09.439 / 10.308 Parlamentarische Initiative Allen Schweizer Staatsangehörigen auch weiterhin den Bezug einer herkömmlichen, nichtbiometrischen ID ohne Chip zusichern Standesinitiative Thurgau Ausweisgesetz. Änderung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 4. Februar 2011

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2001 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

4. Februar 2011

Im Namen der Kommission Der Präsident: Yvan Perrin

2011-0285

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Übersicht Gemäss der am 1. März 2010 in Kraft getretenen Änderung des Ausweisgesetzes (AwG) können Identitätskarten (ID) nach zwei Jahren, d.h. ab 1. März 2012, nur noch bei den ausstellenden kantonalen Behörden beantragt werden. Das Gesetz überträgt den Entscheid, ob weiterhin auch nichtbiometrische ID ausgestellt werden können, der Zuständigkeit des Bundesrates.

Die am 4. Juni 2009 von Nationalrätin Thérèse Meyer eingereichte parlamentarische Initiative verlangt, im AwG zu verankern, dass weiterhin eine herkömmliche, nichtbiometrische ID ohne Chip bezogen werden kann. Am 27. Januar 2010 reichte der Kanton Thurgau eine Standesinitiative ein, die verlangt, dass Identitätskarten auch nach der in den Übergangsbestimmungen der Änderung vom 13. Juni 2008 im AwG vorgesehenen zweijährigen Frist weiterhin bei der Wohnsitzgemeinde beantragt werden können. Die am 11. Dezember 2009 von Ständerat Hannes Germann eingereichte parlamentarische Initiative verlangt, das Ausweisgesetz dahingehend zu ändern, dass die Kantone frei entscheiden können, ob die Identitätskarte ohne Chip weiterhin bei der Wohnsitzgemeinde beantragt und bezogen werden kann.

Aus föderalistischen Gründen nimmt der vorliegende Entwurf der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK) dieses Anliegen auf und sieht vor, das AwG so zu ändern, dass auf Antrag weiterhin Identitätskarten ohne Chip bezogen werden und die Kantone über eine allfällige Beantragung in der Wohngemeinde entscheiden können.

Die SPK des Nationalrates hat bei der Ausarbeitung des Entwurfs darauf geachtet, dass jeder Kanton die Möglichkeit hat, einen bürgernahen Service public anzubieten. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die nichtbiometrischen Identitätskarten weiterhin wie bisher bei der Wohngemeinde zu beantragen. Damit soll erreicht werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger eine herkömmliche Identitätskarte in einem einfachen Verfahren beantragen können und die Kantonsautonomie betreffend die Organisation des Antragsverfahrens gewahrt bleibt.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Initiativen

Am 4. Juni 2009 reichte Nationalrätin Thérèse Meyer (C, FR) eine parlamentarische Initiative ein, die verlangt, im Bundesgesetz vom 22. Juni 2001 über die Ausweise für Staatsangehörige (Ausweisgesetz, AwG; SR 143.1) vorzusehen, dass alle Schweizer Staatsangehörigen auch weiterhin eine herkömmliche, nichtbiometrische Identitätskarte ohne Chip beziehen können. In ihrer Begründung weist die Initiantin darauf hin, dass es gemäss dem am 1. März 2010 in Kraft getretenen Gesetz dem Bundesrat obliegt, festzulegen, welche Identitätsdokumente mit einem Datenchip versehen werden. Obwohl der Bundesrat im Vorfeld der Volksabstimmung über die Einführung biometrischer Ausweise versichert hatte, eine klassische ID beibehalten zu wollen, ist die Nationalrätin der Auffassung, dass eine solche Bestimmung ins Gesetz aufgenommen werden sollte.

Die am 27. Januar 2010 eingereichte Standesinitiative des Kantons Thurgau verlangt, im Ausweisgesetz die Übergangsbestimmung aufzuheben, wonach Identitätskarten ohne Datenchip im Inland nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nur noch während längstens zweier Jahre wie bisher in der Wohngemeinde beantragt werden können.

