zu 02.046 Zusatzbotschaft zur Botschaft vom 29. Mai 2002 zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP 2007; 02.046) und Botschaft zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes auf dem Dringlichkeitsweg (02.068) vom 16. Oktober 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit der vorliegenden Botschaft unterbreiten wir Ihnen die Entwürfe: ­

zur Änderung von Artikel 31 des LwG als Zusatz zur Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik.

­

zur Änderung von Artikel 31 des LwG auf dem Dringlichkeitsweg;

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. Oktober 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Kaspar Villiger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

7234

2002-2255

Übersicht Die ersten drei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Ordnung herrschten auf dem Milchmarkt sehr günstige Verhältnisse mit hoher Nachfrage und Milchknappheit. In der Folge hat der Bundesrat die Kontingente für das Milchjahr 2001/2002 um 3 Prozent und für 2002/2003 noch einmal um 1,5 Prozent erhöht, jeweils auf Begehren bestimmter Akteure der Milchwirtschaft. Seit dem Frühjahr hat sich die Marktlage drastisch verschlechtert. Die Mengenerhöhungen werden nun von verschiedener Seite kritisiert. Die Situation zeigt, dass die aus der Zeit der Preis- und Absatzgarantie stammende Milchkontingentierung den Anforderungen des Marktes nicht entspricht. Deshalb hat der Bundesrat mit der Agrarpolitik 2007 den Ausstieg aus der Milchkontingentierung beantragt. Dieser wird jedoch erst 2007 voll wirksam. Aufgrund der heutigen Situation drängt sich ein Zwischenschritt auf, mit dem Verantwortung auf die Branche übertragen wird. Ihre Beschlüsse und Anträge bezüglich Milchmenge sollen unter bestimmten Bedingungen für den Bundesrat eine beschränkte Verbindlichkeit erhalten.

Künftig ist davon auszugehen, dass sich die Absatzmengen für Milch in den verschiedenen Verwertungskanälen unterschiedlich entwickeln. Grundsätzlich sollen deshalb die für die einzelnen Produkte zuständigen Organisationen die ihren Bedürfnissen entsprechenden Milchmengen separat beantragen können. Mit der Ergänzung der Botschaft zur Agrarpolitik 2007 soll die nach Verwertungskanal differenzierte Mengenanpassung ins ordentliche Recht übernommen werden. Diese Möglichkeit besteht dann ab 2004 bis zur Aufhebung der Milchkontingentierung frühestens am 30. April 2007.

Weil das Bedürfnis nach differenzierten Mengenanpassungen schon heute besteht, soll diese Möglichkeit vorzeitig so schnell als möglich geschaffen werden. Ausserdem sind als kurzfristige Notmassnahme für das laufende und für das nächste Milchjahr noch einheitliche Mengenanpassungen für die gesamte Milchbranche vorgesehen. Damit ein solcher Beschluss für das Milchjahr 2002/2003 wirksam werden kann, muss die Vorlage in der Dezembersession 2002 verabschiedet und dringlich erklärt werden.

7235

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Anwendung der Mengenregelung seit 1999

Mit dem Inkrafttreten der neuen Milchmarktordnung am 1. Mai 1999 erhielt der Bundesrat nach Artikel 31 LwG die Kompetenz, die Gesamtmenge der Kontingente den Gegebenheiten des Marktes anzupassen. Diese Gesetzesbestimmung steht im Kontext mit verschiedenen anderen Neuerungen (Aufhebung der Preis- und Absatzgarantie, Möglichkeit der Kontingentsübertragung), welche die planwirtschaftlichen Regelungen im Milchsektor durch die Einführung marktwirtschaftlicher Instrumente gelockert haben. In der Folge machte der Bundesrat zweimal von der Möglichkeit der Mengenanpassung Gebrauch: Für das Milchjahr 2001/2002 wurde die Gesamtmenge um 3 Prozent ausgedehnt und für das laufende Milchjahr wurde im Januar 2002 noch einmal eine Erhöhung um 1,5 Prozent beschlossen.

