99.084 Botschaft betreffend die Änderung des Militärgesetzes vom 27. Oktober 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1998 P

98.3360

Friedenstruppen. Bewaffnung zum Selbstschutz (S 5.10.98, Seiler Bernhard)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Oktober 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10635

Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

1999-5585

477

Übersicht Im Bericht der Studienkommission Brunner und in den politischen Leitlinien des Bundesrates, die als Basis zur Ausarbeitung des sicherheitspolitischen Berichts 2000 gedient haben, wurde dargelegt, dass die Schweiz in Zukunft im eigenen Interesse vermehrt die Chancen der internationalen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit wahrnehmen muss. Die neuen Risiken und Probleme, mit denen die Staaten heute konfrontiert sind, können oft nur gemeinsam bewältigt werden. Dies gilt auch für die Schweiz. «Sicherheit durch Kooperation» heisst denn auch die Devise des neuen Sicherheitspolitischen Berichtes, auf den sich die Leitbilder Armee XXI und Bevölkerungsschutz stützen werden.

Erste Massnahmen, die in diese Richtung zielen, hat der Bundesrat bereits in den vergangenen Jahren getroffen; ein weiterer Schritt soll nun in Anbetracht der internationalen Lage als erste Antwort auf den sicherheitspolitischen Bericht 2000 durch diese Teilrevision des Militärgesetzes erfolgen. Zu diesem Schritt wurde der Bundesrat unter anderem auch in einigen parlamentarischen Vorstössen aufgefordert, die eine angemessene Bewaffnung von schweizerischen Verbänden im Ausland als sachlich notwendig und zeitlich dringlich erachteten.

Die Teilrevision des Militärgesetzes betrifft drei Bereiche: ­

Bewaffnung schweizerischer Verbände im Friedensförderungsdienst im Ausland;

­

Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit anderen Staaten über die Ausbildungszusammenarbeit;

­

Abschluss völkerrechtlicher Vereinbarungen betreffend den Status von Schweizer Militärpersonen im Ausland, bzw. ausländischen Militärpersonen in der Schweiz.

Der Friedensförderungsdienst als aktiver und in unserem eigenen Interesse liegender Beitrag zur internationalen Sicherheit ist unbestritten und bereits im Bericht 90 als sicherheitspolitischer Auftrag der Armee aufgeführt. Die Schweiz hat in der Vergangenheit Möglichkeiten gefunden, mit unbewaffnetem Personal einen nützlichen Beitrag in solchen Operationen zu leisten. Die Einsatzmöglichkeiten sind aber aus Sicherheitsgründen beschränkt.

Der Bundesrat muss darum die Möglichkeit erhalten, im Einzelfall, auf Grund der jeweiligen Interessenlage der Schweiz, die angemessene Bewaffnung unserer Truppen im Friedensförderungsdienst anordnen zu können. Er hat aber, wegen der politischen Tragweite solcher bewaffneter Einsätze, in jedem Fall das Parlament in den Entscheid mit einzubeziehen und die parlamentarische Genehmigung dann einzuholen, wenn dieser Einsatz mehr als 100 Angehörige der Armee betrifft oder länger als drei Wochen dauert.

Das Interesse der Schweiz an Ausbildungszusammenarbeit mit dem Ausland ist offensichtlich. Es geht für unsere Armee darum, Zugang zu Ausbildungs- und Schiessgeländen zu erhalten, die in der Schweiz in dieser Qualität oder Grösse nicht exis-

478

tieren. Im Gegenzug stellt die Schweiz solchen Partnerstaaten Teile ihrer eigenen Ausbildungsinfrastruktur zur Verfügung. In gemeinsamen Übungen kann zudem ein wertvoller Erfahrungsgewinn und oft ein Kostenvorteil erreicht werden.

Die betroffenen Staaten schliessen diesbezüglich völkerrechtliche Verträge ab, in denen die technischen und administrativen Modalitäten der jeweiligen Ausbildung geregelt werden. Mit der Zunahme der internationalen Zusammenarbeit in der Ausbildung soll die Kompetenz zum Abschluss derartiger Verträge im Militärgesetz verankert werden.

Für einen reibungslosen Verlauf des Aufenthalts von Militärpersonen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates sind auch gewisse rechtliche Aspekte vorgängig zu regeln. Diese Aspekte betreffen vor allem Bereiche wie Gerichtsbarkeit, Haftpflicht, Fahrzeugkennzeichen, Ein- und Ausfuhrbestimmungen, Tragen von Uniformen und Waffen, Inanspruchnahme von Infrastruktur im Gastland usw.

Diese Fragen werden in der internationalen Praxis einheitlich durch den Abschluss von sog. Statusabkommen (Status of Forces Agreements, SOFA) geregelt, in denen sich die Vertragspartner gegenseitig den bestmöglichen Status ihrer Militärpersonen sicherstellen bzw. zugestehen. Auch die Schweiz ist an einer solchen einheitlichen Regelung interessiert, die die Zusammenarbeit in vielen Bereichen vereinfachen wird. Daher soll der Bundesrat ermächtigt werden, auch derartige Abkommen in eigener Kompetenz abschliessen zu können.

Die drei Gesetzesänderungen sind mit der Bundesverfassung vereinbar. Auch stellen sie weder neutralitätsrechtliche noch -politische Probleme.

Das Vernehmlassungsverfahren hat ergeben, dass vor allem die Bewaffnungsfrage politisch umstritten ist. Auf Grund dieser Erkenntnis möchte der Bundesrat durch zwei Bundesbeschlüsse (A und B) sicherstellen, dass ein allfälliges Referendum betreffend die Bewaffnung nicht die Ausbildungszusammenarbeit und die Regelung des Status von Militärpersonen unnötig verzögert.

479

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Das politisch-militärische Umfeld der Schweiz hat sich im letzten Jahrzehnt stark verändert. Ausgangspunkt dieses Wandels ist das Ende des Kalten Krieges. Damit reduzierte sich die «klassische» militärische Bedrohung für unser Land. Es sind aber neue oder durch die starren Fronten des Kalten Krieges früher unterdrückte Konfliktherde entstanden, welche ganze Regionen destabilisieren und Auswirkungen auch auf nicht direkt betroffene Staaten haben.

Die Entwicklung und Herausbildung nicht militärischer Risiken und Probleme ­ z. B. Terrorismus, aber auch verschiedene Aspekte der Migration ­ verlangen nach einem kooperativen Ansatz: Sie können nicht von einem Staat allein effizient bewältigt werden.

Das unmittelbare strategische Umfeld der Schweiz, ihre Nachbarn und wichtigsten internationalen Partner, haben auf die neuen strategischen Herausforderungen reagiert und ihre sicherheitspolitischen Konzepte und Instrumente entsprechend angepasst. Neben die verteidigungspolitische Zusammenarbeit im Rahmen der traditionellen Verteidigungsallianzen ist eine wesentlich verstärkte internationale Kooperation bei der Konfliktprävention, der Eindämmung von Konfliktherden und der Suche nach Konfliktlösungen getreten. Diese Kooperation erfolgt oft auch in offenen Formen, d. h. losgelöst von den bestehenden Organisationen und formellen Allianzen. Die internationale Kooperation ist Ausdruck einer zwischenstaatlichen Solidarität zur Erreichung höherer Stabilität und grösserer Sicherheit für alle. Sie erfolgt in Ad-hoc-Kooperation derjenigen Staaten, die dazu fähig und bereit sind.

Die Schweiz zieht direkten Nutzen aus den internationalen Anstrengungen zu Gunsten erhöhter Stabilität und Sicherheit. Die Einsicht drängt sich auf, dass es in unserem Interesse liegt, wenn sich die Schweiz an diesen Anstrengungen beteiligt. Eine verstärkte schweizerische Mitwirkung bei der internationalen Sicherheitskooperation brächte aber auch zum Ausdruck, dass wir gerade mit unseren wichtigsten Partnern solidarisch handeln. Unser gezieltes sicherheitspolitisches Interesse an wirksamer Konfliktbewältigung und Schaffung von Stabilität verbindet sich so mit dem allgemeineren staatspolitischen Interesse, in den Augen der Partnerstaaten als solidarisch zu erscheinen. Gerade die Entwicklungen der Flüchtlingsproblematik um Bosnien 1995/1996
und Kosovo 1999 zeigen zweierlei auf: Einerseits vermochte die internationale Intervention in Bosnien die Anzahl der Flüchtlinge merklich zu reduzieren, womit der Nutzen solcher Engagements für die intervenierenden Staaten augenfällig wird. Andererseits zeigte sich im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus Kosovo, dass sich das Bedürfnis der Schweiz, für eine gerechtere Verteilung der Flüchtenden von den anderen Staaten Europas Solidarität einzufordern, schlecht verträgt mit der bisherigen Zurückhaltung in der sicherheitspolitischen Kooperation.

