zu 01.023 Totalrevision der Bundesrechtspflege Zusatzbericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates zum Entwurf für ein Bundesgesetz über die Justizkommission (JKG) vom 16. November 2001

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Ausgangslage

Im Rahmen der Beratung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht hat sich die Kommission für Rechtsfragen eingehend mit der Frage der Aufsicht über die Gerichte und der Wahl der Richter und Richterinnen befasst.

Das Bundesstrafgericht soll 15­35, das Bundesverwaltungsgericht 50­70 Richterstellen umfassen. Da Teilzeitstellen möglich sind, ist mit über 100 Amtsträgern zu rechnen. Deren Wahl (Wiederwahl) und Beaufsichtigung stellt schon rein quantitativ eine erhebliche Aufgabe dar.

Die Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001 (BBl 2001 4207 ff.) schlägt als Wahlorgan den Bundesrat vor. Die beiden Gerichte sollen einzig der Oberaufsicht der Bundesversammlung unterstehen (Ziff. 2.5.5/6, BBl 2001 4257 ff.).

Die RK-S hat demgegenüber beschlossen, dass die Richterinnen und Richter des Bundesstrafgerichts (und des Bundesverwaltungsgerichts) durch die Bundesversammlung gewählt werden. Letztere übt zudem die Oberaufsicht aus. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben soll die Bundesversammlung durch eine neu zu schaffende Justizkommission unterstützt werden.

Die RK-S hat den beiliegenden Gesetzesentwurf einstimmig verabschiedet.

2

Antrag zur Schaffung einer Justizkommission

2.1

Beschrieb

Der Rechtsvergleich (vgl. den Anhang) zeigt, dass namentlich die italienische Verfassung den Consiglio Superiore della Magistratura (CSM) als ein besonderes, ausserhalb der klassischen Behördentrias (Parlament, Regierung, Justiz) stehendes Organ von hohem Rang konzipiert, dem im Justizbereich Wahl- und Aufsichtsfunktionen mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen zustehen.

Die Schaffung eines solchen Organs für die Bundesjustiz käme einem Systemwechsel gleich, bei dem die diesbezüglichen Funktionen der Bundesversammlung auf die Justizkommission übergehen würden. Mit einzubeziehen wäre dann wohl zwingend auch das Bundesgericht. Die Bundesverfassung müsste entsprechend geändert werden.

2001-2606

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So weit zu gehen, ist nicht beabsichtigt. Die RK-S hat entschieden, dass die Bundesversammlung die Richter der unteren Gerichte des Bundes wählen soll. Der Bundesversammlung steht zudem von Verfassungs wegen die Oberaufsicht zu (Art. 169 Abs. 1 BV).

Unter diesen Prämissen unterbreitet die RK-S ein anderes Modell, bei dem die Justizkommission als intermediäres Gremium ergänzend zur Bundesversammlung tätig wird. Die Justizkommission bildet eine Art Brücke zwischen dem Parlament und den Gerichten. Sie wirkt bei der Vorbereitung der Richterwahlen mit und entlastet die Bundesversammlung bei ihrer Oberaufsichtsfunktion, indem sie die unteren Gerichte begleitend überwacht. Die Wahlkompetenz der Bundesversammlung bleibt gewahrt, ebenso die Oberaufsicht.

2.2

Vor- und Nachteile

Vorteile:

1

­

Die Bundesversammlung verfügt über die massgebenden Kompetenzen (Wahlbefugnis, Oberaufsicht), wird aber dank der Zwischenschaltung der Justizkommission nicht übermässig belastet.

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Ebenso wenig wird dem ohnehin überlasteten Bundesgericht eine neue, arbeitsintensive Aufsichtsaufgabe übertragen.

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Es kann sich eine wirksame Fachkontrolle etablieren. Gleichzeitig bleibt die (politische) Oberaufsicht der Bundesversammlung gewahrt.

­

Die Justizkommission bildet eine Art Brücke zwischen Justiz und Parlament.

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Die Verantwortlichkeiten sind klar.

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Das Vertrauen der Rechtssuchenden wird gestärkt, wenn auch die Gerichte einer wirksamen Aufsicht unterliegen.

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Die Richterwahlen werden ein Stück weit entpolitisiert. Die Auswahl der Richterinnen und Richter kann primär auf Grund objektiver Kriterien, das heisst nach optimaler persönlicher und fachlicher Eignung, erfolgen.

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Die Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit, welche mit dem Wiederwahlerfordernis verbunden sind (Judizieren zum Wohlgefallen des Wahlorgans, «aufgezwungener» Kandidaturverzicht, Denkzettel durch schlechtes Wahlergebnis oder gar Abwahl politisch missliebiger Richter1), werden entschärft, weil mit der Justizkommission eine Fachbehörde bei den Wiederwahlen mitwirkt.

­

Es besteht eine Behörde, die für die Justiz zuständig ist. Das Konzept könnte später bei Bedarf weiterentwickelt werden, z.B. indem der Justizkommission auch die Fortbildung der Richter übertragen würde.

Vgl. dazu Regina Kiener, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 285 ff. m.H.

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Nachteile: ­

Es muss eine neue Behörde geschaffen werden.

­

Der Aufsichtsapparat könnte als aufgebläht empfunden werden, wenn eigens für die Überwachung der unteren Gerichte eine besondere Behörde geschaffen wird.

­

Es entsteht ein Ungleichgewicht: Die kantonalen Verwaltungsgerichte unterstehen in den meisten Kantonen nur der parlamentarischen Oberaufsicht, während das Bundesverwaltungsgericht zusätzlich durch die Justizkommission überwacht wird.

2.3

Zuständigkeit der Justizkommission auch für das Bundesgericht?

Die RK-S hat geprüft, ob die Justizkommission auch bei der Vorbereitung der Bundesrichterwahlen mitwirken und die Bundesversammlung auch bei der Wahrnehmung der Oberaufsicht über das Bundesgericht unterstützen soll.

Mit Schreiben vom 20. September 2001 hat die RK-S das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) zur Stellungnahme eingeladen.

In ihren Stellungnahmen vom 12. bzw. 15. Oktober 2001 vertreten beide Gerichte die bestimmte Auffassung, eine Zuständigkeit der Justizkommission für das Bundesgericht und das EVG sei weder notwendig noch opportun. Begrüsst wird hingegen die Wahlkompetenz der Bundesversammlung für die Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. Sowohl das Bundesgericht als auch das EVG können sich dem Vorschlag der RK-S anschliessen, für die unteren Gerichte des Bundes eine Justizkommission einzusetzen.