Anlass zu diesen beiden Initiativen gab die Revision des Ausweisgesetzes, die in der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 mit einem Stimmenanteil von 50,1 Prozent knapp angenommen wurde und am 1. März 2010 in Kraft trat. Mit dieser Revision wurden die Rechtsgrundlagen für die Einführung des neuen Passes (Pass 10, auch E-Pass genannt), geschaffen. Dieser Pass ist mit einem Chip ausgestattet, auf dem das digitalisierte Gesichtsbild und das elektronische Bild zweier Fingerabdrücke der Inhaberin oder des Inhabers gespeichert sind. All diese Daten werden zudem im zentralen Informationssystem Ausweisschriften (ISA) gespeichert. Während diese Massnahmen sowie die Modalitäten der Ausstellung von Identitätskarten im Ausweisgesetz selbst geregelt sind, ist die Möglichkeit zum Bezug einer nichtbiometrischen Identitätskarte ohne Chip lediglich in der Ausweisverordnung vorgesehen.

Sowohl im Parlament als auch im Vorfeld der Volksabstimmung und bei der Ausarbeitung der Verordnung wurden drei Punkte stets besonders intensiv diskutiert: die zentrale Datenbank, die nichtbiometrische ID und die Möglichkeit, die ID in der Wohngemeinde beantragen zu können. Zu diesen Punkten wurden sechs
parlamentarische Initiativen und eine Standesinitiative (Kanton Thurgau) eingereicht: 09.431 Pa.Iv. (Marra) vom 30. April 2009, Ausweisgesetz; 09.435 Pa.Iv. (Hodgers) vom 27. Mai 2009, Änderung des Ausweisgesetzes; 09.439 Pa.Iv. (Thérèse Meyer) vom 4. Juni 2009, Allen Schweizer Staatsangehörigen auch weiterhin den Bezug einer herkömmlichen, nichtbiometrischen ID ohne Chip zusichern; 09.440 Pa.Iv.

(SVP-Fraktion) vom 5. Juni 2009, Keine zusätzlichen biometrischen Ausweise; 09.441 Pa.Iv. (SVP-Fraktion) vom 5. Juni 2009, Biometrische Pässe ohne Datenbank; 09.516 Pa.Iv. (Germann) vom 11. Dezember 2009, Identitätskarten. Wahrung der kantonalen Kompetenzen beim Ausweisgesetz; 10.308 Kt.Iv. (TG) vom 27. Januar 2010, Ausweisgesetz. Änderung.

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1.2

Vorprüfung durch die Staatspolitischen Kommissionen

Die Staatspolitischen Kommissionen befassten sich mehrmals mit dem Thema, da die verschiedenen Initiativen zur Änderung des AwG über einen Zeitraum von über acht Monaten eingereicht wurden. Zudem verzögerte sich die Beratung dieser Initiativen mit der Einreichung einer Kommissionsinitiative: Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates stellte bei der Vorprüfung am 18. Juni 2009 den Entscheid zu fünf in ihrem Rat eingereichten Initiativen (09.431, 09.435, 09.439, 09.440, 09.441) zurück und nahm stattdessen mit 18 zu 2 Stimmen eine Kommissionsinitiative (09.471) an, welche die Anliegen der verschiedenen Initiativen (gesetzliche Verankerung der nichtbiometrischen ID, keine obligatorische zentrale Speicherung der Daten) aufnahm. Die Schwesterkommission wie auch der Ständerat sprachen sich allerdings gegen diese Initiative, zumindest gegen den zweiten Punkt aus. Ihrer Auffassung nach ist eine zentrale Datenbank unerlässlich für die Sicherheit des Schweizer Ausweiswesens; zudem könne die zentrale Datenbank nicht bereits kurz nach der Volksabstimmung schon wieder in Frage gestellt werden.

Diese Gründe brachten die Kommissionsinitiative endgültig zum Scheitern.

Da die SPK des Ständerates der Initiative 09.471 nicht zugestimmt hatte, nahm die SPK des Nationalrates die Prüfung der oben genannten parlamentarischen Initiativen wieder auf und gab diesen an ihrer Sitzung vom 15. Oktober 2009 Folge, wobei die parlamentarische Initiative von Thérèse Meyer mit 22 zu 2 Stimmen passierte.

Diesem Beschluss stimmte die ständerätliche Schwesterkommission an ihrer Sitzung vom 1. Februar 2010 mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung zu; den anderen Initiativen hingegen gab sie keine Folge.

