Jahresbericht 2010 der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle Anhang zum Jahresbericht 2010 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 27. Januar 2011

2011-0241

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Die Aktivitäten der PVK im Jahr 2010 auf einen Blick Der vorliegende Jahresbericht orientiert über die Aufgaben und das vielfältige Untersuchungsfeld der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK). Im Laufe des Jahres 2010 hat die PVK drei Berichte publiziert, an der Untersuchung der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPKs) zum Behördenverhalten während der Finanzkrise mitgearbeitet, vier neue Evaluationen gestartet und verschiedene Stellungnahmen für Nachkontrollen der GPKs verfasst.

Abgeschlossene Untersuchungen Die Untersuchung zur Führungsinformation des Bundesrates und Rolle der Bundeskanzlei zeigt auf, dass die strategische politische Steuerung des Bundesrates einzelfallorientiert und sektoriell ausgerichtet ist und die Führungsinformationen primär für die departementale Führung der Bundesverwaltung relevant sind. Der Bundesrat misst der strategischen politischen Steuerung eher eine untergeordnete Bedeutung bei. Aufgrund dieser Befunde ergibt sich ein hoher Handlungsbedarf.

Der Bundesrat kann im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben seine strategische politische Perspektive stärken, die strategische politische Steuerung von Aufgaben und Ressourcen verknüpfen und die jährliche Steuerung von Zielen des Bundesrates und der Departemente entflechten. Gleichzeitig kann er die Rolle der Bundeskanzlei im Hinblick auf die Unterstützung seiner Staatsleitungsfunktion zu stärken.

In der Evaluation zur strategischen Führung und zum Aufgaben- und Ressourcenmanagement der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) kommt die PVK zum Ergebnis, dass die Steuerung der EZV notwendige Bedingungen für eine leistungsund wirkungsorientierte Steuerung nicht erfüllt. Besonders kritisch ist dabei die fehlende Verknüpfung von Aufgaben und Ressourcen. Die PVK hat weiter festgestellt, dass die Festlegung eines Mindestbestands des Grenzwachtkorps (GWK) im Schengen-Bundesbeschluss die Steuerungsmöglichkeiten der EZV stark einschränkt und den Grundsätzen der wirkungsorientierten Verwaltungsführung widerspricht.

Grundsätzlich funktioniert die Zusammenarbeit der EZV und des GWK mit den kantonalen Sicherheitsorganen und der Armee «im Feld». Es zeigte sich aber, dass das GWK die Kantone bzw. deren Polizeikorps zunehmend bei deren originären Tätigkeiten unterstützen, ohne dafür angemessen abgegolten
zu werden. Zudem agiert das GWK heute bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben vermehrt hinter der Grenze und damit im gleichen Raum wie die kantonalen Polizeikorps, was Doppelspurigkeiten und Abgrenzungsprobleme wahrscheinlich macht.

Das Geschäftsprüfungsaudit Bundesamt für Umwelt (BAFU) liefert eine summarische Beurteilung der politischen und betrieblichen Führung des Amtes. Es geht der Frage nach, ob das Steuerungsinstrumentarium geeignet ist, um die Aufgabenerfüllung durch das BAFU zu gewährleisten. Dabei hat die PVK auch die Anbindung an die übergeordnete Steuerung durch Bundesrat und Departement untersucht. Das Geschäftsprüfungsaudit hat aufgezeigt, dass die amtsinterne Steuerung gut funktioniert. Das Instrumentarium verbindet Aufgaben mit Ressourcen, was eine integrierte

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Steuerung ermöglicht. Die Direktion setzt gezielt Prioritäten und überwacht deren Umsetzung. Die Partner und Zielgruppen des BAFU sind mit den Leistungen des Amtes mehrheitlich zufrieden. Das Geschäftsprüfungsaudit hat aber auch Optimierungspotenziale bei der Umsetzung auf den unteren hierarchischen Ebenen im Amt aufgedeckt. Zudem ist das formalisierte Steuerungsinstrumentarium auf übergeordneter Ebene beschränkt. Das Departement setzt dem BAFU wenige Vorgaben und überprüft diese kaum systematisch. Die departementale Steuerung ist eher reaktiv.

Die PVK beteiligte sich an den Untersuchungen der GPKs zur Finanzmarktkrise und zur Herausgabe der UBS-Kundendaten an die USA. Sie erarbeitete die Grundlagen zum ersten Berichtsteil, der das Verhalten der Schweizer Behörden in der Finanzkrise untersucht, und wirkte an den damit zusammenhängenden Analysen und Anhörungen der GPKs und ihres Sekretariates mit. Zudem war sie beauftragt, die Expertenstudie zu begleiten und auszuwerten, in welcher die vor und während der Finanzkrise von den schweizerischen Behörden getroffenen Massnahmen mit denjenigen der ausländischen Behörden verglichen werden. Die GPKs haben nach Abschluss der Inspektion 19 Empfehlungen an den Bundesrat abgegeben und zwei Postulate sowie fünf Motionen eingereicht.

Laufende Untersuchungen Vom 18. November 2009 bis am 11. Mai 2010 hatte die Schweiz den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates. Auf Antrag der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben die GPKs 2009 beschlossen, diesen Vorsitz zu evaluieren. Dabei wurde untersucht, inwieweit die Schweiz die mit dem Vorsitz verbundenen Handlungsmöglichkeiten nutzt, um einen Beitrag zu den Zielen des Europarates sowie den Zielen der Schweizer Aussenpolitik zu leisten.

Die PVK hat mittels Interviews die Erwartungshaltungen und Bilanzen der Beteiligten in Erfahrung gebracht und Daten zu den eingesetzten Ressourcen zusammengetragen sowie weitere Aspekte untersucht. Der Bericht soll der zuständigen Subkommission im ersten Quartal 2011 vorgelegt werden.

Das schweizerische Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren wurde im Jahr 2005 in einem neuen Gesetz geregelt. Von der Neuregelung erhoffte man sich eine qualitative Verbesserung und eine Verwesentlichung des Prozesses. Zugleich wurde eine Differenzierung eingeführt
zwischen Vernehmlassungen (wichtige Vorhaben, Eröffnung durch Bundesrat oder Parlament) und Anhörungen (Vorhaben von geringerer Tragweite, Eröffnung durch Departemente, Ämter und Behördenkommissionen). Weil sich Teilnehmende und Interessierte an Vernehmlassungen und Anhörungen in den letzten Jahren aber verschiedentlich über zu kurze Fristen sowie über mangelnde Transparenz bei der Auswahl der eingeladenen Adressanten sowie bei der Auswertung und Gewichtung der Stellungnahmen beklagt hatten, beauftragten die GPKs die PVK, die heutige Praxis zu evaluieren. Dabei sollen insbesondere die neu eingeführten Anhörungen bewertet werden. Die Ergebnisse sollen der zuständigen Subkommission im Juni 2011 präsentiert werden.

Am 1. Juni 2004 sind im Zuge der Einführung der Personenfreizügigkeit flankierende Massnahmen in Kraft getreten. Sie sollen verhindern, dass sich die Löhne und Arbeitsbedingungen in der Schweiz aufgrund des erleichterten Zugangs der auslän-

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dischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zum Schweizer Arbeitsmarkt verschlechtern (Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping). Zum heutigen Zeitpunkt ist nicht bekannt, ob und in welchem Ausmass die flankierenden Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels beitragen. Vor diesem Hintergrund haben die GPKs die PVK mit einer Untersuchung zur Überwachung und Wirkung der flankierenden Massnahmen beauftragt. Einerseits soll die Strategie der Bundesbehörden bei der Umsetzung der flankierenden Massnahmen evaluiert werden. Andererseits werden eigene ergänzende Untersuchungen zur Wirkungsüberprüfung realisiert. Der Bericht soll der zuständigen Subkommission im Juni 2011 vorgestellt werden.