In Kenntnis dieser Stellungnahmen und in Abwägung aller Vor- und Nachteile hat die RK-S beschlossen, dass die Justizkommission auch bei der Vorbereitung der Bundesrichterwahlen mitwirken soll. Dafür sprechen insbesondere folgende Gründe:

2

­

Entlastung der Bundesversammlung: Heute gibt es 41 Mitglieder des Bundesgerichts (einschliesslich EVG) und 41 nebenamtliche Bundesrichter.

Nach dem Entwurf für ein Bundesgerichtsgesetz umfasst das Bundesgericht 35­45 ordentliche Richterinnen und Richter. Die Zahl der Ersatzrichter beträgt höchsten zwei Drittel der Zahl der ordentlichen Richter. Die Richterwahlen für das Bundesgericht nehmen damit schon rein quantitativ einen Umfang an, der es ­ zur Entlastung der Bundesversammlung ­ rechtfertigt, dass die Justizkommission bei der Wahlvorbereitung mitwirkt.

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Optimierung des Auswahlverfahrens: Einzige gesetzliche Wählbarkeitsvoraussetzung für das Bundesrichteramt ist die Stimmberechtigung in eidgenössischen Angelegenheiten. Die Bundesversammlung entscheidet also souverän darüber, ob einem Kandidaten die fachliche und persönliche Befähigung zum obersten Richteramt zukommt2. Bei diesem Entscheid kann die professionelle Auswertung der Bewerbungen durch die Justizkommission, die sich aus Fachpersonen zusammensetzt, eine wichtige Hilfe bieten.

Martin Schubarth, Bundesgericht, in: Thürer/Aubert/Müller, Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, S. 1071 ff., S. 1072.

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­

Entpolitisierung: Die Mitwirkung bei der Vorbereitung der Richterwahlen durch die Justizkommission als Fachbehörde führt zu einer stärkeren Gewichtung der fachlichen Eignung. Parteiverdienste und politische Überlegungen treten in den Hintergrund. Das erscheint auch für die obersten Richter wünschenswert.

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Transparenz: Die öffentliche Ausschreibung der Bundesrichterstellen schafft zum einen Transparenz und ermöglicht es zum andern, dass sich auch parteilose Persönlichkeiten bewerben können.

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Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit: Die Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit, welche mit dem Wiederwahlerfordernis verbunden sind, werden entschärft, weil mit der Justizkommission eine Fachbehörde bei der Vorbereitung der Wiederwahlen mitwirkt.3 Die Gefahr politisch motivierter Retourkutschen ist naturgemäss bei den obersten Richtern grösser als bei den Richtern der unteren Gerichte des Bundes.

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Einheitlichkeit: Die Wahl aller Richter und Richterinnen des Bundes erfolgt nach dem gleichen Verfahren.

Die Frage, ob die Justizkommission die Bundesversammlung auch bei der Ausübung der Oberaufsicht über das Bundesgericht unterstützen soll, will die RK-S später bei der Beratung des Bundesgerichtsgesetzes entscheiden.

2.4

Mitwirkung bei der Vorbereitung der Wahl von Richtern des Militärkassationsgerichts

Der Präsident, die Richter und die Ersatzrichter des Militärkassationsgerichts werden von der Bundesversammlung gewählt (Art. 14 Militärstrafprozess vom 23.3.1979, SR 322.1). Aus Gründen der Einheitlichkeit soll die Justizkommission auch bei der Vorbereitung dieser Richterwahlen mitwirken. Damit erfolgen alle der Bundesversammlung obliegenden Richterwahlen nach dem gleichen Verfahren.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

1. Abschnitt: Stellung und Aufgaben

Artikel 1 Artikel 1 definiert den Zweck der Justizkommission und beschreibt damit gleichzeitig ihre Stellung: Sie ist als Hilfsorgan der Bundesversammlung konzipiert, indem sie der Bundesversammlung bei der Vorbereitung der Richterwahlen für das Bundesgericht, das Bundesstrafgericht und das Militärkassationsgericht sowie bei der Ausübung der Oberaufsicht über das Bundesstrafgericht unterstützend zur Verfügung steht.

3

In der Literatur wird empfohlen, der Vorbereitung der Bestätigungswahlen gleiches Gewicht einzuräumen wie der Vorbereitung der Erstwahlen, namentlich durch Einschalten eines vorberatenden Gremiums (Regina Kiener, Fn. 1, S. 288 f.).

1184

3.2

2. Abschnitt: Organisation

Artikel 2

Zusammensetzung und Wahl

Die Justizkommission besteht aus sieben Mitgliedern (Abs. 1). Damit weist sie eine Grösse auf, die eine ausgewogene Zusammensetzung erlaubt und gleichzeitig eine speditive Arbeitsweise ermöglicht.

Wählbar als Mitglied der Justizkommission ist, wer in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt ist (Abs. 1). Dabei handelt es sich um eine grundsätzliche Wählbarkeitsvoraussetzung, der alle Mitglieder entsprechen müssen. Hinzu kommen die spezifischen Eigenschaften nach den Umschreibungen in den Absätzen 2­4.

Wahlorgan ist die Bundesversammlung. Diese Regelung folgt schon aus dem Charakter der Justizkommission als Hilfsorgan der Bundesversammlung. Gleichzeitig geniesst die Justizkommission auf Grund der Wahl durch die Bundesversammlung eine hohe Legitimität.

Das Präsidium der Justizkommission soll einer anerkannten Persönlichkeit mit (langjähriger) richterlicher Erfahrung zustehen (Abs. 2). Gemeint ist Erfahrung als Richter, solche als Gerichtsschreiber genügt nicht. In Betracht kommen zum Beispiel ehemalige Bundesrichter, die an die Universität zurückgekehrt sind, oder ehemalige Kantonsrichter, die später Parlamentarier geworden sind.

Die Justizkommission soll gewährleisten, dass solche Personen als Richter gewählt werden, welche den fachlichen und persönlichen Anforderungen des Richteramtes bestmöglich genügen. Die Unterstützung der Bundesversammlung bei der Ausübung der Oberaufsicht über das Bundesstrafgericht erfordert Kenntnisse über die Justizverwaltung, die Verfahrensabläufe und den Gang der Rechtsprechung.

Diese Aufgabenstellung (vgl. Art. 1 JKG) spiegelt sich in den Kriterien, welche die Bundesversammlung bei der Wahl von vier weiteren Mitgliedern nach Absatz 3 zu berücksichtigen hat: ­

Die Vertretung der Rechtswissenschaft gewährleistet, dass die fachliche Qualifikation der Richterkandidaten gebührend berücksichtigt wird.