An ihrer Sitzung vom 20. April 2010 gab die SPK des Ständerats der parlamentarischen Initiative Germann (V, TG) und der Standesinitiative des Kantons Thurgau einstimmig Folge. Die am 11. Dezember 2009 von Ständerat Hannes Germann eingereichte parlamentarische Initiative verlangt, das Ausweisgesetz dahingehend zu ändern, dass die Kantone frei entscheiden können, ob die Identitätskarte ohne Chip weiterhin bei der Wohnsitzgemeinde beantragt und bezogen werden kann. Die am 27. Januar 2010 vom Kanton Thurgau eingereichte Standesinitiative verlangt ebenfalls, dass Identitätskarten auch nach der in den Übergangsbestimmungen der
Änderung vom 13. Juni 2008 im AwG vorgesehenen zweijährigen Frist weiterhin bei der Wohnsitzgemeinde beantragt werden können. Die nationalrätliche Schwesterkommission stimmte diesen Beschlüssen an ihrer Sitzung vom 21. Mai 2010 ebenfalls einhellig zu.

Die Anliegen der parlamentarischen Initiative von Thérèse Meyer und der Thurgauer Standesinitiative ermöglichen es, die Vorgaben des Datenschutzes einzuhalten. Die beiden Initiativen stellen die Speicherung in einer zentralen Datenbank nicht in Frage. Sie gewährleisten aber, dass die Bürgerinnen und Bürger bei Bedarf auch weiterhin eine nichtbiometrische Identitätskarte bei ihrer Wohn-gemeinde beantragen können, und dass diese Identitätskarte ohne Chip weiterhin bei der Wohngemeinde bestellt werden kann, wenn dies die Kantone beschliessen.

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1.3

Umsetzung der Initiativen

Da drei Initiativen zur Änderung des Ausweisgesetzes (09.439 Pa.Iv. Thérèse Meyer, 09.516 Pa.Iv. Hannes Germann, 10.308 Kt.Iv. Thurgau) gleichzeitig umzusetzen waren, stellte sich die eher ungewöhnliche Frage, welche der beiden SPK mit der Ausarbeitung eines Erlassentwurfs beauftragt werden sollte. Zuständig für die parlamentarische Initiative 09.439 war die SPK des Nationalrates, für die parlamentarische Initiative 09.516 die SPK des Ständerates. Die Standesinitiative wiederum war gemäss Artikel 117 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes einem der Räte zuzuweisen. Die SPK des Nationalrates wollte vermeiden, dass beide Kommissionen parallel an der Revision desselben Gesetzes arbeiten, und veranlasste deshalb das Nötige, damit sie mit der Ausarbeitung eines Entwurfs beauftragt wird: Zum einen bat sie um die Zuweisung der Thurgauer Standesinitiative, ein Ersuchen, dem entsprochen wurde; zum anderen überzeugte sie ihre ständerätliche Schwesterkommission, vorläufig nicht mit den Arbeiten zur Umsetzung der Initiative Germann zu beginnen.

Am 21. Mai 2010 beauftragte die SPK des Nationalrates das Sekretariat, unter Beizug der Verwaltung einen Vorentwurf im Sinne der Anliegen der beiden Initiativen auszuarbeiten. An ihrer Sitzung vom 21. Oktober 2010 stimmte die Plenarkommission dem Vorentwurf zur Änderung des Ausweisgesetzes und dem Berichtsentwurf mit 20 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung zu und schickte die Vorlage bis zum 21. Januar 2011 in die Vernehmlassung.

1.4

Vernehmlassungsergebnisse und Verabschiedung der Vorlage zuhanden des Nationalrates

Bei der Kommission gingen insgesamt 45 Antworten ein. Neben den 26 Kantonen äusserten sich 6 Parteien sowie 13 Organisationen, Verbände und weitere interessierte Kreise zur Vorlage. Eine deutliche Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsste den Entwurf.