Die Schweiz muss deshalb in ihrem eigenen Interesse die Chancen internationaler Zusammenarbeit wahrnehmen und mit anderen Staaten, Staatengruppen und internationalen Organisationen kooperieren, wo die gemeinsamen Interessen und die erhöhte Wirksamkeit dies nahe legen und die Vereinbarkeit mit der Neutralität gege480

ben ist. Das entspricht auch den Kernempfehlungen der Studienkommission für strategische Fragen (Kommission Brunner), die in der anschliessenden Konsultation eine breite Unterstützung fanden.

Der Bundesrat hat mit dem sicherheitspolitischen Bericht 2000, den er unter das Zeichen der «Sicherheit durch Kooperation» gestellt hat, aus dieser Erkenntnis die Konsequenzen gezogen. Darauf wird er ebenfalls die Leitbilder Armee XXI und Bevölkerungsschutz stützen.

Massnahmen, die in diese Richtung zielen, hat der Bundesrat bereits in den vergangenen Jahren getroffen, z. B. in UNO- oder OSZE-Missionen. Die Schweiz beteiligt sich ausserdem seit Anfang der neunziger Jahre an Wirtschaftssanktionen, die von der Völkergemeinschaft geschlossen gegen internationale Rechtsbrecher verhängt und durchgeführt werden. Sie hat den Transit, zu Lande und in der Luft, von Truppen der IFOR/SFOR1 durch die Schweiz bewilligt. Die Schweiz unterstützt mit «Gelbmützen» die OSZE in Bosnien und Herzegowina.

Die Schweiz hat sich 1996 auch entschieden, an der Partnerschaft für den Frieden teilzunehmen, und ist seit 1997 Mitglied des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates.

Um ihre Fähigkeit zur militärischen Zusammenarbeit in multinationalen Friedensoperationen zu verbessern, beteiligt sich die Schweiz seit 1999 auch am PfPPlanning and Review-Prozess. Darüber hinaus unterstützt sie die internationalen Friedensbemühungen z. B. mit Militär- und Zivilpolizeibeobachtern, mit der Teilnahme an der Verifikationsmission in Kosovo, mit Experten für die UNSCOM, mit der Ausbildung von Inspektoren für den Vertrag über das Verbot chemischer Waffen sowie mit den Genfer Zentren für internationale humanitäre Minenräumung und für Sicherheitspolitik.

Sie war auch in der Lage, von April bis Juli 1999 rasch und effizient mit Transporthubschraubern der Luftwaffe für das UNHCR Hilfsflüge zu Gunsten der Vertriebenen aus dem Kosovo in Albanien durchzuführen. Die Beteiligung an der multinationalen Friedensoperation KFOR im Kosovo bedeutet für die Schweiz eine qualitativ neue Dimension inernationalen Engagements. Erstmals nimmt als «SWISSCOY» ein militärisches Kontingent der Armee als gleichberechtigter integrierter Partner an einer komplexen friedensunterstützenden Operation teil.

1.2

Begründung für eine vorgezogene Teilrevision

Obwohl der Bundesrat beabsichtigt, mit den auf den sicherheitspolitischen Bericht 2000 gestützten Leitbildern und Gesetzesänderungen der Notwendigkeit stärkerer internationaler Kooperation Rechnung zu tragen, und obwohl er bereits in den vergangenen Jahren entsprechende Einzelmassnahmen beschlossen hat, besteht in drei Bereichen des Militärgesetzes (MG) bereits jetzt ein dringender Revisionsbedarf: ­

1

Der Bundesrat soll ermächtigt werden, schweizerische Truppenkontingente und Einzelpersonen im Friedensförderungsdienst, wo dies nötig ist, angemessen zu bewaffnen, damit sich diese selbst schützen und somit selbstständig ihren Auftrag erfüllen können.

Ein Glossar zur Botschaft befindet sich im Anhang.

481

­

Die Kompetenz des Bundesrates, im Bereich der Ausbildungszusammenarbeit mit dem Ausland völkerrechtliche Verträge abzuschliessen, soll im Militärgesetz ausdrücklich verankert werden.

­

Der Bundesrat soll schliesslich die Kompetenz erhalten, völkerrechtliche Vereinbarungen abzuschliessen, die den Status von Schweizer Militärpersonen im Ausland bzw. ausländischer Militärpersonen in der Schweiz regeln.

Diese drei Elemente entspringen der Notwendigkeit eines grösseren Engagements zur Förderung von Frieden und Stabilität in Kooperation mit ausländischen Partnern und internationalen Organisationen zur Erhöhung unserer eigenen Sicherheit. Sie stehen aber auch für unser ausgewiesenes Bedürfnis, Ausbildungsziele zum Verteidigungsauftrag der Armee in Kooperation mit dem Ausland besser zu erreichen.

Ein Ausbau unseres friedenspolitischen Engagements im militärischen Bereich, insbesondere auch im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden, ist nur möglich, wenn wir unsere Truppen im Friedensförderungsdienst nötigenfalls bewaffnen können und wenn wir die Ausbildungskooperation verstärken.

Die Bewaffnung ist eine Standardbedingung für die Teilnahme an den meisten friedensunterstützenden Operationen. Es bestehen nur wenige Nischen für eine unbewaffnete Teilnahme, wie sie die Schweiz mit ihren UNO-Militärbeobachtern und ihren Kontingenten zur logistischen Unterstützung von UNO- und OSZE-Missionen bereits heute nutzt. Dies kommt auch in den vom Bundesrat entgegengenommenen parlamentarischen Vorstössen (Motion Grossenbacher, Postulat Seiler, Postulat der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats, Motion Ruf und Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats) zum Ausdruck, die eine möglichst rasche Revision des MG in Bezug auf die Bewaffnung schweizerischer Friedenstruppen vorschlagen.

Im Rahmen der umfassenderen MG-Revision, die auf die Verabschiedung des Armeeleitbildes Armee XXI folgen wird, würde der hier beschriebene Regelungsbedarf, insbesondere die Einführung der Bewaffnung, frühestens in drei bis vier Jahren zur Verwirklichung gelangen. Bis dahin wird sich die Frage der Bewaffnung schweizerischer Kontingente in internationalen friedensunterstützenden Operationen voraussichtlich öfters stellen. Daher sollen die skizzierten Anliegen in einer kürzeren Vorlage vorgezogen werden, um bereits früher für die internationale Kooperation besser gerüstet zu sein.

1.3

Grundzüge der Revisionsbereiche

1.3.1

Massnahmen im Friedensförderungsdienst

Friedenserhaltende Operationen sind als aktiver Beitrag zur internationalen Sicherheit unbestritten. Es wird nie grundsätzlich in Frage gestellt, dass sich die Schweiz im Rahmen des Friedensförderungsdienstes an friedenserhaltenden Operationen beteiligen solle, zumal die internationale Stabilität und Sicherheit ­ die durch solche Einsätze gefördert werden ­ schliesslich auch in unserem eigenen Interesse liegen.

Bereits in seinem Bericht 90 über die Sicherheitspolitik der Schweiz erklärte der Bundesrat die Friedensförderung zu einem sicherheitspolitischen Auftrag der Armee. Diese Erkenntnis führte denn auch zur Erarbeitung des Bundesgesetzes über schweizerische Truppen für friedenserhaltende Operationen (auch bekannt als 482

«Blauhelmgesetz»). Dieses Gesetz sollte erlauben, sowohl im Dienste der UNO als auch der OSZE (damals noch KSZE) Schweizer Truppen einzusetzen.

Diese Vorlage scheiterte 1994 vor allem daran, dass es in der damaligen Praxis für die UNO sowie für die Truppen stellenden Staaten schwierig war, die militärischen Aufträge in den friedenserhaltenden Operationen klar zu definieren und eine für jedermann eindeutige Grenze zwischen «Peace-keeping» und «Peace-enforcement» zu ziehen. Zudem erprobte die internationale Gemeinschaft in dieser Zeit neue Formen von Friedensoperationen, die nicht nur zu Erfolgen führten, wie z. B. in ExJugoslawien und Somalia, wo man feststellen musste, dass politische Aufträge häufig militärisch nicht durchführbar sind.

Unter dem unmittelbaren Eindruck der verworfenen Blauhelmvorlage wurde der Friedensförderungsdienst im neuen Militärgesetz restriktiv konzipiert. Das Verbot, Kontingente zu bewaffnen, sollte sicherstellen, schweizerische Beteiligung an UNOEinsätzen vom Typ Somalia oder Ex-Jugoslawien, die mit ungenügend konzipierten Mandaten stattgefunden hatten, zu verhindern. Die Bewaffnung der Schweizer Personen und Truppen, die am Friedensförderungsdienst teilnehmen, wurde im Artikel 66 MG mit einer Ausnahme von geringer Tragweite ausgeschlossen. Absatz 3 dieses Artikels gestattet dem Bundesrat nur, einzelnen Personen zum Selbstschutz den Waffengebrauch zu bewilligen.

