00.462 Parlamentarische Initiative Revision des RTVG (Schmid Carlo) Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates vom 18. Februar 2002

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gestützt auf Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt Ihnen mit 8 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dem beiliegenden Bundesbeschluss über die Änderung des Radio- und Fernsehgesetzes zuzustimmen.

Die Kommissionsminderheit (Bieri, Leuenberger) beantragt, auf den Gesetzesentwurf nicht einzutreten.

18. Februar 2002

Im Namen der Kommission Der Präsident: Ernst Leuenberger

2002-0573

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Übersicht Der Ständerat gab am 26. September 2001 einer Parlamentarischen Initiative zur Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) mit 29 zu 10 Stimmen Folge.

Die Initiative möchte zwei Teilaspekte der für Mitte 2002 geplanten bundesrätlichen Botschaft zur Totalrevision des RTVG vorziehen. Die Pa.Iv. verlangt eine Lockerung der Vorschriften für Unterbrecherwerbung und eine Zulassung von Alkoholwerbung; allerdings nur für private Fernsehsender, nicht für die Sender der SRG.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates wurde anlässlich der Wintersession 2001 mit der Ausarbeitung einer Vorlage betraut. Die Kommission beschloss, sowohl die Lockerung der Unterbrecherwerbung wie auch die umstrittene Neuregelung der Alkoholwerbung ­ mit klaren Auflagen ­ in einer Teilrevision vorzuziehen. Sie verabschiedete am 18. Februar 2002 den Bericht und den Gesetzesentwurf mit 8 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen zuhanden ihres Rates, mit dem Antrag auf Zustimmung. Eine Minderheit beantragt, auf den Entwurf nicht einzutreten.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Ständerat Carlo Schmid-Sutter reichte am 14. Dezember 2000 eine Parlamentarische Initiative ein, die gleichzeitig eine Neuregelung der Unterbrecherwerbung und eine Zulassung von Alkoholwerbung für private Fernsehstationen verlangt. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates hat diese Initiative an ihrer Sitzung vom 17. Mai 2001 in Anwesenheit des Initianten vorgeprüft. Die Kommission beantragte ihrem Rat mit 4 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative Folge zu geben. Eine Minderheit beantragte, der Initiative keine Folge zu geben. Der Ständerat folgte am 26. September 2001 mit 29 zu 10 Stimmen dem Antrag der Kommission und gab der Parlamentarischen Initiative Schmid Folge.

Die Parlamentarische Initiative wurde erneut der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates zur Ausarbeitung einer Vorlage zugeteilt. Die Kommission beriet einen entsprechend Entwurf unter Beizug der Verwaltung an ihren zwei Sitzungen vom 10./11. Januar und vom 18. Februar 2002. Im Gegensatz zur unbestrittenen Lockerung der Vorschriften für Unterbrecherwerbung erwuchs der Zulassung von Alkoholwerbung in der Kommission Widerstand. Da im ersten bundesrätlichen Revisionsentwurf noch an einem Verbot der Alkoholwerbung festgehalten worden war, lässt sich nicht eindeutig feststellen, welche Haltung z.B. die Kantone und andere interessierte Kreise zu dieser Frage einnehmen. Die Kommission entschied aber mit 7 zu 4 Stimmen trotzdem keine spezifische Vernehmlassung zu dieser Frage mehr durchzuführen. Dies vor allem deshalb nicht, weil sich der Bundesrat am 23. Januar 2002 ­ nach Einsicht in die gesammelten Vernehmlassungsunterlagen ­ ebenfalls für eine Lockerung der Werbevorschriften bezüglich Alkohol ausgesprochen hat.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Ausgangslage

Am 20. Dezember 2000 hat der Bundesrat einen Entwurf für ein neues Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) in die Vernehmlassung geschickt. Der Entwurf beinhaltet u.a. die Neuregelung der Einnahmen für Fernseh- und Radiostationen: Die Gebühreneinnahmen sollen grossmehrheitlich der SRG zufliessen, während die privaten Anbieter durch eine liberalisierte Werbe- und Sponsoringordnung auf zusätzliche Mehreinnahmen hoffen dürfen.

