01.455 Parlamentarische Initiative Beschwerderecht gegen diskriminierende Einbürgerungsentscheide Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 25. Oktober 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt mit 13:5 Stimmen bei einer Enthaltung, ihrem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen. Eine Minderheit der Kommission (Joder, Baader Caspar, Engelberger, Fischer, Glur, Scherer, Tschuppert) beantragt Nichteintreten.

25. Oktober 2001

Im Namen der Kommission Der Vizepräsident: Charles-Albert Antille

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2001-2362

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Verschiedene letzthin auf Gemeindeebene durch Urnenabstimmungen gefällte negative Einbürgerungsentscheide und deren politische Vorgeschichte haben die Frage nach einer Beschwerdemöglichkeit gegen willkürliche und diskriminierende Einbürgerungsentscheide aufgeworfen.

Da die Bürgerrechtsgesetzgebung in verschiedenen Bereichen reformbedürftig ist, hatte der Departementschef des EJPD bereits am 30. April 1999 eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Reformvorschlägen im Bereich der erleichterten Einbürgerung und der Herabsetzung der Einbürgerungsgebühren eingesetzt. Das Mandat wurde später in der Richtung erweitert, dass auch eine Beschwerdemöglichkeit gegen ablehnende Einbürgerungsgesuche geprüft wurde.

Am 1. März 2001 nahm die Kommission in einer Anhörung der Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartementes und der Verwaltung den Schlussbericht der Arbeitsgruppe und die darin enthaltenen Vorschläge zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes zur Kenntnis. Die im Bericht skizzierte Minimallösung einer Beschwerdemöglichkeit bei einer kantonalen richterlichen Behörde wegen Verletzung verfassungsmässiger Grundrechte wurde in der anschliessenden Vernehmlassung mehrheitlich positiv beurteilt. Nach dem Willen des Bundesrates soll die Minimallösung im Rahmen der Gesamtrevision des Bürgerrechtsgesetzes eingeführt werden.

Die Anhörung der Vorsteherin des EJPD, juristischer Experten sowie die anhaltende Aktualität des Themas in der politischen Öffentlichkeit führten die Kommission zum Schluss, dass mit den Arbeiten zur Einführung eines Beschwerderechtes nicht zugewartet werden soll, bis der Bundesrat die Vorlage für eine umfassende Revision des Bürgerrechts vorlegt. Mit 13 zu 7 Stimmen beschloss die SPK, eine Subkommission einzusetzen mit dem Auftrag, eine Kommissionsinitiative zu erarbeiten, mit der das Bundesrecht dahingehend geändert wird, dass Einbürgerungsentscheide im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde des Gesuchstellers oder der Gesuchsstellerin auf die Einhaltung der Grundrechte überprüft und im Falle einer Verletzung derselben kassiert werden können.

Die Subkommission unter dem Vorsitz von Frau Nationalrätin Vallender und der Mitwirkung der Nationalrätinnen Aeppli Wartmann, Leuthard und Vermot sowie der Nationalräte Cina, de Dardel, Engelberger, Joder und Scherer erarbeitete die Vorlage im Rahmen von drei Sitzungen am 17. Mai, 5. Juli und 4. Oktober 2001.

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Grundzüge

2.1

Vorschlag der Kommission

Die Kommission schlägt eine Regelung vor, die bei willkürlichen und diskriminierenden Einbürgerungsentscheiden den Zugang zu den Gerichten auf Kantons- und Bundesebene sicherstellt. Ziel der Regelung ist es, die Einhaltung der verfassungsmässigen Rechte zu garantieren. Mit der Streichung von Artikel 51 Absatz 3 BüG wird neu die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Bundesamtes 1167

für Ausländerfragen zugelassen. Weiter sollen Personen, deren Gesuch um ordentliche Einbürgerung abgelehnt wurde, neu beim Bundesgericht insbesondere wegen Verletzung des Willkürverbots sowie des Diskriminierungsverbots staatsrechtliche Beschwerde führen können. Sodann sieht die Regelung vor, dass die Kantone vorgängig zur staatsrechtlichen Beschwerde ­ insbesondere wegen Verletzung des Willkürverbots und des Diskriminierungsverbots ­ verpflichtet werden, für Entscheide über die ordentliche Einbürgerung einen Rechtsmittelweg an ein Gericht vorzusehen.