Ausschlaggebend für diese Entscheide waren die positive Einschätzung des Milchmarktes und die vom Bundesrat gewählte Marktanteilsstrategie. Ausserdem kam der Bundesrat mit diesen Anpassungen jeweils den Begehren einzelner Marktakteure entgegen: So entsprach die erste Anpassung einem Gesuch der Schweizer Milchproduzenten SMP, welche eine auf das Milchjahr 2001/2002 beschränkte Erhöhung der Menge forderten. Aufgrund der positiven Marktentwicklung im Jahr 2001 verzichtete der SMP auf die Forderung, die Kontingente nach einem Jahr wieder zu kürzen. Im Gegenzug gelangten einzelne Milchverwerter mit dem Begehren nach neuerlicher Erhöhung der Milchmenge für das Milchjahr 2002/2003 an den Bundesrat. Aufgrund der damals noch guten Marktsituation folgte der Bundesrat diesem Antrag, was von den Milchproduzenten heftig kritisiert wurde.

1.1.2

Aktuelle Situation auf dem Milchmarkt

In der Zwischenzeit hat sich die Lage auf dem Milchmarkt drastisch verändert. In der EU sind die Preise für Milchprodukte, insbesondere für Käse, infolge eines Konsumrückgangs deutlich gefallen (Verlagerung zu Fleisch, BSE sowie Maul- und Klauenseuche sind nicht mehr in den Medien). Ausserdem hat der hohe Wechselkurs des Frankens die Exportbedingungen zusätzlich verschlechtert, was in den ersten sieben Monaten dieses Jahres zu einem Rückgang des Käseexports von 10,4 Prozent führte. Seit Monaten wird deshalb die Produktion von Käse eingeschränkt und die Milch vermehrt zu Butter und Magermilchpulver verarbeitet. Die Lager von Käse sowie von Butter und Magermilchpulver sind in der Zwischenzeit stark angestiegen.

7236

Tabelle 1 Eckdaten zur Situation Periode Januar­Juli

Abweichung zum Jahr 2001

2000

2001

2002

Tonnen

Prozent

1 880 000

1 904 852

1 922 890

+18 038

+

Käseproduktion Käseexport

96 967 30 812

100 840 34 494

96 059 30 905

­ 4 781 ­ 3 589

­ 4,7 ­ 10,4

Butterproduktion Butterlager (Ende Juli)

23 921 1 293

24 732 2 311

27 507 6 100

+ 2 775 + 3 789

+ 11,2 +164,0

Magermilchpulverproduktion

17 156

12 643

16 662

+ 4 019

+ 31,8

Vermarktete Milchmenge

0,9

Quelle: BLW, TSM

Die geschilderten Entwicklungen auf dem Milchmarkt verursachten bei den Milchverwertern grosse finanzielle Schwierigkeiten: Die hohen Lagerbestände binden Kapital und der rückläufige Absatz führt zu niedrigeren Umsätzen. Mit der auf anfangs November beschlossenen Milchpreissenkung werden nun auch die Produzenten direkt mit der schwierigen Marktlage konfrontiert. Die Verarbeiter gehen davon aus, dass sie bis Ende April 2003 70 Millionen Kilogramm Milch (2,2 Prozent der Gesamtmenge) wegen fehlender Absatzmöglichkeiten kaum verarbeiten können. In den vergangen Wochen hat deshalb der Druck auf den Bundesrat zugenommen, die Milchmenge wieder zu senken und so zur Marktentlastung beizutragen.

1.1.3

Massnahmen des Bundes

Nachdem Ende August und Anfang September mehrere Milchverwerter eine Milchpreissenkung per 1. November 2002 angekündigt haben und sich die Überbestände an Milchprodukten trotz tieferer Milcheinlieferungen im Spätsommer nicht entschärft haben, beschloss der Bundesrat kurzfristig wirkende Massnahmen, um ein völliges Zusammenbrechen des Milchmarktes zu verhindern. Seit der Einführung der neuen Milchmarktordnung 1999 verharrte der Milchpreis durchschnittlich zirka 2 Rappen über dem festgelegten Zielpreis von 77 Rappen. Der Bundesrat machte deshalb eine Anpassung des Milchpreises an die Marktverhältnisse zur Bedingung für staatliches Handeln.

7237

Abbildung 1 Entwicklung des Milchpreises 1999 bis Juli 2002 88 86

Rp/kg Milch

84 82 80 78 76 74 72 Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul 99 00 01 02

Quelle: Marktbeobachtung BLW

Am 28. August 2002 hat der Bundesrat ein erstes Massnahmenpaket bezüglich Milchmarkt verabschiedet. Es sieht vor, im Jahr 2003 den Stützungsabbau im Milchbereich von 67 auf 30 Millionen zu reduzieren. Das erlaubt, die Verkäsungszulage von 20 Rappen pro Kilogramm Milch beizubehalten. Ausserdem wurden die Käsehandelsunternehmen entlastet, indem die Rückzahlungsdauer für Lagerhaltungskredite im Umfang von 31 Millionen Franken um gut ein Jahr bis Ende Juli 2005 verlängert wurde. Angesichts der aktuellen Marktsituation hat der Bundesrat den Zielpreis für Milch (für den Markt unverbindliche Richtgrösse) per 1. November 2002 von 77 auf 73 Rappen pro Kilogramm Milch gesenkt.

