier Postulate ein, um einzelne Punkte noch vertieft abklären zu lassen36. Ein Postulat wurde danach als erfüllt zurückgezogen37. Die FK-N reichte im Zusammenhang mit dem Bericht ihrerseits ein Postulat ein38. In Erfüllung dieser Postulate überwies der Bundesrat am 25. März 2009 dem Parlament den Zusatzbericht des Bundesrates zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Bera35 36

37 38

Bericht des Bundesrates zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht) vom 13.9.2006 (BBl 2006 8233).

Po. 07.3771 «Corporate-Governance-Bericht. Spezifische Regelungen zur Beschränkung der Haftung des Bundes» vom 23.11.2007.

Po. 07.3772 «Corporate-Governance-Bericht. Zusatzbericht zur Interessenvertretung des Bundes in privatrechtlichen Aktiengesellschaften» vom 23.11.2007.

Po. 07.3773 «Corporate-Governance-Bericht. Angemessene Vertretung der Geschlechter und Sprachregionen im Anforderungsprofil von Verwaltungs- und Institutsräten» vom 23.11.2007.

Po. 07.3774 «Corporate-Governance-Bericht. Ergänzende Leitsätze zu Personalpolitik und Pensionskassen» vom 23.11.2007.

Po. 07.3771 3771 «Corporate-Governance-Bericht. Spezifische Regelungen zur Beschränkung der Haftung des Bundes» vom 23.11.2007.

Po. 07.3775 zu den Leitsätzen des Bundesrates im Corporate-Governance-Bericht vom 23.11.2007 (bundesrätliches Controlling).

4097

tungsergebnisse des Nationalrats39. Auf Antrag der GPK-N hat der Nationalrat den Bericht am 18. März 2010 zur Kenntnis genommen und die Postulate als erledigt abgeschrieben.40 Die FK-N erarbeitete betreffend die Oberaufsicht eine Pa.Iv.41 Sie sah vor, den Bundesrat über das Instrument der strategischen Ziele gesetzlich zur Steuerung der ausgelagerten Einheiten zu verpflichten, den parlamentarischen Einfluss auf die strategischen Ziele von ausgelagerten Einheiten mittels eines neu zu schaffenden parlamentarischen Instruments zu verstärken und die Berichterstattung über sämtliche ausgelagerten Einheiten des Bundes durch eine Pflicht zur Berichterstattung über die Erfüllung der strategischen Ziele zu vereinheitlichen.

Im Juli 2009 wurde die Pa.Iv. der GPK-N vorgestellt und durch die Kommission erörtert. Aus Sicht der GPK-N warf sie Fragen zur Aufgabenteilung zwischen Oberaufsichts- und Legislativkommissionen im Bereich des parlamentarischen Einflusses auf die strategischen Ziele der ausgelagerten Einheiten auf. Die GPK-N kam auch zum Schluss, dass wesentliche Fragen im Bereich der durch die GPK ausgeübten Oberaufsicht über die ausgelagerten Einheiten bei den Arbeiten zur Pa.Iv. nicht geprüft worden waren. Insbesondere zur Frage, inwieweit die Informationsrechte der GPK auch gegenüber den ausgelagerten Einheiten gelten bzw. gelten sollten, liess die GPK-N im Herbst 2009 ein Rechtsgutachten erstellen.

Aufgrund seiner Bedeutung schien es beiden GPK wichtig, das Geschäft von nun an gemeinsam zu behandeln, weshalb beide Kommissionen am alljährlich stattfindenden Seminar Ende Januar 2010 das Gutachten42 diskutierten und nach intensiver Auseinandersetzung mit der Pa.Iv. einen Mitbericht an die FK-N verabschiedeten.

Darin äusserten die Kommissionen, dass die Forderungen der Pa.Iv. der FK-N für die GPK nicht von zentraler Bedeutung sind bzw. aus Sicht der GPK für ihre Aufgabenwahrnehmung nur zum Teil einen Mehrwert bringen. Die FK-N operierte ihrer Ansicht nach zu stark aus der Sicht des Eigners. Die Gewährleistungsfunktion des Bundes in Bezug auf die ausgelagerten öffentlichen Aufgaben kommt dabei zu kurz.

Zudem wurde zu wenig auf die Besonderheiten der jeweiligen Träger von Bundesaufgaben Rücksicht genommen. Eine Pflicht des Bundesrates zur Steuerung der ausgelagerten Einheiten über die Vorgabe strategischer
Ziele greift zu kurz; sie ist weder notwendig noch adäquat, noch soll sie mit dem Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG)43 am richtigen Ort normiert werden. Vielmehr sollten Regelungen zur Aufsicht bzw. Steuerung des Bundesrates gegenüber den verselbstständigten Trägern von Bundesaufgaben getroffen werden und sie sollten in den betreffenden Organisationserlassen erfolgen wie dies explizit in Artikel 8 Absatz 4 RVOG vorgesehen ist. Denn faktisch ist jede Auslagerung ein Einzelfall, dem gerecht zu werden ist; das gilt explizit auch für die gesetzliche Regelung der Aufsicht und Steuerung durch den Bund. Deshalb ist die Anknüpfung der vereinheitlichten Berichterstattung alleine an den strategischen Zielen des Bundesrates ein zu enger Ansatz, welcher der Aufgabe der GPK nicht gerecht wird. Darüber hinaus sind 39 40 41 42 43

Zusatzbericht des Bundesrates vom 25. Juni 2009 zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats (BBl 2009 2659).

Zusammenfassende Wiedergabe der Erfüllung der Postulate im Jahresbericht 2009 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 22.1.2010, Kap. 3.6.2 (BBl 2010 2712).

07.494 Pa.Iv. zu den strategischen Zielen der verselbstständigten Einheiten vom 7.9.2007.

Gutachten G. Müller/S. Vogel «Oberaufsicht der Bundesversammlung über verselbstständigte Träger von Bundesaufgaben» vom 7.12.2009.

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. 3. 1997 (SR 172.010).

4098

die GPK auch der Ansicht, dass es neben den bereits bestehenden Instrumenten wie dem Empfehlungsrecht der GPK, der Motion und der Pa.Iv. keiner zusätzlichen bedarf, um ihrer Oberaufsichtsfunktion auch gegenüber den ausgelagerten Einheiten nachkommen zu können.

Da die Kommissionen letztlich die Kernelemente der Pa.Iv. ­ die vorgeschlagene gesetzliche Festschreibung des Steuerungsinstruments der strategischen Ziele des Bundesrates im vorgesehenen Rahmen und das neue Mitwirkungsrecht des Parlaments diesbezüglich ­ ablehnten, beantragten sie der FK-N in ihrem Mitbericht, von der Pa.Iv. abzusehen.

Die FK-N nahm den Mitbericht der GPK zwar zur Kenntnis, hielt aber an der Pa.Iv.

und ihrer Ausgestaltung fest.44 Der Bundesrat äusserte sich in seiner Stellungnahme gegenüber der FK-N zustimmend zu den geplanten Änderungen im Rahmen der Pa.Iv.45 Weil die GPK konstatieren mussten, dass die FK-N ihren Anliegen in keiner Weise entgegen gekommen war, veröffentlichten sie ihre im Mitbericht festgehaltenen Verbehalte am 28. Mai 2010 in einer Medienmitteilung.46 Allerdings beschloss die GPK-N, für die Behandlung der Pa.Iv. im Nationalrat keine Anträge zu stellen.

In der Folge nahm der Nationalrat die Pa.Iv. der FK-N am 3. Juni 2010 einstimmig an.

Die GPK-S zeigte sich von diesem Beratungsergebnis enttäuscht und beschloss an ihrer Sitzung vom 25. August 2010, dem Ständerat zu beantragen, nicht auf das Geschäft einzutreten.

Offenbar von diesem Antrag überrascht, stellte die FK-S, welche die Pa.Iv. in Unkenntnis des Mitberichts beider GPK und ihrer Vorbehalte vorberaten hatte, im Ständerat am 15. September 2010 den Ordnungsantrag einer Abtraktandierung, um sich vor der Behandlung im Rat mit den Argumenten der GPK auseinanderzusetzen.

Nachdem eine Delegation der GPK-S in die FK-S eingeladen worden war, um den Standpunkt der GPK zu erläutern, beschloss die FK-S, dem Rat zu beantragen, die in der Pa.Iv. vorgesehene gesetzliche Pflicht des Bundesrates zur Steuerung aller ausgelagerten Einheiten über die Festlegung strategischer Ziele insofern zu relativieren, als diese Pflicht nur bestehen soll, wenn dies zweckmässig ist.

Auf der Basis dieser Änderung zog die GPK-S ihren Antrag auf Nichteintreten zurück. Zwar ist sie weiterhin davon überzeugt, dass mit dieser Vorlage entgegen der Intention der FK-N kein Mehrwert
für die Oberaufsicht geschaffen wird. In Anbetracht der Tatsache, dass mit der vorgeschlagenen Relativierung die Hauptkritik der GPK ihren Niederschlag im vorgeschlagenen Gesetzestext finden soll und damit die Aufgabe der GPK durch die Pa.Iv. in Zukunft nicht negativ beeinflusst wird, gab die GPK-S ihren Widerstand gegen die Vorlage auf.

Der Ständerat stimmte am 13. Dezember 2010 der Vorlage im Sinne des Antrages der FK-S zu. In den Schlussabstimmungen stimmten beide Räte am 17. Dezember 44

45

46

07.494 Pa.Iv. Parlamentarisches Instrumentarium zu den strategischen Zielen der verselbstständigten Einheiten. Bericht vom 29.3.2010 der Finanzkommission des Nationalrates (BBl 2010 3377).

07.494 Pa.Iv. Parlamentarisches Instrumentarium zu den strategischen Zielen der verselbstständigten Einheiten. Bericht vom 29.3.2010 der Finanzkommission des Nationalrates. Stellungnahme des Bundesrates vom 19.5.2010 (BBl 2010 3413).

Medienmitteilung GPK-N/S vom 28.5.2010: Kaum Mehrwert für die Oberaufsicht.

4099

2010 der Pa.Iv. in Sinne des Beschlusses des SR zu. Damit können die GPK das Geschäft nun nach über drei Jahren intensiver Auseinandersetzung abschliessen.

3.5.2

Die strategische politische Steuerung des Bundesrates

Die GPK beschlossen im Rahmen ihres Jahresprogramms 2008, die strategische politische Steuerung des Bundesrates und die Rolle der BK in diesem Zusammenhang vertieft zu untersuchen. Sie beauftragten die PVK) mit einer entsprechenden Evaluation und begleiteten deren Arbeiten in der Folge eng.

Am 15. Oktober 2009 konnte die PVK ihren Schlussbericht zu den Ergebnissen der Untersuchung vorlegen.47 Die GPK-N nahm die Resultate der Evaluation am 16. Februar 2010, die GPK-S am 26. Februar 2010 zur Kenntnis.

Im Wesentlichen stellte die PVK fest, dass die strategische politische Steuerung des Bundesrates einzelfallorientiert und sektoriell ausgerichtet ist, dass die Führungsinformationen primär für die departementale Führung der Bundesverwaltung relevant sind und der Bundesrat dem strategischen politischen Führungsprozess eher eine untergeordnete Bedeutung zumisst, weshalb er seine verfassungsmässig vorgesehene Führungsfunktion (vgl. Art. 174 Bundesverfassung, BV) zu wenig wahrnimmt. Die Untersuchung kam auch zum Schluss, dass der Bundesrat im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben über einen erheblichen Handlungsspielraum für die Optimierung seiner strategischen politischen Steuerung verfügt.

Beide Kommissionen stellten fest, dass zentrale Untersuchungsergebnisse der PVK mit Erkenntnissen übereinstimmen, zu denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in den letzten Jahren regelmässig gelangt waren.48 Deshalb beschlossen sie, dem Bundesrat den Bericht der GPK nur ergänzt um ein kurzes Schreiben der Kommissionen,49 worin auf ebendiese Erfahrungen verwiesen wurde, zu überweisen und gleichzeitig zur Veröffentlichung frei zu geben. Die beiden GPK teilten dem Bundesrat ihre feste Überzeugung mit, dass zur Stärkung der Regierungs- und Führungsfunktion des Bundesrates eine Regierungsreform notwendig ist und der Bundesrat künftig massgebliches Gewicht auf seine strategische Führung legen muss. Neben möglichen Gesetzesänderungen im Rahmen einer Regierungsreform sei vom Bundesrat aber auch der von der PVK aufgezeigte Handlungsspielraum auszuschöpfen, der im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben besteht.

47

48

49

Die strategische politische Steuerung des Bundesrates. Bericht der PVK zuhanden der GPK-N vom 15.10.2009 (BBl 2010 3083). Kap. 2.2.1 des Jahresberichts 2010 der PVK, Anhang zum Jahresbericht 2010 der GPK und der GPDel vom 27.1.2011.

Z.B. Risikomanagement des Bundesrates (siehe Jahresbericht 2009 der GPK und der GPDel der eidg. Räte vom 22.1.2010, Ziff. 3.8.5 [BBl 2010 2671, 2735]), Wahl des Chefs der Armee (Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee, Bericht der GPK-N vom 28.11.2008 [BBl 2009 3481]), Funktion der Strafverfolgungsbehörden (Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes, Bericht der GPKN vom 5.9.2007 [BBl 2008 1979]), Steuerung der Personalpolitik (Bundespersonalgesetz: Steuerung der Personalpolitik und Zielerreichung und Bericht der GPK-N vom 23.10.2009, publiziert auf www.parlament.ch), Fall Tinner (Fall Tinner: Rechtmässigkeit der Beschlüsse des Bundesrats und Zweckmässigkeit seiner Führung, Bericht der GPDel vom 19.1.2009 [BBl 2009 5007 und BBl 2009 2575]).

Die strategische politische Steuerung des Bundesrates. Bericht der PVK, überwiesen und veröffentlicht von den GPK des Nationalrates und des Ständerates vom 16. und 26.2.2010 (BBl 2010 3079).

4100

Mit Schreiben vom 21. April 2010 nahm der Bundesrat Stellung zum Bericht.50 Darin verwies er bezüglich der Behebung verschiedener von der PVK aufgezeigter Defizite auf die Zusatzbotschaft zur Regierungsreform, welche mit Datum vom 13. Oktober 2010 vom Bundesrat verabschiedet wurde.51 Enttäuscht nahmen die zuständigen Subkommissionen EJPD/BK beider GPK an ihrer gemeinsamen Sitzung vom 24. November 2010 Kenntnis von den Vorschlägen des Bundesrates. Zwar bestätigt er den im PVK-Bericht dargestellten Sachverhalt, sieht darin aber offenbar keinen Mangel. Dementsprechend zeigt der Bundesrat sich nach Ansicht der Kommissionen weder im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben noch bezüglich einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen bereit, wesentliche Verbesserungen bei der strategischen Führung im Sinne der geschilderten Erkenntnisse vorzunehmen.

Auf Antrag beider Subkommissionen beschlossen die GPK einerseits den vorberatenden Legislativkommissionen einen Mitbericht zur Zusatzbotschaft zukommen zu lassen, und andererseits eine Delegation des Bundesrates zu einer Anhörung einzuladen, um diese erwähnenswerte Differenz zwischen den Erwartungen der Kommissionen und den beschlossenen Massnahmen in Bezug auf den bereits heute bestehenden Handlungsspielraum zu besprechen.

3.5.3

Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter und Öffentlichkeitsgesetz

Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 wandte sich der Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) an die GPK und bat um eine Aussprache über die Resultate einer von Prof. Martial Pasquier vom Institut de hautes études en administration publique (IDHEAP) durchgeführten Evaluation über das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ)52.53 Die Subkommission EJPD/BK der GPK-N beschloss, den EDÖB gemeinsam mit dem Verfasser der Studie anzuhören. Dabei wurde sie davon in Kenntnis gesetzt, dass die Ressourcen des EDÖB zur Erfüllung aller seiner im Öffentlichkeitsgesetz vorgesehenen Aufgaben nicht ausreichen würden, Anträge an den Bundesrat um Aufstockung der Ressourcen allerdings mehrfach abgelehnt worden seien. Die Anwendung des im BGÖ konkretisierten Öffentlichkeitsprinzips könne aber nur garantiert werden, wenn der EDÖB mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werde, damit er die Schlichtungsverfahren innerhalb der gesetzlichen Fristen durchführen könne.

Im Rahmen der Sitzung beider GPK zum Geschäftsbericht des Bundesrates führten die Kommissionen am 27. Mai 2010 mit der Bundeskanzlerin zur Problematik der 50

51 52 53

Die strategische politische Steuerung des Bundesrates. Kurzschreiben der GPK vom 16. und 26.2.2010; Bericht der PVK vom 15.10.2009. Stellungnahme des Bundesrates vom 21.4.2010 (BBl 2010 3163).

Zusatzbotschaft zur Regierungsreform vom 13.10.2010 (zu 01.080; BBl 2010 7811).

Bundesgesetz vom 17. 12. 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (SR 152.3).

Martial Pasquier / Philomène Meilland (IDHEAP), Evaluation des Bundesgesetzes vom 17.12.2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, gemäss Art. 19 BGÖ, durchgeführt im Auftrag des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, 24.4.2009.

4101

ungenügenden Ressourcenausstattung des EDÖB in Bezug auf seine im BGÖ festgeschriebenen Pflichten eine Aussprache. Dabei zeigte sich, dass es sich offenbar dabei nicht nur um ein bereits seit längerer Zeit bestehendes, sondern um ein ebenso lange bekanntes Problem handelt, welches sich seit Beginn des Jahres 2010 zusätzlich verschärft hatte, da die dem EDÖB bisher von der BK befristet zur Verfügung gestellten Stellen per Ende 2009 weggefallen waren.

In Anbetracht der Umstände ­ der EDÖB wurde zwischen April 2009 und Mai 2010 drei Mal vom BVGer wegen Rechtsverweigerung gerügt, weil er nicht in der Lage war, das Schlichtungsverfahren innert der gesetzlich vorgesehen Frist durchzuführen54 ­ aber auch der Tatsache, dass der Bundesrat bereits in seiner Botschaft zum BGÖ dem EDÖB für die mit dem damals neuen Gesetz anfallenden neuen Aufgaben drei bis dreieinhalb Stellen in Aussicht gestellt hatte,55 zeigten die GPK kein Verständnis dafür, dass bisher alle entsprechenden Anträge des EDÖB vom Bundesrat abgelehnt worden waren, ohne dass dieser eine andere Lösung für den unhaltbaren Vollzugsnotstand aufzeigt hätte.