Mit der Veränderung des internationalen Umfelds einher ging die konzeptionelle Weiterentwicklung der friedenserhaltenden Operationen und eine wachsende Erfahrung bezüglich der reellen Möglichkeiten von solchen Operationen. Die klassischen, vornehmlich im UNO-Rahmen angesiedelten friedenserhaltenden Operationen sind heute Teil eines breiteren Spektrums von friedensunterstützenden Operationen, mit vielfältigeren Aufgaben und Einsatzformen als vor fünf Jahren, als über die Aufstellung eines Schweizer Blauhelm-Kontingents abgestimmt wurde. Das Mandat dieser neuen friedensunterstützenden Operationen beruht in der Regel primär auf Kapitel VI der UNO-Charta und erfordert eine einvernehmliche Basis zwischen den wichtigsten Konfliktparteien, jedoch ist gegenüber allen, die sich nicht daran halten, ein beschränkter Gewalteinsatz gemäss Kapitel VII der UNO-Charta zur Wiederherstellung des vereinbarten Verhaltens und zur
Auftragserfüllung möglich. Dieser Auftrag kann aber nicht die Erreichung des Friedens oder eines völkerrechtskonformen Zustands durch militärische Gewalt als zentrales Mittel sein, denn dann würde es sich um reines Peace-enforcement im eigentlichen Sinn handeln. Der Einsatz im Golf-Krieg 1991 war z. B. keine friedensunterstützende Operation.

Die Schweiz hat in der Vergangenheit Möglichkeiten gefunden, mit unbewaffnetem Personal einen nützlichen Beitrag zu solchen Operationen zu leisten (z. B. Gelbmützen-Einsatz in Bosnien und Herzegowina). Die Einsatzmöglichkeiten sind aber aus Sicherheitsgründen sehr beschränkt. So zeigt z. B. der Einsatz des Schweizer Kontingents (SWISSCOY) im Rahmen der internationalen Friedensoperation im Kosovo (KFOR), dass die Schweiz nur eingegliedert in eine bewaffnete österreichische Einheit und unter deren Schutz ihren logistischen Beitrag zur KFOR leisten kann. In der Praxis ist es heute so, dass Truppen für Einsätze in friedensunterstützenden Operationen in aller Regel bewaffnet sein müssen, um sich selber schützen und somit ihren Auftrag erfüllen zu können. Dabei geht es immer mehr auch um den Schutz vor individueller und bandenmässig organisierter Kriminalität. Alle anderen Staaten haben die Lehren aus diesen Situationen, die heute in ehemaligen Kriegsgebieten die Regel sind, gezogen. So hat sich auch die UNO entschlossen, zivile Polizeibeobachter, die traditionell unbewaffnet waren, im Kosovo zum Selbstschutz zu be483

waffnen. Die Schweiz muss erkennen, dass eine reine Nischenpolitik zunehmend schwieriger geworden ist und keine wirkungsvolle Vertretung legitimer nationaler Interessen zulässt.

Der Schweiz soll allgemein ermöglicht werden, unter den heutigen Bedingungen (in denen der Einsatz von Blauhelmen nur eines von zahlreichen Mitteln ist), im Rahmen unserer Friedensförderungspolitik die internationalen Friedensanstrengungen zu unterstützen. Die Schweiz wird sich nach wie vor an friedensunterstützenden Operationen nur dann mit Kontingenten beteiligen, wenn diese keinen Kampfauftrag zu erfüllen haben. Es gilt aber dabei zu unterstreichen, dass auch der Schutz einer logistischen Operation notfalls den Einsatz von Waffengewalt erfordern kann. Deshalb muss die Schweiz darauf achten, durch entsprechende «Rules of Engagement» (Einsatzregeln) das Risiko der betreffenden Operation so weit wie möglich zu minimieren.

Es ist nicht ausser Acht zu lassen, dass gerade ein neutraler Staat mit einer angemessenen Bewaffnung seine Aufträge unabhängiger erfüllen kann. Er bestimmt selber die Aufgaben, die er übernehmen will. Zudem ist es weder mit der Würde unseres Landes vereinbar noch effizient, dass unsere unbewaffneten Armeeangehörigen von bewaffneten Kontingenten anderer Staaten geschützt werden müssen; insbesondere da vergleichbare neutrale Kleinstaaten die Übernahme solcher Aufgaben als selbstverständlich betrachten. Die Beteiligung Österreichs an der KFOR in Kosovo dient als Illustration: Ein mechanisiertes Infanteriebataillon hat im Rahmen einer KFORBrigade einen eigenen Verantwortungsbereich. Obwohl es sich sogar um Kampftruppen handelt, schliesst Österreich jede Teilnahme an friedenserzwingenden Aktionen im Rahmen des KFOR-Mandates aus. Diese Einschränkungen wurden vom KFOR-Kommando akzeptiert. Dies zeigt, dass selbst beim Einsatz von Kampftruppen nationale Restriktionen hinsichtlich der Verwendung eines Kontingents international akzeptiert werden.

Der Bundesrat muss darum die Möglichkeit erhalten, von Fall zu Fall, auf Grund der jeweiligen Interessenlage der Schweiz, unsere Truppen im Friedensförderungsdienst angemessen bewaffnen zu können. Eine lagegerechte Bewaffnung zum Schutz der eingesetzten Personen und zur Erfüllung des Auftrages kann von der persönlichen Waffe bis zur Kollektivwaffe gehen. Solche Entscheidungen
müssen oft unter Zeitdruck getroffen werden, weil die Wirksamkeit friedensunterstützender Operationen davon abhängt, dass sie rasch beschlossen und durchgeführt werden. Durch die vorgeschlagene Gesetzesrevision wird das Parlament wesentlich in den Entscheidungsprozess eingebunden. Gleichzeitig erhält der Bundesrat die Möglichkeit, mit der nötigen Flexibilität auf künftige Anfragen substanziell und zeitlich angemessen reagieren und die für die Entsendung notwendigen juristischen Vorkehrungen treffen zu können (Art. 66a, Art. 66b).

Der Bundesrat anerkennt im Rahmen von Artikel 66 MG das Interesse des Parlaments, an Entscheiden über bewaffnete Einsätze beteiligt zu sein. Die seinerzeitige Blauhelm-Vorlage (Art. 2) sah einzig eine Berichterstattungspflicht vor. Mit der vorliegenden Änderung des Artikel 66 MG wird das Parlament weitaus stärker einbezogen: Vor jedem bewaffneten Einsatz im Friedensförderungsdienst werden die Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte angehört, und wenn das Kontingent eine gewisse Grösse erreicht oder der Einsatz eine gewisse Dauer überschreitet, muss ein bewaffneter Einsatz vom Parlament genehmigt werden.

484

Mit der vorgesehenen Gesetzesrevision wird weder der konkrete Entscheid über die Teilnahme der Schweiz an einer bestimmten Operation noch der Entscheid darüber, ob und wie im Falle einer Teilnahme die Truppen im Friedensförderungsdienst bewaffnet werden sollen, präjudiziert. Der Bundesrat wird diese Entscheide in Abwägung der Lage und der Interessen des Landes treffen. Er wird auch darauf achten, dass die Schweizer Teilnahme an solchen Operationen mit dem Neutralitätsrecht und der schweizerischen Neutralitätspolitik vereinbar ist.

Bereits in seinem Bericht zur Neutralität vom 29. November 1993 hat der Bundesrat festgehalten, dass er in einer umfassenden Güterabwägung und in Einhaltung des Neutralitätsrecht entscheiden wird, ob eine Teilnahme an friedensunterstützenden Operationen im schweizerischen Interesse liegt und sich aus Gründen der Solidarität, der Humanität und des internationalen Friedens aufdrängt.

1.3.2

Abschluss von internationalen Abkommen über die Ausbildung der Truppe im Ausland und mit ausländischen Truppen

Bereits heute begeben sich schweizerische Truppen zu Ausbildungszwecken ins Ausland. Einerseits handelt es sich um Ausbildungsaufenthalte einzelner Militärpersonen, wie etwa die Ausbildung von Angehörigen des Instruktionskorps an Militärschulen und -akademien oder die Ausbildung von Fluglehrern für Berufsmilitärpiloten auf neuen Kampfflugzeugen. Aber auch ganze Truppenteile haben sich bereits zu gemeinsamen Übungen ins Ausland begeben (beispielsweise für die Katastrophenhilfeübung «LEMAN 97» nach Frankreich, für die Ausbildung der mechanisierten Infanterie nach Österreich sowie für die Teilnahme von Schweizer Militärpiloten an taktischen Luftkampftrainings nach Grossbritannien, in die Niederlande, nach Italien und Norwegen).