Nach der Eröffnung des Nachlassverfahrens bei der SDF hat der Bundesrat am 30. September 2002 angesichts der dramatischen Situation weitere Entscheide getroffen: ­

Den betroffenen Produzenten werden 85 Prozent der für die Zeit vom 1. August bis zum 22. September 2002 ausstehenden Forderungen in der Höhe von total 63 Millionen Franken direkt vom Bund ausbezahlt.

­

In der Verordnung über die Branchen- und Produzentenorganisationen wird der maximale Beitrag der Milchproduzenten pro Liter eingelieferter Milch von 1 auf 2 Rappen erhöht und für Nichtmitglieder verbindlich erklärt.

­

Der Bund gewährt der Milchbranche rückzahlbare und verzinsliche Kredite in der Höhe von 70 Millionen Franken für die Überbrückungsfinanzierung von Selbsthilfemassnahmen zum Lagerabbau. Die Darlehen werden verzinst und spätestens in zwei Jahren zurückbezahlt.

Ungelöst blieb jedoch die Frage, wie eine besser an den Markt angepasste Milchmengenregelung zu erreichen ist, und inwieweit die Akteure der Milchbranche dabei Verantwortung übernehmen sollen.

7238

1.2

Grundzüge der vorgeschlagenen Änderungen

Verschiedentlich forderten Produzenten und teilweise auch Verwerter den Bundesrat auf, mindestens die im Januar 2002 beschlossene Kontingentserhöhung rückgängig zu machen. Da es der Bundesrat angesichts der hohen Produzentenpreise für richtig hielt, an der grundsätzlich auch von den Milchproduzenten getragenen Marktanteilsstrategie festzuhalten, konnte er diesen Begehren nicht stattgeben. Im Hinblick auf eine nachhaltige Veränderung der Situation auf dem Milchmarkt erscheint es jedoch wichtig, einen wesentlichen Teil der Verantwortung für die Festlegung der Gesamtmilchmenge an die Branche abzutreten und diese in ein geordnetes Entscheidungsverfahren einzubeziehen. Die Mengenfestsetzung wird dadurch breiter abgestützt, indem die Markteinschätzung aller Akteure berücksichtigt wird. Die Milchbranche soll auf diese Weise verstärkt in die Verantwortung eingebunden werden und zusätzlichen unternehmerischen Spielraum erhalten.

Mit Zwischenschritt Branche in Verantwortung einbeziehen Die Milchkontingentierung wurde 1977 eingeführt, um die Milchproduktion zu stabilisieren und auf diese Weise der damaligen Marktordnung entsprechend, die Preisund Absatzgarantie aufrecht zu erhalten. Seit 1999 diese Garantien aufgehoben wurden, müssen Produzenten und Verwerter selbst über den Preis verhandeln. Dagegen ist die Menge durch die Kontingentierung begrenzt, was den unternehmerischen Handlungsspielraum beträchtlich einschränkt und innovativem Handeln entgegensteht. In der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik schlägt der Bundesrat dem Parlament deshalb vor, die Milchkontingentierung per 1. Mai 2007 aufzuheben (Art. 36a neu, LwG). Biobetriebe sollen bereits 2005, Bergbetriebe 2006 aus der Kontingentierung entlassen werden. Organisationen, welche eine eigene Mengenregelung (privater Vollzug) durchführen, können sogar schon ab 2005 von der Kontingentierung ausgenommen werden. Es erscheint nun notwendig, den beteiligten Akteuren einen Zwischenschritt zu ermöglichen, und ihnen bereits heute im Rahmen der Milchkontingentierung die Gelegenheit zu geben, über die Menge mitzubestimmen und entsprechend auch Verantwortung zu übernehmen. Dieses Anliegen lässt sich nicht auf der Grundlage von Artikel 9 LwG verwirklichen. Die neue Regelung sieht zwar eine Übernahme von Verantwortung durch die Milchbranche vor, der
Vollzug liegt jedoch beim Bund. Die Selbsthilfemassnahmen nach Artikel 9 dagegen sind privat zu vollziehen. Deshalb muss die bestehende Gesetzesgrundlage spezifisch für den Milchbereich ergänzt werden.