Deshalb forderten die Kommissionen den Bundesrat mit Schreiben vom 6. September 2010 auf, dafür zu sorgen, dass den gesetzlichen Vorgaben und damit den Beschlüssen des Parlaments in Bezug auf die Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips die nötige Nachachtung verschafft wird.

Sollte der Bundesrat der Ansicht sein, dem EDÖB auch in Zukunft keine entsprechenden Stellen zur Verfügung stellen zu können, forderten die GPK ihn auf, dem Parlament eine Änderung des BGÖ zu beantragen, welche den aktuellen Vollzugsmangel beseitigt, ohne dass die Ziele des Gesetzes gefährdet werden.

Mit Schreiben vom 24. November 2010 teilte der Bundesrat den GPK mit, dass eine Anpassung des BGÖ eingeleitet worden sei, um die ­ äusserst knapp bemessenen ­ Fristen für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens den Gegebenheiten anzupassen. Zudem erklärte sich der Bundesrat in seiner Antwort bereit, die für die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des geltenden Öffentlichkeitsgesetzes notwendigen Ressourcen anlässlich des Budgetprozesses 2012 erneut zu prüfen.

Ob damit der rechtskonforme Vollzug des Öffentlichkeitsgesetzes innert nützlicher Frist gewährleistet werden kann, muss offen bleiben. Die Kommissionen werden zu Beginn des kommenden Jahres das weitere Vorgehen in diesem Dossier festlegen.

3.5.4

Probleme bei der Führung des Personals des Stabs des ETH-Rats

Einzelne Mitglieder der GPK-N wurden im Herbst 2009 auf schwerwiegende Probleme aufmerksam gemacht, die bei der Führung des Personals des Stabs des Rats der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Rat) bestehen sollen, seit alt Ständerat Fritz Schiesser am 1. Januar 2008 das Amt des ETH-Ratspräsidenten angetreten hatte. Dabei ging es um eine erhöhte Personalfluktuation, eine Häufung von Krankheitsfällen sowie die Tatsache, dass verschiedene Mitarbeitende nach 54 55

Urteile des BVGer vom 16.4.2009 (A-75/2009), E. 6, vom 16.12.2009 (A-6032/2009) und vom 1.3.2010 (A-363/2010).

Botschaft des Bundesrats vom 12.2.2003 zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung, BBl 2003 1963, 2035.

4102

externer Unterstützung (medizinischer, psychologischer und juristischer Natur) suchten.

Obwohl Personalfragen grundsätzlich in der Führungskompetenz und -verantwortung des ETH-Rates bzw. des Bundesrates liegen, können sie auch für die Oberaufsicht relevant werden, falls sie ein bestimmtes Mass übersteigen. Nachdem die zuständige Subkommission EDI/UVEK im Rahmen ihres Oberaufsichtsmandats erste Abklärungen getroffen hatte, beschloss die GPK-N an ihrer Sitzung vom 30. März 2010, die Personalsituation im Stab des ETH-Rates aufgrund der massiven Anschuldigungen, die erhoben wurden, einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Die Subkommission schied in der Folge drei Problemkreise aus dem Stab des ETHRats aus, mit denen sie sich vertiefter auseinandersetzen wollte. Dabei handelte es sich um Fragen im Zusammenhang mit den Leistungen des Personals, der Personalfluktuation und Krankheitsfällen (ohne, dass Einzelfälle beurteilt werden sollten) sowie mit dem vom Ratspräsidenten beschlossenen Organisationsentwicklungsprojekt für den Stab. Auf der Basis der von den GPK beider Räte am 30. Juni 2010 festgelegten Verzichtsplanung beschränkte die Subkommission ihre Untersuchung in der Folge auf die letzten beiden Problemkreise. Ihr Hauptziel war es, abzuklären, ob tatsächlich eine derart untragbare Personalsituation besteht, wie vorgebracht wurde, und falls dies der Fall sein sollte, wie die aktuelle Situation zu lösen und wie in Zukunft derart gravierende Probleme zu vermeiden sind. Die aufgeworfenen institutionellen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Funktionsweise des ETHRates wurden dagegen zurückgestellt.

Zur Klärung des Sachverhaltes hörte die Subkommission sowohl den Vorsteher des EDI als auch den Präsidenten des ETH-Rates an. Zudem wurden vom EDI (mehrfach), vom EVD, von der Meldestelle ETH-Rat und von der Leiterin Personal im Generalsekretariat des EDI schriftliche Stellungnahmen und die Einreichung verschiedenster als relevant erachteten Unterlagen verlangt. Für die Beurteilung der Situation lag der Subkommission auch das Personaldossier einer betroffenen Person vor.

Dabei konnte auf der einen Seite in Erfahrung gebracht werden, dass bereits der ehemalige Präsident des ETH-Rates Francis A. Waldvogel im Juni 2004 und der ehemalige Staatssekretär für Bildung und Forschung Charles Kleiber im Juli
2007 das EDI auf Schwierigkeiten in Bezug auf die Funktionsweise des ETH-Rates und dessen Stab aufmerksam gemacht hatten und der ETH-Rat bereits im Oktober 2007 einen Aktionsplan beschlossen hatte, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Alt Ständerat Fritz Schiesser wurde vom EDI für das Amt des ETHRatspräsidenten vorgeschlagen, mit der Auflage, diese Herausforderung anzugehen.

Es war eine klare Forderung an den neuen Ratspräsidenten, die damals aufgezeigten Probleme anzugehen und den Stab des ETH-Rates so zu reorganisieren und zu professionalisieren, dass eine Verbesserung seiner Leistungen resultiert. Gleich nach seinem Amtsantritt per 1. Januar 2008 setzte der neue ETH-Ratspräsident einen eigentlichen Veränderungsprozess im Stab in Gang; teilweise gegen den massiven Widerstand mehrerer Mitarbeiter. Teil dieses Veränderungsprozesses war die bereits vor seinem Amtsantritt beschlossene und eingeleitete Anstellung eines Geschäftsführers für den Stab.

Der Veränderungsprozess im Stab wurde nicht nur von einer vollständig neuen Leitung, sondern auch in einer Art und Weise angegangen und kommuniziert, die zu stabsinternen Schwierigkeiten führte. Wohl auch deshalb wurde der Ratspräsident in 4103

der Folge (von verschiedenen Seiten, insbesondere vom Generalsekretariat des EDI) angehalten, sich professionell unterstützen zu lassen und die Mitarbeiter verstärkt in den (durchaus erwünschten) Veränderungsprozess einzubeziehen. Um den Schwierigkeiten im Personalbereich aber auch um dem über einen kurzen Artikel in der Sonntagszeitung vom 8. November 2009 (worin unter anderem eine Untersuchung der Vorwürfe durch die GPK gefordert wurde) aufgebauten Druck in der Öffentlichkeit zu begegnen, beschloss der ETH-Ratspräsident gemeinsam mit dem Geschäftsführer noch Anfang November 2009, ein Organisationsentwicklungsprojekt zu starten, welches von zwei externen Fachexperten betreut wird.

Gestützt auf die Abklärungen der Subkommission kam die GPK-N zum Schluss, dass Teile der an einzelne Mitglieder der Kommission herangetragenen Schwierigkeiten im Stab des ETH-Rates bestanden haben und bis zu einem gewissen Grad auch weiterhin bestehen. Die Verunsicherung einiger Mitarbeitenden erschien der Kommission aufgrund der Umstände absolut nachvollziehbar; solche Begleiterscheinungen sind bei Reorganisationen denn auch allgemein bekannt. Das Ausmass und die Art der Schwierigkeiten, die sich der Kommission offenbarten, erachtete sie dagegen als aussergewöhnlich. Es schien zudem offensichtlich, dass die Führung des Stabs des ETH-Rates die geschilderten Auswirkungen des Veränderungsprozesses in einer ersten Phase nicht adäquat angegangen war. Dies zeigte sich ausgeprägt in ihrem Verhältnis zur Meldestelle des ETH-Rates (wobei deren Verhalten von der GPK nicht weiter untersucht wurde). Die GPK-N konnte aber auch konstatieren, dass sich der Präsident des ETH-Rates inzwischen der Probleme bewusst geworden ist und sie mit professioneller Unterstützung angeht. Eine abschliessende Analyse des Erfolgs der eingeleiteten Massnahmen ist der Kommission nicht möglich. Es deutet aber viel darauf hin, dass im Stab des ETH-Rates ein Wandel in Bezug auf Führung und Kommunikation stattgefunden hat und dass dieser von einem Grossteil der Mitarbeitenden geschätzt und getragen wird. Die gefällten Entscheidungen weisen darauf hin, dass auf eine professionelle Art und Weise das Ziel eines vertrauensvollen Umgangs bei qualitativ guter Erledigung der anfallenden Arbeiten zuhanden des ETH-Rates und damit eine nachhaltige Verbesserung der
Situation angestrebt wird.

Auf der Basis der vorliegenden Informationen nicht erhärtet werden konnten die an die Leitung des Stabes des ETH-Rates gerichteten Vorwürfe der diskriminierenden Ungleichbehandlung von weiblichen und männlichen Angestellten.

Die GPK-N ist aber auch klar der Ansicht, dass der angestossene Prozess noch nicht zu Ende geführt wurde. Auch müssen in Bezug auf einzelne Krankheitsfälle noch Lösungen gefunden werden, welche den berechtigten Anliegen, sowohl den betrieblichen Anforderungen zu genügen als auch sozialverträglich ausgestaltet zu sein, Rechnung tragen. Darüber hinaus ist die Kommission der Ansicht, dass eine Klärung in Bezug auf die Stellung und Funktionsweise der Meldestelle sowie die zur Wahrnehmung ihrer Rolle zur Verfügung stehenden Instrumente stattfinden muss, um verhindern zu können, dass in Zukunft bestehende schwierige Situationen nicht erneut eskalieren.

Auf der Basis dieser Beurteilung hat die GPK-N dem ETH-Rat empfohlen, dafür zu sorgen, dass der angestossene Veränderungsprozess unter Einbezug aller Beteiligten weitergeführt wird, dass dabei weiterhin eine professionelle und externe Begleitung stattfindet (für die im Rahmen der Anhörung aufgezeigten Finanzierungsschwierigkeiten ist eine Lösung zu finden), dass in Bezug auf noch immer akute Einzelfälle ausgewogene Lösungen gefunden werden (wobei ein Einbezug der Meldestelle zu 4104

prüfen ist) und dass die Stellung und Funktion sowie die Instrumente der Meldestelle genau geprüft und allenfalls die entsprechenden Weisungen vom 4. Juli 2006 angepasst werden.

Die GPK erwartet darüber hinaus vom EDI, dass es seine Aufsichtsfunktion gegenüber dem ETH-Rat wahrnimmt. Über die Umsetzung der Empfehlungen wird sich die Kommission vom EDI regelmässig informieren lassen.

3.5.5

Standardisierung von Informatikprodukten in der Bundesverwaltung

Nachdem die GPK-S einen Entscheid des Informatikrats des Bundes (IRB) vom 24. September 2007, das Einsatzgebiet der Integrierten betriebswirtschaftlichen Standardsoftware (SAP) als Standardanwendung auf einen bisher nicht eingeschlossenen Bereich auszuweiten, überprüft und dem Bundesrat einzelne Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge unterbreitet hatte (siehe Jahresbericht 2009 der GPK56, Ziff. 3.6.4), verlangte die Kommission vom EFD, sie bis Anfang Juni 2010 über die Verbesserungsmassnahmen zu informieren, die aufgrund der Schlussfolgerungen der Kommission ergriffen wurden oder geplant sind. Im Weiteren bat sie das EFD, in einem Zusatzbericht die Fragen zu vertiefen, ab wann die Gefahr einer erheblichen Abhängigkeit von einem Lieferanten im Informatikbereich zu hoch wird und inwieweit im Fall von Gesamtpaketen beschaffungsrechtlich eine Gesamtbetrachtung zulässig oder eine Einzelbetrachtung einzelner Paketbestandteile geboten ist.

In der Folge liess das EFD zu den grundsätzlichen Aspekten der Standardisierung und Beschaffung von IT-Produkten eine Studie durch die Firma KPMG erstellen. In seinem Bericht an die GPK-S vom 4. Juni 2010 hielt das EFD fest, aus den Entwicklungen hin zu einer starken globalen Konsolidierung des IT-Marktes und zu einer Konzentration auf eine beschränkte Anzahl von Standards und Produkten würden sich zwangsläufig Abhängigkeiten und Risiken ergeben, die aber dem Nutzen und den Chancen wie z. B. Reduktion der Komplexität, Integration und Interoperabilität, Standardisierung von Geschäftsabläufen und Kosteneffizienz, gegenüber gestellt werden müssten. Zur gezielten Reduktion von Risiken und zur optimalen Nutzung der vorhandenden Chancen will das EFD mehr Transparenz über die heutige Installations- und Vertragsbasis für Informatikmittel innerhalb der Bundesverwaltung schaffen. Ohne eine solche würden die Entwicklungen eine «schleichende» Erhöhung der Abhängigkeiten zu IT-Anbietern nach sich ziehen. Um auch in Zukunft die Vorteile einer Konsolidierung des IT-Einsatzes zu nutzen und dabei die Risiken zunehmender Abhängigkeiten zu berücksichtigen, fasst das EFD eine Reihe von Massnahmen ins Auge. Aufgrund des Berichts des EFD stellte die GPK-S keinen weiteren Handlungsbedarf der Oberaufsicht fest. Angesichts der Aktualität des Themas wird die GPK-S aber die weitere Entwicklung beobachten.

56

Jahresbericht 2009 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidg. Räte, BBl 2010 2671 2714 ff.

4105

3.5.6

Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen

Die GPK-S befasste sich im Jahr 2010 mit der Stellungnahme des Bundesrates57 zu ihrem Bericht vom 21. August 2009 über die Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Non Government Organisations NGO58. Dieser Bericht enthielt fünf Empfehlungen, in denen die Kommission den Bundesrat u.a. anhielt, vermehrt wettbewerbliche Vergabeverfahren anzuwenden, die Kontrollmechanismen zur Verhinderung von Zweckentfremdungen von an die NGO vergebenen Mitteln zu verbessern und die Kriterien der DEZA bei der Wahl der zu unterstützenden NGOProgramme und bei der Festlegung der Finanzhilfen transparenter zu gestalten.

Die Kommission stellte mit Genugtuung fest, dass die betroffenen Bundesämter59 und der Bundesrat den Evaluationsbericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK), auf den sich die GPK-S in ihren Schlussfolgerungen stützte, als wertvollen Beitrag zur weiteren Stärkung des Qualitäts- und Risikomanagements in der Zusammenarbeit mit den NGO betrachten.

Die Kommission stellte auch fest, dass die drei betroffenen Bundesämter einen Bedarf nach vermehrten wettbewerblichen Vergabeverfahren erkannt und entsprechende Massnahmen angekündigt hatten.

Die GPK-S hielt im Weiteren fest, dass sie sich der Besonderheiten bewusst sei, welche die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Süden als Teil der Schweizer Aussenpolitik mit sich bringe. In ihrem Brief vom 13. April 2007 an den Bundesrat hielt sie allerdings fest, dass eine vermehrte Anwendung wettbewerblicher Verfahren keineswegs per se unvereinbar mit diesen Besonderheiten sei. Sie begrüsste deshalb die im September 2009 in Kraft getretene neue DEZA-Weisung über Aufträge und Beschaffung (die u.a. die zentrale Frage der Überprüfung von Folgeaufträgen regelt), das verbesserte interne Monitoring der Mandatsvergabe sowie die Verbesserung der Ausschreibungstexte und Bewertungskriterien.

Ihrer Praxis entsprechend wird die GPK-S die Umsetzung dieser Empfehlungen voraussichtlich im kommenden Jahr im Rahmen einer besonderen Nachkontrolle überprüfen.

57

58 59

Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen. Bericht vom 21. 8. 2009 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates. Stellungnahme des Bundesrates vom 20. 1. 2010 (BBl 2010 1419) Zusammenarbeit der Bundesverwaltung mit Nichtregierungsorganisationen. Bericht vom 21. 8. 2009 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (BBl 2010 1373) Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Bundesamt für Umwelt (BAFU), Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)

4106

3.6

Justizwesen

3.6.1

Oberaufsicht über die Eidgenössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft: Koordination unter den parlamentarischen Kommissionen

Das Parlament wird künftig eine besser koordinierte und wirksamere Oberaufsicht über die eidg. Gerichte wahrnehmen. Die vier Aufsichtskommissionen (die beiden GPK und die beiden FK beider Räte) haben auf Antrag einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beschlossen, bei der Oberaufsicht über die Gerichte enger zusammen zu arbeiten.

Das von der Arbeitsgruppe ausgearbeitete Modell sieht im Wesentlichen vor, dass der Geschäftsbericht und die Rechnung der Gerichte im Frühjahr durch die vier zuständigen Subkommissionen der beiden GPK und FK gemeinsam beraten und mit den Gerichtsleitungen besprochen werden. In dieser Informationssitzung wird in einem Teil der Geschäftsbericht und einem zweiten Teil die Staatsrechnung behandelt. Die Entscheide über den Geschäftsbericht sowie die Staatsrechnung werden anschliessend separat in den zuständigen Subkommissionen unter Ausschluss der Gerichtsvertreter getroffen. Für die Behandlung des Budgets im Herbst wird ebenfalls eine gemeinsame Informationssitzung aller vier Subkommissionen vorgesehen, mit anschliessendem Entscheid in den Subkommissionen der FK.

Die Vorteile des Modells liegen auf der Hand: Die Mitglieder der FK erhalten so vertieften Einblick in die Geschäftsführung der Gerichte und umgekehrt die Mitglieder der GPK in die finanziellen Aspekte. Die Aufsichtskommissionen erhalten eine Gesamtschau der die Gerichte betreffenden Fragen und erreichen den gleichen Informationsstand. Für die Gerichte wird der Aufwand für die Information der verschiedenen Kommissionen reduziert.

