Zur Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht über die Gerichte ­ Positionen in der Rechtslehre Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 11. März 2002

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Das Wichtigste in Kürze Mit den Totalrevisionen des Geschäftverkehrsgesetzes und der Bundesrechtspflege hat das Thema Oberaufsicht über die Justiz die verstärkte Aufmerksamkeit der GPK gefunden. Im Sinne einer Vorabklärung ihrer künftigen Ausrichtung der Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte hat die erweiterte Subkommission EJPD/Gerichte der GPK des Ständerates die PVK beauftragt, die einschlägige Rechtsliteratur hinsichtlich des Themas parlamentarische Justizaufsicht in der Schweiz auszuwerten. Im vorliegenden Bericht werden einerseits die verschiedenen Positionen der Rechtslehre bezüglich der Tragweite der Oberaufsicht und deren Gegenstände beschrieben, andererseits aber auch die verfassungsrechtlichen Grenzen der Oberaufsicht behandelt. Es ist der zweite Bericht der PVK im Rahmen der Inspektion zur Oberaufsicht über die Justiz. Der erste ist der Frage des modernen Managements in der Justiz gewidmet.

Die Rechtsliteratur, die sich mit der parlamentarischen Oberaufsicht über die Justiz in der Schweiz befasst, ist nicht sehr zahlreich. Fragen zum Oberaufsichtsrecht werden darin nur in wenigen Punkten kontrovers diskutiert. Dennoch lassen sich drei verschiedene Oberaufsichtsbegriffe unterscheiden: ­

Eng fasst Jean-François Aubert die Tragweite der parlamentarischen Justizaufsicht auf, wenn er die Ansicht vertritt, die Oberaufsicht habe sich auf die Überwachung der «formellen Regelmässigkeit» zu konzentrieren und dürfe sich keinesfalls auf den Inhalt von Entscheidungen beziehen.

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Mehrheitlich hingegen wird in der Literatur ein erweiterter Oberaufsichtsbegriff beschrieben. Regina Kiener vertritt diese mittlere Position, bei der, so ist zu betonen, das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit ganz klar im Vordergrund steht. Auch hier steht die Kontrolle der Geschäftsführung durch die Oberaufsicht an erster Stelle. Justizverwaltung und äusserer Geschäftsgang sind explizit der Oberaufsicht zugeschriebene Überprüfungsgegenstände. In hängige Justizverfahren darf nicht eingegriffen werden, wenn es sich nicht um Ausnahmen wie den Vorwurf auf Rechtsverweigerung und -verzögerung oder um sehr lang andauernde Verfahren handelt. Im Sinne einer legislatorischen Erfolgs- und Effizienzkontrolle kann vom Inhalt abgeschlossener Verfahren Kenntnis genommen werden. Auch dürfen Tendenzen der Rechtsprechung mit den Gerichtsbehörden erörtert werden, weil so Gesetzesmängel oder -lücken erkannt und entsprechende Korrekturen eingeleitet werden können. Diese mittlere Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht entspricht weitgehendst der von den GPK bislang vertretenen Position.

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Einen ausgedehnten, d.h. punktuell noch erweiterten Ermessens- und Oberaufsichtsspielraum wird von einzelnen anderen Autoren erkannt. So billigt Philippe Mastronardi der Oberaufsicht unter bestimmten Umständen (konkret: bei Einschränkung des von der Verfassung vorgesehenen Beschwerdewegs) eine rechtsstaatliche Ersatzfunktion zu und schliesst dabei eine materielle Behandlung von Urteilen nicht aus. Zudem versteht Mastronardi die

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«Zurückhaltungspflicht» des Parlaments bei der Kritik an einer bestimmten Entscheidpraxis als Zeichen «parlamentarischer Courtoisie» und nicht ­ wie andere Autoren dies einschätzen ­ als Ausfluss des Verfassungsrechts.

Hansjörg Seiler tritt insbesondere für erweiterte Informationsrechte der Oberaufsicht ein (Auskunftspflichten, Einsicht in Gerichtsakten nach Abschluss eines laufenden Verfahrens und Möglichkeit der Einsetzung einer PUK über ein Gericht).

Die im Bericht verwendeten Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich auf beide Geschlechter.

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Bericht Einleitung Am 15. Oktober 2001 hat die durch nationalrätliche Mitglieder erweiterte Subkommission EJPD/Gerichte der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerates beschlossen, die Inspektion «Parlamentarische Oberaufsicht über die Justiz» mit einem zweiten Mandat an die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (PVK) fortzusetzen. Sie hat die PVK beauftragt, eine Literaturauswertung zur Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht über die Justiz durchzuführen und die unterschiedlichen Positionen der schweizerischen Rechtslehre in einem Bericht darzustellen.

Die PVK hat sich bei der Auswertung der Literatur auf folgende Fragen konzentriert: Welches sind die Gegenstände der parlamentarischen Oberaufsicht? Über welche Kompetenzen soll die Oberaufsicht verfügen? Wo bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Oberaufsicht und der Unabhängigkeit der Gerichte? In welchen Fragen besteht Einigkeit in der Rechtsliteratur? Wo bestehen unterschiedliche Auffassungen? ­ Besonders aktuell sind diese Fragen im Zusammenhang mit der Totalrevision des Geschäftsverkehrsgesetzes1 (GVG) und jener der Bundesrechtspflege2. Im Bericht wird auf das als Entwurf vorliegende und voraussichtlich auf die nächste Legislatur in Kraft tretende Parlamentsgesetz, das das GVG ersetzen soll, eingegangen, weil es Neuerungen für die parlamentarische Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte enthält. Dagegen wird die Totalrevision der Bundesrechtspflege und die in diesem Rahmen geführte und noch zu führende Debatte über die Einsetzung einer Justizkommission ausgespart, da die Tragweite der Oberaufsicht primär durch die Bundesverfassung und das Parlamentsgesetz definiert wird.

Das schweizerische Justizaufsichtsmodell stellt im internationalen Vergleich einen Sonderfall dar.3 Deshalb konnten wir uns zur Beantwortung der untersuchungsleitenden Fragen auf schweizerische Rechtsliteratur konzentrieren. Bei der Literaturrecherche erwies sich die jüngst erschienene Habilitationsschrift von Regina Kiener «Richterliche Unabhängigkeit: verfassungsrechtliche Anforderungen an Richter und

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SR 171.11, Bundesgesetz über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse vom 23. März 1962.

BBl 2001 4202; 01.023 Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001.

In der Schweiz nehmen Parlamente die Oberaufsicht über die eidgenössischen und kantonalen Gerichte wahr. In den meisten europäischen Ländern sind «unabhängige» Justizräte für die Aufsicht zuständig. Eine weitere Besonderheit des schweizerischen Rechstsystems besteht darin, dass die Richter jeder Instanz gewählt werden (Wahlorgane: Parlament, Volk und selten die Regierung); auch haben sie sich der Wiederwahl zu stellen. Im Ausland werden Richter meist ernannt und sind bis zur Erreichung einer bestimmten Altersgrenze eingesetzt. Vgl. Eichenberger, Kurt, 1990: Sonderheiten und Schwierigkeiten der richterlichen Unabhängigkeit in der Schweiz. In: Frank, Richard: Unabhängigkeit und Bindungen des Richters in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz. Beihefte zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Heft 12, S. 57­81. Basel. S. 64­66.

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Gerichte» als äusserst hilfreich.4 Kiener kommt bei der Untersuchung des institutionenbezogenen Ansatzes der richterlichen Unabhängigkeit ausführlich auf Aufsichtsfragen zu sprechen. Dabei arbeitet sie die gesamte relevante Literatur auf und gibt an, in welchen Fragen einzelne Autoren ihre Auffassungen teilen und wo diese andere Meinungen vertreten. Ein eigentlicher Disput in der Rechtslehre ist allerdings nirgends zu lokalisieren. Kiener, die eine Position der Mitte vertritt, wird auf den folgenden Seiten häufig zu Wort kommen. Weiter ist ein Aufsatz von Hansjörg Seiler hervorzuheben.5 Seiler tritt ­ vor dem Hintergrund des Informationsanspruchs des Parlaments und der Öffentlichkeit der Gerichte ­ für eine punktuell vergrösserte Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht ein. In seinem Aufsatz listet er auf, in welchen Fragen in der Literatur Einigkeit herrscht und welche als umstritten gelten.

Ihm zufolge sind vor allem Kompetenzfragen umstritten (Auskunfts- und Einsichtsrechte). Wir kommen im Laufe des Berichts mehrmals auf Seiler zu sprechen. Öfters werden wir auch Philippe Mastronardi, GPK-Sekretär von 1978 bis 1994, zitieren.

Er hat die parlamentarische Oberaufsicht im Bund in seiner 1991 publizierten Habilitationsschrift eingehend analysiert.6 Seine Position orientiert sich an der von der GPK ausgeübten Praxis; er steht ebenfalls für eine starke Oberaufsicht ein. Als Befürworter einer eher eng begrenzten parlamentarischen Justizaufsicht sei hier Jean-François Aubert erwähnt.7 Aubert kann zudem stellvertretend für jenen Teil der Literatur genannt werden, die unserem Untersuchungsgegenstand nur wenige Zeilen widmet. Seiler ist zuzustimmen, wenn er festhält, die Lehre habe sich zwar «ausgiebig» mit der Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht über Regierung und Verwaltung befasst, «aber wenig und eher summarisch mit derjenigen über die Gerichte.»8 Deshalb können wir uns im Folgenden auf eine überschaubare Autorenanzahl beschränken. Wenn in diesem Bericht direkt oder indirekt aus der Literatur zitiert wird, übernehmen wir in aller Regel auch deren Worthervorhebungen (kursiv). Die konsultierten Werke sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Auf eine Schwierigkeit, die durch diesen Bericht nicht ganz eliminiert werden konnte, macht Seiler aufmerksam. In der Lehre trete oft nicht klar hervor,
ob eine Aussage zur Tragweite der Oberaufsicht normativ sei oder nur beschreibe, wie die Handhabung der Aufsicht durch die Parlamente in der Realität erfolge. In der Regel geben wir an, wenn explizit solche «Realitätsbezüge» vorliegen.

Auf eidgenössischer Ebene unterstehen der parlamentarischen Oberaufsicht die mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten eidgenössischen Gerichte in den Bereichen der Verfassungs-, Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das sind in erster Linie das Bundesgericht (BGer) einschliesslich des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, Spezialgerichte des Bundes (wie das zu schaffende Bundesstrafge-

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Kiener, Regina, 2001: Richterliche Unabhängigkeit: verfassungsrechtliche Anforderungen an Richter und Gerichte. Bern.

Seiler, Hansjörg, 2000: Praktische Fragen der parlamentarischen Oberaufsicht über die Justiz. ZBl 6/2000, S. 281­294.

Vgl. Mastronardi, Philippe, 1991: Kriterien der demokratischen Verwaltungskontrolle, Analyse und Konzept der parlamentarischen Oberaufsicht im Bund. Basel/Frankfurt am Main. Insbesondere S. 131­138.

Vgl. Aubert, Jean-François, 1987, Art. 71 Rz. 58­61, Art. 85 Ziff. 11, Rz. 181­184.

In: Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874. Hrsg. Jean-François Aubert et al. Band IV, Basel, Zürich, Bern.

Vgl. Seiler, Hansjörg, S. 282. Aus prozessualen Gründen gebe es keine höchstrichterliche Judikatur zu diesem Thema.

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richt), Schieds- und Rekurskommissionen, wenn ihnen die erforderliche Unabhängigkeit zukommt sowie die militärische Gerichtsbarkeit.9 Der Begriff «Oberaufsicht» meint in dieser Analyse stets «parlamentarische Oberaufsicht»; es handelt sich also um eine Interorgankontrolle. In den Kantonen übt in der Regel das Parlament die Oberaufsicht über die kantonalen Höchstgerichte aus. Darum kann hier auch Rechtsliteratur, die sich auf die kantonale Modelle bezieht, berücksichtigt werden.

Unterinstanzliche Justizbehörden unterliegen in den Kantonen zumeist der Intraorganaufsicht durch die übergeordnete Gerichtsinstanz.10 Im Bericht werden eingangs in der Literatur zu findende Zieldefinitionen zur Oberaufsicht über die Justiz vorgestellt. Dabei sind auch die z. T. unterschiedlichen Bedeutungseinstufungen des Gewaltenteilungsprinzips zu berücksichtigen. Der richterlichen Unabhängigkeit, ein Begriff, der die Oberaufsicht über die Justiz stets begleitet, ist die zweite Ziffer gewidmet. In der dritten Ziffer stellen wir die Hauptpositionen zur Oberaufsicht über die Justiz vor. Zu unterscheiden sind eine enge, eine erweiterte und eine punktuell ausgedehnte Tragweite der Oberaufsicht. Danach gehen wir auf die einzelnen Gegenstände der Oberaufsicht ein und besprechen auch deren Instrumente. Die fünfte Ziffer befasst sich mit der Frage der parlamentarischen Untersuchungskommission über die Gerichte. Die Schlussziffer präsentiert die wichtigsten Ergebnisse der Literaturauswertung vor dem Hintergrund der Praxis der GPK und dem neuen Parlamentsgesetz.

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Ziele der Oberaufsicht über die Justiz und Bedeutung des Gewaltenteilungsprinzips

Die Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht hängt damit zusammen, welche Funktion und welche Ziele der Oberaufsicht aus rechtlicher und staatspolitischer Sicht zugeschrieben werden. Dabei wird in der Literatur zumeist auch auf die Bedeutung des Gewaltenteilungsprinzips eingegangen. Diese wird allerdings unterschiedlich eingestuft, wie weiter unten zu erfahren ist. Bezeichnend ist, dass schon bei der Beschreibung der Ziele der Justizaufsicht auf ein sie charakterisierendes Spannungsverhältnis prononciert hingewiesen wird.

Mit Aubert kann als Ziel und Funktion der Oberaufsicht über die Justiz festgehalten werden, es gehe darum, zu prüfen, ob die Gerichte Recht gesprochen hätten und dies ohne zu grosse Verspätung geschah.11 In den Worten Kieners, die sich Überlegungen auf einer grundsätzlichen Ebene gemacht hat, wird kontrolliert, ob die von der Verfassung vorgeschriebenen Aufgaben durch die zuständigen Organe und im Sinn der Verfassung ausgeübt werden. Sie sieht die parlamentarische Oberaufsicht zunächst nicht isoliert an, sondern betrachtet diese als Teil des «freiheitsverbürgenden Systems gewaltenteiliger checks and balances»: In diesem System stünden alle staatlichen Behörden in einem Geflecht gegenseitiger Aufsicht und Kontrolle. Ziel sei die fortdauernde Sicherstellung der verfassungsmässigen Ordnung. Die Funkti-

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Vgl. Sägesser, Thomas (Hrsg.), 2000: Die Bundesbehörden: Bundesversammlung ­ Bundesrat ­ Bundesgericht. Kommentar, Beiträge und Materialien zum 5. Titel der schweizerischen Bundesverfassung. Bern. Art. 169, Rz. 596.

