zu 09.456 Parlamentarische Initiative Vereinfachungen bei der Besteuerung von Lotteriegewinnen Bericht vom 24. Juni 2011 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 2011

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 24. Juni 2011 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates betreffend Vereinfachungen bei der Besteuerung von Lotteriegewinnen nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. August 2011

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-1359

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit der am 11. Juni 2009 eingereichten parlamentarischen Initiative verlangt Ständerat Paul Niederberger die folgenden Vereinfachungen bei der Besteuerung von Lotteriegewinnen: ­

Gewinne aus Lotterien und lotterieähnlichen Veranstaltungen sollen im Bundesgesetz vom 14. Dezember 19901 über die direkte Bundessteuer (DBG), im Bundesgesetz vom 14. Dezember 19902 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) und im Bundesgesetz vom 13. Oktober 19653 über die Verrechnungssteuer (VStG) bis 1000 Franken für steuerfrei erklärt werden.

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Im DBG und im StHG soll vorgesehen werden, dass von den Gewinnen 5 Prozent als Gewinnungskosten abgezogen werden können.

In der Begründung weist der Initiant darauf hin, dass die heutige Besteuerung der Lotteriegewinne ab 50 Franken gemäss VStG eine massive Marktverzerrung zur Folge habe, da im Gegensatz zu den Lotteriegewinnen die Spielbankengewinne weder auf kantonaler noch eidgenössischer Ebene der Verrechnungs- bzw. Einkommenssteuer unterliegen. Die Behandlung der verrechnungssteuerpflichtigen Gewinne verursache bei den Lotteriegesellschaften zudem einen grossen Verwaltungsaufwand, der zu einer Verminderung der Ausschüttungen an die Kantone zugunsten von Kultur, Sozialem, Natur und Sport führe.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) beschloss am 22. Juni 2010 einstimmig, der Initiative Folge zu geben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) stimmte diesem Beschluss am 15. Februar 2011 ohne Gegenstimme zu. Am 22. Februar 2011 erteilte die WAK-S ihrem Sekretariat und der Eidgenössischen Steuerverwaltung den Auftrag, einen Erlassentwurf samt erläuterndem Bericht auszuarbeiten. Am 24. Juni 2011 verabschiedete die Kommission den Bericht und den Gesetzesentwurf einstimmig zuhanden des Ständerats. Da die in beiden Kommissionen geführten Diskussionen aufzeigten, dass sämtliche Fraktionen das Anliegen der Initiative unterstützen, und da die Tarifautonomie der Kantone mit den vorgeschlagenen Bestimmungen gewahrt bleibt, beschloss die WAK-S, auf eine Vernehmlassung zu verzichten.

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SR 642.11 SR 642.14 SR 642.21

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Steuerfreigrenze

2.1.1

Im VStG

Die Verrechnungssteuer erfasst als Sicherungssteuer für die direkten Steuern die Bargewinne von über 50 Franken. Der administrative Aufwand für die Lotterie- und Wettveranstalterinnen oder -veranstalter ist aufgrund dieser tiefen Grenze relativ hoch. Für sämtliche Einzelgewinne von über 50 Franken muss den Gewinnerinnen und Gewinnern eine Verrechnungssteuerbestätigung ausgehändigt werden. Die dabei anfallenden Betriebskosten schmälern die Ausschüttungen der Lotteriegesellschaften an die Kantone zugunsten gemeinnütziger und wohltätiger Zwecke.

Die Freigrenze von 50 Franken wurde seit ihrer Einführung im Jahr 1945 nie angepasst. Die in den letzten Jahren unternommenen Versuche, die Besteuerung der Lotteriegewinne neu zu gestalten, sind gescheitert. Demzufolge wurde weder der veränderten Kaufkraft noch dem neuen Umfeld im Bereich der Spiele Rechnung getragen.