Nach dem gleichen Modell wird künftig auch die Oberaufsicht über die neue AbBA sowie über die BA selbst erfolgen. Die BA hat seit dem 1. Januar 2011 eine vom Bundesrat und den Gerichten unabhängige Stellung und untersteht der neu geschaffenen AbBA. Beide Behörden unterstehen ­ wie sämtliche Organe des Bundes ­ der Oberaufsicht durch das Parlament.

3.6.2

Umstände des Rücktritts eines eidgenössischen Untersuchungsrichters

Am 22. Januar 2010 verabschiedeten die beiden GPK einen Untersuchungsbericht zu den Umständen des Rücktritts eines Eidg. Untersuchungsrichters60. Die GPK kamen zum Schluss, dass die Information des BStGer, ein Untersuchungsrichter trete per sofort aus gesundheitlichen Gründen zurück, einer Irreführung der Öffentlichkeit entsprach. Der wahre Rücktrittsgrund, dass sich der Untersuchungsrichter selbst einen fingierten Drohfax gesandt hatte, wurde verschwiegen und erst veröffentlicht, als eine Publikation unumgänglich geworden war. Der Faxvorfall als solcher ist strafrechtlich geklärt und bildete nicht Gegenstand der Untersuchung durch die GPK. Aus institutioneller Sicht erachteten die GPK das Verhalten des 60

Umstände des Rücktritts eines eidg. Untersuchungsrichters. Bericht der GPK des Nationalrates und des Ständerates vom 22.1.2010 (BBl 2010 3899).

4107

ehemaligen Untersuchungsrichters als unentschuldbar und mit der Stellung eines Untersuchungsrichters unvereinbar.

Weiter bemängelten die GPK, dass das BStGer und das Untersuchungsrichteramt (URA) keine Notwendigkeit sahen, nach dem Faxvorfall interne Abkärungen zu treffen und die Umstände, die zum Vorfall führten, im Hinblick auf organisatorische und führungsmässige Mängel im Amt zu überprüfen. Obwohl es unverkennbar gewesen sei, dass der Untersuchungsrichter von zwei Verfahren, die stark im Blickwinkel der Öffentlichkeit standen, auch persönlich unter Druck stand, hätten ihn das BStGer und die Leitung des URA im Alleingang weiter machen lassen. Die GPK kamen zum Schluss, dass es hier an der nötigen Umsicht und Führung durch die Verantwortlichen gefehlt hat.

Als Konsequenz aus dem Vorfall richteten die GPK zwei Empfehlungen an das BStGer. Es solle einerseits sein Informationskonzept überarbeiten und andererseits Massnahmen zur besseren Führung und Betreuung der Untersuchungsrichterinnen und -richter sowie Teambildungen bei komplexen Verfahren prüfen.

Obwohl es ­ wie im Verkehr zwischen den GPK und den Bundesbehörden üblich ­ am BGer als Aufsichtsbehörde über das BStGer war, innerhalb einer gesetzten Frist zum Bericht sowie zu den Empfehlungen der GPK öffentlich Stellung zu nehmen, veröffentlichte das BStGer noch am gleichen Tag eine Medienmitteilung, worin das Gericht zu erkennen gab, dass es keinerlei Kritik der Oberaufsichtsbehörde anzunehmen gewillt war. Zudem veröffentlichte das BStGer entgegen den Gepflogenheiten seine Stellungnahme vom 23. Dezember 2009 zum Entwurf des Berichts der GPK per Internet, obwohl diese lediglich der internen Faktenkontrolle zu Handen der GPK hätte dienen sollen. Die GPK erachteten dies als weiteres Indiz dafür, dass sie der Informationspolitik des BStGer weiterhin ihre Aufmerksamkeit widmen sollten.

In seiner Stellungnahme vom 16. März 2010 stellte das BGer in Aussicht, dass das BStGer sein Medienkonzept zusammen mit einem externen Berater überarbeiten und ergänzen werde. Inzwischen hat das BStGer zusammen mit einem Medienexperten einen «Massnahmenplan zur Früherkennung besonderer komunikativer Herausforderungen und zum Verhalten in ausserordentlichen medialen Situationen» erstellt.

Im Weiteren ist das BGer daran, zusammen mit den erstinstanzlichen Gerichten ein Rahmenkonzept für die Kommunikation der eidg. Gerichte zu entwickeln. Die GPK werden zu diesem Thema das Gespräch mit den Gerichten weiter führen.

3.6.3

Neu- und Umbau des Bundesstrafgerichts

Am 21. April 2010 informierte der BStGer-Präsident am Rande einer Sitzung den Präsidenten der GPK-S darüber, dass der unmittelbar vor Baubeginn stehende Neuund Umbau des BStGer in Bellinzona vom Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) im Hinblick auf eine erstreckte Bauetappierung im Rahmen eines geplanten Konsolidierungsprogramms des Bundeshaushalts sistiert worden sei. Aufgrund dringenden Handlungsbedarfs ersuchten die beiden Präsidien der GPK nach Absprache mit den Präsidenten der Subkommissionen Gerichte den Bundesrat mit Schreiben vom 23. April 2010 um sofortige Auskünfte über das Vorgehen des BBL und unterstützten das Anliegen des BStGer, dass der Bau wie vorgesehen per 3. Mai 2010 begonnen werden konnte. Der Bundesrat antwortete umgehend, die Sistierung 4108

sei aufgehoben worden und mit den Arbeiten könne planmässig begonnen werden.

Das BStGer bedankte sich mit einem offiziellen Schreiben für die Unterstützung durch die GPK. Besorgt wandte sich das BStGer in der Folge allerdings erneut an die GPK und teilte mit, es habe vom EJPD resp. vom EFD widersprüchliche Informationen erhalten. Die Kommissionen drückten daraufhin mit Schreiben vom 2. Juni 2010 gegenüber dem Bundesrat ihr Befremden über die Situation aus. Mit Schreiben vom 17. Juni 2010 teilte das EFD den GPK mit, der Neu- und Umbau des BStGer sei definitiv nicht mehr vom Konsolidierungsprogramm betroffen und könne plangemäss durchgeführt werden.

3.7

Sicherheit

3.7.1

Rüstungsbeschaffung im VBS

Am 31. März 2010 liess der Bundesrat der GPK-N eine ergänzende Stellungnahme61 zum Bericht der GPK-N vom 23. November 2007 sowie seine Beschaffungsstrategie für das VBS62 zukommen.

Die GPK-N stellten nach Prüfung dieser beiden Dokumente fest, dass verschiedene Fortschritte in die von ihr gewünschte Richtung gemacht worden waren. Die Ausarbeitung einer Beschaffungsstrategie war denn auch eines der Kernanliegen der GPK-N seit Erscheinen ihres Berichts im November 2007.

In diesem Bericht hatte die Kommission festgestellt, dass es im Gegensatz zu den strengen Kontrollen bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial bei der Einfuhr desselben keinerlei konkreten Vorschriften gibt, die festlegen würden, an welchen Kriterien die «aussenpolitische Verträglichkeit» eines Anbieters oder seines Herkunftslands gemessen wird, und dass auch keine Länderliste existiert. Aus diesem Grund hatte die GPK-N den Bundesrat aufgefordert, eine Strategie auszuarbeiten, die genau festlegt, wie die aussenpolitischen Interessen bei der Rüstungsbeschaffung berücksichtigt werden müssen, und dabei der Frage der Rüstungsimporte besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Die Kommission befürwortete zwar die Beschaffungsstrategie vom 31. März 2010, stellte aber fest, dass sie keine solchen Vorschriften beinhaltet. Der Bundesrat hatte sich auf die Erklärung beschränkt, dass die Erarbeitung einer Liste mit Importverboten für spezifische Länder in diesem Rahmen nicht zweckmässig scheine, da sich sehr kurzfristig Änderungen ergeben können.

In ihrem Schreiben vom 8. September 2010 an den Bundesrat hielt die GPK-N fest, dass sie nicht eine solche Liste, sondern einen klaren und kohärenten strategischen Rahmen verlangt hatte, an dem sich die Exekutivorgane bei ihren Entscheiden orientieren können. Die Kommission erachtete deshalb die entsprechende Antwort des Bundesrates als ungenügend.

Das VBS lieferte dazu mit Schreiben vom 23. September 2010 verschiedene Erläuterungen. So wies es insbesondere darauf hin, dass zwischen armasuisse und den für die Aussenpolitik und die Aussenwirtschaftspolitik zuständigen Stellen eine institutionalisierte Zusammenarbeit bestehe.

61 62

Ergänzende Stellungnahme des Bundesrates vom 31.3.2010 zum Bericht der GPK-N vom 23.11.2007 betreffend Rüstungsbeschaffung im VBS (BBl 2010 2815).

Beschaffungsstrategie des Bundesrates für das VBS, 31.3.2010

4109

Die GPK-N nahm zudem Kenntnis von wichtigen laufenden Massnahmen. Dazu gehörten die auf Ende 2010 vorgesehene Studie zur schweizerischen Technologieund Industriebasis sowie die Einführung einer Beschaffungsstatistik, zu der voraussichtlich anfangs 2011 die ersten Resultate vorliegen sollen.

In den Augen der Kommission ist es nun wichtig, dass die bisherigen Schritte weitergeführt werden und die ausgearbeitete Strategie rasch umgesetzt wird. Ihrer Praxis entsprechend wird die GPK-N die Umsetzung ihrer Empfehlungen voraussichtlich im kommenden Jahr im Rahmen einer spezifischen Nachkontrolle überprüfen. Sie wird dabei ihr besonderes Augenmerk auf die konkreten Verbesserungen bei der Rüstungsbeschaffung im VBS sowie auf die aussenpolitische Verträglichkeit der Rüstungsbeschaffungen richten.

3.7.2

Umstände der Ernennung des Armeechefs

Im Februar 2010 führte die GPK-N im Anschluss an die Inspektion über die Umstände der Ernennung des Armeechefs63 einen Dienststellenbesuch bei der Fachstelle Personensicherheitsprüfung (Fachstelle PSP) im VBS durch. Anlass dazu bildeten vor allem die Meinungsverschiedenheiten, welche in Bezug auf die Ansiedlung der Fachstelle PSP zwischen der Kommission und dem Bundesrat bestanden: Die GPK-N hatte in der Empfehlung 3 ihres Berichts vom 29. November 200864 den Bundesrat aufgefordert, diese Fachstelle der BK anzugliedern, wogegen der Bundesrat sie zur Wahrung des integralen Sicherheitsansatzes im VBS belassen wollte.

Der Dienststellenbesuch verschaffte der Kommission einen vertieften Einblick in die Tätigkeit dieser Fachstelle und in die Durchführung der Sicherheitsprüfungen.

Mit Schreiben vom 8. September 2010 dankte die GPK-N dem Bundesrat für seinen Bericht vom 21. April 2010 über den Stand der Umsetzung der Empfehlungen 1 bis 6 ihres Berichts vom 28. November 2008.

Was die Unterstellung der Fachstelle PSP (Empfehlung 3) anbelangt, zeigte sich der Bundesrat nach wie vor überzeugt, dass es richtig sei, diese im VBS und in der Informations- und Objektsicherheit (IOS) zu belassen, dies insbesondere um den integralen Sicherheitsansatz nicht zu gefährden. In den Augen des Bundesrates ist die Unabhängigkeit der Fachstelle im VBS höchstens in einem Teil des Verfahrens tangiert, nämlich bei der Befragung und bei der Beurteilung des Sicherheitsrisikos von VBS-Topkadern sowie bei der Überprüfung des IOS-eigenen Personals. Zur Umsetzung der Empfehlung der GPK-N sah er vor, der BK die Befragung, die Risikoanalyse und den Erlass der Verfügung bei Topkadern des Bundes sowie die Überprüfung der IOS-Kader zu übertragen. Die übrigen PSP nach Artikel 10, 11 und 12 der Verordnung über die Personensicherheitsprüfungen (PSPV)65 sollten weiterhin von der Fachstelle PSP durchgeführt werden. Diese sollte auch für die Überprüfung der Topkader der BK zuständig sein.

Die GPK-N setzte sich eingehend mit diesem Lösungsvorschlag auseinander.

Obwohl die Kommission immer noch starke Zweifel über die Zweckmässigkeit 63 64 65

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel der eidg. Räte vom 22.1.2010 (BBl 2010 2671 ff.)

Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 28.11.2008 (BBl 2009 3425) Verordnung vom 19. 12. 2001 über die Personensicherheitsprüfungen (SR 120.4)

4110

dieser Aufgabenteilung zwischen dem VBS und der BK hegte, war sie der Meinung, dass diese Lösung den Vorteil hat, die Unabhängigkeit der Kontrollorgane gegenüber den überprüften Personen besser zu gewährleisten. Die GPK-N erwartete aber vom Bundesrat, dass er nach zwei Jahren die mit diesem Modell gemachten Erfahrungen evaluiert. Der GPK-N wurde auf ihr Verlangen der Zeitplan für die Umsetzung dieses Modells zugestellt. Demnach soll dieses ab dem 1. Januar 2011 wirksam werden.

Die GPK-N nahm zudem Kenntnis von den Massnahmen, die zur Umsetzung der übrigen Empfehlungen getroffen worden waren. Sie war der Meinung, dass diese in die gewünschte Richtung gehen. Insbesondere begrüsste sie es, dass die Personensicherheitsprüfung bei Funktionen mit höchster Verantwortung in Zukunft durchgeführt werden sollte, ehe vorgeschlagen wird, die betreffende Person für diese Funktion zu ernennen oder ihr diese Funktion zu übertragen. Was die Empfehlung betreffend das Auswahlverfahren bei Funktionen mit höchster Verantwortung anbelangt, wies die Kommission darauf hin, dass sie im Rahmen ihrer laufenden Inspektion «Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat» näher auf die Stellungnahme des Bundesrates eingehen wird.

Des Weitern brachte die GPK-N in ihrem Schreiben vom 8. September 2010 auch ihre Besorgnis über die knappen personellen Ressourcen der Fachstelle PSP zum Ausdruck. Damit die Prüfungen tatsächlich vor der Ernennung in eine Funktion mit höchster Verantwortung durchgeführt werden können, reicht es nicht aus, die geltenden Rechtsgrundlagen zu ändern. Vielmehr muss die Fachstelle PSP auch über die nötigen Ressourcen verfügen, um diese Prüfungen fristgerecht vornehmen zu können.

Nach ihrem Dienststellenbesuch bei der Fachstelle PSP im Februar 2010 unterhielt sich die GPK-N zudem mit verschiedenen Vertretern dieser Stelle, um gewisse Fragen eingehend zu diskutieren und sich über die Entwicklung der Ressourcenlage ins Bild zu setzen. Ihrer Praxis entsprechend wird die GPK-N die Umsetzung ihrer Empfehlungen voraussichtlich im Jahr 2011 im Rahmen einer spezifischen Nachkontrolle überprüfen.

3.7.3

Risikoreporting zuhanden des Bundesrates

Am 28. Mai 2010 veröffentlichten die GPK den Bericht «Risikoreporting zuhanden des Bundesrates»66 über ihre Untersuchung des Risikomanagements des Bundes und des Risikoreportings an den Bundesrat, nachdem sie die Umsetzung des vom Bundesrat im Jahre 2002 eingeleiteten systematischen Ansatzes regelmässig verfolgt hatten.67 Die GPK stellten fest, dass das Konzept sich positiv entwickelt hat und das Risikomanagement qualitativ bereits beträchtlich verbessert worden ist. Allerdings bemängelten sie die nach wie vor fehlende Steuerung auf Bundesebene. Das derzeit verfolgte dezentrale Konzept verschafft dem Bundesrat keine ausreichende Informationsgrundlage, um das Risikomanagement wirksam steuern zu können. In seiner Risikopolitik hat sich der Bund namentlich das Ziel gesetzt, eine «Übersicht über die 66 67

BBl 2010 5683 Jahresbericht 2009 der GPK und der GPDel vom 22.1.2010, Kap. 3.8.5 (BBl 2010 2671 ff)

4111

Risikosituation auf Stufe Bund [...], Departemente und Verwaltungseinheiten»68 zu erhalten. Die GPK unterstützen dieses Ziel mit Nachdruck, stellten jedoch fest, dass das heutige System auf der Stufe Bund keine Gesamtsicht der Kernrisiken, denen der Bund ausgesetzt ist, gewährleisten kann. Die GPK empfahlen dem Bundesrat deshalb erneut, den Topdown-Ansatz zu stärken. Insbesondere soll er dabei die Möglichkeit prüfen, ein Kompetenz- und Koordinationszentrum zu schaffen. Die GPK haben diese Empfehlung, seit sie die Einführung dieses Risikomanagementsystems verfolgen, immer wieder abgegeben.

Weiter stellten die GPK fest, dass sich die Kriterien der Risikobeurteilung je nach Departement stark voneinander unterscheiden. Eine «Unité de doctrine» ist jedoch unerlässlich, um die Risiken auf der Stufe Bund tatsächlich miteinander vergleichen zu können. Die GPK erwarten deshalb vom Bundesrat, dass er für alle Departemente und Verwaltungseinheiten einheitliche Kriterien der Risikobeurteilung festlegt.

Schliesslich stellten die GPK fest, dass es trotz der interdepartementalen Koordination des Risikomanagements durch die Generalsekretärenkonferenz (GSK) eindeutig an einem Konzept fehlt, um Querschnittsrisiken systematisch zu erkennen und Synergien in diesem Bereich zu nutzen. Das bestehende System erlaubt es dem Bundesrat nicht, sich eine Gesamtübersicht der Risikosituation, einschliesslich der departementsübergreifenden Tragweite gewisser Risiken, zu verschaffen. Die GPK erwarten, dass der Bundesrat diese Mängel bis 2011 behebt und sich dies im nächsten Risikoreporting an den Bundesrat, das die Kernrisiken auf Bundesebene aufzeigt, bereits niederschlägt.