Vgl. Kiener, 2001, S. 296f.

Vgl. Aubert, Art. 85, Rz. 184.

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onsträger seien dem Aufsichtsorgan für die verfassungskonforme Ausübung der ihnen aufgetragenen hoheitlichen Aufgaben verantwortlich. In dieses Kontrollgefüge sei die Justiz wie alle anderen Staatsorgane eingebunden. Die Unabhängigkeit der Justiz werde damit noch nicht in Frage gestellt, im Gegenteil: «Die staatliche Aufsicht über die Justiz will gerade sicherstellen, dass die Staatsfunktion Rechtsprechung im Verfassungssinn funktioniert, die Justiz nicht im verantwortungsfreien Raum agiert und der Justizanspruch der Bürgerinnen und Bürger faktisch gewährleistet bleibt.» Wenn nun zu diesem verfassungskonformen Funktionieren der Justiz wesentlich ihre fortbestehende Unabhängigkeit gezählt werde, so zeige sich umgehend das Spannungsverhältnis, in dem sich die Justizaufsicht bewege, führt Kiener aus: «Sie soll die Unabhängigkeit der Justiz nachhaltig schützen und behüten, sachfremde Einwirkungen aufdecken und für entsprechende Gegenmassnahmen sorgen, und erweist sich damit für die Absicherung der Justiz konstitutiv. Gleichzeitig darf die Aufsicht nicht beeinträchtigen, was sie zu schützen versucht.»12 Der in der Verfassung angelegte Konflikt zwischen Unabhängigkeit einerseits und Justizaufsicht andererseits müsse deshalb in einen harmonisierenden Ausgleich gebracht werden.

Aufsicht sei zielgerecht auszuüben, das heisse nach Art und Mass so, dass die Unabhängigkeit der Justiz nicht beeinträchtigt werde, sondern im Gegenteil sichernde Stützung erfahre. Gerade durch diese besondere Zielsetzung gewinne die Justizaufsicht ihre spezifische Ausprägung und Begrenzung; sie könne deshalb auch nicht mit der allgemeinen Verwaltungsaufsicht gleichgesetzt werden. Mit dieser Schlussfolgerung kann sich Kiener u. a. auf Aubert berufen.13 Sie weist aber auch darauf hin, dass Eichenberger und Mastronardi hier teilweise anderer Ansicht sind.

Eichenberger hält fest, das Gewaltenteilungsprinzip schütze die Justiz nicht stärker vor Kontrollen anderer Gewalten als die Verwaltung. Was letzterer an Kontrollen, namentlich bei ihren ausgebreiteten rechtsanwendender Verrichtungen auferlegt sei, müsse grundsätzlich auch die Justiz hinnehmen: «Richterliche Unabhängigkeit ist nicht totale Ungebundenheit und Abschliessung, und eine Unabhängigkeit hat auch die rechtsanwendende Verwaltung.» Immerhin sei bei der Justiz, so Eichenberger,
eine «Behutsamkeit» am Platz.14 Nach Mastronardis Verständnis der parlamentarischen Kontrolle als Gespräch unter den Gewalten im Staat und als Tendenzkontrolle mit langfristiger Steuerungsabsicht, jedoch ohne Auswirkung auf den als Beispiel herbeigezogenen Einzelfall, stehen die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit dem Einschluss der Rechtsprechung in die Oberaufsicht nicht entgegen.

Er postuliert für eine Tragweite der Justizaufsicht, die sich nicht von der Oberauf-

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Vgl. Kiener, 2001, S. 294f. An anderer Stelle fasst Kiener das Ziel der Oberaufsicht in folgende Worte: Die Oberaufsicht über die Justizverwaltung und den äusseren Geschäftsgang wolle «sicherstellen, dass die Richter ihre Beamtenpflichten erfüllen, d.h.

die ihnen anvertraute ­ und in fachlicher Hinsicht nicht kontrollierbare ­ Kernfunktion Rechtsprechung im verfassungsmässigen Sinn administrieren, so dass alle organisatorisch-institutionellen Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Rechtsprechung sichergestellt sind und das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Justiz gewährleistet bleibt». Ebd. S. 299.

Vgl. Kiener, 2001, S. 296, Fussnote 282. Im Kommentar zu Art. 71 (Rz 58) hält Aubert fest, die Vorrangstellung der Bundesversammlung gegenüber dem BGer ergebe sich auf ähnliche Weise wie für den Bundesrat. Sie sei lediglich durch die den richterlichen Organen eigene Unabhängigkeit gemässigt. Vgl. auch Aubert, Art. 85, Rz. 181.

Vgl. Eichenberger, Kurt, 1982: Aktuelle Fragen des parlamentarischen Oberaufsichtsrechts im Kanton Basel-Landschaft. Liestal, S. 47.

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sicht über die Verwaltung unterscheidet. Seine Argumentation: «Dass die Kontrollkommissionen nicht befugt sind, Entscheidungen von Gerichten aufzuheben oder abzuändern, ist eine Einschränkung, die in gleicher Weise für die gesamte Verwaltungskontrolle gilt.» Sowohl nach Verfassung wie nach Gesetz stehe das BGer in gleicher Weise wie der Bundesrat «unter der Aufsicht der Bundesversammlung».

Und Mastronardi führt aus, solange das BGer nicht als Verfassungsgericht über die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze urteilen dürfe, bestehe auch keine Gefahr, dass das Parlament gestützt auf seine Oberaufsichtskompetenz versuchen könnte, das Gericht in der Wahrnehmung seiner Funktion zu behindern. Da zwischen Bundesversammlung und Bundesgericht ein System von gegenseitigen Kontrollen fehle, stelle die Justiz im Bund eine Form von Gesetzesvollzug dar, die grundsätzlich in gleichem Umfang der parlamentarischen Kontrolle unterstehe wie Regierung und Verwaltung. Wie wir in Ziffer 4.3.2 sehen werden, schreibt Mastronardi dem Parlament indessen eine gewisse Selbstbeschränkung in Form und Darstellung von Kritik an Gerichten zu. Diese gelte im Übrigen auch im Verkehr zwischen Parlament und Bundesrat.15 Mastronardi hat den Zweck der Oberaufsicht als Tendenzkontrolle mit langfristiger Steuerungsabsicht beschrieben. Einen ähnlichen Oberaufsichtsbegriff verficht Seiler.

Er betont, dass es keinen eindeutigen und klaren Wortsinn von Aufsicht oder Oberaufsicht gebe. Auch verfassungsgeschichtlich sei die Tragweite der parlamentarischen Aufsicht je nach Zeitgeist unterschiedlich gehandhabt worden. In einem engeren, traditionellen Sinn verstehe man eine nachträgliche Kontrolle darunter: «Der Beaufsichtigende kontrolliert, ob der Beaufsichtigte die ihm übertragene Aufgabe auftragsgemäss ausgeführt hat.» Diese Art von Aufsicht sei primär vergangenheitsbezogen. In einem modernen Sinn bedeute Aufsicht hingegen nicht nur ein Kontrollieren ex post. Sie sei als Steuerungsmittel in einem kybernetischen Prozess zu sehen. Aufsicht in diesem Sinne meine Richtungskontrolle, Trendkontrolle, Wirkungskontrolle: «Und sie ist auch Frühwarnsystem, um Probleme rechtzeitig zu erkennen. Sie ist gegenwarts- und zukunftsbezogen und macht Erkenntnisse aus der begleitenden Aufsicht nutzbar für eine Optimierung der Steuerung.»16 Seiler äussert
sich zudem zur Bedeutung des Gewaltenteilungsprinzips17. Er beginnt die diesbezüglichen Ausführungen mit der zutreffenden Feststellung, dass diejenigen, welche die Oberaufsichtskompetenz restriktiv auffassen, sich in der Regel auf die Gewaltenteilung berufen würden. Aber: Als abstraktes Prinzip gebe es für die hier interessierende Frage nichts her: «Es gibt verschiedene Gewaltenteilungskonzeptionen, die mit unterschiedlichsten historischen, rechtstheoretischen, staatstheoretischen und politischen Konzepten zusammenhängen.» Je nach Konzeption komme man bei der Frage der Tragweite der Oberaufsicht zu gegensätzlichen Antworten. In der «klassischen» Dreifunktionenlehre ­ jede «Gewalt» hat eine bestimmte Funktion als Stammfunktion und darf grundsätzlich keine Aufgaben aus anderen Bereichen wahrnehmen ­ komme die Aufsicht nicht vor. Gerade die Aufsicht sei es indessen, die historisch, staatstheoretisch und positiv-verfassungsrechtlich neben der Gesetzgebung eine der Hauptaufgaben von Parlamenten sei. In manchen Kantonsverfas-

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Vgl. Mastronardi, S. 134f.

Vgl. Seiler, S. 284f.

Die Gewaltenteilung ist Gegenstand seiner Habilitationsschrift; vgl. Seiler, Hansjörg, 1994: Gewaltenteilung, Allgemeine Grundlagen und schweizerische Ausgestaltung. Bern.

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sungen werde das Parlament ausdrücklich als «gesetzgebende und aufsehende Gewalt» bezeichnet, die Aufsicht sei demnach eine Stammfunktion des Parlaments: Deshalb könne die Tragweite der Oberaufsicht nicht mit dem Hinweis begrenzt werden, damit würde das Parlament in die Bereiche der anderen Gewalten eingreifen.

Gewaltenteilung bedeute nicht Isolierung der einzelnen Organe, sondern ein stufengerechtes Zusammenwirken aller Organe. Massgebend für die Tragweite der Oberaufsicht sei nicht ein abstrakt-theoretisches Gewaltenteilungsprinzip, sondern primär das positive Recht. Seiler fügt an, diese Aussage gelte unter zwei Einschränkungen: Erstens sei das positive Recht in der hier interessierenden Frage meistens sehr unbestimmt und schweige darüber, was (Ober-)Aufsicht im Einzelnen bedeute. Zweitens gebe es bundesverfassungsrechtliche oder völkerrechtliche Vorgaben und Grenzen für die parlamentarische Oberaufsicht. Dabei hat Seiler zwei verfassungsrechtliche Eckpunkte im Auge: 1. die in dieser Ziffer oft angesprochene Unabhängigkeit der Justiz und zweitens die Öffentlichkeit der Gerichte.18 Auf erstere gehen wir in der nächsten Ziffer näher ein, während der zweite Punkt und dessen Konsequenzen in Ziffer 4.3.1 behandelt werden.

Blicken wir zurück, so hat diese Ziffer zu zwei Haupterkenntnissen geführt, die bezüglich Tragweite der Oberaufsicht über die Justiz relevant sind. Erstens finden wir in der Literatur zwei unterschiedliche Oberaufsichtsbegriffe: Beim ersten liegt das Ziel der Oberaufsicht in der Überprüfung, ob die Justiz die von der Verfassung vorgeschriebenen Aufgaben ausübt und in deren Sinn wahrnimmt. Es handelt sich um eine Ex-post-Aufsicht. Beim zweiten Oberaufsichtsbegriff wird betont, dass es sich bei der Oberaufsicht um eine Trendkontrolle handle, dass sie gegenwarts- und zukunftsbezogen ausgerichtet sei und eine Optimierung des überprüften Organs anstrebe. Diese beiden Positionen ­ so die zweite Haupterkenntnis ­ gehen einher mit einer teilweise unterschiedlichen Einstufung der Bedeutung des Gewaltenteilungsprinzips und der richterlichen Unabhängigkeit: Wo die Argumente der Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit prominent akzentuiert sind (Aubert, Kiener), wird auch besonders betont, dass sich die Oberaufsicht über die Justiz von jener über die Exekutive und die Verwaltung
unterscheide. Diese habe eine «spezifische Ausprägung». Die Autoren, welche die Aufsicht nicht nur als Ausführungskontrolle auffassen, sondern welche auch die Funktion der Wirkungsüberprüfung unterstreichen, treten für eine starke Position des Parlaments ein (Mastronardi, Seiler). Sie anerkennen das Gewaltenteilungsprinzip und die richterliche Unabhängigkeit, sehen darin aber kein Hindernis, die Oberaufsicht über die Justiz jener über Regierung und Verwaltung gleichzusetzen. Als Konsequenz für die Tragweite der Justizaufsicht resultiert daraus, dass auch Inhalte der Rechtsprechung zu deren Gegenstand gezählt werden. In Ziffer 4.2 und 4.3 werden wir darauf zurückkommen.

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Vgl. Seiler, S. 282ff und S. 285ff.

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Richterliche Unabhängigkeit

In der Literatur wird als verfassungsrechtliche Grenze der Oberaufsicht über die Justiz die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit stets angeführt. Deshalb stellen wir die Bedeutung dieses Begriffs, dem wir in der letzten Ziffer schon mehrmals begegnet sind, kurz dar. Aus der Vielzahl möglicher Beschreibungen19 haben wir uns für jene Sägessers entschieden und zwar aus zwei Gründen: Es handelt sich um einen Kommentar zur verfassungsrechtlichen Stellung der Bundesbehörden und um einen aktuellen dazu, da er sich auf den entsprechenden Artikel und Materialien der Justizreform20 bezieht.

Der BV-Artikel zur richterlichen Unabhängigkeit (BV Art. 191c, Justizreform) lautet folgendermassen: «Die richterlichen Behörden sind in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem Recht verpflichtet.» Sägesser kommentiert diesen Artikel unter fünf Stichworten; dabei bezieht er sich hauptsächlich auf die Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung:

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Richterliche Unabhängigkeit als Organisationsprinzip: Nur eine unabhängige Justiz vermöge qualifizierten Rechtsschutz zu gewähren, wie er einem Rechtsstaat eigen sein müsse. Insofern stelle die Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt ein Rechtsstaatsprinzip dar. Die richterliche Unabhängigkeit als Organisationsprinzip sei Ausfluss der Gewaltentrennung. Nur dieser Teil der richterlichen Unabhängigkeit sei hier verankert. Die Bestimmung richte sich an alle Staatsorgane. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, dieses Prinzip zu verwirklichen.

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Richterliche Unabhängigkeit als Grundrecht: Soweit es um die richterliche Unabhängigkeit als Grundrecht gehe, werde sie in Artikel 30 Absatz 1 der BV garantiert. Diesem zufolge hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch das Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht.

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Richterliche Behörden: Der Begriff der richterlichen Behörden umfasse einerseits das BGer und die weiteren eidgenössischen Gerichte (Spezialgerichte oder unabhängige Rekurskommissionen). Das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit gelte aber auch für die richterlichen Behörden der Kantone. Nach Sägesser ist offen, ob und inwieweit es für Verwaltungsbehörden gelte, die richterliche Funktionen ausüben. Begriffswahl und Ausführungen in der Botschaft würden eher eine Einschränkung auf Gerichte erkennen lassen.