Das Interesse der Schweiz an solcher Ausbildungszusammenarbeit ist offensichtlich.

Es geht für unsere Armee darum, Zugang zu Ausbildungs- und Schiessgeländen zu erhalten, die in der Schweiz in dieser Qualität oder Grösse nicht existieren. Im Gegenzug stellt die Schweiz solchen Partnerstaaten Teile ihrer eigenen Ausbildungsinfrastruktur zeitlich begrenzt zur Verfügung (z. B. Panzer- und Flugzeugsimulatoren). Wenn diese Aufenthalte im Ausland bzw. der Aufenthalt ausländischer Truppen in der Schweiz auch zu gemeinsamen Übungen genutzt werden, so resultiert daraus ein wertvoller Erfahrungsgewinn und oft ein Kostenvorteil. Der Nutzen solcher Ausbildungsaktivitäten wird daher grundsätzlich nicht bestritten.

Die internationale Ausbildungszusammenarbeit wurde auch mit Nachdruck von der Kommission Brunner empfohlen, und der sicherheitspolitische Bericht 2000 weist ebenfalls darauf hin. Sie ist mit dem Neutralitätsrecht vollumfänglich vereinbar, weil sie zu keinerlei Beistandsverpflichtungen irgendwelcher Art führt. Des Weiteren wird die Glaubwürdigkeit unserer bewaffneten Neutralität gestärkt, weil die vermehrte internationale Ausbildungskooperation die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee für den Ernstfall erhöht.

Bis jetzt wurden jeweils völkerrechtliche Verträge oder rechtlich unverbindliche Memoranda of Understanding (MOU) abgeschlossen. Diese Übereinkünfte regeln die technischen und administrativen Modalitäten der jeweiligen Ausbildung und erfüllen damit die Kriterien eines Bagatellvertrages. Ob der Bundesrat sich darüber hinaus auf eine implizite Vertragsschlusskompetenz, abgeleitet aus Artikel 41 Ab485

satz 3 MG, stützen konnte, wonach der Bundesrat die Ausbildungsdienste sowie deren Dauer und Unterstellung festlegt, kann angesichts der bundesrätlichen Kompetenz zum selbstständigen Abschluss von Bagatellverträgen offen bleiben.

Aus zwei Gründen soll nun die Rechtsgrundlage für solche Auslandaktivitäten im MG festgelegt werden. Zum einen empfiehlt es sich auf Grund der Zunahme der Zusammenarbeit mit den Truppen anderer Staaten, die Kompetenz auf gesetzlicher Stufe im MG, der Wehrverfassung unseres Landes, festzuschreiben. Zum andern muss, wenn das VBS ermächtigt werden soll, Einzelabkommen auf Grund von Rahmenabkommen abzuschliessen, die Kompetenz des Bundesrates zum Abschluss dieser Rahmenabkommen ebenfalls aufgeführt werden. Mit dieser Zuständigkeitsordnung soll der Bundesrat von der Genehmigung von Bagatellabkommen im Einzelfall entlastet werden. Da er in diesen Fällen ja zuvor ein entsprechendes Rahmenabkommen beschlossen hat, ist aus politischer Sicht seine Kontrolle über die militärischen Ausbildungsaktivitäten mit dem Ausland genügend gewährleistet. Ferner wird mittels breiter Konsultation in der Verwaltung sichergestellt, dass bei jedem Vertragsabschluss die schweizerischen Gesamtinteressen berücksichtigt werden. So werden für den Entscheid über den Vertragsabschluss entsprechend der gängigen Praxis grundsätzlich das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA), gegebenenfalls aber auch andere, materiell interessierte Departemente beigezogen (vgl. dazu die gemeinsame Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz und der Direktion für Völkerrecht über den Abschluss von Staatsverträgen, VPB 1987 Nr. 58).

1.3.3

Vereinbarungen über den Status schweizerischer Militärpersonen im Ausland und ausländischer Militärpersonen in der Schweiz (sog. Status of Forces Agreements, SOFA)

Die bereits heute bestehende Ausbildungskooperation, die Teilnahme von Schweizern an Aktivitäten der Partnerschaft für den Frieden (PfP) im Ausland, die bereits realisierten Auslandeinsätze von Truppen im Friedensförderungsdienst, die Präsenz ausländischer Militärpersonen im Rahmen von PfP-Aktivitäten in der Schweiz sowie die Absicht, diese Kooperationsformen weiter auszubauen (z. B. PfP-Übungen in der Schweiz abzuhalten), führen dazu, dass sich mehr schweizerische Militärpersonen als früher im Ausland bzw. ausländische Militärpersonen in der Schweiz aufhalten.

Es besteht darum ein dringendes Bedürfnis, die praktischen Aspekte dieser Präsenz in Abkommen über den Status von Militärpersonen auf dem Hoheitsgebiet des jeweils anderen Staates zu regeln. Diese Aspekte betreffen vor allem Bereiche wie Gerichtsbarkeit, Haftpflicht, Fahrzeugkennzeichen, Ein- und Ausfuhrbestimmungen, das Tragen von Uniformen und Waffen, die Inanspruchnahme von Infrastruktur im Gastland usw.

Bisher wurden diese Gegenstände fallweise in Einzelabkommen geregelt. Jedoch sehen diese in der Regel die Anwendung des allgemeinen völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips vor, d. h. es wird das Recht des Staates angewendet, auf dessen Hoheitsgebiet sich die Militärpersonen befinden oder ein Sachverhalt sich ereignet hat.

Dies ist besonders für die Strafgerichtsbarkeit von einer gewissen Tragweite, da die

486

meisten Staaten (so auch die Schweiz) ihre Armeeangehörigen auch im Ausland jeweils ihrer eigenen Militärstrafgerichtsbarkeit unterstellen wollen.

Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, werden in der internationalen Praxis so genannte Status of Forces Agreements (SOFA) abgeschlossen, in denen sich die Vertragspartner gegenseitig den bestmöglichen Status ihrer Militärpersonen sicherstellen bzw. zugestehen. Solche Standardvereinbarungen werden entweder für einen Einzelfall oder allgemein für die internationale Zusammenarbeit abgeschlossen.

Ein solches allgemeines SOFA ist z. B. das PfP-SOFA, das für die Partnerstaaten, die es ratifiziert haben, den Status ihrer Militärpersonen (und in diesem Fall auch Zivilpersonen) im Rahmen aller PfP-Aktivitäten regelt. Es wurde mittlerweile von 17 nicht der NATO angehörenden PfP-Partnerstaaten (Albanien, Bulgarien, Estland, Finnland, Georgien, Kasachstan, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldavien, Österreich, Rumänien, Schweden, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Usbekistan) ratifiziert. Das PfP-SOFA könnte auch für die bilaterale Zusammenarbeit, insbesondere mit unseren Nachbarstaaten, als Modell dienen.

Diese Regelungen sind heute auch Standard und integraler Bestandteil von friedensunterstützenden Operationen. Sie etablieren einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen, der die Vorbereitungen für solche Operationen erleichtert, da Kontaktstellen und Verfahren sowie Rechte und Pflichten der Teilnehmer vorab bekannt sind. Diese Standards verschaffen Sicherheit, erlauben Zeitgewinn und vereinfachen die Vorbereitungen. Eine Teilnahme der Schweiz in diesem Rahmen wird zudem sicherstellen, dass das schweizerische Militärpersonal von einer rechtlichen Gleichstellung mit den Angehörigen anderer Kontingente profitieren kann.

Als mehrheitlich technische Instrumente gelangen diese Verträge (sowohl das PfPSOFA als auch eventuelle andere Abkommen dieser Art) nur bei bereits beschlossenen internationalen Kooperationen zur Anwendung und ersetzen keineswegs den eigentlichen Kooperationsvertrag. Der Anlass und das Ausmass der Präsenz schweizerischer Militärpersonen im Ausland bzw. ausländischer Militärpersonen in der Schweiz wird durch den Abschluss eines SOFAs allein in keiner Weise präjudiziert; es betrifft nur die Umsetzung einer anderweitig beschlossenen
internationalen Kooperation.

Mit der vorliegenden Revisionsvorlage soll der Bundesrat ermächtigt werden, selbstständig derartige Abkommen abzuschliessen. In diesem Zusammenhang soll er auch in gewissen spezifischen Bereichen, wo dies sich als notwendig erweist, von der geltenden Gesetzgebung abweichen können (vgl. Erläuterungen zu Art. 150a).

