zu 10.054 Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA Bericht vom 30. Mai 2010 der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates und des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Oktober 2010

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 30. Mai 2010 der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Oktober 2010

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2010-2618

3459

Zusammenfassung Mit ihrem Bericht vom 30. Mai 2010 «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» überwiesen die Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates (GPK-N) und des Ständerates (GPK-S) dem Bundesrat 19 Empfehlungen und reichten zwei Postulate und fünf Motionen ein.

In der vorliegenden Stellungnahme tritt der Bundesrat auf den Bericht und dessen Empfehlungen, Postulate und Motionen ein.

Der Bundesrat dankt zunächst den GPK für ihre fundierte Analyse und anerkennt den wichtigen Beitrag, den die GPK damit zur Aufarbeitung der Ereignisse leisten. Er hält dabei fest, dass das Vertrauen innerhalb des Bundesrates vorhanden ist und die kollegiale Zusammenarbeit funktioniert. Mit seiner Stellungnahme möchte der Bundesrat die intensiven Abklärungen der GPK an einzelnen Stellen ergänzen. Er ist mit den Zielformulierungen der GPK weitgehend einverstanden und bereit, die meisten Empfehlungen zu übernehmen. Bei einzelnen Empfehlungen teilt er zwar die Stossrichtung der GPK, ergreift für deren Umsetzung aber andere Massnahmen.

Der Bundesrat wird, aufgrund der Empfehlungen der GPK, insbesondere die folgenden Massnahmen treffen oder hat diese bereits getroffen (Reihenfolge gemäss den Empfehlungen, Postulaten und Motionen des GPK-Berichts): ­

Der Bundesrat hat das EFD mit der Ausarbeitung einer tripartiten Vereinbarung (Memorandum of Understanding, MoU) mit der Schweizerischen nationalbank (SNB) und der Finanzmarktaufsicht (FINMA) bis Ende 2010 beauftragt (vgl. Ausführungen zu den E. 1, 5 und 12).

Gegenstand der Vereinbarung sollen sein: Formalisierung und Dokumentation der Krisenorganisation, Einbezug des Bundesrates in die Krisenorganisation, Austausch von Informationen, Zusammenarbeit in den Bereichen Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung, Abstimmung der internationalen Kontakte (u.a. Wahrnehmung der Mitgliedschaft der Schweiz in internationalen Finanzgremien).

­

Der Bundesrat hat das EFD beauftragt, bis Ende 2010 ein Konzept vorzulegen, in welcher Form der Bundesrat bei Finanzkrisen in der «roten Phase» durch den Vorsteher oder die Vorsteherin EFD rechtzeitig einbezogen werden soll (vgl. Ausführungen zur E. 1).

­

Der Bundesrat hat die BK beauftragt, unter Einbezug der interessierten Departemente (insbesondere des VBS und des EFD) ein Konzept für ein gesamtpolitisches Krisenmanagement Bund auszuarbeiten und ihm bis Ende 2010 zu unterbreiten (vgl. die Ausführungen zu den E. 1 und 9).

3460

­

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, damit die Krisenresistenz des Finanzsystems verstärkt werden kann; das betrifft die materielle Finanzmarktregulierung insbesondere in den Bereichen der Eigenmittel- und der Liquiditätsvorschriften, der Vergütungsvorschriften sowie der Lösung der «Too big to fail»-Problematik. Der Bundesrat wird dem Parlament entsprechende Vorlagen unterbreiten (vgl. Ausführungen zur E. 2).

­

Der Bundesrat hat das EFD beauftragt, die von der GPK verlangte Evaluation der von der FINMA ergriffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und Praktiken an die Hand zu nehmen und mit der Evaluation externe Gutachterinnen und Gutachter zu beauftragen (vgl. Ausführungen zur E. 3).

­

Der Bundesrat wird in Zukunft noch genauer darauf achten, Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat der FINMA und in den Bankrat der SNB zu wählen, die unabhängig sind und die Bereitschaft haben, Gegebenheiten zu hinterfragen (vgl. Ausführungen zu E. 4).

­

Der Bundesrat hat die FINMA ersucht, ihm bis Ende April 2011 über die Arbeitsprozesse und die Organisation der FINMA Bericht zu erstatten (vgl. Ausführungen zur E. 6).

­

Der Bundesrat hat eine Expertengruppe zum Thema «too big to fail» eingesetzt (vgl. Ausführungen zur E. 7).

­

Der Bundesrat hat die BK beauftragt, ein Konzept auszuarbeiten für die Optimierung der politischen Steuerung durch den Bundesrat (u.a. kontinuierliche Früherkennung) und dieses Konzept dem Bundesrat bis Ende 2010 zu unterbreiten (vgl. Ausführungen zur E. 8).

­

Das EFD wird dem Bundesrat im 1. Quartal 2011 einen Projektantrag unterbreiten, in dem verschiedene Handlungsoptionen, wie die ergebnisorientierte Steuerung in der Bundesverwaltung ausgebaut werden könnte, vergleichend dargestellt werden sollen (vgl. Ausführungen zur E. 8). Je nach gewählter Option ist die politische Steuerung anschliessend anzupassen.

­

Der auf den 1. Januar 2010 geschaffene Nachrichtendienst des Bundes (NDB) liefert umfassende Lagebeurteilungen. Damit hat der Bundesrat ein Instrument in der Hand zur Früherkennung möglicher Gefährdungen, die direkt oder indirekt die Interessen der Schweiz betreffen.

­

Der Bundesrat hat bereits am 18. September 2009 eine neue Ausrichtung des Perspektivstabs beschlossen. Damit kann er seine strategische politische Steuerung verbessern (vgl. Ausführungen zur E. 8).

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­

Der Bundesrat beabsichtigt, bei Bedarf mehr als einmal im Jahr mit dem Verwaltungsrat der FINMA eine Aussprache zu führen, und erachtet es als sinnvoll, dass auf Anfrage des Verwaltungsrates der FINMA auch ausserhalb der regelmässigen institutionalisierten Treffen Gespräche zwischen dem Wirtschaftsausschuss des Bundesrates und dem Verwaltungsratspräsidenten oder der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA geführt werden (vgl. Ausführungen zur Mo. 1).

­

Die Rolle der Prüfgesellschaften bei der Aufsicht über Grossbanken ist zu überprüfen (vgl. Ausführungen zum Po. 1).

­

Bei der nächsten Revision der Organisationsverordnungen der Departemente wird eine Ergänzung verankert, die bspw. folgenden Wortlaut haben kann: «Das Generalsekretariat initiiert, plant, koordiniert und kontrolliert die Departementsgeschäfte und begleitet insbesondere die wichtigen departementsübergreifenden Geschäfte.» (vgl. Ausführungen zur E. 13).

­

Der Bundesrat prüft, wie gewährleistet werden kann, dass die Organe der präventiven Rechtskontrolle zu Geschäften mit wichtigen und strittigen Rechtsfragen rechtzeitig konsultiert werden (vgl. Ausführungen zur E. 14).

­

Der Bundesrat hat die BK beauftragt zu prüfen, inwiefern die Beschlussdispositive des Bundesrates und das Beschlussprotokoll des Bundesrates als Führungsinstrument weiterentwickelt und ausgebaut werden können. Der Bundesrat beabsichtigt, bis spätestens Ende 2010 über ein entsprechendes Konzept der BK zu befinden (vgl. Ausführungen zur Mo. 2 und zur E. 15).

­

Der Bundesrat wird dem Parlament im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform Anträge unterbreiten, im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010) das Stellvertretungssystems innerhalb des Bundesrates auszubauen (vgl.

Ausführungen zur E. 16).

­

Der Bundesrat wird im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform dem Parlament Anträge unterbreiten, im RVOG die Regelungen über die Ausschüsse des Bundesrats und über die Wahrnehmung der kollektiven Verantwortung des Bundesrates zu präzisieren (vgl. Ausführungen zu den Mo. 3 und 4).

­

Der Bundesrat hat die BK beauftragt, ein Konzept zur Optimierung der aktuellen Geschäftskontrolle auszuarbeiten. Auch hier beabsichtigt der Bundesrat, bis spätestens Ende 2010 über einen entsprechenden Antrag der BK zu befinden (vgl. Ausführungen zur E. 18).

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­

Das Bundesamt für Justiz wird sich mit den im GPK-Bericht aufgeworfenen Fragen zu Artikel 271 StGB und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen mit dem Fragenkomplex im Zusammenhang mit dem Qualified Intermediary Agreement (QIA) befassen (vgl. Ausführungen zum Po. 2).

­

Der Bundesrat wird prüfen, ob und wie weit dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Transparenz bankinterner Vorgänge und Verantwortlichkeiten mit neuen Rechtsvorschriften künftig vermehrt Rechnung getragen werden soll (vgl. Ausführungen zur E. 19).

Die Empfehlungen 10, 11 und 17 liegen nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundesrates.

Der Bundesrat lehnt einzig zwei parlamentarische Vorstösse, die Motionen 2 und 5, ab.

Was die Motion 2 (durchgehende Schriftlichkeit der Beratungen des Bundesrates) betrifft, ist der Bundesrat bereit, das heutige System der Beschlussdispositive des Bundesrates und das Beschlussprotokoll des Bundesrates weiterzuentwickeln und auszubauen, um allfällige Lücken zu schliessen. Die Aufzeichnung der Verhandlungen in umfassenden Wortprotokollen lehnt der Bundesrat hingegen aus Gründen der Wahrung des Kollegialitätsprinzips ab. Die freie kollegiale Beratung erleichtert die Konsensfindung. Die umfassende Aufzeichnung der Beratungen würde dagegen den freien Austausch im Bundesrat behindern.

Was die Motion 5 angeht, hält der Bundesrat die gewünschte Revision der Artikel 164 und 165 StGB ­ die Anwendbarkeit auf Grossunternehmungen zu erweitern, falls diese aufgrund ihrer Systemrelevanz für die Volkswirtschaft und die Finanzstabilität durch staatliche Interventionen vor ihrem Untergang bewahrt werden müssen ­ für nicht zielführend: Gegen die Motion sprechen folgende Gründe: ­

Mit der vorgeschlagenen Änderung würde die vom Gesetzgeber mit den objektiven Strafbarkeitsbedingungen beabsichtigte Einschränkung der Strafbarkeit nicht mehr gelten.

­

Es würden nicht die gleichen Rechtsgüter wie im geltenden Recht geschützt.

­

Es ist unklar, welche Rechtsgüter bezüglich systemrelevanter Grossunternehmen überhaupt geschützt werden sollten.

­

Mit der Änderung würden zwei Kategorien von Tätern geschaffen: Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von nicht systemrelevanten Grossunternehmen wären die Strafbarkeitshürden höher als für solche von systemrelevanten Grossunternehmen.

­

Es ist unklar, welche Grossunternehmen als systemrelevant gelten sollen.

3463

Die Stellungnahme des Bundesrates gliedert sich in zwei Teile: In einem ersten Kapitel (Ziff. 2.1­2.3) wird einleitend in allgemeiner Weise auf die zwei Untersuchungen eingegangen. Auf die Einleitung folgt in einem zweiten Teil die Stellungnahme zu den einzelnen Empfehlungen, Postulaten und Motionen in der Reihenfolge, in der sie im Bericht der GPK behandelt werden (Ziff. 2.4­2.27).

3464

Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung

3460

Abkürzungsverzeichnis

3466

1 Ausgangslage

3467

2 Stellungnahme des Bundesrates 2.1 Einleitung 2.2 Zu den einzelnen Empfehlungen, Postulaten und Motionen

3467 3467 3471

3465

Abkürzungsverzeichnis BJ BK BV DOJ EBK EDA EFD EJPD ESTV EVD FINMA FINMAG FLAG GPK-N GPK-S IOSCO IRS NBG NDB OECD PA V QI QIA SEC SIF SNB SR StGB VKB WAK-N

3466

Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Bundesverfassung (SR 101) Department of Justice Eidgenössische Bankenkommission Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Eidgenössische Steuerverwaltung Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Bundesgesetz vom 22.6.2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, SR 956.1) Führen mit Leistungsauftrag und GlobalbudgetGPK Geschäftsprüfungskommission des National- und des Ständerates Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats Geschäftsprüfungskommission des Ständerats International Organisation of Securities Commissions Internal Revenue Service Bundesgesetz vom 3.10.2003 über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankgesetz, SR 951.11).

Nachrichtendienst des Bundes Organisation for Economic Co-operation and Development Politische Abteilung V, Abteilung Wirtschaft und Finanzfragen, EDA Qualified Intermediary Qualified Intermediary Agreement US-Securities and Exchange Commission Staatssekretariat für internationale Finanzfragen Schweizerische Nationalbank Systematische Rechtssammlung Strafgesetzbuch (SR 311.0) Verwaltungskontrolle des Bundesrates Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die von März 2009 bis Ende Mai 2010 durchgeführten Untersuchungen der GPK der beiden Räte bezogen sich auf zwei Massnahmen, welche die schweizerische Eidgenossenschaft im letzten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 ergriffen hatte: 1.

Am 15. Oktober 2008 ergriffen der Bundesrat und die Schweizerische Nationalbank (SNB) Massnahmen, um existenzbedrohende Gefahren für die UBS, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Kundinnen und Kunden und damit massive Schäden für die schweizerische Volkswirtschaft und die Finanzstabilität abzuwenden. Der Bundesrat beschloss an diesem Tag, die UBS mit der Übernahme einer Pflichtwandelanleihe von 6 Milliarden Franken zu stützen. Die SNB verpflichtete sich zum gleichen Zeitpunkt gegenüber der UBS, «toxische» Papiere im Wert von maximal 60 Milliarden Dollar zu übernehmen.

2.

Am 18. Februar 2009 verfügte die FINMA, dass die UBS Kundendaten an die amerikanischen Behörden zu übergeben habe. Dieser Verfügung gingen zahlreiche Bemühungen verschiedener Schweizer Behörden (insb. Eidg.

Bankenkommission/FINMA und Eidg. Finanzdepartement) voraus, der problematischen Situation auf andere Weise Herr zu werden, so insbesondere durch die ordentliche Abwicklung der hängigen Amtshilfeverfahren.

Nicht Gegenstand der Untersuchung der GPK war die Beurteilung des Verhaltens der Verantwortlichen der UBS in den beiden untersuchten Ereignissen und die Handlungsweise der amerikanischen Behörden im Rahmen der Amtshilfeverfahren, da eine solche Beurteilung nicht im Kompetenzbereich der parlamentarischen Oberaufsicht liegt. Die GPK hat jedoch eine Klärung der Rolle und der internen Verfahren bei der UBS gewünscht (E. 19).

Mit Schreiben vom 30. Mai 2010 haben die GPK beider Räte dem Bundesrat ihren Bericht zukommen lassen und ihn gebeten, bis Ende 2010 dazu Stellung zu nehmen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Einleitung

Der Bundesrat dankt den GPK der beiden Räte für die fundierte Analyse der beiden Ereignisse im Zusammenhang mit der UBS. Aus Sicht des Bundesrates sind die aus den beiden Untersuchungen resultierenden 19 Empfehlungen, die beiden Postulate und die fünf Motionen der GPK nützliche Orientierungshilfen, um das gute Zusammenwirken innerhalb des Bundesrates, aber auch zwischen den Einheiten der Bundesverwaltung und den Institutionen des Finanzsektors zu konsolidieren. Angesichts der hohen Bedeutung, die der Bundesrat den in der Untersuchung angesprochenen Themen zumisst, war er bestrebt, die Anliegen der GPK so rasch wie möglich zu beraten und ohne Verzug konkrete Massnahmen zu ergreifen.

3467

Das Vertrauen innerhalb des Bundesrates Es ist dem Bundesrat ein grosses Anliegen, vorweg den Eindruck, den die GPK in ihrem Bericht über das Klima im Bundesrat vermitteln, richtigzustellen. Die Schlüsse der GPK, wonach die Zusammenarbeit innerhalb des Bundesrates von Misstrauen geprägt sei, weist der Bundesrat zurück.

Zudem trifft es entgegen der Äusserungen im GPK-Bericht nicht zu, dass im schriftlichen Mitberichtsverfahren Zurückhaltung geübt wird, weil dies als persönlicher Angriff gegen ein anderes Mitglied des Bundesrates verstanden werden könnte.

Mitberichte sind das übliche Instrument für die schriftliche Antragstellung zu Geschäften anderer Departemente. Sie werden vor jeder Bundesratssitzung zahlreich verfasst und dienen allein der sachlichen Entscheidungsvorbereitung. Die Annahme der GPK, sie könnten von den Mitgliedern des Bundesrates als Ausdruck persönlicher Befindlichkeiten verstanden werden, trifft nicht zu. Auch sind die Beratungen in den wöchentlichen Bundesratssitzungen durch eine sachliche und konstruktive Arbeitsweise geprägt. Die gleiche Feststellung gilt für die Diskussionen innerhalb der Ausschüsse des Bundesrates.

Die Bundesratssitzungen sind effizient organisiert, stark strukturiert und werden straff geführt. Alle Mitglieder des Bundesrates bringen sich bei den zahlreichen Geschäften, insbesondere durch das ausgeprägte schriftliche Vorverfahren (Mitberichtsverfahren) gezielt ein und stellen so sicher, dass die Entscheide des Kollegiums so weit als möglich in konsensualer Weise zustande kommen.