Für die von der Kommission vorgeschlagene Beibehaltung der herkömmlichen, nichtbiometrischen Identitätskarte ohne elektronisch lesbaren Chip sprachen sich 17 Kantone, 10 Verbände und Organisationen sowie alle 6 an der Vernehmlassung teilnehmenden Parteien (CSP, CVP, FDP, Grüne, SP, SVP) aus. Gegen die Beibehaltung und für den Systemwechsel hin zur biometrischen Identitätskärte mit Chip äusserten sich 8 Kantone (LU, UR, FR, SO, BS, GR, GE, JU).

Auch die zweite zentrale Bestimmung der Vorlage, wonach der Entscheid, ob Identitätskarten weiterhin bei den Wohngemeinden beantragt und bezogen werden können, den Kantonen überlassen sein soll, stiess mehrheitlich auf Zuspruch. In befürwortendem Sinne äusserten sich 17 Kantone, 6 Parteien sowie 6 Verbände und Organisationen, wobei der Verband der Schweizer Einwohnerdienste (VSED) und der Schweizerische Städteverband (SSV) die Beantragung zwingend bei den Gemeinden belassen wollen. Gegen eine Beantragung bei der Gemeinde sprachen sich 9 Kantone (OW, NW, FR, SO, AR, GR, TI, GE, JU) aus.

Am 4. Februar 2011 nahm die Kommission Kenntnis von den Vernehmlassungsergebnissen und verabschiedete die Vorlage in der Gesamtabstimmung einstimmig zuhanden des Nationalrates. Gleichzeitig unterbreitete sie den Gesetzesentwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme.

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1.5

Geltendes Recht

Gemäss den am 1. März 2010 in Kraft getretenen Änderungen des Ausweisgesetzes vom 22. Juni 2001 (Änderungen vom 13. Juni 2008, AS 2009 5521) können Identitätskarten (ID) nach Ablauf der in der Übergangsbestimmung vorgesehenen zweijährigen Übergangsfrist nur noch bei den von den Kantonen bestimmten ausstellenden Behörden beantragt werden. Während der Dauer der Übergangsfrist können die Kantone es weiterhin zulassen, dass Identitätskarten wie bis anhin bei den Wohnsitzgemeinden beantragt werden. Insgesamt 19 Kantone haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Pässe können ab Inkrafttreten der Änderungen nur noch bei den von den Kantonen bezeichneten ausstellenden Behörden beantragt werden, da nur diese über die notwendige Infrastruktur zur Bearbeitung von Anträgen auf Pässe mit elektronisch gespeicherten biometrischen Daten (E-Pässe) verfügen.

Gemäss Artikel 2 Absatz 2ter AwG liegt es in der Kompetenz des Bundesrates, festzulegen, welche Ausweisarten mit einem Chip versehen werden. Im Hinblick auf die definitive Einführung von biometrischen Daten im neuen Schweizer Pass (Pass 10) hat er von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und in Artikel 2 Absatz 2 der Ausweisverordnung (Verordnung vom 20. September 2002 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige, VAwG; SR 143.11) festgehalten, dass der Pass 10 zwingend mit einem Datenchip auszurüsten ist. Auf diesem Chip werden die Personalien sowie ein digitales Gesichtsbild und zwei Fingerabdrücke gespeichert.

Die bestehende Regelung im Ausweisgesetz würde es dem Bundesrat erlauben, auch bei der Identitätskarte obligatorisch die Aufnahme eines Chips zur Speicherung von Daten vorzusehen. Denkbar wäre, dass auf Grund der internationalen Entwicklungen neu zur Sicherung von Identitätskarten, die im Reiseverkehr eingesetzt werden sollen, elektronisch gespeicherte biometrische Daten eingeführt werden müssen.

Weiter erlaubt es das Ausweisgesetz (Artikel 2 Absatz 2quater), dass die Identitätskarte mit einer auf einem Chip zu speichernden elektronischen Identität für Authentisierungs-, Signatur- und Verschlüsselungszwecke versehen werden kann. So könnten sich in Zukunft Bürgerinnen und Bürger auch in der virtuellen Welt übers Internet bei Geschäftstransaktionen und Behördenkontakten zuverlässig über ihre Identität ausweisen, falls sie eine solche Karte wünschen
und beantragen. Verschiedene Länder Europas haben bereits Identitätskarten mit elektronisch gespeicherten biometrischen Daten sowie digitalen Identitäten eingeführt oder planen deren Einführung in den nächsten Jahren (z.B. Lettland, Estland, Belgien, Portugal, Spanien).

