99.092 Botschaft betreffend das Protokoll von 1996 zum Übereinkommen von 1972 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 24. November 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend das Protokoll von 1996 zum Übereinkommen von 1972 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. November 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10680

Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-5843

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Übersicht Das Protokoll vom 7. November 1996 zum Übereinkommen von 1972 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen verbietet die Verbrennung auf See von Abfällen und anderen Stoffen und schränkt die Liste der Abfälle, die noch eingebracht werden dürfen, erheblich ein.

Insbesondere verbietet es das Einbringen sämtlicher radioaktiver Abfälle. Es untersagt auch die Ausfuhr von Abfällen oder sonstigen Stoffen in andere Länder zum Zweck einer Einbringung.

Die Schweiz ist seit 1979 Vertragspartei des Übereinkommens. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen am 1. April 1987 hat das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft die Ausfuhr von Abfällen zum Zweck der Einbringung ins Meer in keinem Fall bewilligt; seit Ende 1989 sind auch für die Verbrennung von Abfällen auf See keine Ausfuhrbewilligungen mehr erteilt worden.

Die Schweiz kann das Protokoll daher problemlos ratifizieren.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Am 7. November 1996 verabschiedete eine Sondersitzung der Vertragsparteien des Übereinkommens vom 29. Dezember 19721 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen am Sitz der Internationalen Seeschiffahrts-Organisation (IMO) in London ein Protokoll, das am eingangs erwähnten Übereinkommen wichtige Änderungen vornimmt. Für die Vertragsparteien des Protokolls, die auch Vertragsparteien des zu Grunde liegenden Übereinkommens sind, ersetzt das Protokoll das Übereinkommen. Am 30. März 1998 unterzeichnete der schweizerische Botschafter in London am Sitz der IMO das Protokoll unter Vorbehalt der Ratifikation.

Das Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen ­ gewöhnlich Londoner Übereinkommen genannt ­ wurde 1972 an einer auf Einladung von Grossbritannien abgehaltenen Konferenz verabschiedet und trat am 30. August 1975 in Kraft.

Das Sekretariat des Londoner Übereinkommens wird von der IMO2, einer Spezialorganisation der Vereinten Nationen, bei der die Schweiz seit 1958 Mitglied ist, wahrgenommen. Die Hauptzielsetzungen der IMO sind die Verbesserung der Sicherheit zur See und die Verhütung der Meeresverschmutzung.

Bis heute haben beinahe 100 Staaten das Londoner Übereinkommen ratifiziert oder sind ihm beigetreten; für die Schweiz trat es am 30. August 1979 in Kraft3.

Die Hauptziele des Übereinkommens sind die internationale Kontrolle und Reglementierung der Beseitigung von Abfällen und anderen Stoffen (einschliesslich Schiffe und Plattformen auf See). Das Übereinkommen verbietet die Beseitigung bestimmter besonders umweltschädlicher Substanzen wie beispielsweise organische Halogenverbindungen, Quecksilber, Cadmium, Kunststoffe, Mineralöle und hochgradig radioaktive Abfälle. Das Übereinkommen beinhaltet auch Vorschriften über die Einbringung mehrerer anderer Stoffe, die für die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit Gefahren in sich bergen können (z. B. leicht radioaktive Abfälle). Des Weiteren schreibt es die Kriterien zur Wahl von Einbringungsorten auf See vor.

Seit 1972 hat die Sitzung der Vertragsparteien eine Reihe von Änderungen am Übereinkommen und an seinen Anlagen verabschiedet. Die wichtigsten dieser Änderungen sind: 1.

1 2 3

Änderungen vom 12. Oktober 1978 von Artikel XI des Übereinkommens (einschliesslich der Verabschiedung eines neuen Anhangs 4 über das Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten) sowie der Artikel XIV und XV.

Diese Änderungen werden in Kraft treten, wenn sie von zwei Dritteln der

AS 1979 1335; BBl 1978 II 445 Abkommen vom 6. März 1948 zur Schaffung einer Internationalen SeeschiffahrtsOrganisation, AS 1958 983 AS 1979 1335, 1986 1340, 1993 2746

1067

Vertragsstaaten angenommen worden sind. Die Schweiz ratifizierte sie am 15. Dezember 19874.

2.

Änderungen vom 12. Oktober 1978 der Anlagen 1 und 2. Diese Änderungen traten für sämtliche Vertragsstaaten am 11. März 1979 in Kraft5.

3.

Änderungen vom 24. September 1980 der Anlagen 1 und 2 betreffend die Liste der Abfälle oder anderen Stoffe, die für das Einbringen in Frage kommen. Diese Änderungen traten für sämtliche Vertragsstaaten am 11. März 1981 in Kraft6.

4.

Änderungen vom 3. November 1989 der Anlage 3 betreffend die wissenschaftliche Grundlage für die Beurteilung der Auswirkungen bestimmter einzubringender Stoffe. Diese Änderungen traten für sämtliche Vertragsstaaten am 19. Mai 1990 in Kraft 7.

5.

Am 12. November 1993 verabschiedete die 16. Konsultationssitzung wichtige Änderungen8 der Anlagen 1 und 2, und zwar in folgenden Bereichen: ­ schrittweiser Verzicht auf die Beseitigung von Industrieabfällen auf See bis spätestens 1. Januar 1996 (Beschluss LC.49(16)), ­ Verbot der Verbrennung von Industrieabfällen auf See (Beschluss LC.50(16)), ­ Verbot der Beseitigung von radioaktiven Abfällen und anderen radioaktiven Stoffen auf See (Beschluss LC.51(16)).

Diese Beschlüsse traten am 20. Februar 1994 für sämtliche Vertragsstaaten in Kraft, mit Ausnahme von Argentinien und Australien, die erklärten, dass sie die Änderung von Beschluss LC.49 nicht anerkennen. Desgleichen hat Russland den Beschluss LC.51 nicht angenommen.