Der Bundesrat publizierte am 21. November 2001 einen abschliessenden Vernehmlassungsbericht. In seinem Revisionsentwurf für die Vernehmlassung schlägt der Bundesrat eine gelockerte Form der Unterbrecherwerbung vor, die sich materiell nicht von der Forderung der Pa.Iv. Schmid unterscheidet. Am 23. Januar 2002 hat sich der Bundesrat nach eingehender Würdigung der Vernehmlassungsantworten ­ und in Abweichung von seinem ersten Entwurf ­ für eine Liberalisierung der Alkoholwerbung ausgesprochen. Analog zur Pa.Iv. Schmid will der Bundesrat im neuen RTVG privaten Fernsehsendern Werbung für Bier und Wein erlauben. Die Bot-

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schaft ist für Mitte 2002 geplant, mit dem Inkrafttreten ist gemäss ersten Schätzungen frühestens 2004 zu rechnen.

Das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405) des Europarates, welches die Schweiz ebenfalls unterzeichnet hat und seit dem 5. Mai 1989 in Kraft ist, dient als Referenz- und Vergleichsgrösse sowohl für die einschlägigen parlamentarischen Vorstösse wie für den bundesrätlichen Revisionsentwurf. Das EÜGF regelt die Alkohol- ebenso wie die Unterbrecherwerbung im Sinne, wie sie die Parlamentarische Initiative Schmid fordert. Das EÜGF belässt allerdings den einzelnen Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, in einzelnen Bereichen strengere Auflagen zu machen als im Übereinkommen vorgesehen.

2.2

Erwägungen der Kommission

Die Kommission anerkennt die schwierige Lage, in der sich die Schweizer Privatfernsehsender befinden. Nicht nur von Seiten der SRG, sondern namentlich auch aus dem umliegenden Ausland erwächst ihnen grosser Wettbewerb. Das wirtschaftliche Überleben, gerade auch der lokalen und sprachregionalen Sender, wird durch erschwerende Rahmenbedingungen in Frage gestellt. Die Totalrevision des RTVG bringt hier zwar eine Entlastung, allerdings wird es noch Jahre dauern, bis das neue Gesetz in Kraft sein wird. Die Schweizer Privatfernsehsender sind aber auf eine rasche Erhöhung ihrer Werbeeinnahmen existenziell angewiesen.

Für die SRG, die sich hauptsächlich aus Gebühreneinnahmen finanziert, sollen die erleichterten Werbebedingungen in Sinn eines Ausgleichs nicht gelten. Die Neuregelung der Unterbrecherwerbung, wie sie die Initiative fordert, steht damit im Einklang sowohl mit den europäischen Abkommen als auch mit dem bundesrätlichen Revisionsentwurf. Lediglich der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung soll so im Interesse der publizistischen Vielfalt vorverschoben werden.

Die Radiosender sehen sich ­ obwohl ja prinzipiell auch vom RTVG erfasst ­ in einer leicht anderen Situation: Aufgrund der grundsätzlich anderen Sendestruktur (wesentlich kürzere Programmteile, die gewissermassen «natürlich» durch Musik unterbrochen werden) spielt hier die Unterbrecherwerbung, jedenfalls für private Sender, praktisch keine Rolle. An ihrer Sitzung von 10./11. Januar 2002 entschied deshalb die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen für Radiosender diesbezüglich keine explizite Regelung in das Gesetz aufzunehmen. Mit 11 zu 0 Stimmen gab sie zudem einer der schweizerischen Gesetzessystematik angepassten Formulierung vor der komplizierteren EÜGF-Variante den Vorzug. Anders in der Frage der Zulässigkeit von Werbung für Alkoholika. Hier könnten die privaten Radiosender mit der gleichen Begründung wie die privaten Fernsehsender auf höhere Werbeeinnahmen hoffen. Die Kommission beschloss deshalb mit 7 zu 5 Stimmen, die Zulassung von Alkoholwerbung explizit für Radio und Fernsehen vorzusehen.