1.4

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren wurde die Stossrichtung des Entwurfs ­ Notwendigkeit einer verstärkten internationalen Kooperation bei der Krisen- und Konfliktbewältigung, vergrössertes schweizerisches Engagement ­ von einer Mehrheit der Teilnehmer gutgeheissen, wenn auch teilweise mit Vorbehalten zu einzelnen Punkten. Die Vorbehalte bezogen sich vor allem auf den Zeitpunkt der Vorlage. Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmer lehnten eine vorgezogene Teilrevision des MG ab und wollten die Vorlage mit der Änderung des MG im Gefolge der Armeereform XXI zusammenlegen oder zumindest die Diskussion um den sicherheitspolitischen Bericht 2000 abwarten. Vereinzelt wurde von grundsätzlich befürwortenden Stim487

men geltend gemacht, die Vorlage lasse zu viele Fragen offen (Spannungsfeld Professionalisierung/Freiwilligkeit, Bewaffnungsfrage) und das Risiko einer Referendumsabstimmung für eine vorgezogene Revision sei hoch, weil die Unterstützung für die Vorlage sich in Grenzen halten dürfte. Zum Teil wurde betont, dass die Konfliktbewältigung vor allem eine zivile Aufgabe sein müsse. Andererseits wurde aber auch unterstrichen, dass die Revision dringlich sei und man nicht weiter zuwarten dürfe.

Die Minderheit, die sich generell ablehnend äusserte, machte namentlich geltend, die Bestimmungen würden im Widerspruch zur dauernden bewaffneten Neutralität beziehungsweise zu Artikel 102 Ziffer 9 der alten Bundesverfassung (neu: Art. 185 Abs. 1 nBV) stehen. Einige Teilnehmer lehnten die Strategieänderung bzw. die angeblich damit verbundene Annäherung an die NATO ab, die mit der Vorlage verbunden sei.

Mit der Kompetenzdelegation an den Bundesrat, Abkommen über die Ausbildung im Ausland oder mit ausländischen Truppen abzuschliessen (Art. 48a), konnte sich die grosse Mehrheit einverstanden erklären. Gegner der Vorlage betonten auch hier die angeblich allzu grosse Annäherung an die NATO oder erachteten eine Ausweitung der Ausbildungstätigkeit im Ausland als unerwünscht.

Die Bestimmung über den Friedensförderungsdienst (Art. 66) wurde allgemein als politisch heikelster Punkt der Vorlage betrachtet. Mit dem Grundsatz der Bewaffnung der Truppen, die für friedensfördernde Einsätze ins Ausland geschickt werden, erklärte sich indessen eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer einverstanden.

Nur eine kleine Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmer lehnte den Auslandeinsatz bewaffneter Einheiten grundsätzlich ab. Für sie steht die Regelung im Widerspruch zum Status eines unparteiischen und neutralen Staates, denn mit der Entsendung bewaffneter Truppen nehme die Schweiz politisch Partei, und dies sei unvereinbar mit unparteiischer humanitärer Hilfe. Zudem sei unklar, unter welches Kommando solche Truppen gestellt werden könnten.

Verschiedene Teilnehmer machten die Entsendung von bewaffneten Truppen ins Ausland von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig: ­

von der Erwähnung eines Mandats der internationalen Gemeinschaft bzw.

der UNO oder OSZE;

­

von der Zustimmung der betroffenen Staaten;

­

von angemessenen Sicherheitsvorkehren seitens der UNO bzw. OSZE für einen allfälligen Rückzug der entsandten Truppen.

Den ersten beiden Anliegen wurde in der vorliegenden Fassung Rechnung getragen.

Eine Mehrheit unterstützte die Bewaffnung im vorgesehenen Umfang, also zum Selbstschutz und für die Auftragserfüllung. Es wurde aber zum Teil gefordert, dass Aufträge und Einsatzformen im Gesetz substanzieller aufgelistet werden sollen.

Der vorgeschlagene Einbezug des Parlaments wurde ebenfalls mehrheitlich gutgeheissen. Verschiedene Teilnehmer sahen jedoch keine Analogie zum Assistenzdienst und forderten daher eine restriktivere Regelung, das heisst eine Genehmigung ab einem Einsatz von Bataillonsgrösse (500­700 Angehörige der Armee). Auch wurde geltend gemacht, die Genehmigung durch das Parlament sollte wenn möglich vor einem Einsatz erfolgen.

488

Dem Anliegen betreffend die Kontingentsgrösse als Voraussetzung für das parlamentarische Genehmigungsverfahren wurde in der vorliegenden Fassung ebenfalls Rechnung getragen.

Die Bestimmung über den Abschluss von Abkommen über den Status von Angehörigen der Armee (Art. 150a MG) war wiederum wenig bestritten. Es wurde vor allem gefordert, die Folgen für das Militärstrafrecht vertieft zu prüfen: gemäss einigen Teilnehmern, um zu vermeiden, dass die schweizerischen Armeeangehörigen im Ausland fremden Richtern unterstehen (Personalitätsprinzip statt Territorialitätsprinzip); gemäss anderen Teilnehmern, um zu vermeiden, dass ausländische Armeeangehörige bei einem Vergehen in der Schweiz ungestraft bleiben.

2

Besonderer Teil: Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen

2.1

Beschluss A (Ausbildungszusammenarbeit und SOFA)

2.1.1

Artikel 48a: Ausbildung im Ausland oder zusammen mit ausländischen Truppen

Absatz 1 Die Kooperation mit ausländischen Staaten im militärischen Ausbildungsbereich hat in der Zwischenzeit stark zugenommen. Daher soll eine eingehende Regelung der Kompetenz zum Abschluss entsprechender internationaler Instrumente in Artikel 48a MG festgehalten werden. Wesentlich ist, dass diese Kompetenz sich auf den Ausbildungsbereich beschränkt: «Ausbildung von Truppen im Ausland» (Bst. a), «Ausbildung ausländischer Truppen in der Schweiz» (Bst. b) und «gemeinsame Übungen mit ausländischen Truppen» (Bst. c). Einsätze (z. B. für friedenserhaltende Aktionen) sind nicht Gegenstand dieser Bestimmung.

Ausbildungsvereinbarungen werden vom Bundesrat innerhalb der Grenzen des Bagatellvertrages im Einzelfall bereits heute abgeschlossen. Mit dem vorgeschlagenen Absatz 1 von Artikel 48a soll seine Kompetenz verallgemeinert und auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt werden.

Absatz 2 Während Absatz 1 der Bestimmung Abkommen über die generelle Zusammenarbeit im militärischen Ausbildungsbereich mit ausländischen Staaten betrifft, geht es in Absatz 2 um einzelne Ausbildungsaktivitäten, das heisst um konkrete Übungen oder Ausbildungsaufenthalte.

Diese Vereinbarungen enthalten daher auch untergeordnete technische und administrative Aspekte, die im Hinblick auf eine bestimmte Übung von Bedeutung sind.

Geregelt werden etwa der Ablauf des Ausbildungsvorhabens oder der Übung, der Auftrag der eingesetzten Truppen und Teilnehmer, Datum und Ort der Durchführung, der Kreis der Truppen bzw. Teilnehmer und das eingesetzte Material, die Verantwortlichen für die Organisation und die Leitung. Diese Detailregelungen brauchen nicht in jedem Fall dem Bundesrat unterbreitet zu werden. Wo ein Rahmenabkommen die gemeinsame Ausbildungstätigkeit umschreibt, kann die Zuständigkeit zum Erlass der Einzelvereinbarungen dem VBS als zuständigem Departement übertragen werden, wobei grundsätzlich das Eidgenössische Departement für Auswärtige 489

Angelegenheiten (EDA), gegebenenfalls aber auch andere materiell interessierte Departemente beigezogen werden.

2.1.2

Artikel 150a: Abkommen über den Status von Angehörigen der Armee

Absatz 1 In diesem Artikel geht es um Vereinbarungen über die Stellung schweizerischer Militärpersonen im Ausland und ausländischer Militärpersonen in der Schweiz, die sogenannten Status of Forces Agreements (SOFA).

Der Aufenthalt von Truppen in einem andern Staat oder gemeinsame Truppenübungen auf dem Territorium eines der beiden Staaten bedürfen zahlreicher Regelungen, etwa betreffend Grenzübertritt der beteiligten Personen, Ein- und Ausfuhrvorschriften für das mitgeführte Material inklusive Fahrzeuge, Flugzeuge, Waffen und Munition, über die Gerichtsbarkeit im strafrechtlichen und zivilrechtlichen Bereich, die disziplinarische Zuständigkeit sowie die Haftung bei Personen- und Sachschäden.

Da die Schweiz bisher kein spezifisches SOFA genehmigt oder ratifiziert hat, müssen diese Punkte jeweils in den Einzelabkommen (vgl. Art. 48a) geregelt werden.

Da dies mit verschiedenen Staaten geschieht, sind teilweise unterschiedliche Regelungen die Folge. Dies ist in der Praxis für alle Beteiligten erschwerend. Daher besteht ein Bedürfnis ­ seitens der schweizerischen Stellen, aber auch der Partner der Schweiz ­, diese Fragen einheitlich zu regeln.