Die zur Verfügung stehenden Instrumente, insbesondere das Instrument des Mitberichts und das Führungsinstrument der Bundesratsbeschlüsse, werden konstant und akkurat benutzt. Die Anzahl Mitberichte im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 25. August 2010 verdeutlicht dies: Zu den total 3239 Geschäften dieser Periode trafen insgesamt 1718 Mitberichte ein. Dabei ist festzustellen, dass zu vertraulichen Geschäften ­ und um solche hat es sich im Zusammenhang mit den beiden untersuchten Massnahmen mehrheitlich gehandelt ­ verhältnismässig mehr Mitberichte eingingen (219 Mitberichte auf 339 Geschäfte) als zu den nicht vertraulichen Geschäften (1499 Mitberichte auf 2900 Geschäfte).

Es ist aber festzustellen, dass heute für die Steuerung und Sicherstellung des rechtzeitigen Transfers vom
Departements- zu einem Bundesratsgeschäft wenig Instrumente zur Verfügung stehen. Der Bundesrat stimmt hier mit der Zielvorstellung der GPK überein, wonach die Früherkennung durch den Bundesrat zu verbessern sei.

Dies entbindet die Departemente selbstverständlich nicht davon, ihr eigenes Krisenmanagement weiterzuführen.

Von besonderer Bedeutung sind dabei allfällige Aussenwirkungen einer Verbreitung von Informationen, zum Beispiel deren Beeinflussung der Finanzmärkte. In jedem einzelnen Fall gilt es abzuwägen, welche Reaktionen die Kenntnisnahme der Information hervorruft und ob solche sachdienlich sind. Gerade in der von den GPK gemachten Untersuchung zum Verhalten der schweizerischen Behörden im Zusammenhang mit der Finanzkrise hat diese Interessenabwägung die Handlungen des federführenden Departementsvorstehers und des Bundesrates massgeblich beeinflusst.

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Das Verhalten der Behörden im Zusammenhang mit der Finanzkrise (Untersuchung I der GPK) ­ Optimierungspotenzial Die Aufarbeitung der Ereignisse rund um die sogenannte Finanzkrise und insbesondere des Verhaltens des Bundesrates, einzelner Departementsvorsteherinnen und -vorsteher, der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) resp. der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigt mehrere positive Tatsachen: Die direkte Rettung der Grossbank UBS war erfolgreich und fand sowohl national als auch international breite Anerkennung.

Diese Ansicht teilen die GPK mit internationalen Organisationen ­ wie dem IWF und der OECD ­ und mit vom Bundesrat oder mit von der GPK selbst beauftragten Expertinnen und Experten. Das Hilfspaket wird auch nach Ansicht der GPK als effizient, situationsgerecht und finanziell tragbar beurteilt und der Zeitpunkt für die Ergreifung der Massnahmen als richtig erachtet. Aufgrund ihrer positiven Wirkung auf die Finanz- und die Wirtschaftsstabilität des Landes werden die Massnahmen für angemessen befunden. Wie die GPK richtig festgestellt hat, verfügten die Schweizer Behörden zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Finanzkrise über eine strukturierte Krisenorganisation und über Konzepte zu Szenarien bei einer Grossbankenkrise.

Festzuhalten ist ausserdem, dass es dem Bund gelungen ist, seine ursprüngliche Investition in die Pflichtwandelanleihe mit dem umfassenden Abbau des UBSEngagements vollumfänglich zurückzuführen und dabei auch noch einen Nettoerlös von rund 1,2 Milliarden Franken zu erzielen. Letzteres entspricht einer Rendite von über 30 % p.a. für einen Investitionszeitraum von rund 8 Monaten.

Die Untersuchung I der GPK ist aus der Sicht des Bundesrates nicht vollständig. So wird der Umstand ausgeblendet, dass ­ nachdem im April 2008 eine erste Kapitalisierung der UBS durch private Investoren zustande gekommen war ­ noch im August/September 2008 mit einer zweiten Kapitalisierung durch private Investoren gerechnet wurde. Diese in Aussicht stehende Finanzspritze institutioneller ausländischer Investoren war für die damalige Einschätzung der Situation durch die SNB und die Bundesbehörden von zentraler Bedeutung, fand doch das Kaufinteresse dieser Anleger als Risikominderungsfaktor Eingang in die laufende Bewertung der UBS.

Rückblickend lässt
sich aber auch Optimierungspotenzial ausmachen, und der Bundesrat ist den GPK dankbar für die im Bericht gemachten Vorschläge. Diese beziehen sich insbesondere auf den Einbezug des Bundesrates in die Früherkennung, Frühwarnung und das Krisenmanagement ­ sowohl in konzeptioneller als auch in operativer Hinsicht. Mit anderen Worten: Das Krisenmanagement hat zwar funktioniert, Lücken haben sich aber bezüglich der Frage der Einbindung aller Mitglieder des Bundesrates gezeigt. Diese Schwachpunkte sollen behoben werden.

Das Verhalten der Behörden im Zusammenhang mit der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA (Untersuchung II der GPK) ­ Optimierungspotenzial Obwohl im Bericht die zweite Untersuchung der GPK aus nachvollziehbaren Gründen separat von der ersten aufgeführt ist, gibt es aus Sicht des Bundesrates einen Zusammenhang. Das Verhalten der Behörden betreffend die Herausgabe von UBSKundendaten an die USA ist im Kontext des Beschlusses des Bundesrates vom 15. Oktober 2008 zu sehen, die UBS mittels Übernahme einer Pflichtwandelanleihe von 6 Milliarden Franken zu stützen.

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Auch die Untersuchung II der GPK ist aus der Sicht des Bundesrates unvollständig.

So findet darin ein Verfahren der amerikanischen Justizbehörden, die zum Schluss kamen, dass die UBS für ihr Gebaren in den USA juristisch nicht belangt werden kann, keine Erwähnung.

Innerhalb der Untersuchung II sind einzelne Widersprüche auszumachen. Obwohl die GPK an mehreren Stellen im Bericht konstatieren, dass der Bundesrat über die Thematik gesprochen habe, zieht sie das Fazit, dass der Bundesrat erst im Oktober/November 2008 das erste Mal damit befasst war. Ausgeblendet wird dabei die Feststellung der GPK, wonach der Vorsteher EFD das Kollegium in der Zeitspanne vom Frühling bis Herbst 2008 an mehreren Bundesratssitzungen mündlich informiert habe. Ebenfalls ausgeblendet wird der Hinweis des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 26. Mai 2010 zum Entwurf des GPK-Berichts, dass das Kollegium anlässlich der Information durch den Vorsteher EFD Ratschläge zum weiteren Vorgehen und insbesondere zur Beschleunigung der Amtshilfeverfahren erteilte. In ihren Schlussfolgerungen würdigen die GPK auch zu wenig ihre eigene Sachverhaltsdarstellung, wonach das federführende Departement (EFD) sofort nach Bekanntwerden der Untersuchungsschritte der US-Behörden mit der Einberufung einer interdepartementalen Arbeitsgruppe reagierte und so für einen raschen Einbezug der massgebenden Bundesstellen sorgte.

Die GPK kritisieren also eine generelle Passivität des EFD und des Bundesrates.

Dabei berücksichtigen sie die Diskussionen nicht, die aufgrund der vom EDA gelieferten Informationen sowohl im Ausschuss des Bundesrates für internationale Steuerfragen (EFD, EDA, EJPD) wie auch im Gesamtbundesrat geführt wurden, bei denen es darum ging, so rasch als möglich eine koordinierte Strategie zu entwickeln, wie der Situation zu begegnen sei. Die GPK begnügen sich auch damit, die Optionen zu erwähnen, die dem Bundesrat im Herbst 2008 als Ersatzlösungen für die Amtshilfe zur Verfügung standen, und blenden dabei die Frage aus, ob diese theoretischen Alternativen auch realistisch und umsetzbar waren (z. Bsp. die frühzeitige Intervention auf politischer Ebene mit dem Angebot der Anpassung des Doppelbesteuerungsabkommens an den OECD-Standard). Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine solche Analyse unvollständig ist.

Der Bundesrat teilt auch
nur bedingt die Auffassung der GPK, wonach die Planung und die Umsetzung der Massnahmen zur Bearbeitung der Amtshilfegesuche zu spät erfolgten. Die amerikanischen Behörden reichten am 10. Juni 2008 beim Bundesamt für Justiz zunächst ein Rechtshilfegesuch ein. Unter der Leitung des BJ reiste am 20. Juni 2008 eine schweizerische Delegation nach Washington und empfahl den amerikanischen Behörden, ein Amtshilfegesuch zu stellen. Dies weil das Rechtshilfeverfahren langsamer sei und die erhaltenen Auskünfte in den USA für die Steuerveranlagung nicht verwendet werden dürfen (Spezialitätsvorbehalt). Erst am 16. Juli 2008 ging dann ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service IRS bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ein. Die ESTV forderte die UBS am 29. Juli 2008 auf, ihr bis Ende 2008 die Kundenunterlagen zu den Fällen zuzustellen, in denen der im Amtshilfegesuch umschriebene Sachverhalt erfüllt ist. Auf Begehren der UBS bestätigte die ESTV der UBS die Aufforderung am 7. August 2008 mittels einer Editionsverfügung. Anschliessend wurde eine Projektorganisation zur Bearbeitung des Amtshilfegesuchs aufgezogen, und es wurden entsprechende Spezialistinnen und Spezialisten rekrutiert. Die Bearbeitung dieses Amtshilfegesuches erwies sich als wesentlich aufwendiger und komplexer als alle bisher behandelten Amtshilfegesuche. Im Rückblick wäre ein schnelleres Aufziehen der Projekt3470

organisation angezeigt gewesen. Allerdings hätte auch dies die Eskalation der Lage im Winter 2008/2009 wohl nicht verhindern können, kennt doch das schweizerische Amtshilfeverfahren einen ausgeprägten Rechtsschutz für die Betroffenen.

2.2

Zu den einzelnen Empfehlungen, Postulaten und Motionen

Zur Empfehlung 1 Empfehlung 1: Die GPK laden den Bundesrat ein, seine Rolle und seinen Einbezug in die Krisenorganisation zu definieren. Zu diesem Zweck legt der Bundesrat fest, ab wann und wie er informiert und aktiv in das Krisenmanagement und die Krisenüberwachung einbezogen werden muss.

Die GPK kommen in ihrem Bericht zum Schluss, dass die schweizerischen Behörden bei Ausbruch der Finanzkrise, als sich die Frage einer staatlichen Unterstützung der UBS stellte, über eine strukturierte Krisenorganisation verfügten und dass sie auf ausgereifte Vorüberlegungen zu Krisenszenarien einer Grossbank und auf eine gewisse Erfahrung in der Zusammenarbeit zurückgreifen konnten.

Die Behörden seien sich der wachsenden Risiken bewusst gewesen, die mit der Grösse der beiden schweizerischen Grossbanken, der Komplexität ihrer Tätigkeiten und mit der Bedeutung des Finanzplatzes für die Schweizer Wirtschaft verbunden waren. Die GPK stellen fest, dass die schweizerischen Behörden die Risiken erkannten und vorbereitende Massnahmen ergriffen. Sie zweifeln nicht daran, dass die geschaffenen Strukturen einen günstigen Rahmen für die Zusammenarbeit und die Ausarbeitung des Massnahmenpakets zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems bildeten, auch wenn noch keine operativen Einsatzpläne entwickelt worden waren. In der Krisenorganisation sei festgelegt, dass das EFD die Führung übernehme, wenn ein Eingreifen des Bundes wahrscheinlich werde. Hingegen sehe die Krisenorganisation nichts über die spezifische Rolle des Bundesrats und die Art und Weise seiner Involvierung in das Krisenmanagement vor. Der Bundesrat habe zu keinem Zeitpunkt Überlegungen zu seiner Rolle bzw. zur Notwendigkeit oder Angemessenheit seiner Involvierung im Vorfeld eines Entscheids über allfällige Massnahmen angestellt. Nach Ansicht der GPK ist ein Einbezug des Bundesrats in die Krisenorganisation aber unabdingbar. Für die GPK ist es unbegreiflich, warum der Bundesrat im Krisendispositiv nicht erscheine und sich seine Rolle nur gerade darauf beschränkte, «letzte Entscheidungen» über Massnahmen zu treffen, an deren Ausarbeitung er nicht beteiligt war.

Der Bundesrat möchte der Empfehlung 1 in zweierlei Hinsicht nachkommen. Einerseits bezüglich der Handhabung von Finanzkrisen und andrerseits bezüglich der Handhabung von Krisen allgemein:

3471

Bezüglich Finanzkrisen: Der Bundesrat teilt die Einschätzung der GPK, dass die Finanzkrise nicht zuletzt dank einer strukturierten Krisenorganisation und dank ausgereiften Vorüberlegungen zu Krisenszenarien im Finanzsektor im internationalen Vergleich gut bewältigt wurde. Dennoch ist es für die Zukunft wichtig, die Zusammenarbeit zwischen EFD, SNB und FINMA sowie den Einbezug des Bundesrates in die Krisenorganisation noch klarer zu regeln. Zur Umsetzung der Empfehlungen 1 und 5, die einen starken Bezug zueinander haben, hat der Bundesrat daher das EFD mit der Ausarbeitung einer tripartiten Vereinbarung (Memorandum of Understanding, MoU) zwischen dem EFD, der SNB und der FINMA bis Ende 2010 beauftragt. Gegenstand der Vereinbarung sollen neben der Formalisierung und Dokumentation der Krisenorganisation sowie dem Einbezug des Bundesrates in die Krisenorganisation der Austausch von Informationen und die Zusammenarbeit in den Bereichen Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung sowie die Abstimmung der internationalen Kontakte (u.a. Wahrnehmung der Mitgliedschaft der Schweiz in internationalen Finanzgremien) sein. Zudem wurde das EFD beauftragt, bis Ende 2010 ein Konzept vorzulegen, in welcher Form der Bundesrat bei Finanzkrisen in der «roten Phase» durch den Vorsteher oder die Vorsteherin EFD rechtzeitig einbezogen wird.

Bezüglich Krisen allgemein: Der Einbezug des Bundesrates ist nicht nur bei Finanzkrisen von Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf mögliche andere Krisen. So setzt der Bundesrat den auf den 1. Januar 2010 geschaffenen Nachrichtendienst des Bundes (NDB) als Instrument zur Früherkennung möglicher Gefährdungen ein, die direkt oder indirekt die Interessen der Schweiz, insbesondere ihre Sicherheit und Handlungsfähigkeit betreffen. Weiter hat der Bundesrat die BK beauftragt, unter Einbezug der interessierten Departemente (insbesondere des VBS und des EFD) ein Konzept für ein gesamtpolitisches Krisenmanagement Bund auszuarbeiten und ihm bis Ende 2010 zu unterbreiten. Auf dieser Grundlage wird der Bundesrat über die Zuteilung von Aufgaben und von notwendigen Ressourcen entscheiden.

Dieses Konzept wird insbesondere Folgendes abdecken müssen: ­

die interdepartementale Zusammenarbeit bei departementsübergreifenden Krisen,

­

die Organisationsunterstützung durch die BK zugunsten der Departemente im Krisenfall (Unterstützung einer ad hoc eingesetzten Task Force oder einer interdepartementalen Arbeitsgruppe),

­

die Sicherstellung einer gesamtpolitischen Frühwarnung und des entsprechenden Lagebildes,

­

die Erstellung einer Informationsplattform.

Dabei sind als Grundlagen ­ nebst allen departementalen sektoriellen Frühwarnvorkehrungen ­ insbesondere auch zu verwenden: ­

die periodische Identifikation langfristiger Chancen und Risiken, die durch die Arbeiten des Perspektivstabs abgedeckt sind (vgl. auch die Stellungnahme zu E. 8),

­

das Projekt «Risiken Schweiz» des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz,

­

das Risikomanagement Bund des EFD.

3472

Zur Empfehlung 2 Empfehlung 2: Die GPK laden den Bundesrat ein, in Absprache mit der FINMA und mit der SNB Gesetzesänderungen zu prüfen und vorzuschlagen, die den genannten Behörden im Bereich der Aufsicht über den Finanzmarkt bzw. der Überwachung der Stabilität des Finanzsystems sachgerechte und präzise Ziele setzen und die zur Erreichung dieser Ziele erforderlichen Kompetenzen übertragen.

Die GPK kommen zum Schluss, dass die schweizerischen Behörden in ihrer Früherkennung der Krise gescheitert seien. Dies stehe im Zusammenhang mit der Abhängigkeit der EBK/FINMA von Informationen, die sie von Drittstellen erhalte, mit dem mangelnden Follow-up der eigenen Kritiken oder Beobachtungen durch die EBK/FINMA und mit dem Mangel an kritischem Geist bei sämtlichen betroffenen Behörden. Aufgrund der Abhängigkeit von Informationen insbesondere der Grossbanken selbst müsse geprüft werden, wie die FINMA mit besseren Möglichkeiten für unabhängige und schlüssige Untersuchungen der Grossbanken und anderer wichtiger Institute ausgestattet werden könne, sodass sie in der Lage sei, Informationen, die ihr unzureichend scheinen, selbst zu überprüfen und verborgene Mängel zu erkennen. Nebst dem Bedauern, dass die von der EBK/FINMA erkannten Krisenanzeichen nicht bis zur letzten Konsequenz (mit dem Ergreifen von Massnahmen) verfolgt wurden, bringen die GPK die Erwartung zum Ausdruck, dass die FINMA gegenüber externen Informationen einen kritischeren Geist an den Tag legt und deren Stichhaltigkeit rechtzeitig überprüft. Nach Ansicht der GPK sei erstens eine Klärung und präzisere Definition der Ziele nötig, um klare und realistische Forderungen im Hinblick auf die Rollen und die Verantwortlichkeiten der Behörden formulieren zu können, und zweitens eine Analyse der Organisation, der Mittel und der Instrumente, damit die Behörden den Grossbanken und anderen zu beaufsichtigenden Instituten gleichwertig gegenüberstehen und den Herausforderungen, die diese stellen, begegnen können.