Differenzierte Mengenanpassung Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich die verwerteten Milchmengen in den verschiedenen Absatzkanälen unterschiedlich entwickeln. Insbesondere zwischen den Käsesorten, von denen einige mit geschützter Ursprungsbezeichnung verkauft werden können, sind noch verstärkt unterschiedliche und teilweise von der Industriemilch abweichende Entwicklungen zu erwarten. Der geltende Artikel 31 des Landwirtschaftsgesetzes geht jedoch von einer einheitlichen Anpassung der Kontingente aus. Mit der vorgeschlagenen Zusatzbotschaft soll die vom Markt erforderte differenzierte Anpassung der Milchmenge ermöglicht werden. Konkret sieht die neue Regelung vor, dass die Branchenorganisation einer bestimmten Käsesorte oder allenfalls eine neu zu gründende Branchenorganisation Industriemilch eine Mengenänderung beschliesst und dass der Bundesrat diesen Beschluss in der Milchkontin7239

gentierungsverordnung umsetzt. Der Beschluss muss mindestens durch die Milchproduzenten und die Verarbeiter, gegebenenfalls auch durch den Handel getragen werden. Die neue Regelung soll zusammen mit der Agrarpolitik 2007 behandelt werden und ab 2004 für die ganze Dauer gelten, während der die Milchkontingentierung noch besteht, nach der Botschaft Agrarpolitik 2007 bis zum 30. April 2007.

Dringende Massnahmen Das Bedürfnis nach einer differenzierten Mengenfestsetzung ist schon heute offensichtlich. Während der Absatz für Emmentaler Käse den grössten Schwierigkeiten begegnet und die Produktion stark eingeschränkt wird, ist dies bei anderen Sorten nicht nötig. Die nicht verkäste Milch wird heute in den Industriekanal geleitet und grösstenteils zu Butter und Magermilchpulver verarbeitet. Anzustreben wäre eine Strukturbereinigung in Teilen der Käsebranche, so dass nicht grosse Mengen mit hohen Kosten silofrei erzeugte Milch zu Produkten mit niedriger Wertschöpfung verarbeitet werden müssen. Dafür ist genügend mit Silage produzierte Milch vorhanden. Für den Fall, dass die Branchenorganisation einer Käsesorte die Probleme kurzfristig anpacken will und dazu eine Anpassung der Milchmenge erforderlich ist, sollen dazu die Voraussetzungen sofort geschaffen werden.

Als Notmassnahme und beschränkt auf das Jahr 2003 soll ausserdem ermöglicht werden, dass der Bundesrat Beschlüsse der gesamten Milchbranche in der Milchkontingentierungsverordnung umsetzt. Voraussetzung dazu wären gleichlautende Beschlüsse sowohl der Organisationen der Milchverarbeiter als auch der Milchproduzenten. Mit der entsprechenden Gesetzesanpassung können die Akteure der Milchbranche auch im Fall der kurzfristigen Notmassnahme formell in die Verantwortung für die Mengenanpassung einbezogen werden. Diese Regelung soll die Umsetzung von Branchenbeschlüssen für das laufende und für das nächste Milchjahr erlauben. Sie muss deshalb möglichst rasch in Kraft treten, soll aber nach einem Jahr wieder wegfallen.

Damit der Bundesrat entsprechende Beschlüsse noch für das laufende Milchjahr umsetzen kann, müssen diese Gesetzesänderungen dringlich erklärt werden.

Vorbehalt gegenüber den Branchenentscheiden Da die Schweizer Milchwirtschaft langfristig nur mit einer Ausdehnung der Milchmenge und dem damit verbundenen Preisrückgang konkurrenzfähig bleiben
und Marktanteile halten oder ausbauen kann, ist grundsätzlich ein allmähliches Wachstum der Milchmenge anzustreben (Marktanteilsstrategie). In Situationen wie der heutigen könnten auch Mengenkürzungen angebracht sein (nach dem Motto: «reculer pour mieux sauter»), doch muss gewährleistet sein, dass sich die Branche nicht mit dem kurzsichtigen Ziel eines hohen Produzentenpreises selber aus dem Markt nimmt. Dies würde gegen die Interessen nicht nur der Milchwirtschaft, sondern der Landwirtschaft allgemein verstossen. In diesem Zusammenhang sind auch die Auswirkungen auf andere Märkte, insbesondere jenen für Rindfleisch, zu berücksichtigen. Deshalb soll die Regelung dem Bundesrat erlauben, im Falle von übermässigen Kürzungsbegehren der Branche einen abweichenden Beschluss zu fassen. Diese Einschränkung besteht nicht nur für Beschlüsse der gesamten Branche, sondern auch für jene der Branchenorganisationen. Auch bei einer Käsesorte könnte die Branchenorganisation Milch- und Käsemenge reduzieren und damit die Preise hoch