Im Vordergrund steht dabei das PfP-SOFA, das für die hauptsächlichen Kooperationspartner unseres Landes bereits Geltung hat. Wenn auch die Schweiz dieses SOFA übernimmt, so kann in den Vereinbarungen über die einzelnen Ausbildungsoder Übungsvorhaben lediglich noch auf das für die beteiligten Staaten geltende SOFA verwiesen werden. Damit ist auch verdeutlicht, dass es bei diesen SOFAs nicht um die einzelnen Ausbildungs- oder Übungsaktivitäten selber geht. Diese müssen jeweils in spezifischen Vereinbarungen festgelegt werden.

Absatz 2 Wie erwähnt, beschränken sich die SOFAs auf juristisch-technische Fragen. In einzelnen Punkten enthalten die standardisierten Abkommen jedoch Regelungen, die von unserem Recht abweichen, aber im Umfeld der Kooperation zwischen Truppen verschiedener Staaten durchaus zweckmässig sind. Aus diesen Gründen benötigt der Bundesrat neben der Kompetenz, solche Abkommen abzuschliessen, auch die Erlaubnis, in gewissen Bereichen von der generellen schweizerischen Regelung abzuweichen.

Die entsprechenden Bereiche sind abschliessend in Absatz 2 aufgeführt.

Die Haftung für Personen- und Sachschäden ist in Artikel 135 ff. MG festgelegt. In
internationalen Abkommen wird indes häufig vereinbart, dass die Staaten gegenseitig auf Ersatzansprüche für Schäden am eigenen Material beziehungsweise die Rückerstattung von Entschädigungen bei Verletzung oder Tötung von eigenen Armeeangehörigen verzichten. Solche Regelungen, die der internationalen staatlichen Courtoisie entsprechen, sollen mit der Ausnahmebestimmung möglich bleiben. Dabei wird im Text präzisiert, dass die Rechtsstellung unbeteiligter Privatpersonen nicht beeinträchtigt werden darf (Bst. a).

490

In allen Staaten sieht das Strafrecht wie in der Schweiz vor, dass alle Personen, die sich auf ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, auch ihrem Strafrecht unterstellt sind (Territorialitätsprinzip). Gleichzeitig sieht das Militärstrafrecht in der Regel vor, dass Militärpersonen, die sich im Ausland aufhalten, ihrem nationalen Militärstrafrecht unterstellt bleiben (Personalitätsprinzip).

Auf Grund der Reziprozität im Rahmen von internationalen Abkommen (u. a.

SOFA) führt dies unweigerlich zu einer Rechtskollision. Deshalb muss die Möglichkeit bestehen, auf eine der beiden Strafrechtsanwendungen zu verzichten (Bst. b).

Zum einen muss der Bundesrat das Personalitätsprinzip vereinbaren können, wie dies etwa im PfP-SOFA vorgesehen ist. Für schweizerische Militärpersonen bleibt somit für Handlungen im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit das Schweizer Strafrecht anwendbar, und sie bleiben der schweizerischen Gerichtsbarkeit auch im Ausland unterstellt. Im Gegenzug wird für ausländische Militärpersonen auf die Anwendung des schweizerischen Strafrechts zu Gunsten ihres eigenen Militärstrafrechts verzichtet.

Zum anderen behält der Bundesrat die Möglichkeit, wenn dies von beiden Staaten in einem bilateralen SOFA gewünscht wird, die Anwendung des Territorialitätsprinzips vorzusehen. In diesem Fall wird auf die Anwendung des Militärstrafrechts zu Gunsten des nationalen Strafrechts des Aufenthaltsstaates verzichtet. Das bedeutet, dass schweizerische Militärpersonen, wie bei anderen Auslandaufenthalten nicht mehr der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterstehen würden. Da die Entsendung ins Ausland aber auf freiwilliger Basis beruht, kann dieser Umstand in Kauf genommen werden. Im Übrigen werden die Betroffenen darüber informiert. Auf der anderen Seite wird auf ausländische Militärpersonen wiederum das Schweizer Strafrecht angewendet.

Die Ausnahme von Ein- und Ausfuhrbestimmungen betrifft das Material (inkl. Munition), das ausländische Truppen z. B. im Hinblick auf eine Übung mitbringen.

Dieses Material, das nach dem Abschluss des Ausbildungsvorhabens ­ soweit nicht aufgebraucht ­ wieder ausgeführt wird, soll von Abgaben und Steuern ausgenommen sein. Auch Grenzformalitäten sollen soweit wie möglich vereinfacht werden (Bst. c).

Alle diese Regelungen beruhen auf Gegenseitigkeit. Das heisst, dass alle Partnerstaaten eines Abkommens jeweils in den Genuss entsprechender Erleichterungen kommen.

2.2

Beschluss B (Friedensförderungsdienst)

2.2.1

Artikel 66: Voraussetzungen

Absatz 1 Der Friedensförderungsdienst ist bereits im geltenden Artikel 66 MG enthalten. Neu (auf Grund der Resultate des Vernehmlassungsverfahrens) definiert dieser Artikel aber, in welchem Rahmen die Friedensförderungseinsätze angeordnet werden können: Als Grundlage muss ein Mandat der UNO oder der OSZE vorliegen. Gegebenenfalls wäre aber auch die Zustimmung der betroffenen Staaten betreffend einen Einsatz (z. B. in einem Friedensabkommen) eine genügende völkerrechtliche

491

Grundlage. Zudem wird festgehalten, dass diese Einsätze dem Rahmen unserer Aussen- und Sicherheitspolitik zu entsprechen haben. Das heisst auch, dass sie mit dem Neutralitätsrecht und unserer Neutralitätspolitik vereinbar sein müssen.

Kurz zusammengefasst lässt sich das schweizerische Einsatzkonzept wie folgt umschreiben: Die Schweiz beschränkt ihre Teilnahme auf Missionen der UNO oder der OSZE, welche der Einhaltung, Kontrolle und Konsolidierung einer beschlossenen internationalen Regelung für eine Konfliktsituation dienen. Im Rahmen einer solchen Mission konzentriert die Schweiz ihre Einsätze auf die Erfüllung von Unterstützungsaufgaben zu Gunsten der Mission, der rechtmässigen örtlichen Behörden und der Zivilbevölkerung, auf die Begleitung und Überwachung von Lieferungen und die Verteilung humanitärer Hilfsgüter oder die Überwachung von Waffenstillstandszonen oder entmilitarisierten Gebieten, die der Trennung von Konfliktparteien dienen. Hingegen wird sich die Schweiz nicht an einem Einsatz beteiligen, der die Vornahme eigentlicher Kampfhandlungen bzw. den militärischen Gewalteinsatz als zentrales Element des Mandates vorsehen würde. Der Gewalteinsatz kommt für die Schweiz folglich nur als ultima ratio zu Notwehr- und Nothilfezwecken und punktuelles Mittel zum Schutz ihrer Auftragserfüllung in Frage. Weder die Zusammensetzung der entsandten Truppen noch die Art der Einsätze bzw. der Charakter der Aufträge, die die Schweiz ausführen wird, werden auf militärische Zwangsmassnahmen ausgerichtet sein.

Absatz 2 Da die Frage der Bewaffnung in Artikel 66a neu geregelt werden soll, entfällt im Vergleich zur heutigen Fassung (Art. 66 Abs. 1) der Hinweis darauf, dass diese Einsatzart unbewaffnet erfolge. Zudem kann auf Grund des neuen Absatzes 1 dieses Artikels auf die Präzisierung, dass Friedensförderungsdienst bei friedenserhaltenden Operationen im internationalen Rahmen geleistet wird, verzichtet werden. Hingegen wird neu im Gesetzestext unterstrichen, dass die Personen, die in Friedensförderungseinsätze entsendet werden, einer eigenen speziellen Ausbildung bedürfen.

Grundsätzlich werden Militär- und Zivilpersonen mit Schweizer Bürgerrecht für den Friedensförderungsdienst eingesetzt. In Ausnahmefällen soll es aber auch möglich sein, ausländische Zivilpersonen einzusetzen (z. B. Dolmetscher).

Absatz 3
Der Gesetzestext wurde an die heutigen Umstände angepasst, indem man heute nicht mehr von friedenserhaltenden, sondern von friedensunterstützenden Operationen spricht. Die Anmeldung zur Teilnahme an einer solchen Operation bleibt aber selbstverständlich freiwillig. Dieser Absatz bleibt daher im Vergleich zum geltenden Recht (Art. 66 Abs. 2) grundsätzlich unverändert.