Vorstösse im Hinblick auf ein vollständiges Verbot der Einbringung von Plattformen und anderen auf See stationierten Bauwerken wurden namentlich von Dänemark unternommen. Der bisher letzte Vorstoss erfolgte im Zusammenhang mit der Plattform «Brent-Spar», welche eine internationale Ölgesellschaft in der Nordsee versenken wollte. Die Mehrheit der Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommens sprach sich gegen ein vollständiges Verbot aus; es wurde argumentiert, dass sich das Einbringen in die See in bestimmten Fällen als weniger umweltschädlich herausstellen könnte als eine Beseitigung zu Lande. Diese Staaten argumentierten, dass eine versenkte Plattform in bestimmten Regionen ein künstliches Riff bilden könnte, das der Vermehrung der Fische zuträglich sei. Andere Staaten erklärten, lediglich die Betonteile der Plattformen dürften versenkt werden, während die aus Metall und anderen Stoffen bestehenden Teile aufs Land zurückgeführt werden müssten. Die 18. Sitzung der Vertragsstaaten beschloss deshalb 1995, dass das Einbringen von Plattformen sowie deren Auswirkungen auf die Meeresumwelt wissenschaftlich untersucht werden sollen.

4 5 6 7 8

AS 1988 1240; BBl 1986 II 717 AS 1986 1340 AS 1986 1346 AS 1993 2746 In der AS nicht veröffentlicht.

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1.2

Hauptsächliche Neuerungen des Protokolls

Die hauptsächlichsten Neuerungen des Protokolls sind folgende: 1.

Während sich die Parteien des Londoner Übereinkommens verpflichten, die Meeresumwelt zu erhalten und die durch das Einbringen von Abfällen oder anderen Stoffen verursachte Verschmutzung zu verhüten, bestimmt das Protokoll, dass die Staaten nicht nur zur Erhaltung der Meeresumwelt sowie zu ihrem Schutz vor allen Ursachen der Verschmutzung, sondern auch zur Ergreifung wirksamer Massnahmen zur Verhütung, Verringerung und, sofern möglich, Beseitigung dieser Verschmutzung verpflichtet sind.

2.

Nach den Bestimmungen des Protokolls gehen die Vertragsparteien beim Schutz der Umwelt gegen das Einbringen von Abfällen oder sonstigen Stoffen von einem vorbeugenden Ansatz aus. Sie bemühen sich, Verfahrensweisen nach dem Verursacherprinzip zu fördern, d.h. dass Personen, denen eine Bewilligung zum Einbringen oder Verbrennen von Abfällen auf See erteilt worden ist, die Kosten bezüglich der Vorschriften der Prävention und Bekämpfung der Verschmutzung selbst übernehmen müssen.

3.

Die Definition des Ausdrucks «Meer» bzw. «See» ist weiter gefasst als im Londoner Übereinkommen, indem sie nicht nur sämtliche Meeresgewässer, sondern auch den Meeresboden und seinen Untergrund bezeichnet. Sie umfasst jedoch keine unterhalb des Meeresbodens gelegene Abfalldepots, die nur vom Land aus zugänglich sind.

4.

Nach Anlage 1 des Londoner Übereinkommens ist das Einbringen hochgradig radioaktiver Abfälle in den Meeresboden untersagt. 1985 beschloss die Konsultationssitzung der Parteien des Londoner Übereinkommens in einem Moratorium das Verbot des Einbringens sämtlicher, d.h. schwacher und hochgradig radioaktiver Abfälle bis zum Abschluss einer Studie über die Auswirkung ihres Einbringens auf die Meeresumwelt (Beschluss LC.21(9)).

1993 verabschiedete die Konsultationssitzung auf der Grundlage dieser Studie ein weiteres Moratorium von 25 Jahren (Beschluss LC.51(16)), wonach die Einbringung sämtlicher radioaktiver Abfälle und anderer radioaktiver Stoffe in den Meeresboden und dessen Untergrund verboten ist. Nach Ablauf dieser 25 Jahre werden die Parteien des Londoner Übereinkommens eine wissenschaftliche Studie durchführen, um die Auswirkungen radioaktiver Stoffe auf die Meeresumwelt zu ermitteln. Dieser Beschluss (LC.51(16)) trat am 20. Februar 1994 für sämtliche Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommens in Kraft, mit Ausnahme der Russischen Föderation, welche diesen Beschluss nicht annahm. Im Protokoll wird dieses Einbringungsverbot für sämtliche Arten radioaktiver Abfälle künftig festgeschrieben.

5.

Während das Londoner Übereinkommen eine Liste von Abfällen beinhaltet, die nicht (Anlage 1) oder nur mit einer besonderen Genehmigung (Anlage 2) eingebracht werden dürfen, sieht das Protokoll vor, dass die Vertragsstaaten das Einbringen sämtlicher Abfälle oder anderer Stoffe mit Ausnahme derjenigen verbieten, die in Anlage 1 aufgeführt sind (Baggergut, Klärschlamm, Fischabfälle oder Stoffe, die bei der industriellen Fischverarbeitung anfallen, Schiffe und Plattformen oder sonstige auf See errichtete Bauwerke, träges anorganisches geologisches Material, organisches Material natürlichen Ursprungs sowie sperrige Gegenstände, die hauptsächlich aus Eisen, Beton, Stahl und ähnlichen unschädlichen Materialien bestehen).

1069

6.

In seiner Fassung von 1972 sieht das Londoner Übereinkommen kein Verbot der Verbrennung von Abfällen und sonstigen Stoffen vor. Mit dem Beschluss LC.50(16) von 1993 wurde indes ein Verbrennungsverbot eingeführt, das sich einzig auf die Verbrennung von Industrieabfällen bezieht.