Der Vorschlag lehnt sich an das geltende Rechtsmittelsystem an und hat zum Ziel, den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Bundesbeschlusses über die Reform der Justiz einerseits und der Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023 Totalrevision der Bundesrechtspflege) andererseits zu überbrücken. Die vorgeschlagene Regelung wird anlässlich der Verhandlungen über den Entwurf eines Bundesgesetzes über das Bundesgericht überprüft werden müssen.

Die Minderheit der Kommission lehnt aus rechtlichen und politischen Gründen die Einführung eines Beschwerderechtes gegen Einbürgerungsentscheide grundsätzlich ab.

2.2

Von der Arbeitsgruppe Bürgerrecht vorgeschlagene Varianten

Das EJPD setzte im Jahr 1999 eine Arbeitsgruppe ein, unter anderem mit dem Auftrag, die Einführung eines Beschwerderechts gegen ablehnende Einbürgerungsentscheide zu prüfen. In ihrem Schlussbericht vom Dezember 2000 schlug die Arbeitsgruppe zwei Varianten vor. Bei der ersten, Minimallösung genannt, soll Artikel 51 BüG in dem Sinne geändert werden, dass gegen einen kantonalen oder kommunalen Einbürgerungsentscheid bei einer kantonalen richterlichen Behörde Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte eingereicht werden kann. Bei der zweiten Variante, erweiterte Lösung genannt, soll Artikel 51 BüG in dem Sinne geändert werden, dass das kantonale Recht gegen kantonale und kommunale Einbürgerungsentscheide ein nicht nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränktes Beschwerderecht an eine verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz vorsieht.

Zu den zwei von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Varianten wurde ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Die Verpflichtung, gegen willkürliche Einbürgerungsentscheide ein kantonales Rechtsmittel einzuführen, fand bei den meisten Kantonen, bei den Regierungsparteien mit Ausnahme der SVP sowie bei den meisten der konsultierten Organisationen Zustimmung. Zwischen den zwei Varianten wurde eindeutig die Minimallösung vorgezogen. Nur fünf Kantone (BE, BL, GE, JU, SO), die SP und vereinzelte Organisationen gaben der erweiterten Lösung den Vorzug.

Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung entspricht im Wesentlichen der von der Arbeitsgruppe Bürgerrecht vorgeschlagenen Minimallösung.

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Verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Rahmen

3.1

Beschwerdewege im geltenden Recht

Nach Artikel 38 Absatz 2 BV und Artikel 12 Absatz 2 des Bürgerrechtsgesetzes (BüG, SR 141.0) ist für die ordentliche Einbürgerung einer ausländischen Person vorerst eine Einbürgerungsbewilligung des Bundes erforderlich. Diese Bewilligung ist Voraussetzung, um in einem bestimmten Kanton und einer bestimmten Gemeinde eingebürgert werden zu können. Verweigert das Bundesamt für Ausländerfragen die Bewilligung, so kann die ausländische Person dagegen Beschwerde beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement führen (Art. 51 Abs. 1 BüG; Art. 44 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, VwVG, SR 172.021). Weist das Departement die Beschwerde ab und verweigert damit seinerseits die Bewilligung, so steht der ausländischen Person kein Rechtsmittel mehr zur Verfügung. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht ist nämlich ausgeschlossen.

(Art. 100 Abs. 1 Bst. c des Bundesrechtspflegegesetzes, OG, SR 173.110). Die Beschwerde an den Bundesrat steht lediglich dem betroffenen Kanton zur Verfügung (Art. 51 Abs. 3 BüG; Art. 74 Bst. e VwVG).