Der Bund nimmt auch nach der Ausgliederung von Post, SBB und Swisscom aus der Bundesverwaltung weiterhin Einfluss auf diese Unternehmen ­ sowohl als Eigentümer wie auch als Gewährleister des Service Public. Die zuständige Subkommission hat die PVK angesichts dieser unterschiedlichen Rollen mit einer Untersuchung der Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom beauftragt. Die Evaluation befasst sich damit, wie der Bund in seiner Rolle als Eigner die Aufgabenerfüllung steuert und gleichzeitig die angestrebte Trennung der politischen und unternehmerischen Verantwortlichkeiten verwirklicht. Ausserdem wird untersucht, inwieweit die Effizienz sowie die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesteigert werden konnte. Der Schlussbericht soll der zuständigen Subkommission im Juni 2011 vorgelegt werden.

Die Steuerung der Sozialversicherungen ist infolge der Zersplitterung der Versicherungszweige und des Abstimmungsbedarfs mit Kantonen und Gemeinden hochkomplex. Die GPKs haben die PVK beauftragt, eine Evaluation zur Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat durchzuführen. Dazu führt die PVK Fallstudien in den Bereichen AHV, IV, obligatorische Krankenversicherung und berufliche Vorsorge durch. Der Bericht soll der zuständigen Subkommission im Herbst 2011 präsentiert werden.

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Inhaltsverzeichnis Die Aktivitäten der PVK im Jahr 2010 auf einen Blick

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Die PVK, der Evaluationsdienst der Bundesversammlung

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2 Projekte im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht 2.1 Überblick zu den abgeschlossenen und den laufenden Projekten 2.2 Abgeschlossene Projekte 2.2.1 Führungsinformation des Bundesrates und Rolle der Bundeskanzlei 2.2.2 Eidgenössische Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement 2.2.3 Geschäftsprüfungsaudit Bundesamt für Umwelt 2.2.4 Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA 2.3 Laufende Projekte im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht 2.3.1 Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates 2.3.2 Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren 2.3.3 Evaluation der Überwachung und Wirkung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit 2.3.4 Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB 2.3.5 Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

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3 Vorträge und Lehrveranstaltungen

4162

4 Verwendung des Expertenkredits

4162

5 Jahresprogramm 2011

4163

Anhang Vorschläge der PVK für Evaluationen und Geschäftsprüfungsaudits im Jahr 2010

4164

4143

Abkürzungsverzeichnis Abb.

Art.

AHV BAFU BV EFD EZV GPK-N GPKs GPK-S GWK i.e.S.

IV ParlVV PVK SNB SR UVEK VIG VIV

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Abbildung Artikel Alters- und Hinterlassenenversicherung Bundesamt für Umwelt Bundesverfassung (SR 101) Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Zollverwaltung Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Grenzwachtkorps im engeren Sinn Invalidenversicherung Verordnung der Bundesversammlung vom 3. Oktober 2003 zum Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung (Parlamentsverwaltungsverordnung; SR 171.115) Parlamentarische Verwaltungskontrolle Schweizerische Nationalbank Systematische Rechtssammlung Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz; SR 172.061) Verordnung vom 17. August 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsverordnung; SR 172.061.1)

Bericht 1

Die PVK, der Evaluationsdienst der Bundesversammlung

Das Kerngeschäft der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) ist die Durchführung von Evaluationen.1 Diese stellen angesichts der vielfältigen Aufgaben des Staates und der knappen öffentlichen Finanzen ein wichtiges Instrument der wirkungsorientierten Staatsführung dar. In Ergänzung zum klassischen Instrumentarium der politischen Kontrolle untersuchen Evaluationen die Konzeption, die Umsetzung und die Wirkungen staatlicher Massnahmen mit wissenschaftlichen Methoden. Die PVK führt Evaluationen im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPKs) durch und überprüft auf Antrag der Legislativkommissionen die Wirksamkeit von Massnahmen des Bundes. Seit 2006 führt die PVK auch Geschäftsprüfungsaudits durch, welche die politische und betriebliche Führung einzelner Dienststellen des Bundes aus der Optik der parlamentarischen Oberaufsicht untersuchen. Zudem übernimmt die PVK Kurzaufträge zur Abklärung spezifischer Fragen im Rahmen laufender Geschäfte der GPKs.

Im Weiteren unterstützt die PVK die parlamentarischen Kommissionen auch bei der politischen Verarbeitung von Evaluationsergebnissen sowie bei Nachkontrollen und weist die GPKs auf Themen hin, die einer vertieften Abklärung bedürfen.

Die Untersuchungsergebnisse der PVK finden in den Entscheidungsprozessen von Parlament und Exekutive vielerlei Verwendung. Sie sind Grundlage von Handlungsempfehlungen der GPKs und von parlamentarischen Vorstössen, fliessen in Gesetzes- und Verordnungsrevisionen oder in verwaltungsinterne Reformprozesse ein.

Die PVK-Berichte werden in der Regel veröffentlicht; sie können von der Homepage der PVK2 herunter geladen oder bei der PVK bestellt werden.

Die PVK arbeitet auf der Basis von Einzelaufträgen der parlamentarischen Kommissionen. Sie ist Teil der Parlamentsdienste und in administrativer Hinsicht dem Sekretariat der GPKs unterstellt. In wissenschaftlicher Hinsicht ist die PVK selbständig und orientiert sich an den einschlägigen Standards der Evaluationsforschung. Die PVK koordiniert ihre Aktivitäten mit den anderen Kontrollorganen des Bundes (z. B. mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle).

Zur Erfüllung ihres Auftrags steht der PVK ein interdisziplinär zusammengesetztes Team mit 440 Stellenprozenten zur Verfügung. Die PVK bzw. die von ihr beauftragten externen Expertinnen und Experten
verfügen über weit reichende Informationsrechte. Sie verkehren mit allen Bundesbehörden, Amtsstellen und übrigen Trägern von Bundesaufgaben direkt und können von ihnen Auskünfte und Unterlagen einholen. Die Auskunftspflicht wird nicht durch das Amtsgeheimnis beschränkt. Die PVK sorgt für den Schutz ihrer Informationsquellen und behandelt ihre Evaluationsergebnisse bis zum formellen Publikationsbeschluss der Kommissionen vertraulich.

1 2

Die Aufgaben der PVK sind in Artikel 10 der Parlamentsverwaltungsverordnung (ParlVV; SR 171.115) umschrieben.

http://www.parlament.ch (Kommissionen / PVK)

4145

2

Projekte im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht

2.1

Überblick zu den abgeschlossenen und den laufenden Projekten

Im Berichtsjahr konnten zwei Evaluationen, ein Geschäftsprüfungsaudit sowie Aufträge der GPKs im Rahmen der Untersuchung Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA abgeschlossen werden. Auf diese Untersuchungen wird in Abschnitt 2.2. eingegangen.

Die Durchführung der Untersuchung Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat, die im Jahr 2009 gestartet worden ist, musste unterbrochen werden, weil der Bundesrat Geheimhaltungsgründen geltend machte und die benötigten Informationen der PVK nicht zur Verfügung gestellt hat. Zudem haben die GPKs auf die Durchführung der 2009 sistierten Untersuchung zur Zulassung und Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente im Rahmen der Jahresplanung 2010 definitiv verzichtet, weil die GPKs ihre Ressourcen auf die Inspektion zum Behördenverhalten während der Finanzkrise und zur Herausgabe von UBS-Kundendaten konzentrieren wollten und dabei auch die PVK beigezogen haben.

Abschnitt 2.3 enthält Angaben zu den laufenden Projekten. Es handelt sich um fünf Evaluationen, wobei die Evaluation zum Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates schon im Jahr 2009 begonnen worden ist. Die vier neu angelaufenen Projekte haben die GPKs aus insgesamt 15 Projektvorschlägen3 ausgewählt, welche die PVK den GPKs für das Jahresprogramm 2010 unterbreitete. Es handelt sich um folgende Projekte:

3

­

Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren,

­

Monitoring der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit,

­

Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB,

­

Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund.

Ein Audit- und 14 Evaluationsvorschläge, vgl. Anhang. Diese 15 Vorschläge haben die Subkommissionen der GPKs in einem ersten Schritt aus einer wesentlich grösseren Auswahl von Themenvorschlägen ausgewählt.