Die Kommission beschloss mit 8 zu 3 Stimmen grundsätzlich die Zulassung von Alkoholwerbung neu zu regeln. Einstimmig entschied sie sich dabei für ein Modell, dass nur Werbung für Bier und Wein, nicht aber für gebrannte Wasser vorsieht.

Diese
Neuregelung der Alkoholwerbung steht im Einklang mit den einschlägigen europäischen Bestimmungen und dem jüngsten Positionsbezug des Bundesrates vom 23. Januar 2002. Sie betrifft lediglich diejenigen Getränke, die nicht dem Alko7068

holgesetz (Bundesgesetz vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser; SR 680) unterstehen, das heisst, nur durch Vergärung entstandene Getränke mit einem Alkoholanteil von maximal 15 Volumenprozent. Gerade in diesem Segment herrscht ein sehr hohes Werbeaufkommen bei den ausländischen Fernsehsendern. Die durchschnittlichen Schweizer Fernsehkonsumentinnen und -konsumenten sind also bereits in hohem Mass der Alkoholwerbung ausgesetzt. Das Ziel dieser Werbung ist schweizerische Marken gegenüber ausländischen Erzeugnissen besser im Markt positionieren zu können. Namentlich lokale Bier- und Weinproduzenten sollten auch in lokalen audiovisuellen Medien für ihre Getränke werben dürfen. In den heimischen Printmedien ist Werbung für Getränke mit geringem Alkoholgehalt ja längst zulässig und auch weit verbreitet. Es geht also lediglich um eine Gleichbehandlung der Fernsehanbieter mit ihren Mitbewerbern im In- und Ausland. Hier vom Parlament aus ein Zeichen zu geben, dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorangetrieben wird, ist gerade heute, wo keine landesweiten Privatsender mehr bestehen, besonders wichtig.

2.3

Position der Minderheit

Gegen die vermehrte Unterbrechung von Fernsehsendungen durch Werbung ­ wie sie auch der Bundesrat in seinem Revisionsentwurf vorsieht ­ ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Unterbrecherwerbung für die Regionalfernsehen ­ und andere private Fernsehsender gibt es z.Z. in der Schweiz nicht ­ praktisch keine Rolle spielt. Die Zulassung von Alkoholwerbung im Schweizer Privatfernsehen und -radio, muss dagegen als stossend empfunden werden.

Gerade bei Jugendlichen besteht anerkanntermassen eine zunehmende Alkoholproblematik. Der Bund selbst ist federführend bei der Koordination und Aufstockung der landesweiten Präventionsbemühungen. Es ist zudem eindeutig von verschiedenen Fachkommissionen nachgewiesen worden, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum besteht. Die Zulassung von Alkoholwerbung würde hier ein falsches Signal setzen. Es wäre deshalb kaum verständlich, wenn das Parlament in dieser Frage von der bisherigen Praxis abweichen würde. Die Wichtigkeit einer glaubwürdigen und stringenten Alkoholprävention des Bundes muss betont werden. Befremdlich in dieser Hinsicht ist auch die Position des Bundesrates, welcher der SRG das Recht auf Alkoholwerbung u.a. mit dem Argument vorenthalten will, es sei schädlich, Alkoholwerbung über Sender mit so hohen Einschaltquoten zu verbreiten.

Auch wenn das EÜGF Alkoholwerbung vorsieht, so ist dies an sich noch kein Grund, dass die Schweiz eine solche auch einführen soll. Die umliegenden Nachbarländern kennen zudem eine unterschiedliche Praxis hinsichtlich von Alkoholwerbung am Fernsehen: Während die Handhabung in Österreich und Deutschland sehr liberal ist und Italien nur geringefügige Einschränkungen kennt, hält Frankreich an einem totalen Werbeverbot für Alkohol fest. Das heisst ­ selbst wenn eine regelmässige Beeinflussung durch Alkoholwerbung in der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz bereits heute stattfindet ­, dass mindestens die Einwohnerinnen und Einwohner der gesamten Romandie neu der Fernsehwerbung für Alkoholika ausgesetzt wären.