Wurde die Bewilligung des Bundes erteilt, so setzt sich das Einbürgerungsverfahren auf kantonaler Ebene fort. Die Voraussetzungen, welche zu erfüllen sind, werden vom kantonalen Recht festgelegt; im Allgemeinen räumt es kein Recht auf den Erwerb des Gemeindebürgerrechts ein. Das kantonale Recht bestimmt auch, welches Verfahren zu durchlaufen ist. Dieses verlangt im Allgemeinen einen Entscheid einer Gemeindebehörde und danach denjenigen einer kantonalen Behörde. Die meisten Kantone kennen kein Beschwerderecht gegen kommunale und kantonale Entscheide auf dem Gebiet der ordentlichen Einbürgerung. Die ausländische Person, welche die Ablehnung ihres Gesuchs um ordentliche Einbürgerung durch die Gemeinde oder den Kanton als diskriminierend oder willkürlich erachtet, verfügt gewöhnlich über kein Rechtsmittel auf kantonaler Ebene, mit welchem sie überprüfen lassen kann, ob ihre Grundrechte respektiert wurden. Als Ausnahme kann namentlich der Kanton Basel-Landschaft erwähnt werden, in welchem die Entscheide über die ordentliche Einbürgerung wegen Verletzung der verfassungsmässigen Rechte beim Verfassungsgericht angefochten werden können (vgl. Entscheid des Verfassungsgerichts vom 29. März 2000 Nr. 98/324­328).

Die staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht
(Art. 84 ff. OG) steht gegen jede letztinstanzliche Verfügung einer kantonalen oder kommunalen Behörde offen, insbesondere wegen Verletzung der verfassungsmässigen Rechte. Die Ablehnung eines Gesuchs um ordentliche Einbürgerung kann demnach bereits unter geltendem Recht Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde sein. Allerdings ist in der Praxis der Zugang zum Bundesgericht beschränkt durch die Anforderungen an die Beschwerdelegitimation, die das Bundesgericht aus Artikel 88 OG abgeleitet hat. Gemäss der Rechtsprechung ist für die Beschwerdelegitimation namentlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse hat. Für die meisten der verfassungsmässigen Rechte leitet sich dieses rechtlich geschützte Interesse direkt aus dem Grundrecht ab. Daher hätte eine ausländische Person, welche rügt, durch die Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten in einem für die Stimmbürger einer Gemeinde bestimmten Bulletin sei ihre Privatsphäre verletzt worden, gestützt auf Artikel 13 Absatz 2 BV ein rechtlich geschütztes Interesse an der Prüfung dieser Rüge und der Bestätigung einer Verletzung (vgl. nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichts 1169

Nr. 1P.3 /2001, Erw. 1). Dagegen hat das Bundesgericht am 20. März 2000 trotz des Wortlauts von Artikel 9 BV und den entsprechenden Materialien (BGE 126 I 81 E.

2c) an seiner Rechtsprechung festgehalten, nach welcher das verfassungsrechtliche Willkürverbot für sich allein nicht ein rechtlich geschütztes Interesse verschafft; folglich ist eine Person, deren Gesuch um ordentliche Einbürgerung abgelehnt worden ist, nur dann zur Beschwerde ans Bundesgericht wegen Willkür berechtigt, wenn das kantonale Recht ihr ein Recht auf Einbürgerung einräumt. Gleich verhält es sich, wenn der Beschwerdeführer die Gleichheit vor dem Gesetz geltend macht (Art. 8 Abs. 1 BV; BGE 112 Ia 172 E.3c). Bis heute hat sich das Bundesgericht dagegen nicht dazu geäussert, ob die Beschwerdebefugnis an die gleichen Bedingungen wie bei der Willkürbeschwerde geknüpft ist, wenn der Beschwerdeführer das Diskriminierungsverbot anruft (Art. 8 Abs. 2 BV).

3.2

Verfassungsrechtliche Rechtsweggarantie

Am 12. März 2000 haben Volk und Stände den Bundesbeschluss über die Reform der Justiz angenommen (BBl 2000 2990). Mit diesem Bundesbeschluss wird ein neuer Artikel 29a in die Bundesverfassung eingefügt, welcher den Zugang zu einem Gericht garantiert. Gemäss dem ersten Satz dieser Bestimmung hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Das bedeutet, dass wenigstens eine richterliche Behörde die Sachverhalts- und Rechtsfragen umfassend überprüfen können muss (Botschaft, BBl 1997 I 523).

Die Rechtsweggarantie wird ergänzt durch Artikel 191b BV-Justizreform, welcher die Kantone verpflichtet, richterliche Behörden für die Beurteilung von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sowie von Straffällen zu bestellen.

Im Gegensatz zum geltenden Artikel 98a OG ist Artikel 191b BV auch auf Entscheide anwendbar, welche in Anwendung des kantonalen öffentlichen Rechts ergangen sind.