Der Bundesrat begrüsst daher die Bestrebungen des Initianten und der Kommission, die Besteuerung der Lotteriegewinne zu vereinfachen, indem die Freigrenze im VStG auf 1000 Franken angehoben werden soll. Die Freigrenze würde nicht nur bei den Veranstalterinnen und Veranstaltern, sondern auch bei den Steuerverwaltungen zu Vereinfachungen führen, da sich die Zahl der zu bearbeitenden Gewinne (92 Prozent aller Verrechnungssteuerbelege) und damit der administrative Aufwand reduzieren würden.

2.1.2

Im DBG

Heute sind bei der direkten Bundessteuer Einkünfte aus Lotterien und lotterieähnlichen Veranstaltungen explizit steuerbar. Der Bundesrat teilt die Ansicht, dass im Interesse einer einheitlichen bundesrechtlichen Gesetzgebung im DBG ebenfalls eine dem VStG entsprechende Freigrenze eingeführt werden sollte. Dadurch werden Gewinne bis zu 1000 Franken sowohl von der Verrechnungssteuer wie auch von der direkten Bundessteuer befreit.

2.1.3

Im StHG

Das StHG verpflichtet die Kantone zur Besteuerung der Lotteriegewinne als steuerbare wiederkehrende oder einmalige Einkünfte. Es lässt jedoch offen, auf welche Weise diese Gewinne zu besteuern sind. Die Kantone haben diese Freiheit genutzt und zum Teil unterschiedliche Regelungen in ihren Steuergesetzen verankert. Viele Kantone besteuern die Lotteriegewinne beispielsweise erst ab einer gewissen Höhe oder sehen einen fixen Freibetrag vor. Je nach Kanton bewegen sich die Freigrenzen zwischen 1000 und 5000 Franken.

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Die parlamentarische Initiative verlangt, dass die Freigrenze von 1000 Franken auch im StHG verankert wird. Im Bericht der WAK-S wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die in der Bundesverfassung verankerte Tarifautonomie der Kantone, wonach die Regelung der Steuertarife, der Steuersätze sowie der Steuerfreibeträge in den ausschliesslichen Zuständigkeitsbereich der Kantone fällt, der Festsetzung eines genau bestimmten Betrags als Freigrenze im StHG entgegensteht. Eine solche Festsetzung hätte zudem die unerwünschte Folge, dass all jene Kantone, die bereits heute eine höhere Grenze vorsehen, diese zwingend senken müssten.

Der Bundesrat teilt daher die Ansicht der Kommission, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht den Kantonen bei der Besteuerung der Lotteriegewinne nur die Verankerung einer von ihnen selbst zu bestimmenden Freigrenze vorgeschrieben werden kann.

2.2

Fixer Einsatzkostenabzug

2.2.1

Im DBG

Nach geltendem Recht können zur Ermittlung des Reineinkommens von den gesamten steuerbaren Einkünften die Aufwendungen und allgemeinen Abzüge abgezogen werden. Für die Lotteriegewinne bedeutet dies, dass nur der effektive Gewinn, d.h.

die Differenz zwischen Bruttoerlös und Einsatz, steuerbar ist.

Die parlamentarische Initiative verlangt, dass künftig von den Gewinnen aus Lotterien und lotterieähnlichen Veranstaltungen 5 Prozent als Gewinnungskosten abgezogen werden können. Die WAK-S beschloss jedoch, den Abzug für die auf den Gewinntreffer entfallenden Aufwendungen nicht als Gewinnungskostenabzug (organischer Abzug), sondern als fixen anorganischen Einsatzkostenabzug auszugestalten. Zudem soll der Abzug nach oben begrenzt werden, indem maximal 5000 Franken eines einzelnen Gewinnes als Einsatzkosten abgezogen werden können.

Der Bundesrat begrüsst die von der Kommission vorgeschlagene Höchstgrenze des Abzuges, die zu einer Plafonierung ab Gewinnen von 100 000 Franken führt. Mit der Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Einsätze kann im Hinblick auf die Prävention der Glückspielsucht ein Zeichen gesetzt werden.