2.2.2

Artikel 66a: Bewaffnung

Die Praxis der bisherigen Einsätze hat deutlich aufgezeigt, dass die geltende Regelung dem Bedürfnis nach Bewaffnung nicht genügt. Sie gestattet bloss die Bewaffnung von einzelnen Personen zum unmittelbaren individuellen Selbstschutz in Notsituationen (Art. 66 Abs. 3).

Ausgehend von der fallbezogenen spezifischen Interessenlage der Schweiz soll der Bundesrat ermächtigt werden, der internationalen Gemeinschaft auch Truppenkon492

tingente für multinationale friedensunterstützende Operationen anbieten zu können, für welche die Bewaffnung eine zwingende Bedingung darstellt. Er soll in diesem Fall in die Lage versetzt werden, flexibel Art und Umfang der Bewaffnung so festzulegen, dass ein wirkungsvoller Selbstschutz des schweizerischen Kontingents gewährleistet ist und sie den Bedürfnissen zur Erfüllung der friedensunterstützenden Operation dient. Waffen für den persönlichen Schutz sind z. B. Mehrzweckstock, Gasspray, Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, gepanzerte Manschaftstransportfahrzeuge (mit Bewaffnung). Je nach Auftrag der friedensunterstützenden Operation müssen dafür auch Kollektivwaffen eingesetzt werden, wie z. B. Maschinengewehre und Fliegerabwehrgeschütze. Der Zweck der Bewaffnung ist jedoch klar vorgegeben, indem die Schweiz ihre Truppen in friedensunterstützenden Operationen nicht für Kampfaufträge zur Verfügung stellen wird.

Die übrige Ausrüstung der Schweizer Einzelpersonen und Kontingente wird nicht vom Bundesrat, sondern vom operationell zuständigen Departement bestimmt und auf den Einsatz zugeschnitten. Diesbezüglich gilt es festzuhalten, dass unter anderem auch Splitter- und Kugelschutzwesten und gepanzerte Mannschaftstransportfahrzeuge (ohne Bewaffnung) zur Ausrüstung zählen, die nicht unter den Begriff der Bewaffnung fallen und dennoch zum Schutz der eingesetzten Personen beitragen.

Der Bundesrat muss in Kenntnis des internationalen Mandates und der «Rules of Engagement» (Einsatzregeln) für den jeweiligen Einsatz die angemessene Zusammensetzung und Bewaffnung für das zu entsendende Kontingent bestimmen können.

In seiner Beurteilung wird er auch gestützt auf neutralitätsrechtliche und neutralitätspolitische Überlegungen abwägen, ob die in einem internationalen Mandat enthaltenen Ermächtigungen zur Anwendung von militärischer Gewalt sich im vorgegebenen Rahmen befinden und eine schweizerische Teilnahme gestatten. Im Falle der Unbedenklichkeit wird er die zwar beschränkten, aber nie vollständig auszuschliessenden Risiken solcher Einsätze dadurch zusätzlich reduzieren, dass er schweizerische Kontingente anbietet, die nicht für Kampfeinsätze vorgesehen und auf solche zugeschnitten sind. Die langjährige Erfahrung anderer vergleichbarer Länder (z. B. Österreich) in solchen Aktionen zeigt, dass dies möglich und akzeptiert ist.

2.2.3

Artikel 66b: Zuständigkeiten

Absatz 1 Als Grundsatz gilt sowohl für unbewaffnete als auch für bewaffnete Einsätze, dass für deren Anordnung der Bundesrat zuständig ist.

Absatz 2 In Übereinstimmung mit der bisherigen verfassungsrechtlichen Praxis und mit den Artikeln 166 und 184 nBV soll im Gesetz ausdrücklich die Kompetenz des Bundesrates aufgeführt werden, die im Zusammenhang mit der Entsendung von Schweizer Truppen für einen friedensunterstützenden Einsatz notwendigen internationalen Vereinbarungen in eigener Zuständigkeit abschliessen zu können. Wie der Einsatz eines Schweizer Kontingents im Rahmen der KFOR im Kosovo zeigt, handelt es sich vor allem um Transit-, Status- und Kooperationsabkommen, welche von beschränkter sachlicher und personeller Tragweite und vorwiegend technischadministrativer Natur sind. Sofern es sich um einen Einsatz handelt, welcher der 493

ausdrücklichen Zustimmung der Bundesversammlung bedarf (Art. 66b Abs. 3), wird der Bundesrat derartige Abkommen erst nach erfolgtem parlamentarischem Einverständnis zur Truppenentsendung abschliessen. Ist ausnahmsweise die Einholung dieser Zustimmung vor Abschluss eines zwingend notwendigen Abkommens nicht möglich und verweigert die Bundesversammlung nachträglich ihre Zustimmung zum Truppeneinsatz, werden die getroffenen Vereinbarungen kurzfristig aufgelöst.

Absatz 3 Die Anhörung der Aussenpolitischen und der Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte soll den Einbezug des Parlaments auch in den Fällen garantieren, in denen eine parlamentarische Genehmigung nicht erforderlich (Abs. 4) oder auf Grund der Dringlichkeit des Einsatzes nicht möglich ist. Diese Regelung gilt jedoch nur für bewaffnete Einsätze; für unbewaffnete Einsätze erfolgt die Anordnung wie bis anhin in alleiniger Zuständigkeit des Bundesrates.

Absatz 4 Die Regelung betreffend das parlamentarische Genehmigungsverfahren für bewaffnete Einsätze lehnt sich an die Aufgebotsregelung an, die bis jetzt im Militärgesetz für den Assistenzdienst vorgesehen ist (Art. 70 MG) und die sich ihrerseits an der verfassungsrechtlichen Aufgebotsregelung für den Aktivdienst orientiert.

Unter gewissen Voraussetzungen muss demnach die Bundesversammlung einen Einsatz genehmigen. Diese Genehmigung kann in dringlichen Fällen aber auch nachträglich erfolgen (normalerweise in der nächsten ordentlichen Session), damit ein grösserer Handlungsspielraum und eine raschere Reaktionsfähigkeit gewährleistet ist. Im Rahmen des Friedensförderungdienstes rechtfertigt sich dies umso mehr, als er auf freiwilliger Teilnahme beruht.

Beim Kriterium der Einsatzdauer als Voraussetzung für das parlamentarische Genehmigungsverfahren kann die Grenze von drei Wochen problemlos übernommen werden. Was jedoch die Anzahl der Teilnehmer betrifft, ist gemessen an den tatsächlichen Möglichkeiten der Schweizer Armee nur eine niedrige Grenze als Voraussetzung für ein parlamentarisches Genehmigungsverfahren sinnvoll. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Schweiz auch mit einer verbesserten Friedensförderungskapazität auf absehbare Zeit kaum Detachements ins Ausland wird schicken können, die die Kompaniestärke überschreiten. Deshalb setzt die Vorlage die Grenze der Kontingentsgrösse
als Voraussetzung für ein parlamentarisches Genehmigungsverfahren dort an, wo in der Praxis eine klare Unterscheidung zwischen kleineren, autonom funktionsfähigen Verbänden und grösseren Verbänden gemacht werden kann: d. h. bei 100 bewaffneten Teilnehmern.

Ist eine der beiden gesetzten Grenzen erreicht (100 bewaffnete Teilnehmer oder drei Wochen), so entscheidet das Parlament über den Einsatz. Im nachträglichen Genehmigungsverfahren kann das Parlament entweder den Einsatz genehmigen oder den Bundesrat beauftragen, ihn abzubrechen.

Diese Regelung bedingt ebenfalls einen erneuten Einbezug des Parlaments bei einer Verlängerung des Einsatzes oder bei einer wesentlichen Erweiterung auf Grund einer neuen Lagebeurteilung.

494

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung hat keine direkten finanziellen Auswirkungen. Künftige auf das geänderte Gesetz gestützte Einsätze werden gesondert bewilligt. Die Kosten für die Ausbildung werden im Rahmen der normalen Ausbildungsbudgets aufgefangen.

3.2

Personelle Auswirkungen

Die für die verstärkte Tätigkeit in Ausbildung und Friedensförderung notwendig werdenden Stellen werden VBS-intern kompensiert.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1995­1999 nicht vorgesehen. Sie ist jedoch dringlich und wird deshalb der Gesetzesrevision zur Armeeplanung XXI vorgezogen (Ziff. 12). Die nächste Legislaturplanung beinhaltet die Vorlage.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

In der Europäischen Union stellt die Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach wie vor eine prinzipiell nationale Domäne jedes Mitgliedstaates dar. Entsprechende innerstaatliche Regelungen werden denn auch vom Recht der EU grundsätzlich nicht berührt. Gleiches gilt auch für den vorliegenden Revisionsentwurf des Militärgesetzes.