Die Artikel 29a und 191b BV-Justizreform sind noch nicht in Kraft. Laut Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege soll der Bundesbeschluss über die Reform der Justiz gleichzeitig mit dem zukünftigen Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft treten. Folgt die Bundesversammlung dem Vorschlag des Bundesrates, ist nicht mit einem Inkrafttreten vor dem Jahr 2005 zu rechnen.

3.3

Die Rechtswege gemäss Botschaft über die Totalrevision der Bundesrechtspflege

Am 28. Februar 2001 hat der Bundesrat seine Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vorgestellt. Diese Botschaft enthält namentlich einen Entwurf eines Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG), welches das geltende Bundesrechtspflegegesetz ersetzen soll, sowie einen Entwurf eines Bundesgesetzes über das Bundesverwaltungsgericht (VGG). Diese beiden Entwürfe ändern das System der schweizerischen Rechtsprechung merklich, auch hinsichtlich der Rechtswege bei der ordentlichen Einbürgerung.

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Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen

4.1

Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes

Art. 51 Die Kommission schlägt vor, in Zukunft gegen die Entscheide, welche das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf Beschwerde hin gegen Verfügungen des Bundesamtes für Ausländerfragen im Zusammenhang mit der Bewilligung des Bundes über die ordentliche Einbürgerung fällt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zuzulassen (vgl. auch die Änderung von Art. 100 Abs. 1 Bst. c OG). Die Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erlaubt es, die Anforderungen der Rechtsweggarantie vollumfänglich zu erfüllen, denn das Bundesgericht wendet das massgebliche Bundesrecht, einschliesslich die verfassungsmässigen Rechte (Art. 104 Bst. a OG) von Amtes wegen an und überprüft wegen des Fehlens einer Rekurskommission den Sachverhalt frei. (Art. 104 Bst. b und Art. 105 OG).

Der zusätzliche Arbeitsaufwand, der durch diese neue Aufgabe verursacht wird, dürfte sehr gering sein, denn das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat in den vergangenen fünf Jahren auf Beschwerde hin lediglich drei Entscheide auf diesem Gebiet gefällt.

Wegen der zukünftigen Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde muss Absatz 3 von Artikel 51 BüG gestrichen werden. Die Streichung von Artikel 51 Absatz 3 BüG führt dazu, dass zur Beschwerde gegen den Entscheid des Departements nicht mehr nur der Kanton legitimiert ist (Art. 103 Bst. c OG und Art. 51 Abs. 2 BüG), sondern auch die betroffene Gemeinde (Art. 103 Bst. c OG i.V. mit Art. 51 Abs. 2 BüG) und vor allem die abgewiesene Einzelperson (Art. 103 Bst. a OG).

In der französischen Fassung muss der Randtitel von Artikel 51 BüG angepasst werden, da es sich bei der Beschwerde nicht mehr ausschliesslich um eine Verwaltungsbeschwerde handelt. In der deutschen und italienischen Fassung bleibt dagegen der Randtitel unverändert.

Art. 51a

Beschwerde gegen kantonale Einbürgerungsentscheide (neu)

Absatz 1 regelt und klärt den Zugang ans Bundesgericht mittels staatsrechtlicher Beschwerde, während die Absätze 2 und 3 die Kantone verpflichten, einen Beschwerdeweg an ein kantonales Gericht einzuführen.

Abs. 1

Staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht

Um zu verhindern, dass das Bundesgericht Beschwerden, in denen die Beschwerdegründe der Willkür (Art. 9 BV) oder der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 8 Abs. 1 BV) vorgebracht werden (vgl. oben Ziff. 3.1), als unzulässig erklärt, schlägt die Kommission vor, in Artikel 51a Absatz 1 BüG zu spezifizieren, dass die Person, deren Gesuch um Einbürgerung abgelehnt worden ist, berechtigt ist, in einer staatsrechtlichen Beschwerde diese Beschwerdegründe vorzubringen. Im Grunde wird mit diesem Absatz 1 die Bedeutung konkretisiert, welche die Bundesversammlung Artikel 9 BV hat geben wollen, nämlich dass das Recht auf Schutz vor Willkür selbst ein rechtlich geschütztes Interesse verleiht (vgl. Amtl. Bull. S 1998 39). Artikel 51a Absatz 1 ist nötig um klarzustellen, dass den Personen, deren Gesuch um ordentli1171

che Einbürgerung abgelehnt wurde, ein Beschwerderecht wegen Verletzung von Artikel 8 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 9 BV zusteht. Dies ist wegen der Rechtsprechung des Bundesgerichts erforderlich (BGE 126 I 81 E. 6).