Die Pauschalierung der vom Gewinn abziehbaren Einsatzkosten führt aus der Sicht des Bundesrates zu einer begrüssenswerten administrativen Vereinfachung sowohl bei den Steuerverwaltungen wie auch bei den steuerpflichtigen Personen. Die auf den Gewinntreffer entfallenden Einsatzkosten müssen von den Gewinnerinnen und Gewinnern nicht mehr nachgewiesen und die Belege von den Steuerverwaltungen nicht mehr auf ihre Rechtmässigkeit überprüft werden. Dadurch können Missbräuche beim Handel mit Belegen für Lotterie-Einsätze vermieden werden.

2.2.2

Im StHG

Die parlamentarische Initiative verlangt überdies, dass den Kantonen im StHG ebenfalls ein Abzug der Gewinnungskosten in der Höhe von 5 Prozent der Gewinne vorgegeben wird. Die Kommission beschloss jedoch, aus föderalistischer Zurückhaltung davon abzusehen, im StHG den Abzug prozentmässig festzusetzen. Der 6546

Bundesrat befürwortet den Vorschlag der Kommission, wie bei den übrigen in Artikel 9 Absatz 2 StHG geregelten Abzügen, die eine Limitierung vorsehen, die Höhe des Einsatzkostenabzugs von den Kantonen selber festlegen zu lassen sowie den Kantonen die Möglichkeit zu geben, den Abzug wie im DBG nach oben zu begrenzen.

2.3

Verfassungsmässigkeit

Da den Kantonen die Grenze für die Steuerfreiheit der Gewinne aus Lotterien und lotterieähnlichen Veranstaltungen im StHG nicht betragsmässig vorgegeben werden soll, wird die in der Bundesverfassung ausdrücklich garantierte Tarifautonomie der Kantone gewahrt. Zudem wird den Kantonen auch bei der prozentmässigen Festsetzung des Einsatzkostenabzugs ein grösstmöglicher Spielraum zugestanden.

In der Regel sollte auf Ausnahmen von der objektiven Steuerpflicht verzichtet werden, da sie die Bemessungsgrundlage für die Einkommenssteuer schmälern und die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Ergebnis verfälschen können. Mit den vorgeschlagenen Bestimmungen werden die Gewinne aus Lotterien und lotterieähnlichen Veranstaltungen jedoch nicht allgemein, sondern nur bis zu einer relativ tief angesetzten Grenze für steuerfrei erklärt. Angesichts der durch die Gesetzesänderungen angestrebten administrativen Erleichterungen erachtet der Bundesrat die vorgeschlagene Steuerbefreiung von Lotteriegewinnen bis 1000 Franken als vertretbar.

Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Steuerbefreiung von Spielgewinnen an sich, aber insbesondere die unterschiedliche Behandlung von Gewinnen, die im Rahmen von Lotterie- und Casinospielen erzielt werden, mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Besteuerung Fragen aufwerfen, die näher geprüft werden sollten.

2.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Der Bundesrat schliesst sich den im Bericht dargelegten Erläuterungen zu den finanziellen und personellen Auswirkungen an. Die geschätzten Einnahmenausfälle bei der Verrechnungssteuer (0­6,8 Mio. Fr.) und der direkten Bundessteuer (0,5 Mio. Fr.) sind für den Bundeshaushalt verkraftbar. Dem stehen die folgenden Vorteile gegenüber: Eine Entlastung der untersten Gewinnquoten bei der direkten Bundessteuer im Umfang von zirka 486 000 Franken führt nicht nur zu einer administrativen Entlastung aller involvierten Parteien (Veranstalter, Gewinner und Steuerbehörden), sondern belebt auch den Umsatz bei den Lotterien. Der dabei erzielte Mehrertrag wird später für gemeinnützige Zwecke in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport eingesetzt.

Die Lockerung bei der Verrechnungssteuer (diese wird als Sicherungssteuer dem Gewinner oder der Gewinnerin auf administrativem Weg aufgrund der Deklaration bei den direkten Steuern zurückerstattet) soll den Nachteil der schweizerischen Veranstalterinnen und Veranstalter gegenüber den im angrenzenden Ausland durchgeführten Lotterien mildern, da in diesen Ländern die Lotteriegewinne weder einer Quellensteuer noch der Einkommenssteuer unterliegen. Zudem kann aufgrund der vorgeschlagenen Erleichterungen damit gerechnet werden, dass schweizerische 6547

Spielerinnen und Spieler ihre Einsätze, die sie bis anhin für ausländische Spiele verwendet haben, vermehrt wieder in inländische Lotterien investieren werden. In diesem Sinne sind die Berechnungen der maximalen Ausfälle etwas zu relativieren.