Die Arbeitsgruppe «Risikoreporting Bundesrat» führte im ersten Halbjahr 2010 mit dem Vorsteher des EFD und dem Direktor der EFV eine Aussprache über das Risikoreporting 2009 zuhanden des Bundesrates. Dabei konnte eingehend über gewisse spezifische Risiken, denen der Bund ausgesetzt ist, diskutiert werden. Ausserdem präsentierte der Vorsteher des EFD bei dieser Gelegenheit verschiedene Massnahmen, die zur Verbesserung des Risikomanagementkonzepts vorgesehen oder bereits in der Umsetzungsphase sind.

Am 18. August 2010 veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Bericht der GPK vom 28. Mai 2010.69 Der Bundesrat zeigt sich darin mit der Problemanalyse
und den Verbesserungsvorschlägen der beiden GPK weitgehend einverstanden. Er unterstreicht insbesondere die Notwendigkeit einer verbesserten Risikokonsolidierung auf Bundesstufe und bestätigt die Unabdingbarkeit eines Topdown-Ansatzes. Auch geht er mit den GPK einig, dass das Risikomanagement in den Departementen und den Verwaltungseinheiten einheitlich umgesetzt werden muss. Als Hauptmassnahme zur Umsetzung der verschiedenen Empfehlungen erwähnte der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Herausgabe neuer Weisungen über die Risikopolitik des Bundes. Diese Weisungen sind inzwischen in Kraft gesetzt worden und sollen mit Richtlinien der EFV ergänzt werden. In Bezug auf die Verstärkung des Topdown-Ansatzes erklärte sich der Bundesrat bereit, dem Parlament eine moderate Aufstockung der Mittel für eine Verstärkung der Koordinationsfunktion der EFV zu beantragen. Indessen lehnte er die Schaffung eines Koordinations- und Kompetenzzentrums erneut ab. Zur Verbesserung der Risikokonsolidierung möchte er lediglich die Rolle der GSK stärken. Diese soll die Erken68 69

EFD, Risikopolitik: Grundlagen für das Risikomanagement beim Bund, Dezember 2004, S. 2 BBl 2010 5691

4112

nung und Meldung der Hauptrisiken überprüfen, die als konsolidierte Querschnittsrisiken erkannten Risiken dem Bundesrat melden und die Möglichkeit einer Aggregation und damit einer departementsübergreifenden Risikobewirtschaftung prüfen.

Darüber hinaus führte der Bundesrat in seiner Stellungnahme aus, dass er in den geplanten Richtlinien der EFV mehreren Empfehlungen die nötige Beachtung schenken wird. Mit der Umsetzung dieser Richtlinien sollen die von den GPK gewünschten Verbesserungen herbeigeführt werden.

Die GPK prüften diese Stellungnahme und antworteten dem Bundesrat mit Schreiben vom 16. November 2010. Die GPK äussern darin ihre Zufriedenheit darüber, dass der Bundesrat mit der Problemanalyse und den Verbesserungsvorschlägen der beiden GPK weitgehend einverstanden ist. Verschiedene Massnahmen, wie das Erlassen von Weisungen, die Präzisierung der Richtlinien oder die Stärkung der Rolle der GSK, werden von den GPK als geeignet erachtet, da sie dem Risikomanagement mehr Kohärenz verleihen und es ermöglichen, im Rahmen des Risikoreportings die verschiedenen Risiken miteinander zu vergleichen. Die GPK bedauerten hingegen, dass sich der Bundesrat einmal mehr gegen die Schaffung eines Kompetenz- und Koordinationszentrums ausspricht, und hielten an ihrer diesbezüglichen Empfehlung fest. Die GPK werden im Frühjahr 2011 auf diese Thematik zurückkommen, nachdem sie sich mit der Risikoberichterstattung 2010 befasst haben. Die GPK kommen zum Schluss, dass es Zeit braucht, bis die Risikomanagementziele erreicht sind. Aus diesem Grund muss nach Auffassung der GPK die weitere Entwicklung des Risikomanagements des Bundes und des Risikoreportings an den Bundesrat aufmerksam weiterverfolgt werden.

Des Weiteren haben die GPK angesichts der zentralen Rolle, welche die Bewirtschaftung der Kernrisiken in der Geschäftsführung des Bundesrates einnimmt, beschlossen, das Risikoreporting an den Bundesrat nach wie vor jährlich zu prüfen.

Zudem möchten die GPK im Rahmen der Prüfung des Risikoreportings 2010 im Jahr 2011 mit der Bundespräsidentin und den Generalsekretären und Generalsekretärinnen eine umfassende Aussprache über die konkreten Risiken des Bundes führen.

Zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Gespräche werden die GPK gleich vorgehen wie die Delegation der GPK.

3.8

Staatsschutz und Nachrichtendienste

3.8.1

Aufgaben, Rechte und Organisation der GPDel

Die GPDel überwacht im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht die Aktivitäten des Bundes im Bereich des zivilen und militärischen Nachrichtendienstes. Konkret beaufsichtigt die GPDel den zivilen Nachrichtendienst des Bundes (NDB), welcher für den Inlandnachrichtendienst (Staatsschutz) und den Auslandnachrichtendienst zugunsten der Departemente und des Bundesrats zuständig ist. Die GPDel überwacht auch die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der Armee, insbesondere diejenigen des Militärischen Nachrichtendiensts (MND). Die Verfahren der BA im Bereich des Staatsschutzes unterstehen ebenfalls der Oberaufsicht der GPDel.

Die GPDel verfügt zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben über besonders weitreichende Informationsrechte (Art. 169 Abs. 2 BV; Art. 154 ParlG). Die Delegation hat das uneingeschränkte Recht, sämtliche für ihre Aufgabenerfüllung zweckdienlichen Informationen zu verlangen; das gilt auch für Unterlagen, die der unmittelbaren 4113

Entscheidfindung des Bundesrats gedient haben, sowie für Unterlagen, die im Interesse des Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste geheim gehalten werden müssen (Art. 154 Abs. 2 Bst. a ParlG). Die GPDel kann zudem alle Amtsstellen, Behörden oder Personen, die Träger von Bundesaufgaben sind, anhören. Ausserdem kann sie Personen als Zeuginnen oder Zeugen einvernehmen (Art. 154 Abs. 2 Bst. b ParlG). Weder das Amts- noch das Militärgeheimnis können ihr entgegengehalten werden.

Die Mitglieder der Delegation sind selber an das Amtsgeheimnis gebunden (Art. 8 ParlG). Die Delegation misst der vertraulichen Behandlung der ihr offenbarten klassifizierten Informationen unbedingte Priorität bei und trifft besondere Vorkehrungen, um die Geheimhaltung zu garantieren.

Die GPDel ist ein ständiger Ausschuss der beiden GPK der eidg. Räte, in dem alle Regierungsparteien wie auch eine Nichtregierungspartei vertreten sind. Sie setzt sich aus je drei Mitgliedern der beiden Kommissionen zusammen. Die GPDel konstituiert sich selbst (Art. 53 Abs. 1 ParlG) und wählt ihren Präsidenten für zwei Jahre.

Im Weiteren übernimmt die GPDel besondere Aufträge, die ihr von der GPK-S oder GPK-N zur Erledigung übertragen werden (Art. 53 Abs. 3 ParlG). Die GPK erteilen diese Aufträge in der Regel dann, wenn ihre Informationsrechte nicht ausreichen, um einen Sachverhalt abzuklären. Dabei muss der Untersuchungsgegenstand inhaltlich nicht zwingend im originären Aufgabengebiet der GPDel liegen. So erhielt die GPDel im Rahmen der Untersuchung der Arbeitsgruppe Finanzmarktaufsicht beider GPK70 und der Inspektion der GPK-S zur Libyen-Krise71 den Auftrag, zugunsten dieser Inspektionen Einsicht in Unterlagen zu nehmen, die der direkten Entscheidfindung des Bundesrats gedient hatten.

Ebenso wie die GPK legt auch die GPDel den Schwerpunkt ihrer Kontrolltätigkeit auf die Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit. Ihre Oberaufsicht versteht die GPDel in erster Linie als Kontrolle darüber, wie die Exekutive ihre Aufsicht wahrnimmt. Der Bundesrat und nicht das Parlament trägt letztlich die Verantwortung für die Tätigkeit der Nachrichtendienste. So prüft die Delegation insbesondere, ob der Bundesrat und das zuständige Departement ihre gesetzlich vorgeschriebene Führungs- und Aufsichtsfunktion korrekt wahrnehmen.

Das Gesetz
sieht gemäss Artikel 8 des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG)72, respektive Art. 99 Abs. 5 Militärgesetz (MG)73 vor, dass das VBS eine Verwaltungskontrolle über den zivilen und den militärischen Nachrichtendienst einrichtet und dafür jährlich einen Kontrollplan erlässt. Dieser Kontrollplan ist mit der Tätigkeit der GPDel abzustimmen. Die GPDel nimmt die Inspektionsberichte zur Kenntnis und kontrolliert allgemein, wie der Vorsteher VBS dieses Kontrollorgan einsetzt. Ebenso prüft die GPDel jährlich den Rechenschaftsbericht der interdepartemental zusammengesetzten und unabhängigen Kontrollinstanz (UKI), welche nach Artikel 15 der Verordnung über die 70 71 72 73

Bericht der GPK-N und GPK-S vom 30.5.2010: Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA.

Bericht der GPK-S vom 3.12.2010: Verhalten der Bundesbehörden in der diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und Libyen.

Bundesgesetz vom 3.10.2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG; SR 121).

Bundesgesetz vom 3.2.1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG; SR 510.10).

4114

elektronische Kriegführung (VEKF)74 die Rechtmässigkeit der Funkaufklärung kontrolliert.

Die GPDel kontrolliert auch wie die Exekutive ihre direkten Führungsaufgaben gegenüber dem Nachrichtendienst erfüllt. So hat der Bundesrat jährlich die Beobachtungsliste (Art. 11 Abs. 3 BWIS75) zu genehmigen und er muss die Aufnahme von Kontakten mit ausländischen Nachrichtendiensten (Art. 8 ZNDG und Art. 99 Abs. 3 Bst. c MG) bewilligen. Laut der Verordnung über den NDB (V-NDB)76 erteilt der Bundesrat zudem alle vier Jahre dem NDB einen neuen Grundauftrag. Die Verordnung verlangt ferner, dass der Vorsteher VBS jedes Jahr einen Bericht über die präventiven Operationen und Fahndungsprogramme zur Kenntnis nimmt, in welchem der NDB über die Angemessenheit ihrer Weiterführung Rechenschaft ablegt (Art. 24 Abs. 5 V-NDB).

Die jährliche Kontrolle der Beobachtungsliste und des Kontrollplans der VBSinternen Aufsicht durch die GPDel sind Vorgaben des BWIS. Kraft Artikel 8 Publikationsverordnung (PublV)77 hat die BK überdies jährlich die GPDel über Titel sowie Inhalte der Erlasse und völkerrechtlichen Verträge, welche nach Artikel 6 Publikationsgesetz (PublG)78 nicht veröffentlicht werden, in Kenntnis zu setzen.

Die Kontrolle darüber, ob die Exekutive ihre Führungs- und Aufsichtsverantwortung über die Nachrichtendienste wahrnimmt, macht einen grossen Teil der Arbeit der GPDel aus. Neben den Geschäften, welche die GPDel von Gesetzes wegen überprüfen muss, bemüht sich die GPDel, möglichst viele weitere Fragen zu prüfen. Trotz ihrer beschränkten Mittel achtet sie auf eine mittelfristig ausgewogene Verteilung ihrer Kontrolltätigkeiten auf sämtliche ihrer Oberaufsicht unterstellten Bereiche.

In den Fällen, in denen die GPDel auf Sachverhalte stösst, die grundlegende Probleme oder Fragen betreffen, greift sie zum Mittel der formellen Untersuchung, über deren Resultate jeweils ein Bericht erstellt wird. Anstösse für solche Inspektionen können von aussen kommen oder die GPDel wird im öffentlichen Interesse von sich aus tätig. Zu früheren Inspektionen oder Interventionen führt die GPDel in der Regel Nachkontrollen durch.

So konnte die GPDel im Jahr 2010 ihre Inspektion zur Datenbearbeitung im ISIS abschliessen und am 21. Juni 2010 dazu einen Bericht79 verabschieden (s. Kap.

3.8.4). Dieser wurde am 30. Juli 2010 auf Beschluss
beider GPK veröffentlicht. Zur Umsetzung der Empfehlungen ihres Berichts vom 19. Januar 2009 zum Fall Tinner80 führte die GPDel im Berichtsjahr eine Nachkontrolle durch (s. Kap. 3.8.3).

Zu Beginn des Berichtsjahres konnte die GPDel auch ihre eigene Untersuchung zum Vorgehen des Bundes bei der Bewältigung der Krise zwischen der Schweiz und 74 75 76 77 78 79

80

Verordnung vom 15.10.2003 über die elektronische Kriegführung (VEKF; SR 510.292).

Bundesgesetz vom 21.3.1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120).

Verordnung vom 4.12.2009 über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB; SR 121.1).

Verordnung vom 17.11.2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das BBl (PublV; SR 170.512.1).

Bundesgesetz vom 18.6.2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das BBl (Publikationsgesetz, PublG; SR 170.512).

Bericht der GPDel vom 21.6.2010 «Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS» (BBl 2010 7665 7738) und Stellungnahme des Bundesrates vom 20. 10. 2010 zum Bericht der GPDel (BBl 2010 7739 7758).

Bericht der GPDel vom 19.1.2009 « Fall Tinner: Rechtmässigkeit der Beschlüsse des Bundesrats und Zweckmässigkeit seiner Führung» (BBl 2009 5007 5062).

4115

Libyen zu einem ersten Abschluss führen. Mit diesen Abklärungen hatte die GPDel begonnen, nachdem die Delegation bereits im Frühjahr 2009 durch die zuständigen Bundesstellen über Unterstützungsmassnahmen des VBS zugunsten des EDA informiert worden war. Die Delegation befasste sich in der Folge detailliert mit den gemeinsamen Bestrebungen von EDA und VBS, die in Libyen zurückgehaltenen beiden Schweizer Bürger zu exfiltrieren und untersuchte, wie der Bundesrat seine Aufgabe als oberstes Führungsorgan wahrgenommen hatte. Angesichts der Sensitivität des Geschäfts hielt es die Delegation für notwendig, diesen Teil ihrer Oberaufsichtstätigkeit geheim zu halten und verzichtete auf jegliche Information der Öffentlichkeit.

Im Januar 2010 teilte die GPDel den Departementen EDA und VBS ihre Schlussfolgerungen aus ihren Abklärungen mit und gab verschiedene Empfehlungen ab. Insbesondere forderte sie die beiden Departementsvorstehenden auf, die Bundespräsidentin und den Bundesrat in geeigneter Form über ihre Aktivitäten zugunsten einer Exfiltration der beiden in Libyen zurückgehaltenen Schweizer Bürger zu informieren. Im Übrigen erachtete die GPDel ihre Untersuchung als abgeschlossen.

Mit ihrer Intervention bezweckte die GPDel, dass der Bundesrat die von der Delegation identifizierten Probleme beheben und daraus seine Lehren für die Zukunft ziehen würde. In der Folge befasste sich der Bundesrat verschiedentlich mit der Angelegenheit. Auf Wunsch des Bundesrats traf sich die GPDel am 21. Juni 2010 zu einem Informationsgespräch mit dem gesamten Kollegium.81.

Die GPDel informierte auch die Subkommission EDA/VBS der GPK-S in geeigneter Form und unter Vorkehrung der nötigen Informationsschutzmassnahmen über ihre Abklärungen im Zusammenhang mit dem Exfiltrationsvorhaben des EDA und des VBS. Gestützt auf Artikel 53 Absatz 3 ParlG bat die Subkommission überdies am 25. Juni 2010 die GPDel, sie bei der Abklärung der Informationsflüsse im Bundesrat während der Libyen-Krise zu unterstützen. Zu diesem Zweck nahm die GPDel Einsicht in sämtliche Unterlagen, die dem Bundesrat bei der Behandlung des Libyen-Dossiers vorgelegen hatten, inklusive der entsprechenden Sitzungsprotokolle. Für den Inspektionsbericht der Subkommission erstellte die GPDel zudem ein Kapitel über die Planung und Vorbereitung einer Exfiltration der in Libyen zurückgehaltenen Schweizer Bürger.

3.8.2

Einsicht des Bundesrats in die Untersuchungsunterlagen der GPDel im Fall Libyen

Im Frühjahr 2010 befasste sich der Bundesrat mehrmals mit den Bemühungen, die das EDA mit dem VBS unternommen hatte, um die beiden in Libyen festgehaltenen Schweizer Bürger zu exfiltrieren. Am 21. Juni 2010 liessen sich zudem die sieben Mitglieder des Bundesrats von der GPDel ausführlich über deren Erkenntnisse zu den Planungen und Vorbereitungen der Exfiltrationsoperationen informieren. Die meisten Informationen, insbesondere jene über den Informationsfluss zwischen den Mitgliedern des Bundesrats, hatte die GPDel im Rahmen ihrer Anhörungen der

81

Medienmitteilung der GPDel vom 22.6.2010 «Information der GPDel zur LibyenAffäre».

4116

Vorstehenden des EDA und des VBS sowie anderer Vertreter dieser beiden Departemente erhoben.

Die Auskünfte der GPDel gaben im Bundesrat zu weiteren Fragen Anlass, weshalb am 30. Juni 2010 die Bundeskanzlerin bei der GPDel vorstellig wurde und wünschte, im Auftrag des Bundesrats in die Anhörungsprotokolle der GPDel zur Libyen-Krise Einsicht zu nehmen. Die Einsichtnahme sollte möglichst noch in den beiden ersten Juli-Wochen erfolgen. Am 2. Juli 2010 bat das Generalsekretariat des EDA im Auftrag der Departementsvorsteherin um einen Termin am 5. Juli 2010, um die Protokolle ihrer eigenen Aussagen, welche sie anlässlich verschiedener Anhörungen vor der GPDel gemacht hatte, einzusehen.