Hinsichtlich anderer Beschwerdegründe, die geeignet sind, von der Person, deren Gesuch auf Einbürgerung abgelehnt worden ist, vor Bundesgericht geltend gemacht zu werden (z.B. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör [Art. 29 Abs. 2 BV], der Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten [Art. 13 Abs. 2 BV]), rechtfertigt sich eine besondere Regelung der Beschwerdebefugnis nicht. Für die meisten Grundrechte, einschliesslich der Verfahrensgarantien, leitet sich nach der Rechtsprechung das rechtliche Interesse direkt aus der Verfassung ab.

Hinsichtlich des Beschwerdegrundes der Diskriminierung (Art. 8 Abs. 2 BV) hat die Rechtsprechung die Frage noch nicht entschieden, ob sich die Beschwerdelegitimation entsprechend der Praxis zum Willkürverbot bestimmt, oder ob das Diskriminierungsverbot der Verfassung selbst ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Artikel 88 OG zuerkennt. Sofern das Recht der Behörde ein weites Ermessen einräumt, stellt das Gebot der Nichtdiskriminierung einen wesentlichen zu berücksichtigenden Grundsatz dar. Es rechtfertigt sich daher, Artikel 51 Absatz 1 BüG dahingehend zu präzisieren, dass die Person, welche diese Rüge gegen die Verweigerung der ordentlichen Einbürgerung vorbringt, berechtigt ist, sie als Beschwerdegrund geltend zu machen.

Die Kommission hat weitere Alternativen bezüglich der Beschwerde ans Bundesgericht erwogen, namentlich die Möglichkeit der Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen kantonale Entscheide über die ordentliche Einbürgerung.

Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass sich eine solche Lösung schlecht ins geltende Beschwerdesystem beim Bundesgericht einfügen würde. Nach geltendem Recht ist die staatsrechtliche Beschwerde das Mittel, um vom Bundesgericht überprüfen zu lassen, ob durch einen gestützt auf das öffentliche kantonale Recht ergangenen Entscheid die Bundesverfassung respektiert wurde.

Abs. 2

Pflicht zur Schaffung eines Beschwerdewegs an ein kantonales Gericht

Die Kommission schlägt in Artikel 51a Absatz 2 BüG vor, die Kantone zu verpflichten, für Entscheide über die ordentliche Einbürgerung einen Rechtsmittelweg an ein Gericht vorzusehen. Die Überprüfung der Einhaltung des Bundesrechts und des kantonalen Rechts durch die kantonalen und kommunalen Entscheide ist in erster Linie durch die Kantone selbst sicherzustellen.

Von den Kantonen nur zu verlangen, einen Rechtsmittelweg vorzusehen, würde nicht ausreichen. Der Rechtsweg muss in letzter kantonaler Instanz vor eine richterliche Behörde führen. Da kantonale Entscheide über die Einbürgerung häufig durch die Regierung oder das kantonale Parlament gefällt werden, besitzt einzig ein Gericht die Unabhängigkeit und das notwendige Ansehen, um ­ unabhängig von der Behörde, welche den angefochtenen Entscheid gefällt hat ­ über Einbürgerungsentscheide zu befinden, welche die Grundrechte verletzen. Die richterliche Behörde im Sinne von Artikel 51a Absatz 2 BüG muss nicht notwendigerweise ein kantonales Verwaltungsgericht sein. Es kann sich beispielsweise auch um eine Rekurskommission handeln. Indessen ist es notwendig, dass diese Kommission die Stellung einer

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richterlichen Behörde hat, damit ihre Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive und der Legislative garantiert ist.