­

Die Anwaltschaft beleuchtet eine andere Perspektive. Sie erlebt die Arbeit der Gerichte aus der Sicht der Prozessparteien und kann einen wertvollen Beitrag zur Beaufsichtigung leisten.

­

Die Richterschaft garantiert das justizinterne Kontrollmoment. Als «Insider» verfügen die Richter und Richterinnen des Bundes über unmittelbare Kenntnisse über die Bedürfnisse und Probleme der Justiz. Dass es sachgerecht ist, die Richterschaft in die Justizkommission Einsitz nehmen zu lassen, bestätigt auch der Rechtsvergleich (vgl. den Anhang). In Betracht kommen sowohl Vertreter aus dem Bundesgericht als auch solche aus dem Bundesstrafgericht oder dem Militärkassationsgericht. Erstere dürften im Vordergrund stehen, weil sie ihr spezifisches Wissen und ihre Erfahrung als oberste Richter einbringen können. Die Bundesrichter sind zudem in der Lage, aus der Warte der Rechtsmittelinstanz die Arbeit und das Funktionieren der unteren Gerichte zu beurteilen (nicht jedoch der einzelnen Richter; die unteren Gerichte fällen kaum Einzelrichterentscheide).

­

Die Justizverwaltung weist in vielen Belangen betriebswirtschaftliche Komponenten auf. Deshalb soll ein Mitglied der Justizkommission

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betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse aufweisen. Es kann sich dabei um ein spezielles Mitglied handeln oder um eines, das bereits aus einem anderen Grund (z.B. nach Abs. 4) der Justizkommission angehört.

Der Nationalrat und der Ständerat bezeichnen je ein Mitglied der Justizkommission (Abs. 4). Parlamentarier nehmen in die Justizkommission Einsitz, um die Koordination mit der Bundesversammlung als Oberaufsichtsbehörde sicherzustellen.

Die Justizkommission kann die Vorsteherin oder den Vorsteher des EJPD zu den Beratungen beiziehen (Abs. 5). Sie kann auch Vertreter der Bundesverwaltung (z.B.

den Direktor der Finanzverwaltung) einladen, wenn sie Auskünfte oder Fachinformationen benötigt.

Artikel 3

Unvereinbarkeit

Um die ausgewogene Zusammensetzung zu gewährleisten, begründen die Absätze 1 und 2 für diejenigen Mitglieder der Justizkommission, die nicht Bundesparlamentarier sind, entsprechende Unvereinbarkeiten.

Zur Vermeidung jeglichen Anscheins von Befangenheit der Richter des Bundesgerichts, des Bundesstrafgerichts und des Militärkassationsgerichts ist es dem Vertreter der Anwaltschaft verwehrt, während der Amtsinnehabung vor diesen Gerichten als Parteivertreter aufzutreten (Abs. 3).

Artikel 4

Ausstand

Für die Mitglieder der Justizkommission und das juristische Personal ihres Sekretariats gelten die gleichen Ausstandsbestimmungen wie für die Gerichtspersonen. Damit ist beispielsweise klar, dass ein Mitglied der Justizkommission, welches dem Bundesgericht, dem Bundesstrafgericht oder dem Militärkassationsgericht angehört, nicht mitwirken darf, wenn es um seine eigene Wiederwahl geht.

Artikel 5

Amtsdauer

Die Amtsdauer der Mitglieder der Justizkommission beträgt sechs Jahre, gleich wie die Amtsdauer der Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts (Abs. 1). Um Kontinuität zu ermöglichen, ist die Wiederwahl zulässig.

Bei Ausscheiden eines Mitgliedes während der Amtsdauer erfolgt die Neubesetzung für den Rest der Amtsperiode (Abs. 2).

Bundesparlamentarier nehmen in die Justizkommission Einsitz, um die Koordination mit der Bundesversammlung als Oberaufsichtsbehörde sicherzustellen. Die Vertreter des Bundesgerichts, des Bundesstrafgerichts oder des Militärkassationsgerichts werden wegen ihrer spezifischen Eigenschaft als oberste Richter bzw. Insider der Gerichte in die Justizkommission gewählt. Folgerichtig scheiden sie aus der Justizkommission aus, wenn sie ihr Amt, um dessentwillen sie in die Justizkommission gewählt wurden, beenden (Abs. 3).

Artikel 6

Nebenamt

Die Mitglieder der Justizkommission sind nebenamtlich tätig. Damit ist klar, dass sie einem Hauptberuf nachgehen dürfen.

1186

Artikel 7

Taggeld und Auslagenersatz

Diejenigen Mitglieder der Justizkommission, welche zugleich Bedienstete des Bundes sind (ordentliche Bundesrichter, Richter des Bundesstrafgerichts), werden für ihre Tätigkeit in der Justizkommission von ihrer Haupttätigkeit freigestellt. Sie erhalten demnach keine zusätzliche Entschädigung. Die übrigen Mitglieder beziehen ein Taggeld (Abs. 1).

Die Bundesversammlung regelt die Höhe des Taggeldes und den Auslagenersatz in einer Verordnung (Abs. 2).

Artikel 8

Sitz

Die Justizkommission amtet als Hilfsorgan der Bundesversammlung. Ihr Sekretariat ist administrativ den Parlamentsdiensten zugeordnet. Die Justizkommission wird deshalb in Bern situiert.

Artikel 9

Geschäftsreglement

Die weniger wichtigen Belange der Organisation der Justizkommission, wie etwa das Vizepräsidium, Anzahl und Modalitäten der Sitzungen der Justizkommission, das Abstimmungsverfahren oder die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung, können auf Verordnungsstufe geregelt werden (vgl. Art. 164 Abs. 1 Bst. g BV).

Artikel 10

Geschäftsbericht

Die Justizkommission erstattet der Bundesversammlung jährlich Bericht über ihre Amtstätigkeit.

Artikel 11

Sekretariat

Die Justizkommission bestellt ein ständiges Sekretariat, das administrativ den Parlamentsdiensten angegliedert ist. Für die administrative Zuordnung des Sekretariats zu den Parlamentsdiensten spricht die Tatsache, dass die Justizkommission als Hilfsorgan der Bundesversammlung fungiert.

Artikel 12

Amtsgeheimnis

Absatz 1 regelt das Amtsgeheimnis der Mitglieder der Justizkommission und des Personals ihres Sekretariats. Die Zuständigkeit für die Entbindung vom Amtsgeheimniss liegt bei der Justizkommission (Abs. 2).