7240

halten in einem Ausmass, das weder für die Käsesorte selbst noch für die Milchwirtschaft insgesamt wünschbar ist.

1.3

Konsultation der interessierten Kreise

Angesichts der Dringlichkeit und der beschränkten Tragweite der Vorlage wurde kein umfassendes Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Die betroffenen Verbände sprachen sich anlässlich einer mündlichen Konsultation für den Vorschlag aus.

2

Besonderer Teil

2.1

Konzept

Die vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen betreffen zweimal Artikel 31 des Landwirtschaftsgesetzes. Mit einem Zusatz zur Botschaft zur Agrarpolitik 2007 soll eine differenzierte Anpassung der Milchmenge ermöglicht werden, sofern eine Branchenorganisation für eine Käsesorte oder für Industriemilch das fordert. Zum andern soll diese Möglichkeit mit einer dringlichen Änderung des Landwirtschaftsgesetzes schon vor Inkrafttreten der Agrarpolitik 2007 geschaffen werden. Zusätzlich soll der Bundesrat als Notmassnahme im nächsten Jahr noch Beschlüsse der gesamten Milchbranche umsetzen, indem er die Gesamtmenge durch eine lineare Kontingentsanpassung korrigiert. Mit diesen Ergänzungen wird der Übergang zur rein privaten Steuerung der Milchmenge nach der Aufhebung der Milchkontingentierung feiner abgestuft und gleichzeitig die Branche in die Verantwortung einbezogen.

In einem ersten Schritt bekommt die Milchbranche die Möglichkeit, national eine Anpassung der Milchmenge für das laufende und das folgende Milchjahr zu beschliessen. Auch bestehende Branchenorganisationen können beim Bundesrat bereits eine individuelle Mengenanpassung beantragen. Im Rahmen der Agrarpolitik 2007 soll die Möglichkeit der Mengenanpassung für Branchenorganisationen weitergeführt werden. Ab 1. Mai 2005 können Organisationen mit privatem Mengenmanagement von der Milchkontingentierung ausgenommen werden (Agrarpolitik 2007, Art. 36a Abs. 3 neu LwG). Diese müssen dann ihre eigene Mengenregelung selber vollziehen, während die Milchproduzenten einer Branchenorganisation, deren Beschluss der Bundesrat umgesetzt hat, noch der Kontingentierung unterworfen sind. Auch ab dem 1. Mai 2005 können die Bio- und ein Jahr später die Bergbetriebe von der Kontingentierung ausgenommen werden, bevor diese am 1. Mai 2007 national aufgehoben wird.

7241

Abbildung 2 Stufenweiser Übergang zur privaten Mengenregelung für Milch 1.5.2004

Dringliche Änderung LwG

1.5.2005

1.5.2006

1.5.2007

Zusatz zur Agrarpolitik 2007

Ganze Milchbranche Einigt sich die ganze Branche (SMP, VMI & Fromarte) auf eine Gesamtmenge, setzt der BR diesen Beschluss um, sofern er nicht der wünschbaren Entwicklung zuwider läuft.

Branchenorganisationen

Branchenorganisationen

Bundesrat setzt Beschlüsse um, wenn Voraussetzungen von Art. 9 erfüllt sind und sie nicht wünschbarer Entwicklung zuwider laufen.

Bundesrat setzt Beschlüsse um, wenn Voraussetzungen von Art. 9 erfüllt sind und sie nicht wünschbarer Entwicklung zuwider laufen.