Das Protokoll geht also weiter als das Übereinkommen und der Beschluss, indem es bestimmt, dass die Vertragsstaaten die Verbrennung sämtlicher Abfälle und sonstiger Stoffe auf See verbieten. Dennoch sieht das Protokoll die Möglichkeit vor, das Verbot der Verbrennung von Abfällen und sonstigen Stoffen auf See nicht anzuwenden, beispielsweise wenn es darum geht, die Sicherheit von Menschenleben oder von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken im Fall höherer Gewalt zu gewährleisten (Art. 8 des Protokolls).

7.

Das Protokoll sieht vor, dass die Vertragsparteien die Ausfuhr von Abfällen oder sonstigen Stoffen in andere Länder zum Zweck des Einbringens oder der Verbrennung auf See nicht erlauben.

1.3

Ergebnis des Vorverfahrens

Dieses Protokoll ist insofern für die Schweiz ein wichtiges Instrument, als es sehr weite Kreise, so die Behörden und Vereinigungen, die im Bereich des Umweltschutzes und der öffentlichen Gesundheit tätig sind, sowie Industrie und Seeschifffahrt interessiert. Vorgängig zur Konferenz, die das Protokoll annahm, wurde der Entwurf dem Paul-Scherrer-Institut, der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA), der Schweizerischen Gesellschaft für chemische Industrie (SGCI), dem WWF, Greenpeace sowie dem Verband Schweizerischer Seereedereien zur Stellungnahme unterbreitet. Die Reaktionen waren insgesamt positiv.

2

Besonderer Teil

2.1

Erläuterungen zum Protokoll

Die Definition des Ausdrucks «Meer» bzw. «See» in Artikel 1 umfasst sämtliche Meeresgewässer, mit Ausnahme der inneren Gewässer von Staaten, sowie den Meeresboden und seinen Untergrund. Dagegen fallen unterhalb des Meeresbodens gelegene Abfalldepots, die nur vom Land aus zugänglich sind, nicht unter die Bestimmungen des Protokolls.

Das Protokoll umschreibt den Ausdruck «Einbringen» als jede ins Meer erfolgende vorsätzliche Beseitigung von Abfällen oder sonstigen Stoffen von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken aus, jede ins Meer erfolgende vorsätzliche Beseitigung von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken, jede Lagerung von Abfällen oder sonstigen Stoffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund und schliesslich das Zurücklassen oder das Umkippen vor Ort von Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken in der ausschliesslichen Absicht, eine vorsätzliche Beseitigung vorzunehmen. Die Beseitigung von Abfällen im Meer, die mit dem normalen Betrieb von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken zusammenhängen, sowie das Absetzen von Stoffen (z.B. Kabel, Rohrleitungen oder Vorrichtungen zur Erforschung des Meeres), die zu einem 1070

anderen Zweck als der blossen Beseitigung ausgesetzt werden, fallen nicht unter die Bestimmungen des Protokolls.

Nach den Artikeln 2 und 3 arbeiten die Vertragsparteien einzeln und gemeinsam auf die Erhaltung der Meeresumwelt sowie auf ihren Schutz vor allen Ursachen der Verschmutzung hin und ergreifen im Rahmen ihrer wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten wirksame Massnahmen zur Verhütung, Verringerung und, sofern möglich, Beseitigung der durch das Einbringen oder Verbrennen von Abfällen oder sonstigen Stoffen verursachten Meeresverschmutzung. Nötigenfalls stimmen sie ihre diesbezügliche Politik aufeinander ab.

Angesichts dieser Zielsetzungen gehen die Vertragsparteien beim Schutz der Umwelt gegen das Einbringen von Abfällen oder sonstigen Stoffen von einem vorbeugenden Ansatz aus. Sie bemühen sich, Verfahrensweisen zu fördern, die dem Verursacherprinzip Rechnung tragen. Darüber hinaus verhalten sich die Vertragsparteien so, dass weder unmittelbar noch mittelbar Schäden oder mögliche Schäden von einem Teil der Umwelt auf einen anderen verlagert oder eine Verschmutzungsart in eine andere umgewandelt wird. Schliesslich hindert das Protokolle die Vertragsstaaten nicht daran, einzeln oder gemeinsam strengere Massnahmen zur Verhütung, Verringerung und, sofern möglich, Beseitigung der Meeresverschmutzung zu ergreifen.

Artikel 4 bestimmt, dass die Vertragsparteien das Einbringen sämtlicher Abfälle mit Ausnahme der in Anlage 1 aufgeführten verbieten. Dies sind Baggergut, Klärschlamm, Fischabfälle oder Stoffe, die bei der industriellen Fischverarbeitung anfallen, Schiffe und Plattformen oder sonstige auf See errichtete Bauwerke, träges anorganisches geologisches Material, organisches Material natürlichen Ursprungs sowie sperrige Gegenstände, die hauptsächlich aus Eisen, Beton, Stahl und ähnlichen unschädlichen Materialien bestehen.

Das Einbringen der in Anlage 1 aufgeführten Abfälle oder sonstigen Stoffe bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörden des betroffenen Vertragsstaates. Die Behörden evaluieren vor jeder Einbringungsoperation auf Grund der in Anlage 2 festgehaltenen Prüfungskriterien für die Bewertung der Auswirkungen der Abfälle oder sonstiger Stoffe deren Auswirkungen auf die Meeresumwelt und untersuchen die Möglichkeiten zur Verhütung des Einbringens zu
Gunsten weniger umweltschädlicher Lösungen. Sie ergreifen deshalb Verwaltungs- und Gesetzgebungsmassnahmen, um sicherzustellen, dass die Erteilung von Erlaubnissen den Bestimmungen von Anlage 2 entspricht.

Artikel 5 schreibt vor, dass die Vertragsparteien die Verbrennung von Abfällen oder sonstigen Stoffen auf See verbieten.

Nach Artikel 6 verpflichten sich die Vertragsparteien, die Ausfuhr von Abfällen oder sonstigen Stoffen in andere Länder zum Zweck des Einbringens oder der Verbrennung auf See nicht zu erlauben. Diese Bestimmungen stützen sich auf das Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 9 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung.

