9.2.8

Botschaft zum Übereinkommen über die Aufgaben der Internationalen Studiengruppe für Jute von 2001 vom 9. Januar 2002

9.2.8.1 9.2.8.1.1

Allgemeiner Teil Übersicht

Die Schweiz engagiert sich seit 1983 auf internationaler Ebene im Jutebereich, als sie zusammen mit andern Produzenten- sowie den wichtigsten Konsumentenländern der Internationalen Jute-Organisation beitrat1. Mit dem Auslaufen des gültigen Internationalen Jute-Übereinkommens von 19892 im April 2000 entschieden sich die Mitgliedländer, ihre Zusammenarbeit in neue Bahnen zu lenken. Diverse OECDStaaten drängten darauf, den finanziellen Rahmen der internationalen Jute-Kooperation zu reduzieren. Anlässlich einer UNCTAD-Konferenz3 wurde am 13. März 2001 in Genf von den Teilnehmerstaaten das «Übereinkommen über die Aufgaben der Internationalen Studiengruppe für Jute von 2001» (im Folgenden: das JuteÜbereinkommen 2001) verabschiedet. Mit ihm werden die mit den künftigen Arbeiten im Jutebereich befassten Organe eingesetzt und deren Funktionen festgelegt; es bildet die Plattform für die internationale Zusammenarbeit. Auf seiner Grundlage soll eine nachhaltige Entwicklung von Angebot und Nachfrage gefördert werden. Im Zentrum stehen die Diskussion und Förderung von modernen und umweltverträglichen Produktionsformen, der Technologietransfer, das Marketing, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Armutsbekämpfung. Im Gegensatz zu früheren Verträgen enthält es keine wirtschaftlichen Mechanismen zur Stabilisierung der Jutepreise.

9.2.8.1.2

Der Jutemarkt

Der Jutemarkt stellt für mehrere Entwicklungsländer, insbesondere Bangladesh, Nepal und Indien, eine wichtige Devisenquelle dar. Millionen ländlicher Haushalte beziehen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus dem Anbau und der Verarbeitung von Jute, die nach Baumwolle als wichtigste natürliche Faser gilt.

Weltweit werden jährlich rund 3 Millionen Tonnen Jutefasern und verwandte Sorten produziert. Davon werden 98 Prozent in neun Ländern Süd- und Südostasiens angebaut, wobei alleine Indien und Bangladesh für gegen 90 Prozent der globalen Produktion aufkommen. Weil Indien den grössten Teil seines Juteaufkommens im eigenen Land verwendet, ist Bangladesh mit einem Anteil von über 76 Prozent (Durchschnitt 1996­1999) der bei weitem grösste Exporteur. Indien folgt mit 1 2 3

Vgl. Botschaft vom 17. August 1983 über das Internationale Übereinkommen von 1982 über Jute und Juteerzeugnisse (BBl 1983 III 713).

SR 0.916.125; AS 1991 1929.

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung; die UNCTAD hat die Schirmherrschaft über die UNO-Übereinkommen und -Unterorganisationen im Rohstoffbereich.

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21 Prozent vor Thailand und Nepal mit einem Weltmarktanteil von je gut 1 Prozent4.

Hauptabnehmer waren im Zeitabschnitt 1996­99 mehrere EU-Staaten (B: 8,7%; UK: 4,4%; NL, F und D je rund 2%) sowie China (8,7%), Japan (3,7%) und Ägypten (2,4%). Die Schweiz figuriert in den Statistiken mit einem Anteil an den Juteeinfuhren von bloss 0,03 Prozent.

9.2.8.1.2.1

Entwicklung der Jutepreise

Der globale Jutemarkt unterliegt starken Preisschwankungen. Insgesamt ist aber der Realwert von roher wie von verarbeiteter Jute in den letzten zwei Jahrzehnten stark gesunken, dies nicht zuletzt deshalb, weil künstlich hergestellte Konkurrenzprodukte günstiger angeboten werden können. Kostete eine Tonne unverarbeiteter Jute 1975 970 US-Dollar, so sank der Preis bis 1996 auf noch 357 Dollar (Vergleichspreise auf der Basis von 1990). Da in der gleichen Zeitspanne keine substanzielle Erhöhung der Produktivität zu verzeichnen war, mussten die Produzenten beim Erlös massive Einbussen in Kauf nehmen. Der Durchschnittspreis ist in den letzten Jahren weiter auf zeitweise deutlich unter 250 Dollar je Tonne gesunken, ehe er sich 2001 wieder leicht auf rund 300 Dollar erholte. Die Zukunftsaussichten sind unsicher: Jute wird immer weniger für traditionelle Erzeugnisse wie Jutesäcke verwendet; dagegen könnte die zunehmende Verbreitung neuer, innovativer Produkte aus verarbeiteter Jute die Nachfrage wieder ansteigen lassen.