Wenn der vorgeschlagene Artikel 51a Absatz 2 BüG verlangt, dass ein Gericht als letzte kantonale Instanz entscheidet, so lässt er den Kantonen die volle Freiheit hinsichtlich der Vorinstanzen. Dies gilt zweifellos für die Beschwerdeinstanzen: Die Kantone können beispielsweise vorsehen, dass die kommunalen Entscheide zur Einbürgerung der Beschwerde an eine kantonale Verwaltungsbehörde unterliegen, bevor die Beschwerde ans Gericht zulässig ist. Die kantonale Autonomie bleibt auch gewahrt bezüglich des Verfahrens vor der Behörde, welche über ein Einbürgerungsgesuch zu entscheiden hat. Artikel 51a BüG schliesst nicht aus, dass diese Zuständigkeit beispielsweise der kommunalen Wählerschaft zugewiesen wird.

Die Frage der Verfassungsmässigkeit eines Volkentscheides bei Einbürgerungen wird in der Lehre kontrovers beurteilt. (vgl. A. Auer u. N. von Arx, Direkte Demokratie ohne Grenzen?, AJP 2000 S. 923 ff.; Y. Hangartner, Grundsätzliche Fragen des Einbürgerungsrechts, AJP 8/2001 S. 949 ff.) Die Behördenpraxis betrachtet Bürgerschaftsentscheide über Einbürgerungen als zulässig (siehe auch das Gutachten des Bundesamtes für Justiz, VPB 65.35).

Artikel 51a BüG spricht sich nicht über die Begründung der Entscheide aus, welche der Beschwerde an die kantonale Gerichtsbehörde unterliegen. Die Kommission ist sich bewusst, dass die Aufgabe der richterlichen Behörden nicht einfach ist, wenn der Entscheid von der Instanz, welche ihn gefällt hat, nicht begründet werden kann, weil es sich dabei um die Stimmberechtigten der Gemeinde handelt. Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass es Aufgabe des kantonalen Rechts ist festzulegen, in welchem Umfang ein bei einer kantonalen Gerichtsbehörde anfechtbarer Entscheid begründet sein muss.

Abs. 3

Minimalstandard hinsichtlich der Prüfungsbefugnis und des Beschwerderechts

Artikel 51a Absatz 3 BüG ist Ausdruck des Grundsatzes der Verfahrenseinheit: Die Kantone müssen garantieren, dass einerseits die dem Bundesgericht unmittelbar vorangehende Instanz keine weniger weit gehende Prüfungsbefugnis als dieses hat, und dass andererseits jede Person, die befugt ist, mit Beschwerde ans Bundesgericht zu gelangen, auch bei der Vorinstanz beschwerdebefugt ist. Artikel 51a Absatz 3 BüG übernimmt damit für die staatsrechtliche Beschwerde die in Artikel 98a Absatz 3 OG für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltende Regelung.

Bezüglich der Prüfungsbefugnis verlangt Artikel 51a Absatz 3 BüG, dass die für die staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe auch von derjenigen kantonalen richterlichen Behörde überprüft werden können müssen, welche als letzte kantonale Instanz entscheidet. Bei Entscheiden über die ordentliche Einbürgerung ist vorrangig an den Beschwerdegrund der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (Art. 84 Abs. 1 Bst. a OG) zu denken, namentlich der Grundrechte, die durch die Bundesverfassung, die Kantonsverfassung oder durch einen Staatsvertrag wie die EMRK garantiert sind. Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass eine ausländische Person auch die Verletzung politischer Rechte geltend machen könnte, wenn der Entscheid über ihr Einbürgerungsgesuch von der kommunalen Wählerschaft gefällt wird (Vgl. Art. 85 Bst. a OG; die Rechtsprechung anerkennt auch das Recht zur Beschwerde wegen Verletzung der politischen Rechte 1173

eines Wahlkandidaten, selbst wenn dieser kein Stimmrecht hat, BGE 119 Ia 167 E.1). Selbst die Rüge der Verletzung von internationalen Verträgen (Notenaustausch zwischen der Schweiz und Italien zur Erleichterung des Erwerbs des Doppelbürgerrechts, SR 0.141.145.4) oder von Konkordaten ist denkbar (Art. 84 Abs. 1 Bst. b und c OG). Andere Rügen, welche im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde erhoben werden können (vgl. Art. 84 Abs. 1 Bst. d und Art. 85 Bst. b und c OG), kommen bei einer Beschwerde gegen eine Verweigerung der ordentlichen Einbürgerung nicht in Betracht.