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Da nach dem Einstellen der Sendungen der grossen Privatfernsehsender aus Zürich zur Zeit keine privaten Sender mit überregionaler Ausstrahlung mehr bestehen, wird auch mit potenziell grösseren Werbeeinnahmen kein Beitrag zum Erhalt publizistischer Vielfalt geleistet. Die partielle Liberalisierung wird also von rein kommerziellen Beweggründen geleitet, deren Wichtigkeit in medienpolitischer Hinsicht zumindest ungewiss ist.

Es ist ferner wenig sinnvoll, jetzt mit dem Vorziehen eines Teilanliegens die laufende Totalrevision als Gesamtprojekt zu untergraben und in einer wichtigen Frage ein Präjudiz zu schaffen.

3

Erläuterung zur neuen Werbebestimmung

3.1

Übersicht

Das Radio- und Fernsehgesetz vom 21. Juni 1991 (RTVG) unterwirft die Werbetätigkeit sämtlicher Veranstalter von Radio- und Fernsehprogrammen bestimmten Schranken: Artikel 18 des RTVG regelt die Trennung der Werbung vom Programm (Abs. 1), die Unterbrecherwerbung (Abs. 2) und die höchstzulässige Werbezeit (Abs. 3), ermächtigt die Konzessionsbehörde zu weiteren Beschränkungen in der jeweiligen Konzession eines Veranstalters (Abs. 4) und beschränkt die Werbung für bestimmte Inhalte (Abs. 5 verbietet politische und religiöse Werbung sowie Werbung für alkoholische Getränke und Tabak; Abs. 6 regelt die Werbung für Heilmittel).

Für die Programme der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) bleibt die Werberegelung unverändert. Für andere Veranstalter als die SRG bringen die vorgeschlagenen Artikel 18a und 18b RTVG in zwei Bereichen (Unterbrecherund Alkoholwerbung) eine Lockerung.

Artikel 18a Absatz 2 ermöglicht den Veranstaltern von Fernsehprogrammen die Unterbrecherwerbung im erweiterten Umfang. Die neue Vorschrift entspricht inhaltlich der Regelung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405), welche für die Schweiz verbindlich ist. Die schweizerischen Fernsehveranstalter ­ mit Ausnahme der SRG ­ können damit ihre Sendungen im selben Umfang durch Werbung unterbrechen wie die Fernsehveranstalter in den umliegenden Ländern.

Artikel 18b Absatz 2 ermöglicht den Veranstaltern von Radio- und Fernsehprogrammen ­ wiederum mit Ausnahme der SRG ­ die Werbung für Bier und Wein.

Bei der Gestaltung der Alkoholwerbespots müssen die Radio- und Fernsehveranstalter verschiedene Vorgaben beachten, welche den europäischen Vorschriften im Bereich des Fernsehens entsprechen. Ausgeschlossen bleibt die Werbung für gebrannte Wasser im Sinne des Alkoholgesetzes.

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3.2

Regelung der Unterbrecherwerbung

Die Lockerung der Unterbrecherwerbung beschränkt sich auf Fernsehprogramme.

Im Bereich des Radios hat das entsprechende Verbot bislang keine praktische Bedeutung erlangt, da es lediglich in sich geschlossene Sendungen (Art. 18 Abs. 2 RTVG) betrifft und den Radioveranstaltern angesichts der parzellierten Programmstruktur kaum Grenzen setzt. Im Gegensatz zum Fernsehen handelt es sich beim Radio in erster Linie um ein musikalisches Begleitprogramm, was gemäss Bundesgericht eine unterschiedliche Handhabung von Art. 18 Abs. 2 RTVG rechtfertigt (BGE 127 II 79 E. 5b/bb S. 88).