Nach Artikel 7 bezieht sich das Protokoll nicht auf innere Gewässer. Bei inneren Meeresgewässern hat indes jede Vertragspartei dieses Protokoll anzuwenden oder andere wirksame Genehmigungs- und Regulierungsmassnahmen zur Bekämpfung der vorsätzlichen Beseitigung von Abfällen oder sonstigen Stoffen zu ergreifen, 9

SR 0.814.05; AS 1992 1125 2934

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wenn diese Beseitigung ein Einbringen oder eine Verbrennung auf See darstellen würde. Jede Vertragspartei hat der IMO über ihre Gesetzgebung und institutionellen Mechanismen für die wirksame Umsetzung, Einhaltung und Anwendung der Bestimmungen des Protokolls in seinen inneren Meeresgewässern Bericht zu erstatten.

Artikel 8 sieht vor, dass vom Verbot des Einbringens von nicht in Anlage 1 aufgeführten Abfällen und des Verbrennens jeglicher Abfälle Abstand genommen werden kann, wenn es beispielsweise notwendig ist, die Sicherheit von Menschenleben oder von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken im Fall höherer Gewalt zu gewährleisten. Das Einbringen oder Verbrennen derartiger Abfälle auf See muss jedoch als einzige Möglichkeit zur Abwendung der Bedrohung erscheinen und aller Wahrscheinlichkeit nach einen Schaden nach sich ziehen, der geringer ist als der sonst eintretende Schaden. Dieses Einbringen oder Verbrennen hat das Risiko der Schädigung von Menschenleben oder der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres möglichst gering zu halten und ist umgehend der IMO zu melden.

In Notlagen, die unzumutbare Gefahren für die menschliche Gesundheit und Sicherheit oder die Meeresumwelt darstellen und keine andere Entscheidung zulassen, kann eine Vertragspartei auch eine Erlaubnis zur Einbringung von nicht in Anlage 1 aufgeführten Abfällen und zur Verbrennung sämtlicher Abfälle erteilen.

Nach Artikel 9 bezeichnet jeder Vertragsstaat eine oder mehrere zuständige Behörden für die Erteilung von Erlaubnissen für das Einbringen von Abfällen, die in Anlage 1 aufgeführt sind. Diese Behörden führen Unterlagen über Art und Menge sämtlicher mit Erlaubnis eingebrachter Abfälle oder sonstiger Stoffe und über die tatsächlich eingebrachten Abfälle und Stoffe sowie über den Ort, den Zeitpunkt und die Methode des Einbringens.

Darüber hinaus ist die Behörde des Vertragsstaates für die Erteilung von Erlaubnissen für Abfälle zuständig, die in ihrem Hoheitsgebiet verladen werden. Wenn diese Abfälle im Hoheitsgebiet eines Nichtvertragsstaates verladen werden, liegt die Zuständigkeit bei der Behörde, in deren Hoheitsgebiet das betreffende Schiff oder Luftfahrzeug eingetragen ist oder dessen Flagge es führt. Das Protokoll schreibt vor, dass jede Vertragspartei der IMO und gegebenenfalls anderen
Vertragsparteien über die zur Durchführung des Protokolls ergriffenen Massnahmen und über deren Wirksamkeit sowie über die bei ihrer Anwendung aufgetretenen Probleme Bericht erstattet.

Nach Artikel 10 sind die zur Durchführung des Protokolls erforderlichen Massnahmen der Vertragsparteien auf alle Schiffe und Luftfahrzeuge anwendbar, die in ihrem Hoheitsgebiet eingetragen sind oder ihre Flagge führen, auf alle Schiffe und Luftfahrzeuge, die in ihrem Hoheitsgebiet Abfälle oder sonstige Stoffe zum Zweck des Einbringens oder der Verbrennung auf See laden, sowie auf alle Schiffe, Luftfahrzeuge und Plattformen oder sonstige auf See errichtete Bauwerke, von denen ein Einbringen oder eine Verbrennung auf See in Gebieten angenommen wird, in denen die Vertragspartei zur Ausübung ihrer Hoheitsrechte befugt ist. Des Weiteren trifft jede Vertragspartei in ihrem Hoheitsgebiet geeignete Massnahmen zur Verhütung und Bestrafung von Verstössen gegen das Protokoll. Die Vertragsparteien kommen überein, zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten.

Artikel 10 schreibt auch den Grundsatz fest, wonach das Protokoll auf Schiffe und Luftfahrzeuge, denen Staatenimmunität zusteht, keine Anwendung findet. Jedoch stellt jede Vertragspartei sicher, dass ihr gehörende oder von ihr betriebene Schiffe 1072

und Luftfahrzeuge Ziel und Zweck des Protokolls befolgen. Jede Vertragspartei kann gegenüber der IMO zu jedem Zeitpunkt erklären, dass sie das Protokoll auf ihre Schiffe und Luftfahrzeuge anwenden wird.

Artikel 11 verpflichtet die Sitzung der Vertragsparteien dazu, spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls die Verfahren und Mechanismen festzulegen, die erforderlich sind, um die Einhaltung des Protokolls zu bewerten und zu fördern.

Diese Verfahren und Mechanismen sollen einen umfassenden, offenen und konstruktiven Informationsaustausch ermöglichen. Auf Grund dieser Informationen kann die Sitzung der Vertragsparteien sowohl Vertrags- als auch Nichtvertragsstaaten Rat, Unterstützung oder Zusammenarbeit anbieten.

Nach Artikel 12 bemühen sich die Vertragsparteien, die regionale Zusammenarbeit zu erweitern, namentlich durch den Abschluss von regionalen Übereinkünften, die mit dem Protokoll im Einklang stehen.