Der Bundesrat hat die SNB und die FINMA zur Stellungnahme zur Empfehlung 2 der GPK eingeladen. Die SNB ist grundsätzlich der Auffassung, dass ihre Ziele, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen in der Verfassung und im Gesetz klar, vollständig und sachgerecht formuliert seien und dass sie sich in der Finanzmarktkrise bewährt hätten. Es könne allerdings
nicht ausgeschlossen werden, dass die SNB als Ergebnis der Erkenntnisse aus der Krise und der laufenden Arbeiten der Expertenkommission «too big to fail» gewisse zusätzliche makroprudentielle Aufgaben1, insbesondere im Bereich der systemrelevanten Banken, übernehmen werde.

Die Frage der makroprudentiellen Aufgaben der Zentralbanken werde im Moment auch international intensiv diskutiert. Es sei jedoch zurzeit zu früh, dazu konkrete Aussagen zu machen. Die FINMA sieht Handlungsbedarf auf Gesetzesstufe vorwiegend in Bezug auf die materielle Finanzmarktregulierung. Im Bereich der Finanz1

Als makroprudentielle Aufsicht wird die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden auf den Finanzmärkten bezeichnet, um die Stabilität des Finanzsystems als gesamtes zu gewährleisten. Gemeint ist folgendes: Wenn man nur die einzelnen Banken und deren Risikostrategien überwacht, vernachlässigt man u.U. Übertragungseffekte und Kettenreaktionen.

Makroprudentielle Aufsicht soll dies verhindern.

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marktaufsicht regt sie lediglich eine Änderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FINMAG) an, die es ihr erlauben würde, Daten auch bei Nichtbeaufsichtigten zu erheben.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, was die Verstärkung der Krisenresistenz des Finanzsystems in der materiellen Finanzmarktregulierung betrifft, insbesondere in den Bereichen der Eigenmittel- und der Liquiditätsvorschriften, der Vergütungsvorschriften sowie der Lösung der «Too big to fail»-Problematik. Er wird dem Parlament entsprechende Vorlagen unterbreiten.

Die Ziele der SNB und der FINMA hingegen sind nach Auffassung des Bundesrates in Übereinstimmung mit diesen Behörden gesetzlich hinreichend umschrieben, und die genannten Behörden verfügen über ausreichende Kompetenzen und Ressourcen zur Erreichung dieser Ziele. Dies wurde auch bereits im Rahmen des Berichtes des Bundesrates «Das Verhalten der Finanzmarktaufsicht in der Finanzmarktkrise ­ Lehren für die Zukunft» vom 12. Mai 2010 in Beantwortung des Postulates David 08.4039 und der Motion WAK-NR 09.30102, in dem die Aufsicht des Finanzmarktes durch die FINMA einer eingehenden Prüfung unterzogen wurde, so festgestellt.

Der Bundesrat ist zudem der Meinung, dass der Analyse der Schnittstelle zwischen der makroökonomischen Einschätzung und dem Risikoprofil eines einzelnen Instituts zukünftig mehr Gewicht zu verleihen sei. Dazu sind unter anderem spezifische makroprudentielle Aufsichtsinstrumente zu entwickeln, worauf auch die SNB in ihrer Stellungnahme hingewiesen hat. Wie diese Aufsichtsinstrumente aussehen und von welcher der Behörden FINMA oder SNB sie zukünftig eingesetzt werden sollen, ist zum heutigen Zeitpunkt noch unklar und hängt stark von den internationalen Entwicklungen ab.

Zur Empfehlung 3 Empfehlung 3: Die GPK laden den Bundesrat ein, die von der FINMA ergriffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und Praktiken zu evaluieren und darüber bis Mitte 2012 Bericht zu erstatten.

In Anbetracht der Erfahrungen und gewisser Praktiken, die sich im Ausland bewährt hätten (z. B. der Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde direkt bei den Banken selbst), sind die GPK überzeugt, dass sich die schweizerischen Aufsichtsmethoden weiterentwickeln müssten. Insbesondere müsse die FINMA ihre im
September 2009 festgelegten strategischen Ziele ­ von denen die GPK die Reduktion der systemischen Risiken, die Steigerung der Effektivität und der Effizienz in der Aufsicht und die Stärkung der FINMA als Behörde hervorhebt ­ rasch in die Tat umsetzen.

Die FINMA legt in ihrem Jahresbericht 2009, der vom Bundesrat genehmigt wurde, dar, dass sie im Jahr 2009 im Rahmen von fünf Projekten die folgenden fünf Bereiche überprüft hat: (1) die Beschaffung der für die Aufsicht notwendigen Daten und Informationen sowie deren Auswertung, (2) die Möglichkeiten und Grenzen des Verkehrs mit den Beaufsichtigten, (3) die Effektivität und die Effizienz der Aufsicht, 2

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(4) den Einsatz von Instrumenten für die Beurteilung des quantitativen und des qualitativen Risikomanagements als Schlüsselprozesse bei den Beaufsichtigten sowie (5) Umfang und allfällige Verbesserungsmöglichkeiten beim Handlungsrahmen der Aufsicht. Aufgrund der Projektresultate wurden Massnahmen eingeleitet, um den risikobasierten Aufsichtsansatz in sämtlichen Bereichen zu vertiefen und konsequenter umzusetzen. Ausserdem wurde ein Team von Ökonomen gebildet, das unter anderem die Grundlagen für eine verbesserte Risikoanalyse erarbeiten soll. Die erweiterten Kompetenzen und Kapazitäten bei der Risikoanalyse sollen auch dazu genutzt werden, über die Risiken der einzelnen Institute hinaus die Risiken aus deren Zusammenwirken näher zu untersuchen. Weiter erarbeitete die FINMA ein Konzept, das alle Beaufsichtigten ­ gestützt auf ihre Risikowirkung gegenüber Gläubigern und Versicherten sowie hinsichtlich des Gesamtsystems ­ in sechs Aufsichtskategorien einteilt. Diesen Kategorien werden in der Folge verschiedene, in ihrer Intensität abgestufte Aufsichtsansätze zugeordnet. Auf dieser Grundlage kann die FINMA ihre Aufsichtsressourcen künftig gezielter und wirkungsvoller einsetzen.

Zudem ist auf die strategischen Ziele der FINMA hinzuweisen, welche Folgendes zum Inhalt haben: die Reduktion der systemischen Risiken und Komplexitäten, die Verbesserung des Kundenschutzes, die Straffung und Optimierung der Regulierung, die Steigerung von Effektivität und Effizienz in der Aufsicht, die Umsetzung einer griffigen Marktaufsicht und eines wirkungsvollen Enforcements, die Positionierung für internationale Stabilität, eine enge Vernetzung der Märkte und die Stärkung der FINMA als Behörde.

Der Bundesrat teilt die Auffassung der GPK, dass die von der FINMA ergriffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und Praktiken zu evaluieren sind, und er hat daher das EFD beauftragt, die von der GPK verlangte Evaluation durch externe Gutachterinnen und Gutachter an die Hand zu nehmen. Es ist geplant, dass in einem ersten Schritt die FINMA über die von ihr getroffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer Aufsichtsinstrumente und ­praktiken Bericht erstattet und anschliessend ein oder mehrere Experten beauftragt werden, die von der FINMA getroffenen Massnahmen zu prüfen und über diese Prüfung einen Bericht zu
erstellen.

Zur Empfehlung 4 Empfehlung 4: Die GPK laden den Bundesrat ein, in Absprache mit der FINMA und der SNB die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die mit Abschottung (groupthink) verbundenen Risiken zu minimieren.

Die SNB und die FINMA müssen nach Ansicht der GPK ihre Informationsquellen stärker diversifizieren. Es bestehe die Gefahr, dass kritische Stimmen nicht genügend gewichtet werden, obwohl gerade sie wesentliche Quellen für Denkanstösse und Signale zur Früherkennung darstellten. In Zukunft müssten die SNB und die FINMA über etablierte und institutionalisierte Beziehungen zu unabhängigen Expertinnen und Experten verfügen.

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Der Bundesrat hat die SNB und die FINMA zur Stellungnahme betreffend Empfehlung 4 der GPK eingeladen. Die SNB teilt die Meinung, dass eine Abschottung von kritischen und abweichenden Meinungen zu vermeiden ist. Sie pflege daher seit jeher eine Unternehmenskultur, die eine kritische Haltung gegenüber Dogmen fördere. Auch die Organisation des Direktoriums biete eine gewisse Gewähr für einen Wettbewerb der Ideen. Die Nationalbank werde diese Empfehlung noch vertieft prüfen und sich dazu gegenüber den GPK vernehmen lassen. Die FINMA hat zu der Empfehlung der GPK nicht Stellung bezogen.

«Groupthink» ist nach dem Psychologen Irving Janis ein «Denkmodus, den Personen verwenden, wenn das Streben nach Einmütigkeit in einer kohäsiven Gruppe derart dominant wird, dass es dahin tendiert, die realistische Abschätzung von Handlungsalternativen ausser Kraft zu setzen». Für keine Institution und kein Führungsgremium kann die Gefahr von «Groupthink» gänzlich ausgeschlossen werden. Mit einer Unternehmenskultur, die kritisches und unabhängiges Denken fördert, kann dieser Gefahr aber sicherlich wirksam begegnet werden. Es liegt in der Verantwortung der beiden Institutionen FINMA und SNB, für eine entsprechende Unternehmenskultur zu sorgen. Für den Bundesrat besteht die Möglichkeit, durch die Wahl geeigneter, sich durch unabhängiges Denken auszeichnender Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat der FINMA und den Bankrat der SNB der Gefahr des «Groupthink» vorzubeugen. Von Bedeutung dürfte zudem die Diversifikation der genutzten Informationsquellen unter Einbezug unabhängiger Expertinnen und Experten und das kritische Hinterfragen und Analysieren der Informationen sein. Zudem kann ein systematischer Austausch zwischen EFD, FINMA und SNB (vgl. Empfehlung 5, tripartite Zusammenarbeit) ebenfalls diesem Ziel dienen.

Nach Auffassung des Bundesrates ist im Ergebnis festzuhalten, dass sich die Empfehlung 4 der GPK primär an die SNB und die FINMA richtet und es daher an diesen beiden Behörden liegt, zur Empfehlung 4 vertieft Stellung zu nehmen. Der Bundesrat wird in Zukunft noch verstärkt darauf achten, Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat der FINMA und in den Bankrat der SNB zu wählen, die sich durch kritisches und unabhängiges Denken auszeichnen.

Zur Empfehlung 5 Empfehlung 5: Die GPK laden den Bundesrat ein, die erforderlichen
Massnahmen zu treffen, um Rolle und Kompetenzen der verschiedenen Behörden zu klären und Transparenz und Optimierung des Entscheidungsprozesses sicherzustellen. Die SNB und die FINMA müssen bei der Ausarbeitung von Vorschlägen und Massnahmen eine zentrale Rolle spielen. Ziel dieser Verbesserungen ist eine optimale Zusammenarbeit zwischen der SNB, der FINMA und dem EFD.

Die GPK kommen zum Schluss, dass die Früherkennung von den Behörden eine optimale Koordination beim Informationsaustausch verlange. Eine regelmässige, enge und intensive Zusammenarbeit zwischen der SNB und der FINMA sei eine unerlässliche Voraussetzung zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems und einer effizienten Bankenaufsicht. Die GPK haben nach eigenen Angaben die Revision der Vereinbarung (MoU) zwischen der FINMA und der SNB, die auf eine bessere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Finanzstabilität abzielt, mit Genug3476

tuung zur Kenntnis genommen. In spätestens einem Jahr solle auch der Beitrag des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) in diesem Bereich überprüft werden, wobei die Unabhängigkeit der SNB und der FINMA zu respektieren sei.

Der Bundesrat hat die SNB und die FINMA zur Stellungnahme betreffend Empfehlung 5 der GPK eingeladen. Sowohl die SNB als auch die FINMA verweisen auf ihr bilaterales MoU, das anfangs 2010 überarbeitet wurde. Es habe die Verantwortlichkeiten abgegrenzt und die Zusammenarbeit geregelt und sei eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit im Bereich der Systemstabilität. Nach Auffassung der SNB ist auch eine stärkere Institutionalisierung des Informationsaustausches ausserhalb eines Krisenfalls prüfenswert. Eine darüber hinausgehende Zusammenarbeit mit dem Bund wird im Hinblick auf Artikel 6 des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 2003 (NBG, SR 951.11) als problematisch erachtet. Die FINMA ist offen für ein trilaterales MoU über die Zusammenarbeit im Krisenfall. Handlungsbedarf, um die Entscheidungsprozesse zwischen EFD, FINMA und SNB zu verbessern, sieht die FINMA allenfalls in Bezug auf die internationalen Kontakte. Hier wäre ein besseres gegenseitiges Briefing und Debriefing über die jeweiligen Treffen und eine systematische Zusammenarbeit bei der Strategiefindung für die FINMA zu begrüssen.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Zusammenarbeit von SNB, FINMA und EFD in den vergangenen Jahren zwar insgesamt gut funktioniert hat, dass weitere Verbesserungen im Sinne der Empfehlung 5 der GPK aber dennoch notwendig sind.

Dies auch vor dem Hintergrund der Schaffung des SIF. Die nach Ansicht der GPK und auch des Bundesrates sehr wichtige Zusammenarbeit zwischen SNB, FINMA und EFD muss in Zukunft im Rahmen der Vereinbarung (MoU) institutionalisiert werden. Nach Auffassung des Bundesrates werden die gesetzlich festgelegten Kompetenzen von SNB, FINMA und EFD durch eine Vereinbarung nicht berührt, und die Unabhängigkeit von SNB und FINMA ist somit kein Hindernis für eine Vereinbarung.

Der Bundesrat hat daher das EFD mit der Ausarbeitung einer tripartiten Vereinbarung (MoU) zwischen dem EFD, der SNB und der FINMA bis Ende 2010 beauftragt (vgl. auch Ausführungen zu E. 1). Gegenstand der Vereinbarung sollen neben der Formalisierung und Dokumentation der Krisenorganisation
sowie dem Einbezug des Bundesrates in die Krisenorganisation der Austausch von Informationen und die Zusammenarbeit in den Bereichen Finanzstabilität, Finanzmarktregulierung und die Abstimmung der internationalen Kontakte (u.a. Wahrnehmung der Mitgliedschaft der Schweiz in internationalen Finanzgremien) sein.

Zur Empfehlung 6 Empfehlung 6: Die GPK laden den Bundesrat ein, innert einem Jahr sicherzustellen, dass die Arbeitsprozesse und die neue Organisation der FINMA ihrer Aufgabe angemessen sind, eine gute Kommunikation zwischen ihren Abteilungen gewährleistet ist und dass der für die Aufsichtsaktivitäten unerlässliche Informationsaustausch erfolgt.

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Die GPK sind der Auffassung, dass innerhalb der EBK der Informationsaustausch zwischen Mitarbeitenden, die für die Aufsicht der UBS zuständig waren, und solchen, die sich um die Credit Suisse kümmerten, klar unzureichend war.

Der Bundesrat hat inhaltlich nichts gegen die Empfehlung 6 der GPK einzuwenden, er erachtet sie aber insofern als problematisch, als der Bundesrat aufgrund der gesetzlich garantierten Unabhängigkeit der FINMA nicht «sicherstellen» kann, dass die Arbeitsprozesse der FINMA gemäss den Vorstellungen des Bundesrates geändert werden. Zudem ist auf den engen inhaltlichen Bezug von Empfehlung 3 und 6 hinzuweisen. Die Verbesserung der Aufsichtsinstrumente und der Praktiken, wie sie in Empfehlung 3 gefordert wird, wird sich auch auf die Arbeitsprozesse und die Organisation der FINMA auswirken müssen. Der Bundesrat hat daher die FINMA ersucht, ihm bis Ende April 2011 über die Arbeitsprozesse und die Organisation der FINMA Bericht zu erstatten.

Zur Empfehlung 7 Empfehlung 7: Die GPK laden den Bundesrat ein, die Empfehlungen der von ihm beauftragten Experten Geiger und Green umfassend zu vertiefen und bis Ende 2010 über deren weitere Behandlung durch den Bundesrat zu berichten.