Hervorzuheben ist auch Deutschland, welches ab 1. November 2010 unter Einbezug der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung einen multi-funktionalen elektronischen Personalausweis bzw. eine elektronische Identitätskarte (e-ID) anbietet, wobei die Inhaberin oder der Inhaber die Wahl hat, ob auch die Fingerabdrücke digital erfasst und gespeichert werden oder nicht.

2

Grundzüge der Vorlage

Mit der beantragten Neuregelung wird vorgeschlagen, dass es Sache der Kantone ist zu entscheiden, ob Identitätskarten ohne elektronisch gespeicherte biometrische Daten entweder nur bei den Wohnsitzgemeinden, bei den Wohnsitzgemeinden und 2282

den kantonalen ausstellenden Behörden oder nur bei den kantonalen ausstellenden Behörden beantragt werden können. Jeder Kanton hat somit die Möglichkeit, einen bürgernahen Service Public anzubieten und sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger eine herkömmliche Identitätskarte in einem einfachen Verfahren beantragen können.

Weiter wird in Artikel 2 Absatz 2ter festgehalten, dass der Bundesrat sicherstellen muss, dass auf Wunsch auch weiterhin Identitätskarten ohne Chip beantragt werden können. Diese Regelung gewährleistet, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft eine Identitätskarte ohne einen Chip beantragen können, sofern sie dies wünschen. Die Verankerung dieser Bestimmung im Gesetz gibt den zahlreichen Personen, welche die Identitätskarte nur im Landesinneren benötigen, zum Beispiel um sich bei der Post oder bei einer Bank auszuweisen oder um ihr Alter nachzuweisen, die Möglichkeit, eine Identitätskarte ohne biometrische Daten zu erhalten.

Dies entspricht dem Bedürfnis eines grossen Bevölkerungsanteils. Gleichzeitig erlaubt die vorliegende Bestimmung, auf zukünftige Anforderungen an die Identitätskarten reagieren zu können.

Das Ausweisgesetz stellt keine Regeln darüber auf, wie die Identitätskarte zu verwenden ist oder von wem sie anzuerkennen ist. Gemäss Ausweisgesetz (Artikel 1 Absatz 2) wird die Identitätskarte jedoch auch weiterhin zum Nachweis der Schweizer Staatsangehörigkeit und der Identität dienen. Auch wenn voraussichtlich mittelfristig eine Identitätskarte mit biometrischen Daten für den Grenzübertritt notwendig sein wird, sollte jede Schweizer Bürgerin und jeder Schweizer Bürger die Möglichkeit haben, in Kenntnis aller Umstände selber zu entscheiden, welcher Kartentyp (mit oder ohne biometrische Daten) am besten ihren bzw. seinen Bedürfnissen entspricht. Aus diesem Grund sollten die Bürgerinnen und Bürger klar über die Vorund Nachteile jedes Kartentyps informiert werden.

Da gemäss der beantragten Änderung die Wohnsitzgemeinden auch in Zukunft Anträge für Identitätskarten ohne elektronisch gespeicherte biometrische Daten entgegen nehmen können, müssen in Artikel 4a, Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 1bis das Verfahren und die Zuständigkeiten neu geregelt werden.

Es wird auf Gesetzesstufe verankert, dass auch in Zukunft eine Identitätskarte
ohne Chip beantragt werden kann. Dies heisst, dass eine solche Identitätskarte weder biometrische noch andere in elektronischer Form gespeicherte Daten noch eine elektronische Identität zu Authentisierungs-, Signatur- und Verschlüsselungszwecken enthält. Ferner wird auf Gesetzesstufe verankert, dass Identitätskarten ohne auf einem Chip gespeicherte biometrische Daten auch weiterhin bei der Wohnsitzgemeinde beantragt werden, sofern die Kantone dies zulassen. Festzuhalten ist, dass das Kombiangebot (gleichzeitige Bestellung von Pass und Identitätskarte zu einem Aufpreis von aktuell 8 Franken) weiterhin nur bei den kantonalen ausstellenden Behörden beantragt werden kann.