3.3

Artikel 13

3. Abschnitt: Mitwirkung bei der Vorbereitung der Wahl von Richtern und Richterinnen Wahlvorschläge

Eine der Hauptaufgaben der Justizkommission besteht in der Mitwirkung bei der Vorbereitung der Richterwahlen. Diese Aufgabe bezieht sich ­ anders als die Beaufsichtigung ­ nicht allein auf die Wahl der Richter und Richterinnen des Bundes-

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strafgerichts, sondern auch des Bundesgerichts und des Militärkassationsgerichts.

Das Optimierungspotenzial, welches mit der Partizipation der Justizkommission verbunden ist, soll sich für alle der Bundesversammlung obliegenden Richterwahlen entfalten (vgl. dazu eingehend die Ziff. 2.3 und 2.4).

Die Justizkommission unterbreitet der zuständigen Kommission der Vereinigten Bundesversammlung Vorschläge für die Wahl und Wiederwahl von Richtern und Richterinnen des Bundesgerichts, des Bundesstrafgerichts und des Militärkassationsgerichts (Abs. 1). Die zuständige Kommission der Vereinigten Bundesversammlung wird im Geschäftsverkehrsgesetz eingesetzt (vgl. Anhang, Ziff. 2: Art. 38a GVG, SR 171.11). Die Bundesversammlung ist an die Vorschläge der Justizkommission rechtlich nicht gebunden. Wünschbar wäre aber, dass sie nur Personen wählt, welche die Justizkommission als geeignet beurteilt hat. Die Regelung, wonach vorerst die zuständige Kommission der Vereinigten Bundesversammlung die Wahlvorschläge entgegennimmt, dient einerseits der Wahrung der Diskretion.

Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, eine chancenlos scheinende Kandidatur zurückzuziehen, bevor die Öffentlichkeit davon Kenntnis genommen hat. Anderseits wird berücksichtigt, dass nur parlamentarische Kommissionen, nicht aber ausserparlamentarische Kommissionen, zu denen die Justizkommission zu zählen ist, formell berechtigt sind, der Vereinigten Bundesversammlung Vorschläge zu unterbreiten bzw. Antrag zu stellen.

Die Justizkommission hat bei ihren Wahlvorschlägen auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Bundesgerichts und des Bundesstrafgerichts zu achten (Abs. 2).

Zu gewährleisten ist namentlich eine angemessene Vertretung der Amtssprachen, beider Geschlechter sowie der Regionen des Landes. Die politischen Ansichten der Kandidatinnen und Kandidaten spielen insofern eine Rolle, als sie den politischen Pluralismus wiederspiegeln sollten. Die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei soll weder rechtlich noch faktisch eine Wählbarkeitsvoraussetzung bilden. Bei der Auswahl von Richtern in das Militärkassationsgericht sind die spezialgesetzlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen nach Artikel 14 Absatz 2 des Miliärstrafprozesses zu beachten. Ferner ist sicherzustellen, dass die Anforderungen an die Zusammensetzung nach Artikel 15 des Militärstrafprozesses erfüllt werden können.

Artikel 14

Ausschreibung

Die öffentliche Ausschreibung offener Richterstellen schafft Transparenz. Da am Bundesstrafgericht auch Teilzeitrichterstellen möglich sind (vgl. Art. 11 E-SGG), muss die Ausschreibung den Beschäftigungsgrad nennen. Wenn zum Beispiel eine Richterstelle mit einem Pensum von 80 Prozent frei wird, ist die Stelle mit dem gleichen Beschäftigungsgrad auszuschreiben, damit die Summe der Stellenprozente gleich bleibt. Letztere kann nur durch das Parlament verändert werden (vgl. Art. 1 Abs. 4 E-SGG). Bei der Ausschreibung von Richterstellen in das Militärkassationsgericht entfällt die Angabe des Beschäftigungsgrades, da diese Richter nebenamtlich tätig sind.

Artikel 15

Nichtwiederwahl

Im Allgemeinen können Richterinnen und Richter problemlos mit der Wiederwahl rechnen. Dies ist unter dem Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit wichtig. Es kann jedoch krasse Fälle geben, in denen eine Wiederwahl im öffentlichen Interesse unterbleiben muss, etwa, wenn ein Richter die Amtsfähigkeit verloren hat 1188

oder straffällig geworden ist. Als ultima ratio kann die Justizkommission deshalb die Nichtwiederwahl eines Richters vorschlagen. Artikel 15 garantiert, dass dem Betroffenen rechtzeitig das rechtliche Gehör gewährt wird, und dass seine Stellungnahme ­ aus Diskretionsgründen via zuständige Kommission der Vereinigten Bundesversammlung ­ der Bundesversammlung, die über eine Nichtwiederwahl befinden muss, zugeht.

3.4

4. Abschnitt: Beratung und Beaufsichtigung des Bundesstrafgerichts

Artikel 16

Grundsatz

Die zweite Hauptaufgabe der Justizkommission ist die Unterstützung der Bundesversammlung bei der Ausübung der Oberaufsicht über das Bundesstrafgericht. Diese Unterstützung erfolgt in Form einer begleitenden Überwachung des Gerichtsbetriebs (Abs. 1). Die Justizkommission tritt dem Bundesstrafgericht als direkter Ansprechpartner gegenüber. Sie lässt sich insbesondere über die Geschäftsführung des Gerichts und den Stand der Erledigungen orientieren. Das Bundesstrafgericht kann Besuche der Justizkommission zum Anlass nehmen, um seine Anliegen und Probleme vorzutragen.

Wie dies aus der richterlichen Unabhängigkeit folgt, bezieht sich der Gegenstand der Beaufsichtigung auf den äusseren Gang der Geschäftserledigung, das ordnungsgemässe Funktionieren des Gerichts, die Justizverwaltung, nicht aber auf den Inhalt der Rechtsprechung. Die Aufsicht über die Gerichte ist grundsätzlich eine nachträgliche Kontrolle. Es wird ex post die formelle Regelmässigkeit der Rechtsprechung überprüft. Allgemeine Verbesserungswünsche sind erlaubt. Ein Weisungsrecht bezüglich der künftigen Geschäftsabwicklung oder eine eigentliche Führung und Leitung (präventive Aufsicht) beinhaltet die Gerichtsaufsicht aber nicht4.