9.2.8.1.2.2

Neue Produkte

Bei der Verarbeitung von Jute verliert die Herstellung traditioneller Güter wie Säcke zunehmend an Bedeutung. Zumindest in den Industriestaaten finden diese kaum mehr Verwendung, da sie durch voluminösere, günstigere und die spezifischen Bedürfnisse besser erfüllende Produkte ersetzt wurden. In den letzten Jahren sind aber alternative Juteprodukte auf den Markt gekommen, die für einen Aufschwung der Naturfaser sorgen könnten.

Zu den nicht traditionellen Verwendungsmöglichkeiten der Jute gehören die Papierfabrikation, Türen, Isolationsmaterial für den Häuserbau (Thermosetting Composites), Möbel usw., wobei sich diese Produkte durch ihre hohe Feuer- und Wasserresistenz, Festigkeit und Umweltfreundlichkeit auszeichnen. Jute wird zudem immer häufiger in Fahrzeugen verwendet, besonders für Isolationszwecke. Es gibt Berechnungen, wonach in naher Zukunft pro Auto zwischen 20 und 40 kg Jute verwendet werden dürften. Weitere Anwendungen liegen im Textilbereich, auch bei den so genannten Geotextilien, die benutzt werden, um die Erderosion einzudämmen oder Strassentrassees zu sichern.

4

Quellen: UNCTAD, FAO

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9.2.8.1.2.3

Schweizerische Interessenlage

Die schweizerischen Interessen haben sich seit dem Beitritt zur Internationalen JuteOrganisation 1983 nicht massgeblich verändert. Sie sprechen für eine Anwendung auch des neuen Jute-Übereinkommens und dem damit verbundenen Beitritt zur Internationalen Studiengruppe Jute. Jute ist ein umweltfreundliches natürliches Produkt, das in einzelnen Entwicklungsländern eine herausragende Bedeutung besitzt.

Auch wenn die Schweiz zurzeit nicht viele Juteprodukte einführt, haben wir ein wirtschaftliches Interesse an diesem Sektor. Einzelne Schweizer Firmen importieren Jute, die als Isolationsprodukt in Fahrzeugen verwendet wird. Die Bedeutung des Werkstoffs Jute ist auf diesem Gebiet in den letzten Jahren stark gestiegen.

Die Mitgliedschaft im neuen Jute-Übereinkommen gibt der Schweiz die Möglichkeit, in der Internationalen Jute-Studiengruppe ihre wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Interessen zu vertreten. Gleichzeitig können wir unsere Unterstützung für die Jute produzierenden Entwicklungsländer zur Geltung bringen, insbesondere in den Bereichen Ökologie und Armutsbekämpfung.

9.2.8.2 9.2.8.2.1

Besonderer Teil Verhandlungsverlauf

Die Schweiz gehörte schon zu den Unterzeichnerstaaten der Internationalen JuteÜbereinkommen von 19825 und 19896. Ab 1983 war sie Mitglied der Internationalen Jute-Organisation (IJO). Im Gegensatz zu andern Rohstoff-Übereinkommen wurde das Jute-Abkommen nach dem Auslaufen im April 2000 nicht im bisherigen Rahmen weitergeführt. Die Staaten der Europäischen Union, die den Grossteil JuteImportmitglieder ausmachen, waren nicht bereit, das Mandat in der bisherigen Grössenordnung über das Jahr 2000 hinaus zu verlängern. Produzenten- und Konsumentenländer einigten sich schliesslich im Rahmen einer UNCTAD-Konferenz vom 12.­13. März 2001 in Genf darauf, die IJO durch eine kleinere und weniger bürokratische Institution, die Internationale Jute-Studiengruppe (International Jute Study Group, IJSG) zu ersetzen. Nachdem die IJO am 12. Oktober 2001 liquidiert worden war, nahm die IJSG Anfang 2002 offiziell ihre Arbeit auf.

9.2.8.2.2

Inhalt und Ziele des Übereinkommens

Das Jute-Übereinkommen 2001 bildet den Rechtsrahmen für die internationale Kooperation im Jutebereich und dient als Diskussionsforum der Mitglieder der IJSG. Die frühere strikte Aufteilung zwischen den wenigen Produzenten- (3) und den Konsumentenländern (22) entfällt. Zentral für die Arbeiten der neuen Studiengruppe ist die Schaffung von grösserer Markttransparenz sowie das Sammeln und Veröffentlichen von Daten über Produktion, Preise, Exporte, Importe, Vorräte, Vertrieb und Verbrauch von Jute. Die Studiengruppe ist zudem beauftragt, Marktanalysen und Studien zu erstellen über die wirtschaftlichen Bedingungen sowie die so5 6

Vgl. Botschaft vom 17. August 1983 über das Internationale Übereinkommen von 1982 über Jute und Juteerzeugnisse (BBl 1983 III 713).