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Tabelle 1 Übersicht Projekte PVK Projekt

Behandlung Subkommission

Führungsinformation des Bundesrates und Rolle der Bundeskanzlei (Bericht: Die strategische politische Steuerung des Bundesrates) Geschäftsprüfungsaudit BAFU Eidgenössische Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgabenund Ressourcenmanagement Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren Evaluation der Überwachung und Wirkung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

Oktober 2009 Februar 2010 Juni 2010 Mai 2010 sistiert 1. Quartal 2011 Juni 2011 Juni 2011 Juni 2011 Herbst 2011

2.2

Abgeschlossene Projekte

2.2.1

Führungsinformation des Bundesrates und Rolle der Bundeskanzlei

Der Bundesrat ist gemäss der Bundesverfassung (Art. 174 BV)4 die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes. Er hat die Aufgabe, die Ziele und die Mittel seiner Regierungspolitik zu bestimmen und die staatlichen Tätigkeiten zu planen und zu koordinieren (Art. 180 BV). Mit der vierjährigen Legislaturplanung und den Jahreszielen sowie dem Finanzplan und dem Voranschlag stehen dem Bundesrat hierfür verschiedene Planungsinstrumente zur Verfügung (vgl. Abb. 1). Im Geschäftsbericht und in der Staatsrechnung legt der Bundesrat gegenüber dem Parlament jährlich Rechenschaft ab. Auf dieser Grundlage übt das Parlament die Oberaufsicht über den Bundesrat und die Bundesverwaltung aus (Art. 169 BV).

Aufgrund ihrer Erfahrungen im Rahmen von verschiedenen Inspektionen, bei der Behandlung der bundesrätlichen Geschäftsberichte und im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform ergaben sich für die GPKs immer wieder Fragen in Bezug auf die Bedeutung des bestehenden Steuerungsinstrumentariums für die strategische politische Steuerung des Landes und der Bundesverwaltung. Es stellte sich etwa die Frage, auf welche Weise der Bundesrat seine Führungsverantwortung tatsächlich wahrnimmt, welche Bedeutung die Jahres- und Legislaturziele für ihn haben, wie er sich über deren laufende Umsetzung orientiert und auf welchen Führungsinformationen seine Entscheide beruhen. Vor diesem Hintergrund hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) die PVK mit einer Untersuchung zur strategischen politischen Steuerung des Bundesrates beauftragt.

4

SR 101

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Abbildung 1 Steuerungsinstrumente im Überblick finanzielle Instrumente

,,Herausforderungen" (Bericht Perspektivstab) Legislaturplanung

jährlich erstellt*

überjährige Instrumente

alle 4 Jahre erstellt

inhaltsbezogene Instrumente

Legislaturfinanzplan Finanzplan

Jahresziele

Budget

Geschäftsbericht

Rechnung

jährliche Instrumente

* jährliche Erstellung ausser in jenen Jahren, in denen ein Legislaturfinanzplan erstellt wird.

Die unter dem Titel Die strategische politische Steuerung des Bundesrates veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass im Bundesrat und innerhalb der Bundesverwaltung keine einheitliche Auffassung darüber besteht, welchen Zweck und welche Bedeutung die einzelnen Instrumente der strategischen politischen Steuerung haben; es fehlt diesbezüglich eine «unité de doctrine». Die strategische politische Steuerung ist einzelfallorientiert und sektoriell ausgerichtet. Die Führungsinformationen sind primär für die departementale Führung der Bundesverwaltung relevant. Der Bundesrat misst dem strategischen politischen Führungsprozess eher eine untergeordnete Bedeutung zu und wird durch die Vielzahl parlamentarischer Vorstösse stark belastet. Die Führungsinstrumente sind von unterschiedlicher praktischer Bedeutung.

Der Legislaturplan ist in wesentlichen Teilen eine Vorlagenplanung und damit de facto ein vierjähriges Arbeitsprogramm für Parlament, Bundesrat und Verwaltung.

Die finanziellen Konsequenzen sind im Legislaturfinanzplan abgebildet. Damit verfehlt die Legislaturplanung den Zweck, eine strategische politische Perspektive und eine auf Entwicklungen und Schwerpunkte ausgerichtete kohärente Politik aufzuzeigen. Die Berichte des Perspektivstabs zu Herausforderungen und Trends sind im Kontext der politischen Gesamtplanung faktisch weitgehend bedeutungslos.

Der Finanzplan und der Voranschlag geniessen einen hohen Stellenwert im Bundesrat und in der Verwaltung. Sie gehören zu den Kerninstrumenten der finanziellen Steuerung. Die Planungen von Finanzen und Aufgaben sind nicht konsequent miteinander verknüpft. Entsprechend zur Legislaturplanung handelt es sich bei den Jahreszielen in erster Linie um ein jährliches Arbeitsprogramm zu Botschaften und Vorlagen. Neue materielle Ziele sind kaum enthalten. Mit diesen Inhalten können die Jahresziele wohl kaum dem Anspruch genügen, wonach der Bundesrat darin die Grundzüge der Regierungstätigkeit für das nächste Jahr festlegt.

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Geschäftsbericht und Staatsrechnung sind anerkannte und akzeptierte Berichterstattungsinstrumente. Allerdings zieht die Bundesverwaltung kaum Erkenntnisse daraus, weil sie für die kurzfristige Steuerung eher Ergebnisse aus dem unterjährigen Controlling verwendet. Der Bundesrat misst vor allem dem Geschäftsbericht eine hohe Bedeutung zu, weil dieser Bericht für die Organe der parlamentarischen Oberaufsicht wichtig ist.

Aufgrund des Befundes der Untersuchung und der Erkenntnisse aus den Entwicklungen in anderen Staaten, in den Kantonen und in der Wissenschaft ergibt sich ein hoher Handlungsbedarf. Die strategische politische Steuerung auf Ebene des Bundesstaates bedarf einer klaren Ausrichtung und Konzeption. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass der Bundesrat über einen erheblichen Handlungsspielraum für die Optimierung seiner strategischen politischen Steuerung im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben verfügt. Er kann seine strategische politische Perspektive stärken, die strategische politische Steuerung von Aufgaben und Ressourcen verknüpfen und die jährliche Steuerung von Zielen des Bundesrates und der Departemente entflechten. Dabei ist wichtig, dass das Parlament den Handlungsspielraum des Bundesrates für seine strategische politische Steuerung respektiert.

Gleichzeitig ist die Rolle der Bundeskanzlei im Hinblick auf die Unterstützung des Bundesrates in seiner Staatsleitungsfunktion zu stärken.

Parlament und Bundesrat könnten mit einer Änderung der gesetzlichen Vorgaben zusätzlichen Handlungsspielraum zur Optimierung der strategischen politischen Steuerung schaffen. Eine gemeinsame strategische politische Steuerung unter Wahrung der Zuständigkeiten von Parlament und Bundesrat könnte zu einer kohärenten, legitimierten und breit abgestützten Politik in Legislative und Exekutive beitragen.

Dabei wären Wirkungen (wozu), Aufgaben (was) und Ressourcen (womit) lang-, mittel- und kurzfristig zu steuern. Gleichzeitig wären die strategischen politischen Führungsinformationen durch stufengerechte, vernetzte Steuerungs-, Kommunikations- und Analyseinstrumente zu verwesentlichen.

Die PVK hat die Untersuchung in Zusammenarbeit mit der PuMaConsult GmbH, Bern, durchgeführt. Neben der Analyse von Dokumenten sowie der bestehenden Rechtsgrundlagen bilden insbesondere Interviews mit Verantwortlichen
der Bundesverwaltung und Kantonsvertretern wesentliche Grundlagen der Untersuchung.

Berücksichtigt sind auch die Einschätzungen der Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzlerin, welche diese im Frühling 2009 im Rahmen der Aussprache zum Geschäftsbericht 2008 gegenüber den GPKs zum Ausdruck brachten.