Absatz 1 Satz 2, wonach die Justizkommission die Weisungen der parlamentarischen Aufsichtskommissionen berücksichtigen muss, stellt das Verhältnis dieser beiden Aufsichtsgremien klar. Im Konfliktfall gehen die Weisungen der parlamentarischen Aufsichtskommissionen vor. Satz 2 meint aber nicht, dass die Justizkommission ausschliesslich auf Weisung der parlamentarischen Aufsichtskommissionen hin tätig werden soll. Vielmehr kann sie selbstständig handeln und soll Eigeninitiative entwickeln. Das Gesetz überträgt ihr den Grundauftrag, als primärer Ansprechpartner das Bundesstrafgericht zu beraten und zu beaufsichtigen. Die Justizkommission soll sich aber mit den parlamentarischen Aufsichtskommissionen absprechen. Auf diese Weise werden Doppelspurigkeiten vermieden.

Die Aufsichtstätigkeit der Justizkommission umfasst insbesondere die Aufgabe, zum Budgetentwurf, zur Rechnung und zum Geschäftsbericht des Bundesstrafgerichts zuhanden der Bundesversammlung Stellung zu nehmen (Abs. 2). Letztere bleibt zuständig, die genannten Unterlagen zu genehmigen. Sie wird aber wesentlich entlastet, wenn die Justizkommission eine Vorprüfung vornimmt. Die Prüfung des Voranschlages bietet Gelegenheit, die geplanten Investitionen und Abläufe zu diskutieren.

4

Rainer J. Schweizer, Rechtsfragen der Justizverwaltung am Beispiel der Schweizerischen Asylrekurskommission, AJP 2001, S. 661 ff., S. 664 m.H.

1189

Es gilt aber zu beachten, dass die Gerichte grundsätzlich selber über die Verwendung der ihnen vom Parlament bewilligten Mittel entscheiden (Grundsatz der Selbstverwaltung der Justiz, vgl. für das Bundesgericht Art. 188 Abs. 3 BV-Justizreform). Es wäre mit dem Charakter der nachträglichen Aufsicht über die Gerichte unvereinbar, wenn die Justizkommission das Budget aus Zweckmässigkeitsüberlegungen korrigieren würde. Sie kann lediglich ihre Stellungnahme dazu abgeben, besitzt aber kein Korrekturrecht.

Artikel 17

Amtspflichtverletzungen und Amtsunfähigkeit von Richtern und Richterinnen

Die Aufsicht über die einzelnen Amtsträger hat (qualifizierte) Verstösse gegen die Amtspflichten im Auge. In Betracht kommt zum Beispiel die Verletzung der Vorschriften über die Nebenbeschäftigungen (Art. 6 und 7 E-SGG) oder Trunkenheit am Arbeitsplatz. Dabei sind zwei Intensitätsstufen zu unterscheiden: Eine erste Stufe beschlägt die blosse Vernachlässigung oder die einfache Verletzung von Amtspflichten (Abs. 1). Bei solchen weniger schwerwiegenden Verstössen soll die Möglichkeit bestehen, die Sache informell gerichtsintern in Ordnung zu bringen.

Deshalb sieht Absatz 1 vor, dass die Justizkommission, wenn sie solche Vorkommnisse feststellt, die fehlbare Richterin oder den fehlbaren Richter und die Gerichtsleitung darauf aufmerksam macht. Diese haben dann für Abhilfe zu sorgen.

Eine zweite Stufe betrifft die schwere Verletzung von Amtspflichten in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Weise oder aber die dauernde Amtsunfähigkeit, etwa wegen Krankheit (Abs. 2). Um zu verhindern, dass ein krass fehlbarer oder amtsunfähig gewordener Richter eine ganze Amtsperiode im Amt bleibt, muss es möglich sein, einen Richter vor Ablauf der Amtsperiode seines Amtes zu entheben5. Eine entsprechende Regelung ist im Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht vorgesehen (Art. 9a E-SGG). Zuständig für die Amtsenthebung ist aus Symmetriegründen die Bundesversammlung (Wahlorgan). Der Justizkommission kommt die Aufgabe zu, den Sachverhalt abzuklären und der zuständigen Kommission der Vereinigten Bundesversammlung einen Bericht mit Empfehlung zu unterbreiten. Die Regelung, wonach der Bericht mit Empfehlung der zuständigen Kommission der Vereinigten Bundesversammlung zugeht, dient der Vertraulichkeit solcher Dossiers. Die zuständige Kommission der Vereinigten Bundesversammlung entscheidet, ob sie der Vereinigten Bundesversammlung Antrag auf Amtsenthebung stellen will.

Absatz 3 garantiert das rechtliche Gehör des betroffenen Richters.

Artikel 18

Entbindung der Richter und Richterinnen vom Amtsgeheimnis

Als direkter Ansprechpartner des Bundesstrafgerichts im Rahmen der begleitenden Überwachung wird die Justizkommission für zuständig erklärt, die Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts vom Amtsgeheimnis zu entbinden.

5

Analog zu Artikel 9 Absatz 6 Bundespersonalgesetz, wonach die Wahlbehörde das Dienstverhältnis von auf Amtsdauer gewählten Personen aus wichtigen Gründen vor Ablauf der Amtsdauer umgestalten oder auflösen kann.

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3.5 Artikel 19

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen Änderung bisherigen Rechts

Die Änderung des bisherigen Rechts wird im Anhang geregelt.

Artikel 20

Referendum und Inkrafttreten

Die Bestimmung enthält die Referendumsklausel und überträgt dem Bundesrat das Inkraftsetzen.

3.6

Änderung bisherigen Rechts

1. Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 Art. 1 Abs. 1 Bst. cbis (neu) Der Geltungsbereich des Verantwortlichkeitsgesetzes (VG) wird auf die Mitglieder der Justizkommission ausgedehnt. Damit unterstehen sie namentlich der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit nach Artikel 7 und 8 VG (Haftung gegenüber dem Bund für vorsätzlich oder grob fahrlässig verübte Schäden).

Art. 10 Abs. 2 erster Satz Direktprozesse an das Bundesgericht werden auch in Bezug auf Ansprüche aus der Amtstätigkeit der Mitglieder der Justizkommission vorgesehen, gleich wie dies in Bezug auf Ansprüche aus der Amtstätigkeit der Mitglieder des National- und des Ständerates und des Bundesgerichts gilt. Dies ist gerechtfertigt, weil zwei Mitglieder der Justizkommission zugleich Parlamentarier sind, und der Justizkommission auch Bundesrichter angehören können. Der sonst geltende Rechtsweg (Verfügung und Beschwerde an die Rekurskommission für Staatshaftung, künftig an das Bundesverwaltungsgericht) wäre zudem deshalb problematisch, weil die Justizkommission dereinst auch das Bundesverwaltungsgericht beaufsichtigen soll.