Die Bestimmungen des Titels V des Vertrags über die Europäische Union ­ Bestimmungen über die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP) ­ sehen die Vertiefung der in der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 vertraglich verankerten Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) vor. Die GASP ist Gegenstand intergouvernementaler Zusammenarbeit und als solche nicht den supranationalen Regeln des EG-Vertrags unterworfen. Gegenstand der GASP sind gemäss Artikel 17 Absatz 1 «sämtliche Fragen, die die Sicherheit der Union betreffen (...).» In den Anwendungsbereich der GASP fallen insbesondere auch «humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschliesslich friedensschaffender Massnahmen» (Art. 17 Abs. 2 EU-Vertrag). Die mit der vorliegenden Gesetzesrevision bekräftigte Politik der Schweiz, sich nicht nur finanziell und mit unbewaffneten Zivilisten und Militärangehörigen, sondern inskünftig auch mit bewaffneten Truppen an internationalen Friedensmissionen zu beteiligen, entspricht auch den Zielsetzungen der EU in diesem Bereich.

Die politische Lage in Europa und seinem strategischen Vorfeld unterstreicht aber weiterhin die Notwendigkeit von intensiven Bemühungen um die Schaffung von international abgestützten Mechanismen für eine friedliche Konfliktlösung. In den umliegenden Staaten stehen hochmobile, flexibel ausgerüstete und bewaffnete militärische Verbände für friedensfördernde Einsätze zur Verfügung. Sicherheitspoli495

tisch ermöglicht die vorliegende Anpassung des gesetzlichen Rahmens der Schweiz eine gezielte, glaubwürdige und solidarische Beteiligung an globalen oder euroregionalen friedenssichernden Massnahmen. Diese Bemühungen stabilisieren den zentraleuropäischen Raum und entsprechen damit den strategischen Interessen aller beteiligten Staaten.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Bundessache (Art. 60 Abs. 1 nBV). Ebenso ist der Bund zuständig für die auswärtigen Angelegenheiten (Art. 54 nBV). Damit ist die Kompetenz des Bundes für den Abschluss von internationalen Abkommen im Ausbildungsbereich gegeben.

Auch die Kompetenz zum Abschluss von Statusabkommen kommt auf Grund dieser Zuständigkeitsordnung dem Bund zu. Nach Artikel 166 Absatz 2 nBV hat die Bundesversammlung die völkerrechtlichen Verträge zu genehmigen, soweit für deren Abschluss nicht der Bundesrat zuständig ist. Mit der vorliegenden Gesetzesrevision soll die Kompetenz, die der Bundesrat bezüglich der Ausbildungsabkommen bisher auf Grund einer verfassungsrechtlich anerkannten Praxis ausübte, ausdrücklich auf gesetzlicher Stufe verankert werden.

Die Verfassungsmässigkeit des Friedensförderungsdienstes wurde bereits mehrfach geprüft und bejaht, soweit die Einsätze auf Freiwilligkeit beruhen (vgl. insbesondere Botschaft betreffend das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung sowie den Bundesbeschluss über die Organisation der Armee, BBl 1993 IV 1, Ziff. 6.1; Botschaft betreffend das Bundesgesetz über schweizerische Truppen für friedenserhaltende Operationen, BBl 1992 V 1141, Ziff. 4.3 und 11.1; Schindler, Kommentar zur BV von 1874, Rz. 39 zu Art. 8). Keine Rolle spielt dabei, welche Massnahmen zum Schutz von Personen, Truppen und Auftragserfüllung vorgenommen werden, wie insbesondere die Bewaffnung. Der Bundesrat ist jedoch verpflichtet, Einsätze im Einzelfall auf die Vereinbarkeit mit den aussen- und sicherheitspolitischen Maximen, dem Neutralitätsrecht sowie der Neutralitätspolitik unseres Landes hin zu prüfen.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Bundesrat, der für die Führung der Aussen- und Sicherheitspolitik zuständig ist, soll über die nötigen Kompetenzen für den Abschluss von internationalen Abkommen in den hier relevanten Bereichen verfügen. Er soll zudem in der Lage sein, zeitgerecht Friedensförderungseinsätze anzuordnen und die notwendige Ausrüstung und Bewaffnung sowie weitere Massnahmen festzulegen. Die Befugnisse des Parlaments müssen jedoch in grundsätzlichen Belangen stets gewahrt bleiben. Daher soll die Bundesversammlung länger dauernde oder zahlenmässig bedeutsame bewaffnete Einsätze genehmigen.

496

Anhang

Glossar zur Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung IFOR/SFOR

Intervention Force / Stabilization Force: in Bosnien und Herzegowina eingesetzte, auf das Friedensabkommen von Dayton und ein UNO-Mandat abgestützte internationale Interventions- und Stabilisierungstruppen, bestehend aus NATO- und NichtNATO-Staaten

«Gelbmützen»

Swiss Headquarters Support Unit (SHQSU): unbewaffnete Angehörige von (bisher) schweizerischen logistischen Unterstützungsformationen für die OSZEMission in Bosnien Herzegowina

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (früher KSZE: Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)

Partnerschaft für den Frieden

Partnership for Peace (PfP): NATO-Initiative zur Vertiefung der Zusammenarbeit im militärischen Bereich zwischen Nicht-NATO-Staaten und NATO-Staaten nach dem A-la-carte Prinzip (jeder Partnerstaat bestimmt individuell sein Partnerschaftsprogramm)

Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat

Euro-Atlantic Partnership Council (EAPC): PfPForum, das durch Konsultation und Massnahmen zur Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit zwischen der NATO und Nichtmitgliedern zur Stärkung des Friedens und der Stabilität in Europa beitragen will

Verifikationsmission in Kosovo

Kosovo Verification Mission (KVM): Verifikatoren (Verifiers), die die Inhalte des Abkommens zwischen den Konfliktparteien im Kosovo vor Ort überprüfen

UNSCOM

United Nations Supervision Commission: Verifikationskommission der Vereinten Nationen, die im Irak die Vernichtung aller ABC-Waffen und -Produktionsanlagen überprüfen soll

Genfer Zentrum für internationale humanitäre Minenräumung

Geneva Center for international humanitarian Dem ining (GCIHD): mehrheitlich von der Schweiz finanziertes Zentrum (Stiftung), das insbesondere die UNO-Aktivitäten im Bereich der humanitären Minenräumung unterstützt

Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik

Geneva Center für Security Policy (GCSP): mehrheitlich von der Schweiz (VBS/EDA), aber auch von anderen Staaten finanziertes Zentrum (Stiftung), das im Rahmen von PfP Ausbildungsprogramme für Diplomaten und Militär im Bereich Sicherheitspolitik anbietet 497

Friedensförderungsdienst

Einsatzart der Schweizer Armee, bei der freiwillige, bisher unbewaffnete, Armeeangehörige für Friedensoperationen im Ausland eingesetzt werden

Peace-keeping

Friedenserhaltende Massnahmen: Bezeichnung für alle Aktivitäten zur Eindämmung, Entschärfung oder Beendigung von Feindseligkeiten unter Führung oder Ermächtigung internationaler Organisationen mit Zustimmung der Konfliktparteien

Peace-enforcement

Friedenserzwingende Massnahmen: Zwangsmassnahmen nach Kapitel VII zur Wahrung oder Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit unter Einsatz militärischer Mittel auch ohne Zustimmung der Parteien

Friedensunterstützende Operationen

Peace Support Operations (PSO): Sammelbegriff der heutigen gesamten internationalen Kooperationsmöglichkeiten zur Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens in einem Konflitkgebiet mit Elementen des Peace-keeping und auch des Peace-enforcement; sie finden in der Regel unter Mandaten statt, die sich sowohl auf Kapitel VI wie VII der UN-Charta stützen; sie unterscheiden sich aber vom eigentlichen Peaceenforcement dadurch, dass Gewalt nur auftragsbezogen, selektiv und zur Unterstützung eines UN- oder OSZE-Mandates eingesetzt wird, und nicht als zentrales oder sogar einziges Mittel zur Erreichung des Ziels der Operation zur Anwendung kommt

Rules of Engagement

Regeln, die von der Internationalen Organisation, die eine friedensunterstützende Operation leitet, auf Grund des Mandates zur Durchführung dieser Operation festgelegt werden und die insbesondere auch den Waffengebrauch regeln

Memorandum of Understanding (MOU)

internationales Instrument, welches in der Regel eine blosse politische Absichtserklärung zum Inhalt hat und keine verbindlichen Rechte und Pflichten begründet

Status of Forces Agreement

internationale Vereinbarung, die den Status von Militärpersonen im Ausland regelt, d. h. insbesondere Gerichtsbarkeit und Haftpflicht, aber auch Benutzung von Fahrzeugen, Ein- und Ausfuhrbestimmungen usw.

Eine solche Vereinbarung kann allgemein (wie z. B.

für alle PfP-Aktivitäten) oder für eine einzelne Kooperationsaktivität abgeschlossen werden.

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