2.2.2

Eidgenössische Zollverwaltung: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement

Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) vollzieht mit ihren über 4000 Angestellten nebst dem Zollgesetz Bestimmungen aus etwa 150 weiteren Erlassen und sorgt dabei für rund einen Drittel der jährlichen Einnahmen des Bundes. Neben dem zivilen Zoll, der vor allem klassische Zoll- und Wirtschaftsaufgaben erfüllt, gehört zur EZV auch das bewaffnete Grenzwachtkorps (GWK), das ausser den Zollaufgaben auch sicherheitspolizeiliche Aufgaben wahrnimmt.

In den vergangenen Jahren wurde in Politik und Medien verschiedentlich über Probleme in der EZV und insbesondere im GWK berichtet. Die Probleme betreffen 4149

dabei einerseits die strategische Führung, die Personalbestände und das Ressourcenmanagement der EZV und andererseits die Zusammenarbeit des GWK mit anderen Akteuren im Bereich der inneren Sicherheit. Daher haben die GPKs die PVK mit einer Evaluation der EZV beauftragt. Diese sollte die strategische und operative Steuerung der EZV sowie die Zusammenarbeit der EZV und des GWK mit den kantonalen Sicherheitsorganen und mit der Armee beschreiben und bewerten.

Zur Beantwortung dieser Fragen hat die PVK in Zusammenarbeit mit der Firma econcept AG zahlreiche Dokumente und Unterlagen ausgewertet sowie über 50 Interviews mit Verantwortlichen von Zollverwaltung, Eidgenössischem Finanzdepartement (EFD), Kantonen und Armee geführt.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die EZV in den letzten Jahren grosse Veränderungen des Umfelds (z. B. die Umsetzung des Schengen-Abkommens) ebenso wie interne Neustrukturierungen und Personalreduktionen ohne grössere Friktionen gemeistert hat. Sie hat weiter ergeben, dass die EZV grundsätzlich über ein konzeptionell vollständiges Steuerungsmodell verfügt und dass sie für ihr gesamtes Aufgabengebiet flächendeckende Leistungsaufträge und -vereinbarungen formuliert hat.

Grundsätzlich positiv zu werten ist auch, dass sich die EZV und insbesondere das GWK bemühen, die Kantone bei der Wahrung der inneren Sicherheit bedürfnisgerecht zu unterstützen und mögliche Synergien besser zu nutzen.

Die Evaluation hat aber auch gezeigt, dass es sowohl bei der Steuerung als auch bei der Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren im Sicherheitsbereich noch wesentliche Schwachpunkte gibt. Als besonders wichtig wurden die drei folgenden Probleme identifiziert: ­

Das vorhandene Führungs- und Steuerungsmodell ist zwar zweckmässig konzipiert, aber bei der Umsetzung werden notwendige Bedingungen für eine leistungs- und wirkungsorientierte Steuerung nicht erfüllt. Besonders kritisch ist dabei die fehlende Verknüpfung von Aufgaben und Ressourcen, welche sich sowohl in den Leistungsaufträgen und -vereinbarungen als auch in der Berichterstattung zeigt. Weder werden in den Leistungsaufträgen und -vereinbarungen die Ressourcen für die einzelnen Aufgaben festgehalten (Soll), noch sind die tatsächlich eingesetzten Ressourcen pro Aufgabe bekannt (Ist). Damit fehlen grundlegende Informationen für eine leistungsund wirkungsorientierte Steuerung, sowohl für die strategische Steuerung durch Parlament und Departement wie auch für das EZV-interne Aufgabenund Ressourcenmanagement. Die Steuerung der EZV entspricht im Wesentlichen nach wie vor der traditionellen Inputsteuerung: Die personellen und finanziellen Ressourcen werden den Organisationseinheiten zugeteilt und nicht den geforderten Leistungen (oder Wirkungen).

­

Die Steuerungsmöglichkeiten der EZV sind durch die Festlegung eines GWK-Mindestbestands im Schengen-Bundesbeschluss wesentlich eingeschränkt. Dieser Beschluss des Parlamentes hat dazu geführt, dass der zivile Bereich der EZV im Rahmen der Entlastungsprogramme der vergangenen Jahre gegenüber dem GWK überproportional Personal abbauen musste (siehe Abb. 2). Gemäss verschiedenen Aussagen hat dieser Abbau nicht zuletzt auch zu einer Reduktion von Dienstleistungen zuhanden der Wirtschaft geführt. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Festlegung der Stellenzahl einer einzelnen Abteilung einer Bundesstelle durch das Parlament den

4150

Grundsätzen der wirkungsorientierten Verwaltungsführung klar widerspricht und als Übersteuerung zu beurteilen ist.

Abbildung 2 Die bewilligten Personalbestände bei der EZV 2003­2009 3000

Anzahl Stellen

2500

2000

1500

1000

500

0 2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Jahr Zivilpersonal

GWK

Quelle: Darstellung econcept, Datenquelle Oberzolldirektion Bemerkung: in den Stellenangaben sind das Hilfspersonal und das Personal in Ausbildung nicht enthalten.

­

Weiter hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit im Bereich innere Sicherheit ­ insbesondere zwischen GWK und Kantonen ­ «im Feld» zwar grundsätzlich funktioniert, dass aber die Zuständigkeiten und Aufgaben nicht vollständig geklärt sind. Zudem wurde deutlich, dass die EZV und das GWK die Kantone bzw. deren Polizeikorps zunehmend auch bei deren originären Tätigkeiten unterstützen, ohne dafür angemessen abgegolten zu werden. Der entsprechende Aufwand wird zwar von der EZV und vom GWK bisher nicht erhoben, aber Schätzungen der befragten Personen in den Grenzwachtregionen zeigen, dass dieser nicht vernachlässigbar ist. Es ist klar, dass die Zusammenarbeit von GWK und Kantonen einer Nicht-Kooperation vorzuziehen ist. Klar ist aber auch, dass das GWK bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben (sicherheitspolizeiliche und Zollaufgaben) heute vermehrt hinter der Grenze und damit im gleichen Raum agiert wie die kantonalen Polizeikorps und dass die Aufgaben des GWK nicht immer deutlich von den Aufgaben der Polizei abgrenzbar sind. Damit sind Doppelspurigkeiten und Abgrenzungsprobleme zumindest plausibel.

Diese letzte Erkenntnis führt zur grundsätzlichen Frage, ob die heutigen Strukturen im Bereich innere Sicherheit noch zweckmässig sind. Für die Beantwortung dieser Frage wie auch für eine wirkliche leistungs- und wirkungsorientierte Steuerung fehlen aber gegenwärtig die notwendigen Informationen über Kosten der Aufgaben der EZV und über deren Dienstleistungen zuhanden der Kantone. Erst wenn diese

4151

Daten vorliegen, kann über die Aufgaben und die dafür notwendigen Personalbestände einzelner Organisationen diskutiert werden.

2.2.3

Geschäftsprüfungsaudit Bundesamt für Umwelt

Nach den beiden Geschäftsprüfungsaudits zum Bundesamt für Sport5 (2007) und zum Bundesamt für Veterinärwesen6 (2008/09) hat die PVK ein drittes Geschäftsprüfungsaudit durchgeführt. Im Zentrum dieser Organisationsanalyse, bei der die politische und betriebliche Führung einer Verwaltungseinheit des Bundes einer summarischen Beurteilung unterzogen wird, stand diesmal das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Das noch junge Analyseinstrument wurde im Hinblick auf seine dritte Anwendung noch stärker standardisiert und auf die inhaltliche Steuerung fokussiert, um die Abgrenzung zu Instrumenten anderer Aufsichtsorgane des Bundes zu akzentuieren.

Das BAFU ist die Fachbehörde für die Umwelt. Es entstand 2006 aus der Fusion des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft mit grossen Teilen des Bundesamtes für Wasser und Geologie. Das BAFU ist für eine Vielzahl von Gesetzen zuständig, darunter das Umweltschutzgesetz, das mehrere Sachgebiete abdeckt. Für den Gesetzesvollzug sind grösstenteils die Kantone zuständig. Das BAFU schloss 2008 mit einem Aufwand von gut 710 Millionen Franken ab und erwirtschaftete einen Ertrag von rund 31 Millionen Franken, der vor allem von der Altlastenabgabe stammt. Ende 2008 verfügte das BAFU über 423 Vollzeitstellen, die sich auf 498 Mitarbeitende verteilten. Geleitet wird das Amt durch eine fünfköpfige Direktion.