In unserem Bericht zum modernen Management in der Justiz haben wir Eichenbergers Definition übernommen. Vgl. PVK, 2001: Modernes Management in der Justiz. Bericht zuhanden der um nationalrätliche Mitglieder erweiterten Subkommission EJPD/Gerichte der GPK des Ständerates im Rahmen der Inspektion «Parlamentarische Oberaufsicht über die Justiz», S. 10f.

Die Justizreform (BBl 1999 8633) ­ ein die nachgeführte Bundesverfassung ergänzen des Reformpaket ­ wurde von Volk und Ständen am 12. März 2000 angenommen.

Über deren Inkrafttreten wird das Parlament im Rahmen der hängigen Totalrevision der Bundesrechtspflege entscheiden.

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Unabhängigkeit in der rechtsprechenden Tätigkeit: Diese Bestimmung verankere die Unabhängigkeit der richterlichen Behörden in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit. Damit werde die Unabhängigkeit solcher Behörden von anderen staatlichen Gewalten und gesellschaftlichen Kräften angesprochen.

Eine direkte Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit richterlicher Behörden sei untersagt, ihnen dürften namentlich keine Weisungen erteilt oder ihre Entscheide nachträglich korrigiert werden.

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Dem Recht verpflichtet: Die richterliche Unabhängigkeit werde durch die Bindung an das Recht eingeschränkt. Die Unabhängigkeit bestehe somit nicht um ihrer selbst willen, sondern um das Recht als solches auszuprägen und anzuwenden. Mit dieser Erwähnung solle vor allem an das demokratische Prinzip erinnert werden.21

Für die Tragweite der Oberaufsicht sind vor allem die beiden letzten Punkte von Bedeutung. Auf die rechtsprechende Tätigkeit eines Gerichts darf die Oberaufsicht keinen Einfluss nehmen; andererseits ist das Gericht in seiner Unabhängigkeit durch die Bindung an das Recht eingeschränkt. Die Legislative kann also auf die Praxis der Rechtsprechung dadurch Einfluss nehmen, dass sie Gesetzesbestimmungen erlässt oder ändert.

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Hauptpositionen zur Tragweite der Oberaufsicht über die Justiz

In der Literatur herrscht Einigkeit über verschiedene Grundsätze der Justizaufsicht im Kontext der richterlichen Unabhängigkeit. Daneben bestehen aber auch unterschiedliche Ansichten in der Frage, wieweit die Oberaufsicht über die Gerichte gehen kann. Umfasst sie beispielsweise auch die Rechtsprechung? ­ Wir gehen in dieser Ziffer zuerst auf die unbestrittenen Grundsätze ein und stecken anschliessend ab, welche Hauptpositionen zur Oberaufsicht über die Justiz sich am Horizont der Rechtsliteratur abzeichnen. Ein eigentlicher Diskurs ist in der Literatur aber nicht zu eruieren. Schliesslich geben wir an, welche Tragweite Sägessers Kommentar zu den Bundesbehörden der Oberaufsicht über die Justiz zuschreibt. Mit den einzelnen Gegenständen der Justizaufsicht befassen wir uns in Ziffer 4.

Seiler nennt drei in der Literatur unumstrittene Grundsätze zur Justizaufsicht, die sich aus der Vorgabe der richterlichen Unabhängigkeit ableiten: 1. Das Parlament kann einem Gericht keine Weisungen erteilen, wie es in einem bestimmten Fall entscheiden soll. Falls die Legislative eine Änderung einer bestimmten Entscheidpraxis wünscht, müssen die betreffenden gesetzlichen Grundlagen geändert werden. 2. Das Parlament kann ­ in Ausübung seiner Oberaufsicht ­ kein gerichtliches Urteil ändern oder aufheben, abgesehen von gesetzlich vorgesehenen Fällen wie der Begnadigung. 3. Das Parlament kann nicht Richter disziplinieren oder absetzen, weil sie in einem bestimmten Sinn geurteilt haben.22 Von diesen allgemeinen, unumstrittenen Grundsätzen wechseln wir nun zu den Aufsichtsgegenständen, über deren Zuordnung zur Oberaufsicht in der Literatur ebenfalls Übereinstimmung

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Vgl. Sägesser, Art. 191c BV (Justizreform), Rz. 1207­1211.

Vgl. Seiler, S. 285f.

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herrscht. Es sind die Angelegenheiten der Justizverwaltung und der äussere Geschäftsgang. Für einzelne Autoren ist die Tragweite der Oberaufsicht auf diese Gegenstände limitiert.23 Wir nennen sie in der Folge die eng gefasste Tragweite der Oberaufsicht. So meint Aubert im Kommentar zur BV vom 29. Mai 1984, Gegenstand der Oberaufsicht über die Rechtspflege könne lediglich die «formelle Regelmässigkeit» sein. Die Aufsicht «darf selbstverständlich nicht politisch sein, sie darf sich nicht einmal auf den Inhalt der Entscheide beziehen, da sonst die Unabhängigkeit der Richter in Frage gestellt wäre.» Als gute Prüfungsgrundlage schätzt er die in den jährlichen Geschäftsberichten enthaltenen Statistiken über die behandelten Fälle ein: Das Parlament müsse feststellen, «ob Recht gesprochen wurde und ob dies ohne zu grosse Verspätung geschah.»24 Mit der Übersicht über die Rechtsprechung, so der Standpunkt Auberts, gäben die Berichte eher eine wissenschaftliche Auskunft.

Poudret geht in seinem Kommentar zum Bundesrechtspflegegesetz (OG)25 ausführlicher als Aubert auf die Oberaufsicht ein. Die Oberaufsicht müsse soweit wie möglich mit dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit versöhnt sein. Gesetzes- und vielmehr noch der Verfassungstext würden es jedoch nicht erlauben, die Aufsicht ausschliesslich auf eine rein administrative zu begrenzen, die sich auf die Geschäftsführung und den internen Betrieb beschränke. Sie beziehe sich auf die Administration der Justiz, also auf die Art, wie das BGer seine von der Verfassung auferlegten Aufgaben erledige. Die Bundesversammlung könne u. a. in Fällen einer ungerechtfertigten Verspätung bei der Behandlung von Dossiers intervenieren. Soweit deckt sich die Position Poudrets mit jener Auberts. Poudret ist indessen der Meinung, die Oberaufsicht könne sich auch auf den materiellen Bereich beziehen. Wohl dürfe nicht das einzelne Gerichtsurteil kritisiert werden, die Oberaufsicht könne aber die Pflicht in sich tragen, die Aufmerksamkeit der Bundesgerichte auf eine Rechtsprechung zu lenken, die ­ über den Einzelfall hinaus ­ das gute Funktionieren dieser Justiz zu kompromittieren scheine.26 Poudrets Standpunkt deckt sich mit der auch von Kiener geteilten Position: Diese möchten wir mit erweiterte Tragweite benennen. Eichenberger, um ein weiteres Beispiel eines Vertreters
dieser Hauptposition zu nennen, wendet sich deutlich gegen einen allzu engen Oberaufsichtsbegriff: Er betont, «bei richtig verstandenem Oberaufsichtsrecht ist dessen Gegenstand nicht nur die sog. Justizverwaltung, die sich nach verbreiteter Auffassung in den Kanzleibetätigungen erschöpft, aber zumindest noch den äusseren Geschäftsgang und allenfalls die Arbeitsverteilung und Arbeitsverrichtung der Richter und Gerichtsschreiber einschliesst.» Vielmehr sollten auch die Belange der materiellen Tätigkeit, also der Inhalt der Rechtsprechung, erfasst werden.27 Auf letzteres werden wir insbesondere

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Vgl. Aubert oder auch Spühler, Karl, 1994: Der Richter und die Politik: Die Wahlart der Richter und ihre Unabhängigkeit gegenüber politischen Gewalten. Zeitschrift des bernischen Juristenvereins. Band 130, S. 36.

Diesen Standpunkt teilen Auer et al. in ihrem kürzlich erschienenen Kommentar zum schweizerischen Verfassungsrecht: «Le Tribunal fédéral est également soumis à l'haute surveillance de l'Assemblée fédérale, mais seulement sous la forme d'approbation du rapport de gestion annuel (art. 169 al 1 Cst.).» Vgl. Auer, Malinverni, Hottelier, 2000: Droit constitutionnel suisse. Vol. 1: L'Etat. Berne, Rz 97.

SR 173.110; Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943.

Vgl. Poudret, Jean-François, 1990: Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire. Volume I. Berne. S. 92ff.

Vgl. Eichenberger, Kurt, 1982: Aktuelle Fragen des parlamentarischen Oberaufsichtsrechts im Kanton Basel-Landschaft. Liestal. S. 47.

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in Ziffer 4.3.2 zu sprechen kommen. In der Literatur gibt es zudem Vertreter, die diese erweiterte Position punktuell ausdehnen. Mastronardi und Seiler stehen für diesen punktuell ausgedehnten Oberaufsichtsbegriff. Mastronardi billigt der Oberaufsicht unter bestimmten Umständen (konkret: bei Einschränkung des von der Verfassung vorgesehenen Beschwerdewegs) eine rechtsstaatliche Ersatzfunktion zu und schliesst dabei eine materielle Behandlung von Urteilen nicht aus. Zudem versteht er die «Zurückhaltungspflicht» des Parlaments bei der Kritik an einer bestimmten Entscheidpraxis als Zeichen «parlamentarischer Courtoisie» und nicht als Ausfluss des Verfassungsrechts.28 Seiler tritt insbesondere für erweiterte Informationsrechte der Oberaufsicht ein (Auskunftspflichten, Einsicht in Gerichtsakten nach Abschluss eines laufenden Verfahrens und Möglichkeit der Einsetzung einer PUK über ein Gericht).29 Welche Position zur Oberaufsicht wird nun im Kommentar von Sägesser vertreten?

Wird die Tragweite eng, erweitert oder ausgedehnt aufgefasst? ­ Sägessers Ausführungen zur Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte stützen sich u. a. auf Ratsprotokolle, die Botschaft über eine neue Bundesverfassung und auf Kiener30. Es handelt sich somit um eine Mischung aus normativen Aussagen zur Tragweite der Oberaufsicht und der Beschreibung der reellen Wahrnehmung der Aufsicht durch das Parlament. Sägesser betont die besondere Bedeutung der verfassungsrechtlich verankerten Unabhängigkeit eines Gerichts (Art. 191c BV Justizreform), die der Oberaufsicht Grenzen setze. Die inhaltliche Kontrolle eines Urteils sei ausgeschlossen. Oberaufsicht sei nicht das Recht zur Rechtsprechung. Keine unzulässige inhaltliche Kontrolle liege vor, wenn die Bundesversammlung mit einer Aufsichtsbeschwerde gegen eine richterliche Behörde befasst werde. Gegenstand der Oberaufsicht seien die Überwachung des ordnungsgemässen Geschäftsgangs und die Angelegenheiten der Justizverwaltung. Im Sinne einer Erfolgs- und Effizienzkontrolle könne die Oberaufsicht vom Inhalt abgeschlossener Verfahren Kenntnis nehmen. Damit überprüfe die Legislative nur die Vollzugstauglichkeit ihrer Erlasse.

Laut Kommentar können Tendenzen der Rechtsprechung mit den Gerichtsbehörden erörtert werden, weil dadurch Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Gesetze gezogen und
allfällige Mängel oder Lücken erkannt würden. In der Praxis würden die GPK auch Rügen auf Rechtsverzögerung oder Rechtsverweigerung prüfen.

Dabei gehe es nicht um eine inhaltliche Kontrolle richterlicher Urteile, sondern um das Funktionieren der richterlichen Behörden.31 Auskunftsrechte, Einsichtsrechte und Untersuchungsbefugnisse der für die Oberaufsicht zuständigen Kommissionen ergeben sich aus ihren Aufgaben, die im Einzelnen durch das Gesetz geregelt würden (Art. 153 Abs. 4 BV).

In Sägessers Kommentar zur Tragweite der Oberaufsicht wurden deren Gegenstände systematisch aufgeführt. Nicht dem eng gefassten Oberaufsichtsbegriff (Justizverwaltung und äusserer Geschäftsgang) wird das Wort geredet, sondern dem

28 29 30

31

Vgl. Mastronardi, S. 135­138.

Vgl. Seiler, S. 291f.

Vgl. Kiener, Regina, 1994: Die Informationsrechte der parlamentarischen Kommissionen. Ein Beitrag zum Verhältnis zwischen Parlament, Regierung und Verwaltung, dargestellt nach der Regelung im Bundesrecht. Bern.

Vgl. Sägesser, Art. 169 BV, Rz. 596. Laut Mastronardi prüfen die GPK auch Rügen der Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundsätze; vgl. Mastronardi, S. 132.

7702

erweiterten, welcher der Oberaufsicht auch gewisse Befugnisse bezüglich der Rechtsprechung zubilligt. Diese erweiterte Tragweite entspricht einerseits der Oberaufsichtspraxis der GPK32, aber auch der Hauptposition in der Literatur. Sägesser verweist denn auch zweimal auf Kiener. Aufschlussreich sind seine Ausführungen, weil sie ansprechen, wo mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu Eingriffen in die richterliche Unabhängigkeit liegen. Einerseits wird im Kommentar betont, dass eine inhaltliche Kontrolle gerichtlicher Urteile ausgeschlossen sei, mehrmals aber auch darauf aufmerksam macht, wann eine solche nicht vorliegt. Sägesser nennt folgende Fälle: bei Aufsichtsbeschwerden gegen eine richterliche Behörde, bei Kenntnisnahme vom Inhalt abgeschlossener Verfahren zwecks Erfolgs- und Effizienzkontrolle; bei Erörterungen von Tendenzen der Rechtsprechung zwecks Folgerungen für die Gesetzgebung und schliesslich bei der Prüfung von Rügen auf Rechtsverzögerung oder Rechtsverweigerung, da hier das Funktionieren der Justiz betrachtet werde. Mit der Nennung dieser Fälle gibt Sägesser einen Hinweis darauf, wo diffizile Berührungspunkte zwischen Oberaufsicht und Justiz liegen. Es sind vor allem diese, zu denen in der Lehre unterschiedliche Ansichten bestehen. Wir werden die Aufsichtsbeschwerden und die Prüfung der Rügen in der Ziffer zum äusseren Geschäftsgang behandeln, während die Fragen der Einsichtnahme in abgeschlossene Fälle und der Erörterungen von Tendenzen der Rechtsprechung in Ziffer 4.3.2 diskutiert werden.