Nach Artikel 167 ParlG hat der Bundesrat gegenüber einer PUK das Recht, in die an sie herausgegebenen Unterlagen und in die Protokolle ihrer Anhörungen Einsicht zu nehmen. Der Bundesrat kann ein Mitglied oder eine geeignete Verbindungsperson mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragen. Gestützt auf Artikel 155 Absatz 6 ParlG sind die Rechte des Bundesrats gegenüber einer PUK auf die GPDel anwendbar.

Nach den Weisungen der GPK über die Behandlung ihrer Protokolle vom 18. Mai 2004 können die von der GPDel befragten Personen auf Anfrage auf dem GPKSekretariat in den sie betreffenden Auszug des Anhörungsprotokolls Einsicht nehmen.

Aus rechtlicher Sicht waren somit diese Einsichtsansprüche des Bundesrats und der Vorsteherin EDA nicht bestritten. Seitens der Bundeskanzlei (BK) lag jedoch kein Schreiben oder Beschluss des Bundesrats vor, sondern erst eine telefonische Anfrage. Überdies ging die Delegation davon aus, dass die von ihr angehörten Personen bei der Einsichtnahme grundsätzlich Vorrang vor dem Bundesratskollegium oder einer von ihm ermächtigten Person hatten. Diese Haltung wurde den angehörten Personen auch mitgeteilt.

Die GPDel sorgte in der Folge dafür, dass die von der Delegation angehörten Personen noch vor Ende August 2010 ihre Protokolle im Sekretariat der GPDel einsehen konnten. Gleichzeitig kam die GPDel anlässlich ihrer Sitzung vom 27. August 2010 mit der Bundeskanzlerin (vgl. nächstes Kapitel) auch auf das Einsichtsbegehren des Bundesrats zu sprechen. Die Bundeskanzlerin wurde darauf hingewiesen, dass ein entsprechender Beschluss oder ein schriftliches Begehren des Bundesrats immer noch nicht vorliegen
würde, ein solcher Beschluss aber unerlässlich sei, damit die Bundeskanzlerin im Auftrag des Bundesrats in die Protokolle der GPDel Einsicht nehmen könnte.

Am 15. September erhielt die GPDel ein entsprechendes Schreiben der Bundespräsidentin. Ihr Gesuch stützte sich auf einen formellen Beschluss des Bundesrats vom 13. September 2010. In der Folge erhielt die Bundeskanzlerin mehrmals Zugang zu den Protokollen der Anhörungen der GPDel und zu verschiedenen Unterlagen, welche die GPDel im Rahmen ihrer Abklärungen zum Krisenmanagement des Bundes von der Verwaltung erhalten hatte.

4117

3.8.3

Information der GPDel über geheime Bundesratsbeschlüsse (Nachkontrolle zum Fall Tinner)

Der GPDel-Bericht vom 19. Januar 2009 zum Fall Tinner hatte ergeben, dass der Beschluss des Bundesrats, das Beweismaterial aus dem Strafverfahren gegen die Tinners aus sicherheits- und aussenpolitischen Gründen vernichten zu lassen, nicht verhältnismässig war und somit die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung von Notrecht nicht erfüllt waren. Die GPDel hatte aber auch festgestellt, dass ihr die Information über den Beschluss zur Aktenvernichtung vorenthalten worden war.

Auch die FinDel war über die Beschlüsse zum Fall Tinner im Dunkeln gelassen worden, obwohl sie gemäss Artikel 154 Absatz 3 ParlG laufend und regelmässig sämtliche Beschlüsse des Bundesrats erhalten sollte.

In der zweiten Empfehlung ihres Berichts zum Fall Tinner hatte die GPDel deshalb vom Bundesrat ein Konzept verlangt, wie die Delegation in Zukunft rechtzeitig über geheime Bundesratsbeschlüsse informiert werden sollte. Die GPDel wünschte zudem vom Bundesrat, bis auf weiteres alle geheim klassifizierten Bundesratsbeschlüsse zugestellt zu erhalten. Damit wollte die Delegation verhindern, dass der Bundesrat in ihrem Oberaufsichtsbereich Beschlüsse traf, von denen sie nie oder während langer Zeit nicht erfahren würde.

Als der Fall Tinner wegen zusätzlichen Unterlagen, welche der Vernichtung entgangen waren, nach der Publikation des Berichts der GPDel eine Fortsetzung82 erfuhr, erhielt die GPDel jeweils unaufgefordert alle diesbezüglichen Entscheide des Bundesrats zugestellt. Auf andere geheime Entscheide aus dem Bereich der Nachrichtendienste wurde die GPDel jeweils vom VBS aufmerksam gemacht. Die gewünschte Zustellung der Beschlüsse durch den Bundesrat erfolgte jedoch nicht automatisch, weshalb die GPDel mit dem VBS so verblieb, dass das ausstehende Konzept des Bundesrates abgewartet werden sollte.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2010 stellte der Bundesrat der GPDel sein Konzept zu.

Darin schlug der Bundesrat vor, den Präsidenten der GPDel analog wie die Mitglieder des Bundesrats jeweils nach der Beschlussfassung über ein geheimes Geschäft automatisch mit einer nummerierten Kopie des schriftlichen Bundesratsbeschlusses zu beliefern. Diese autorisierte Kopie würde dem GPDel-Präsidenten, resp. dem Sekretariat der GPDel in Anwendung der geltenden Vorschriften gemäss Informationsschutzverordnung83 ausgehändigt werden. In allen
Fällen würde die Übergabe durch die BK erfolgen, also auch in Angelegenheiten, die den Staatsschutz oder die Nachrichtendienste betreffen.

Am 27. August 2010 besprach die GPDel mit der Bundeskanzlerin das Konzept in seinen Einzelheiten. Aus den Erläuterungen der Bundeskanzlerin schloss die GPDel, dass geheime Bundesratsbeschlüsse bisher der FinDel nicht systematisch zugestellt wurden, noch dass dies in Zukunft vorgesehen war. Damit würde der Bundesrat jedoch gegen Artikel 154 Absatz 3 ParlG verstossen, nach welchem die FinDel laufend und regelmässig sämtliche Beschlüsse des Bundesrats erhalten sollte.

Vorausgehende Abklärungen hatten bereits ergeben, dass verschiedene geheime Bundesratsbeschlüsse, welche die Nachrichtendienste betrafen, aber auch Beschlüsse, 82 83

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010 (BBl 2010 2738ff).

Verordnung über den Schutz von Informationen des Bundes vom 4.7.2007; (Informationsschutzverordnung, ISchV, SR 510.411).

4118

die der Bundesrat im Zusammenhang mit der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA gefasst hatte, nicht der FinDel zugestellt worden waren. Dies konnte anhand der Unterlagen, welche die GPDel zuhanden der Untersuchungen der GPK ediert hatte, belegt werden.

Am 29. September 2010 trafen sich die GPDel und die FinDel zu einer gemeinsamen Sitzung, wie es in ihrer Zusammenarbeitsvereinbarung vorgesehen ist. Diese Vereinbarung war am 6. Dezember 2006 abgeschlossen worden und auf den 1. Januar 2010 revidiert worden. In der Aussprache informierte die GPDel die FinDel darüber, dass nach ihren Abklärungen die FinDel offensichtlich nicht alle Bundesratsbeschlüsse erhalten würde, die sie nach dem Gesetz erhalten sollte. Diese Beurteilung wurde in der Folge von der FinDel ebenfalls geteilt.

Am 20. Oktober 2010 bedankte sich die GPDel bei Bundesrat für das vorgeschlagene Konzept und begrüsste seine Anwendung. Die Delegation wies den Bundesrat aber auch darauf hin, dass in vielen Fällen für die Delegation eine Notwendigkeit bestehen dürfte, zusätzlich die Anträge, oder sogar die Mitberichte zum Verständnis der Beschlüsse einzuholen. Nach ihrem Verständnis des Konzeptes, würde die BK dafür zuständig sein, der GPDel diese zusätzlichen Unterlagen verfügbar zu machen.

Am 3. November 2010 brachte die Bundeskanzlerin gegenüber der GPDel die Zufriedenheit des Bundesrats über deren Stellungnahme zum Ausdruck. In ihrem Brief bestätigte sie der Delegation, dass ihre Ersuchen für die Herausgabe von Anträgen und Mitberichte an die BK zu richten seien.

3.8.4

Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS

Die Datenbank ISIS löste im Jahr 1994 die Karteien mit den des Staatsschutzes ab. Ende 2004 übernahm der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) die ISIS-Daten in das neue System ISIS-NT (Neue Technologie), das Anfang 2005 seinen Betrieb aufnahm.

Seit dem Jahr 2006 verlangte die GPDel vom DAP systematisch Auskunft über die in ISIS registrierte Anzahl Personen, wobei die Delegation das Wachstum der Datenbestände in ISIS mit Sorge verfolgte. Ende 2007 gelangte ausserdem die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt (GPK-BS) an die GPDel und wünschte Auskunft über die Registrierung von Mitgliedern ihres Grossen Rates in ISIS. Die Ergebnisse der Abklärungen, welche die GPDel in der Folge unternahm, warfen grundsätzliche Fragen zur Datenbearbeitung in ISIS auf.

Die GPDel beschloss deshalb am 16. April 2008, ihre Aufsicht über die Datenbearbeitung in ISIS mit einer formellen Inspektion zu vertiefen. Die Untersuchung beschränkte sich auf den Zeitraum bis Ende 2009, da der DAP danach in den neuen Nachrichtendiensts des Bundes (NDB) überführt wurde. Am 21. Juni 2010 verabschiedete die GPDel ihre Untersuchungsergebnisse in einem Bericht.

Die Untersuchung der GPDel hat ergeben, dass der DAP bereits im alten ISIS substanzielle Rückstände bei der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherung hatte.

Die Probleme mit der Einführung von ISIS-NT führten dazu, dass der DAP während fast vier Jahren die periodischen Gesamtbeurteilungen einstellte und auch nicht in der Lage war, alle neu erfassten Meldungen einer Eingangskontrolle zu unterziehen.

4119

Seit Anfang 2005 wurden deshalb rund 16 000 Eingangskontrollen und 40 000 vorgeschriebene periodische Überprüfungen nicht durchgeführt.

Nach Auffassung der GPDel kann unter diesen Umständen im DAP bei der Qualitätssicherung nicht mehr von Pendenzen gesprochen werden. Vielmehr hat die erbrachte Kontrollleistung der Zielsetzung des Gesetzes in keiner Art und Weise mehr entsprochen. Das im Jahr 1997 verabschiedete BWIS schreibt nämlich explizit vor, dass eine interne Datenschutzkontrolle Gewähr für die Qualität und Relevanz der Daten bieten muss, und verlangt eine periodische Beurteilung der gespeicherten Daten. Mit diesen restriktiven Bearbeitungsregeln wollte der Gesetzgeber garantieren, dass die Lehren aus der PUK für die Überprüfung der Amtsführung im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (PUK-EJPD)84 gezogen wurden.

Da der DAP beim grössten Teil der in ISIS-NT registrierten Personen und Drittpersonen85 die vorgeschriebenen Überprüfungen nicht vorgenommen hatte, lagen der parlamentarische Oberaufsicht keine systematischen Angaben über die Richtigkeit und Relevanz der Daten in ISIS-NT vor. Um Hinweise über die Qualität der Daten und ihrer Bearbeitung zu gewinnen, analysierte die GPDel die Informationen zu den rund 450 Personen, welche aufgrund der Qualitätssicherung des DAP zwischen Herbst 2008 und Ende 2009 gelöscht worden waren. Diese Fälle waren relativ gleichmässig innerhalb der ersten zehn Jahre von ISIS erfasst worden und erlaubten Rückschlüsse darauf, wie der DAP die eingegangenen Informationen inhaltlich auf ihre Erheblichkeit für die Sicherheit der Schweiz hin beurteilt hatte.

Bei den meisten untersuchten Fällen stellte die GPDel fest, dass nach der Registrierung einer Person entweder keine neuen Informationen dazu gekommen waren oder diese Informationen lediglich geringe Aussagekraft für die weitere Beurteilung der Staatsschutzrelevanz der betreffenden Person hatten. Rückblickend wären für die meisten der untersuchten Fälle die Dauer ihrer Aufbewahrung oder sogar ihre ursprüngliche Erfassung in ISIS nicht zu rechtfertigen gewesen. Da die Qualitätssicherung des DAP die Rückstände bei den periodischen Gesamtbeurteilungen bisher nicht signifikant reduzieren konnte, kann mit guten Gründen davon ausgegangen werden, dass beim Abbau dieser Pendenzen ein Vielfaches der Fälle, die von
der GPDel untersucht wurden, noch aus ISIS gelöscht werden müssen.

Ausserdem entdeckte die GPDel, dass die Erfassungsrichtlinien des DAP systematisch die Ablage von falschen Informationen im System zur Folge hatten. Die automatische Bestimmung der Staatsschutzrelevanz von Drittpersonen mit Mehrfachmeldungen hat zu Tausenden von falschen Einträgen in Bezug auf deren Staatsschutzrelevanz geführt. Ebenso verursachten die Erfassungsvorschriften für nachweislich unrichtige Sachverhalte und Bewertungen in ISIS.

Über die Hälfte der in ISIS registrierten Drittpersonen wurde aufgrund des präventiven Fahndungsprogramms Fotopasskontrolle registriert. Da diese Personen allein aufgrund ihrer Staatszugehörigkeit an der Grenze erfasst und danach in ISIS registriert werden, fehlt in den Augen der GPDel eine inhaltliche Bewertung, die einen Bezug zur Sicherheit der Schweiz erstellen würde. Ihre systematische Speicherung in ISIS vermag deshalb den rechtlichen Vorgaben nicht zu entsprechen.

84 85

Bericht der PUK-EJPD «Vorkommnisse im EJPD» vom 22.11.1989 (BBl 1990 I 637­878).

Ist eine Person nur über den Bezug zu einer anderen in ISIS registrierten Person staatsschutzrelevant, so gilt sie als Drittperson.

4120

Aufgrund dieser verschiedenen Erkenntnisse fehlt der Oberaufsicht das Vertrauen, dass die Daten in ISIS-NT den gesetzlichen Qualitätsanforderungen genügen. Dieser Zustand der ISIS-Daten stellt auch die Zweckmässigkeit des Staatsschutzes grundlegend in Frage. Die Erfassung, Bearbeitung und Aufbewahrung von falschen und unnötigen Daten beeinträchtigen eine wirksame Arbeit zugunsten der inneren Sicherheit und können zu Fehlleistungen und Pannen führen. Diese wiederum können die Sicherheit des Landes gefährden.

Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Qualitätssicherung führt die GPDel auf die falsche Prioritätensetzung im Projekt ISIS-NT zurück.

Anstatt nicht mehr relevante Daten vor der Migration zu eliminieren, wurden sie ins neue System überführt und mit grossem Aufwand an die Datenstrukturen von ISISNT angepasst. Da der DAP und das EJPD auf eine Anpassung der personellen Ressourcen für die Bereinigung der alten Daten und die Erfassung neuer Meldungen verzichtet hatten, entstanden nach der Inbetriebnahme von ISIS-NT nachhaltige Kapazitätsengpässe. Um dennoch möglichst alle eingehenden Informationen im System erfassen zu können, setzte der DAP während fast vier Jahren das Personal der Qualitätssicherung für die Unterstützung der Datenerfassung anstatt für die periodischen Relevanzbeurteilungen ein.

In der Folge stieg die Anzahl der erfassten Informationen laufend und gleichzeitig wurde die vom Gesetz vorgeschriebene Löschung nicht mehr relevanter Daten unterlassen. Waren Anfang 2004 im alten ISIS rund 60 000 staatsschutzrelevante Personen und eine unbekannte Anzahl Drittpersonen verzeichnet, verdoppelte sich bis Ende 2009 die Zahl der Personen mit eigener Staatsschutzrelevanz auf knapp 120 000. Davon hatten rund 12.2 Prozent ihren Wohnsitz in der Schweiz, wovon wiederum 5 Prozent Schweizer Bürger waren. Die 80'000 Drittpersonen eingeschlossen, waren Ende 2009 insgesamt rund 200 000 Personen in ISIS-NT erfasst.

Da der Aufwand für die Datenpflege direkt proportional mit der Menge der Informationen wächst, hat die Prioritätensetzung des DAP letztlich eine gesetzeskonforme Datenbearbeitung verunmöglicht. Aus Sicht der GPDel ist dieses Problem auch nicht mit zusätzlichen Ressourcen für die Qualitätssicherung allein zu lösen. Vielmehr müsste anstelle der reinen Quantität auch
die Qualität der Daten zu einem Kriterium für die Datenbeschaffung und -erfassung gemacht werden.

Die GPDel stellte auch fest, dass der DAP von Anfang an die Qualitätskontrolle als separaten Verwaltungsprozess neben der eigentlichen Staatsschutztätigkeit ausgelegt hatte. Das Personal, welches Daten erfasste, war letztlich nicht für deren Rechtmässigkeit zuständig. Mechanische Regeln erlaubten vielmehr, Daten zu erfassen, ohne dass sich die betreffenden Mitarbeitenden mit der eigentlichen Bedeutung der bearbeiteten Information auseinandersetzen mussten. Auch die Mitarbeitenden, die aufgrund der ISIS-Daten nachrichtendienstliche Beurteilungen vornahmen, trugen keine Verantwortung für die Richtigkeit und Relevanz der im System gespeicherten Daten.

Der Vollzug der Auflagen für die Datenbearbeitung, welche den Staatsschutz nach der auszeichnen sollte, wurde demzufolge an weniger als ein halbes Dutzend Mitarbeitende in der Qualitätssicherung delegiert.

Diesen fehlte aber die Kompetenz, die Daten, deren Qualität nicht nach den rechtlichen Vorgaben geprüft werden konnte, für den weiteren Gebrauch zu sperren. Es wäre deshalb am Chef DAP gewesen, die Nutzung der unrechtmässigen Daten zu

4121

verhindern und die grundlegenden Probleme mit der Datenqualität beheben zu lassen, von denen er nachweislich Kenntnis hatte.

Die Erkenntnisse der GPDel stützen sich nicht zuletzt auf die Inspektionen, die das VBS im Rahmen der vom BWIS vorgeschriebenen Verwaltungskontrolle im Jahr 2009 durchgeführt hatte. Die Zusammenarbeit zwischen der parlamentarischen Oberaufsicht und dem zuständigen Departement beurteilt die GPDel deshalb als vorbildlich.