Die Erhebungen zum Geschäftsprüfungsaudit BAFU hat die PVK zwischen Juni und Oktober 2009 durchgeführt. Datengrundlage bildeten einerseits Interviews und Gespräche (Orientierungs- und Feedbackgespräch Direktion, explorative Gespräche, 15 Interviews mit Führungspersonen, sechs Vor-Ort-Checks bei Mitarbeitenden des BAFU, eine Online-Befragung bei allen Mitarbeitenden dieses Amtes sowie 12 Interviews mit Partnern und Zielgruppen). Andererseits hat die PVK über 200 Dokumente gesichtet und fast die Hälfte davon einer systematischen Analyse unterzogen.

Das Geschäftsprüfungsaudit hat ergeben, dass die Direktion des BAFU über einen ausgeprägten Steuerungswillen verfügt. Sie hat in den vergangenen vier Jahren ein ausgebautes Steuerungssystem etabliert und einen Steuerungsprozess definiert, in dessen Rahmen sich die Direktion weitgehende Entscheidkompetenzen vorbehält (vgl. Abbildung 3).

5

6

Geschäftsprüfungsaudit des Bundesamts für Sport. Anhang zum Pilotprojekt «Geschäftsprüfungsaudit EDA/VBS» der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 18.6.2007, BBl 2008 4373.

Geschäftsprüfungsaudit Bundesamt für Veterinärwesen. Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 9.3.2009, BBl 2009 6801.

4152

Abbildung 3 Kernführungsprozess im Jahreszyklus August Direktionsklausur III Weisung Planung

Oktober Controlling-/ Statusberichte II inkl. Aktivitätenund Ressourcenplanung

Juni Direktionsklausur II Korrekturaufträge und Planungsvorbereitung

November Planungswoche Vorgaben zur Anpassung der Planung

Dezember Direktionsklausur IV Genehmigte Planung

Mai Controlling-/ Statusberichte I

März Direktionsklausur I Austausch mit Abteilungsleitenden

Quelle: PVK, in Anlehnung an BAFU, Kernführungsprozess im Überblick, 03.09.2008

Von der Grundkonzeption her deckt das Steuerungssystem das ganze Amt und den gesamten Kreislauf von Planung, Durchführung und Überprüfung ab. Ausserdem schliesst es sowohl die Tätigkeiten als auch die Ressourcen ein und entspricht damit dem Modell einer integrierten Steuerung. Dieses umfassende System funktioniert grundsätzlich gut, weist jedoch noch Optimierungsmöglichkeiten auf. Insbesondere ist bisher keine wirkungsorientierte Steuerung möglich, weil keine klaren und messbaren Ziele vorhanden sind, womit auch keine systematische Überprüfung der Zielerreichung möglich ist. Ausserdem wird die Leistungszeiterfassung als Grundlage für das personelle Ressourcencontrolling nicht systematisch ausgefüllt.

Die Direktion nutzt die Informationen, die ihr das Steuerungssystem liefert, gezielt und setzt bewusst Prioritäten. Die Ressourcenverteilung ist durch das System transparenter geworden. Bei der Feststellung von Abweichungen greift die Direktion punktuell korrigierend ein.

Unterhalb der Direktion werden die Steuerungsinformationen dagegen kaum genutzt. Für die Abteilungs- und Sektionsleitenden verursacht das Steuerungssystem einen erheblichen Aufwand. Die Informatikanwendung, über die die Steuerung läuft, hat noch verschiedene Kinderkrankheiten und ist eindeutig nicht befriedigend.

Vereinfachungen bei der Informatikanwendung und den Prozessen sowie eine brei-

4153

tere Nutzung der Informationen sind sicherlich wünschenswert. Das BAFU hat bereits Schritte in diese Richtung unternommen.

Die täglich anfallenden Aufgaben werden über das Interne Dokumentenmanagement abgewickelt, das sich trotz gewisser Leistungsschwächen der Informatikanwendung bewährt. Weiter hat das BAFU mit der Dokumentation seiner Prozesse begonnen.

Damit stand das Amt zum Zeitpunkt der Untersuchung noch am Anfang, doch äusserten sich zahlreiche Stimmen kritisch zum Nutzen des Unterfangens. Die für eine erfolgreiche Umsetzung notwendige Verankerung bei den Mitarbeitenden und Führungspersonen ist noch nicht gewährleistet.

Aus Sicht der Partner und Zielgruppen des BAFU sind die Ergebnisse der Steuerung weitgehend befriedigend. Der Umgang ist kundenorientiert und die Leistungen entsprechen einem Bedürfnis. Das BAFU betreibt eine systematische Beziehungspflege. Dadurch konnte das Verhältnis zu Kantonen, interkantonalen Konferenzen und anderen Bundesstellen in den letzten Jahren verbessert werden. Die Abgrenzung zum Bundesamt für Energie bleibt indes etwas unklar. Als intransparent werden ausserdem die Beziehungen zu den Interessenverbänden beurteilt. Gemäss verschiedenen - amtsexternen und -internen - Befragten versucht das BAFU, durch einen gezielten Einbezug politische Unterstützung für seine Anliegen zu mobilisieren.

Bei seinen Mitarbeitenden erzielt das BAFU sehr gute Ergebnisse. Diese weisen eine überdurchschnittliche Arbeitszufriedenheit auf und identifizieren sich mit ihren Arbeitsinhalten. Das ideelle Engagement vieler Mitarbeitender für ökologische Ziele wird von Führungspersonen und Partnern des Amtes sowohl als Stärke, als auch als Hindernis bei der Kompromissfindung wahrgenommen. Bisher wird die Strategie der Direktion weg von Umweltschutzpolitik und hin zu Ressourcenpolitik und damit hin zu einer Abwägung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Interessen im Amt (noch) nicht durchgehend gelebt.

Die Schnittstelle zur Ebene Bundesrat/Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wird insgesamt kritischer beurteilt.

Das formalisierte Steuerungsinstrumentarium ist beschränkt. Systematische Informationen verlangt das Departement abgesehen von den Finanz- und Personalreportings, die losgelöst sind von den inhaltlichen Steuerungsinstrumenten,
kaum. Das BAFU ist angehalten, bei wichtigen Fragen mit Anträgen und Vorschlägen an das Departement zu gelangen und dadurch Entscheidungen herbeizuführen, was das Amt gemäss den Ergebnissen der Untersuchung auch tatsächlich macht. Sind die Entscheide einmal gefällt, ist es die erklärte Philosophie des UVEK, sich bei der Umsetzung durch die Ämter nur noch im Ausnahmefall einzumischen. Im Grundsatz entsprechen diese Regeln einem reaktiven Modell der departementalen Steuerung.

Die formalisierten Planungen auf Stufe Bundesrat/UVEK enthalten nur sehr wenige Vorgaben für das Amt und sind deshalb für die Planung des BAFU nur beschränkt relevant. Die Planung auf Ebene Bundesrat und Departement entspricht weitgehend den Vorschlägen des BAFU; Bundesrat und Departement setzen kaum aktiv eigene strategische Prioritäten. Dieser Befund wird im Geschäftsprüfungsaudit kritisch bewertet. Aus Sicht von UVEK und BAFU ist er allerdings nicht kritisch, sondern Ausdruck davon, dass das Amt seinen Auftrag der Politikvorbereitung gut wahrnehme.