Vgl. Botschaft über die Genehmigung des Internationalen Juteabkommens 1989 vom 10. Januar 1990 (BBl 1990 I 301) und BB vom 14. März 1990 (AS 1991 1929).

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zialen und ökologischen Auswirkungen der Herstellung, Verarbeitung und des Vertriebs von Jute.

Mit dem Jute-Übereinkommen 2001 wird neu ein aus führenden Vertretern des Privatsektors bestehendes Organ geschaffen, das den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Jutewirtschaft intensivieren soll. Vermehrt ins Zentrum gerückt wird ausserdem die Armutsbekämpfung. Angesichts der mehr als 17 Millionen meist armen Bauern, die direkt von den Erträgen aus der Juteproduktion abhängig sind, sollen vermehrt Projekte durchgeführt werden, welche die Einkommen der kleinen Produzenten und insbesondere der Frauen verbessern. Ein weiteres Schwergewicht legt die IJSG auf den Bereich Marketing und die Anpreisung von Jute als umweltfreundliches Produkt. Dabei sollen neue Anwendungsmöglichkeiten dieses natürlichen Rohmaterials gefördert und bekannt gemacht werden.

Die Geltungsdauer des Jute-Übereinkommens 2001 beträgt acht Jahre. Die Mitglieder der Studiengruppe können durch qualifiziertes Mehr beschliessen, den Vertrag vorzeitig zu beenden, neu auszuhandeln oder höchstens zweimal um je zwei Jahre zu verlängern (Art. 25).

9.2.8.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Beteiligungskosten sind für die Schweiz bescheiden. Unser Jahresbeitrag an den Verwaltungsaufwand der IJSG wird laut provisorischen Angaben des Sekretariats zwischen 16 000 und 18 000 Franken betragen (rund 10 000 Dollar). Diese Ausgaben werden durch das laufende Budget gedeckt. Zusätzliches Personal ist nicht erforderlich.

9.2.8.4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 (BBl 2000 2276) nicht ausdrücklich aufgeführt. Sie entspricht aber dem Inhalt von Ziel 2 (Ausbau der aussen- und sicherheitspolitischen Präsenz in den Bereichen Friedensförderung, Schutz der Menschenrechte, Entwicklungszusammenarbeit ­ verbesserte Stellung und Wahrnehmung der Schweiz im internationalen Umfeld).

9.2.8.5

Bezug zu anderen Instrumenten der Handelspolitik und Verhältnis zum europäischen Recht

Das Jute-Übereinkommen 2001 ist sowohl mit den WTO-Regeln als auch mit dem europäischen Recht und unserer europäischen Integrationspolitik vereinbar.

9.2.8.6

Verfassungsmässigkeit

Der ständige Beobachter der Schweiz bei der Organisation der Vereinten Nationen in New York hat Ende Dezember 2001 im UNO-Generalsekretariat unter Ratifikationsvorbehalt die Annahme des Übereinkommens durch die Schweiz notifiziert.

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Gestützt auf Artikel 2 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen (SR 946.201) hat der Bundesrat beschlossen, das Übereinkommen in Bezug auf die Schweiz vorläufig anzuwenden, sobald es gemäss seinen Bestimmungen vorläufig oder endgültig in Kraft getreten ist. Diese Befugnis kommt dem Bundesrat in dringenden Fällen auch zu, wenn dem Referendum unterstehende Abkommen den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Art. 2 in fine des Gesetzes), was vorliegend zutrifft. Nachdem die frühere Organisation liquidiert worden ist, ist es dringend, dass die neue Jute-Studiengruppe ihre Arbeiten möglichst schnell aufnehmen kann. Anlässlich der Notifikation hat die Schweiz daher in einer Erklärung die Absicht bekannt gegeben, das vorliegende Übereinkommen vom 1. Januar 2002 an vorläufig anzuwenden, sofern das vorgesehene Quorum erreicht ist.

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV werden völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Das vorliegende Übereinkommen ist jederzeit kündbar (Art. 26) und es führt keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei.

Hingegen wird mit dem Übereinkommen die neue «Internationale Studiengruppe für Jute» geschaffen und deren Aufgaben umschrieben. Ihr wird eigene internationale Rechtspersönlichkeit zuerkannt (Art. 16); sie hat ihren Sitz in Dhaka (Bangladesh) (Art. 8). Die Organe des Übereinkommens können Entscheidungen zum Teil mit qualifiziertem Mehr treffen und haben die Kompetenz, Rechtsbindungen einzugehen. Es handelt sich somit um eine internationale Organisation im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d (Ziff. 2) BV, welcher die Schweiz beitritt. Das vorliegende Jute-Übereinkommen unterliegt demzufolge dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

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