Vollzug Bund

Agrarpolitik 2007 Von der Kontingentierung ausgenommen werden: - Organisationen mit eigenem Mengenmanagement - Biobetriebe - Bergbetriebe

Kontingentierung aufgehoben

Vollzug privat

2.2

Art. 31

Änderung von Artikel 31 LwG als Zusatz zur Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik Anpassung der Gesamtmenge

Abs. 2 (neu) Mittel- und langfristig ist nur eine differenzierte Mengenanpassung sinnvoll, da einzelne Verwertungskanäle und Käsesorten noch stärker als bisher unterschiedliche Mengenentwicklungen erleben werden. Aufgrund der vertikalen Organisationsform in der Branche kann die Kontingentsanpassung einzelnen Produzenten zugeordnet werden. Im Käsesektor bestehen heute schon solche Branchenorganisationen (Emmentaler, Gruyère und Vacherin fribourgeois). Der viel heterogenere Industriemilchbereich muss sich erst noch zu einer Branchenorganisation Industriemilch zusammenfinden, wenn er künftig in der Mengenfrage mitbestimmen will.

Absatz 2 schafft für Branchenorganisationen die Möglichkeit, dem Bundesrat individuelle Mengenanpassungen zu beantragen. Beim Vollzug passt der Bundesrat die Milchkontingentierungsverordnung so an, dass die Kontingentsmenge der einzelnen Produzenten, welche Mitglieder der betreffenden Branchenorganisation sind, um den beschlossenen Prozentsatz erhöht oder gekürzt wird. Bei Produzenten, die über einen zweiten Vertrag auch noch einem andern Abnehmer Milch liefern, ist nur die dem betreffenden Kanal zugeordnete Menge anzupassen. Bedingungen für eine solche Regelung sind, dass die Branchenorganisation den Anforderungen von Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a bis c entspricht. Die Organisation muss dafür Gewähr bieten, dass die Milchmenge in ihrem Kanal verwertet wird, insbesondere bei Mengenerhö-

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hungen. Ist dies infolge einer Fehleinschätzung nicht möglich, muss die Milchmenge trotzdem selbständig, das heisst ohne besondere Unterstützung des Bundes, verarbeitet werden.

Absatz 2 ergänzt den in der Botschaft zur Agrarpolitik 2007 vorgeschlagenen Artikel 36a Absatz 3 neu LwG, der für Organisationen mit eigenem Mengenmanagement eine vorzeitige Entlassung aus der Kontingentierung ab 1. Mai 2005 vorsieht (siehe Abbildung 2). Organisationen, welche die Bedingungen von Artikel 36a Absatz 3 erfüllen, werden von der Kontingentierung befreit, müssen aber auf privater Ebene eine Mengenregelung vollziehen. Ohne staatliche Mengenregelung ab 2007 wird dies der Normalfall sein. Demgegenüber steht Absatz 2, welcher den Branchenorganisationen schon im Rahmen der Kontingentierung die Möglichkeit gibt, die Milchmenge anzupassen. Sie erhalten damit eine gewisse Mengenflexibilität, sind aber noch frei von Vollzugsaufgaben, da der Bund mindestens bis 2007 die Kontingentierung durchführt. Die Branchenorganisationen haben ab dem 1. Mai 2005 die Wahl, ob sie eine Änderung der Milchmenge innerhalb der Milchkontingentierung beantragen oder ob sie ein eigenes Mengenmanagement vollziehen und sich von der Kontingentierung befreien lassen wollen. Letztere Möglichkeit könnten zusätzlich beispielsweise regionale Produzentengemeinschaften oder Produzenten eines bestimmten Verwerters wahrnehmen, die sich entsprechend organisiert haben.

Die Produzenten, die aus einer solchen Organisation austreten, sind sofort wieder der Kontingentierung unterstellt.

Die privaten Organisationen mit eigenem Mengenmanagement werden voraussichtlich nach Aufhebung der Kontingentierung weiterbestehen und noch an Bedeutung gewinnen. Die Mengenregulierung wird dabei nie die Stringenz einer Kontingentierung erreichen. Milchpreis und Menge werden deshalb sehr viel näher beim Marktgleichgewicht liegen. Die private Mengensteuerung wird in erster Linie Marktschwankungen ausgleichen und grobe Ausschläge verhindern können. Daran wird eine auf Artikel 9 LwG gestützte Ausdehnung von Mengenbeschlüssen einer Branchenorganisation auf die Nichtmitglieder nichts ändern. Artikel 9 bietet keine Rechtsgrundlage für eine dauernde Mengenbeschränkung, sondern nur für vorübergehende Einschränkungen in Krisensituationen. Eine dauernde Mengenbeschränkung als schwerer
Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit erfordert eine spezifische Gesetzesgrundlage. Dagegen bietet Artikel 36a Absatz 3 neu LwG die Gelegenheit, allfällige Leitplanken für private Regelungen zu beschliessen, wie beispielsweise die Pflicht, mit bestimmten Verwertern oder Verwerterorganisationen Lieferverträge über ein Jahr abzuschliessen.