Gemäss den GPK zeugen die zahlreichen parlamentarischen Interventionen in der Schweiz und im Ausland vom Willen und von der Notwendigkeit, aus der Krise die nötigen Lehren zu ziehen. Die GPK betonen jedoch, dass sich das Zeitfenster zur Einführung angemessener Reformen zu schliessen beginne. Es gelte daher, die erkannten Probleme rasch zu konkretisieren und umzusetzen. Mit der Empfehlung 7 laden sie den Bundesrat ein, die Empfehlungen der von ihm beauftragten Experten Geiger und Green umfassend zu vertiefen und bis Ende 2010 über deren weitere Behandlung durch den Bundesrat zu berichten.

Mit dem Postulat David (08.4039) und der Motion WAK-N (09.3010) wurde der Bundesrat aufgefordert, das Verhalten der Finanzmarktaufsichtsbehörden in der Finanzmarktkrise sowie die Aufsicht des Finanzmarktes durch die FINMA zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten. Im Rahmen der Umsetzung dieser parlamentarischen Vorstösse beauftragte der Bundesrat die unabhängigen Experten Hans Geiger und David Green mit einer Untersuchung. Die Erkenntnisse und Vorschläge der genannten Experten hat der Bundesrat eingehend analysiert und
in seinen Bericht «Das Verhalten der Finanzmarktaufsicht in der Finanzmarktkrise ­ Lehren für die Zukunft» vom 12. Mai 20103 einfliessen lassen.

Für die von den GPK erwähnten Probleme, insbesondere dasjenige der Banken, die zu gross sind, um in Konkurs gehen zu können («too big to fail»), hat der Bundesrat mit der Einsetzung einer entsprechenden Expertengruppe einen Lösungsansatz gewählt. Somit lebt der Bundesrat der Empfehlung 7 mit den bisherigen Schritten bereits nach.

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Zur Empfehlung 8 Empfehlung 8: Die GPK laden den Bundesrat ein, ein System zur strategischen politischen Steuerung einzuführen, basierend auf den Empfehlungen früherer Untersuchungen der GPK in Sachen Steuerung (Die strategische politische Steuerung des Bundesrats, Fall Tinner, Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee, usw.).

Die GPK halten in ihrem Bericht fest, dass der Bundesrat bis September 2008 wenig oder gar nicht über die Lage der UBS informiert war. Ab dem 21. September 2008 sei der Bundesrat stärker involviert gewesen, weil die Situation der UBS und die Abwesenheit des EFD-Vorstehers es erforderlich machten. Der Bundespräsident leitete ab diesem Zeitpunkt die Intervention des Bundes, insbesondere unterstützt von der Vorsteherin des EJPD, die damit ihre Aufgabe als Vertreterin des Vorstehers des EFD voll und ganz wahrnahm. Die GPK gelangen zudem zur Feststellung, dass der Bundesrat sich keine Gedanken zu Handlungsoptionen für den Fall einer Krisenverschärfung gemacht habe. Diese Feststellung ist nicht zutreffend. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 26. Mai 2010 zum Berichtsentwurf festhielt, wurden aus den Reihen des Kollegiums konkrete Vorschläge gemacht, wie das Amtshilfeverfahren mit den USA in Sachen UBS zu beschleunigen sei, und der Vorsteher des EFD wurde mit der Ausarbeitung entsprechender Szenarien beauftragt für den Fall, dass schnell reagiert werden muss. Hingegen teilt der Bundesrat die Meinung, dass das Kollegium früher über die Situation der UBS hätte informiert werden sollen, damit er rechtzeitig die notwendigen Massnahmen hätte einleiten können. Aus diesem Grund deckt sich die Empfehlung 8 teilweise mit Entscheidungen oder Massnahmen, die der Bundesrat eingeleitet oder bereits umgesetzt hat, um die Steuerung im Kollegium zu optimieren. Der Bundesrat weist aber auch darauf hin, dass die Verbesserung der Steuerung durch das Kollegium nicht die einzelnen Departemente von der Weiterführung ihres Krisenmanagements entbinden soll und dass daher eine Informationspflicht seitens der Departemente weiterhin bestehen soll.

Mit dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat der Bundesrat ein Instrument zur umfassenden Lagebeurteilung geschaffen. Dazu gehören nicht nur die Aufklärung, Beschreibung und Beurteilung der aktuellen Situation, sondern auch die Früherkennung
möglicher Gefährdungen. In erster Linie interessieren dabei Entwicklungen, die direkt oder indirekt die Interessen der Schweiz, insbesondere ihre Sicherheit und Handlungsfähigkeit, betreffen. Früherkennung ermöglicht es der politischen und der militärischen Führung und anderen Dienststellen der Verwaltung von Bund und Kantonen, zweckmässige Entscheidungen zu treffen.

Zur Verbesserung der strategischen politischen Steuerung hat der Bundesrat am 18. September 2009 eine neue Ausrichtung des Perspektivstabs beschlossen. Der Kernauftrag des neuen Perspektivstabs ist die Erarbeitung von mittel- und langfristigen Szenarien (Zeithorizont heute: 2025), die als Orientierung für die Legislaturplanung dienen. Der periodisch erarbeitete Bericht des Perspektivstabs soll es dem Bundesrat ermöglichen, die zentralen Herausforderungen unseres Landes, die heutigen und die künftigen, frühzeitig zu erkennen, Handlungsoptionen abzuwägen und 3479

die strategischen Entscheide rechtzeitig in die Wege zu leiten. Der Perspektivstab ist dafür besorgt, dass der ständige Informationsaustausch zu den wichtigsten auf Bundesebene eingesetzten Koordinationsgremien gewährleistet ist und dass bereits vorhandene überdepartementale und sektorielle Strategie- und Perspektivarbeiten berücksichtigt werden. Mit dem Einbezug diverser Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft und Kultur und aus den kantonalen Verwaltungen sind die Überlegungen, Bedürfnisse und Herausforderungen der Zivilgesellschaft ebenfalls berücksichtigt.

Zudem hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 18. August 2010 die Bundeskanzlei beauftragt, ein Konzept für die Optimierung der politischen Steuerung (u.a. kontinuierliche Früherkennung) durch den Bundesrat auszuarbeiten und dem Bundesrat bis Ende 2010 zu unterbreiten. Mit Hilfe der Früherkennung soll der Bundesrat regelmässig, möglichst früh und umfassend über potenzielle Risiken, Chancen, neue Entwicklungen und Tendenzen im nationalen und internationalen Umfeld ins Bild gesetzt werden. Der Perspektivstab soll in Zukunft in einem kontinuierlichen und rollenden Prozess aus der Fülle der Informations- und Wissensquellen eine Auslegeordnung jener Themen und Fragen erstellen, die für unser Land von zentraler Bedeutung werden könnten.

Der Bundesrat ist zudem daran, ein neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung (Konvergenzmodell) zu prüfen. Das EFD wird dem Bundesrat im 1. Quartal 2011 einen Projektantrag mit einer vergleichenden Darstellung der Handlungsoptionen unterbreiten.

Zur Empfehlung 9 Empfehlung 9: Die GPK laden den Bundesrat ein, auf seiner Ebene ein wirksames Überwachungs- und Frühwarnsystem für Krisen einzurichten.

Die GPK fordern in ihrem Bericht, dass der Bundesrat auf seiner Stufe ein wirksames Überwachungs- und Frühwarnsystem für Krisen vorsieht. Der Bundesrat prüft entsprechende Massnahmen.

Im Bereich der Überwachung geht es insbesondere um die Kontrolle der durch den Perspektivstab identifizierten Herausforderungen (vgl. Stellungnahme zu E. 8) beziehungsweise der Risiken, die im Rahmen des Risikomanagements Bund und des Projektes «Risiken Schweiz» sowie von weiteren Stellen heausgearbeitet worden sind.

Im Bereich der Frühwarnung geht es darum, ausserordentliche Lagen bereits in der Entstehungsphase zu
erkennen und daraus entstehende allfällige Krisen zu antizipieren. Konkrete Vorschläge sind von der BK in Zusammenarbeit mit dem VBS und dem EFD sowie weiteren interessierten Departementen im Rahmen des Konzepts «gesamtpolitisches Krisenmanagement Bund» zu erarbeiten und dem Bundesrat zum Entscheid zu unterbreiten (vgl. Stellungnahme zu E. 1). Dabei sind alle bereits bestehenden departementalen sektoriellen Frühwarnvorkehrungen zu berücksichtigen.

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Zur Empfehlung 10 Empfehlung 10: Die GPK fordern die FINMA auf, angesichts der grossen Tragweite dieser Affäre die Frage, wie viel die oberste Leitung der UBS von den QIA-Verletzungen der Bank und ihrer Mitarbeiter wusste, vertieft abzuklären.

Die GPK halten fest, dass die EBK im Frühling 2008 eine Untersuchung zum grenzüberschreitenden Geschäft der UBS einleitete. Diese Untersuchung vermag die GPK wegen des Verzichts auf formelle Befragungen von UBS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern nicht zu überzeugen. Die GPK sind der Überzeugung, dass angesichts der grossen Tragweite der UBS/USA-Affäre die Frage, wie viel die oberste Leitung der UBS von den QIA-Verletzungen der Bank wusste, durch die FINMA auch ohne aktuelles Rechtsschutzinteresse vertieft abgeklärt werden sollte. Sollten sich in Zukunft ähnliche Fälle ereignen, wäre die Gewährsfrage von Amtes wegen und systematisch zu klären.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Empfehlung 10 die unabhängige FINMA und nicht den Bundesrat betrifft. Es liegt an der FINMA, zur Empfehlung 10 Stellung zu nehmen.

Zur Motion 1 Motion 1 Der Bundesrat wird aufgefordert, den Präsidenten des FINMA-Verwaltungsrates regelmässig zu einer Aussprache einzuladen. Auf Anfrage des FINMAVerwaltungsrates sollten auch ausserhalb dieser Treffen Aussprachen des FINMA-Verwaltungsratspräsidenten mit dem Wirtschaftsausschuss des Bundesrats stattfinden.

Nach Auffassung der GPK benötigten der Bundesrat und das EFD viel Zeit, um in Sachen UBS/USA den Ernst der Lage und den dringenden Handlungsbedarf im Herbst/Winter 2008 zu erkennen. Der Präsident der SNB habe Ende 2008 die Gelegenheit genutzt, den Bundesrat über die gravierende Situation und den dringenden Handlungsbedarf aus Sicht der SNB zu informieren. Die EBK/FINMA habe über längere Zeit auf hierarchisch tieferer Stufe das Gleiche zu erreichen versucht, jedoch nicht mit dem gleichen Erfolg. Die GPK sind der Ansicht, dass die Präsidentin oder der Präsident des FINMA-Verwaltungsrates in Analogie zur Präsidentin oder zum Präsidenten der SNB regelmässig den Bundesrat persönlich über die Lage und die wichtigsten Entwicklungen im Tätigkeitsbereich der FINMA orientieren sollte. Um den schnellen Entwicklungen gerade im Finanzmarktbereich gerecht zu werden, sollten solche Treffen zumindest mit dem Wirtschaftsausschuss des Bundesrats
auch auf Verlangen des FINMA-Verwaltungsrates stattfinden können.

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 18. August 2010 die Annahme der Motion 1 beantragt. Das Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007 (FINMAG, SR 956.1) sieht in Artikel 21 Absatz 2 vor, dass die FINMA mindestens einmal jährlich mit dem Bundesrat die Strategie ihrer Aufsichtstätigkeit sowie aktuelle Fragen der 3481

Finanzplatzpolitik erörtert. Dieser Austausch wird vom Bundesrat sehr geschätzt. Er ermöglicht es ihm, die Rahmenbedingungen der Finanzmarktpolitik ganzheitlich zu betrachten, allfällige Lücken oder Mängel in der Finanzmarktgesetzgebung frühzeitig zu erkennen und im Rahmen seiner verfassungsmässigen Kompetenzen politisch zu handeln. Der Bundesrat beabsichtigt daher, bei Bedarf von der eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, mehr als einmal im Jahr mit dem Verwaltungsrat der FINMA eine Aussprache zu führen. Der Bundesrat erachtet es ausserdem als sinnvoll, dass auf Anfrage des Verwaltungsrates der FINMA auch ausserhalb der regelmässigen institutionalisierten Treffen Gespräche zwischen dem Wirtschaftsausschuss des Bundesrates und der Präsidentin oder dem Präsidenten des FINMAVerwaltungsrates geführt werden.

Zur Empfehlung 11 Empfehlung 11: Die GPK laden die zuständigen Legislativkommissionen ein, die gesetzlichen Regelungen der Déchargeerteilung durch die Generalversammlung im Bankensektor zu überprüfen.

Zu dieser Empfehlung äussert sich der Bundesrat nicht. Sie richtet sich an parlamentarische Kommissionen.

Zum Postulat 1 Postulat 1 Der Bundesrat wird beauftragt, die vom Gesetz definierte Rolle der Revisionsfirmen bei Prüfungen von Grossbanken zu überprüfen und über mögliche gesetzliche Massnahmen oder andere Massnahmen zur Stärkung der Rolle der Revisionsfirmen zugunsten der Bankenaufsicht Bericht zu erstatten.

Die GPK stellen fest, dass sich die EBK im Rahmen ihrer Untersuchung mit der Prüftätigkeit der zuständigen Revisionsfirma auseinandersetzte und dabei zum Schluss gelangt sei, dass «in keiner der im Hinblick auf die Einführung und die Umsetzung des QIA durchgeführten Prüfungen [...] von der internen Revision der mit dem QI-Audit betrauten Prüfgesellschaft die konkreten Probleme aufgezeigt [wurden], die nun Gegenstand der Untersuchung der EBK und der Verfahren des DOJ, der SEC und des IRS sind». Die GPK erachten es daher als wichtig, dass die Aufgaben der Revisionsfirmen bei Grossbanken überprüft werden und ihre Kontrolltätigkeit verstärkt wird. Die Revisionsfirmen müssten für die Bankenaufsicht in Zukunft einen grösseren Mehrwert erbringen.

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 18. August 2010 die Annahme des Postulats 1 beantragt. Einer bankengesetzlichen Prüfgesellschaft kommt die
zentrale Aufgabe zu, Angemessenheit und Wirksamkeit des internen Kontrollsystems und des Risikomanagements durch entsprechende Prüfhandlungen zu beurteilen. Wie der Bundesrat in seinem Bericht «Das Verhalten der Finanzmarktaufsicht in der Finanz-

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marktkrise ­ Lehren für die Zukunft» vom 12. Mai 20104 ausführte, litt die UBS in diesen Bereichen unbestrittenermassen an erheblichen Mängeln. Trotzdem wurde der Bank von ihrer bankenrechtlichen Prüfgesellschaft (ehemals Revisionsgesellschaft genannt) im Zeitraum zwischen 2005 und 2007 ein angemessenes Kontrollumfeld bestätigt. Aus diesem Grund ist der Bundesrat ebenfalls der Auffassung, dass die Rolle der Prüfgesellschaften bei der Aufsicht über Grossbanken überprüft werden muss.

Zur Empfehlung 12 Empfehlung 12: Der Bundesrat trifft sich regelmässig mit der Direktion der SNB und ergreift die erforderlichen Massnahmen, damit die SNB einen privilegierten Zugang zum Kollegium hat, wann immer sie dies für notwendig erachtet.

Nach Darstellung der GPK erkannte die SNB aufgrund von Warnungen der amerikanischen Notenbank die Tragweite der Krise UBS/USA frühzeitig, informierte die EBK/FINMA und das EFD entsprechend und intervenierte zur Wahrung der schweizerischen Interessen auch bei amerikanischen Behörden. Am 12. Dezember 2008 informierte die SNB den Bundesrat beim jährlichen Treffen über die Systemrisiken, denen die schweizerische Wirtschaft aufgrund der Indictment-Drohungen der US-Justiz gegen die UBS ausgesetzt war. Dank der Erläuterungen des Präsidenten der SNB habe der Bundesrat endlich den Ernst der Lage erkannt und verstanden, dass im Dossier zum grenzüberschreitenden Geschäft der UBS die Existenz der UBS auf dem Spiel stand. Aufgrund der positiven Rolle der SNB im Krisenmanagement kommen die GPK zum Schluss, dass die SNB zuhanden der politischen und administrativen Behörden auch in Zukunft die Rolle der Wächterin und Bewahrerin der schweizerischen Finanzstabilität wahrnehmen müsse. In dieser Absicht und in Anbetracht ihrer zentralen Rolle für den Erhalt und das Überleben des Finanzplatzes Schweiz müsse sie regelmässig mit dem Bundesrat in Kontakt sein.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die SNB bereits über einen privilegierten Zugang zum Bundesrat verfügt. Gestützt auf Artikel 7 Absatz 1 des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 2003 (NBG, SR 951.11) findet einmal jährlich eine Aussprache zwischen dem Bundesrat und der Präsidentin oder dem Präsidenten des Direktoriums der SNB statt. Ausserdem trifft sich der Ausschuss des Bundesrates für Allgemeine Wirtschaftspolitik regelmässig mit dem
Direktorium der SNB, um über die Geld- und Währungspolitik der SNB informiert zu werden und um aktuelle Fragen der Wirtschaftspolitik zu erörtern. Es sind keine Probleme ersichtlich, welche Ausdruck beschränkter Zugangsmöglichkeiten für die SNB wären. Obschon die Kompetenzen der drei Behörden gesetzlich hinreichend präzis umschrieben sind ­ sodass keine Gesetzesänderungen notwendig sind ­ und die SNB bereits über einen privilegierten Zugang zum Bundesrat verfügt, ist der Bundesrat aufgrund der Erfahrungen während der Finanzmarktkrise der Ansicht, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen dem EFD, der SNB und der FINMA in ausgewählten Bereichen im Rahmen einer tripartiten Vereinbarung (MoU) institutionalisiert werden sollte (vgl. Stellungnahme zu den E. 1 und 5).