4

Tragweite und Gegenstände der Oberaufsicht

4.1

Justizverwaltung

Die konsultierte Literatur zählt die Justizverwaltung einhellig zum Gegenstand der parlamentarischen Oberaufsicht. Dies mag ein Grund dafür sein, dass zahlreiche Autoren darauf verzichten, genauer zu erläutern, wieweit und aufgrund welcher Dokumente und Kennzahlen die Oberaufsicht die Belange der Gerichtsverwaltung überprüfen soll und kann. Es bestehen hier indessen Unklarheiten, wie aus dem Bericht der PVK zum modernen Justizmanagement hervorgegangen ist.33 Zur Frage der durch neue Informationssysteme und Controlling gewonnenen Geschäftsführungsdaten und deren Eignung für die Oberaufsicht konnten in der hier konsultierten Literatur jedoch keine spezifischen Erläuterungen gefunden werden. Die Wahrnehmung der Oberaufsicht über die Justizverwaltung, so die Meinung der Literatur, gefährdet die Unabhängigkeit der Gerichte in der Kernfunktion Rechtsprechung nicht.

Die Gerichtsverwaltung ist Thema einzelner Abhandlungen34, die ausführlich auf deren Aufgaben und Besonderheiten eingehen. In unserem Zusammenhang genügt eine Kurzcharakterisierung der Gerichtsadministration. Kiener erläutert, was inhaltlich unter den Begriff Justizverwaltung fällt: «Es ist jene verwaltende Tätigkeit, wel-

32 33 34

Vgl. PVK-Bericht zum Modernen Management, Ziff. 3.1, S. 28.

Vgl. PVK-Bericht zum modernen Management, S. 28­34 (Ziff. 3: Für die Oberaufsicht relevante Kennzahlen zur Geschäftsführung eines Gerichts).

Eichenberger, Kurt, 1986: Justizverwaltung. In: Aargauischer Juristenverein (Hrsg.).

Festschrift für den aargauischen Juristenverein 1936­1986, S. 31­48. Aarau, Frankfurt a.

M.; Kiss-Peter, Christina, 1993: Justizverfassung des Kantons Basel-Landschaft, Basler Studien zur Rechtswissenschaft. Reihe B, Öffentliches Recht; Bd. 44. Basel.

7703

che die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Rechtsprechung schafft und erhält.»35 Zur Gerichtsverwaltung im Bereich der Sachmittel gehören ihr zufolge Bereitstellung und Unterhalt der erforderlichen Gebäude und Räume und aller nötigen Arbeitsmittel. Im personellen Bereich gehe es um die Personalverwaltung, d.h. die Ernennung, Einstellung, Entlassung, Versetzung oder Beförderung des Personals einschliesslich der Dienstaufsicht über diese Personen.

Teil der Gerichtsverwaltung sei ferner die Ordnung und Durchführung des Dienstbetriebes oder die Aus- und Weiterbildung des Personals. Der Gerichtsverwaltung werde zudem auch die Erledigung von Anfragen, Stellungnahmen usw. zugerechnet.36 Angaben zu diesen Themen finden sich ­ nebst der Fallstatistik ­ in den Geschäftsberichten. Die Oberaufsicht überprüft das Funktionieren der Justizverwaltung in der Regel aufgrund des jährlichen Geschäftsberichts und im Gespräch mit dem Gericht.

Wenn Akteneinsichtsrechte bestehen ­ wie im neuen Parlamentsgesetz vorgesehen und in einzelnen Kantonen geltendes Recht ­ können zusätzliche Dokumente überprüft werden. Kiener erläutert dies am Beispiel der parlamentarischen Justizaufsicht im Kanton Bern: «Im Rahmen der Justizaufsicht bestehen unmittelbare Einsichtsrechte in jene Akten, die über die formelle Tätigkeit der beaufsichtigten Justizbehörden (Justizverwaltung) Auskunft geben.» Zu denken sei etwa an Akten der Geschäftskontrolle (eingehende Rechtsschriften, Zahl der erledigten Fälle, Art und Weise ihrer Erledigung), einschlägige Statistiken, Personaldossiers, Akten über die justizinterne Aufsicht gegenüber unterinstanzlichen Justizbehörden oder Richtlinien ­ etwa über die Handhabung der unentgeltlichen Prozessführung, aber auch zu Fragen der internen Kleiderordnung oder der Handhabung geschlechtsneutraler Formulierungen.37 Die Oberaufsicht über die Gerichtsverwaltung ist in der Literatur nicht umstritten.

Allerdings werden heikle Themen, beispielsweise die Frage, ob die Anzahl der jährlich geführten und erledigten Fälle für jeden Richter auszuweisen sei38, nicht angesprochen. Da im Bericht der PVK zum modernen Justizmanagement gerade in diesem Punkt zahlreiche Fragen offen gelassen werden mussten, sei vor dem Hintergrund der Literatur ein Hinweis zum Parlamentsgesetz erlaubt. Das Gesetz
bringt unseres Erachtens eine Klärung: Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hält in ihrem Bericht zum Parlamentsgesetz fest, dass die parlamentarischen Informationsrechte im Verkehr mit dem BGer nur in dem Umfang wahrgenommen werden können, als dies die Oberaufsichtsfunktion über das BGer zulässt.39 Die Justizverwaltung ist ­ wie aus der Literatur hervorgeht ­ unbestrittenermassen Domäne der Oberaufsicht: Geschäftskontrolldaten und interne, nicht im Geschäftsbericht

35 36

37 38

39

Vgl. Kiener, 2001, S. 292.

Ebd. An anderer Stelle (S. 298f) führt Kiener detailliert auf, für was sich die allgemeine Justizaufsicht interessiert. Dieser Passus wird in Ziff. 3.1 des PVK-Berichts zum modernen Management, S. 28, zitiert.

Vgl. Kiener, 1997, S. 405.

In einem Schreiben an die GPK hat es das BGer 1984 abgelehnt, eine solche Statistik zu unterbreiten: «Es ist der Meinung, dass eine solche Übersicht über die 3810 Erledigungen ungeeignet sei, ein zuverlässiges Bild der richterlichen Arbeit zu vermitteln.» Vgl. Amtliches Bulletin der Bundesversammlung. Nationalrat; AB 1984 S. 661f.

BBl 2001 3467 01.023 Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 1. März 2001. Parlamentarische Initiative. Parlamentsgesetz, S. 3608.

7704

veröffentlichte Statistiken sind deshalb dem Einsichtsrecht der GPK vorbehaltlos unterworfen. Auf die Frage des Akteneinsichtsrechts gehen wir in Ziffer 4.4 noch gesondert ein.

4.2

Äusserer Geschäftsgang und Fehlleistungen der Rechtsprechung

Der äussere Geschäftsgang wird in einem Teil der Literatur dem Oberbegriff Justizverwaltung untergeordnet.40 Wir behandeln ihn aber von dieser getrennt, weil er oft mit ganz spezifischen Problemkreisen verbunden wird. Tatsächlich geht es aber ­ wie bei der Justizverwaltung ­ auch beim äusseren Geschäftsgang um das organisatorische Funktionieren der Rechtsprechung. Zum Geschäftsgang gehören z. B.

Fragen der Zweckmässigkeit der internen Organisation, der Aufgaben- und Geschäftsverteilung eines Gerichts, aber auch die Problematik der «offensichtlichen Fehlleistungen» (Kiener) in der Rechtsprechung (z. B. Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung, Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundsätze), rechtswidrige Begünstigung einer Partei, menschlich unkorrekte Behandlung von Parteien durch Richter oder rechtlich falsch zusammengesetzte Gerichte (z. B. Verletzung von Ausstandsregeln).41 Im Bericht der Staatspolitischen Kommission zum Parlamentsgesetz wird auf den etwas unscharfen Begriff «äusserer Geschäftsgang» übrigens verzichtet.

Statt dessen findet sich folgende Unterscheidung: Im Rahmen der Oberaufsicht werde nicht nur die administrative Geschäftsführung der Rechtsprechungsorgane überprüft, sondern es würden auch Funktionskontrollen durchgeführt: «Dabei untersuchen die GPK, ob die Rechtsprechungsorgane die elementaren Verfahrensgrundsätze (Verbot der Rechtsverweigerung und der Rechtsverzögerung, rechtsgleicher Zugang zum Gericht usw.) einhalten.»42 Diesbezügliche Fragen werden in der Literatur relativ ausführlich diskutiert. Dies, weil hier ja Einzelfälle eventuell unter materiellen Gesichtspunkten beurteilt werden müssen. Zumeist wird in der Literatur von einer generellen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden bei der Prüfung von Fehlleistungen der Rechtsprechung und bei Aufsichtseingaben ausgegangen. Einzelne Autoren plädieren für Zurückhaltung, wobei diese die Aufsichtspraxis der GPK in den 1970er und 80er Jahren im Auge haben. Gegenstände, die einen engen Bezug zur Gerichtsverwaltung haben ­ z. B. die interne Organisation eines Gerichts, ­ werden in der Literatur nicht weiter ausgeführt. Dies dürfte auf ihrer unbestrittenen Zuordnung zur Oberaufsicht beruhen.

40 41

42

Vgl. Kiener, 2001, S. 298. Mastronardi spricht vom Bereich der Justizverwaltung und des äusserer Geschäftsgangs. Vgl. Mastronardi, S. 131.

Rechtsverzögerung etc. gehören nach Ansicht der Kommission Parlamentsreform des Kantons Zug, eindeutig nicht zum äusseren Geschäftsgang". In deren Bericht wird dieser Begriff als schwammig und auslegungsbedürftig bezeichnet und deshalb die Meinung vertreten, eine Definition erübrige sich, wenn die parlamentarische Oberaufsicht umfassend sei. Falls eine Definition formuliert werden müsste, so würde diese folgendermassen lauten: «Äusserer Geschäftsgang ist alles, was nicht im eigentlichen Sinne Rechtsprechung ist (Zivilgerichts-, Strafgerichts- und Verwaltungsgerichtsurteile sowie Beschwerdeentscheide des Regierungsrats).» Vgl. Bericht und Antrag der Kommission Parlamentsreform vom 6. September 2000: Parlamentsreform des Kantons Zug. Vorlage Nr. 817.1, S. 102.

Vgl. PaIv 01.401, S. 3540.

7705

Mastronardi berichtet aus der Praxis der GPK, dass die Oberaufsicht des Parlaments über das BGer sich in der Kontrolle der Gerichtsverwaltung und der Frage erschöpfe, ob das Gericht überhaupt seine Funktion der Rechtsprechung wahrnehme. Sie könne jedoch nicht überprüfen, ob das Recht richtig gesprochen wurde. Hier würden die GPK eine Schranke ihrer Aufgabe sehen, «die sie jedoch je nach Einzelfall enger oder weiter ziehen.» Er betont, dass sich die Kommissionen an das Prinzip der Subsidiarität und Nachträglichkeit der Oberaufsicht im Verhältnis zu gerichtlichen Verfahren halten. In der Kritik am Inhalt der Rechtsprechung würden sich die GPK auf die Rügen der Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung sowie auf jene der Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundsätze beschränken. Weiter seien die GPK der Auffassung, die Oberaufsicht sei zuständig, darüber zu wachen, dass jeder Bürger in gleicher Weise Zugang zum obersten Gericht finde. Dieser Zugang sei weder durch eine allzu enge Beurteilung der formellen Voraussetzungen, noch durch die finanzielle Lage einer Partei ungebührlich zu beeinträchtigen; andererseits müssten die GPK auch darüber wachen, dass mit dem Armenrecht nicht zu Lasten des Steuerzahlers Missbrauch getrieben werde.43 Die Überprüfung der Frage, ob das Gericht seine Funktion der Rechtsprechung denn auch wahrnehme, umfasst nach Mastronardi jene Gegenstände, die wir oben dem äusseren Geschäftsgang zugeordnet haben. Unter Beachtung der Prinzipien der Nachträglichkeit und Subsidiarität gehört der äussere Geschäftsgang zu den unbestrittenen Aufsichtskompetenzen.

Kiener hat sich mit der Frage der offensichtlichen Fehlleistungen in der Rechtsprechung mehrmals und eingehend auseinandergesetzt.44 Ihre Ausführungen enthalten im Vergleich zur übrigen Literatur etliche Differenzierungen, weshalb wir ihnen hier ausreichend Raum geben müssen. Zu Beginn der entsprechenden Ziffer hält Kiener fest, dass die Aufsichtsbehörden nicht in die Rechtsprechung eingreifen dürfen. Einer materiellen Behandlung justizförmiger ,Aufsichts'-Beschwerden stehe nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz entgegen; wenn solches Vorgehen nicht ausdrücklich gesetzlich legitimiert sei, zeige sich gleichzeitig die Garantie des gesetzlichen Richters beeinträchtigt. Allenfalls seien auch verfassungsrechtliche Gerichtsgarantien
berührt. Auf die Praxis der GPK verweisend, betont sie, Aufsichtseingaben könnten für die Aufsichtsbehörden aber eine Informationsquelle für die zielgerichtete Wahrnehmung der Justizaufsicht darstellen und etwa auf eine uneinheitliche Praxis innerhalb des Gerichts, auf Probleme der Definition unbestimmter Rechtsbegriffe, auf mangelnde Begründungsdichte oder auf Abweichungen von einer höchstrichterlichen Praxis aufmerksam machen. Wie stehe es aber bei offensichtlichen und krassen Fehlleistungen in der Rechtsprechung? Als Beispiel führt sie u. a. die Anwendung längst aufgehobener Normen an, die Anordnung absurder, vom Gesetz nicht vorhergesehener Rechtsfolgen oder von völlig ausserhalb der demokratischen Verfassungsordnung liegenden, beispielsweise von Rassismus geprägten Urteilen, die von Verfahrensbeteiligten und der Rechtsgemeinschaft weder verstanden noch hingenommen werden könnten. Im Folgenden unterscheidet Kiener, sich auf die einschlägige Literatur berufend, vier unterschiedliche Gruppen:

43 44

Vgl. Mastronardi, S. 131f.

Vgl. Kiener, 1997, S. 397f und Kiener, 2001, S. 301­303.