Für die SRG bleibt die bisherige Regelung verbindlich, welche Unterbrecherwerbung bei in sich geschlossenen Sendungen von weniger als 90 Minuten Dauer ausschliesst. Eine in sich geschlossene Sendung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung inhaltlich abgerundet und schliesst dramaturgisch den mit ihrem Inhalt verbundenen Spannungsbogen ab (BGE 127 II 79 E. 5a S. 86). Aufgelöst wird die Geschlossenheit einer Sendung beispielsweise durch eine natürliche Pause, so etwa die Halbzeitpause eines live übertragenen Fussballspiels. Die entsprechende Erlaubnis zur Werbung in Anlässen mit natürlichen Pausen enthält bereits das geltende Recht in Artikel 12 der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV; SR 784.401).

Die nun vorgeschlagene Regelung erlaubt anderen Fernsehveranstaltern als der SRG einen vermehrten Unterbruch in sich geschlossener Sendungen. Artikel 18a Absatz 2 bringt für sie eine Lockerung, aber keine vollständige Freiheit. Die Grenze der Lockerung wird durch das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF) markiert, welches die Schweiz im Oktober 1991 ratifiziert hat. Artikel 14 des EÜGF enthält unter dem Titel «Einfügung von Werbung und Teleshopping» eine komplex formulierte Vorschrift über die Zulässigkeit der Unterbrecherwerbung. Im Zentrum steht dabei die Minimalanforderung, dass der Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Unterbrechungen mindestens zwanzig Minuten betragen muss.

Artikel 18a Absatz 2 bringt im Vergleich zur schwierig lesbaren Vorschrift des europäischen Übereinkommens erhebliche sprachliche Anpassungen und eine Umstellung der Reihenfolge. Inhaltlich jedoch sollen keine Differenzen zur internationalrechtlichen Regelung bestehen. Im Einzelnen ist auf folgende sprachlichformalen Modifikationen hinzuweisen.

­

Im Unterschied zum EÜGF (und auch zur EU-Richtlinie «Fernsehen ohne Grenzen») verzichtet der Vorschlag auf die ausdrückliche Erwähnung von Teleshopping- (bzw. Verkaufswerbe-) Spots. Diese Art von Werbung ist im Werbebegriff des schweizerischen Radio- und Fernsehgesetzes (Art. 2 Bst. g RTVG) enthalten, während die europäischen Abkommen seit der letzten Revision das «Teleshopping» als eigenständige Form der kommerziellen Kommunikation aufführen (vgl. dazu die Botschaft betreffend das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen vom 6. Dezember 1999; BBl 2000 II 1291, S. 1295).

­

Die Formulierung von Artikel 18a Absatz 2 verzichtet auf den im EÜGF enthaltenen Passus, die Unterbrecherwerbung dürfe «die Rechte der Rechteinhaber» nicht beeinträchtigen. Diesen Schutz gewährleistet in der schweizerischen Rechtsordnung bereits das Urheberrecht.

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­

Die Bestimmung über die Unterbrechung audiovisueller Werke in Buchstabe c von Artikel 18a, Absatz 2 RTVG entspricht weit gehend Absatz 3 von Artikel 14 EÜGF. Satz 2 setzt die abstrakte Formulierung des EÜGF in konkrete Minutenzeiträume um. Diese Regelung entspricht der Interpretation der EÜGF-Vorschrift in Deutschland (vgl. die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung in der Neufassung vom 10. Febr.

2000, Ziff. 6 zu § 44).

­

Buchstaben b und d entsprechen Artikel 14 Absatz 5 EÜGF. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Übertragung von Gottesdiensten die einzige Sendeform ist, welche überhaupt nicht durch Werbung unterbrochen werden darf. In Deutschland ist zusätzlich die Unterbrechung von Sendungen für Kinder untersagt (§ 44 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrags).