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Zur Empfehlung 13 Empfehlung 13: Die GPK fordern den Bundesrat auf, für die Betreuung von wichtigen Geschäften ­ insbesondere wenn sie departementsübergreifend sind ­ in den betroffenen Departementen zu gewährleisten, dass das jeweilige Generalsekretariat in geeigneter Weise in die Informationsflüsse einbezogen wird, damit es seine Funktion als Stabsstelle des Departements, aber auch des Departementsvorstehers oder der Departementsvorsteherin wahrnehmen kann.

Die GPK kommen in ihrem Bericht zum Schluss, dass dem Bundesrat im Fall der Finanz- und Bankenkrise ungenügende Informationen zur Verfügung standen und dass er jeweils sehr spät in den Entscheidungsprozess einbezogen worden ist. Im Falle der Krise der UBS bekam die GPK offenbar den Eindruck, dass gewisse Stellen in den hauptsächlich involvierten Departementen sehr gut informiert waren und auch die sich abzeichnende Krise analysiert hatten, dass jedoch wichtige Informationen und Erkenntnisse nicht zur Generalsekretärin oder zum Generalsekretär gelangten und im Fall des EDA auch der Staatssekretär ungenügend eingebunden war.

Der Bundesrat stimmt mit der Forderung der GPK in Empfehlung 13 überein. Die Generalsekretariate müssen in geeigneter Weise in die Informationsflüsse integriert werden. Mit Beschluss vom 23. Juni 2010 hat der Bundesrat: 1.

die Bundeskanzlei und die Departemente beauftragt, zu prüfen, ob ­ und wenn ja wie ­ ihre Organisationsverordnungen angepasst werden müssen;

2.

die Bundeskanzlei und die Departemente beauftragt, zu prüfen, welche anderen Massnahmen zu ergreifen sind, um im Sinne der Empfehlung 13 die Stellung der Generalsekretariate zu stärken;

3.

die Bundeskanzlei zudem beauftragt, im Rahmen der Generalsekretärenkonferenz eine Aussprache mit den Generalsekretärinnen und Generalsekretären zu führen und damit den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu fördern.

Die Bundeskanzlei hat daraufhin die Departementsverordnungen analysiert und den Departementen einen Ergänzungsvorschlag gemacht. In der Aussprache der Generalsekretärenkonferenz einigten sich die Departementsvertreterinnen und ­vertreter auf folgende Ergänzung ihrer Organisationsverordnungen: «Das Generalsekretariat initiiert, plant, koordiniert und kontrolliert die Departementsgeschäfte und begleitet insbesondere die wichtigen departementsübergreifenden Geschäfte.» In den einzelnen Organisationsverordnungen wird die oben erwähnte Ergänzung bei der jeweils nächsten Revision explizit verankert werden.

Weiteren Bedarf an zusätzlichen Massnahmen zur Stärkung der Generalsekretariate erkennt der Bundesrat zurzeit nicht. Wo es in der Folge der Bewältigung der Krise opportun erschien, wurden die Konsequenzen aus den erkannten Mängeln gezogen und die notwendigen organisatorischen Massnahmen umgesetzt.

Das EFD nahm eine Reorganisation im Bereich der internationalen Geschäfte und des Rechtsdienstes EFD vor. Diese Bereiche waren sowohl dem Departement als auch dem Direktor der EFV unterstellt. Auf den 1. März 2010 wurde das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF geschaffen, und der Rechtsdienst EFD 3484

wurde von der EFV getrennt. Die Reorganisation erfolgte auf Basis der Erfahrungen der Finanzkrise und mit Blick auf den anhaltenden Druck bei der internationalen Zusammenarbeit im Finanzbereich, namentlich in Steuerfragen. Diese Herausforderungen sollen durch die Schaffung eines entsprechenden Staatssekretariates optimal bewältigt werden. Mit der Totalrevision der Organisationsverordnung des EFD, die auf den 1. März 2010 in Kraft getreten ist, wurden neben der organisationsrechtlichen Verankerung des SIF auch die Aufgaben des Generalsekretariats EFD klarer definiert und dessen Rolle als Stabsstelle des Departements gestärkt.

Zur Empfehlung 14 Empfehlung 14: Die GPK fordern den Bundesrat auf, bei wichtigen Rechtsfragen systematisch eine fundierte Analyse und Beurteilung beim BJ einzuholen.

Im Zusammenhang mit der Herausgabe von Bankkundendaten haben die GPK in ihrem Bericht festgehalten, dass die Vereinbarkeit der Herausgabe mit der Bundesverfassung und dem Bankengesetz nicht vertieft und umfassend durch das Bundesamt für Justiz (BJ) geprüft worden sei. Nach den beiden GPK ist das BJ aber immer beizuziehen, wenn es um grundlegende rechtliche Fragestellungen im Bundesratskollegium geht. In Empfehlung 14 fordern die GPK den Bundesrat daher auf, bei wichtigen Rechtsfragen systematisch eine fundierte Analyse und Beurteilung beim BJ einzuholen.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung entgegenzunehmen. Wie der Bundesrat auch schon im Bericht «Stärkung der präventiven Rechtskontrolle» in Erfüllung des Postulats Pfisterer 07.3360 vom 20. Juni 2007 mit dem Titel «Stärkung der präventiven Verfassungskontrolle» (BBl 2010 2187) festgestellt hat, kommt es in der Praxis insbesondere infolge Zeitdrucks teilweise vor, dass grundlegende rechtliche Fragen zu Geschäften des Bundesrates nicht mit der nötigen Tiefe durch die Organe der präventiven Rechtskontrolle (das BJ, die Bundeskanzlei, die Direktion für Völkerrecht und die Eidgenössische Finanzverwaltung ­ jeweils in ihren Zuständigkeitsbereichen) abgeklärt werden können. Weiter ist dies der Fall, wenn keine Ämterkonsultation durchgeführt wird, so zum Beispiel in der Regel zu Aussprachepapieren.

Der Bundesrat prüft, wie gewährleistet werden kann, dass die Organe der präventiven Rechtskontrolle, insbesondere das Bundesamt für Justiz, zu Geschäften mit wichtigen
und strittigen Rechtsfragen immer und rechtzeitig konsultiert werden. Die antragstellenden Departemente sollen verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass nicht nur wie bisher zu Anträgen, sondern künftig auch zu Aussprachepapieren, die wichtige und strittige Rechtsfragen aufwerfen, eine Ämterkonsultation durchgeführt und dabei zumindest die für die Rechtskontrolle zuständigen Querschnittsämter konsultiert werden. Zudem sollen die antragstellenden Departemente im Antrag an den Bundesrat immer angeben müssen, ob die Organe der präventiven Rechtskontrolle begrüsst wurden und, falls ja, ob und wie ihre Stellungnahme berücksichtigt wurde.

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Zur Motion 2 (10.3392 und 10.3631) Motion 2 Der Bundesrat wird beauftragt, einen Revisionsentwurf des RVOG vorzulegen, welcher eine Pflicht für die durchgehende Schriftlichkeit seiner Beratungen und Beschlüsse verankert. Das Gebot der Schriftlichkeit ist auch bei geheimen Geschäften und im Falle von bloss mündlichen Informationen zu berücksichtigen. Die Protokolle des Bundesrats müssen als Führungsinstrumente verwendet werden können und die nachträgliche Nachvollziehbarkeit der Beratungen und Beschlüsse des Bundesrats gewährleisten.

Mit den Motionen 10.3392 und 10.3631 beauftragen die GPK den Bundesrat, einen Revisionsentwurf des RVOG vorzulegen, welcher eine Pflicht für die durchgehende Schriftlichkeit seiner Beratungen und Beschlüsse verankert. Weiter verlangen die GPK, dass sich der Bundesrat die nötigen Ressourcen und Mittel gibt, damit die «grünen Protokolle» seinen Bedürfnissen gerecht werden und auch als Führungsund Arbeitsinstrument genutzt werden können.

Der Bundesrat hat am 18. August 2010 über die Motion 2 (die Mo 10.3392 und 10.3631) beraten. Er kam dabei zum Schluss, dass vertiefte Abklärungen nötig sind, die einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Die mit der Vornahme dieser Abklärungen beauftragte Bundeskanzlei wird dem Bundesrat bis Ende 2010 ein entsprechendes Konzept unterbreiten. Immerhin kann heute gesagt werden, dass mit der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform dem Parlament beantragt werden soll, dass die Verantwortung der Bundeskanzlei für die Protokollierung und die Ausfertigung der Beschlüsse auf Gesetzesstufe zu verankern sei.

Die heutige Praxis der Vorbereitung und Durchführung der Bundesratssitzungen deckt bereits einen grossen Teil der von den GPK angeregten Schriftlichkeit der Beratungen und Beschlüsse des Bundesrates ab (vgl. die nachstehenden Ausführungen zur E. 15). Der Bundesrat ist bereit, das heutige System der Protokollierung der Bundesratsentscheide weiterzuentwickeln und auszubauen, um allfällige Lücken zu schliessen. An seiner Sitzung vom 18. August 2010 hat er indessen auch entschieden, zum Schutz der Mitglieder des Bundesrates und der offenen Diskussionen im Gremium auf die Erstellung eines Wortprotokolls der Bundesratssitzungen zu verzichten. Ausserdem ist er der Ansicht, dass die Wortprotokolle als Führungsinstrument nicht geeignet sind. Gleichzeitig
hat er der Bundeskanzlei den Auftrag erteilt, das sogenannte grüne Protokoll per Ende 2010 durch ein Beschlussprotokoll zu ersetzen. Das Beschlussprotokoll soll die Beschlüsse des Bundesrates sowie eine kurze Zusammenfassung der Diskussion zum einzelnen Geschäft enthalten. Das Beschlussprotokoll soll an der darauffolgenden Bundesratssitzung zur Genehmigung vorgelegt werden.

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Zur Empfehlung 15 Empfehlung 15: Der Bundesrat gibt sich die nötigen Ressourcen und Mittel, damit er rasch über geeignete Protokolle und über eine ausreichende Geschäftskontrolle verfügt.

Die GPK kritisieren, dass die Schriftlichkeit der Beratungen im Bundesrat nicht immer gewährleistet sei. So existiere kein sogenannt «grünes Protokoll» zu den Sitzungen in Sachen UBS im Zeitraum von September 2008 bis Januar 2009. Weiter enthalte das sogenannte «grüne Protokoll» auch häufig wenige bis keine Angaben zu mündlichen Informationen aus den Departementen und werde den Bundesratsmitgliedern erst mehrere Wochen nach der jeweiligen Bundesratssitzung zugestellt.

Die GPK sind der Auffassung, dass das Kriterium der Schriftlichkeit in allen Situationen gewahrt bleiben müsse. Dies gelte auch für heikle Angelegenheiten. Die geltenden Klassifizierungsvorschriften würden es ohne Weiteres erlauben, auch «geheime» oder «geheim zu haltende» Informationen zu schützen, ohne dass das Erfordernis der Schriftlichkeit geopfert werden müsse. Die Notwendigkeit einer ausreichenden Schriftlichkeit der Beratungen und Beschlüsse des Bundesrats ergebe sich ebenfalls aus Sicht des Verfassungsauftrags der parlamentarischen Oberaufsicht. Ohne ausreichende Schriftlichkeit könne die parlamentarische Oberaufsicht nur ungenügend wahrgenommen werden.

Der GPK-Bericht befasst sich näher mit der Arbeitsweise des Bundesrates und hier insbesondere mit dessen Führungs- und Arbeitsinstrumenten. Die hierzu den GPK zugegangenen Informationen bedürfen der Vervollständigung, weshalb an dieser Stelle die aktuelle Arbeitsweise des Bundesrates und insbesondere der Aspekt der Schriftlichkeit seiner Beratungen erläutert wird.

Betreffend den Vorwurf, wonach es keine «grünen Protokolle» in Sachen UBS für den Zeitraum von September 2008 bis Januar 2009 gebe, gilt es festzuhalten, dass die Bundeskanzlei ­ entgegen der Anweisung des Bundespräsidenten ­ insgeheim Aufzeichnungen gemacht und diese im Nachhinein in einer 12-seitigen Chronologie («stichwortartige Aufzeichnungen der Verhandlungen des Bundesrates zum Thema UBS») zusammengestellt und den Mitgliedern des Bundesrates zugestellt hat.

Gemäss heutiger Praxis werden für jede Bundesratssitzung von der Bundeskanzlei folgende Protokolle erstellt: ­

Beschlussprotokoll: Dieses gibt einen Gesamtüberblick über die Ergebnisse der einzelnen traktandierten Geschäfte der Bundesratssitzung und erscheint gleichentags als bereinigte, das heisst mit dem Ergebnis der Diskussion zum einzelnen Sachgeschäft ergänzte Traktandenliste. Zu jedem Geschäft wird in Kürzestform das Ergebnis festgehalten, z.B. «gemäss Antrag», «gemäss Mitberichtsverfahren» oder «verschoben».

­

Beschlussdispositiv (auch «Bundesratsbeschluss, BRB» oder «Protokollauszug» genannt): Zu den einzelnen Geschäften werden die Beschlüsse des Bundesrates grundsätzlich in Form eines Dispositivs festgehalten, welches in der Ausführlichkeit (Dokumentenlänge) mit einem Urteilsdispositiv im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vergleichbar ist. Das Dispositiv enthält keine Erwägungen, ist aber selbsterklärend und gibt alle Elemente des Bun3487

desratsbeschlusses (z.B. zum Vollzug oder zum weiteren Vorgehen, auch zur Kommunikation) und der konkreten erteilten Aufträge inkl. Frist wieder.

Die Dispositive werden in der Regel vom Vizekanzler (und Leiter des Bereichs «Bundesrat» der Bundeskanzlei) noch am Tag der Bundesratssitzung unterzeichnet. Das antragstellende Departement bereitet das Beschlussdispositiv vor und stellt es der Bundeskanzlei, zusammen mit dem Antrag, in Form eines Entwurfs zu. Die BK eröffnet mit dem Antrag und dem Entwurf des Beschlussdispositivs das Mitberichtsverfahren.Im Laufe des Mitberichtsverfahrens wird der Entwurf des Beschlussdispositivs bei Bedarf laufend angepasst. Die Ausfertigung der Beschlüsse nach der Bundesratssitzung ist Sache der Bundeskanzlei.

­

Aufzeichnungen der Bundeskanzlei zur Beratung im Bundesrat (auch «grünes Protokoll» genannt): Im sog. «grünen Protokoll» werden die Kernpunkte der Beratungen im Bundesrat festgehalten: Es handelt sich um Zusammenfassungen der Kernaussagen der einzelnen Mitglieder des Bundesrates (Schlüsselvoten der Diskussion). Die Aufzeichnungen werden in der Regel vom Vizekanzler und Bundesratssprecher (und Leiter des Bereichs «Information und Kommunikation» der Bundeskanzlei) erstellt, der dies neben seiner Haupttätigkeit (Vorbereitung der Kommunikation und Beratung des Bundesrates in Kommunikationsfragen) macht. Er notiert sich hierzu während der Beratung im Bundesrat stichwortartig die Voten der Mitglieder des Bundesrates und redigiert dann in den Tagen nach der jeweiligen Sitzung einen Aufzeichnungstext. Dieser Text wird anschliessend vertraulich den Mitgliedern des Bundesrates, der Bundeskanzlerin sowie den Vizekanzlern zu deren persönlicher Kenntnisnahme und Archivierung im persönlichen Safe zugestellt. Auf diese Aufzeichnungen wird in der Regel in den nachfolgenden Sitzungen des Bundesrates nicht mehr zurückgekommen, insbesondere werden diese Aufzeichnungen nicht traktandiert, um dann vom Bundesrat genehmigt zu werden. Die Mitglieder des Bundesrates sind verpflichtet, diese Aufzeichnungen während ihrer Amtszeit unter Verschluss zu halten und bei ihrem Rücktritt komplett der Bundeskanzlei zu retournieren. Die Bundeskanzlei ihrerseits übergibt dem Bundesarchiv jeweils eine Kopie der erstellten Aufzeichnungen; diese Kopien bleiben beim Bundesarchiv während 50 Jahren unter Verschluss.

Der Bundesrat verfolgt das gleiche Ziel wie die GPK. Er möchte die Nachvollziehbarkeit seiner Beschlussfassung verbessern. Dabei ist aber zu beachten, dass das Kollegialitätsprinzip, dessen Stärkung die GPK ebenfalls fordern, gegen die Erstellung von Wortprotokollen über die Beratungen im Bundesrat spricht. Für eine freie kollegiale Beratung, die einen echten Konsens ermöglich soll, ist es von grosser Wichtigkeit, dass die Sitzungen nicht öffentlich sind und das Sitzungsgeheimnis auch später gewahrt bleibt. Wortprotokolle würden hingegen den freien Austausch im Bundesrat behindern. Der Bundesrat ist zudem der Ansicht, dass Wortprotokolle als eigentliches Führungsinstrument nicht geeignet sind. Die Wortprotokolle bilden den Entscheidfindungsprozess ab; die Entscheide selbst werden ausführlich in den Beschlussdispositiven festgehalten. Letztere dienen denn auch bereits heute als Führungsinstrumente und sind als solche beizubehalten.