7706

a)

Von Beginn an könnten nur extreme Ausnahmefälle absoluter Evidenz als offensichtlich fehlerhafte Amtsausübung angesehen werden, nicht aber Fälle, in denen das Recht falsch angewendet werde.

b)

Liege die Fehlerhaftigkeit im Urteil, müssten die Betroffenen aufgrund der Subsidiarität der Justizaufsicht zuerst alle vorhandenen gerichtlichen Überprüfungs- und Heilungsmöglichkeiten ausschöpfen (d.h. rechtsmittelartige Anfechtung, Gesuch um Nichtigkeitserklärung, Revision). Wenn gerichtliche Anfechtungsmöglichkeiten fehlen, dürfe die Aufsicht auch keine «rechtsstaatliche Ersatzfunktion» wahrnehmen, selbst wenn dies im Ergebnis wünschenswert wäre. Habe der Gesetzgeber von der Normierung einer Anfechtungsmöglichkeit abgesehen, so dürfe dieser Entscheid nicht durch aufsichtsrechtliche Vorgänge in Frage gestellt werden. Eine entsprechende Gesetzesbindung bestehe auch für die (parlamentarischen) Aufsichtsbehörden.

c)

Bei erheblich fehlerhaften Verfahren gelten für Kiener die gleichen Grundsätze: Eine Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung sei zuerst in gerichtlichen Verfahren zu rügen. Die Aufsichtsbehörde dürfe aber durchaus um Auskunft ersuchen, ob der (in der Regel mit Aufsichtsbeschwerde) vorgebrachte Vorwurf tatsächlich begründet sei, und gegebenenfalls die Ursachen untersuchen. In solchen Fällen richte die Kontrolle ihr Augenmerk darauf, ob die Gerichte ihre verfassungsrechtlichen Funktionen überhaupt wahrnehmen würden, und mithin darauf, ob die staatliche Justizgewährleistungspflicht erfüllt werde. Die aufsichtsrechtliche Abklärung dieser Fragen rechtfertige sich insbesondere auch deshalb, weil die Gründe für eine Verzögerung struktureller Art sein könnten und folglich dem Gesetzgeber (oder dem finanzkompetenten Staatsorgan) zur Kenntnis gebracht werden müssten, damit sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit entsprechend Abhilfe schaffen könnten.

d)

Liege die Fehlerhaftigkeit von Urteilen oder Verfahren allein im richterlichen Verhalten ­ etwa in ungebührlichen (mündlichen oder sich aus der Urteilsbegründung ergebenden) Äusserungen gegenüber den Parteien oder in der bewussten Verschleppung von Verfahren ­ würden Dienstpflichten verletzt, die eine Aktivierung der Aufsicht ohne weiteres rechtfertigten, gehe es doch um die Sicherstellung der Verfahrensfairness. Gerade in der Sorge um eine verfassungskonforme Funktionsausübung finde die Aufsichtstätigkeit ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Allein, so wiederholt Kiener abschliessend, die materielle Behandlung der zugrundeliegenden Gerichtsverfahren sei und bliebe den Aufsichtsbehörden untersagt.45

Kiener verweist auf zahlreiche weitere Autoren, die mit ihrer Ansicht übereinstimmen. Sie macht aber auch darauf aufmerksam, dass in der Lehre teilweise abweichende Standpunkte vertreten werden.46 Der Lehrmeinung, dass die Aufsicht auch dann keine «rechtsstaatliche Ersatzfunktion» wahrnehmen dürfe, wenn gerichtliche Anfechtungsmöglichkeiten fehlten, hält Mastronardi ein Beispiel aus der Praxis der GPK entgegen. Dabei handelt es sich allerdings um einen justizförmigen Entscheid

45 46

Vgl. Kiener, 2001, 301ff.

Ebd. S. 302, Fussnote 309.

7707

der Verwaltung. Solchen Entscheiden gegenüber würden aber in der Regel die gleichen Grundsätze angewandt wie gegenüber Gerichtsurteilen. Mastronardi verweist auf eine das Asylwesen betreffende Aufsichtseingabe aus dem Jahre 1987. Bei Asylverfahren sei die GPK auch bereit, die Verletzung klaren materiellen Rechts zu prüfen. Der Grundsatz der Zurückhaltung, dem die GPK normalerweise verpflichtet seien, habe hier weniger Bedeutung, da bei Asylverfahren Departementsentscheide weder an den Bundesrat, noch an das BGer weitergezogen werden könnten.47 Neben der Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundsätze könne sich daher die Frage stellen, dies die Ansicht der GPK des Nationalrates 1988, ob eine Verletzung klaren materiellen Rechts auch Gegenstand einer Kritik bilden könnte. Wenn der von der Verfassung vorgesehene Beschwerdeweg eingeschränkt worden sei, so der Kommentar Mastronardis, müsse die GPK ihre Befugnisse ausschöpfen: Wo der Gesetzgeber erhöhte Risiken für die Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns geschaffen habe, müsse die parlamentarische Verwaltungskontrolle bis an die Grenze ihrer Befugnisse und Möglichkeiten gehen, um möglichen Missbräuchen entgegenzuwirken: «Demokratische Verwaltungskontrolle hat hier eine rechtsstaatliche Ersatzfunktion.»48 Zu der unter c) angesprochenen Problematik der erheblich fehlerhaften Verfahren sind in der Literatur Stimmen zu finden, die für Zurückhaltung plädieren und andere, die von einer generellen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden ausgehen. Welche Problematik sich in der Praxis eröffnen kann, beschreibt der für Zurückhaltung eintretende Peter Alexander Müller. Aufgrund der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben49 sei klar, dass selbst das «jedermann zustehende Recht», sich beim Parlament über das BGer zu beschweren, nicht zu einer Überprüfung der materiellen Entscheidung führen könne. Es könne gegebenenfalls bloss zu Weisungen des Parlaments Anlass geben, die es kraft seiner Oberaufsicht über die Gerichtsverwaltung im administrativen Bereich erlassen könne. Damit dürfe indessen kein Eingriff in die Rechtspflege verbunden sein. Müller tritt in der Behandlung von Aufsichtseingaben für eine Zurückhaltung der Oberaufsicht ein. Bezug nehmend auf die Entwicklung in den 1980er Jahren hat sich, seiner Auffassung zufolge, bei der Oberaufsicht eine
Tendenz spürbar gemacht, die nicht unbedenklich sei. Müller nennt den oben bezeichneten Bereich, auf den sich nach der Praxis der GPK die Aufsicht beziehen soll. Allfällige Kritik an der Geschäftsführung des BGer bringe die GPK ­ um die richterliche Unabhängigkeit zu wahren ­ im Blick auf die Zukunft an: «Sollte sich daraus eine Meinungsverschiedenheit über die Rechtsprechung ergeben, so wäre es Sache der Bundesversammlung, als Gesetzgeber das Verfahrensrecht entsprechend zu präzisieren, damit sich daraus die als erwünscht betrachtete Gerichtspraxis ergibt.» Wenn nun aber die GPK mit dieser Begründung auf bestimmte Aufsichtseingaben eintreten würden, so könne dies schliesslich zu einem Eingriff in die Rechtsprechung führen. Müller denkt dabei an Aufsichtseingaben, in denen gerügt

47

48 49

Bis zur Revision des Asylverfahrens von 1990 war das EJPD einzige und letzte Beschwerdeinstanz bei Asylverfahren. «Damit war Artikel 103 Absatz 2 BV verletzt, der die Delegation von Entscheiden des Bundesrates an untere Instanzen nur unter Vorbehalt des Beschwerderechtes (gemeint muss sein: der Beschwerde an den Bundesrat als verfassungsmässig zuständige Behörde) gestattet.» Vgl. Mastronardi, S. 137, Fussnote 125.

Vgl. Mastronardi, S. 137f.

Art. 21 OG in Verbindung mit Art. 85. Ziff. 13 BV (1874).

7708

wird, das Bundesgericht habe in seinem Urteil fundamentale Verfahrensbestimmungen verletzt. Wenn die GPK in ihren Antworten, ohne direkt das Urteil des Gerichts zwar unmittelbar wie eine Rechtsmittelinstanz zu würdigen, aber doch unter ausführlicher Begründung darlegen würden, weshalb das Urteil des Gerichts im Lichte der analysierten fundamentalen Rechtsgrundsätze «richtig» erscheint und daher der Aufsichtseingabe kein Erfolg beschieden sein könne, so laufe das im Ergebnis auf einen Eingriff in die Rechtsprechung hinaus. Zu einem Konflikt der Gewalten sei es bisher nicht gekommen, da keiner Aufsichtseingabe in diesem Sinne Folge gegeben wurde. Es stelle sich aber ernsthaft die Frage, wie einer Aufsichtsbeschwerde wegen der angeblichen Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundsätze vom Parlament Folge gegeben werden könnte, ohne Übergriff in den Bereich der Rechtsprechung.50 Müller gegenüber stehen zahlreiche andere Autoren, unter ihnen Poudret und Guldener. Sie gehen von einer generellen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden bei fehlerhaften Verfahren aus (Kiener hingegen betont, eine Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung sei zuerst in gerichtlichen Verfahren zu rügen). Die Aufsichtsbehörden dürften im Falle ungerechtfertigten Rückstandes bei der Behandlung der Dossiers, bei Verletzung fundamentaler Verfahrensgrundsätze etc. intervenieren, meint Poudret.51 Der Zivilprozessrechtler Guldener bejaht unter bestimmten Umständen ein Aufsichtsrecht auch über den Inhalt von Entscheiden. Verbreitet sei die Ansicht, die Oberaufsichtsbehörden seien im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Gerichte lediglich berechtigt, den äusseren Geschäftsgang und ihre Tätigkeit auf dem Gebiet der Justizverwaltung zu überprüfen. Diese Auffassung komme in der kantonalen Gesetzgebung oftmals dadurch zum Ausdruck, dass Beschwerdemöglichkeiten ausdrücklich nur vorgesehen seien bei Verweigerung oder Verzögerung der Rechtspflege, saumseliger oder leichtfertiger Behandlung von Amtsgeschäften, Verletzung des Anstandes und dergleichen. Demgegenüber sei zu betonen, dass richterliche Unabhängigkeit Bindung an das Recht bedeute: «Die richterliche Unabhängigkeit wird nicht berührt, wenn das Aufsichtsrecht auf die Frage der Rechtsmässigkeit von Entscheidungen und damit auf ihren Inhalt ausgedehnt wird. Zu vermeiden gilt es, dass die
richterliche Entscheidungsfreiheit, soweit sie sich im Rahmen einer pflichtgemässen Rechtsanwendung und Tatsachenfeststellung bewegt, Beschränkung erfahre. Dem tragen die Gesetze Rechnung, die ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden nur bei besonders schweren Pflichtwidrigkeiten vorsehen, insbesondere bei Missbrauch der Amtsgewalt, rechtswidriger Begünstigung einer Partei und Willkür.»52 Dabei sei zu beachten, dass die Gerichte die Rechtssätze nach freier Überzeugung auszulegen und den streitigen Tatbestand nach freier Überzeugung festzustellen hätten. Ebenfalls sei es ihre Sache, die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer Raum für freies richterliches Ermessen sei. Von einer Verletzung der Amtspflichten könne daher nur die Rede sein, wenn der Richter eine Entscheidung treffe, die jenseits des Vertretbaren liege. Insbesondere wenn er sich bei der Entscheidung über das geltende Recht hinwegsetze, «sei es bewusst oder fahrlässig dadurch, dass er keinen Anlass nimmt, sich über den bestehenden Rechtszustand zu

50

51 52

Vgl. Müller, Peter Alexander, 1988: Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmässigkeit von Rechtsnormen. Landesbericht Schweiz. In: Europäische Grundrechte (EuGRZ), S. 218­230, S. 224.

Vgl. Poudret, S. 92.

Guldener beruft sich hier auf verschiedene kantonale Beispiele.

7709

vergewissern.»53 Mit der Auffassung, dass sich das Oberaufsichtsrecht in bestimmten Fällen auch auf die Frage der Rechtsmässigkeit von Entscheidungen und damit auch auf deren Inhalt beziehe, ist Guldener Vertreter einer ausgedehnten Tragweite der Aufsicht. Dagegen grenzt sich Kiener deutlich ab: Nur extreme Ausnahmefälle absoluter Evidenz könnten als offensichtlich fehlerhafte Amtsausübung angesehen werden, nicht aber Fälle, in denen das Recht falsch angewendet werde. Klar ist für sie allerdings, dass ­ falls die Fehlerhaftigkeit von Urteilen oder Verfahren allein im richterlichen Verhalten liegen würde ­ Dienstpflichten verletzt worden seien. Eine Aktivierung der Aufsicht sei dann ohne weiteres zu rechtfertigen, gehe es doch um die Sicherstellung der Verfahrensfairness. Die materielle Behandlung der zugrundeliegenden Gerichtsverfahren bleibe den Aufsichtsbehörden aber untersagt.

Die Ausführungen Kieners vermögen etliche Fragen zum äusseren Geschäftsgang und der Zuständigkeit der Oberaufsicht bei Fehlleistungen der Rechtsprechung zu klären. Dennoch dürfte in der Praxis der Einzelfall stets eigene Schwierigkeiten und Abgrenzungsprobleme aufwerfen. Diese Ansicht vertritt auch das Büro des Kantonsrates Zug in seinem Bericht und Antrag zur «Motion der FDP-Fraktion betreffend Oberaufsichtsrecht des Kantonsrates gegenüber der Exekutive und der Justiz». Das Büro hält fest, Lehre und Praxis beschränke den Umfang der Oberaufsicht auf den äusseren Geschäftsgang sowie die Justizverwaltung. Darunter werde das geordnete Funktionieren der Justiz im Bereich der Rechtsprechung verstanden. Der Kantonsrat prüfe danach im Wesentlichen, dass Recht gesprochen werde, nicht jedoch welches Recht: «Diese Definition konnte im Büro jedoch nicht befriedigen. Bis heute ­ und wohl auch in Zukunft ­ konnte niemand die Begriffe des äusseren und damit auch des inneren Geschäftsganges so präzis definieren, dass sie im Alltag für die Abgrenzung der Oberaufsicht von praktischem Nutzen wären. Es ist zu befürchten, dass bei Streitigkeiten im Einzelfall der äussere Geschäftsgang immer neu interpretiert werden müsste.» Aus einem anderen Grund könne auf eine solche Definition ohnehin verzichtet werden, fügt das Büro des Zuger Kantonsrats schliesslich an: «Die Grenzen der Oberaufsicht sind aufgrund klarer, praxisorientierter Kriterien
festzulegen: Nicht mehr gedeckt durch das Aufsichtsrecht wäre eine Handlung des Parlaments erst, wenn es in die Kompetenzen der Regierung oder der Justiz eingreifen würde.

Ein Eingriff in die konkrete Rechtsanwendung, d.h. in einem einzelnen, hängigen Fall der Justiz (z. B. vor dem Urteil) oder der Verwaltung (z. B. vor der Bewilligung, dem Ausweisentzug etc.) wäre durch das Aufsichtsrecht nicht mehr gedeckt, sondern stellte einen nicht zulässigen Eingriff in die Kompetenz einer anderen Gewalt dar.» Im Streitfall müsste aber nicht der Beaufsichtigte, sondern der Beaufsichtigende darüber entscheiden, ob ein derartiger unzulässiger Eingriff vorliege.54

53 54

Vgl. Guldener, Max, 1979: Schweizerisches Zivilprozessrecht. Zürich. S. 5f.

Vgl. Vorlage Nr. 594.2 Motion der FDP-Fraktion. Bericht und Antrag des Büros. S. 6f.