­

Die Regelung der Unterbrecherwerbung bezieht sich auf die programmierte Sendezeit (Bst. b und c). Dies entspricht dem Wortlaut der EU-Richtlinie «Fernsehen ohne Grenzen» (Art. 11) und auch des deutschen Rundfunkstaatsvertrages (§ 44). Bei der Berechnung des massgebenden Zeitraums ist gemäss einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28. Oktober 1999 (C-6/98) die Werbedauer einzubeziehen (so genanntes Brutto-Prinzip).

Allerdings bleiben gemäss dem erwähnten Urteil die EU-Mitgliedstaaten frei, die inländischen Fernsehveranstalter einer strengeren Regelung (NettoPrinzip) zu unterwerfen.

3.3

Regelung der Alkoholwerbung

Der vorgeschlagenen Artikel 18b RTVG eröffnet anderen Programmveranstaltern als der SRG die bisher verschlossene Möglichkeit, Werbung für Alkohol zu betreiben. In den Genuss der gelockerten Werberegelung kommen sowohl Fernseh- als auch Radioveranstalter. Die Lockerung der Werbeverbots für Alkohol führt zu einer entsprechenden Erweiterung des erlaubten Sponsoring, da das Gesetz Sponsoren ausschliesst, die zur Hauptsache Produkte herstellen, für die ein Werbeverbot besteht (Art. 19 Abs. 5 RTVG). Künftig können also Fernseh- oder Radiosendungen schweizerischer Privatveranstalter durch eine Bierbrauerei oder einen Weinproduzenten gesponsert werden.

Die in Artikel 18b Absatz 2 vorgesehene Lockerung führt nicht zu einer vollständigen Gleichstellung der betreffenden Radio- und Fernsehveranstalter mit Werbern im Kino, auf Plakatwänden oder in Zeitungen und Zeitschriften. Die Werbefreiheit der Programmveranstalter ist in zweierlei Hinsicht beschränkter: Zum einen ist ihnen lediglich Werbung für Alkoholika gestattet, die weder gebrannt sind noch einen Alkoholgehalt von über 15 Prozent aufweisen. Und zum anderen muss die Ausgestaltung der Werbung an Radio und Fernsehen besondere Schranken respektieren, welche den internationalen Vorschriften im Fernsehbereich entsprechen.

7072

3.3.1

Ausschluss der vom Alkoholgesetz erfassten Getränke

Absatz 2 schliesst die vom Bundesgesetz über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz) erfassten Getränke von der Fernsehwerbung aus. Das Alkoholgesetz ist gemäss seinem Artikel 2 auf Äthylalkohol in jeder Form und Zusammensetzung anwendbar. Ausgeschlossen bleibt damit die Werbung für alle Arten von Schnäpsen, Likören oder Aperitifs. Ebenfalls unzulässig ist die Werbung für die oft auf jugendliche Konsumierende abzielenden Mischgetränke mit geringem Alkoholgehalt, falls diese Mischgetränke gebrannte Wasser enthalten (Art. 2 Abs. 3 AlkG).

Das Alkoholgesetz ist auf ausschliesslich durch Vergärung gewonnene Getränke nur anwendbar, wenn ihr Alkoholgehalt 15 Volumenprozent übersteigt (Art. 2 Abs. 2 AlkG). Die Lockerung des Werbeverbots für Alkoholika betrifft somit primär Bier, Wein und Gärmost.

3.3.2

Besondere Beschränkungen der Alkoholwerbung

Das Europäische Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen (EÜGF) enthält in Artikel 15 Absatz 2 Buchstaben a­e eine Reihe von Regeln, denen die Werbung für alkoholische Getränke entsprechen muss. Ähnliche, in einem Punkt noch weiter gehende, Vorschriften enthält die EU-Richtlinie «Fernsehen ohne Grenzen» in Artikel 15 Buchstaben a­f. Die Regelung der EU ist massgebend für den Zugang der Schweiz zu den Media-Förderungsprogrammen der EU sowie für den Abschluss möglicher bilateraler Abkommen, welche auch das Fernsehen betreffen.