Für den Bundesrat steht die durchgehende Schriftlichkeit seiner Beschlüsse im Vordergrund. Artikel 1 Absatz 5 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (RVOV; SR 172.010.1) sieht bereits heute vor, 3488

dass für jedes seiner Geschäfte die Beschlüsse schriftlich festgehalten werden. Die erwähnten schriftlichen Beschlüsse des Bundesrates («Beschlussdispositive») haben sich in den letzten Jahrzehnten als Führungsinstrumente bewährt. Sie sollen deshalb weiterhin als eigentliches Arbeitsinstrument des Bundesrates beibehalten werden.

Der Bundesrat will aber gleichzeitig der Empfehlung der GPK Rechnung tragen und prüft deshalb zurzeit, inwiefern die Beschlussdispositive des Bundesrates und das Beschlussprotokoll des Bundesrates weiterentwickelt und ausgebaut werden können (u.a. Nachvollziehbarkeit der mündlich erteilten Aufträge). Der Bundesrat hat der Bundeskanzlei bereits den Auftrag erteilt, ein entsprechendes Konzept auszuarbeiten, das auch die Allokation der nötigen Ressourcen und Mittel an die Bundeskanzlei enthält. Das Konzept soll insbesondere das Anliegen umsetzen, das sogenannte grüne Protokoll durch ein Beschlussprotokoll zu ersetzen. Das Beschlussprotokoll soll die Beschlüsse des Bundesrates sowie eine kurze Zusammenfassung der allfälligen Diskussion zum einzelnen Geschäft enthalten. Es soll an der jeweils folgenden Bundesratssitzung zur Genehmigung vorgelegt werden. Der Bundesrat beabsichtigt, bis spätestens Ende 2010 über ein entsprechendes Konzept der Bundeskanzlei zu befinden.

Im Zuge der Kritik an der Protokollführung im Bundesrat erachten es die GPK in ihrem Bericht als notwendig, dass eine einheitliche und allen Bundesratsmitgliedern zugängliche Geschäfts- und Pendenzenkontrolle vorhanden ist, welche sowohl die schriftlichen wie auch die mündlichen Aufträge des Kollegiums nachverfolgt. Diese Erfordernisse ergäben sich insbesondere daraus, dass der Bundesrat gemäss Bundesverfassung die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes sei und dadurch letztlich als Kollegium die Gesamtverantwortung für die Tätigkeit der einzelnen Departemente trage. Zur Umsetzung empfehlen die GPK dem Bundesrat, rasch die notwendigen Ressourcen und Mittel für eine ausreichende Geschäftskontrolle zur Verfügung zu stellen.

In ihrem Bericht kommen die GPK weiter zum Schluss, dass «die Stellung der BK und auch die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Stabsstelle des Bundesrates gestärkt werden müssen». Sie würden im Rahmen der Regierungsreform auf diesen Punkt zurückkommen, empfehlen aber bereits jetzt mit
ihrer Empfehlung 18, dass das Controlling über die Aufträge des Bundesratskollegiums zu optimieren sei.

Mit Blick auf die von den GPK empfohlene Optimierung bedarf es einer kurzen Darstellung über die aktuellen Controllinginstrumente des Bundesrates. Erste Ansätze für ein Controlling der bundesrätlichen Aufträge an die Departemente gehen auf die 1990er-Jahre zurück. Der Bundesrat hat die damals von ihm eingesetzte Verwaltungskontrolle (VKB) mit BRB vom 20. Dezember 2000 wieder aufgelöst, und er hat die BK beauftragt, das Controlling des Vollzugs von Bundesratsbeschlüssen neu BK-intern wahrzunehmen. Das daraufhin von der BK erarbeitete neue Controlling-Instrument enthielt eine Übersicht über Aufträge, die der Bundesrat den Departementen erteilt hatte. Dieses Instrument wurde im Jahr 2005 von der BK weiterentwickelt. Damals wurde festgestellt, dass die zeitgerechte Umsetzung der schriftlich festgehaltenen Bundesratsbeschlüsse in den federführenden Departementen noch optimiert werden kann und es auch an einem Instrument fehlt, das dem Bundesrat eine Übersicht über den Stand der hängigen Geschäfte verschafft. Seither führt die BK eine schriftliche Geschäftskontrolle, die jede Woche aufgrund der neuen schriftlich ergangenen Bundesratsbeschlüsse aktualisiert wird. In den vergangenen Jahren wurde den Departementsvorsteherinnen und -vorstehern sowie den Generalsekretärinnen und -sekretären von der BK zweimal jährlich eine 3489

Übersicht der in ihrem Departement offenen Geschäfte zugestellt. Damit stellte die BK sicher, dass die einzelne Departementsführung ihre departementale Geschäftskontrolle aufgrund einer externen Pendenzenliste auf Vollständigkeit und Fristenlauf überprüfen konnte. Parallel dazu übergab die BK dem Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin zweimal jährlich eine Geschäftskontrolle über sämtliche offenen Bundesratsgeschäfte. Ziel war es, der oder dem Vorsitzenden des Regierungskollegiums eine Übersicht zu verschaffen und gestützt darauf schwerpunktmässig in den einzelnen Departementen auf die Umsetzung von Bundesratsentscheiden hinzuwirken. Auf Antrag der BK hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 24. März 2010 entschieden, das System der Geschäftskontrolle zu optimieren. Insbesondere wurde festgehalten, dass künftig auch über die vertraulichen Geschäfte ein Vollzugscontrolling erfolgen soll und dass die einzelnen Mitglieder des Bundesrates nicht nur von den pendenten Geschäften in ihren eigenen Departementen Kenntnis nehmen sollen, sondern dass sie einen Gesamtüberblick über alle Geschäfte erhalten. Gestützt darauf führt die BK seither eine den Departementen zweimal jährlich zugestellte umfassende Geschäftskontrolle über sämtliche schriftlichen Aufträge des Bundesrates für intern und vertraulich klassifizierte Geschäfte durch. Nicht enthalten sind mündliche Aufträge; diese sind bis anhin in den Aufzeichnungen («grünes Protokoll») festgehalten. Diese Aufzeichnungen werden, wie auch die schriftlich festgehaltenen Aufträge bei geheimen Geschäften, von der BK einzig den Mitgliedern des Bundesrates zur Kenntnis gebracht.

Die aktuelle Geschäftskontrolle kann weiter verfeinert werden: Wohl ist die Geschäftsund Pendenzenkontrolle einheitlich und allen Bundesratsmitgliedern zugänglich, hingegen ist deren Vollständigkeit noch nicht gänzlich sichergestellt. Mündlich im Bundesrat an die Departemente erteilte Aufträge sind beispielsweise darin nicht aufgeführt. Mit dem systematischen Festhalten des einzelnen mündlichen Auftrags würde der von den GPK empfohlenen durchgehenden Schriftlichkeit für alle Arten von Geschäften und Beschlüssen Rechnung getragen. Aus den Empfehlungen der GPK und ihrem Hinweis auf die Gesamtverantwortung als Kollegium für die Tätigkeit der einzelnen Departemente leitet der Bundesrat
weiter ab, dass die Erstellung und Abgabe der Geschäftskontrolle rascher und in kürzeren Intervallen erfolgen könnte. Die Bundeskanzlei würde das aktuell alle sechs Monate dem Bundesrat vorgelegte Dokument demnach in kürzeren Abständen aktualisieren und verteilen.

Analog zur Frage der Weiterentwicklung und des Ausbaus der Beschlussdispositive und des Beschlussprotokolls hat der Bundesrat gestützt auf die Empfehlung 15 die Bundeskanzlei beauftragt, ein Konzept zur Optimierung der aktuellen Geschäftskontrolle auszuarbeiten. Auch hier beabsichtigt der Bundesrat, bis spätestens Ende 2010 über einen entsprechenden Antrag der Bundeskanzlei zu befinden.

Zur Empfehlung 16 Empfehlung 16: Der Bundesrat passt sein Stellvertretungssystem den Anforderungen an eine moderne Regierungstätigkeit an. Dabei prüft er die Notwendigkeit und Zweckmässigkeit eines regelmässigen Einbezugs der Stellvertreterin oder des Stellvertreters in die reguläre Geschäftstätigkeit des jeweiligen Departements.

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Die GPK führen aus, dass der Informationsfluss zwischen den Departementsvorsteherinnen und -vorstehern auf der einen und den Stellvertreterinnen und Stellvertretern auf der anderen Seite nicht immer gewährleistet sei. Auch seien die Übergaben zu Beginn und am Ende einer Stellvertretung nicht geregelt, was zu Doppelspurigkeiten führen könne. Die GPK kommen daher zur Erkenntnis, dass das heutige Stellvertretungssystem des Bundesrates in mehrfacher Hinsicht anpassungsbedürftig sei und nicht mehr den Erfordernissen an eine moderne Regierungstätigkeit entspreche. Für den Fall eines Ausfalls eines Bundesrats-mitglieds seien zweckmässige Lösungen vorzusehen. Sie verlangen daher die Vornahme der notwendigen Anpassungen. Insbesondere sei die Notwendigkeit und Zweckmässigkeit eines regelmässigen Einbezugs der Stellvertreterin oder des Stellvertreters in die Geschäftstätigkeit des jeweiligen Departements zu prüfen.

Die Stellvertretung im Bundesrat ist im RVOG nur in groben Zügen geregelt.

Demnach bezeichnet der Bundesrat für jedes seiner Mitglieder aus der Mitte des Regierungskollegiums eine Stellvertretung (Art. 22 RVOG). Jedes Mitglied des Bundesrates vertritt somit ein anderes Mitglied. Der Bundesrat bezeichnet die Stellvertretungen mittels Beschluss anlässlich der Departementsverteilung zu Beginn der Legislaturperiode oder nach der Wahl eines neuen Mitgliedes.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung 16 umzusetzen und die Regelung des Stellvertretungssystems des Bundesrates auszubauen. Zu diesem Zweck schlägt er im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform eine Anpassung von Artikel 22 RVOG über die Stellvertretung im Bundesrat vor. Jedes Bundesratsmitglied soll gesetzlich verpflichtet werden, sein Departement so zu organisieren, dass seine Stellvertretung in einem unvorhergesehenen Fall sofort die Departementsleitung übernehmen kann und über die wichtigen Geschäfte und die zu treffenden Entscheide informiert wird. Die revidierte Bestimmung über die Stellvertretung soll zudem vorsehen, dass sowohl zu Beginn wie am Ende einer Stellvertretung wenn möglich ­ analog zur Übergabe des Bundespräsidiums oder bei einem Departementswechsel ­ eine formelle Übergabe durchzuführen ist. Damit sollen Doppelspurigkeiten verhindert werden. Zudem sollen die verschiedenen Ausschüsse des Bundesrates für einen
gezielten Informationsaustausch bewusster genutzt werden. In diesen Ausschüssen werden bereits heute Themen diskutiert, welche die fachliche Zuständigkeit mehrerer Bundesratsmitglieder berühren. Hingegen möchte der Bundesrat davon absehen, den regelmässigen Einbezug der Stellvertretung in die Geschäftstätigkeit des jeweiligen Departements gesetzlich zu statuieren. Eine systematische Information der Stellvertretung über die erforderliche Information des Bundesrates hinaus ist nicht notwendig und könnte zu zeitlichen und kapazitätsmässigen Engpässen führen. Eine punktuelle Information reicht nach Ansicht des Bundesrates dazu aus, dass eine Übernahme der Departementsleitung jederzeit sichergestellt ist.

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Zur Motion 3 (10.3393 und 10.3632) Motion 3 Der Bundesrat wird beauftragt, das Instrument des 3er-Ausschusses im RVOG zu regeln, damit diese Ausschüsse bei wichtigen und übergreifenden Geschäften einen Ausgleich zwischen dem Departemental- und dem Kollegialprinzip schaffen und die Entscheidgrundlagen des Bundesrats verbessert werden.

Aus der Sicht der GPK herrscht im Bundesrat ein stark ausgeprägter Departementalansatz; es bestehe die Gefahr, dass das Departementalprinzip (Art. 177 Abs. 2 BV) das Kollegialprinzip (Art. 177 Abs. 1 BV) aushöhle. Die Mitglieder des Bundesrates würden sich mit Nachfragen zurückhalten, da dies als Angriff auf das Kollegialprinzip verstanden werde oder werden könnte. Dies gelte auch für das Mitberichtsverfahren. Für die GPK ist es unerlässlich, dass das Bundesratskollegium dem ausgewogenen Verhältnis des Kollegial- und des Departementalprinzips ein besonderes Augenmerk schenkt und dass es ­ wenn immer nötig ­ einen Ausgleich schafft.

Diese Aufgabe könne nur vom Kollegium selber wahrgenommen werden. Die GPK kommen in ihrem Bericht zum Schluss, dass ad-hoc eingesetzte oder permanente 3er-Ausschüsse des Bundesrats ein geeignetes Instrument seien, um den Ausgleich zwischen Departemental- und Kollegialprinzip zu verbessern: Das Arbeiten in kleinen Ausschüssen ermögliche eine frühzeitige, vertiefte und breit abgestützte Diskussion schwieriger Themen unter Beteiligung der höchsten Ebene der betroffenen Departemente. Eine im Ausschuss erarbeitete Lösung stosse zudem im Kollegium auf grössere Akzeptanz.

Der Bundesrat möchte zunächst klarstellen, dass es nicht zutrifft, dass die Mitglieder des Bundesrates sich aufgrund des Kollegialprinzips eine eigentliche Zurückhaltung gegenüber den Geschäften ihrer Kolleginnen und Kollegen auferlegen. Ausdruck der departemtentsübergreifenden Mitgestaltung der Regierungsgeschäfte ist das schriftliche Mitberichtsverfahren. Hier wird oft mittels Antrag oder in kommentierender Weise zu den Geschäften aus den Departementen Stellung genommen. Ein Blick auf die Statistik belegt dies: Seit Anfang 2008 wurden im erwähnten Mitberichtsverfahren für ca. 3200 traktandierte Geschäfte (nicht eingerechnet sind dabei Routinegeschäfte und parlamentarische Vorstösse) rund 1700 Mitberichte verfasst. Zu umstrittenen Geschäften werden jeweils mehrere Mitberichte
aus den Departementen eingereicht.

Sobald zu einem Geschäft mindestens drei Mitberichte vorliegen, erstellt das federführende Departement eine synoptische Darstellung der Differenzen. Das federführende Departement nimmt umgehend Stellung zum Antrag bzw. den Anträgen des mitberichtenden Departementes. Ist das mitberichtende Departement mit der Antwort des federführenden Departements nicht einverstanden, kann es eine Vernehmlassung zur Stellungnahme verfassen.

Im Weiteren benutzen die Mitglieder des Bundesrates auch rege die Möglichkeit, sich im Rahmen der Beratung während der Sitzungen zu den Geschäften der Kolleginnen und Kollegen zu äussern.

Zu umstrittenen Geschäften findet oft eine erste Diskussion im Bundesrat statt, und der endgültige Entscheid wird erst an der nächsten oder übernächsten Sitzung gefällt. Zudem benützt der Bundesrat das Instrument der Aussprache, in der in einer 3492

frühen Phase der Entscheidungsfindung verschiedene mögliche Vorgehensweisen einander gegenübergestellt und diskutiert werden.

Im Übrigen teilt der Bundesrat die Ansicht, dass Bundesratsausschüsse die kollegiale Führung stärken können. Die vertiefte Zusammenarbeit von drei Bundesratsmitgliedern und von drei Departementen erleichtert es, ein behandeltes Thema zum Kollegiumsthema zu machen und es aus der vorwiegend departementalen Sicht herauszulösen. Ausschüsse helfen, das sektorielle Denken zu überwinden. Damit die Ausschüsse zur Stärkung des Bundesrates als Kollegialbehörde beitragen, ist es unerlässlich, dass der Bundesrat über die in den Ausschüssen getätigten Arbeiten laufend, rechtzeitig und ausreichend informiert wird.

Heute bestehen 17 Ausschüsse. Einige wurden bereits in den 1970er-Jahren eingesetzt, andere erst in den letzten Jahren. Ein Teil der Ausschüsse ist jedoch nicht aktiv. Der Bundesrat ist wie die GPK der Ansicht, dass die Möglichkeiten der Ausschüsse gegenüber heute ausgebaut werden können, weshalb er am 18. August 2010 beschloss, die Annahme der Motion 3 (10.3393 und 10.3632) zu beantragen.