Das Inkrafttreten wird im Gesetz auf den 1. März 2012 festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt läuft die Übergangsfrist ab. Dies erlaubt es den Kantonen und Gemeinden, alle Massnahmen zur Umsetzung der neuen Bestimmungen zu ergreifen.

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3

Erläuterungen zu den Bestimmungen

Art. 2 Abs. 2ter Grundsätzlich legt der Bundesrat fest, welche Ausweisarten (Pass und Identitätskarte) mit einem Chip versehen werden. Die Kompetenz des Bundesrates wird durch die nun vorgenommene Ergänzung eingeschränkt, wonach auf Wunsch auch in Zukunft eine Identitätskarte ohne Chip und somit auch ohne jegliche elektronisch gespeicherten Daten beantragt werden kann.

Art. 4a Gemäss Artikel 4 Absatz 1 bestimmen die Kantone, von welchen Stellen die Ausweise ausgestellt werden. Von Gesetzes wegen gibt es keine Begrenzung der Anzahl dieser Stellen. Verfügt ein Kanton über mehrere für die Ausstellung von Ausweisen zuständige Stellen, ist eine dieser Behörden als verantwortliche Stelle innerhalb des Kantons zu bezeichnen. Diese Behörde dient auch als Ansprechpartner für den Bund.

In Artikel 4a Absatz 1 wird nun neu zusätzlich festgehalten, dass es in der Kompetenz der Kantone liegt, ob Identitätskarten ohne Chip mit elektronisch gespeicherten biometrischen Daten auch bei den Wohnsitzgemeinden beantragt werden können anstatt bei einer der ausstellenden Behörden. Wo allenfalls in Zukunft Identitätskarten mit einer elektronischen Identität zu Authentisierungs-, Signatur- und Verschlüsselungszwecken zu beantragen sein werden, ist noch offen. Die technischen und organisatorischen Anforderungen an das Ausstellungsverfahren für diesen Kartentyp müssten allenfalls in einem zukünftigen neuen Projekt genau abgeklärt werden.

Daher erlaubt es Absatz 2 dem Bundesrat, diese Frage später zu regeln.

Analog zu der Bestimmung des heutigen Artikels 4 Absatz 1 ist die verantwortliche kantonale ausstellende Behörde auch für die Prüfung der bei den Wohnsitzgemeinden eingegangenen Anträge für Identitätskarten zuständig. Da die Wohnsitzgemeinden nicht über die Infrastruktur verfügen, um die notwendigen Kontrollen im elektronischen Personenstandsregister (INFOSTAR), im Fahndungssystem RIPOL oder im Informationssystem Ausweisschriften (ISA) durchzuführen und die Anträge zur Produktion frei zu geben, muss diese Aufgabe eine kantonale Stelle übernehmen.

Diese Behörde ist wiederum die Ansprechstelle für den Bund für diese Anträge und sie ist für deren ordnungsgemässe Bearbeitung verantwortlich.

Art. 5 Abs. 2 Bst. b und d (neu) Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b wurde so ergänzt, dass der Bundesrat auch Vorschriften für die
Wohnsitzgemeinden erlassen kann, welche Anträge für Identitätskarten entgegennehmen können. Im neuen Buchstaben d erhält der Bundesrat zudem die Kompetenz, Regeln zu erlassen, wie Anträge auf Identitätskarten von den Gemeinden bearbeitet und weitergeleitet werden. Wichtig ist, dass auch in Zukunft ein einheitliches und sicheres Verfahren bei den Wohnsitzgemeinden zum Einsatz gelangt, welches ­ soweit die Kantone die Beantragung bei den Gemeinden erlauben ­ schweizweit einheitlich ist. Das heute im Einsatz stehende Verfahren, welches auf dem Ausfüllen, Versenden auf dem Postweg, Einscannen und Bearbeiten von Antragsformularen basiert, sollte demnächst abgelöst werden (s. Ziff. 4.1).