Artikel 13 befasst sich mit der technischen Zusammenarbeit und Unterstützung, welche die Vertragsparteien im Rahmen ihrer Kooperation innerhalb der IMO jenen Staaten gewähren, die Hilfe zum Zweck der Verhütung, Verringerung und, sofern möglich, Beseitigung der durch das Einbringen von Abfällen oder sonstigen Stoffen verursachten Verschmutzung entsprechende Hilfe beantragen. Diese Unterstützung, die sowohl bilateraler als auch multilateraler Natur sein kann, gestaltet sich auf verschiedene Art und Weise: Ausbildung wissenschaftlichen und technischen Personals, Ratschläge zur Durchführung des Protokolls, technische Zusammenarbeit (Forschungs- und Überwachungseinrichtungen usw.) sowie Zugang zu umweltfreundlichen Technologien, insbesondere für die Entwicklungsländer und die Länder im Übergang zur Marktwirtschaft.

Des Weiteren verpflichten die Vertragsparteien die IMO zur Weiterleitung von Anträgen auf Zusammenarbeit an die Vertragsstaaten, welche die dazu erforderlichen technischen Mittel besitzen, zur Koordination von Anträgen auf Unterstützung mit anderen zuständigen internationalen Organisationen und schliesslich zur Unterstützung von Entwicklungsländern und Ländern im Übergang zur Marktwirtschaft, die Vertragsparteien des Protokolls zu werden wünschen.

Artikel 14 sieht vor, dass die Vertragsparteien die wissenschaftliche und technische Forschung auf dem Gebiet der Verhütung,
Verringerung und, sofern möglich, Beseitigung der Verschmutzung durch das Einbringen fördern. Sie sorgen dafür, dass die Vertragsparteien auf Anfrage die erforderlichen Informationen über die wissenschaftlichen und technischen Aktivitäten und Programme erhalten.

Artikel 15 verpflichtet die Vertragsparteien zur Ausarbeitung von Verfahren bezüglich der Haftung für Schäden, die durch das Einbringen oder Verbrennen von Abfällen oder sonstigen Stoffen auf See entstehen. Die Sitzung der Vertragsparteien kann auf dieser Grundlage ein eigentliches Verantwortlichkeitssystem ausarbeiten oder sich für die Anwendung eines an anderer Stelle ausgearbeiteten Verantwortlichkeitssystems entscheiden. Die Sitzung der Vertragsparteien, die das Verantwortlichkeitssystem verabschiedet, entscheidet auch über die Art und Weise, in der dieses System einzuführen ist.

Artikel 16 bestimmt, dass Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Protokolls in erster Linie durch Verhandlung, Vermittlung oder Vergleich beizulegen sind. Falls die Streitigkeit nicht innert zwölf Monaten nach Bekanntgabe des Streitfalls an die betroffene Partei beigelegt werden kann, wird sie einem in Anlage 3 des Protokolls vorgesehenen Schiedsverfahren unterworfen, es sei denn, die 1073

Streitparteien einigen sich darauf, eines der in Artikel 287 Absatz 1 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen genannten Verfahren anzuwenden.

Dieses Verfahren kann auch dann angewendet werden, wenn die eine oder andere Streitpartei das Seerechtsübereinkommen nicht ratifiziert hat. Das in Anlage 3 aufgeführte Schiedsverfahren ist identisch mit demjenigen des Londoner Übereinkommens.

Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung, der Ratifizierung oder des Beitritts zum Protokoll kann jede Partei der IMO notifizieren, dass Streitsachen bezüglich des vorbeugenden Ansatzes und des Verursacherprinzips (Art. 3 Abs. 1 und 2), an denen sie beteiligt ist, nur mit ihrer Zustimmung nach dem im Protokoll vorgesehenen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten beigelegt werden können.

Nach Artikel 17 fördern die Vertragsparteien die Ziele des Protokolls im Rahmen anderer zuständiger internationaler Organisationen.

Nach Artikel 18 überprüfen die Sitzungen der Vertragsparteien die Durchführung des Protokolls und bewerten seine Wirksamkeit mit dem Ziel, Mittel zur Verstärkung der Verhütung, Verringerung und, sofern möglich, Beseitigung der durch das Einbringen und Verbrennen von Abfällen und sonstigen Stoffen auf See verursachten Verschmutzung zu identifizieren.

Diese Sitzungen können namentlich Änderungen am Protokoll und an seinen Anlagen beschliessen, nachgeordnete Stellen mit der Verbesserung der Umsetzung des Protokolls betrauen, Gutachten über Angelegenheiten einholen, die für das Protokoll von Bedeutung sind, sowie die Zusammenarbeit mit regionalen und internationalen Organisationen fördern, die mit der Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung befasst sind. Diese nachgeordneten Stellen sind Ad-hocArbeitsgruppen, deren einzige Aufgabe darin besteht, die Sitzungen der Vertragsparteien über sämtliche diese interessierende Themen wie z.B. die Kontrolle der Anwendung des Protokolls zu beraten. Diese nachgeordneten Stellen besitzen keine Entscheidkompetenz; diese liegt einzig bei der Sitzung der Vertragsparteien. Diese Stellen gehören demnach nicht zu den internationalen Kontrollorganen.

Artikel 19 sieht vor, dass die IMO für die Sekretariatsarbeiten im Zusammenhang mit dem Protokoll verantwortlich ist. Jede Vertragspartei des Protokolls, die nicht Mitglied der IMO ist, leistet einen angemessenen
Beitrag zu den Kosten, die der IMO durch die Wahrnehmung dieser Aufgaben entstehen.

Die Aufgaben der IMO bestehen namentlich darin, alljährlich die Sitzung der Vertragsparteien sowie Sondersitzungen einzuberufen, Ratschläge über die Durchführung des Protokolls zu erteilen, das Budget zu erstellen und die Informationsanträge zu bearbeiten. Im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel beteiligt sich die IMO an der Zusammenarbeit zur Bewertung des Zustands der Meeresumwelt sowie an der Zusammenarbeit mit zuständigen regionalen und internationalen Organisationen, die mit der Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung befasst sind.