4154

2.2.4

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA

Die PVK beteiligte sich an den Untersuchungen der GPKs zur Finanzmarktkrise und zur Herausgabe der UBS-Kundendaten an die USA. Sie erarbeitete die Grundlagen zum ersten Berichtsteil, der das Verhalten der Schweizer Behörden in der Finanzkrise untersucht. Sie befasste sich mit dem Hintergrund der Finanzkrise sowie mit der Krisenplanung und dem Krisenmanagement der Behörden. Im Mittelpunkt stand insbesondere das Massnahmenpaket, das die Zeichnung einer Pflichtwandelanleihe in der Höhe von 6 Milliarden Franken durch den Bund sowie die gleichzeitige Verpflichtung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), illiquide Aktiven im Wert von maximal 60 Milliarden Dollar zu übernehmen, umfasste. Im Zentrum standen dabei folgende Fragen: ­

Wie ist das Verhalten der Bundesbehörden (Bundesrat, EFD, Eidgenössische Bankenkommission, Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, SNB [der Einfachheit halber hier als eidgenössische Behörde betrachtet]) unter folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen?

1. Früherkennung der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Schweiz, 2. Beschluss und Umsetzung von Massnahmen im jeweiligen Kompetenzbereich der verschiedenen Behörden, 3. Behandlung und Steuerung des Falls UBS unter Berücksichtigung der systemrelevanten Bedeutung der Bank und mit Blick auf das Gemeinwohl.

­

Welche Lehren können für die Zukunft gezogen werden, insbesondere in Bezug auf die Organisation und die Zuständigkeit der Behörden, das Behördenverhalten und die Koordination?

Die Arbeiten der PVK wurden durch eine externe Expertise (Prof. Charles Wyplosz und Prof. Cédric Tille, Institut de hautes études internationales et du développement, Genf) unterstützt, welche die vor und während der Finanzkrise von den schweizerischen Behörden getroffenen Massnahmen mit denjenigen der ausländischen Behörden vergleicht.

Die GPKs veröffentlichten nach Abschluss der Inspektion einen Bericht mit dem Titel Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBSKundendaten an die USA, gaben 19 Empfehlungen an den Bundesrat ab und reichten zwei Postulate sowie fünf Motionen ein. Der Jahresbericht 2010 der GPKs und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte enthält eine detaillierte Berichterstattung über die Inspektion.

4155

2.3

Laufende Projekte im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht

2.3.1

Vorsitz der Schweiz im Ministerkomitee des Europarates

Die Schweiz hatte vom 18. November 2009 bis am 11. Mai 2010 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates. Auf Antrag der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Europaratsdelegation) haben die GPKs 2009 die Evaluation des Vorsitzes in Auftrag gegeben. Die Europaratsdelegation betrachtet den Vorsitz im Ministerkomitee als wertvolle Gelegenheit für die Schweiz, auf internationaler Ebene Führungsverantwortung zu übernehmen und ihr Profil zu prägen. Die Evaluation soll die Geschäftsführung des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und weiterer involvierter Bundesstellen sowie die Leistungen des Vorsitzes kritisch würdigen. Ende 2010 stand die Studie kurz vor ihrem Abschluss.

Die Schweiz hat für ihren Vorsitz drei Schwerpunktbereiche festgelegt: 1.

Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit,

2.

Stärkung der demokratischen Institutionen,

3.

Transparenz und Effizient des Europarates.

In jedem der drei Bereiche hat der Schweizer Vorsitz zwei bis drei Prioritäten gesetzt; sie sind in Tabelle 2 aufgeführt.

Tabelle 2 Prioritäten des Schweizer Vorsitzes Nr.

Priorität

1 1.1

Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit Gerichtshof Die Glaubwürdigkeit und das Funktionieren des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind langfristig gesichert.

Rechtsstaat Die Mitgliedstaaten setzen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Urteile des Gerichtshofs um.

Menschenrechte Die Menschenrechte werden auf dem ganzen Kontinent Gesamtkontinent eingehalten.

Stärkung der demokratischen Institutionen Bürgernahe In den Mitgliedstaaten gibt es eine bürgernahe, partizipative Demokratie Demokratie Dialog mit ParlaDie demokratische Legitimität des Europarates ist gestärkt.

mentarischer Versammlung Transparenz und Effizienz des Europarates Reform des Die Finanzierung der Kernaufgaben des Europarates ist Europarates nachhaltig gesichert.

Enge institutionalisierte Beziehungen zwischen den internatioKooperation mit nalen Organisationen stellen den Schutz der Menschenrechte internationalen sicher.

Organisationen

1.2 1.3 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2

Der Vorsitz wird in der Evaluation sowohl aus der Sicht des Europarates als auch aus der Sicht der Schweizer Aussenpolitik bewertet. Im Zentrum steht die Frage, ob 4156

die Schweiz den Vorsitz so ausgeübt hat, dass ein Beitrag zu den Zielen des Europarates und zu den aussenpolitischen Zielen der Schweiz geleistet wurde.

Die Evaluation untersucht Planung, Durchführung und Ergebnisse des Vorsitzes. Bei der Planung werden die Ziele und geplanten Aktivitäten zu den in Tabelle 2 aufgeführten Prioritäten betrachtet. Bei der Durchführung werden Ressourcen, Organisation sowie die realisierten Aktivitäten untersucht. Vertieft analysiert wird, ob die Schweiz bei den drei Funktionen eines Vorsitzes (Themensetzung, Vermittlung und Repräsentation) ihre Handlungsmöglichkeiten genutzt hat. Bei den Ergebnissen wird das Erreichte mit den gesetzten Zielen verglichen.

Während dem Vorsitz und bis kurz nach Abschluss (November bis Juni 2010) wurden verschiedene empirische Erhebungen durchgeführt: Interviews, schriftliche Umfragen sowie Dokumenten-, Ressourcen- und Medienanalysen. Befragt wurden im Rahmen der Evaluation Mitarbeitende des EDA, Vertreter und Vertreterinnen der verschiedenen Organe und des Generalsekretariates des Europarates sowie verschiedene weitere Personen. Zudem hat die PVK in einer Beobachterrolle an verschiedenen Anlässen des Vorsitzes teilgenommen.

Als Grundlage für die Bewertung dienen der Soll/Ist-Vergleich zwischen der Planung des Schweizer Vorsitzes und deren Umsetzung sowie der Quervergleich mit den drei Vorgängervorsitzen Schweden, Spanien und Slowenien.

Der Schlussbericht soll von der zuständigen Subkommission der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) im ersten Quartal 2011 behandelt werden.

2.3.2

Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren

Das Vernehmlassungsverfahren hat in der Schweiz eine hohe Bedeutung und eine lange Tradition. Auf Gesetzesstufe geregelt wurde es aber erst im Jahr 2005. Mit dem Vernehmlassungsgesetz (VIG)7 und der dazugehörigen Verordnung (VIV)8 sollte das Verfahren verwesentlicht und qualitativ verbessert werden. Mit dem VIG wurde ausserdem die Differenzierung eingeführt zwischen Vernehmlassungen, welche bei wichtigen Vorhaben von Bundesrat oder Parlament eröffnet werden (Vernehmlassungen im engeren Sinn [i.e.S.]), und Anhörungen, welche Departement, Ämter und Behördenkommissionen zu weniger wichtigen Vorhaben selbst beschliessen können. Während Vernehmlassungen i.e.S. verschiedenen gesetzlichen Vorgaben genügen müssen, ist der Prozess der Anhörung weniger geregelt.

7 8

SR 172.061 SR 172.061.1

4157

Abbildung 4 Begriffe und Formen der Vernehmlassung und Anhörung

In den vergangenen Jahren beklagten sich Teilnehmende und interessierte Kreise an Vernehmlassungen und Anhörungen verschiedentlich über zu kurze Fristen und über fehlende Transparenz bei der Auswahl der eingeladenen Adressaten sowie bei der Auswertung und Gewichtung der Stellungnahmen.

Die GPKs haben daher beschlossen, die PVK mit einer Untersuchung zu dieser Thematik zu beauftragen. Die zuständige Subkommission hat am 30. Juni 2010 entschieden, dass die PVK den Fokus ihrer Untersuchung insbesondere auf die Behördenpraxis bei Anhörungen legen soll. Weil diese gesetzlich weniger geregelt sind als Vernehmlassungen, verfügt die durchführende Behörde über einen vergleichsweise grösseren Handlungsspielraum.