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Art. 6 Abs. 1 und 1bis (neu) Absatz 1 regelt den Ablauf der Beantragung einer Identitätskarte bei der Wohnsitzgemeinde. Die Wohnsitzgemeinde nimmt den Antrag entgegen und prüft diesen gestützt auf die ihr zur Verfügung stehenden Informationen und die Vorgaben gemäss Artikel 5 Absatz 2. Sie prüft auch die geltend gemachte Identität. Danach leitet sie die Anträge an die zuständige kantonale Stelle weiter. Diese ist dann für die Prüfung des Antrags auf Vollständigkeit und Richtigkeit zuständig. Ebenfalls prüfen muss diese Stelle die geltend gemachte Identität. Bei Anträgen, die bei Wohnsitzgemeinden eingereicht werden, findet eine zweite Überprüfung der geltend gemachten Identität statt; diese erfolgt anhand von im ISA gespeicherten bereits früher ausgestellten Ausweisen und INFOSTAR. Dies ist notwendig, weil nur die kantonalen Behörden Zugriff auf die entsprechenden Informationssysteme haben, namentlich INFOSTAR und ISA.

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Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Möglichkeit, Identitätskarten ohne elektronisch gespeicherte biometrische Daten auch in Zukunft bei den Wohnsitzgemeinden zu beantragen, hat zur Folge, dass der Bund zukünftig zwei separate Antragsverfahren wird unterhalten und unterstützen müssen. Dies wird voraussichtlich zu Mehrkosten führen, die derzeit aber noch nicht beziffert werden können. Für Pässe erfolgt die Beantragung zwingend bei den kantonalen Erfassungsstellen gemäss dem dafür anwendbaren Verfahren. Hierzu gehört namentlich die Möglichkeit, Anträge auch via Internet einzureichen und einen Termin für die persönliche Vorsprache zu vereinbaren. Das heutige Antragsverfahren für Identitätskarten stützt sich auf eine Technologie, welche im Jahr 2003 eingeführt wurde. Sie erreicht nun allmählich das Ende ihrer Nutzungsdauer. Zudem ist der heutige Prozess vergleichsweise zeit- und ressourcenaufwendig. Die bei den Gemeinden eingereichten Anträge werden auf dem Postweg den Kantonen zugestellt. Diese scannen die Anträge, korrigieren beim Scannen entstandene Fehler, prüfen die Angaben und die Ausweisberechtigung und geben den Antrag letztendlich zur Produktion frei. Ursprünglich war vorgesehen, diese Systeme Ende Februar 2012 definitiv nicht mehr zu verwenden. Nun muss in Zusammenarbeit mit den Kantonen geprüft werden, welche Alternativen sich bieten. In Betracht kommt etwa ein informatisiertes Antragsverfahren bei den Wohnsitzgemeinden, welches die zeitaufwendige und fehleranfällige Bearbeitung von Papieranträgen überflüssig macht. Damit würde auch der E-Government Strategie des Bundes Rechnung getragen, wonach Behörden wenn möglich auf elektronischem Weg miteinander verkehren (E-Government-Strategie Schweiz, vom 24. Januar 2007, Ziffer 2 Ziele der E-Government-Strategie; http://www.isb.admin.ch/themen/strategien/00071/index.

html?lang=de). Um diese Arbeiten auszuführen und die notwendige Infrastruktur bereitzustellen, wird mit einem Entwicklungsaufwand von ca. 3,5 Millionen Franken sowie einem Personalmehrbedarf von insgesamt zwei befristeten Stellen (350 000 Franken exkl. Arbeitgeberbeiträge/Jahr) für die Dauer von zwei Jahren gerechnet.

Die Modernisierung des Antragsverfahrens für Identitätskarten bei den Wohnsitzgemeinden stellt eine neue Aufgabe sowie eine Mehrleistung dar, welche mit einem zusätzlichen Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden ist. Mehrkosten, die durch den Zusatzaufwand entstehenden, sind gemäss dem Kostendeckungsprinzip 2285

durch Gebühreneinnahmen für die Ausstellung von Identitätskarten zu decken.

Entsprechend wird diese zusätzliche Aufgabe für den Bund haushaltsneutral ausfallen. Die dafür erforderlichen Mittel sind daher in das Budget und in den Finanzplan des EJPD plafonderhöhend aufzunehmen.