Artikel 20 legt fest, dass die Anlagen zum Protokoll Bestandteil des Protokolls sind.

Nach Artikel 21 kann jede Vertragspartei Änderungen der Artikel des Protokolls vorschlagen. Der Wortlaut einer Änderung wird den Vertragsparteien durch die IMO mindestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt mitgeteilt, zu dem sie an einer Sitzung erörtert werden soll.

Änderungen der Artikel des Protokolls werden mit Zweidrittelmehrheit der an der zu diesen Zweck vorgesehenen Sitzung anwesenden und stimmenden Vertragsparteien 1074

beschlossen. Eine Änderung tritt für die Vertragsparteien, die sie angenommen haben, am sechzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem zwei Drittel der Vertragsparteien eine Urkunde zur Annahme der Änderung bei der IMO hinterlegt haben. Danach tritt die Änderung für jede andere Vertragspartei am sechzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem diese Vertragspartei ihre Urkunde zur Annahme der Änderung hinterlegt hat.

Nach dem Inkrafttreten einer Änderung des Protokolls wird jeder neue Vertragsstaat Vertragspartei des geänderten Protokolls.

Dieses Verfahren gilt auch für die Verabschiedung neuer Anlagen oder von Änderungen der Anlage 3 (Schiedsverfahren).

Nach Artikel 22 kann jede Vertragspartei Änderungen der Anlagen zum Protokoll verlangen. Der Wortlaut einer vorgeschlagenen Änderung wird den Vertragsparteien durch die IMO mindestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt mitgeteilt, zu dem sie an einer Sitzung erörtert werden soll. Änderungen der Anlagen gründen sich auf wissenschaftliche, technische, rechtliche, soziale oder wirtschaftliche Erkenntnisse.

Sie werden mit Zweidrittelmehrheit der an der zu diesem Zweck anberaumten Sitzung anwesenden Vertragsparteien beschlossen.

Eine Änderung tritt für jede Vertragspartei unmittelbar zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem sie der IMO innert 100 Tagen nach der Verabschiedung ihre Annahme mitteilt. Für die anderen Vertragsparteien tritt eine Änderung 100 Tage nach ihrer Annahme in Kraft, mit Ausnahme der Parteien, die vor Ablauf der 100 Tage erklären, dass sie nicht in der Lage sind, die Änderungen anzunehmen (Vorgehensweise der stillschweigenden Annahme, das so genannte «Contracting out» oder «Opting out»).

Eine Vertragspartei kann jederzeit eine Einspruchserklärung durch eine Annahmeerklärung ersetzen, womit die entsprechende Änderung für diese Partei in Kraft tritt.

Artikel 23 hält fest, dass das Protokoll ein eigenständiges rechtliches Instrument ist und das Londoner Übereinkommen in den Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens und des Protokolls ersetzt.

Die Schlussbestimmungen (Art. 24­29) sind Standardbestimmungen. Es soll indes festgehalten werden, dass nach Artikel 24 sämtliche Staaten Vertragsparteien des Protokolls werden können, ohne dass eine vorgängige Unterzeichnung des Londoner Übereinkommens Voraussetzung
ist. Ausserdem tritt das Protokoll in Kraft, wenn mindestens 26 Staaten, darunter mindestens 15 Vertragsparteien des Londoner Übereinkommens, ihre Zustimmung ausgedrückt haben, an dieses Protokoll gebunden zu sein (Art. 25). Schliesslich kann nach Artikel 26 jeder Staat, der vor dem 31.

Dezember 1996 nicht Vertragspartei des Londoner Übereinkommens war und dessen Ratifizierung oder Beitritt zum Protokoll vor dessen Inkrafttreten oder innerhalb von fünf Jahren nach dessen Inkrafttreten erfolgt ist, begründeterweise eine Frist von maximal fünf Jahren beantragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Bestimmungen des Protokolls vollständig einhalten zu können. Ein Antrag dieser Art kann sich jedoch nicht auf die Verbrennung auf See oder das Einbringen radioaktiver Abfälle oder sonstiger radioaktiver Stoffe beziehen. Vertragsparteien, die in den Genuss dieser Übergangsperiode kommen, legen zusammen mit ihrem Antrag auf Unterstützung und technische Zusammenarbeit einen Zeitplan vor, aus dem die noch erforderliche Zeit bis zur Erreichung der vollumfänglichen Einhaltung des Protokolls hervorgeht. Sie müssen danach über den erreichten Fortschritt Bericht erstatten.

In Anlage 1 sind die Abfälle oder sonstigen Stoffe aufgeführt, die für das Einbringen in Frage kommen. Anlage 2 umschreibt die Kriterien für die Bewertung von Abfäl1075

len oder sonstigen Stoffen, die für das Einbringen in Frage kommen. In Anlage 3 wird schliesslich das Schiedsverfahren geregelt.

Im Gegensatz zu einer Änderung am Übereinkommen bedarf die Annahme von Änderungen der Anlagen keiner Genehmigung in Form eines Beschlusses der eidgenössischen Räte. Der Bundesrat als die für die internationalen Beziehungen der Schweiz zuständige Behörde hat von den ihm vom Generalsekretär der IMO mitgeteilten Änderungen lediglich Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls seine Einwände geltend zu machen. Falls er keinen Einspruch erhebt, treten diese Änderungen der Anlagen für die Schweiz in Kraft (dieses bei Änderung der Anhänge angewandte Verfahren der stillschweigenden Annahme ist bekannter unter der Bezeichnung «Contracting out» oder «Opting out»). Mit der Genehmigung des Protokolls stimmen die eidgenössischen Räte auch dem für die Anlagen vorgesehenen Revisionssystem ­ insbesondere den Kompetenzen, die namentlich den Sitzungen der Vertragsparteien zukommen, an deren Arbeiten sich die Vertragsstaaten beteiligen können ­ sowie dem Umstand zu, dass es dem Bundesrat zusteht, diese Änderungen stillschweigend anzunehmen oder dagegen Einspruch zu erheben10. Dieses Verfahren ist nicht anwendbar auf die Genehmigung neuer Anlagen oder von Änderungen der Anlage 3, da solche Änderungen nach Artikel 22 wie Änderungen des Protokolls behandelt werden müssen.