Eine Einhaltung der EU-Richtlinie strebt auch der Entwurf für ein totalrevidiertes RTVG an, den der Bundesrat im Dezember 2000 in die Vernehmlassung gab. Die vorgeschlagene Regelung im RTVG enthält daher wie die EU-Richtlinie (Art. 15 Bst. c) die Vorschrift, dass die Werbung nicht den Eindruck erwecken darf, Alkoholgenuss fördere sozialen oder sexuellen Erfolg.

Die weiteren Beschränkungen entsprechen grösstenteils wörtlich der Bestimmung im EÜGF. Eine kleine Differenz ergibt sich lediglich in Buchstabe b: Während das EÜGF einen Bezug der Werbung zum Autofahren verbietet, untersagt die vorgeschlagene Bestimmung des RTVG jegliche Verbindung zum Lenken von Fahrzeugen und trägt damit der Sicherheit des Strassenverkehrs umfassend Rechnung.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagene Regelung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Finanzlage von Bund, Kantonen oder Gemeinden. Die betroffenen Radio- und Fernsehveranstalter finanzieren sich nicht aus allgemeinen Steuergeldern, sondern durch Werbung, Sponsoring und ­ teilweise ­ durch einen Anteil am Ertrag der Empfangsgebühren.

Die Lockerung der Unterbrecher- und Alkoholwerbung bezieht sich nicht auf die SRG und klammert damit die mit grossem Abstand finanzkräftigste Teilnehmerin auf dem schweizerischen Fernseh- und Radiomarkt aus. Die SRG erzielte im Jahr

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2000 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Franken, davon waren rund 340 Mio. Franken Werbe- und Sponsoringerträge (aus den Empfangsgebühren stammten 1,06 Milliarden Franken). Wegen des Konjunkurabschwungs rechnet die SRG für das Jahr 2001 mit einem Rückgang der Werbeeinnahmen in der Grössenordnung von rund 40 Millionen Franken (13 %). Demgegenüber dürften allfällige Mehreinnahmen der privaten Programmveranstalter für die SRG-Werbeinnahmen von vernachlässigbarer Grössenordnung sein.

Die vorgesehene Lockerung ändert letztlich nichts an den kleinen Märkten in der Schweiz und den damit verbundenen strukturellen Schwierigkeiten, namentlich privates Fernsehen zu veranstalten. Immerhin werden die privaten Programmveranstalter auf dem Gebiet der Getränkewerbung nennenswerte zusätzliche Einnahmen erzielen können. Im Jahr 2000 wurden in der Schweiz rund 43 Millionen Franken in die Publikumswerbung für Wein und Bier investiert. (Bruttobetrag, gemäss Media Focus). Die privaten Radio- und Fernsehveranstalter, denen ein Anteil von 8 bis 9 Prozent (ohne SRG) des gesamten Werbeaufwands in der Schweiz zufliesst, können voraussichtlich einen Zusatzertrag von mehreren Millionen Franken erzielen.

Geschmälert wird der Ertrag durch die Werbefenster ausländischer Privatsender, die im Schnitt rund einen Viertel des (Fernseh-) Werbeaufwands in der Schweiz abschöpfen. Einen gewissen Mehrertrag verspricht auch die erweiterte Möglichkeit der Unterbrecherwerbung. Es ist davon auszugehen, dass die Platzierung von Unterbrecherwerbung eine höhere Publikumswirksamkeit erzielt als die Spotwerbung zwischen den Sendungen.