7710

4.3

Inhalte der Rechtsprechung

4.3.1

Vorbemerkung

Nach Aubert, einem Vertreter der engen Tragweite der Oberaufsicht, darf sich die Aufsicht nicht auf die Inhalte der Gerichtsentscheide beziehen, weil dadurch die Unabhängigkeit der Richter in Frage gestellt wäre. Die Befürworter eines erweiterten oder ausgedehnten Oberaufsichtsbegriffs sprechen sich für eine Oberaufsicht aus, die vom Inhalt abgeschlossener Verfahren zwecks Erfolgs- und Effizienzkontrolle Kenntnis nehmen und Tendenzen der Rechtsprechung zwecks Folgerungen für die Gesetzgebung erörtern soll. Eine inhaltliche Kontrolle gerichtlicher Urteile steht bei der erweiterten Tragweite der Oberaufsicht nicht zur Diskussion. In der Literatur wird zumeist das verfassungsrechtliche Prinzip der richterliche Unabhängigkeit als Grenze angeführt; Seiler ­ wir haben es in Ziffer 1 schon angesprochen ­ bringt ein zweites Prinzip in die Diskussion ein, um seinen Standpunkt für eine punktuell ausgedehnte Tragweite der Oberaufsicht zu begründen: die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung. Wir geben Seilers Überlegungen im Folgenden wieder, bevor wir in Unterziffern genauer auf Fragen und Gegenstände der Oberaufsicht bezüglich der Inhalte zu sprechen kommen.

Seiler hält fest, dass die durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, Art. 6) und die Bundes- sowie verschiedene Kantonsverfassungen gewährleistete Öffentlichkeit der Gerichte nach der Rechtsprechung des BGer ein fundamentales Prinzip sei: Nicht nur für den Einzelnen sei es wichtig, sondern ebenso sehr als Voraussetzung für das Vertrauen in das Funktionieren der Justiz. Nicht nur sei es ein Recht des Einzelnen, führt Seiler aus, sondern liege auch im Interesse des Publikums und der Medien. Die Transparenz der Justiz sei dadurch gewährleistet, das Volk könne so sein Aufsichtsrecht ausüben. Demnach dürften Gerichtsurteile nicht geheim sein. Die Öffentlichkeit dürfe die Rechtsprechung diskutieren und kritisieren; das ergebe sich aus der Meinungs- und Pressefreiheit: «Der blosse Umstand, dass ein Gerichtsurteil kritisiert wird, kann deshalb nicht als Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit betrachtet werden. Alle Behörden dürfen kritisiert werden. Das gilt auch für die Justiz.» Kritik an der Rechtsprechung zu verbieten, wäre gleichbedeutend mit einem Verbot der Demokratie und der Meinungsfreiheit.

Ebenso klar sei, dass «alle» kritisieren
dürften: Massenmedien, Parteien, Verbände, Private. Warum solle das Parlament nicht diskutieren dürfen? Schliesslich sei es das institutionalisierte Diskussionsforum des Staates. Niemand dürfe dem Parlament verbieten, Gerichtsurteile zu diskutieren: «Im einzelnen sind es die anwendbaren Parlamentsgesetze oder -reglemente, welche die Voraussetzungen und Modalitäten einer solchen Diskussion regeln.» Seiler fügt an, dass die Mehrheit eines Parlaments normalerweise nicht Lust verspüren werde, Zeit mit der Diskussion von Gerichtsurteilen zu verlieren. Wenn ein Urteil jedoch politische Auswirkungen habe, sei es Sache des Parlaments, sich damit zu befassen. Die Frage sei deshalb vielmehr, was ein Parlament in der Folge beschliessen könne, ohne die richterliche Unabhängigkeit zu verletzen.55 Wir knüpfen eingangs der nächsten Ziffer an dieser Frage an.

55

Vgl. Seiler, S. 285f.

7711

4.3.2

Kenntnisnahme der Rechtsprechung und Konsequenzen für die Oberaufsicht

Nicht ob das Parlament über Gerichtsurteile diskutieren dürfe, sondern ob es in der Folge dieser Diskussion auch etwas beschliessen dürfe, ist ­ laut Seiler ­ die Frage.

Seine Antwort darauf hat Konsequenzen auch für die Tragweite der Oberaufsicht über die Justiz. In seiner Argumentation lässt Seiler die Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit nicht ausser Betracht: Da ein Gericht ans Gesetz, einem politischen Produkt der Legislative, gebunden sei, könne richterliche Unabhängigkeit nicht Unabhängigkeit gegenüber politischer Willensäusserung der Legislative bedeuten. Sie könne höchstens bedeuten, dass diese Willensäusserung in Gesetzesform ergehen müsse. Die Legislative könne das Gesetz und damit die Gesichtspraxis ändern, wenn sie mit der bisherigen Rechtsprechung nicht einverstanden sei. Über einen Exkurs zur Rechtsgleichheit und der Realität des Gesetzesstaates (zwangsläufig oft unbestimmte Gesetze, Auslegung des Gesetzesinhalts durch Gerichte und Regelbildung durch gerichtliche Praxis) gelangt Seiler zur verbreiteten Einsicht, die parlamentarische Oberaufsicht beziehe sich nicht darauf, wie ein Einzelfall entschieden werde, wohl aber auf die allgemeine Entwicklung der Rechtsprechung: «Wenn einzelne Urteile betrachtet werden, dann im Hinblick nicht auf diesen konkreten Einzelfall, sondern darauf, welche Bedeutung dieses Urteil für künftige Fälle hat, ob diese Tendenz politisch erwünscht ist oder ob allenfalls eine politische Korrektur der Richtung angebracht ist.» Im Kommentar Sägessers wird diese Aufgabe der Oberaufsicht Erfolgs- und Effizienzkontrolle genannt; sie wird in der neueren Literatur zur Justizaufsicht, von Ausnahmen wie Aubert oder Auer et al. abgesehen, stets erwähnt.56 Auch Kiener geht darauf ein. Sie vertritt den Standpunkt, Kritik der Aufsichtsbehörden am Inhalt einzelner Entscheide oder der Entscheidpraxis könne zwar nicht grundsätzlich untersagt sein, mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit sei diese aber im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen und damit «nur zurückhaltend» vorzubringen. Für Eichenberger ist klar, dass das Parlament auch Kenntnis vom Inhalt der Rechtsprechung selbst nehmen solle und müsse. Und zwar nicht vom einzelnen Urteil, präzisiert er, wohl aber von der Spruchpraxis etwa in sozialrelevanten oder überalterten oder legislatorisch vernachlässigten
Rechtsgebieten oder von der Tauglichkeit des Prozessrechts. Das Parlament habe aber keine Urteilsschelte anzubringen, weder im Plenum noch in den vorberatenden Kommissionen.57 An einem anderen Ort führt er aus, es sei der Oberaufsicht nicht angemessen, einzelnen Urteilen nachzugehen, sich auf Sachverhalts- und Auslegungsfragen einzulassen und daraus schliesslich eine Justiz über die Justiz aufzubauen. Die Distanz und die grosse Dimension der Oberaufsicht müssten sich betont bei der Kontrolle über die Gerichte bewähren. Zudringlichkeiten, wie die Rüge bestimmter Urteile in «einer modernen Urteilsschelte», seien freilich nicht untersagt, bedürften aber deutlicher als gegenüber der Verwaltung einer Zügelung, die sich das Parlament selbst auferlege.58

56 57 58

Zu Auer et al.: vgl. Fussnote 24 dieses Berichts. Für weitere Literaturangaben: vgl.

Kiener, 2001, S. 300, Fussnote 302.

Vgl. Eichenberger, 1990, S. 64.

Vgl. Eichenberger, 1982, S. 47.

7712

Wenn die Meinung bestehe, ein Gericht gebe einer Norm nicht die als richtig erachtete Auslegung, oder es werde eine Interessenabwägung nicht im gebotenen Sinne vorgenommen, habe die Aufsichtsbehörde mit den ihr adäquaten Mitteln zu reagieren, führt Kiener weiter aus. Insbesondere habe dies ­ wie oben auch von Seiler betont ­ im Rahmen der Gesetzgebung zu geschehen. Sie erwähnt in einer Fussnote, dass Gerichte dem durch eine parlamentarische Aufsichtskommission geäusserten «Wunsch» nach Änderung der Rechtsprechung nicht nachzukommen brauchen und es auch nicht sollen.59 Poudret hingegen rechnet es ­ sich auf zwei Beispiele aus der Praxis der GPK berufend ­ den Aufgaben der Oberaufsicht zu, Änderungswünsche ans Bundesgericht zu richten, wenn nach deren Auffassung z.B. die Rechtssicherheit gefährdet erscheint.60 Kiener äussert sich dahingehend, dass das mit der Justizaufsicht befasste Parlament im Sinne einer legislatorischen Erfolgskontrolle die Tendenzen der Rechtsprechung verfolgen und mit dem Gericht diskutieren solle und dürfe. Allerdings dürfe es dabei nicht dessen Unabhängigkeit durch Zielvorgaben gefährden. Es gehe primär darum, den Gesetzgeber über die Anwendungstauglichkeit seiner Erlasse zu informieren, was Anstoss zur Behebung allfälliger Mängel und Lücken in der Gesetzgebung bieten könne.61 Während Kiener hier also die Information der Legislative unterstreicht, stellt Seiler ­ auch mit Blick auf die kantonale Ebene ­ einen grösseren Zusammenhang her: «Wir sind heute in vielen Bereichen auf dem Weg vom Gesetzgebungsstaat zum Richterstaat. Je mehr die Justiz durch Konkretisierung von verfassungs- und völkerrechtlichen Prinzipien den Gestaltungsspielraum der Politik eingrenzt, umso wichtiger ist eine minimale demokratische Rückkoppelung der Justiz. Die Akzeptanz des Richterstaates ist auf die Dauer nur zu erhalten, wenn sich die Justiz ihrer politischen Funktion bewusst wird.» Die Justiz dürfe sich gegenüber demokratischer Kritik nicht abschotten, sondern müsse sich dem Dialog mit der Politik stellen. In einem zeitgemässen Verständnis sei die parlamentarische Oberaufsicht «eben gerade» ein Gefäss für einen solchen Dialog.62 Aus der Praxis der GPK berichtet Mastronardi: Zur Feststellung von Mängeln und Lücken in der Gesetzgebung würden die GPK die Tendenzen der Rechtsprechung verfolgen und
mit dem BGer erörtern. «Dabei kann auch hin und wieder eine Kritik an der materiellen Rechtsfindung geübt werden.» Ein «solches informatives Kontrollgespräch» sei im Laufe der Zeit in unterschiedlichem Mass geführt worden.

1974 wird in einem GPK-Protokoll festgehalten, die nachträgliche Diskussion der Gerichtsurteile sei nötig, es müsse aber darauf geachtet werden, dass dadurch die Autorität des obersten Gerichts «nicht geschmälert» werde. Richterliche Unabhän-

59

60 61

62

Vgl. Kiener, 2001, S. 300, Fussnote 300. Dabei verweist sie auf Aubert und das Amtl.

Bull. N 1985 1085. Vgl. auch Seiler, S. 292: Bei einem Wunsch des Parlaments nach Änderung der Gerichtspraxis handelt es sich um eine unverbindliche Willensäusserung; die Justiz ist daran nicht gebunden.

Vgl. Poudret, S. 94.

Vgl. Kiener, 2001, S. 300. Eichenberger führt aus, es sei empfehlenswert, dass die Oberaufsicht Kenntnis nimmt, «wie sich die Praxis der Rechtsprechung materiell gestaltet, welches die Auffassungen zu grundlegenden oder häufigen Rechtsfragen sind, wo die Erschwerungen, Vereinfachungen, Differenzierungsbedürfnisse, Rechtslücken, Rechtswidersprüche, Fortschritte oder Beengungen liegen (...). Daran anschliessend bleibt dann ­ wie bei der Justizverwaltung auch ­ die oberaufsichtliche Frage, ob Änderungen in der materiellen Gesetzgebung oder in der Gerichtsorganisation oder in den Prozessgesetzen angezeigt wären.» Vgl. Eichenberger 1982, S. 48.

Vgl. Seiler, S. 290.

7713

gigkeit und verfassungsrechtliche Schranken werden, anders als bei Kiener, hier nicht ins Feld geführt. Die «erforderliche Zurückhaltung» in der Form und der öffentlichen Darstellung einer Kritik beruhe auf dem Problem der Wirkung parlamentarischer Kritik: «Um den Eindruck eines Weisungsverhältnisses zwischen Parlament und Gericht zu vermeiden, gebietet die Courtoisie, wie sie in unserem politischen System auch zwischen Parlament und Bundesrat gilt, eine Selbstbeschränkung des Parlaments in der Bekanntgabe von kritischen Urteilen über die Justiz im einzelnen.»63 Seiler vermeidet in seinen abschliessenden «Folgerungen für die Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht» die Wendung «Kritik an Urteilen». Er spricht vielmehr davon, dass das Parlament die politische Bedeutung gerichtlicher Urteile würdigen und einen allenfalls sich daraus ergebenden politischen Handlungsbedarf diskutieren dürfe.64

4.3.3

Befragungsrecht und Begründung eines einzelnen Gerichtsentscheids

Die Kompetenz, ob das Parlament von den Gerichten Auskunft verlangen könne, wie sie in bestimmten Fällen entschieden und warum sie so und nicht anderes entschieden hätten, ist laut Seiler in der Literatur umstritten. Die Beantwortung dieser Frage hat mit dem vorherigen Ziffer Berührungspunkte. So hat Mastronardi dort angefügt, dass die GPK mit dem BGer «informative Kontrollgespräche» führe und Gerichtsurteile nachträglich diskutiere. Laut den Vertretern eines erweiterten Oberaufsichtsbegriffs können Tendenzen der Rechtsprechung mit dem Gericht erörtert werden. Im Gegensatz zu den Befürwortern eines engen Oberaufsichtsbegriff tritt Seiler für ein sich auch auf die Entscheide beziehendes Befragungsrecht ein. Damit steht er ­ von Nuancen abgesehen ­ nicht allein in der Literaturlandschaft.

Für Seiler ist es eine Konsequenz aus der Zulässigkeit der Erfolgs- und Effizienzkontrolle, dass das Parlament von den Gerichten Auskunft darüber verlangen darf, wie die Rechtsprechung zu einem bestimmten Gesetz lautet. Teilweise würden Urteile ja ohnehin publiziert und seien damit dem Parlament zugänglich. Zumindest seien die Urteile in der Regel öffentlich. Das Auskunftsrecht gelte aber auch dort, wo keine Öffentlichkeit bestehe. Denn die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip würden dem Schutz des Einzelnen dienen (z. B. ihn vor der Boulevardpresse schützen), würden aber nicht bedeuten, dass die Tätigkeit der Justiz im eigentlichen Sinne geheim wäre gegenüber der parlamentarischen Aufsicht. Das Parlament könne das Gericht auffordern, ihm auch nicht öffentliche Urteile (bei Vorliegen von Datenschutzgründen allenfalls anonymisiert) zuzustellen oder einen kurzen Bericht über die Rechtsprechung zu erstatten. Wie das zu geschehen habe, richte sich nach dem einschlägigen Parlamentsrecht. Nach Seiler ist es weiter zulässig und auch unproblematisch, wenn dass Parlament eine Begründung dafür verlangt, warum das Gericht eine bestimmte Praxis verfolgt. Ein gerichtliches Urteil müsse ja ohnehin begründet werden, und diese Begründung könne auch dem Parla-

63 64

Vgl. Mastronardi, S. 133ff.