Art. 14 Abs. 1 Die Verantwortlichkeit der Mitglieder der Justizkommission wegen strafbarer Handlungen, die sich auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen, soll den gleichen Regeln unterstehen wie die entsprechende Verantwortlichkeit der Mitglieder des National- und des Ständerates und der Bundesrichter. Das heisst, die Strafverfolgung wegen solcher Delikte bedarf einer Ermächtigung der eidgenössischen Räte.

Diese Regelung erscheint gerechtfertigt, weil die Justizkommission ein Hilfsorgan der Bundesversammlung ist, und weil einige Mitglieder der Justizkommission zugleich Parlamentarier oder Bundesrichter sind. Die Mitglieder der Justizkommission werden neben den in Artikel 14 Absatz 1 VG erwähnten «durch die Bundesversammlung gewählten Behördemitglieder» speziell erwähnt, weil nicht alle Mitglieder der Justizkommission durch die Bundesversammlung gewählt werden. Zwei werden durch den National- bzw. den Ständerat bezeichnet (vgl. Art. 2 Abs. 2­4 JKG).

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Eine Immunität im Sinne des Garantiegesetzes für strafbare Handlungen ausserhalb des Amtes erscheint für die Mitglieder der Justizkommission hingegen nicht angebracht, weshalb eine entsprechende Anpassung des Garantiegesetzes unterbleibt.

Art. 15 Abs. 1 zweiter Satz Arbeitgeber des Personals des Sekretariats der Justizkommission ist die Justizkommission. Folgerichtig ist sie zuständig, wenn es um die Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung geht.

2. Geschäftsverkehrsgesetz vom 23. März 1962 Art. 38a (neu) Die Bestimmung institutionalisiert eine neue ständige Kommission der Vereinigten Bundesversammlung. Ihr Zuständigkeitsbereich beschlägt die Vorbereitung der Wahlen und Amtsenthebungen nach dem Bundesgesetz über die Justizkommission (Abs. 1).

Die Kommission umfasst neun Mitglieder des Nationalrates und vier Mitglieder des Ständerates (Abs. 2). Die Grösse entspricht damit derjenigen der Begnadigungskommission der Vereinigten Bundesversammlung.

Die Kommission ist vorschlagsberechtigt im Rahmen von Richterwahlen. Ebenso steht ihr das Recht zu, der Bundesversammlung allfällige Anträge auf Amtsenthebung von Richtern zu stellen (Abs. 3).

3. Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 Art. 2 Abs. 1 Bst. h (neu) Das Personal des Sekretariats der Justizkommission wird dem Bundespersonalgesetz unterstellt.

Art. 3 Abs. 3 Neu wird auch die Justizkommission als Arbeitgeber aufgeführt.

4. Militärstrafprozess vom 23. März 1979 Art. 14 Abs. 3 (neu) Die Bestimmung über die Wahl der Richter des Militärkassationsgerichts wird ergänzt mit dem Hinweis, dass die Justizkommission bei der Vorbereitung der Wahlen mitwirkt.

1192

4

Finanzielle Auswirkungen

Die Personalkosten der Justizkommission umfassen: 1.

Taggelder für die Mitglieder, die nicht Bedienstete des Bundes sind;

2.

«Arbeitsausfall» für die Mitglieder, die in anderer Funktion Bedienstete des Bundes sind;

3.

Kosten des Sekretariats.

Zu 1: Nach Artikel 7 E-JKG erhalten die Mitglieder der Justizkommission, welche nicht Bedienstete des Bundes sind, ein Taggeld. Hier wird davon ausgegangen, dass ein Mitglied der Justizkommission (z.B. ein ordentlicher Bundesrichter) nicht taggeldberechtigt sein wird. Somit wären für sechs Mitglieder (einschliesslich die präsidierende Persönlichkeit) Taggelder auszurichten.

Die Höhe des Taggeldes wird durch Parlamentsverordnung festgelegt. Hier wird die Annahme getroffen, der Ansatz entspreche demjenigen, der für die nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gilt, somit ­

1000 Franken für Freierwerbende und

­

800 Franken für die übrigen.6

Unter der ­ eher tief angesetzten ­ Annahme, dass die Justizkommission 12 Sitzungen pro Jahr abhält, wären für fünf Mitglieder 60 Taggelder à 1000 Franken (evtl.

800 Franken) auszurichten, somit 60 000 Franken. Hinzu kommen die Taggelder für den Präsidenten. Dieser wird stärker beansprucht sein, wohl im Umfang von 1­2 Tage pro Woche (Pensum von ca. 30­50%). Zurückhaltend geschätzt, werden 60 Arbeitstage angenommen, was einem Taggeld von 60 000 Franken pro Jahr entspricht. Total Taggelder pro Jahr: 120 000 Franken.

Zusammen mit allfälligen Auslagen resultiert eine geschätzte Entschädigung der Mitglieder der Justizkommission von rund 126 000 Franken pro Jahr.

Zu 2: Für die Teilnahme an den rund 12 Sitzungen pro Jahr sind die Kosten in Rechnung zu stellen, die dem Arbeitsausfall (z.B.) des Vertreters des Bundesgerichts entsprechen.

Zu 3: Das Sekretariat wird ca. vier Stellen7 umfassen, davon drei akademische und eine kaufmännische.

Im Sekretariat fallen ebenfalls die Sachkosten an (Infrastruktur, Büromaterial usw.).

Hinweis: Die Kosten für das Sekretariat dürften bei allen Wahl- und Aufsichtsmodellen ungefähr gleich viel betragen. Ebenso entstehen bei allen Modellen Kosten für die Entschädigung (bzw. Arbeitsausfall) der Mitglieder des «Wahlvorbereitungsbzw. Aufsichtsgremiums», ob nun eine Justizkommission gebildet wird, beim Parlament eine spezielle (gemeinsame) parlamentarische Kommission eingesetzt wird oder das Bundesgericht eine bestimmte Anzahl Richter in eine entsprechende Kommission wählt.

6 7

Art. 2 Abs. 1bis der Verordnung über Reiseentschädigungen und Taggelder beim Bundesgericht und beim EVG (SR 173.122).

Schätzung des Bundesgerichtspräsidenten im Fall, dass das Bundesgericht die Aufsicht über die unteren Gerichte zu übernehmen hätte.