Welche Auswirkungen der teilweise Wegfall der Synergien bei der Beantragung von Pass und Identitätskarte im selben Verfahren auf die Gebühren genau haben wird, wird im Rahmen des durchzuführenden Projektes zu prüfen sein. Sollten zukünftig verschiedene Modelle von Identitätskarten angeboten werden, würde dies wohl auch Auswirkungen auf die Produktionskosten haben, da der Synergieeffekt verringert wird. Dies würde voraussichtlich zu einer Verteuerung der Identitätskarte führen.

4.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die Kantone haben die Kapazitäten, einschliesslich der personellen Ressourcen, ihrer Erfassungszentren im Hinblick auf die per 1. März 2010 eingeführte Gesetzesänderung und die vorgesehene Zusammenlegung des Ausstellungs-verfahrens für Pässe und Identitätskarten geplant. Diese Planung müssen die Kantone nun überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um die zwei unterschied-lichen Antragsverfahren für Pässe und Identitätskarten bewältigen zu können. Die Konsequenzen dieser Überprüfung hängen von den kantonalen Gegebenheiten sowie der Frage ab, welche Investitionen im Vertrauen auf die aktuelle Regelung bereits getätigt wurden. Zurzeit bestehen bei den Kantonen Unsicherheiten betreffend die zukünftige Regelung.

Im Interesse der Planungssicherheit sind die Kantone darauf angewiesen, dass die vorliegende Anpassung des Ausweisgesetzes möglichst bald verabschiedet werden kann. Nur so wird es den Kantonen möglich sein, die benötigten Ressourcen rechtzeitig zu planen und zur Verfügung zu stellen. Zu denken ist z.B. an das notwendige Personal, den Raumbedarf und die allfällige Notwendigkeit, Mietverträge zu schliessen bzw. zu kündigen. Die obigen Ausführungen gelten auch für die Gemeinden, welche die laufende Revision in ihre Planung miteinbeziehen müssen. Es ist zu vermeiden, dass die zweijährige Übergangsbestimmung im Ausweisgesetz ausläuft und die vorliegende Revision noch nicht in Kraft gesetzt werden kann.

Wie dies bereits heute der Fall ist, wird es auch in Zukunft Sache der Kantone und gegebenenfalls auch der Gemeinden sein, die notwendige Infrastruktur zur Bearbeitung von Anträgen für Identitätskarten zu finanzieren. Im Gegenzug erhalten sie jedoch einen Anteil an der zu erhebenden Gebühr (Kostendeckungsprinzip), sodass diese Gesetzesanpassung keine mittelbaren Kosten für Kantone und Gemeinden zur Folge haben wird. Sie müssen die Investitionen jedoch vorfinanzieren. Wie hoch der Gebührenanteil der Kantone sein wird und ob es zu Veränderungen im Vergleich zu heute kommen wird, ist noch zu prüfen. Wie bisher wird es Sache der Kantone sein, je nach kantonaler Regelung über die Aufteilung der Gebühr zwischen Kanton und Wohnsitzgemeinde zu entscheiden.

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Verfassungsmässigkeit und Vereinbarkeit mit internationalem Recht

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 38 der Bundesverfassung, wonach der Bund Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts regelt. Damit ist er auch für die Ausstellung von Dokumenten zuständig ist, welche als Nachweis der Schweizer Staatsangehörigkeit dienen.

Die vorgesehenen Anpassungen sind mit dem internationalen Recht, insbesondere dem geltenden Schengen-Besitzstand, den die Schweiz im Rahmen ihres SchengenAssoziierungsabkommens übernommen hat, vereinbar. Die EU hätte zwar grundsätzlich die Kompetenz, eine Regelung über die Harmonisierung der Bestimmungen der Mitgliedstaaten zur Verwendung biometrischer Identifikatoren bei Identitätskarten zu erlassen. Sie hat von dieser Kompetenz jedoch bisher nicht Gebrauch gemacht.

6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 4a Absatz 2 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, festzulegen, ob allenfalls die Kantone die Wohnsitzgemeinden auch zur Entgegennahme von Anträgen für andere Typen von Identitätskarten ermächtigen können.

Durch Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b und d erhält der Bundesrat neu die Kompetenz, Vorschriften betreffend die Beantragung von Identitätskarten bei den Wohnsitzgemeinden sowie die Bearbeitung der entsprechenden Anträge zu erlassen.

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