Die Untersuchung der GPDel erhielt auch wertvolle Impulse durch die Anstrengungen der GPK-BS, die Bearbeitung von Mitgliedern ihres Grossen Rates in ISIS zu untersuchen. Dies führte zu einer fundierten Auseinandersetzung mit den Schranken, welche das BWIS der Bearbeitung von Daten über die Wahrnehmung der politischen Rechte auferlegt, und ebnete letztlich den Weg für eine Einigung zwischen Bund und Kantonen in Bezug auf die Ausgestaltung der Aufsicht über die kantonalen Staatsschutzorgane.

Um die im Rahmen der Inspektion aufgezeigten Probleme zu beheben, hat die GPDel insgesamt 17 Empfehlungen abgegeben. Erstes Ziel der Empfehlungen ist es, einen Datenbestand in ISIS zu schaffen, welcher den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Zu diesem Zweck soll der Bundesrat einen externen Datenschutzbeauftragten einsetzen, der darüber entscheidet, welche Informationen weiter verwendet werden können.

Weiter sollen die Empfehlungen dazu beitragen, dass die Erfassung von nicht staatsschutzrelevanten Informationen in ISIS zukünftig verhindert wird. Bei der technischen Ablösung von ISIS-NT sollten zudem die Lehren aus der Vergangenheit berücksichtigt werden. Nach Meinung der GPDel dürfen keine Daten, die nicht allen gesetzlichen Qualitätsvorgaben entsprechen, in ein neues System migriert werden.

Die GPDel verlangt ausserdem, dass die Staatsschutz- und Verwaltungsdaten getrennt bearbeitet werden und letztere den allgemeinen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes (DSG)86 unterstellt werden. Im Hinblick auf die nächste Revision des BWIS hat die GPDel zudem empfohlen, das Auskunftsrecht für die Staatschutzdaten in ISIS anzupassen.

3.8.5

Treffen der parlamentarischen Aufsichtsorgane über die Nachrichtendienste der EU-Staaten

Am 30. September und 1. Oktober 2010 fand in Brüssel das sechste Treffen der parlamentarischen Aufsichtsorgane über die Nachrichten- und Sicherheitsdienste aus den Staaten der Europäischen Union (EU) statt. Im Jahr 2008 hatte die Konferenz in Lissabon beschlossen, die parlamentarischen Aufsichtsgremien der Schweiz und Norwegens als Beobachter an die Treffen einzuladen. Erstmals hatte der Präsident der GPDel im Mai 2009 dem Treffen in Tallinn beigewohnt.

Die Konferenz in Brüssel war vom belgischen Senat durchgeführt und auch im Rahmen der parlamentarischen Aktivitäten der belgischen EU-Präsidentschaft öffentlich angekündigt worden.

86

Bundesgesetz vom 19.6.1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1).

4122

Themen der Konferenz waren: Die Besonderheiten der parlamentarischen Aufsicht im Verhältnis zu anderen Kontrollmechanismen im Bereich der Nachrichtendienste; das Spannungsverhältnis zwischen dem Umgang mit klassifizierten Informationen und der Meinungsäusserungsfreiheit des einzelnen Parlamentariers; die nationale Aufsicht über den internationalen Informationsaustausch zwischen den Nachrichtendiensten; Minimalvoraussetzungen für eine effektive und effiziente parlamentarische Oberaufsicht.

Die Konferenz schloss ihre Arbeiten am 1. Oktober 2010 mit der Verabschiedung einer Deklaration, worin die Nützlichkeit einer elektronischen Informationsplattform für die parlamentarischen Aufsichtsorgane über die Nachrichtendienste in den EU-Staaten grundsätzlich anerkannt wurde. Es wurde den Teilnehmerstaaten überlassen, unter der Federführung von Belgien die bereits geleisteten Vorarbeiten zu vertiefen und deren Resultate anlässlich des nächsten Treffens der parlamentarischen Aufsichtsorgane vorzustellen.

3.8.6

Aufsicht über die Einhaltung der Vorgaben des ZNDG bei der Datenbearbeitung im NDB

Am 1. Januar 2010 nahm der neue NDB seine Arbeit auf. Auf diesen Zeitpunkt hin setzte der Bundesrat auch das ZNDG gemeinsam mit dem dazugehörenden Ausführungsrecht in Kraft. Es sind dies die V-NDB und die Verordnung über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (ISV-NDB)87. Die beiden Verordnungen zum ZNDG hatte der Bundesrat am 4. Dezember 2009 verabschiedet.

Zuvor hatte das VBS die GPDel nach Artikel 154 ParlG zu den Entwürfen der beiden Verordnungen konsultiert. Auf Anregung der GPDel verzichtete daraufhin das VBS auf verschiedene Bestimmungen, für die es im bestehenden Recht keine formell gesetzliche Grundlage gab. Dazu gehörten die Bewaffnung von Mitarbeitern, die im Inland Informationsbeschaffung betreiben und ihre Ausstattung mit Tarnidentitäten.

Die Bedenken der GPDel über die Regelung der Datenbearbeitung auf Verordnungsstufe konnten jedoch nicht alle ausgeräumt werden. Artikel 19 V-NDB regelt die Bearbeitung der beschafften Daten nicht abschliessend, sondern verlangt, dass der NDB in einer präzisiert, wie die Daten abhängig von ihrem inhaltlichen Bezug zur Schweiz im ISIS (Informationssystem innere Sicherheit) oder in der neuen Datenbank mit Informationen über das Ausland (ISAS, Informationssystem Äussere Sicherheit) abgelegt werden. Diese Kriterienliste lag noch nicht vor, als die GPDel zum Ausführungsrecht konsultiert wurde. Es konnte somit noch nicht beurteilt werden, ob Artikel 19 V-NDB in diesen dienstinternen Vorschriften entsprechend der gesetzlichen Vorgaben umgesetzt würde.

In ihrer Stellungnahme vom 1. Dezember 2009 hielt deshalb die GPDel gegenüber dem VBS «ihre anhaltenden Vorbehalte in Bezug auf die ausstehende Präzisierung der Datenbearbeitungsregeln»88 in der Verordnung fest. Wie die GPDel in ihrem Jahresbericht 2009 schrieb, würde deshalb die Praxis der Datenbearbeitung im zivilen Nachrichtendienst ein wichtiges Thema ihrer Oberaufsicht bleiben.

87 88

Verordnung vom 4.12.2009 über die Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (ISV-NDB; SR 121.2).

Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010 (BBl 2010 2763).

4123

Nachdem die GPDel im Frühjahr 2010 das VBS um Zustellung der Kriterienliste nach Artikel 19 V-NDB bat, erhielt sie ein Dokument mit der Bezeichnung «Provisorische Kriterienliste für die Triage der Informationen des NDB», die von der Leitung der Abteilung Informationsmanagement des NDB am 12. April 2010 verfasst worden war. Die endgültige Verabschiedung der Kriterienliste durch die Direktion des NDB stand folglich drei Monate nach Inkrafttreten der V-NDB immer noch aus.

Es erschien auch zweifelhaft, ob die vorgelegte Liste den Mitarbeitenden des NDB helfen würde, die gesetzlichen Vorgaben bei der Datenablage korrekt einzuhalten.

Im Gegensatz zu Artikel 19 V-NDB unterscheidet nämlich das ZNDG bei den Vorgaben zur Datenbearbeitung nicht nach dem inhaltlichen Bezug einer Information zur Schweiz, sondern nach den gesetzlichen Grundlagen, die es erlaubt haben, diese Information zu beschaffen. Indem die Verordnung konzeptionell vom Gesetz abwich, barg ihre Umsetzung in dienstinterne Vorschriften die Gefahr, nicht in allen Aspekten mehr den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen.

In der Tat musste die GPDel feststellen, dass die provisorische Liste Fälle vorsah, in denen Informationen, die der NDB gestützt auf das BWIS beschafft hatte, nicht nach dessen Vorgaben bearbeitet werden sollten, obwohl dies Artikel 6 ZNDG explizit und ohne Ausnahme vorsieht. Die GPDel bat deshalb das BJ, anhand von verschiedenen Fragen zu prüfen, ob die Vorgaben der Kriterienliste mit einer gesetzeskonformen Datenbearbeitung im NDB vereinbar seien.

In seinen Ausführungen vom 18. Mai 2010 stellte das BJ fest, dass Artikel 1 ZNDG von zwei getrennten im Sinne einer Aufgabenteilung zwischen der Informationsbeschaffung über das Ausland (Art. 1 Bst. a ZNDG) und der Beschaffung von Informationen nach BWIS (Art. 1 Bst. b ZNDG) ausgeht. Diese Aufgabenteilung widerspiegelt sich auch in den Artikeln 5 und 6 des ZNDG: Artikel 5 ZNDG entspricht Artikel 1 Buchstaben a ZNDG und überlässt es dem Bundesrat, die Bearbeitung und den Schutz der Personendaten, die gestützt darauf über das Ausland beschafft wurden, zu regeln. Artikel 6 ZNDG bezieht sich auf Artikel 1 Buchstabe b ZNDG und hält fest, dass für die Bearbeitung und Weitergabe von Personendaten, welche die Dienststellen des NDB bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gestützt
auf das BWIS beschafft haben, die Vorschriften des BWIS anwendbar bleiben. Wie das BJ festhielt, sind die Bestimmungen des BWIS für die Bearbeitung von Personendaten detaillierter und strenger als diejenigen von Artikel 5 ZNDG.

Nach der Beurteilung des BJ verlangte die Kriterienliste den Transfer von Daten, die eigentlich dem Regime von Artikel 5 ZNDG unterstünden und in ISAS abzulegen wären, unter das restriktivere Regime von ISIS, das sich nach Artikel 6 ZNDG und damit nach dem BWIS richtet. Eine solche Regelung ist laut BJ für Daten mit einem inhaltlichen Bezug zur Schweiz, die nicht gestützt auf das BWIS beschafft wurden, rechtmässig. Hingegen können Daten mit einem Bezug zum Ausland, die gestützt auf das BWIS erhoben wurden, nicht in ISAS abgelegt werden, weil für diese Datensammlung die deutlich weniger restriktiven Datenbearbeitungsvorschriften von Artikel 5 ZNDG und nicht diejenigen des BWIS gelten. Damit stellte das BJ klar, dass der NDB wohl die beschafften Informationen einem strengeren Datenschutzregime unterstellen könne als gesetzlich vorgesehen, die Bearbeitung von Daten ­ vorliegend solche, die nach BWIS beschafft wurden ­ umgekehrt aber nicht nach weniger strengen Kriterien als vom Gesetz vorgeschrieben, speichern und bearbeiten dürfe.

4124

Das BJ verlangte deshalb die Streichung einer Bestimmung in der Kriterienliste, nach welcher «sämtliche Informationen des Bereichs Nonproliferation [...] konsequent in ISAS erfasst»89 werden mussten. Sofern Informationen zur Nonproliferation gestützt auf das BWIS beschafft worden sind, sei ihre Ablage in ISAS nicht mit Artikel 6 ZNDG vereinbar.

Die Auslegung von Artikel 19 Absatz 3 V-NDB in Verbindung mit Artikel 1 ZNDG führte das BJ zur Schlussfolgerung, dass erhobene Daten jeweils nur in einer Datensammlung abgelegt werden können; mit anderen Worten habe eine exklusive Zuordnung zu den Datenbanken statt zu finden. Dies schliesse selbstverständlich die in Artikel 3 Absatz 1 ZNDG verankerte und zugleich geforderte gemeinsame und umfassende Beurteilung der Bedrohungslage nicht aus.

Anlässlich einer Anhörung des BJ erfuhr die GPDel am 22. Juni 2010, dass das Gutachten des BJ ebenfalls dem NDB zugestellt worden sei und dort Anlass zur Weiterentwicklung der provisorischen Kriterienliste gegeben habe. Nach einer Durchsicht der revidierten Kriterienliste, welche nun als Entwurf einer Weisung des Direktors NDB vorlag, wandte sich die GPDel am 28. Juni 2010 mit einem Schreiben an den Vorsteher des VBS.

Darin begrüsste die GPDel, dass der neue Entwurf nun den Grundsatz von Artikel 6 ZNDG enthielt, dass alle Daten, die gestützt auf das BWIS erhoben wurden, in ISIS abgelegt werden müssen. Trotzdem musste die GPDel aber feststellen, dass auch die revidierte Kriterienliste vorschrieb, gewisse Daten, die nach BWIS beschafft wurden, weiterhin in ISAS abzulegen. Daten, die von den Kantonen im Rahmen des präventiven Fahndungsprogramms Prophylax90 erhoben wurden, sollten nach dem Weisungsentwurf sogar gleichzeitig in ISAS und ISIS abgelegt werden. Dabei stützen sich die präventiven Fahndungsprogramme, die zusammen mit den Inlandoperationen des NDB im Artikel 24 V-NDB geregelt werden, ausschliesslich auf das BWIS.

Im Schreiben an das VBS teilte deshalb die GPDel «die Meinung des BJ, dass die Zuweisung einer Information exklusiv an eine der beiden Datenbanken ISAS oder ISIS zu erfolgen [habe]. Anderslautende Vorgaben in der Kriterienliste könnten nämlich dazu führen, dass die strengen Bearbeitungsregeln (Kontrollen, Löschfristen) des BWIS unterlaufen würden»91. Bezüglich der Prophylax-Daten erinnerte die GPDel
den Vorsteher des VBS daran, «dass in solchen Fällen immer Artikel 6 ZNDG anwendbar bleibt: Wird eine Information nach BWIS beschafft, beispielsweise durch ein kantonales Staatsschutzorgan, gehört die entsprechende Meldung ohne Ausnahme ins ISIS, da sie nach BWIS bearbeitet werden muss.» 92 Während die GPDel in ihrem Schreiben vom 28. Juni 2010 die Weiterentwicklung der provisorischen Weisung begrüsste, machte sie den Vorsteher VBS gleichzeitig darauf aufmerksam, dass die Mängel der ersten Version der Kriterienliste möglicherweise dazu geführt haben, dass der NDB seit ihrer provisorischen Inkraftsetzung Daten falsch erfasst hat. Die Delegation empfahl deshalb, allenfalls nicht rechtmässig abgespeicherte Informationen zu löschen.

89 90 91 92

Provisorische Kriterienliste für die Triage der Informationen des NDB vom 12.4.2010, Ziff. 4a.

Informationsbroschüre «PROPHYLAX" des NDB vom 24.09.2010, http://www.vbs.admin.ch/internet/vbs/de/home/documentation/publication/snd_publ.html.

Brief der GPDel an den Vorsteher VBS vom 28.6.2010.

Brief der GPDel an den Vorsteher VBS vom 28.6.2010.

4125

Um ihren vorgesehenen Zweck korrekt erfüllen zu können, musste die Kriterienliste erst noch in endgültiger Form und im Einklang mit übergeordneten Recht vom Direktor NDB erlassen werden. Deshalb erschien es der GPDel notwendig, weiter darüber zu wachen, ob die korrigierte Kriterienliste innert nützlicher Frist in Kraft gesetzt würde. So bat die Delegation am 27. August 2010 das VBS, sie im November erneut darüber zu informieren, ob die Kriterienliste verabschiedet worden sei und ob sie den Vorgaben des BJ entsprechen würde.

Anfangs Dezember 2010 meldete der NDB, der erste Entwurf vom 16. Juni 2010 sei «in einer provisorischen Weisung [des Direktors NDB] vom 2. Juli 2010 konkretisiert und im Laufe der folgenden Wochen mit einer Kasuistik ergänzt worden»93.

Die GPDel erhielt auch die provisorische und die in der am 4. November 2010 gültigen Version.

Wie der NDB schrieb, sei die Kasuistik «noch in der internen Vernehmlassung zwecks Überprüfung ihrer Anwendbarkeit durch alle NDB-Bereiche. Die provisorische Weisung [sei] aus diesem Grunde auch vom Direktor NDB nicht unterzeichnet worden» 94.

Die vorgelegte Version der Kasuistik enthielt verschiedene Fallbeispiele, in denen eingegangene Meldungen sowohl in ISIS als auch ISAS abgespeichert werden mussten. Ebenso verlangte die provisorischen Kriterienliste in den Fällen, in denen «die Zordnung In-/Ausland aufgrund der engen inhaltlichen Vernetzung ausnahmsweise nicht eindeutig vorgenommen werden [kann], die Erfassung in beiden Systemen» 95.

Die Kriterienliste in der Form der provisorischen Weisung des Direktors NDB und die dazugehörende Kasuistik erlaubten somit weiterhin, Meldungen gleichzeitig in ISAS und ISIS abzulegen. Wie die GPDel bereits dem VBS in ihrem Schreiben vom 28. Juni 2010 erläutert hatte, würde ein solches Vorgehen jedoch Artikel 6 ZNDG verletzen, wenn die Information gestützt auf das BWIS beschafft worden ist.

Rechtlich weniger problematisch wäre es, Informationen über das Ausland, die gestützt auf Artikel 1 Buchstabe a ZNDG ­ und damit nicht gestützt auf das BWIS ­ beschafft wurden, nicht nur in
ISAS, sondern auch in ISIS abzuspeichern. Zwar würde die Konzeption einer getrennten Datenhaltung für die Tätigkeit des NDB in Bezug auf das Ausland und seine Tätigkeit nach BWIS, wie sie im ZNDG angelegt ist, durchbrochen. Da die Daten in diesem Fall den weniger strengen Vorschriften von Artikel 5 ZNDG unterliegen, würden die strengeren Datenschutzbestimmungen des BWIS in diesem Fall jedoch nicht unterlaufen.

Aus Sicht der GPDel stellt sich aber die Frage, warum die gleichen Daten in zwei Datenbanken doppelt abgelegt werden sollen. Der Bundesrat hat nämlich in Artikel 6 ISV-NDB eine vorgesehen, mit welchem die Benutzerinnen und Benutzer der Informationssysteme des NDB 93 94 95

E-Mail des NDB vom 1.12.2010.

E-Mail des NDB vom 1.12.2010.