Die Untersuchung der PVK will demnach in einem ersten Schritt die spezifische Praxis bei Anhörungen beschreiben. Gemäss der VIV sollen die Bestimmungen für Vernehmlassungen i.e.S. ­ wo sinnvoll ­ auch auf Anhörungen angewendet werden.

Folglich muss die Untersuchung im Weiteren klären, wo dies tatsächlich geschieht, wo es Abweichungen gibt und ob diese zweckmässig begründet sind. Daraus ergeben sich die beiden folgenden Hauptfragen für die Evaluation: ­

Wie sieht die Praxis der Bundesverwaltung bei der Durchführung von Anhörungen aus und wie ist diese zu bewerten?

­

Welche Bestimmungen von VIG und VIV können sinnvollerweise auch für die Durchführung von Anhörungen gelten und werden diese angewendet?

Um diese Fragen beantworten zu können bzw. um die Beschreibung und Bewertung zu strukturieren, werden insbesondere die folgenden im Anhörungsprozess betrachtet: Der Entscheid über die Durchführung einer Anhörung, die Bestimmung der Adressaten, die Festlegung der Fristen sowie die Auswertung und Gewichtung der Stellungnahmen.

Die Informationen, welche zur Beantwortung der oben aufgeführten Fragen nötig sind, stammen im Wesentlichen aus drei Quellen: ­

4158

Erstens werden die wesentlichen Grundlagendokumente zusammengetragen und ausgewertet. Wesentliche Dokumente neben Gesetz und Verordnung sind dabei die Vorgaben der Bundeskanzlei zu Vernehmlassungen und Anhörungen und ­ soweit vorhanden ­ Weisungen, Prozessbeschreibungen und ähnliche Dokumente aus den Departementen und Ämtern. Zugleich werden erste Gespräche mit Verantwortlichen aus der Bundeskanzlei, Departementen und Ämtern sowie mit einigen Adressaten von Vernehmlassungen und Anhörungen geführt.

­

Zweitens wird eine breite, standardisierte Online-Befragung bei Absendern und Adressaten von Vernehmlassungen und Anhörungen durchgeführt.

­

Drittens werden sieben Fallstudien zu Anhörungsprozessen der letzten beiden Jahre aus verschiedenen Departementen und Ämtern erarbeitet. Dazu werden die relevanten Dokumente zum konkreten Vorhaben analysiert und Interviews mit den verantwortlichen Personen auf Seite der Verwaltung sowie mit einigen Adressaten geführt.

Im Rahmen der Evaluation der Vernehmlassungs- und Anhörungspraxis arbeitet die PVK mit der Firma Landert & Partner aus Zürich zusammen. Diese unterstützt die PVK bei der Konzeption der Untersuchung und führt insbesondere einen wesentlichen Teil der empirischen Erhebungen durch.

Die Ergebnisse der Untersuchung werden der zuständigen Subkommission der GPK-N im Juni 2011 präsentiert werden.

2.3.3

Evaluation der Überwachung und Wirkung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit

Die flankierenden Massnahmen sind am 1. Juni 2004 im Zuge der Einführung der Personenfreizügigkeit in Kraft getreten. Sie sollen verhindern, dass sich die Löhne und Arbeitsbedingungen in der Schweiz aufgrund des erleichterten Zugangs der ausländischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zum Schweizer Arbeitsmarkt verschlechtern (Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping). Zum heutigen Zeitpunkt ist nicht bekannt, ob und in welchem Ausmass die flankierenden Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels beitragen. Es liegen Problemhinweise dahingehend vor, dass die Strategie der Bundesbehörden (Ziele, Prozesse und Mittel) zur Umsetzung dieser Massnahmen prioritär auf die Akzeptanz der Personenfreizügigkeit und weniger auf die Aufrechterhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen ausgerichtet ist.

Vor diesem Hintergrund haben die GPKs eine Evaluation zur Überwachung und Wirkung der flankierenden Massnahmen in ihr Jahresprogramm aufgenommen. Die zuständige Subkommission der GPK-N hat an ihrer Sitzung vom 1. Juli 2010 ein Mandat mit den folgenden beiden Hauptfragen verabschiedet: ­

Wie ist die Strategie des Bundesrates und der Verwaltung zur Steuerung der Umsetzung der flankierenden Massnahmen unter dem Aspekt der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages, der Akzeptanz bei den Partnern und einer effektiven und effizienten Steuerung zu beurteilen?

­

In welcher Weise und in welchem Umfang haben die flankierenden Massnahmen auf die schweizerischen Lohnbedingungen eingewirkt?

Der erste Teil der Untersuchung widmet sich demgemäss der Frage, in welcher Weise der Bundesrat und die Verwaltung die flankierenden Massnahmen umsetzen und steuern. Die Analyse der Angemessenheit der geltenden gesetzlichen Bestimmungen sowie der Zweckmässigkeit der effektiv eingesetzten Organisation, Instrumente und Steuerungsaktivitäten von Bundesrat, Departementen und Bundesämtern stellen den zentralen Untersuchungsgegenstand dar. In diesem Rahmen analysiert die PVK Dokumente und führt Gespräche mit Vertreterinnen und Vertreter der 4159

Verwaltung, Kantone, Sozialpartner und mit Experten und Expertinnen. Zudem wird eine schriftliche Umfrage bei allen Vollzugsorganen (tripartite und zentrale paritätische Kommissionen) durchgeführt.

Im Zentrum des zweiten Teils der Untersuchung stehen die Wirkungen auf die Lohnbedingungen in der Schweiz. Anhand von Regressionsanalysen soll untersucht werden, inwiefern auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt infolge der Personenfreizügigkeit Lohndruck besteht und in welchen Bereichen dieser gegebenenfalls zu registrieren ist. Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein externes Mandat an das Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitsrecht der Universität St. Gallen vergeben.

Die Ergebnisse sollen der zuständigen Subkommission der GPK-N im Juni 2011 vorgelegt werden.

2.3.4

Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB

Nach der Ausgliederung aus der zentralen Bundesverwaltung Ende der neunziger Jahre erfüllen SBB, Post und Swisscom im (mehrheitlichen) Eigentum des Bundes weiterhin öffentliche Aufgaben. Der Bund nimmt als Eigentümer und Gewährleister Einfluss auf die Aufgabenerfüllung durch diese Unternehmen. Es stellt sich die Frage, wie der Bund dabei die Aufgabenerfüllung steuern und gleichzeitig die angestrebte Trennung der politischen und unternehmerischen Verantwortlichkeiten verwirklichen kann.

Die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der zuständigen Organe des Bundes sind rechtlich normiert. Bis heute fehlt allerdings eine empirische Analyse der tatsächlichen Steuerungspraxis von SBB, Post und Swisscom durch die Regierung und die Verwaltung. Vor diesem Hintergrund haben die GPKs die PVK mit einer Untersuchung zur Praxis des Bundes in der Steuerung dieser Unternehmen beauftragt.

Im Rahmen der Evaluation sollen zwei Fragestellungen beantwortet werden: ­

Wie ist die konkrete Praxis des Bundesrates und der Verwaltung in der Eignersteuerung von Post, SBB und Swisscom zu beurteilen?

­

Inwieweit wurde das Ziel erreicht, die Effizienz, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit (Performanz) von Post, SBB und Swisscom zu steigern?

Im ersten Teil der Untersuchung werden die formellen Steuerungsmodelle für die drei Bundesunternehmen erfasst sowie die tatsächliche Praxis der Eignersteuerung des Bundes erhoben. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Umgang der Entscheidungsträger mit unternehmens- und aufgabenbezogenen Zielsetzungen und möglichen Zielkonflikten. Dazu sollen 6 kritische Ereignisse genauer analysiert werden (z. B. Entscheide im Post-Projekt zum Poststellennetz der Schweiz).

Die Analyse der Zielerreichung bildet den zweiten Teil der Untersuchung. In diesem Rahmen wird ein Vergleich der Performanzentwicklung innerhalb der Schweiz (Vorher-Nachher-Vergleich) und im Quervergleich mit ausgewählten Ländern seit der Ausgliederung durchgeführt und in Relation zu den politischen Zielen gesetzt.