7243

Abbildung 3 Verfahren der differenzierten Mengenanpassung ab Mai 2004 Industriemilch

BO Käsesorte

BO Käsesorte

BO Käsesorte

BO Käsesorte

Branchenorganisation

Industriemilch

Verwerter

Silofreie Milch

Produzenten

Individuelle Begehren an BR

Änderung MKV durch BR

Abs. 3 (neu) Falls die Beschlüsse der Branchenorganisationen nicht zu einer Ausdehnung der Gesamtmenge führen, läuft die Milchwirtschaft Gefahr, Marktanteile zu verlieren.

Deshalb muss der Bundesrat weiterhin die Kompetenz haben, allenfalls abweichend vom Branchenbeschluss zu entscheiden. Mengenkürzungen sollen grundsätzlich nicht über die vom Bundesrat bisher beschlossene Zusatzmenge von 4,5 Prozent hinaus gewährt werden.

2.3

Art. 31

Änderung von Artikel 31 LwG auf dem Dringlichkeitsweg Anpassung der Gesamtmenge

Abs. 2 und 3 (neu) Schon heute entwickeln sich die Absatzmengen für verschiedene Milchprodukte unterschiedlich. Die einheitliche Festsetzung des Mengenwachstums ist deshalb je länger umso weniger sinnvoll. Aus diesem Grund soll die Möglichkeit der Mengenanpassung auf Stufe Branchenorganisation ab sofort ins Gesetz aufgenommen werden.

Abs. 4 (neu) Nach dem geltenden Artikel 31 kann der Bundesrat die Gesamtmenge festsetzen, indem er sie dem Markt anpasst. Absatz 4 gibt der Milchbranche im Falle einer internen Einigung die Möglichkeit auf die Gesamtmenge einzuwirken. Konkret heisst das, dass der Bundesrat die Milchkontingentierungsverordnung ändert und die 7244

Kontingente entsprechend erhöht oder kürzt, wenn die Organisationen der Branche gleichlautende Entscheide getroffen und ein gemeinsames Begehren an den Bundesrat gerichtet haben.

Die Anliegen der Milchproduzenten werden durch den Verband der Schweizer Milchproduzenten SMP vertreten. Entsprechend der Struktur in der Schweizer Milchwirtschaft bestehen auf der Verwerterstufe zwei Vertreter: Die Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie VMI und die Fromarte. Der VMI gehören die industriellen Milchverarbeiter an, das heisst Molkereien und Grosskäsereien, sowie Milchpulver- und Butterproduzenten. Fromarte repräsentiert die gewerblichen Käser, welche zirka einen Drittel der gesamten Milchmenge (silofreie Milch) vorwiegend zu Hartkäse verarbeiten.

Abbildung 4 Verfahren der branchenweiten Mengenanpassung Industriemilch

Verwerter

Silofreie Milch

VMI

Fromarte

Einigung Produzenten

SMP

Gleichlautender Entscheid Begehren an BR

Änderung MKV durch BR

Wie im Fall der Branchenorganisationen muss der Bundesrat bei überdimensionierten Mengenanpassungsbegehren einen vom Branchenbeschluss abweichenden Entscheid fällen können. Mengenerhöhungen sollten in der Regel unbeschränkt möglich sein. Kürzungen dürfen hingegen aus Gründen der Verlässlichkeit und der administrativen Durchführbarkeit nicht über die vom Bundesrat beschlossene Zusatzmenge von 4,5 Prozent hinaus gewährt werden.

In der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik hat der Bundesrat skizziert, dass der Milchpreis infolge der Abhängigkeit vom europäischen Käsemarkt bis im Jahr 2007 deutlich sinken wird. Um die Marktchancen, welche sich durch die Marktöffnung im Gegenzug ergeben, zu wahren, sollte die Milchmenge kontinuierlich erhöht werden. Falls Branchenentscheide dieses Vorhaben gefährden, kann der Bundesrat abweichend entscheiden.

7245

3

Auswirkungen

3.1

Bund

Finanziell haben die Änderungen des LwG keine unmittelbaren Auswirkungen für den Bund. Wie auch immer die Gesamtmenge festgesetzt wird, massgebend sind die für die Milchpreisstützung verfügbaren Mittel. Diese werden innerhalb des beschlossenen Zahlungsrahmens jährlich mit dem jeweiligen Budget festgelegt.