4.1

Vollzugstauglichkeit

Das für die Einhaltung der Werbevorschriften zuständige Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) hat sich regelmässig mit Fragen der Alkohol- und der Unterbrecherwerbung zu befassen. Die entsprechenden Aufsichtsverfahren betreffen nicht nur die SRG, sondern auch die privaten Programmveranstalter. Eine Aufsichtstätigkeit wird nach einer Lockerung der Werbevorschriften notwendig bleiben, da auch sie der Alkohol- und der Unterbrecherwerbung noch gewisse Grenzen setzen. Denkbar ist immerhin, dass sich das Problem der Umgehung der fraglichen Verbote entschärfen wird. Diese Problematik hat die Aufsichtsbehörden bislang gerade im Bereich Unterbrecherwerbung stark beansprucht, welche zu verschiedenen aufwändigen Verfahren (beispielsweise gegen TV3 [BGE 127 II 79] und gegen Tele 24) geführt hat.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die vorgeschlagene Regelung verfolgt das Ziel, die Unterbrecher- und Alkoholwerbung für andere Veranstalter als die SRG zu lockern, dabei aber stets das Übereinkommen des Europarats über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405) zu respektieren. Dieses von der Schweiz am 5. Mai 1989 unterzeichnete Abkommen stellt im Werbebereich Minimalvorschriften auf, welche im grenzüberschreitenden Fernsehverkehr einzuhalten sind. Der vorgesehene Artikel 18a und 18b RTVG bewegt sich innerhalb der vom EÜGF gezogenen Grenzen. Bezüglich der Freigabe der Alkoholwerbung bleibt das schweizerische Recht strenger als das 7074

EÜGF, welches auch die Werbung für gebrannte Wasser erlaubt. Dies ist internationalrechtlich unproblematisch. Das Vertragswerk hindert die Schweiz nicht daran, strengere oder auführlichere Vorschriften für einheimische Programmveranstalter zu erlassen (Art. 28 EÜGF; BGE 127 II 79 E. 4b/aa S. 85). Gerade im Bereich der Alkoholwerbung haben übrigens auch andere EÜGF-Vertragsstaaten auf eine völlige Freigabe verzichtet (so z.B. Frankreich).

Die vorgeschlagene Regelung ist auch kompatibel mit dem EG-Recht. Die Richtline 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit vom 3. Oktober 1989 (EU-Fernsehrichtlinie) verfolgt auf EU-Ebene eine analoge Zielrichtung wie das Europaratsübereinkommen (vgl. BBl 2000 II 1294). Die Vorschriften der EU-Richtlinie über die Unterbrecher- und die Alkoholwerbung sind mit jenen des EÜGF weitgehend deckungsgleich (zu einer untergeordneten Abweichung vgl. oben Ziff. 3.3.2). Die vorgesehenen Artikel 18a und 18b respektieren die entsprechenden Minimalbestimmungen der EU-Fernsehrichtlinie.

7075

Anhang

Geltendes Recht: Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG) (Auszug) Art. 18

Werbung

1

Werbung muss vom übrigen Programm deutlich getrennt und als solche eindeutig erkennbar sein. Ständige Programmitarbeiter des Veranstalters dürfen in seinen Werbesendungen nicht mitwirken; der Bundesrat kann für lokale und regionale Veranstalter Ausnahmen vorsehen.

2

In sich geschlossene Sendungen dürfen nicht, solche von über 90 Minuten Dauer höchstens einmal durch Werbung unterbrochen werden.

3

Der Bundesrat regelt die höchstzulässige Werbezeit. Er berücksichtigt dabei Aufgabe und Stellung der anderen Kommunikationsmittel, vor allem der Presse, sowie die internationalen Werberegelungen.

4

Die Konzessionsbehörde kann in der Konzession: a.

Bestimmungen über die Plazierung der Werbung im Programm erlassen;

b.

die Werbung in einzelnen Programmen ganz ausschliessen.

5

Religiöse und politische Werbung ist verboten, ebenso Werbung für alkoholische Getränke und Tabak. Der Bundesrat kann zum Schutz der Jugend und der Umwelt weitere Werbeverbote erlassen.

6

Werbung für Heilmittel ist nach Massgabe des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 20001 zulässig.

Stand am 27. November 2001

1

SR 812.21

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