1193

5

Verfassungsmässigkeit

Nach schweizerischem Verständnis umfasst das materielle Verfassungsrecht das für die staatliche Rechtsordnung grundlegende, inhaltlich durch seine besondere Tragweite qualifizierte Recht. Im Bereich der Behördenorganisation soll die Verfassung «durch Gewaltenteilung die funktionelle, organisatorische und personelle Trennung der staatlichen Macht in Legislative, Exekutive und Justiz» vorsehen8.

Das materielle Justizverfassungsrecht enthält die Regeln über die Organisation und Zuständigkeiten der obersten Gerichte sowie die Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien9.

Die Schaffung der Justizkommission, wie sie hier vorgeschlagen wird, fällt nicht unter diese Definition des notwendigen Inhalts der Verfassung.

Nach dem vorgeschlagenen Konzept erscheint die Justizkommission als eine Art «Hilfsorgan» der Bundesversammlung. Sie hat selbst keine Entscheidungsbefugnisse, nimmt insofern nicht teil an der staatlichen Machtausübung. Ihre Funktionen sind unterstützender Natur. Dies gilt sowohl für die Mitwirkung bei der Vorbereitung der Richterwahlen als auch für die begleitende Überwachung des Gerichtsbetriebs.

Insofern ist die Stellung der Justizkommission vergleichbar mit derjenigen der Eidgenössischen Finanzkontrolle10. Das Bundesgericht untersteht der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzkontrolle, soweit diese Aufsicht «der Ausübung der Oberaufsicht durch die Bundesversammlung dient» (Art. 8 Abs. 2 Finanzkontrollgesetz).

Obwohl die Eidgenössische Finanzkontrolle ihre Funktion also auch gegenüber dem obersten Gericht ausübt, ist sie nicht in der Verfassung verankert, sondern wird durch das Finanzkontrollgesetz eingesetzt. Dem wurde zu Recht nicht widersprochen, da die Finanzkontrolle die Bundesversammlung und den Bundesrat unterstützen soll.

Aus der gleichen Überlegung braucht auch die Justizkommission keine spezielle Grundlage in der Verfassung. Notwendig, aber auch hinreichend für die Schaffung der Justizkommission ist eine Grundlage in einem Gesetz (Art. 164 Abs. 1 Bst. g BV).

8 9 10

Botschaft vom 20.11.1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 13.

Rhinow/Koller/Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, Rz. 43.

Artikel 1 des Bundesgesetzes vom 28.6.1967 über die Eidgenössische Finanzkontrolle (SR 614.0) umschreibt die Stellung der Finanzkontrolle wie folgt: 1 Die Eidgenössische Finanzkontrolle ist das oberste Finanzaufsichtsorgan des Bundes.

Sie ist in ihrer Prüfungstätigkeit nur der Bundesverfassung und dem Gesetz verpflichtet.

Sie unterstützt: a. die Bundesversammlung bei der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Finanzkompetenzen sowie ihrer Oberaufsicht über die eidgenössische Verwaltung und Rechtspflege; b. den Bundesrat bei der Ausübung seiner Aufsicht über die Bundesverwaltung.

2 Die Eidgenössische Finanzkontrolle ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften selbstständig und unabhängig. Sie legt jährlich ihr Revisionsprogramm fest und bringt dieses der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte und dem Bundesrat zur Kenntnis.

Sie kann die Übernahme von Sonderaufträgen ablehnen, wenn diese die Abwicklung des Revisionsprogrammes gefährden.

3 Administrativ ist die Eidgenössische Finanzkontrolle dem Eidgenössischen Finanzdepartement beigeordnet.

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Anhang

Rechtsvergleich Das Modell einer Justizkommission hat sich vor allem in romanischen Rechtssystemen durchgesetzt11. Es findet zudem vermehrt Anklang in Staaten Osteuropas12.

Auch zwei Kantone kennen ein solches Modell (TI und GE). Im Kanton FR wird die Einführung eines Conseil Supérieur de la Magistrature (CSM) geprüft. Im Kanton JU teilt der CSM die Aufsichtsfunktion mit dem Kantonsgericht.13 Italien: Consiglio Superiore della Magistratura Um die Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten, sieht die italienische Verfassung einen Obersten Richterrat vor (CSM; Art. 104­110).

Zusammensetzung: ­

Der Präsident der Republik führt den Vorsitz.

­

Der erste Präsident und der Generalstaatsanwalt des Kassationshofes gehören dem CSM von Rechts wegen an.

­

20 Mitglieder aus den Reihen der verschiedenen Kategorien des Richterstandes: Sie werden von allen ordentlichen Richtern gewählt.

­

10 Mitglieder aus den Reihen der ordentlichen Universitätsprofessoren der Rechtswissenschaft und der Rechtsanwälte mit mindestens fünfzehnjähriger Praxis: Sie werden vom Parlament gewählt.

Unvereinbarkeit: Für die Dauer ihrer Amtszeit dürfen die Mitglieder weder in die Anwaltslisten eingetragen sein noch dem Parlament oder einem Regionalrat angehören.

Amtsdauer: Vier Jahre, wobei eine unmittelbare Wiederwahl ausgeschlossen ist.

Aufgaben: Der CSM ist zuständig für die Ernennung, die Aufgabenzuweisung, die Versetzung, die Beförderung und das Disziplinarverfahren der Richter.

Der Justizminister überwacht die Gerichtsverwaltung und den ordentlichen Gang der Gerichtsbarkeit. Er ist zur Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Richter befugt.

Die Disziplinargewalt steht aber ausschliesslich dem CSM zu.

11 12

13

So in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, aber etwa auch in Kanada.

Z.B. in Ungarn. Vgl. die Angaben bei Peter Stolz/Stephan Gass, Kontrolle und Bewertung von Richterarbeit aus rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, recht 1996, S. 169 ff., Fn. 42.

Vgl. auch den damaligen Vorschlag der DJS für eine Justizkommission im Kanton LU, plädoyer 1992, 30 ff.

In der schweizerischen Literatur hat das Institut des CSM noch wenig Beachtung gefunden. Das neuste Werk über die richterliche Unabhängigkeit von Regina Kiener, Bern 2001, erwähnt den CSM nur ganz am Rande, S. 297.

1195

Frankreich: Le Conseil Supérieur de la Magistrature (CSM) Die französische Verfassung bezeichnet den Präsidenten der Republik als den Garanten der Unabhängigkeit der Justiz. Er wird dabei vom Conseil Supérieur de la Magistrature (CSM) unterstützt (Art. 64­65). Die Organisation des CSM wird in der Loi organique sur le Conseil Supérieur de la Magistrature vom 5. Februar 1994 geregelt.