Auch im personellen Bereich sind keine Auswirkungen zu erwarten.

Im Informatikbereich kann der Vollzug von differenzierten, branchenspezifischen Mengenbeschlüssen Mehraufwendungen verursachen. Die 13 Administrationsstellen, welche für die Durchführung der Milchkontingentierung vom Bund einen Leistungsauftrag erhalten haben, sind dafür eingerichtet.

3.2

Volkswirtschaft

Alle Marktakteure haben die mit der Liberalisierung der Milchmarktordnung verbundenen Wirkungen bis vor kurzem nur marginal zu spüren bekommen, weil die Marktentwicklung in den beiden ersten Jahren unter dem neuen Regime sehr günstig verlief. Struktureller Anpassungsbedarf wurde nicht durchwegs wahrgenommen und unternehmerische Fähigkeiten kamen nicht voll zum Tragen.

Die Ausgangslage hat sich mit den Schwierigkeiten, in welche die Branche seit Frühjahr zunehmend geriet, stark geändert. Um die Krise ohne grössere volkswirtschaftliche Schäden zu überstehen, können Mengenanpassungen nötig werden. Der Einbezug der Betroffenen in den Entscheidungsprozess und in die Verantwortung bezüglich der zu produzierenden Menge verspricht auch bessere Entscheide in Bezug auf deren volkswirtschaftlich sinnvoller Verwertung. So besteht die Chance, dass ein Grossteil der Marktakteure unternehmerisch gestärkt und mit verbesserter Wettbewerbsfähigkeit aus der Krise hervorgeht.

Es ist zu erwarten, dass sich mit der differenzierten Mengenanpassung die Wertschöpfung ohne Bundesstützung im Sektor Milch verbessern wird. Grundsätzlich erachtet der Bundesrat jedoch die Aufhebung der staatlichen Milchkontingentierung auch aus volkswirtschaftlicher Sicht als sinnvollste Lösung. Die Auswirkungen sind in der Botschaft zur Agrarpolitik 2007 ausführlich dargelegt.

4

Verhältnis zum internationalen Recht

Die vorgeschlagenen Änderungen stehen im Einklang mit dem internationalen Recht. Das bilaterale Agrarabkommen mit der EU enthält keine Bestimmungen, welche die eine oder andere Partei in der Weiterentwicklung der Massnahmen zur Milchmengensteuerung einschränkt.

7246

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegenden Änderungen des LwG stützen sich auf Artikel 104 BV. Dieser räumt dem Bund weitgehende Befugnisse und Aufgaben in der Ausgestaltung der agrarpolitischen Massnahmen ein. Die Anpassungsvorschläge entsprechen einer konsequenten Weiterentwicklung der Agrarpolitik und liegen im verfassungsrechtlichen Kompetenzbereich des Bundes.

5.2

Erlassform

Die als Zusatz der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2007) vorgeschlagene Gesetzesänderung kann auf dem Weg der ordentlichen Rechtsetzung in das LwG aufgenommen werden.

Die vorgeschlagene Übergangsregelung soll in Form eines zeitlich befristeten dringlichen Bundesgesetzes erlassen werden. Bundesgesetze können nach Artikel 165 Absatz 1 der Bundesverfassung dringlich erklärt werden, wenn sie sachlich und zeitlich dringlich sind. Die Dringlichkeit ergibt sich aus der momentan äusserst angespannten Situation des Milchmarktes. Falls man der Branche tatsächlich die entsprechenden Kompetenzen und die damit verbundene Verantwortung für die Mengenfestsetzung übertragen will, so muss diese rasch handeln können, das heisst noch für das laufende Milchjahr. Je früher der Beschluss bezüglich Mengenanpassung von der Branche gefällt werden kann, umso länger haben die Milchproduzenten Zeit, ihre Lieferungen dem neuen Kontingent anzupassen. Das Milchjahr 2002/2003 läuft am 30. April 2003 ab. Ein Beschluss für diese Kontingentierungsperiode muss spätestens um den Jahreswechsel gefällt werden. Ein Abwarten der Referendumsfrist würde dies verunmöglichen. Erforderlich ist deshalb sowohl ein Beschluss der Gesetzesänderung im Sonderverfahren in der Dezembersession als auch deren Dringlicherklärung. Die Geltungsdauer von einem Jahr ist so gewählt, dass die Branche für das laufende Milchjahr und ebenfalls für das Milchjahr 2003/2004 Beschlüsse fassen kann.

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