Der Bundesrat beabsichtigt, Ende 2010 sämtliche bestehenden Ausschüsse aufzuheben und per Anfang 2011 nur noch diejenigen neu einzusetzen, die effektiv gebraucht werden. Diese Ausschüsse sind gezielt zu stärken. In Umsetzung der Motionen 10.3393 und 10.3632 ist die bestehende gesetzliche Grundlage für die Bestellung von Bundesratsausschüssen (Art. 23 RVOG) daher anzupassen. Der Bundesrat unterbreitet im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform einen entsprechenden Vorschlag. Dieser sieht wie folgt aus: In Artikel 23 RVOG soll verankert werden, dass die Ausschüsse den Bundesrat regelmässig über ihre Beratungen informieren, damit dieser mit grosser Effizienz wichtige politische Fragen diskutieren und entscheiden kann. Neu soll das Gesetz ein Sekretariat für jeden Ausschuss vorsehen. Die dem federführenden Departement angegliederten Sekretariate sollen für die administrative Begleitung der Ausschüsse wie Sitzungsorganisation, Protokollierung und Aktenverwaltung zuständig sein. Auf Gesetzesstufe soll ferner der Charakter der Ausschüsse als Entscheidvorbereitungsorgane des Bundesrates verankert werden.

Zur Motion 4 Motion 4 Der Bundesrat wird beauftragt, im Rahmen der laufenden
Regierungsreform konkrete Massnahmen zu beschliessen bzw. vorzuschlagen, damit er bei wichtigen Geschäften eine effektive Führung wahrnehmen kann, die im Einklang mit seiner Gesamtverantwortung als Kollegial- und oberste Exekutivbehörde steht.

Nach Ansicht der GPK hat der Bundesrat seine Gesamtverantwortung als Kollegialund oberste Exekutivbehörde des Landes «im Dossier des grenzüberschreitenden Geschäfts der UBS nicht wahrgenommen». Für die GPK lag dies einerseits am Selbstverständnis des Bundesrates als Kollegium und andererseits am Vorrang des Departementalprinzips. Die GPK sind der Meinung, dass in dieser Hinsicht ein dringender Handlungsbedarf bestehe, «damit der Bundesrat nicht nur formell, sondern auch effektiv die wichtigen Geschäfte als Kollegium führt und für diese die kollektive Verantwortung wahrnimmt».

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Nach Artikel 174 BV ist der Bundesrat die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes. In Artikel 177 BV sind das Kollegial- und das Departementalprinzip verankert. Nach Absatz 1 entscheidet der Bundesrat als Kollegium. Für die Vorbereitung und den Vollzug werden die Geschäfte des Bundesrates nach Departementen auf die einzelnen Mitglieder verteilt (Abs. 2). Auf Gesetzesstufe ist die politische Gesamtverantwortung des Bundesrats als Kollegium für die Wahrnehmung der Regierungsfunktionen in Artikel 4 RVOG verankert. Die Führungsfunktion des Bundesrates ist insbesondere in Artikel 6 RVOG umschrieben: Gemäss Artikel 6 Absatz 2 RVOG räumt der Bundesrat der Wahrnehmung der Regierungsobliegenheiten Vorrang ein. Dieses Gebot richtet sich auch an die Mitglieder des Bundesrates. Demnach sollen sie sich nicht nur um die eigenen Geschäfte kümmern, sondern auch um jene der anderen Departemente. Artikel 6 Absatz 3 RVOG verpflichtet den Bundesrat im Weiteren, alle Massnahmen zu treffen, um die Regierungstätigkeit sicherzustellen. Ausserdem ist der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin gemäss Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe d RVOG befugt, jederzeit Abklärungen über bestimmte Angelegenheiten anzuordnen und dem Bundesrat geeignete Vorschläge zu unterbreiten.

Bei den bestehenden Bestimmungen zum Bundesrat als Kollegium können in der Tat gewisse Lücken hinsichtlich der umfassenden Führung durch den Bundesrat als Kollegialbehörde ausgemacht werden. Der Bundesrat stimmt deshalb mit den GPK darin überein, dass der Bundesrat als Kollegium zu stärken ist, und er hat darum am 18. August 2010 beschlossen, die Annnahme der Motion 4 (10.3394 und 10.3633) zu beantragen.

Leitschnur der Optimierungen soll dabei stets die gesamtverantwortliche Führung der Regierung sein. Damit der Bundesrat eine solche Führung effektiv wahrnehmen kann, muss er rechtzeitig und kontinuierlich über die notwendigen Informationen verfügen. Die Mitglieder des Bundesrates und die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler sollen deshalb ausdrücklich verpflichtet werden, den Bundesrat regelmässig über ihre Geschäfte zu informieren. Eine wichtige Aufgabe der einzelnen Mitglieder des Bundesrates wird dabei die persönliche Einschätzung der Bedeutung einer Angelegenheit und des richtigen Zeitpunktes der Information des Kollegiums sein. Im Weiteren
ist dem Bundesrat explizit das Recht einzuräumen, von den einzelnen Bundesratsmitgliedern bei Bedarf die Herausgabe von Informationen zu wichtigen Geschäften zu verlangen. Der Bundesrat schlägt daher im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform die Aufnahme einer Bestimmung über die Informationspflichten der Bundesratsmitglieder und der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers sowie über die Auskunftsrechte des Bundesrates gegenüber dem einzelnen Mitglied vor (neuer Art. 12a).

Als weitere Massnahme zu Stärkung der effektiven Führung des Bundesrates kommt für den Bundesrat in Betracht, die Aufgaben der Bundesratssprecherin oder des Bundesratssprechers klarer zu definieren und dabei die heutige Praxis gesetzlich festzuschreiben. Neu soll in Artikel 10a RVOG verankert werden, dass die Bundesratssprecherin oder der Bundesratssprecher den Bundesrat und seine Mitglieder zu sämtlichen Geschäften im Zusammenhang mit der Information der Öffentlichkeit berät. Damit wird eine einheitliche Informations- und Kommunikationspolitik des Bundesrates gewährleistet. Die entsprechende Anpassung wird der Bundesrat im Rahmen der Zusatzbotschaft zur Regierungsreform vorschlagen.

Schliesslich prüft der Bundesrat die Stärkung der Führung des Bundesrates in jenen Fällen, in denen die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident gleichzeitig dem 3494

Departement vorsteht, das in einer ausserordentlichen Lage fachlich für ein zentrales Geschäft zuständig ist. In solchen Lagen ist die Führung des Bundesrates von der Federführung für ein wichtiges Geschäft zu trennen. In solchen Fällen soll entschieden werden, ob die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident das Sachgeschäft zur Weiterbetreuung an die Stellvertretung abgibt oder ob die Leitung der Bundesratssitzungen zu diesem Geschäft an die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten des Bundesrates übertragen wird. Der Bundesrat beabsichtigt, diese Wahlmöglichkeit in der RVOV zu verankern.

Zur Empfehlung 17 Empfehlung 17: Die GPK laden die zuständigen Legislativkommissionen ein, im Rahmen der Beratungen der Regierungsreformvorlage den Massnahmen für eine effektive und seiner Gesamtverantwortung als Kollegial- und oberste Exekutivbehörde entsprechende Führung wichtiger Dossiers durch das Bundesratskollegium besondere Bedeutung beizumessen.

Zu dieser Empfehlung äussert sich der Bundesrat nicht. Sie richtet sich an parlamentarische Kommissionen.

Zur Empfehlung 18 Empfehlung 18: Die GPK laden den Bundesrat ein, alle Aufträge des Bundesratskollegiums durch die Bundeskanzlei erfassen zu lassen und ein entsprechendes Controlling zuhanden des Bundesrats durchzuführen.

In seiner Stellungnahme zu Empfehlung 15 hat sich der Bundesrat bereits eingehend zur Frage einer ausreichenden Geschäftskontrolle geäussert. Ergänzend dazu äussert er sich zur Empfehlung für ein Controlling zuhanden des Bundesrates wie folgt: Durch die Einrichtung eines umfassenden Controllings zuhanden des Bundesrates kann ein Steuerungs- und Koordinationsinstrument eingeführt werden, welches auch die langfristige Erfüllung der festgelegten Ziele unterstützt. In diesem Sinn soll die Geschäftskontrolle jederzeit Informationen für den Bundesrat wie auch für die Departemente zur Verfügung stellen. Die Aufgaben des Controllings würden über den reinen Soll-Ist-Vergleich der bereits bestehenden Geschäftskontrolle hinausgehen. In erster Linie soll das umfassende Controlling ein Informationsinstrument sein, welches zu einer Optimierung der Steuerung und Koordination der Geschäfte durch den Bundesrat beiträgt. Sowohl der Bundesrat als Kollegium wie auch die Departemente sollen dadurch einen Mehrwert erzielen. Durch das Controlling sollen
eventuelle Abweichungen von der Planung festgestellt, deren Ursachen und Auswirkungen ermittelt und Korrekturmassnahmen eingeleitet werden können. Das Controlling soll in erster Linie den Geschäftsstand (u.a. Vorentscheid, Eröffnung der Vernehmlassung, Kenntnisnahme der Vernehmlassung, Botschaft/Bericht, parlamentarische Beratung, Volksabstimmung und Vollzug) aller Bundesratsgeschäfte und aller 3495

Aufträge, die vom Parlament an den Bundesrat gehen (Motionen, Postulate und Aufträge aus Erlassen), überwachen und über deren Entwicklung informieren. Das Controlling hat insbesondere auch die in der Legislaturplanung aufgeführten Geschäfte sowie die Jahresziele zu umfassen. Berücksichtigt werden müssen auch ungeplante Geschäfte, nicht prioritäre Geschäfte, parlamentarische Initiativen, Vorstösse usw. Wo es notwendig ist, sind die Informationen auch miteinander zu verknüpfen (z.B. Verknüpfung zw. der Motion und dem durch sie ausgelösten Gesetzgebungsvorhaben). Zudem sollte das Controlling Informationen über die Arbeiten der bundesrätlichen Ausschüsse enthalten und diese, wo es notwendig ist, mit den bundesrätlichen Geschäften verknüpfen. Durch das Controlling wird also die reine Kontrolle des Standes der Geschäfte ergänzt. Das umfassende Instrument soll auch Informationen materieller Art liefern, indem die inhaltliche Stossrichtung der Geschäfte mit den bisherigen bundesrätlichen Leitlinien und Zielen auf Übereinstimmung überprüft wird.

Wie die GPK kommt auch der Bundesrat zum Schluss, dass die aktuelle Geschäftskontrolle optimiert und allenfalls zu einem umfassenderen Controlling ausgebaut werden kann. Auf dieser Grundlage muss über die Zuteilung von Aufgaben und von notwendigen Ressourcen entschieden werden. Der Bundesrat hat aus diesem Grunde an seiner Sitzung vom 18. August 2010 die Bundeskanzlei beauftragt, ein Konzept für die Optimierung der heute durch die BK praktizierten Auftragserfassung und Geschäftskontrolle des Bundesrates auszuarbeiten und dem Bundesrat bis Ende 2010 zu unterbreiten.

Zum Postulat 2 Postulat 2 Der Bundesrat wird beauftragt, die im Bericht der GPK aufgeworfenen Fragen zur Anwendung des Artikels 271 StGB sowie zur Kompatibilität des QIA mit dem schweizerischen Bankgeheimnis in einem vertieften Bericht umfassend abzuklären.

Die GPK halten fest, dass sie in ihrer Untersuchung der Frage nicht nachgegangen sind, inwiefern das im Jahr 2000 zwischen dem amerikanischen Staat und der Schweizerischen Bankiervereinigung abgeschlossene QIA auch tatsächlich mit dem Bankgeheimnis kompatibel war, und falls ja, ob das auch später, d. h. im Zuge der einseitigen Verschärfungen durch den IRS, noch der Fall war. Auch nicht geprüft haben die GPK die Rolle des EFD bzw. der ESTV bei den
seinerzeitigen Verhandlungen der Schweizerischen Bankiervereinigung mit dem IRS. Die GPK könnten lediglich feststellen, dass die EBK von der grundsätzlichen Kompatibilität des QIA mit dem Bankgeheimnis ausging, sich aber offensichtlich nie vertieft mit dieser Frage auseinandergesetzt habe, ebensowenig wie das EFD. Aus der Sicht der GPK wäre es deshalb wünschenswert, dass seitens der Schweizer Behörden die nötige Klarheit geschaffen und insbesondere auch die Frage geklärt wird, welche Rolle die Schweizer Behörden bei privaten Verträgen zwischen den Schweizer Banken und dem amerikanischen Staat spielen oder spielen müssen. Ebenfalls sei zu klären, ob solche Genehmigungen nicht periodisch überprüft werden müssten.

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 18. August 2010 die Annahme des Postulats 2 beantragt. Der Bundesrat anerkennt die Anliegen des Postulates. Das Bundesamt für 3496

Justiz wird sich mit den im GPK-Bericht aufgeworfenen Fragen zu Artikel 271 StGB und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen mit dem Fragenkomplex im Zusammenhang mit dem QIA befassen.

Zur Motion 5 Motion 5 Der Bundesrat wird beauftragt, eine Revision der Artikel 164 und 165 StGB vorzuschlagen, welche deren Anwendbarkeit auf Grossunternehmungen erweitert, falls diese aufgrund ihrer Systemrelevanz für die Volkswirtschaft und die Finanzstabilität durch staatliche Interventionen vor ihrem Untergang bewahrt werden müssen.

Die GPK sind der Meinung, dass die Tatbestände der Artikel 164 StGB (Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung) und Artikel 165 StGB (Misswirtschaft) auch für Unternehmen gelten sollten, welche infolge ihrer systemischen Grösse vom Staat finanziell unterstützt werden müssen oder müssten, um ihren Untergang zu verhindern, wie das bei der UBS der Fall war. Die beiden Bestimmungen setzen gegenwärtig jedoch voraus, dass der Konkurs eröffnet oder ein Verlustschein ausgestellt wurde. Mit der Motion sollen diese objektiven Strafbarkeitsbedingungen ergänzt werden.

Der Bundesrat beantragt mit Entscheid vom 18. August 2010 aufgrund der nachfolgenden Ausführungen die Ablehnung der Motion: Die Artikel 164 und 165 StGB sind systematisch bei den Konkurs- und Betreibungsverbrechen und -vergehen eingereiht, und entsprechend sind die Konkurseröffnung oder das Ausstellen eines Verlustscheins objektive Strafbarkeitsbedingungen. Dieses zusätzliche Erfordernis dokumentiert einen bestimmten Grad der Gefährdung der Gläubigerinteressen; die Beeinträchtigung der Zugriffsrechte der Gläubiger wird dadurch manifest. Erst unter dieser Voraussetzung entsteht ein relevantes Strafbedürfnis. Ferner sollen damit Fälle von der Strafbarkeit ausgeschlossen werden, in denen eine Benachteiligung der Gläubiger von vorneherein schwer nachzuweisen wäre. Mit der vorgeschlagenen Änderung würde die vom Gesetzgeber mit den objektiven Strafbarkeitsbedingungen beabsichtigte Einschränkung der Strafbarkeit nicht mehr gelten.

Zunächst schützen die Artikel 164 und 165 StGB das Vermögen der Gläubiger des Schuldners, indem der Schuldner, der in Vermögensverfall geraten ist oder dem der Verfall droht, das noch vorhandene Vermögen seinen Gläubigern erhalten muss.

Entsprechend muss für eine Strafbarkeit bei den
Gläubigern ein Schaden (Art. 164 StGB) oder zumindest eine vorübergehende Schädigung eingetreten sein (Art. 165 StGB). Solange aber weder der Konkurs eröffnet noch ein Pfändungsverlustschein ausgestellt ist, lässt sich dieser Schaden nicht oder nur sehr schwer nachweisen.

Insbesondere bei Grossunternehmen, die aufgrund ihrer Systemrelevanz für die Volkswirtschaft und die Finanzstabilität vor dem Untergang bewahrt werden müssen, werden die Gläubiger in der Regel nicht geschädigt. Ebenfalls schützen die fraglichen Bestimmungen die Interessen der Zwangsvollstreckung als einen Bestandteil der Rechtspflege. Es geht um den Schutz der ordnungsgemässen Durchführung der Zwangsvollstreckung, wobei mit den staatlichen Interventionen bei 3497

systemrelevanten Grossunternehmen diese Konsequenz verhindert wird. Mit der vorgeschlagenen Änderung würden somit nicht die gleichen Rechtsgüter wie im geltenden Recht geschützt. Vielmehr wäre unklar, welche Rechtsgüter bezüglich systemrelevanter Grossunternehmen überhaupt geschützt werden sollen. Folglich würde mit der vorgeschlagenen Änderung der Rahmen der Konkurs- und Betreibungsdelikte gesprengt, und der so ausgeweitete Tatbestand wäre mit deren Natur nicht mehr vereinbar (vgl. auch BGE 103 IV 234).

Darüber hinaus würden mit der Änderung zwei Kategorien von Tätern geschaffen: Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von nicht systemrelevanten Grossunternehmen wären die Strafbarkeitshürden höher als für solche von systemrelevanten Grossunternehmen, wobei unklar ist, welche Grossunternehmen als systemrelevant zu gelten hätten. Diese rechtsungleiche Behandlung lässt sich sachlich nicht rechtfertigen.

Zudem würden mit der Vorverlegung der Strafbarkeit Innovationen, da diese sehr oft mit einem Wagnis verbunden sind, für ein systemrelevantes Grossunternehmen zu einer Gratwanderung, was letztlich die Volkswirtschaft hemmen könnte. Zudem könnte die frühzeitige Einleitung eines Strafverfahrens ihrerseits die Gläubigerinteressen und die staatlichen Interventionen erheblich gefährden oder sogar zunichtemachen.