2.2

Auswirkungen auf das schweizerische Recht

Die Ratifizierung des Protokolls von 1996 zum Londoner Übereinkommen von 1972 zieht für unser Land keine besonderen Probleme nach sich, da die im Protokoll vorgesehenen Verpflichtungen im schweizerischen Recht oder in den internationalen Instrumenten, welche die Schweiz ratifiziert hat, bereits verankert sind.

Die in Artikel 2 des Protokolls aufgeführten Verpflichtungen stehen mit den Verpflichtungen im Einklang, welche die Schweiz in anderen internationalen Foren, wie beispielsweise im Rahmen des Übereinkommens von 1992 11 über den Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (OSPAR), dem die Schweiz am 11. Mai 1994 beigetreten ist, eingegangen ist. Das in Artikel 3 festgehaltene Verursacherprinzip, ist bereits im Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 198312 (Art. 1 Abs. 2 und Art. 2) und im Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 199113 (Art. 3 und 3a) verankert.

Die beträchtliche Einschränkung der Liste der Abfälle, die noch ins Meer eingebracht werden dürfen (Art. 4), und das allgemeine Verbot der Verbrennung von Abfällen auf See (Art. 5) stellen für die Schweiz ebenfalls keine Schwierigkeit dar.

Nach Artikel 30 des Umweltschutzgesetzes müssen Abfälle umweltverträglich und, soweit es möglich und sinnvoll ist, im Inland entsorgt werden. Darüber hinaus sind in Übereinstimmung mit der Verordnung vom 12. November 1986 14 über den Verkehr mit Sonderabfällen sämtliche Ausfuhren von Sonderabfällen dem BUWAL, als zuständiger Aufsichtsbehörde für die Kontrolle der Ausfuhr von Abfällen, mitzuteilen.

10 11 12 13 14

BBl 1980 II 714 ff.

In der AS nicht veröffentlicht; BBl 1993 III 921.

SR 814.01 SR 814.20 SR 814.610

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Seit dem Inkrafttreten der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen am 1. April 1987 hat die Schweiz keine Ausfuhrbewilligungen für Abfälle erteilt, die ins Meer eingebracht werden sollten, und seit Ende 1989 hat sie keine Ausfuhren von Abfällen für die Verbrennung auf See bewilligt. Das BUWAL, die für die Abfallausfuhr zuständige Behörde, beabsichtigt nicht, diese Politik zu ändern. Die schweizerische Hochseeflotte verfügt über keine Schiffe für das Einbringen oder die Verbrennung von Abfällen, und der Erwerb solcher Schiffe ist auch nicht vorgesehen.

Was die schweizerische Industrie betrifft, so hat diese Methoden entwickelt, die es ihr gestatten, die Abfälle ohne Einbringen oder Verbrennen auf See zu beseitigen.

Seit 1983 hat die Schweiz keine radioaktiven Abfälle zum Einbringen ins Meer exportiert. Am 21. Oktober 1992 beschloss der Bundesrat, dass die Schweiz definitiv auf die Beseitigung radioaktiver Abfälle durch Einbringen ins Meer verzichtet. 1993 nahm die Schweiz das Moratorium von 25 Jahren (Beschluss LC.51(16)) an, welches die Einbringung sämtlicher radioaktiver Abfälle oder sonstiger radioaktiver Stoffe auf dem Meeresboden und in dessen Untergrund verbietet. Dieser Beschluss trat am 20. Februar 1994 in Kraft.

Das in Artikel 6 vorgesehene Ausfuhrverbot für Abfälle oder sonstige Stoffe in andere Länder zum Zweck der Einbringung oder Verbrennung auf See könnte für unser Land angesichts seiner geografischen Lage bedeutsame Folgen zeitigen. Da die Schweiz indes seit vielen Jahren keine Bewilligung für das Einbringen oder Verbrennen von Abfällen auf See erteilt hat und diese Politik nicht zu ändern gedenkt, kann unser Land diese Verpflichtung ohne weiteres annehmen. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass die Schweiz am 5. Mai 1992 Vertragspartei des Basler Übereinkommens vom 22. März 1989 15 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung wurde (an diesem Datum ist gleichzeitig das Übereinkommen in Kraft getreten).

Nach Artikel 7 ist das Protokoll lediglich auf innere Meeresgewässer anwendbar, d. h. die Binnengewässer unseres Landes sind von diesem neuen internationalen Instrument nicht betroffen.

Nach Artikel 35 der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen ist das BUWAL die zuständige Behörde für die Ausstellung allfälliger
von Artikel 9 des Protokolls vorgesehener Bewilligungen. Nach Artikel 36 der Verordnung erstellt dieses Amt die im Protokoll vorgesehenen Statistiken.

Hinsichtlich Artikel 10 verhindert die Schweiz die Durchführung von Handlungen, die dem Protokoll zuwiderlaufen, indem sie für das Einbringen und Verbrennen von Abfällen auf See keine Bewilligungen erteilt. Ausserdem können allfällige Vorstösse gegen das Protokoll gestützt auf Artikel 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches16 geahndet werden. Schliesslich besitzt die Schweiz keine Schiffe mit Staatenimmunität, und es ist unwahrscheinlich, dass staatliche Luftfahrzeuge zum Einbringen von Abfällen ins Meer eingesetzt werden; deshalb halten wir es nicht für erforderlich, dass unser Land zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Protokolls die in Artikel 10 Absatz 5 vorgesehene Erklärung abgibt.