Vgl. Seiler, S. 291.

7714

ment zugestellt werden.65 Damit ist auch die Frage der (Akten-)Einsichtsrechte gestellt. Auf sie werden wir in der nächsten Ziffer zurückkommen. In der Literatur wird zumeist nur knapp auf das Auskunftsrecht der Oberaufsicht eingegangen. Kiener fügt an ­ wie in der letzten Ziffer beschrieben ­, Tendenzen der Rechtsprechung dürften mit dem Gericht diskutiert werden oder die Oberaufsicht könne im Zusammenhang mit Aufsichtsbeschwerden durchaus um Auskunft ersuchen, ob der vorgebrachte Vorwurf tatsächlich begründet ist. Mastronardi erwähnt, Aussprachen und Kontrollgespräche zwischen den GPK und dem BGer ohne deren Berechtigung näher zu begründen. Die Auskunftspflicht der Gerichte wird im Rahmen der Begründung der Entscheidpraxis situiert, nicht bezüglich eines bestimmten Falls (Ausnahmen: Aufsichtsbeschwerden).66 Eichenberger äussert sich zu den Instrumenten des Oberaufsichtsrechts im Kanton Basel-Landschaft. Seine Ausführungen beziehen sich auf den 1982 geltenden Zustand in diesem Kanton. Weil sich die Literatur nur spärlich zum Befragungsrecht äussert, seien diese hier trotzdem zitiert.

Unter den Instrumenten des Oberaufsichtsrechts, die nach geltendem Recht gegenüber der Justiz zum Tragen kämen, sei der jährliche Amtsbericht hervorzuheben.

Falls die von der basellandschaftlichen Justiz in Aussicht genommene systematische Publikation ihrer wichtigeren Urteile umgesetzt werde, würden weitere publike Unterlagen an die Organe der Oberaufsicht gelangen. Darüber hinaus könne die Herausgabe von Urteilen ­ unter Beachtung allfälliger Schranken aus den betroffenen Interessen ­ verlangt werden. «Sodann sind Zusammenfassungen, Problemaufrisse, Aufweis von Mängeln und dergleichen genügend, um Einblicke zu gewähren, und zur Erstellung und Herausgabe sind die Gerichte selbstverständlich verpflichtet.» Denke man an eine methodisch-systematische Erfolgskontrolle für Gesetze, werde die Justiz eine kräftige Stütze in den Ermittlungen werden: «Besprechungen vornehmlich mit den Präsidenten des Obergerichts und des Verwaltungsgerichts können ergiebige Quellen darstellen, sofern die Erörterungen sachadäquat vorbereitet und zielsicher geführt werden.»67 Auch Eichenberger weist klar darauf hin, dass das Auskunftsrecht im Zusammenhang mit der Erfolgskontrolle für Gesetze zu sehen ist.

In der Literatur wird das Befragungsrecht
bezüglich der Rechtsprechung in den Kontext der Erfolgskontrolle von Gesetzen gestellt. Seiler spricht in dieser Beziehung eine klare Sprache und weist der Oberaufsicht am deutlichsten Befragungsrechte bezüglich Urteilsinhalten zu. Im neuen Parlamentsgesetz ist verankert, dass die allgemeinen Informationsrechte der Kommissionen im Verkehr mit dem Bundes-

65

66 67

Vgl. Seiler, S. 291. Seiler weist darauf hin, dass es Bereiche gebe, in denen der Anspruch auf rechtliches Gehör keine Begründung verlange: «So muss z. B. nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Höhe der Gerichtsgebühr oder der Parteientschädigungen nicht begründet werden. Das ist aber eher durch Praktikabilitätsüberlegungen motiviert und heisst nicht, dass die Höhe dieser Beträge grundsätzlich nicht einer rationalen Begründung zugänglich und bedürftig wäre. Wenn sich nun der Anwaltsverband darüber beklagt, dass Parteientschädigungen systematisch zu hoch oder zu tief angesetzt würden, dann kann sich die parlamentarische Aufsicht dieser Frage annehmen und von der Justiz eine Begründung dafür verlangen. Gerade in solchen Bereichen, in denen aus praktischen oder rechtlichen Gründen Einzelfälle nicht gerichtlich überprüfbar sind, in ihrer Gesamtheit aber doch eine erhebliche Bedeutung haben können, kann die parlamentarische Oberaufsicht dazu dienen, gewisse Lücken im Rechtsschutzsystem zu schliessen.» Ebd. S. 291f.

Vgl. Mastronardi, S. 134.

Vgl. Eichenberger, 1982, S. 48f.

7715

rat sinngemäss auch bezüglich des BGer anwendbar sind (Parlamentsgesetz Art. 161 Abs. 1 Bst. c). Zur Erteilung von Auskünften können Mitglieder des Bundesgerichtes (von diesem selbst bezeichnet) zu Kommissionssitzungen eingeladen oder vom BGer Berichte verlangt werden (Parlamentsgesetz Art. 149 und 152 Abs. 1 und 2).

Grenze des Befragungsrechts ist dabei die Bestimmung, dass es sich nicht um eine inhaltliche Kontrolle richterlicher Entscheidungen handeln darf (Parlamentsgesetz Art. 27 Abs. 4). Diese Bestimmung schliesst also nicht aus, dass die Oberaufsicht eine Urteilsbegründung einfordern kann, wenn sie der Erfolgs- und Effizienzkontrolle oder der Erörterung von «Tendenzen der Rechtsprechung zwecks Folgerungen für die Gesetzgebung» dient.68 Zur Wahrnehmung ihrer Oberaufsichtsfunktion können die GPK ihre Informationsrechte in diesem Umfang wahrnehmen.

4.3.4

Einsicht in Gerichtsakten

Das Akteneinsichtsrecht ist ein wichtiges parlamentarisches Informationsrecht. In Kaptitel 4.1 sind wir bereits darauf zu sprechen gekommen und haben festgestellt, dass die Literatur ein unmittelbares Einsichtsrecht in Justizverwaltungsakten nicht als problematisch einstuft. Anders wird indessen die Einsicht in Gerichtsakten bewertet. In der Literatur finden sich hierzu differierende Meinungen.

Seiler hält zur Frage der Einsicht in Gerichtsakten fest, mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar wäre ein Akteneinsichtsrecht in einem laufenden Verfahren. Seine Ansicht begründet er damit, die Unabhängigkeit könne schon dadurch bedroht sein, dass sich das Parlament auf die Seite der einen Partei stellt, wodurch die Position der anderen Partei beeinträchtigt würde. Hingegen werde die Unabhängigkeit eines Gerichts nicht beeinträchtigt, wenn parlamentarische Aufsichtskommissionen nachträglich in Akten eines abgeschlossenen Verfahrens Einsicht nehmen. Probleme könnten sich allenfalls im Hinblick auf Daten- und Persönlichkeitsschutz stellen: «Aber diese Probleme bestehen genauso im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht über die Verwaltung, wo es um persönlichkeitssensible Bereiche wie Sozialversicherung, Fürsorge oder Strafvollzug geht. Mit der spezifischen Garantie der richterlichen Unabhängigkeit hat das nichts zu tun. Das Verfahren ist ja abgeschlossen; wie soll da das Gericht noch beeinflusst werden können?»69 Mit der Auffassung, eine Einsichtsbefugnis der Oberaufsicht bestehe auf Gerichtsakten abgeschlossener Verfahren, steht Seiler für eine ausgedehnte Oberaufsichtskompetenz ein. Der Zugriff auf eigentliche Gerichtsakten ist nämlich nicht allein für Vertreter einer engen, sondern auch einer erweiterten Oberaufsichtskompetenz nicht bzw. nur in Ausnahmefällen angezeigt.

Differenziert geht Kiener in ihrer Abhandlung zu «Aspekten der parlamentarischen Justizaufsicht im Kanton Bern» auf die Einsichtsrechte ein: In diesem Kanton erstreckt sich die Einsichtsbefugnis auf Akten der Justizverwaltung; von der Einsicht nicht betroffen sind Justizakten im engeren Sinn («und damit die eigentlichen Gerichtsakten»). Kiener bezeichnet diese Regelung «vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der parlamentarischen Aufsichtskompetenzen als weitgehend sachge-

68 69

Vgl. Sägesser, Art. 169, Rz. 569 und PaIv Parlamentsgesetz, S. 3608.

Vgl. Seiler, S. 292.

7716

recht.» Sie decke sich mit den aus der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit gewonnenen Grundsätzen. Die Überprüfung der Rechtsverweigerung und -verzögerungen verlange nicht nach unmittelbarer Einsicht in Justizakten; die Aufsichtskompetenz könne ohne Qualitätsverlust gestützt auf Befragungen oder Berichte wahrgenommen werden. Gleiches gelte für die legislatorische Erfolgskontrolle. Die Rechtsprechungstätigkeit als solche und damit der Inhalt von Justizakten könne schon von daher gesehen nicht vollumfänglich geheim sein. Was bei Seiler als Konsequenz für ein Akteneinsichtsrecht sprach, bewertet Kiener in anderer Richtung: Im Übrigen bedeute die restriktive Handhabung der Akteneinsichtsrechte durch den Gesetzgeber auch kein absolutes Verbot der Einsichtsnahme in Justizakten. «Die kontrollierten Organe können im Einzelfall durchaus einmal ein Dossier vorlegen ­ nötigenfalls nach Anonymisierung von persönlichkeitsrelevanten Namen oder Daten.» Kiener fährt fort, man könne sich «aus diesen Gründen» fragen, ob die sachgerechte Aufsicht über die Justizverwaltung nicht ausnahmsweise doch die Einsicht in Verfahrensakten erfordern könnte, etwa dann, wenn ein die Justizverwaltung betreffendes Vorkommnis (z. B. das als deplaziert empfundene Verhalten einer Justizperson gegenüber den Parteien oder dem Publikum) anders nicht abgeklärt werden könne. Diese Grundsätze gelten für Kiener für die Justizkommission wie die Geschäftsprüfungskommission; sie tritt für «schonende Handhabung der Aufsichtsrechte» ein: dies bedeute nicht nur das Verbot der Einmischung in die materielle Justiztätigkeit, sondern ebenfalls, dass zu «einem milderen Informationsmittel» zu greifen sei, wenn das angestrebte Ziel auch so erreicht werden könne.70 Laut Parlamentsgesetz haben die Aufsichtskommissionen das Recht, vom BGer jene Auskünfte und Unterlagen zu erhalten, die für die Wahrnehmung der Oberaufsichtsfunktion notwendig sind (Parlamentsgesetz Art. 27, Abs. 4 und 152 Abs. 1 und 2).71 In der Literatur wird nicht ausgeschlossen, dass die Oberaufsicht ausnahmsweise zumindest Verfahrensakten einsehen kann. Die Einsicht in Gerichtsakten abgeschlossener Verfahren wird einzig von Seiler als unproblematisch eingeschätzt; damit redet er einer ausgedehnten Tragweite der Oberaufsicht das Wort.

4.4

Zeitpunkt der Oberaufsicht

Verschiedentlich ist in den vorhergehenden Ziffern erwähnt worden, dass bei der Ausübung der Oberaufsicht der Grundsatz der Nachträglichkeit befolgt wird. In den Worten Mastronardis: «Streng halten sich die Kommissionen an ein Prinzip der Subsidiarität und Nachträglichkeit der Oberaufsicht im Verhältnis zu gerichtlichen Ver-

70 71

Vgl. Kiener, 1997, S. 404f.

Zur kantonalen Ebene: In 11 Kantonen bzw. Halbkantonen existiert kein Akteneinsichtsrecht der Oberaufsicht im Bereich der Justiz; in drei Ständen ist diese Frage nicht geregelt. In den übrigen Kantonen und Halbkantonen besteht ein in der Regel auf Justizverwaltungsakten beschränktes Einsichtsrecht (in wenigen Kantonen reicht es weiter: im Kanton Zug ist es auch im Rahmen von Aufsichtsbeschwerden beschränkt möglich; im Kanton Schaffhausen gilt ein vollumfängliches Akteneinsichtsrecht, das allerdings noch nie ­ Stand 1999 ­ verlangt wurde. Im Kanton Aargau liegt es im Ermessen des Obergerichts, den Umfang des Akteneinsichtrechts festzulegen und in den Kantonen Tessin und Genf besteht ein nicht näher eingeschränktes Akteneinsichtsrecht auf Verlangen des Conseil de la magistrature). Vgl. Unveröffentlichte Übersicht der Schweizerischen Vereinigung der Richter und Richterinnen, 1999: Unabhängigkeit der Richter.

7717

fahren.»72 In der spezialisierten Literatur wird aber auch darauf hingewiesen, dass seltene Ausnahmen denkbar sind. Kiener hat die Frage des Zeitpunkts klärend abgehandelt.

Einleitend unterstreicht Kiener, dass das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit die Rechtsprechung gegen Übergriffe der Aufsichtsbehörden sichern solle. Auch die zulässigen Aufsichtshandlungen dürften die in der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung angelegte Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit der Justiz ­ etwa auch im Rahmen ihrer Selbstverwaltung ­ nicht aufheben. Mitschreitend ausgeübte Kontrollen stünden dem entgegen. Deshalb zeige sich auch die Justizaufsicht vom Grundsatz der Nachträglichkeit geprägt. Hängige Gerichtsverfahren würden dem Zugriff der Aufsichtsbehörden ebenso grundsätzlich entfallen wie hängige, Verfahren' der justizinternen Justizverwaltung. Aber: «Eine zurückhaltende, in erster Linie auf Erkundigung gerichtete Aktivierung des parlamentarischen Aufsichtsrechts bei nicht abgeschlossenen Verfahren ist ausnahmsweise und vor allem in zwei Fällen denkbar. Einmal bei sehr lange dauernden Verfahren, und dann ­ in den Grenzen des soeben Gesagten ­ nur insoweit, als konkrete Anzeichen für eine Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung bestehen.» Hierbei handle es sich nur scheinbar um eine Ausnahme vom Grundsatz der Nachträglichkeit, da die Aufsichtsbehörden eingreifen würden, nachdem die Gerichte nicht tätig geworden seien. Eine Einflussnahme auf die materielle Entscheidfindung sei jedoch so oder anders und in jedem Fall untersagt. Im Rahmen der materiellen Rechtspflege sei insbesondere an Strafprozesse zu denken, bei denen sich allein die Voruntersuchung über mehrere Jahre erstrecke. Kieners Ansicht: «Hier darf sich die für die Justizaufsicht zuständige Behörde im Sinne einer begleitenden Kontrolle über den Stand des Verfahrens informieren lassen und die Gründe für eine lange Verfahrensdauer erfragen.» Im Rahmen der Aufsicht über die Justizverwaltung könnten etwa lange dauernde, noch nicht abgeschlossene interne Aufsichtsverfahren oder Reorganisationsprojekte in Frage stehen.73 Da in der Literatur nirgends auch nur annähernd ausführliche Gedanken zu finden sind, müssen wir uns hier auf Kiener beschränken. Ihre Ausführungen sind der Position der erweiterten Tragweite der Oberaufsicht zuzuordnen.