Artikel 51a Absatz 3 BüG legt einen Mindeststandard fest. Dieser wird einerseits eingehalten, wenn das kantonale Rechtsmittel mit der staatsrechtlichen Beschwerde vergleichbar ist, anderseits aber auch wenn die Entscheide über die ordentliche Einbürgerung mit einem Rechtsmittel angefochten werden können, das hinsichtlich Beschwerdelegitimation und Beschwerdegründe weiter ginge, als dies bei der staatsrechtlichen Beschwerde der Fall ist. Die Kantone könnten wählen zwischen der Öffnung des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Schaffung eines besonderen Rechtsmittels für Entscheide über die ordentliche Einbürgerung. Selbstverständlich können Kantone wie z.B. der Kanton Basel-Landschaft Entscheide auf dem Gebiet der ordentlichen Einbürgerung weiterhin der kantonalen Verfassungsgerichtsbarkeit unterstellen. Folglich wird durch Artikel 51a Absätze 2 und 3 BüG die Organisationsautonomie der Kantone nur in bescheidenem Masse eingeschränkt.

Der in Artikel 51a Absatz 3 BüG vorgeschriebene Mindeststandard über das Beschwerderecht dürfte in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Auf kantonaler Ebene ist das Beschwerderecht gewöhnlich in einem erweiterten Umfang als bei der staatsrechtlichen Beschwerde vor Bundesgericht anerkannt.

Im Übrigen entspricht Artikel 51a Absatz 3 BüG im Wesentlichen der von der Arbeitsgruppe Bürgerrecht vorgeschlagenen Minimallösung, die die Kantone verpflichtet, einen Rechtsweg an eine richterliche Behörde vorzusehen, um die Wahrung der verfassungsmässigen Rechte zu überprüfen. Er geht jedoch ein wenig weiter als diese Minimallösung, denn er verpflichtet die Kantone überdies dazu, auch andere bei der staatsrechtlichen Beschwerde zulässigen Beschwerdegründe anzuerkennen, beispielsweise jene der Verletzung
der politischen Rechte.

Übergangsbestimmung Da Artikel 51a Absätze 2 und 3 BüG für die meisten Kantone zur Folge haben wird, dass sie die Regelung des Rechtswegs auf dem Gebiet der ordentlichen Einbürgerung ändern müssen, bedarf es dazu der nötigen Zeit für die Änderung der einschlägigen Gesetze. Es ist dafür eine Übergangsbestimmung mit einer Frist von einem Jahr ab Inkrafttreten der Revision vorgesehen. Mit dieser Frist wird die Rechtssicherheit gefördert. Sie hat ausserdem den Vorteil, dass mit ihr dem Bundesrat erlaubt wird, die vorliegende Revision rasch in Kraft zu setzen und damit sicherzustellen, dass die Legitimation zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht nicht mehr mit der Begründung verneint werden kann, das kantonale Recht gewähre keinen Anspruch auf Einbürgerung. Eine Person, deren Gesuch um ordentliche Einbürgerung willkürlich oder in diskriminierender Weise abgelehnt worden ist, hätte dadurch den Vorteil, dass ab Inkrafttreten der Revision ein rechtlicher Schutz durch das Bundesgericht sichergestellt wäre.

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Mit dem Ablauf der einjährigen Übergangsfrist würde Artikel 51a Absätze 2 und 3 BüG direkt anwendbar. Wäre bis zu diesem Zeitpunkt die kantonale Gesetzgebung nicht angepasst worden, dann müsste eine kantonale richterliche Behörde sich für zuständig erklären, eine Beschwerde gegen einen Einbürgerungsentscheid zu entscheiden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Artikel 33 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (SR 700) und Artikel 6 Absatz 1 der EMRK (Entscheid des Bundesgerichts No. 1P.145/2001 E.8 und 9; BGE 119 Ia 88, 98 E.

7). Da Artikel 51a Absatz 3 BüG einen Minimalstandard setzt, würde sich die Prüfungsbefugnis der kantonalen Behörde nach den allgemeinen Grundsätzen des kantonalen Rechts bestimmen.