Die vorgeschlagenen Massnahmen haben auf Bundesebene keine personellen Auswirkungen. Hingegen werden die kantonalen Steuerverwaltungen bei der Kontrolle der Lotteriegewinne und der Belege für die Einsatzkostenabzüge sowie die Lotterieveranstalterinnen und -veranstalter bei der Ausstellung von Verrechnungssteuerbestätigungen administrativ entlastet.

2.5

Laufende Gesetzgebungsarbeiten

Am 10. September 2009 ist die Volkinitiative «Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls» eingereicht worden. Der Bundesrat verabschiedete mit Beschluss vom 20. Oktober 2010 die Botschaft und die Bundesbeschlüsse betreffend die Volksinitiative und den direkten Gegenentwurf. Der direkte Gegenentwurf basiert auf eine Konsenslösung, die zusammen mit den Kantonen und den Initianten im Hinblick auf einen Rückzug der Initiative ausgearbeitet wurde. Am 28 Februar 2011 fasste der Ständerat Beschluss gemäss den Entwürfen des Bundesrates. Am 12. Mai 2011 verabschiedete die Rechtskommission des Nationalrates das Geschäft und empfiehlt mit einer kleinen Änderung von Absatz 5 des Gegenentwurfs (explizite Erwähnung des Jugendschutzes) ebenfalls die Annahme des direkten Gegenentwurfs.

Mit Beschluss vom 20. Oktober 2010 beauftragte der Bundesrat das EJPD, in Zusammenarbeit mit den anderen interessierten Bundesstellen und mit den Kantonen bis ein Jahr nach der Volksabstimmung über die Volkinitiative und/oder über den direkten Gegenentwurf Antrag zum weiteren Vorgehen bei der Revision des Lotteriegesetzes zu stellen. Ferner beauftragte der Bundesrat am 22. April 2009 das EJPD, in Zusammenarbeit mit den Kantonen eine Änderung der Rechtsgrundlagen im Spielbankenbereich vorzubereiten, mit welcher das Verbot der telekommunikationsgestützten Durchführung von Geldspielen im Internet gelockert werden soll.

Zudem soll eine Grundlage dafür geschaffen werden, mittels technischer Massnahmen die illegale telekommunikationsgestützte Durchführung von Geldspielen zu verunmöglichen oder einzuschränken.

Diese Anträge schliessen Fragen der Besteuerung der Geldspiele mit ein. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe, in der auch die Kantone mitwirken, soll deshalb die steuerliche Behandlung von Gewinnen aus den Geldspielen aus einer Gesamtsicht heraus überprüft werden. Der Auftrag geht dahin, eine Lösung für die Besteuerung der Geldspiele zu finden, die steuerliche Verzerrungen, innerhalb des Geldspielbereichs (Spielbanken, Lotterien und Wetten) bestmöglich verhindert, gut in das steuerliche Gesamtsystem eingebettet ist und auch den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Besteuerung sowie den fiskalischen Interessen aller Gemeinwesen optimal Rechnung trägt.

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Die vorliegende Neuordnung der Lotteriegewinnbesteuerung ist daher nur als vorläufige Lösung zur Milderung der Benachteiligung der Empfänger von Lotteriegewinnen gegenüber den Empfängern von Spielbankengewinnen zu verstehen. Aufgrund der Gesamtüberprüfung der Besteuerung von Geldspielen werden möglicherweise weitere Gesetzesänderungen angezeigt sein, um eine aus ganzheitlicher Sicht optimierte Besteuerung der Spielgewinne zu erreichen.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Zustimmung zum Gesetzesentwurf der WAK-S vom 24. Juni 2011.

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