Dabei soll die ökonomische, soziopolitische und die operationale Performanz anhand von verbreiteten Leistungsdimensionen beurteilt werden.

4160

Neben einer Analyse von Dokumenten und Daten beinhaltet die Untersuchung Interviews mit involvierten Personen aus der Verwaltung, den Bundesunternehmen sowie Mitgliedern der eidgenössischen Räte. Die PVK arbeitet im Rahmen dieser Evaluation mit dem Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) der Universität Bern zusammen. Der Schlussbericht soll der zuständigen Subkommission der GPK-N im Juni 2011 präsentiert werden.

2.3.5

Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

Die GPK-S hat die PVK im Rahmen ihrer Jahresplanung 2010 mit einer Untersuchung zur Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat beauftragt. Die soziale Wohlfahrt ist mit 31 % des Gesamtbudgets der grösste Ausgabeposten im Staatshaushalt der Eidgenossenschaft. 2008 wurden 124 Milliarden Franken für die Sozialversicherungen ausgegeben und 151 Milliarden Franken eingenommen. Die Sozialversicherungsgesetzgebung in der Schweiz ist entlang den sozialen Risiken gegliedert. Das bedeutet, dass jeweils ein eigenes Gesetz besteht, um die Folgen sozialer Risiken wie beispielsweise Alter, Invalidität oder Unfall aufzufangen. Für die zehn Sozialversicherungsgesetze, ihre Gesamtfinanzierung und die Erhebung der Datengrundlagen sind fünf Bundesämter aus vier Departementen zuständig.

In Anbetracht ihrer grossen wirtschaftlichen und gesellschafspolitischen Bedeutung und der engen Verknüpfung der Sozialversicherungen (Zielsetzung, Finanzierung, Umsetzungsmassnahmen) wäre eine Gesamtsicht notwendig. Die Instrumente der strategischen Steuerung sind aber auf die einzelnen Sozialversicherungszweige ausgerichtet. Diese Zersplitterung führt nach Einschätzung verschiedener Mitglieder des Parlamentes wie auch von Sachverständigen aus Kantonen und Gemeinden dazu, dass die Datengrundlagen, die Finanzplanung und die Berichterstattung sektoriell geprägt sind und keine Gesamtsicht erlauben. Die Frage, welche Steuerungsmöglichkeiten der Bundesrat effektiv hat und wie er diese ausschöpft, ist umstritten.

Die zuständige Subkommission der GPK-S hat am 24. Juni 2010 folgende Hauptfragestellungen für die Untersuchung verabschiedet: ­

Wie ist die strategische Steuerung durch den Bundesrat zu beurteilen?

­

Welche Handlungsspielräume hat der Bundesrat aufgrund der Rechtsgrundlagen? Wie hat der Bundesrat seine Handlungsspielräume im konkreten Anwendungsfall ausgeschöpft?

­

Welche strategischen Steuerungsinstrumente bestehen im Sozialversicherungsbereich? Welche strategischen Führungsinstrumente hat der Bundesrat in den untersuchten Sozialversicherungen eingesetzt? Wie ist deren Eignung für die politische und die betriebliche Steuerung sowie für die Aufsichtsfunktion zu beurteilen?

Die Steuerung durch den Bundesrat wird gemäss Beschluss der zuständigen Subkommission bei vier Sozialversicherungen untersucht: Alters- und Hinterlassenenversicherung, Invalidenversicherung, berufliche Vorsorge sowie obligatorische Krankenversicherung. Dafür werden die Steuerungsaktivitäten des Bundesrates in den letzten beiden Legislaturperioden beschrieben und bewertet. Die konkrete Nutzung von Handlungsspielräumen, die Tauglichkeit der effektiv verwendeten Führungsinstrumente und die Zusammenarbeit mit Kantonen stellen dabei die Untersuchungsschwerpunkte dar. Ergänzend zu den vier Fallstudien wird die 4161

Gesamtsteuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat untersucht. Die für die Evaluation notwendigen Datengrundlagen und Einschätzungen werden mittels Interviews und Dokumentenanalysen erhoben.

Die PVK führt diese Untersuchung in Zusammenarbeit mit den Evaluationsbüros Infras, Zürich sowie Büro Vatter, Bern, durch. Der Schlussbericht soll der zuständigen Subkommission im Herbst 2011 unterbreitet werden.

3

Vorträge und Lehrveranstaltungen

Um ihre Aktivitäten und Forschungsergebnisse auch in der interessierten Öffentlichkeit und im akademischen Umfeld bekannt zu machen, nimmt die PVK an universitären Lehrveranstaltungen und Fachtagungen teil. Mitarbeitende der PVK referierten unter anderem im Rahmen ­

der Vorlesung Politikevaluation an der Universität Bern (Gastvorträge zur Qualität und Nutzung von Evaluationen und zur PVK als Beispiel einer Evaluationsstelle auf Bundesebene),

­

des Kurses Meta-Evaluation und Evaluationsforschung des Weiterbildungsstudiengangs «Masters of Advanced Studies in Evaluation», Universität Bern,

­

der Vorlesung Politikevaluation an der Universität Lausanne (Gastvorträge zur Evaluation im Schweizer Parlament und zur Parlamentarischen Oberaufsicht und der Rolle der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle),

­

der Vorlesung Fakten, Ideologie, Interessen ­ was zählt in der Schweizer Politik? Möglichkeiten und Grenzen einer evidenzbasierten Politikgestaltung an der Universität Zürich,

­

des Swiss Public Administration Network (Thema: The parliamentary

­

der Generalversammlung des Verbands für öffentliches Finanz- und Rechnungswesen (Vortrag: Erfahrungen mit Evaluationen für die parlamentarische Oberaufsicht).

4

control of public administration),

Verwendung des Expertenkredits

Für den Beizug externer Experten und Expertinnen hat die PVK im Berichtsjahr total 175 000 Franken verwendet. In Tabelle 3 ist die Aufteilung dieses Betrags auf die einzelnen Projekte dargestellt.

4162

Tabelle 3 Verwendung des Expertenkredits im Jahr 2010 Projekt

Aufwand in Fr.

EZV: Strategische Führung, Aufgaben- und Ressourcenmanagement Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren Überwachung und Wirkung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

5

Status

7 600

abgeschlossen

25 000

abgeschlossen

50 000 32 100

in Bearbeitung in Bearbeitung

49 200

in Bearbeitung

11 100

in Bearbeitung

Jahresprogramm 2011

Aufgrund der Verzichtsplanung der GPKs vom 30. Juni 2010 und des anstehenden Legislaturwechsels hat die PVK für das Jahr 2011 keine neue Themenvorschläge erarbeitet. In erster Priorität sollen sämtliche laufenden Projekte vor dem Legislaturende im Herbst 2011 abgeschlossen werden.

4163

Anhang

Vorschläge der PVK für Evaluationen und Geschäftsprüfungsaudits im Jahr 2010 EJPD/BK ­

Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren

­

Wirksamkeit des Sozialhilfestopps

EDA/VBS ­

Überprüfung der Strukturen in der aussenpolitischen PR-Arbeit der Schweiz

­

Früherkennung und Positionierung der Schweiz in der multilateralen Politik

­

Militärjustiz: Zweckmässigkeit der Strukturen und Prozesse

EDI/UVEK ­

Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

­

Zulassung und Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente (sistiertes Thema aus Jahresplanung 2009)

­

Rolle des Bundes im Vollzug des Raumplanungsgesetzes

­

Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB

EFD/EVD ­

Strategie und Steuerung des Bundes im Informatikbereich

­

Monitoring der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit

­

Auswirkungen der Zuwanderung: Zweckmässigkeit der Analysen der Bundesverwaltung

Departementsübergreifende Themen ­

Information und Öffentlichkeitsarbeit des Bundes

­

Qualitätsprobleme im Verordnungsrecht

Geschäftsprüfungsaudit ­

4164

Geschäftsprüfungsaudit Bundesamt für Sozialversicherungen

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 31 323 09 70 Fax +41 31 323 09 71 E-Mail pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle Originalsprachen des Berichtes: Deutsch und Französisch (Abschnitt 2.2.4) 4165

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