Sollte das kantonale Recht nicht fristgerecht angepasst worden sein und sollte sich keine kantonale richterliche Behörde für zuständig erklären, eine Beschwerde gegen einen Entscheid über die ordentliche Einbürgerung zu beurteilen, so wird die betroffene Person eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht wegen Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts oder wegen Rechtsverweigerung einreichen können. Das Bundesgericht wird daraufhin die Sache an den Kanton zurückweisen können, damit seine richterlichen Behörden bestimmen, welche von ihnen auf Grund von Artikel 51a BüG zuständig ist, über die Beschwerde zu entscheiden.

4.2

Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege

Artikel 100 Absatz 1 Buchstabe c OG wird aufgehoben, um gegen die Verfügungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements über die Erteilung der Bewilligung des Bundes zur ordentlichen Einbürgerung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zu ermöglichen. Die Beschwerde wird nicht nur von der ausländischen Person (Art. 103 Bst. a OG), sondern auch vom Kanton oder der betroffenen Gemeinde (Art. 103 Bst. c OG und Art. 51 Abs. 2 BüG) eingereicht werden können.

5

Verfassungsmässigkeit

Die Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen der Bundesbehörden hinsichtlich der Einbürgerungsbewilligung (Art. 51 Abs. 3 BüG und Art. 100 Abs. 1 Bst. c OG) stützt sich auf Artikel 190 Absatz 1 BV (Art. 189 Abs. 1 BV-Justizreform).

Die Vorschrift über die staatsrechtliche Beschwerde bei kantonalen Entscheiden auf dem Gebiet der ordentlichen Einbürgerung (Art. 51a Abs. 1 BüG) stützt sich auf Artikel 189 Absatz 1 Buchstabe a BV (Art. 189 Abs. 1 BV-Justizreform). Die Verpflichtung der Kantone, einen Rechtsweg an eine richterliche Behörde zu schaffen, hat sowohl in Artikel 38 als auch in Artikel 189 BV eine Grundlage.

Artikel 38 Absatz 2 BV gibt dem Bund die Kompetenz, Mindestvorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern durch die Kantone zu erlassen. Gemäss den Materialien bedeutet diese Kompetenz, dass der Bund den Auftrag hat, in diesem Bereich Mindestvorschriften zu erlassen, die eine minimale Gleichbe1175

handlung garantieren sollen (Botschaft. BBl 1997 I 223). Selbst wenn der Bundesrat im Jahre 1982 und 1992 vernehmen liess, dass die Einführung eines Rechtsweges auf kantonaler Ebene eine Änderung der Bundesverfassung voraussetze (BBl 1982 II 135, 1992 VI 551), kann heute mit Blick auf die neue Bundesverfassung angenommen werden, dass die Kompetenz des Bundes auch den Erlass der Mindestvorschriften umfasst, die zur Sicherstellung der Wahrung der Grundrechte unerlässlich sind. Artikel 35 Absatz 2 BV verpflichtet nämlich den Bund, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Verwirklichung der Grundrechte beizutragen. Wenn der Bundesgesetzgeber den Kantonen als Mindeststandard die Wahrung der Grundrechte durch ein Gericht als Verpflichtung auferlegt, dann handelt es sich dabei um den Erlass einer Mindestvorschrift, mit welcher Artikel 35 Absatz 2 BV im Bereich der ordentlichen Einbürgerung konkretisiert wird.

Die zweite verfassungsrechtliche Grundlage kann in Artikel 189 Absatz 1 Buchstabe a BV gefunden werden. Diese Bestimmung überträgt dem Bundesgericht die Kompetenz, über Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu entscheiden. Der Bundesgesetzgeber kann folglich die Voraussetzungen des Zugangs zum Bundesgericht regeln: Das schliesst ausser den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Beschwerden die Möglichkeit mit ein, einen Mindeststandard hinsichtlich der kantonalen Vorinstanzen festzulegen.

6

Finanzielle Auswirkungen

Wenn die vorgeschlagene Revision des Bürgerrechtsgesetzes den Rechtsweg an ein Gericht für Entscheide auf dem Gebiet der ordentlichen Einbürgerung öffnet, schreibt sie nicht die Schaffung neuer richterlicher Behörden auf Bundesebene oder Kantonsebene vor. Sie wird also durch die bestehenden Gerichte umgesetzt werden können. Sie verursacht deshalb dem Bund keine nennenswerte zusätzliche Kosten.

Gleiches gilt für die Kantone.

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