Provisorische Weisung des Direktors NDB betreffend die Abgrenzung der beim NDB eingehenden Informationen bezüglich ihres inhaltlichen Bezugs zur Schweiz vom 2.7.2010, S. 2.

4126

können. Für die von Artikel 3 ZNDG verlangte ist somit der gleichzeitige Zugriff auf die Daten von ISIS und ISAS rechtlich bereits vorgegeben. Eine Doppelspurigkeit bei der Datenablage kann deshalb nicht gerechtfertigt werden.

Nachdem der NDB die weitere Überarbeitung des Weisungsentwurfs und der dazugehörigen Kasuistik abgeschlossen hatte, unterzeichnete der Direktor NDB am 23. Dezember 2010 die Weisung in ihrer endgültigen Form.

Auf den ersten Blick übernimmt die verabschiedete Weisung die Auflage von Artikel 6 ZNDG, wonach alle Daten, die gestützt auf das BWIS beschafft wurden, ausschliesslich nach diesem Gesetz bearbeitet werden dürfen. So spricht die Weisung von und oder von Meldungen der kantonalen Staatsschutzdienste, die alle in ISIS abgelegt werden müssen.

Aus der Weisung geht richtigerweise auch hervor, dass sich die Beschaffung nach BWIS und die Beschaffung von sicherheitspolitischen Informationen über das Ausland teilweise auf die gleiche Art von Instrumenten abstützen können. Das Gesetz erlaubt nämlich für beide Aufgaben des ZNDG einen Informationsaustausch mit ausländischen Nachrichtendiensten. Die so beschaffte Information ist entweder in ISIS oder ISAS abzulegen.

Die Weisung regelt jedoch nicht, wann ein Informationsaustausch im Rahmen des BWIS oder zugunsten der Beschaffung von Informationen über das Ausland nach Artikel 1 Buchstaben a ZNDG erfolgen darf. Die Vorgaben für die Bearbeitung der beschafften Daten und für ihre Ablage in ISIS oder ISAS hängen laut Weisung vielmehr von ihrem ab. So ist jede Meldung in ISIS abzulegen, die Informationen zu Personen mit Schweizer Nationalität oder zu Ausländern, welche sich irgendwann in der Schweiz aufgehalten haben, enthält.

Gemäss der Weisung «[geht] der inhaltliche Bezug zur Schweiz demjenigen zum Ausland vor»96, was letztlich eine exklusive Speicherung in ISIS oder ISAS impliziert.

Eine zusätzliche Bestimmung der Weisung sowie verschiedene Beispiele in der Kasuistik zeigen jedoch auf, dass aufgrund der Nationalität oder des geografischen Aufenthaltsorts der zu registrierenden Personen kein zweckmässiger Entscheid über die
Ablage in ISIS oder ISAS getroffen werden kann. Auch wenn bei einem Ausländer ein Aufenthalt in der Schweiz angenommen werden darf, soll nach der Weisung eine Meldung über ihn erst dann in ISIS erfasst werden, wenn ihr Inhalt staatsschutzrelevante Aktivitäten betrifft, d.h. letztlich eine Informationsbeschaffung nach BWIS rechtfertigen würde.

Laut Weisung sollte auch der vom BJ vertretene Grundsatz der exklusiven Zuweisung der Daten zur Erfassung in ISIS oder ISAS zur Anwendung gelangen. Im Widerspruch dazu erlaubt die Weisung es jedoch, Personen mit schweizerischer Nationalität sowohl in ISIS als auch in ISAS abzulegen, wenn eine «Zuordnung In/Ausland nicht eindeutig vorgenommen werden kann»97, oder «wenn dies zum

96 97

Ziff. 4 der Weisung des Direktors NDB betreffend die Abgrenzung der beim NDB eingehenden Informationen bezüglich ihres inhaltlichen Bezugs zur Schweiz vom 23.12.2010.

Ziff. 6 a der Weisung des Direktors NDB vom 23.12.2010.

4127

Verständnis der Information notwendig ist»98. Die so registrierten Personen sollen bei der Erfassung in ISAS gekennzeichnet werden, damit sie später bei der Inbetriebnahme eines Nachfolgesystems von ISIS-NT dorthin überführt werden können.

Aufgrund der Weisung kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Daten, die gestützt auf das BWIS beschafft wurden, temporär in ISAS gespeichert werden sollen. Dieser Schluss wird auch durch die Beispiele gestützt, für welche die Kasuistik eine Doppelablage in ISIS und ISAS vorsieht. Während ihrer Speicherung in ISAS gelten jedoch für diese Daten in Bezug auf die Qualitätssicherung, die Aufbewahrungsdauer und die Informationsweitergabe weniger strenge rechtliche Vorgaben als es in ISIS der Fall wäre. Somit erlaubt es die vom Direktor NDB unterschriebene Weisung, dass Artikel 6 ZNDG umgangen werden kann.

Die Vorgaben von Artikel 6 ZNDG gelten übrigens für alle Personendaten, die gestützt auf das BWIS beschafft wurden, und nicht nur für Daten von Personen schweizerischer Nationalität. Um nach der Überführung von ISAS-Daten in das zukünftigen ISIS-System eine gesetzeskonforme Datenbearbeitung zu gewährleisten, müssten deshalb auch die in ISAS abgelegten Daten von ausländischen Personen, welche gestützt auf das BWIS beschafft wurden, für die Überführung gekennzeichnet werden.

Entscheidend für die Einhaltung des Gesetzes ist nämlich nicht die Nationalität der registrierten Person, sondern einzig die für die Informationsbeschaffung verwendete Gesetzesgrundlage.

Die GPDel hat im Berichtsjahr intensiv die Schwierigkeiten des NDB verfolgt, eine gesetzeskonforme Praxis für die Datenbearbeitung im neuen Dienst zu erarbeiten.

Sie hat ihre Feststellungen dem zuständigen Departementsvorsteher auch regelmässig zur Kenntnis gebracht.

Es ist letztlich aber nicht die Aufgabe der parlamentarischen Oberaufsicht, anstelle des zuständigen Departements und des Bundesrats dafür zu sorgen, dass bei der Datenbearbeitung im Nachrichtendienst alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die GPDel hat deshalb dem Vorsteher VBS beantragt, dass die Nachrichtendienstliche Aufsicht des VBS, welche die Verwaltungskontrolle über die Nachrichtendienste wahrnimmt, die weitere Entwicklung der Weisungen des NDB für die Datenerfassung in ISIS und ISAS auf ihre Konformität mit Artikel 6 ZNDG überprüft.

3.8.7

Pilotversuch ISAS

Bei der Erarbeitung des ZNDG im Rahmen der Pa.Iv. Hoffman (07.404) hatte die GPDel die Bestimmungen von Artikel 99 MG über die Datenbearbeitung unverändert in Artikel 5 ZNDG übernommen. Mit der Annahme dieses Artikels stellte das Parlament die Kontinuität der gesetzlichen Grundlagen für die Bearbeitung der Informationen aus der Auslandbeschaffung auch unter dem reorganisierten zivilen Nachrichtendienst sicher.

Artikel 5 ZNDG erlaubt es, in Abweichung von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Einzelfall Informationen ans Ausland weiterzugeben, und er 98

Ziff. 6 i der Weisung des Direktors NDB vom 23.12.2010.

4128

nimmt Datensammlungen von der Registrierungspflicht aus, wenn die Registrierung die Informationsbeschaffung gefährden würde. In diesem Rahmen beauftragte das Parlament den Bundesrat, die Bearbeitung und den Schutz der Personendaten, die vom NDB über das Ausland beschafft wurden, zu regeln. Im Ausführungsrecht zum ZNDG unterstellte der Bundesrat jedoch die Datenbank ISAS, welche die vom NDB beschafften sicherheitspolitischen Informationen über das Ausland enthalten sollte, Artikel 17a DSG. ISAS soll nämlich nach dieser Sonderbestimmung des DSG im Rahmen eines befristeten Pilotversuchs betrieben werden (Art. 17 Abs. 1 ISVNDB).

Wie die Abklärungen99 der GPDel beim EDÖB im November 2009 ergeben hatten, darf ein Pilotbetrieb nach der Sonderbestimmung von Artikel 17a DSG dem alleinigen Zweck dienen, das zukünftige Informationssystem im Detail zu konzipieren und aufgrund dieses Wissens die notwendigen formell gesetzlichen Grundlagen für die Verabschiedung durch den Gesetzgeber zu erarbeiten. Um ungerechtfertigte Persönlichkeitsverletzungen zu vermeiden, darf der Pilotversuch nur mit einem Teil des angestrebten Benutzerkreises erfolgen und es dürfen nur soweit echte Daten verwendet werden, als dies für den Zweck des Pilotversuchs überhaupt notwendig ist.

Artikel 1 ISV-NDB zählt mit ISIS und ISAS die Informationssysteme des NDB abschliessend auf. Somit gilt ISAS laut Verordnung als alleinige Datenbank für Informationen über das Ausland. Deshalb stellte sich für die GPDel die Frage, ob der NDB die bisherigen Datenbanken des Strategischer Nachrichtendienst (SND) mit ihren Informationen über Proliferation und Terrorismus nach dem Inkrafttreten der neuen Verordnung überhaupt weiter nutzen konnte.100 Diese Datenbanken, die der SND bis Ende 2009 gestützt auf Artikel 99 MG betrieben hatte, waren nämlich in der ab 2010 gültigen ISV-NDB nicht mehr aufgeführt.101 An ihrer Sitzung 19. April 2010 setzte sich deshalb die GPDel intensiv mit dem Projekt ISAS des NDB auseinander. Die Delegation stellte fest, dass der NDB plante, im Sommer 2010 die Daten der Informationssysteme des früheren SND in das Pilotsystem ISAS zu migrieren.

Nach Auskünften des angehörten Vertreters des NDB, habe der EDÖB der Verwendung dieser Daten im Pilotversuch zugestimmt. Der NDB sei überdies der Meinung, dass Art. 5 ZNDG den «Anforderungen
für eine moderne Interpretation einer ausreichenden Rechtsgrundlage»102 für eine Datenbank nicht genüge. Der NDB wolle deshalb die Daten des vormaligen SND lieber im ISAS-Pilotversuch mit einer «sauberen Rechtsgrundlage», d.h. Artikel 17a DSG verwenden, als sie gestützt auf das bisherige rechtliche Regime (d.h. Art. 5 ZNDG) zu bearbeiten.

Wie die Aussprache der GPDel mit dem EDÖB am gleichen Tag ergab, war diesem zugesichert worden, dass für den Pilotversuch keine Daten aus den bisherigen Systemen des SND verwendet würden. Eine Verwendung der Gesamtheit dieser Daten würde nach Ansicht des EDÖB den Sinn von Artikel 17a DSG unterlaufen.

Der EDÖB kritisierte auch, dass die vorgesehenen Abfrageberechtigungen für das ISAS-Pilotsystem bereits auf das definitive System ausgerichtet seien, wie dies aus 99 100 101

Vgl. Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010 (BBl 2010 2764).

Vgl. Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010, (BBl 2010 2764).

Jahresbericht 2007 der GPK und GPDel vom 25.1.2008 (BBl 2008 5156) und Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010 (BBl 2010 2764).

102 Protokoll der Anhörung des Chefs Informationsmanagement des NDB vom 19.4.2010, S. 42.

4129

dem bereits vorliegenden Entwurf der Departementsverordnung (vgl. nächstes Kapitel) hervorgehe. In dieser Verordnung musste das VBS laut Artikel 4 Absatz 2 ISV-NDB die Abfrageberichtigungen für ISAS und ISIS regeln. Bei der vorgeschlagenen Regelung könne jedoch nicht mehr wirklich von einem Pilotversuch gesprochen werden. Bei der Schaffung von Artikel 17a DSG sei es nie darum gegangen, dass über einen Pilotversuch mehr oder weniger ein Definitivum vorgespurt werden könne: Die Verwaltung sollte bei einer komplexen Ausgangslage die Möglichkeit erhalten, ein System zu prüfen und Erfahrungen zu sammeln, und zwar mit der klaren Vorgabe, dass danach für das definitive Projekt die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Die Aussprache mit dem EDÖB bewog die GPDel, das VBS mit Schreiben vom 24. April 2010 darauf aufmerksam zu machen, dass ihrer Ansicht nach der Pilotversuch ISAS nur unter einschränkenden Auflagen gesetzeskonform durchgeführt werden könne. Die Überführung des Inhalts der Datensammlungen des früheren SND in ein anderes System, das als Pilotversuch nach Artikel 17a DSG betrieben werde, sei gestützt auf diese Bestimmung des DSG nicht möglich. Deshalb empfahl die GPDel dem VBS, abzuklären, ob «Datensammlungen mit Informationen, die über das Ausland beschafft wurden, auf einer anderen gesetzlichen Grundlage als der Sonderbestimmung von Art. 17a DSG»103 betrieben werden könnten. Als mögliche Rechtsgrundlage nannte die GPDel konkret den im ZNDG dafür vorgesehenen Artikel 5.

Am 12. Mai 2010 nahm der Vorsteher des VBS zu den Bedenken der GPDel bezüglich der Durchführung des ISAS-Pilotversuchs Stellung. Er sicherte der Delegation zu, die VBS-Verordnung werde so angepasst, dass nur der ISAS-Pilotbetrieb (und nicht der ISAS-Endzustand) geregelt würde. Der Pilotbetrieb werde auf eine beschränkte Anzahl Mitarbeiter (rund 50 Personen) ausgerichtet, und es würden nicht alle Daten des ehemaligen SND migriert, sondern ausschliesslich die Daten der Bereiche Terrorismus und Proliferation, die rund einem Drittel der Arbeitsbereiche des NDB entsprechen würden.

Am 29. Juni 2010 antwortete die GPDel dem Vorsteher des VBS, aufgrund ihrer Inspektion der Datenbanken des SND in den Jahren 2007 und 2009 sowie ihres Wissenstandes über die aktuellen Informationssystemen des NDB sei der Delegation bekannt,
dass die Datenbanken Terrorismus und Proliferation die einzigen Informationssysteme des ehemaligen SND seien, welche aus technischer Sicht diesen Namen verdienen und vom NDB weiter betrieben werden. Nach Wissen der GPDel seien alle anderen Daten des SND in keiner Datenbank erfasst und müssten erst noch in den ISAS-Piloten eingegeben werden. Aufgrund ihrer früheren Abklärungen wusste die GPDel zudem, dass in den beiden Datenbanken Informationen zu rund 50 000 natürlichen und juristischen Personen gespeichert sind.

Die Schlussfolgerung der GPDel zuhanden des VBS lautete somit, der NDB plane, alle vorhandenen Datenbankinformationen des bisherigen SND in ISAS zu verwenden. Unter diesen Umständen würde letztlich der Pilotversuch ISAS dazu benutzt, um die bisherigen Datenbanken des SND unter Artikel 17a DSG anstelle von Artikel 5 ZNDG weiter zu betreiben. Aus Sicht der GPDel würde jedoch ein solches Unterfangen den gesetzlich erlaubten Zweck eines Pilotversuchs übersteigen, näm-

103

Brief der GPDel an den Vorsteher VBS vom 24.4.2010.

4130

lich die notwendigen Erfahrungen für die spätere Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen für das System ISAS zu gewinnen.

Für ihre weitere Oberaufsicht über den Pilotversuch ISAS wird die GPDel den Betrieb des Informationssystems vor Ort inspizieren. Im nächsten Jahr soll auch der EDÖB einen Zwischenbericht des NDB über den Pilotversuch erhalten. Nach Artikel 17 Absatz 2 ISV-NDB ist ausserdem ein Evaluationsbericht des NDB an den Bundesrat spätestens zwei Jahren nach Inbetriebnahme von ISAS fällig.

3.8.8

Regelung der Datenfelder von ISAS und ISIS

Die ISV-NDB sieht eine Departementsverordnung analog zur bisherigen Verordnung des VBS über die Datenfelder und Zugriffsberechtigungen von ISIS104 vor, welche die Datenfelder und Abfrageberechtigungen für ISIS und ­ neu auch für ISAS ­ regelt. Dieser Regelungsauftrag an das VBS ergibt sich aufgrund der Artikel 4, 19 und 26 ISV-NDB.

Diese Bestimmungen der ISV-NDB gründen auf gesetzlichen Vorgaben. So verlangt Artikel 15 Absatz 3 BWIS, dass das zuständige Departement die Zugriffsrechte für ISIS bestimmt. Weiter beauftragt Artikel 15 Absatz 5 BWIS den Bundesrat, die Datenkategorien für ISIS zu regeln. Der Bundesrat hat seinerseits diese Aufgabe in der ISV-NDB an das VBS insofern weiterdelegiert, als dieses die Datenfelder ­ aber nicht die Datenkategorien ­ von ISIS zu regeln hat.

Nach Artikel 17a Absatz 3 DSG muss der Bundesrat bei einem Pilotversuch die Modalitäten in einer Verordnung regeln. In der ISV-NDB beschloss der Bundesrat deshalb, dass die Regelung der Datenfelder und Abfrageberechtigungen für ISAS analog zu den entsprechenden Vorgaben für ISIS zu erfolgen hat.

Wie die GPDel aber in ihrem Jahresbericht 2009 schrieb, stand die Erarbeitung der Departementsverordnung noch aus, als am 1. Januar 2010 die ISV-NDB in Kraft gesetzt wurde.105 Am 19. April 2010 diskutierte die GPDel eine erste Version der Departementsverordnung, die der NDB für den Vorsteher VBS entworfen hatte. Die Verordnung zählte namentlich die vier Anhänge auf, in welchen die Datenfeldern und die Zugriffsberechtigungen von ISIS, respektive ISAS geregelt werden sollten. Der eigentliche materielle Regelungsinhalt war in diesen Anhängen enthalten.

Bei der Durchsicht dieser Anhänge erschien der 54-seitige Verordnungsanhang mit den Datenfeldern von ISAS als durchwegs technischer Natur. Sein Verständnis setzte offensichtlich Kenntnisse über das Design von Datenbanken voraus. Der Anhang war zudem in englischer Sprache verfasst.