5

Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission über die Gerichte

Bevor wir auf die ­ laut Seiler ­ umstrittene Frage eingehen, ob das Parlament eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) über die Gerichte einsetzen kann, wollen wir zuerst definieren, welche Aufgabe eine solche Kommission hat. In Artikel 55 Absatz 1 GVG wird Einsatz und Aufgabe einer PUK folgendermassen beschrieben: «Bedürfen Vorkommnisse von grosser Tragweite in der Bundesverwaltung der besonderen Klärung durch die Bundesversammlung, können zur Ermittlung der Sachverhalte und zur Beschaffung weiterer Beurteilungsgrundlagen Untersuchungskommissionen beider Räte eingesetzt werden.» Eine PUK hat weitgehende Informationsrechte.

72 73

Vgl. Mastronardi, S. 132.

Vgl. Kiener, 2001, S. 303f.

7718

In der Literatur äussern sich Zimmermann und Seiler ausführlicher zur Frage der PUK in der Justiz. Zimmermann hält einführend fest, aus der für eine ­ rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden ­ Rechtspflege wesensgemässen und unerlässlichen Forderung nach richterlicher Unabhängigkeit ergäben sich für eine PUK gerade im Bereich der Justiz Kompetenzabgrenzungen und Eingriffsbegrenzungen. Er tritt in der Folge für eine erweiterte Tragweite der Oberaufsicht ein, die allenfalls auch vom Instrument der PUK erfasst werden könnte. Das Parlament habe die Oberaufsicht im Bereich der gerichtlichen Rechtspflege bisher jedoch mit grösster Zurückhaltung praktiziert und die Dienstaufsicht faktisch kaum wahrgenommen, urteilt Zimmermann. Anlass zu Intensivierungen habe bisher nicht bestanden. Aktivierungen würden auch reale Gefahren bergen; die Forderungen nach richterlicher Unabhängigkeit und Aufsicht seien letztlich antinomische Zielsetzungen. Zimmermann meint, aufgrund der bisherigen Erfahrungen sei es nicht vorstellbar, dass eine Aktivierung des Aufsichtsrechts im Bereich der bundesgerichtlichen Rechtspflege zum «stärksten Mittel» einer PUK greifen müsse. Der Zentralauftrag der Oberaufsicht gegenüber der Rechtspflege, die Bewertung, ob die Gesetzgebung in der Erfahrung der Rechtsprechung tauge (Eichenberger), bedürfe dieses einschneidenden Instrumentes nicht.

Zimmermann gibt sich zudem überzeugt, dass sein allfälliger Einsatz sofort an die in der EMRK, der Verfassung und in einzelnen gesetzlichen Bestimmungen enthaltenen Garantien und Schranken der richterlichen Unabhängigkeit stossen würde. Eine Entfaltung der (Untersuchungs-)Handlungen, die durch dieses parlamentarische Untersuchungsverfahren ermöglicht werden, sei kaum denkbar.74 Zimmermann gegenüber steht Seiler: Dieser hält die Frage einer PUK-Einsetzung in erster Linie für eine Frage des positiven Rechts. Im Bund sei nach bisherigem Recht eine PUK ausdrücklich nur für besondere Vorkommnisse in der Bundesverwaltung vorgesehen (Art. 55 GVG). Eine andere Regelung sei jedoch zulässig. Natürlich sei auch die PUK an die Schranken gebunden, die sich aus der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit ergäben. Richter absetzen oder Urteile aufheben könne sie nicht. Das sei ja auch gegenüber der Verwaltung so: Eine PUK setze keinen Regierungsrat ab. Aber sie könne
Missstände aufdecken und Massnahmen vorschlagen, um diese Missstände zu beheben. Gerichte seien nicht «per definitionem» davor gefeit, Missstände zu produzieren. Seiler erwähnt als Beispiel, dass es ­ «hoffentlich nicht in der Schweiz» ­ Gerichte gebe, die im Ruf stünden, von der Mafia unterwandert zu sein und systematisch Mafiosi begünstigten. Warum solle es unzulässig sein, wenn solche Vorwürfe untersucht würden, meint er und schliesst pointiert: «Auch für die Unabhängigkeit der Gerichte gilt: Man kann jedes Prinzip zu Tode reiten.»75 In Artikel 162 des Parlamentsgesetzes ist vorgesehen, dass die Bundesversammlung im Rahmen der Oberaufsicht zur Ermittlung der Sachverhalte und zur Beschaffung weiterer Beurteilungsgrundlagen eine gemeinsame PUK beider Räte einsetzen könne, wenn Vorkommnisse von grosser Tragweite der Klärung bedürften. Für den Verkehr zwischen der Bundesversammlung und dem BGer gilt diese Bestimmung ebenfalls (Art. 161 Abs. 1 Bst. d Parlamentsgesetz). Diese im Vergleich zum GVG vollzogene Ausweitung wird im Kommissionsbericht damit begründet, eine sinnge-

74

75

Vgl. Zimmermann, Peter, 1992: Rechte und Rechtsschutz im Verfahren parlamentarischer Untersuchungskommissionen des Bundes, Basler Studien zur Rechtswissenschaft.

Reihe B, Öffentliches Recht. Bd. 38. Basel, Frankfurt am Main. S. 17­20.

Vgl. Seiler, S. 292.

7719

mässe Anwendung dieser Normen würde der Vollständigkeit dienen.76 In elf Kantonen bzw. Halbkantonen besteht übrigens die Möglichkeit, eine PUK über die Gerichte einzusetzen.77 Bisher wurde jedoch noch nie zu diesem Instrument gegriffen.

6

Ergebnisse

Die Rechtsliteratur, die sich mit der parlamentarischen Oberaufsicht über die Justiz in der Schweiz befasst, ist nicht sehr zahlreich. Mit Fragen zum Oberaufsichtsrecht auseinandergesetzt haben sich vor allem Eichenberger, Kiener, Mastronardi und Seiler; daneben finden sich diesbezügliche Abschnitte in Verfassungs- und Gesetzeskommentaren oder in Abhandlungen zu Einzelfragen (PUK, Praxis der GPK bei Aufsichtseingaben).

Wird die Literatur nach den Zielen analysiert, die sie der Oberaufsicht über die Justiz zuschreibt, treten zwei unterschiedliche Auffassungen hervor. Beim ersten Oberaufsichtsbegriff liegt das Ziel der Aufsicht in der Überprüfung, ob die Justiz die von der Verfassung vorgeschriebenen Aufgaben ausübt und in deren Sinn wahrnimmt. Es handelt sich um eine Ex-post-Aufsicht. Beim zweiten Oberaufsichtsbegriff wird betont, dass es sich bei der Oberaufsicht um eine Trendkontrolle handle, dass sie gegenwarts- und zukunftsbezogen ausgerichtet sei und eine Optimierung des überprüften Organs anstrebe. Diese beiden Positionen gehen einher mit einer teilweise unterschiedlichen Einstufung der Bedeutung des Gewaltenteilungsprinzips und der richterlichen Unabhängigkeit. Beim ersten Oberaufsichtsbegriff werden die Argumente der richterliche Unabhängigkeit und der Gewaltenteilung mit der Konsequenz betont, dass sich die Oberaufsicht über die Justiz von jener über die Exekutive und die Verwaltung unterscheidet und eine «spezifische Ausprägung» hat. Jener Teil der Literatur, in dem die Aufsicht nicht allein als Ausführungskontrolle aufgefasst wird, sondern in dem auch die Funktion der Wirkungsüberprüfung unterstrichen wird, tritt für eine starke Position des Parlaments unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben ein. Die Oberaufsicht über die Justiz und ihre Kompetenzen unterscheiden sich ­ dieser Literatur zufolge ­ nicht grundsätzlich von der Oberaufsicht über Regierung und Verwaltung. Als Konsequenz für die Tragweite der Justizaufsicht resultiert daraus, dass ihr u. a. auch Fragen der Rechtsprechung als Gegenstand klar zugeordnet werden (legislatorische Erfolgs- und Effizienzkontrolle).

Die in der Literatur zu findenden Aussagen zur Tragweite der Oberaufsicht über die Gerichte können in drei Positionen unterteilt werden. Diese liegen indes z. T. nahe beisammen. Eng gefasst ist die Tragweite
der parlamentarischen Justizaufsicht bei der Lehrmeinung, die Oberaufsicht habe sich auf die Überwachung der «formellen Regelmässigkeit» zu konzentrieren und dürfe sich keinesfalls auf den Inhalt von Entscheidungen beziehen. Das Parlament müsse feststellen, so Aubert als Vertreter dieser Position, ob Recht gesprochen wurde und ob dies ohne zu grosse Verspätung

76 77

Vgl. PaIv Parlamentsgesetz, S. 3609.

SZ, GL, FR, BL, SH, AI, GR, VD, VS; NE, JU; Stand 15. 10. 1999. Vgl. Übersicht der Schweizerischen Vereinigung der Richter und Richterinnen.

7720

geschah. Die parlamentarische Oberaufsicht wird im Wesentlichen durch die Prüfung des jährlichen Geschäftsberichts des Gerichts wahrgenommen.

Mehrheitlich hingegen wird in der Literatur ein erweiterter Oberaufsichtsbegriff beschrieben. Kiener vertritt diese mittlere Position, bei der, so ist zu betonen, das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit ganz klar in den Vordergrund gerückt wird.

Auch hier steht die Kontrolle der Geschäftsführung durch die Oberaufsicht an erster Stelle. Justizverwaltung und äusserer Geschäftsgang sind explizit der Oberaufsicht zugeschriebene und unbedenkliche Überprüfungsgegenstände. In hängige Justizverfahren darf nicht eingegriffen werden, wenn es sich nicht um Ausnahmen wie den Vorwurf auf Rechtsverweigerung und -verzögerung handelt oder bei sehr lange dauernden Verfahren. Jede Einwirkung auf Einzelfallentscheide ist unzulässig ­ ein Prinzip, über das in der gesamten Literatur Einstimmigkeit herrscht. Im Sinne einer legislatorischen Erfolgs- und Effizienzkontrolle darf vom Inhalt abgeschlossener Verfahren Kenntnis genommen werden; auch dürfen Tendenzen der Rechtsprechung mit den Gerichtsbehörden erörtert werden, weil so Gesetzesmängel oder -lücken erkannt und entsprechende Korrekturen eingeleitet werden können. Die Vertreter der «mittleren» Position schreiben letztgenannte Aufgaben mit gradueller Unterschiedlichkeit der Oberaufsicht zu (darf, soll, muss). Für Eichenberger gehört es geradewegs zu einem richtig verstandenen Oberaufsichtsrecht, dass die parlamentarische Aufsicht auch den Inhalt der Rechtsprechung erfasst.

Einen ausgedehnten, d.h. punktuell noch erweiterten Ermessens- und Oberaufsichtsspielraum wird von einzelnen anderen Autoren erkannt. So billigt Mastronardi der Oberaufsicht unter bestimmten Umständen (konkret: bei Einschränkung des von der Verfassung vorgesehenen Beschwerdewegs) eine rechtsstaatliche Ersatzfunktion zu und schliesst dabei eine materielle Behandlung von Urteilen nicht aus. Zudem versteht Mastronardi die «Zurückhaltungspflicht» des Parlaments bei der Kritik an einer bestimmten Entscheidpraxis als Zeichen «parlamentarischer Courtoisie» und nicht als Ausfluss des Verfassungsrechts. Laut Guldener wird die richterliche Unabhängigkeit nicht berührt, wenn ­ in Fällen von besonders schweren richterlichen Pflichtwidrigkeiten ­ das Aufsichtsrecht
auf die Frage der Rechtsmässigkeit von Entscheidungen und damit auf ihren Inhalt ausgedehnt wird. Seiler tritt insbesondere für erweiterte Informationsrechte der Oberaufsicht ein (Auskunftspflichten, Einsicht in Gerichtsakten nach Abschluss eines laufenden Verfahrens und Möglichkeit der Einsetzung einer PUK über ein Gericht).

Die in der Literatur beschriebene Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht deckt sich weitgehendst mit der von den GPK bislang vertretenen Position. Welcher Prüfungsintensität die einzelnen Gegenstände der Justizaufsicht ­ Justizverwaltung, äusserer Geschäftsgang und Kenntnisnahme der Rechtsprechung ­ bislang unterworfen waren, ist indessen eine andere, hier nicht untersuchte Frage.

Mit den Neuerungen des im Entwurf vorliegenden Parlamentsgesetzes soll die Oberaufsicht verstärkte Informationsrechte erhalten (Akteneinsicht, PUK). Das Gesetz geht vom Grundsatz aus, dass der Kontrolleur und nicht wie bisher der Kontrollierte darüber entscheidet, welche Informationen für eine wirksame Kontrolle benötigt werden. Die neuen Informationsrechte im Verkehr mit dem BGer sollen jenen entsprechen, die bislang bezüglich Bundesrat und Bundesverwaltung galten. Allerdings stehen sie unter den gesetzlichen Einschränkungen, dass die Oberaufsicht keine inhaltliche Kontrollen von richterlichen Entscheidungen vornimmt. Diese Schranke haben die GPK auch bisher respektiert, je nach Fall aber enger oder weiter 7721

gezogen. Daran dürfte sich auch in Zukunft nichts ändern: Im Gespräch mit der Justiz werden die GPK im Einzelfall definieren, welche Tragweite der Oberaufsicht und welche Informationsbasis notwendig sind, damit sie ihren Auftrag wahrnehmen können. Der Auftrag der Oberaufsicht ist im Gesetz klar definiert. Nach Artikel 27, Absatz 3 des Parlamentsgesetzes enthält er fünf Prüfungsdimensionen: die Rechtmässigkeit, die Ordnungsmässigkeit, die Zweckmässigkeit, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit. Je nach Prüfungstiefe dürften einzelnen dieser Kriterien indessen Argumente zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit gegenüberstehen.

7722

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

Art.

Artikel

BBl

Bundesblatt

Bst.

Buchstabe

BV

Bundesverfassung

Cst.

Constitution

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen der eidg. Räte

GVG

Bundesgesetz über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse vom 23. März 1962

PaIv

Parlamentarische Initiative

PUK

Parlamentarische Untersuchungskommission

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle

Rz.

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SJZ

Schweizerische Juristen-Zeitung

ZBl

Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht

ZSR

Zeitschrift für Schweizerisches Recht

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Durchführung der Untersuchung Bericht: Andreas Tobler Sekretariat: Hedwig Heinis Tanya Kasper

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