Mit der Verfassungsrevision von 1993 wurde der CSM in zwei Abteilungen mit je zehn Mitgliedern aufgeteilt: Die eine ist zuständig für die Richter, die andere für die Staatsanwälte.

Zusammensetzung: ­

Der Präsident der Republik führt den Vorsitz.

­

Der Justizminister fungiert als Vizepräsident.

Daneben gehören sowohl der Abteilung für die Richter als auch der Abteilung für die Staatsanwälte an: ­

Ein Mitglied des Staatsrates (Conseil d'Etat): vom Staatsrat gewählt.

­

Drei Persönlichkeiten, die weder dem Parlament noch der Justiz angehören: je eine vom Präsidenten der Republik, dem Präsidenten der Nationalversammlung und dem Präsidenten des Senats gewählt.

Die Abteilung für die Richter umfasst ausserdem: ­

Fünf Richter (verschiedenen Instanzen angehörend): (nach einem differenzierten Verfahren) von den Richtern gewählt.

­

Ein Staatsanwalt: von den Staatsanwälten gewählt.

Die Abteilung für die Staatsanwälte umfasst ausserdem: ­

Fünf Staatsanwälte: von den Staatsanwälten gewählt.

­

Ein Richter: von den Richtern gewählt.

In jeder Abteilung sitzen somit fünf «Kollegen» der beaufsichtigten Funktionsgruppe.

Unvereinbarkeit: Die Mitglieder des CSM dürfen weder als Anwalt, Notar oder in ähnlicher Funktion («officier public ou ministériel») tätig sein noch sonst ein Wahlmandat ausüben.

Amtsdauer: Vier Jahre, wobei eine unmittelbare Wiederwahl ausgeschlossen ist.

Aufgaben: Der CSM übt die disziplinarische Aufsicht über die Richter aus.

Die Wahl der höheren Richter erfolgt durch den Präsidenten der Republik auf Vorschlag des CSM. Betreffend die Wahl der übrigen Richter gibt der CSM seine Meinung zu den Wahlvorschlägen des Justizministers ab.

1196

Tessin: Consiglio della magistratura Rechtsgrundlagen: Artikel 79 der Tessiner Verfassung; Artikel 77­89 des Gesetzes über die Organisation der Zivil- und Strafrechtspflege.

Zusammensetzung: Der Consiglio della magistratura setzt sich aus sieben Mitgliedern und fünf Ersatzleuten zusammen: ­

Drei Mitglieder und zwei Ersatzleute aus der Mitte der amtierenden Richter mit Vollzeitpensum: sie werden von der Richterversammlung (assemblea dei magistrati) gewählt.

­

Vier Mitglieder und drei Ersatzleute aus den Reihen der übrigen Richter, der aus dem Amt ausgeschiedenen Richter oder der anderen Aktivbürger: sie werden vom Grossen Rat gewählt. Dabei dürfen nicht mehr als zwei Mitglieder und ein Ersatzmitglied im Advokaturregister des Kantons Tessin eingetragen sein.

Unvereinbarkeit: Für die Dauer ihrer Amtszeit dürfen die Mitglieder und Ersatzleute des Consiglio della magistratura weder dem Staatsrat, dem eidgenössischen Parlament, dem Grossen Rat oder der Gemeinde-, Kantonal- oder Bundesverwaltung angehören.

Amtsdauer: Sechs Jahre, wobei eine Wiederwahl für insgesamt höchstens zwölf Jahre zulässig ist.

Aufgaben: Der Consiglio della magistratura übt die Aufsicht über die Richter aus, soweit diese nicht dem Grossen Rat zusteht. Er hat folgende Kompetenzen: ­

Er wacht über das Funktionieren der Justiz und präsentiert dem Staatsrat jährlich einen Rechenschaftsbericht;

­

Er leitet organisatorische Probleme an das zuständige Departement weiter;

­

Er übt gegen die Richter Disziplinarbefugnisse aus (Verweis, Busse bis Fr. 10 000.­, Suspendierung im Amt bis drei Monate mit Entzug der Besoldung, disziplinarische Entlassung);

­

Er ist zuständig für die Amtsenthebung von Richtern, die aus physischen, psychischen oder anderen Gründen amtsunfähig geworden sind.

Betreffend die Wahl der Richter hat der Consiglio della magistratura keine Befugnisse.

1197

Genf: Conseil supérieur de la magistrature14 Rechtsgrundlagen: Artikel 135 der Genfer Verfassung; Gesetz über den Conseil supérieur de la magistrature vom 25.9.1997.

Zusammensetzung: ­

Der Präsident des Obergerichts führt den Vorsitz: ex officio.

­

Der Staatsanwalt (le procureur général): ex officio.

­

Vier amtierende oder aus dem Amt ausgeschiedene Berufsrichter (einschliesslich aller Richter des Kassationsgerichts): von den amtierenden Berufsrichtern (einschliesslich aller Richter des Kassationsgerichts) gewählt.

­

Drei Persönlichkeiten: vom Staatsrat gewählt.

­

Zwei forensisch tätige Anwälte: von den im Register eingetragenen Anwälten gewählt.

Amtsdauer: Drei Jahre, wobei eine Wiederwahl zulässig ist.

Aufgaben: Der conseil supérieur de la magistrature übt die Aufsicht über die Richter aus und wacht über das ordnungsgemässe Funktionieren der Gerichte.

Der conseil supérieur de la magistrature kann weitreichende Massnahmen treffen (Ermahnung und Verweis bei Amtspflichtverletzung oder unwürdigem Benehmen; Entzug der Besoldung bis sechs Monate bei schwerer Amtspflichtverletzung oder grob unwürdigem Benehmen; Entlassung bei Verlust der Wählbarkeitsvoraussetzungen, Amtsunwürdigkeit oder Nichtbefolgen von Entscheiden des CSM; Amtsenthebung bei Amtsunfähigkeit infolge Alters oder Krankheit unter Wahrung des Rentenanspruchs). Der CSM entscheidet endgültig.

Betreffend die Wahl der Richter hat der Conseil supérieur de la magistrature keine Befugnisse.

14

Vgl. die illustrativen Ausführungen zum CSM von Genf (im Vergleich zum CSM Frankreich) von Pierre Heyer, le Conseil supérieur de la magistrature, RDAF 1996, S. 331 ff.

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