Zur Empfehlung 19 Empfehlung 19: Die GPK fordern den Bundesrat und die UBS auf, dafür zu sorgen bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass 1.

der bankinterne Umgang der UBS, insbesondere von Verwaltungsrat, Konzernleitung und Revisionsstelle, im Zusammenhang mit der Subprime-Krise und ihrem grenzüberschreitenden Geschäft in den USA aufgearbeitet wird (Opportunität der Einleitung von Strafanzeigen und Verantwortlichkeitsklagen durch die UBS, Traktandierung der Décharge für die Jahre 2007­ 2009 an der Generalversammlung vom 15. April 2010, Abgangsregelungen für das höhere und mittlere Management usw.);

2.

Transparenz bezüglich des Entscheides des UBS-Verwaltungsrates in Sachen Verzicht auf Einleitung strafrechtlicher und zivilrechtlicher Schritte gegen das frühere UBS-Management hergestellt wird;

3.

die Eidgenossenschaft bzw. Organe des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit als Aktionäre oder andere Aktionärsgruppen in die Lage versetzt werden, straf- bzw. zivilrechtliche Schritte (Verantwortlichkeitsklagen) gegen die verantwortlichen Verwaltungsräte, die verantwortlichen Mitglieder der Konzernleitung und allenfalls die Revisionsstelle in die Wege zu leiten. Zu diesem Zweck ist die Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten (Gerichts- und Anwaltskosten) durch die Eidgenossenschaft zu garantieren;

4.

die Öffentlichkeit über die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse informiert wird.

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Dabei messen die GPK einer völlig unabhängigen Aufarbeitung hohe Priorität bei. Dies ist beispielsweise durch ein neutrales Expertengremium zu gewährleisten.

Die GPK stellen fest, dass sie sich in ihrer Untersuchung auf ihre Kompetenzen beschränkt haben, weshalb ihr Bericht vom 30. Mai 2010 dem Anliegen der Öffentlichkeit nach Transparenz bezüglich der bankinternen Vorgänge und Verantwortlichkeiten nur beschränkt Rechnung trage. In diesem Zusammenhang empfiehlt die GPK dem Bundesrat und der UBS AG daher Folgendes: Herstellung von Transparenz über die Ereignisse Der Bundesrat hat Verständnis für das Anliegen der GPK und der Öffentlichkeit nach Transparenz über die bankinternen Vorgänge und Verantwortlichkeiten. Nach der finanziellen Intervention zugunsten der UBS AG und nach den Unterstützungsbemühungen der Eidgenossenschaft betreffend die verschiedenen Verfahren, die in den USA gegen die UBS AG geführt werden, ist dieses Bedürfnis berechtigt. Der Bundesrat begrüsst es daher, dass die UBS AG als Reaktion auf den Bericht der GPK nächstens einen Transparenzbericht sowie zwei unabhängige Gutachten veröffentlichen wird, in welchen die Ereignisse und Vorgänge im Zusammenhang mit den eingetretenen existenzbedrohenden Verlusten während der Finanzkrise und dem grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft in den USA aufgearbeitet werden. Es ist nicht Aufgabe des Bundesrates, diese Dokumente und deren Ergebnisse abschliessend zu bewerten. Er ist aber der Meinung, dass sie dem Bedürfnis nach Transparenz und Information über die bankinternen Vorgänge zumindest vorläufig ausreichend Rechnung tragen. So wird ersichtlich, dass nebst einem 400-seitigen UBS-internen Bericht vom 4. April 2008 auch Berichte der EBK vom 30. September 2008 und 17. Dezember 2008 sowie einer der FINMA vom 18. Februar 2009 bestehen, wie auch diverse Stellungnahmen internationaler Aufsichtsgremien und Anwaltskanzleien. Auch die beiden unabhängigen Gutachter haben umfassend Einsicht in die Akten erhalten und ihre Sicht der Geschehnisse umfassend dargelegt. Letztere sehen wenn, dann Handlungsbedarf zur Frage der künftigen Ausrichtung und Regulierung des schweizerischen Finanzplatzes. Weitere Erkenntnisse werden möglicherweise die in den USA noch hängigen Verfahren und allenfalls auch bisher nicht ausgeschlossene Verantwortlichkeitsklagen der UBS AG oder einzelner Aktionärinnen und Aktionäre in der Schweiz bringen. Nach Auffassung des Bundesrats sind daher die Punkte 1, 2 und 4 der Empfehlung
19 erfüllt.

Übernahme der Verantwortung durch Organpersonen der UBS AG Der Bundesrat hat Verständnis für das dem Punkt 3 der Empfehlung 19 zu Grunde liegende Anliegen der GPK, dass die handelnden Organpersonen der UBS AG ihre Verantwortung übernehmen. Die konkret ins Auge gefassten Massnahmen sind jedoch nach Auffassung des Bundesrates weder nach geltendem Recht zulässig noch liegen sie ­ in einer Gesamtsicht ­ im Interesse des Landes: Eine Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten durch die Eidgenossenschaft ist nach Meinung des Bundesrates nicht zielführend. Ebenfalls erachtete er es als fragwürdig, würden speziell für den vorliegenden Einzelfall die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Eidgenossenschaft bzw. Organe des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit als Aktionärin bzw. Aktionäre oder andere Aktionärsgruppen in die Lage zu 3499

versetzen, straf- oder zivilrechtliche Schritte in die Wege zu leiten. Der Bundesrat stützt sich dabei auf die nachfolgenden Erwägungen.

a. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit Das Gesetz stellt den Aktionärinnen und Aktionären verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung, die im Hinblick auf die Einleitung einer Verantwortlichkeitsklage ausgeübt werden können (Auskunftsrecht nach Art. 697 OR; Recht auf Einleitung einer Sonderprüfung nach den Art. 697a ff. OR; Traktandierungsrecht für einen Antrag an die Generalversammlung, um eine Haftungsklage gegen die ehemaligen Gesellschaftsorgane einzuleiten gemäss Art. 699 Abs. 3 OR). Voraussetzung für eine zivilrechtliche Haftung ist, dass die zur Verantwortung gezogenen Personen der Gesellschaft einen Schaden durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursacht haben (Art. 754 und 755 OR), wobei zu beachten ist, dass die von der Gesellschaft oder den Aktionären geltend gemachten Ansprüche grundsätzlich auf Leistung an die Gesellschaft und nicht an die Kläger selbst gehen (Art. 756 Abs. 1 OR). Die Beweisführung darüber, ob ein konkretes Verhalten der Gesellschaftsorgane als pflichtwidrig und schuldhaft gilt, ist schwierig. Ein bestimmtes Verhalten der Gesellschaftsorgane, das sich aus heutiger Sicht als Fehlentscheid erweist, vermag noch keine Haftung im Sinne des Gesetzes zu begründen, wenn der Verwaltungsrat, die geschäftsführenden Personen und die Revisionsstelle aus damaliger Sicht in guten Treuen gehandelt haben. Bei zivilrechtlichen Verantwortlichkeitsklagen handelt es sich in aller Regel um langwierige und komplexe Verfahren, deren Ausgang ungewiss ist und die regelmässig mit hohen Kosten verbunden sind.

Selbst bei einer Teilklage mit einem geringen Streitwert dürfte eine Klage gegen die UBS-Verantwortlichen wegen der erforderlichen Vorabklärungen und Vorbereitungen mit Kostenfolgen in Millionenhöhe verbunden sein.

Die Generalversammlung der UBS AG hat am 14. April 2010 dem vormaligen Verwaltungsrat die Décharge für die Geschäftsjahre 2008 und 2009 erteilt, nicht aber für das Jahr 2007. Für die Geschäftsjahre 2008/2009 müssen die nicht zustimmenden Aktionärinnen und Aktionäre ihre Klage innert einer Frist von sechs Monaten einreichen (Art. 758 Abs. 2 OR), also bis zum 14. Oktober 2010. Für das Geschäftsjahr 2007 bleiben allfällige
Schadenersatzforderungen der Gesellschaft und der Aktionärinnen und Aktionäre mit der Verweigerung der Décharge bestehen.

Allfällige Klagen müssen innert der fünfjährigen Verjährungsfrist eingereicht werden (Art. 760 Abs. 1 OR). Sofern sich die für eine allfällige Haftung der Organe relevanten Umstände vor 2007 zugetragen haben, bleibt auch für die vorangehenden Geschäftsjahre trotz Déchargeerteilung die Möglichkeit einer Klageerhebung, sofern die Generalversammlung in Unkenntnis möglicher haftungsbegründender Tatsachen entschieden hatte, was im vorliegenden Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sein dürfte.

b. Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten Die zu erwartenden hohen Kosten und die unsicheren materiellen Erfolgsaussichten angesichts der relativ hohen gesetzlichen Hürden für eine zivilrechtliche Haftung lassen es im vorliegenden Fall als eher unwahrscheinlich erscheinen, dass ein Aktionär oder eine Aktionärin allein eine Verantwortlichkeitsklage gegen die Verantwortlichen der UBS AG einreichen wird. Eine sogenannte Sammel- oder Gruppenklage, wie sie vor allem in den USA gängig ist, bietet sich im schweizerischen Recht nicht.

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Die deshalb vorgeschlagene Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten durch den Bund ist jedoch aus folgenden Gründen abzulehnen: Soweit für die Durchführung der von den GPK verlangten Massnahmen neue Rechtsgrundlagen geschaffen werden müssten, ist der Bundesrat der Meinung, dass eine solche rückwirkende Einzelfallgesetzgebung aus grundsätzlichen rechtsstaatlichen Überlegungen abzulehnen ist.

Die Eidgenossenschaft müsste selber Aktionärin der UBS AG sein, damit ihr die oben erwähnten Rechtsbehelfe gegen die Gesellschaftsorgane zustehen würden ­ was heute nicht der Fall ist. Umgekehrt wäre der Erwerb einer Aktie der UBS AG eigens zum Zwecke der Klageerhebung nach geltendem Recht als rechtsmissbräuchlich zu werten und daher abzulehnen. Zudem verbietet es Artikel 62 Absatz 2 des Finanzhaushaltsgesetzes vom 7. Oktober 2005 (FHG; SR 611.0) dem Bund, Grundstücke und Beteiligungsrechte an Erwerbsunternehmen zu Anlagezwecken zu erwerben.

Organe des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit könnten in ihrer Eigenschaft als Aktionäre der UBS AG zivilrechtliche Schritte gegen die Organe der UBS AG einleiten, sofern sie der Décharge nicht zugestimmt haben bzw. soweit die Décharge durch die Generalversammlung verweigert worden ist. Als Klägerinnen resp. Kläger kämen insbesondere die Pensionskasse des Bundes (PUBLICA) oder der AHVAusgleichsfonds in Frage, sofern sie Aktien der UBS AG halten. In beiden Fällen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Anstalten des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit, die in erster Linie ihre jeweiligen gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen haben (berufliche Vorsorge der Bundesangestellten bzw. Sicherung der Alters- und Hinterbliebenenrenten). Dabei verfügen sie über weitgehende Autonomie und Unabhängigkeit. Diese Institutionen können daher unter dem geltenden Recht weder vom Bundesrat noch vom Parlament verbindlich angewiesen werden, eine Klage gegen die UBS-Verantwortlichen zu erheben. Zudem ist es fraglich, ob die handelnden Organe der PUBLICA oder des AHV-Ausgleichsfonds mit der Einleitung einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage überhaupt im Interesse der Versicherten handeln würden, denn dieses Vorgehen hätte zweifellos negative Auswirkungen auf die Kursentwicklung der UBS-Aktien und würde deren Performance zulasten der Versicherten empfindlich mindern.
Die von den GPK geforderte Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten durch den Bund ist ausserdem auch mit dem geltenden Finanzhaushaltsrecht nicht vereinbar. Angesichts möglicher Prozesskosten in bis zu dreistelliger Millionenhöhe und der Tatsache, dass eine allfällige Schadenersatzforderung der UBS AG ­ und nicht den klagenden Aktionärinnen und Aktionären oder der Eidgenossenschaft ­ zugesprochen würde, stünde eine Garantie des Bundes für Prozess- und Verfahrenskosten in Widerspruch zu den einschlägigen finanzhaushaltsrechtlichen Vorgaben, die dem Bund vorschreiben, seine Mittel wirksam und wirtschaftlich einzusetzen (vgl. dazu Art. 12 Abs. 4 und 59 Abs. 2 FHG). Eine solche Garantie würde zudem eine Finanzhilfe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 (SuG; SR 616.1) darstellen, die nur ausgerichtet werden darf, wenn eine gesetzliche Norm dies ausdrücklich vorsieht und ein entsprechender Verpflichtungskredit bewilligt worden ist (vgl. Art. 21 Abs. 4 Bst. e FHG). An der geforderten gesetzlichen Grundlage für eine Finanzhilfe fehlt es jedoch, und eine solche Grundlage sollte aus rechtsstaatlichen Gründen auch nicht, wie bereits erwähnt, speziell für den Einzelfall geschaffen werden.

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c. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Im Unterschied zu den zivilrechtlichen Verantwortlichkeitsklagen, die nur von bestimmten Personen erhoben werden können, ist jede Person berechtigt, Straftaten bei einer Strafverfolgungsbehörde anzuzeigen. Zudem ist das Strafverfahren für den Anzeiger grundsätzlich kostenlos, ausser in den Fällen, in denen die ungerechtfertigte Einleitung des Verfahrens vorsätzlich oder grobfahrlässig erfolgt ist. Aufgrund mehrerer Strafanzeigen gegen die UBS-Verantwortlichen hat die zuständige Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich langwierige Vorermittlungen aufgenommen, in deren Verlauf sie keine Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Organen oder Mitarbeitenden der UBS AG feststellen konnte. Da kein Anfangsverdacht für den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung bestand, wurde kein Strafverfahren gegen die ehemaligen Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung der UBS AG eröffnet.

Empfehlung gegenüber der UBS AG Aus dem Transparenzbericht der UBS AG und der unabhängigen juristischen Stellungnahme dazu, die beide demnächst veröffentlicht werden, geht hervor, dass einzelnen Organpersonen der UBS AG tatsächlich ­ insbesondere im Bereich des grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäfts ­ ein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten im Sinne des aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrechts vorgeworfen werden kann. Gleichzeitig wird in diesen Dokumenten erläutert, dass diese Tatsache die UBS AG bzw. ihre Aktionärinnen und Aktionäre rechtlich nicht dazu verpflichtet, eine Verantwortlichkeitsklage gegen die verantwortlichen Personen einzuleiten. Aus der Optik des zu wahrenden Gesellschaftsinteresses sei es nach Berücksichtigung aller Umstände nicht nur opportun, sondern gar zu empfehlen, auf eine Verantwortlichkeitsklage zu verzichten.

Der Bundesrat empfiehlt vor diesem Hintergrund dem heutigen Verwaltungsrat der UBS AG, dass er nun noch einmal sorgfältig prüft, ob er die zu berücksichtigenden Umstände nach wie vor gleich wie bisher bewertet und auf die Einleitung einer Verantwortlichkeitsklage definitiv verzichten will. Wie zuvor erwähnt besteht für die Gesellschaft und für die Aktionärinnen und Aktionäre weiterhin die Möglichkeit, Schadenersatzforderungen zu erheben, nachdem die Generalversammlung der UBS AG am 14. April 2010 dem
vormaligen Verwaltungsrat die Décharge für das Jahr 2007 nicht erteilt hat. Das Gleiche gilt für die vorangehenden Geschäftsjahre trotz Déchargeerteilung, sofern die Generalversammlung die damalige Décharge in Unkenntnis möglicher haftungsbegründender Tatsachen erteilt hat, wovon mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen ist.

Prüfung gesetzgeberischen Handlungsbedarfs Aus Sicht des Bundesrates ist es unbefriedigend, wenn Verantwortlichkeitsprozesse in Fällen wie dem vorliegenden ­ zwar nicht nur, aber auch ­ aus dem Grund häufig nicht zu Stande kommen, weil die Übernahme des Prozessrisikos durch einzelne Aktionärinnen oder Aktionäre als untragbar erscheint. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei der Schaffung der neuen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO; AS 2010 1739, SR 272; tritt auf den 1. 1. 2011 in Kraft) auf allgemeine Instrumente zur kollektiven Geltendmachung reparatorischer Ansprüche («Sammel- oder Gruppenklage») mit einhelliger Zustimmung verzichtet worden ist. Zudem steht das Instrument der Verbandsklage nach Artikel 89 der neuen ZPO für Schadenersatz- oder Genugtuungsbegehren nicht offen.

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Der Bundesrat wird aus diesem Grund sorgfältig prüfen, ob für den Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nicht doch prozessuale Instrumente der kollektiven Interessenwahrung vorgesehen werden sollten, die gerade in Publikumsgesellschaften mit atomisiertem Aktienbesitz die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen faktisch überhaupt erst ermöglichen würden. Ebenfalls werden Überlegungen anzustellen sein zur Möglichkeit der Vorabbefriedigung der einzelnen Aktionärinnen und Aktionäre, die auf Leistung an die Gesellschaft klagen ­ ähnlich wie es das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht im Rahmen der Abtretung von Rechtsansprüchen für klagende Gläubigerinnen und Gläubiger nach Artikel 260 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) kennt.

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