Ebenso schlagen wir nicht vor, dass die Schweiz bei der Ratifizierung des Protokolls den in Artikel 16 Absatz 5 vorgesehenen Vorbehalt anbringt, weil wir kein überwiegendes Interesse sehen, wonach sich unser Land dem Verfahren zur Beilegung von 15 16

SR 0.814.05; AS 1992 1125 2934 SR 311.0

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Streitigkeiten entziehen sollte, wenn sich dieses auf die Anwendung oder Auslegung des Verursacherprinzips und des präventiven Ansatzes bezieht.

Schliesslich hat die Schweiz nach der Ratifizierung des Protokolls die in Artikel 19 festgehaltenen Zusatzbeiträge nicht zu leisten, da sie bereits Mitglied der IMO ist.

Hieraus lässt sich schliessen, dass unser Land die im Protokoll vorgesehenen Verpflichtungen ohne weiteres eingehen kann und dass seine Ratifikation keine Gesetzesänderungen erforderlich macht. Indem die Schweiz Vertragspartei des Protokolls wird, manifestiert sie als Binnenland überdies ein weiteres Mal ihre Unterstützung der IMO im Kampf gegen die Meeresverschmutzung.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1

Auf Bund und Kantone

Durch das Protokoll wird lediglich eine Praxis auf internationaler Ebene verankert, die im Inland bereits seit mehreren Jahren verfolgt wird. Aus der Genehmigung des Protokolls erwachsen Bund und Kantonen deshalb keine zusätzlichen Kosten; es muss auch kein zusätzliches Personal angestellt werden.

3.2

Auf die Wirtschaft

Die Bundesbehörden erteilen seit mehr als zehn Jahren keine Bewilligungen zur Ausfuhr von Abfällen zwecks Einbringung oder Verbrennung auf See mehr. Dies wiederum heisst, dass die Wirtschaft seit mehr als zehn Jahren andersartige Abfallentsorgungsmethoden anwendet und dass die im Protokoll vorgesehenen Verpflichtungen für die Wirtschaft keinen zusätzlichen Kosten- und Personalaufwand nach sich ziehen.

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Legislaturplanung

Das Protokoll wurde nicht in die Legislaturplanung 1995­1999 aufgenommen, da es zum Zeitpunkt der Erstellung der Planung von den Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommens noch nicht verabschiedet worden war.

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5

Verhältnis zum europäischen Recht und zu bestimmten regionalen internationalen Instrumenten

5.1

Verhältnis zum europäischen Recht

Das hier vorgelegte Protokoll wurde im Rahmen der IMO angenommen. Sämtliche bedeutenden Meeranrainerstaaten der Europäischen Union (EU) haben entscheidend zur Ausarbeitung des Protokolls beigetragen. Darüber hinaus haben Deutschland, Belgien, Dänemark, Spanien, Finnland, die Niederlande, Grossbritannien und Schweden das Protokoll zwischen dem 1. April 1997 und dem 31. März 1998 unter Vorbehalt der Ratifizierung unterzeichnet17. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind nur sechs Staaten, darunter vier EU-Staaten, Vertragsparteien des Protokolls geworden (Dänemark, Deutschland, Grossbritannien, Spanien, Südafrika und Vanuatu).

Massnahmen zur Verhütung und Verringerung der Meeresverschmutzung sind ein zentraler Bestandteil der Umweltpolitik der EU. Diese Ziele werden namentlich durch eine Reihe gemeinsamer Aktionen auf dem Gebiet der Umweltpolitik realisiert, die auf eine Anpassung der Normen und auf eine bessere internationale Zusammenarbeit abzielen. Das hier vorgelegte Protokoll steht im Einklang mit der Umweltpolitik der EU.

5.2

Verhältnis zu bestimmten regionalen internationalen Instrumenten

Die Bestimmungen des Protokolls stehen in Übereinstimmung mit den von der Nordseekonferenz ­ an der sich die Schweiz beteiligt ­ aufgestellten Grundsätzen sowie mit dem Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des NordostAtlantiks von 1992 (OSPAR)18, dem die Schweiz als Vertragspartei angehört (dieses Übereinkommen trat am 25. März 1998 sowohl allgemein als auch für unser Land in Kraft). Indes ist festzustellen, dass die vom Protokoll vorgesehenen Anforderungen in ihrer Strenge nicht an die ministeriellen Erklärungen der Nordseekonferenz und die im OSPAR-Übereinkommen vorgesehenen Verpflichtungen sowie an die von den Sitzungen der Vertragsparteien diesbezüglich getroffenen Entscheide heranreichen. Diese Diskrepanz ist verständlich, wenn man bedenkt, dass das Protokoll zum Londoner Übereinkommen ein weltweites Instrument ist, das umweltbezogenen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen hatte, die sich von den Rahmenbedingungen der Nordseekonferenz und der Konferenzen über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks stark unterscheiden. Es ist offenkundig, dass sich auf regionaler Ebene ein Konsens leichter erzielen lässt als auf weltweiter Ebene.

17 18

Kreisschreiben Nr. 2043 der IMO.

In der AS nicht veröffentlicht; BBl 1993 III 921.

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Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Entwurfs für den Bundesbeschluss zur Genehmigung des Protokolls von 1996 zum Übereinkommen von 1972 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung (Art. 54 Abs. 1 der neuen Bundesverfassung), der dem Bund die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen einräumt.

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung von Staatsverträgen ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung (Art. 166 Abs. 2 der neuen Bundesverfassung).

Das Protokoll kann jederzeit gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es führt auch nicht zu einer multilateralen Rechtsvereinheitlichung, da es keine direkt anwendbare Bestimmung enthält.

Der Ihnen zur Genehmigung vorgelegte Bundesbeschluss ist deshalb nicht Gegenstand eines fakultativen Referendums im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 der Bundesverfassung (Art. 141 Abs. 1 Bst. d der neuen Bundesverfassung).

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