Anlässlich der Sitzung vom 19. April 2010 sagte der dazu befragte Vertreter des NDB, der Anhang mit den Datenfeldern sei «für den geneigten Leser zwar nicht nachvollziehbar, [er sei] aber auch nicht rechtsetzender Natur»106. Der Departe-

104 105 106

AS 2009 2435 Jahresbericht 2009 der GPK und GPDel vom 22.1.2010 (BBl 2010 2763).

Protokoll der Anhörung des Chefs Informationsmanagement des NDB vom 19.4.2010, S. 42.

4131

mentsvorsteher schreibe mit dem Anhang die Datenfelder nicht zwingend vor.107 Wichtig sei die Departementsverordnung an sich, zu welcher der Anhang gehöre.

Der Detaillierungsgrad des Anhangs würde sich übrigens nach früheren Vorgaben des BJ richten, deren Zweckmässigkeit tatsächlich fraglich sei. Die Anhänge seien für einen Techniker klar und könnten von interessierter Seite, beispielsweise den kantonalen Datenschutzbeauftragten, heraus verlangt werden.108 Am 22. Juni 2010 bat die GPDel auch einen Vertreter des BJ, das zu den Entwürfen der Departementsverordnung konsultiert worden war, um eine Beurteilung zur Regelung der Datenfelder von ISIS und ISAS, wie sie vom VBS vorgesehen war.

Seitens des BJ wurden die Anhänge als uneinheitlich, unübersichtlich und nicht benutzerfreundlich bezeichnet. Das BJ hatte auch bemängelt, dass für den Anhang zu ISAS keine der Amtssprachen, sondern das Englische verwendet werden sollte.

Der Sprachdienst der BK soll allerdings keine Einwände geäussert haben.

Das BJ stellte zudem fest, dass für die systematische Verwendung der AHVVersichertennummer in einem Datenfeld von ISIS die notwendige Rechtsgrundlage fehlte. Nach Art. 50e Absatz 1 AHVG109 kann die Versichertennummer ausserhalb der Sozialversicherung des Bundes nur dann systematisch verwendet werden, wenn ein Bundesgesetz dies vorsieht und der Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt sind.

Gegenüber dem BJ habe der NDB daraufhin vorgeschlagen, ISIS so zu ändern, dass das Datenfeld nicht mehr auf dem Bildschirm sichtbar sei und gestützt auf die Nummer auch keine Abfragen mehr durchgeführt werden könnten. Eine Entfernung des Feldes aus der Datenstruktur und die Löschung der bereits darin gespeicherten Versichertennummern hielt der NDB jedoch nicht für notwendig. Laut dem Vertreter des BJ war es aber nicht statthaft, die weitere Speicherung dieser Daten ­ ohne die dazu notwendige gesetzliche Grundlage ­ damit zu begründen, dass man diese Daten am Bildschirm nicht mehr sehen könne.

In der Folge beschloss die GPDel, den Vorsteher des VBS auf die vom BJ aufgezeigten Probleme aufmerksam zu machen. Sie bat ihn mit Schreiben vom 29. Juni 2010, «den Bedenken des BJ gebührend Rechnung zu tragen»110, bevor er diese Departementsverordnung erlassen würde.

Am 27. September 2010 erliess der Vorsteher VBS
die Departementsverordnung über die Datenfelder und die Abfrageberechtigungen in den Informationssystemen ISAS und ISIS.111 Die GPDel stellte fest, dass sich der englische Anhang 1 der Verordnung zu den Datenfeldern von ISAS nicht vom Entwurf unterschied, den ihr das VBS bereits im Frühjahr hatte zukommen lassen. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 bat sie deshalb das VBS um zusätzliche Erläuterungen zu diesem Anhang. Obwohl nach Artikel 2 Absatz 1 der Departementsverordnung im Anhang 1 die Datenfelder von 107 108 109 110 111

In Artikel 2 der VBS-Verordnung vom 27.9.2010 steht allerdings, dass die Datenfelder von ISAS im Anhang 1 aufgeführt sind.

Laut Fussnote 3 der Verordnung sind die Texte der Anhänge 1­4 als Separatdrucke beim Nachrichtendienst des Bundes, 3003 Bern erhältlich.

Bundesgesetz vom 20.12.1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10).

Brief der GPDel an den Vorsteher VBS vom 29.6.2010.

Verordnung des VBS über die Datenfelder und die Abfrageberechtigungen in den Informationssystemen ISAS und ISIS vom 27.9.2010 (SR 121.22).

4132

ISAS aufgeführt werden sollten, schrieb die GPDel dem VBS, es liessen sich «auch bei einer detaillierten Durchsicht des 54-seitigen Anhangs ausser der Vor- und Nachnamen der registrierten Datenbankbenutzer keine weiteren Datenfelder erkennen, die der Speicherung von Personendaten dienen könnten» 112. Das VBS wurde deshalb gebeten, der Delegation zu erläutern, in welchen der im Anhang erwähnten Datenfelder Informationen über die in ISAS bearbeiteten Personen abgelegt würden und welchen Kategorien von Personendaten diese Informationen angehören würden.

Am 15. November 2010 erfolgte fristgerecht die Antwort des VBS. Laut dem Schreiben handelte es sich beim Anhang 1 der Departementsverordnung «um das Datenbankmodell von ISAS»113. Wie es sich herausstellte, enthielten die im Datenbankmodell vorgegebenen Strukturen von ISAS jedoch gar keine Felder für die Speicherung der Personendaten, die der NDB beispielsweise in den Bereichen Terrorismus oder Proliferation bearbeitete. ISAS erlaubt es vielmehr seinen Benutzern, nach Bedarf die Datenfelder für diese Informationen im laufenden Datenbankprogramm zu definieren. Das VBS schrieb deshalb auch, dass die Definition der Datenfelder als Attribute zu den Personenobjekten erst noch erfolgen müsse und stellte der GPDel eine 15-seitige Liste mit Datenfeldern zu, welche die Mitarbeitenden des NDB offensichtlich bereits in ISAS definiert und in Gebrauch genommen hatten.

Aus den Ausführungen des VBS musste geschlossen werden, dass Departementsvorsteher am 27. September 2010 eine Verordnung erlassen hatte, die letztlich keine materiellen Vorgaben darüber machte, welche Felder zur Ablage von Personedaten in ISAS erlaubt waren. Dabei sollte die VBS-Verordnung nach dem Wortlaut ihres Titels und ihrer Bestimmungen gerade die Datenfelder bestimmen, die in ISAS verwendet werden durften. So steht in Artikel 2 der VBS-Verordnung vom 27. September 2010 . Entgegen dieser Vorgabe ergibt sich aus dem 54-seitigen, englischen Anhang jedoch einzig und allein, dass die Felder der von ISAS verwendeten Personendaten erst noch mit dem Betrieb des Datenbankprogramms definiert werden müssen.

Dies bestätigte auch der Direktor NDB der GPDel am 25.11.2010: «Da wir uns in einem Pilotbetrieb befinden, verändern sich die Datenfelder noch. Die
Mitarbeitenden können neue Datenfelder einfügen, wenn sie deren Notwendigkeit sehen».114 Laut Direktor NDB erlaube das Vorgehen am Ende des Pilotversuchs zu wissen, wie die ISAS-Datenbank aussehen müsse, um dann die benötigten Datenfelder endgültig festzulegen.

Mit dem Ausdruck des Datenbankmodells von ISAS genehmigte der Vorsteher VBS letztlich die Datenstrukturen eines existierenden Computerprogrammes. Da in diesem Programm die Datenfelder noch nicht festgelegt waren, hatte diese Genehmigung keine rechtliche Wirkung auf die Arten von Personendaten, welche in diesem System bearbeitet werden durften. Diesbezüglich hatte der Erlass der VBSVerordnung in keiner Art und Weise die Wirkung, welche diese Verordnung selber, aber auch die übergeordnete ISV-NDB in Artikel 19 Absatz 2 vorschrieb.

Anlässlich einer früheren Aussprache mit dem Vorsteher VBS im April 2010 hatte die GPDel bereits auf diese Problematik im Zusammenhang mit dem ersten Entwurf 112 113 114

Brief der GPDel an den Vorsteher VBS vom 25.10.2010 .

Brief des Vorstehers VBS an die GPDel vom 15.11.2010.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 25.11.2010, S. 32.

4133

der Departementsverordnung hingewiesen: Der Anhang 1 scheine «Ausdruck eines Datenbankprogrammes zu sein»115 und «offensichtlich erwarte der NDB, dass die Departementsleitung den Programmausdruck als rechtliche Norm genehmigen [werde]. Somit würde das Informatikprojekt entscheiden, was die rechtliche Vorgabe ist, und nicht die Politik bestimmen, was in die Informatik gehört». Aus ihrer Sicht hielt die GPDel dies nicht für das richtige Vorgehen.

Für die Datenbank ISIS führt Anhang 2 der Departementsverordnung effektiv alle Datenfelder auf, in welchen ISIS-Daten abgespeichert werden. Die ISIS-Datenfelder betreffen die Identität (z.B. Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Nationalität, Geburtsort, etc.) der registrierten Personen oder dienen der Erfassung ihres soziales Umfelds (z.B. Zivilstand, Partner, Eltern) sowie ihrer Berufstätigkeit. In diesen Fällen gibt die VBS-Verordnung effektiv Auskunft darüber, welche Kategorien von Personendaten in ISIS verwendet werden. Der Auftrag des Parlaments an den Bundesrat, die Datenkategorien für ISIS zu regeln (Art. 15 Abs. 5 BWIS) wird mit ihrer Aufzählung durch das VBS erfüllt.

In Anhang 2 der VBS-Verordnung werden aber auch Datenfelder ausgewiesen, welche die Abspeicherung eines freien Textes erlauben. Zu jeder Art von Meldung, die in ISIS gespeichert wird, sieht der Anhang 2 ein solches Textfeld vor.

Bei der Erfassung einer jeder ISIS-Meldung wird in diesem Textfeld jeweils ihr Inhalt unter Nennung der betroffenen Personen kurz zusammengefasst. Diese Kurztexte sind auch elektronisch durchsuchbar.116 Wie die ISIS-Inspektion der GPDel gezeigt hat, können diese Textfelder Angaben über die politische und religiöse Betätigung der Personen enthalten, zu denen eine Meldung in ISIS erfasst worden ist.

Dies bedeutet demzufolge, dass auch in ISIS grundsätzlich Daten zu allen Kategorien von Personendaten abgelegt werden können. Damit regelt auch der vom Vorsteher VBS zu den ISIS-Datenfeldern erlassene Anhang 2 diese Möglichkeiten nicht. Der Auftrag des Gesetzgeber aus Artikel 15 Absatz 5 BWIS an den Bundesrat, dass die verschiedenen Datenkategorien für ISIS zu bezeichnen sind, konnte somit auch mit der vollständigen Aufzählung der Datenfelder in ISIS nicht abschliessend und damit auch nicht zufriedenstellend erfüllt werden.

Im Anhang 2 der Departementsverordnung findet
sich immer noch das vom BJ kritisierte Feld mit der AHV-Versichertennummer. Gestützt auf eine Beurteilung des EDÖB hatte der NDB dieses Feld beibehalten. Der EDÖB ging davon aus, dass die Existenz dieses Datenfeldes mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar sein könne, wenn dieses Datenfeld nur im Hintergrund als Schnittstelle zum Informationssystem der IOS, welche die AHV-Versichertennummer für die Personensicherheitsprüfungen benötigt, Verwendung findet. Zu den Annahmen des EDÖB gehörte auch, dass keine Abfragen nach diesem Feld durchgeführt werden können und eine Verwendung der AHV-Versichertennummer für die Aufgabenerfüllung des NDB ausgeschlossen ist.

115

Protokoll der Anhörung des Chefs Informationsmanagement des NDB vom 19.4.2010, S. 14.

116 Vgl. Bericht der GPDel vom 21.6.2010 zur Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS (BBl 2010 7665 7726).

4134

4

Geschäftsberichte 2009 und weitere Berichte

4.1

Geschäftsbericht 2009 des Bundesrats

Im Mai 2010 setzten sich die GPK, alle Mitglieder des Regierungskollegiums und die Bundeskanzlerin vier Tage lang mit der Geschäftsführung des Bundesrates auseinander. Die Aufgabe der GPK besteht vor allem darin, den Umsetzungsstand der Ziele des Bundesrates zu überprüfen. Von den siebzehn Zielen, die sich der Bundesrat für 2009 gesetzt hatte, wurden drei vollständig, sieben überwiegend und sieben teilweise erreicht.

In seinem Geschäftsbericht 2009 hatte der Bundesrat folgende Hauptziele genannt: Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz, Gewährleistung der Sicherheit, Stärkung der gesellschaftlichen Kohäsion, nachhaltige Nutzung der Ressourcen sowie Festigung der Stellung der Schweiz in einer vernetzten Welt.

Die GPK beantragten ihrem jeweiligen Rat einstimmig, den Geschäftsbericht 2009 des Bundesrates zu genehmigen. In der Sommersession folgten die eidg. Räte dem Antrag der GPK.

Im Mittelpunkt der Diskussionen der GPK mit dem Bundesrat standen namentlich folgende Themen: ­

Steuer- und Finanzfragen;

­

die Personalpolitik;

­

die Optimierung der Leistungsfähigkeit und der Nutzung der Infrastrukturen;

­

die Umsetzung der im Rahmen des Vollzugs der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit identifizierten Verbesserungsmöglichkeiten;

­

wirtschafts- und sozialpolitische Antworten auf die Krise;

­

Armutsbekämpfung;

­

die Umsetzung der Optimierungsmassnahmen im Bereich Verteidigung;

­

der Sicherheitspolitische Bericht;

­

die Analyse der aktuellen Probleme im Asylbereich;

­

die Rolle des Bundes beim Vollzug der Wegweisung von Ausländern.

Die Mitglieder des Bundesrates und die Bundeskanzlerin wurden zudem ersucht, Fragen zu beantworten, die mehrere Departemente zugleich betreffen, so u. a. Fragen zum Departemental- und Kollegialprinzip sowie zur hohen Arbeitsbelastung des Bundesrates aufgrund der zahlreichen Vorstösse.

4.2

Geschäftsbericht 2009 des Bundesgerichts

Am 21. April 2010 prüften die Subkommissionen Gerichte der GPK am Sitz des BGer in Lausanne den Geschäftsbericht 2009 des BGer und erörterten mit der Verwaltungskommission des BGer die Schwerpunkte der Geschäftsführung des Gerichts. Zur Geschäftsführung der erstinstanzlichen Gerichte hörten sie zudem die Präsidenten des BStGer und des BVGer an.

Im Mittelpunkt der Diskussionen der GPK mit dem BGer standen namentlich folgende Themen: 4135

­

Geschäftslast des BGer und Geschäftsstatistiken

­

Auswirkungen der neuen Prozessordnungen des Bundes und des Strafbehördenorganisationsgesetzes (StBOG)117 auf das BGer

­

Informatik am BGer nach der Abtrennung der Informatik des BVGer

­

Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte

­

Controllingdaten des BGer

­

Aufsicht des BGer über die erstinstanzlichen Gerichte

­

Geschäftsberichte 2009 der erstinstanzlichen Gerichte

­

Heimarbeit für Mitarbeitende der Gerichte

Im Weiteren hörten die beiden GPK im Mai 2010 im Rahmen ihrer viertägigen Sitzung zu den Geschäftsberichten der Bundesbehörden den BGer-Präsidenten an.

Die GPK beantragten ihrem jeweiligen Rat einstimmig, den Geschäftsbeicht 2009 des BGer zu genehmigen. In der Sommersession folgten die eidg. Räte dem Antrag der GPK.

4.3

Weitere von den GPK behandelte Berichte

Wie jedes Jahr behandelten die GPK auch 2010 eine grosse Anzahl von Berichten, sei dies im Rahmen des Geschäftsberichts des Bundesrats oder unabhängig davon.

Folgende Berichte wurden geprüft: Bundeskanzlei ­

Bericht des Bundesrats über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2009 (teilweise)

EDI


Rechenschaftsbericht 2009 zum Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH)

­

Reporting im Personalwesen von ETH und Swissmedic nach Artikel 5 BPG

­

Jahresbericht 2009 über die Sozialversicherungen gemäss Artikel 76 ATSG

EJPD

117

­

Standbericht 2009 zur Umsetzung von Schengen/Dublin

­

Jahresbericht 2009 der Eidgenössischen Spielbankenkommission



Rechenschaftsbericht 2009 des IGE

­

Personalreporting des IGE nach Artikel 5 BPG

­

Tätigkeitsbericht 2009 der eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde

Bundesgesetz vom 19.3.2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71)

4136

VBS


Bericht zur Eignerstrategie des Bundesrats für die Rüstungsunternehmen des Bundes 2009



Geschäftsbericht und Finanzbericht 2009 der RUAG

EFD ­

Jahresbericht 2009 der FINMA



Geschäftsbericht 2009 der Publica



Jahresbericht 2009 des EPA zur Umsetzung des BPG



Evaluationsbericht über die Personalbefragung 2009 (Bundesverwaltung)



Personalreporting 2009 der Publica nach Artikel 5 BPG

EVD ­

Bericht des Bundesrats über die Einzelheiten der Kriegsmaterialausfuhr im Jahr 2009

­

Bericht 2009 über die Erreichung der strategischen Ziele durch die SERV

UVEK


Berichte 2009 über die Erreichung der strategischen Ziele von SBB AG, Post und Swisscom



Geschäftsbericht 2009 der SBB



Geschäftsbericht 2009 der Post



Geschäftsbericht 2009 der Swisscom



Geschäftsbericht 2009 der Skyguide



Controlling-Bericht 2009 zur Bahn 2000



Standberichte 2009 der Neat

­

Standbericht 2009 über den Anschluss der Ost- und der Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz gemäss Artikel 10 HGVAnschluss-Gesetz

­

Standbericht 2009 über den Stand der Einführung des European Train Control System (ETCS) in der Schweiz



Personalreporting 2009 der SBB, Post, Swisscom und Skyguide nach Artikel 5 BPG

Verschiedene ­

Rechenschaftsbericht 2009 der Schweizerischen Nationalbank

­

Bericht der Bundesanwaltschaft über ihre Tätigkeit im Jahr 2009

4137

4138