02.408 Parlamentarische Initiative Flächendeckendes Poststellennetz Änderung des Postgesetzes (KVF) Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 25. Februar 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen, gestützt auf Artikel 21ter Absatz 3 und Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes, den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt Ihnen mit 14 zu 6 Stimmen, dem beiliegenden Bundesbeschluss über die Änderung des Postgesetzes zuzustimmen.

Die Kommissionsminderheit (Hegetschweiler, Bezzola, Binder, Kurrus, Theiler, Weigelt) beantragt, auf den Erlassentwurf nicht einzutreten.

25. Februar 2002

Im Namen der Kommission Der Präsident: Peter Vollmer

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2002-0571

Übersicht Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen beschloss am 3. September 2001 eine Parlamentarische Initiative für ein flächendeckendes Poststellennetz in der ganzen Schweiz.

Anstoss zu einer eigenen Kommissionsinitiative bildeten die am 12. März 2001 von Nationalrat Jean Spielmann eingereichte Parlamentarische Initiative Universaldienst der Post (01.405) und die Petition für ein flächendeckendes Poststellennetz in Graubünden (01-28), denen die Kommission beiden keine Folge gab. Die Parlamentarische Initiative erschien der Kommission als allzu starr und die Petition als zu wenig konkret.

Die Parlamentarische Initiative der Kommission, die in einer ausformulierten Form vorliegt, sieht dagegen konkrete, aber in der Umsetzungsmöglichkeit flexible Ergänzungen zum Postgesetz vor.

Die Kommission schlägt vor, die Post im Gesetz zum Betrieb eines flächendeckenden Poststellennetzes zu verpflichten, ihr aber im Gegenzug einen Anteil der jährlich anfallenden ungedeckten Kosten abzugelten.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Im Zug allgemeiner Liberalisierungsbemühungen in ganz Europa wurde in der Schweiz unter anderem eine Postreform beschlossen. Das eidgenössische Parlament hat diese Vorlage in den Jahren 1996/97 beraten. Per 1. Januar 1998 wurden aus der ehemaligen PTT zwei Unternehmen geschaffen, die Schweizerische Post und die Swisscom AG. Der Auftrag der Post wurde im Postgesetz vom 30. April 1997 (Inkrafttreten 1.1.1998; PG) geregelt: Die Post erbringt einen flächendeckenden Universaldienst, das heisst, eine Grundversorgung aller Bevölkerungsteile mit Dienstleistungen im Zahlungs- und Postverkehr von guter Qualität zu angemessenen Preisen.

Gleichzeitig wird die Post zu einer möglichst wirtschaftlichen Betriebsführung verpflichtet.

Im Januar 2001 kündet die Unternehmensführung der Post erstmals eine Überprüfung des Poststellennetzes an, um Einsparungen in der Grössenordnung von 100 Millionen Franken zu erreichen, was zu lebhaften Diskussionen im ganzen Land geführt hat. In den stark besiedelten städtischen Gebieten soll eine ganze Anzahl von Poststellen geschlossen werden, während in den ländlichen Randregionen eine weitgehende Umstellung von fixen Poststellen auf mobile und kostengünstigere Lösungen vorgesehen ist. Seit diesem Zeitpunkt sind zahlreiche parlamentarische Vorstösse und Petitionen zu diesem Thema eingereicht worden.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates führte an ihrer Sitzung vom 3. September 2001 im Rahmen der Behandlung der Parlamentarischen Initiative Spielmann (01.405) und der Bündner Petition für ein flächendeckendes Poststellennetz (01-28) eine ausführliche Debatte über die Aufgaben der Schweizerischen Post und über die Funktionen des Poststellennetzes. Sie beschloss, beide Vorstösse zwar abzulehnen, deren Anliegen aber in Form einer Kommissionsinitiative Rechnung zu tragen.

An ihrer Sitzung vom 19./20. November 2001 setzte die KVF-N eine Subkommission mit den Mitgliedern Fehr Hans-Jürg, Hämmerle, Seiler, Simoneschi und Theiler ein, um einen definitiven Formulierungsvorschlag und einen Bericht zu erarbeiten.

Die Kommission tagte am 16. Januar 2002 unter dem Vorsitz von Hanspeter Seiler und in Anwesenheit von Vertretern der Verwaltung und der Schweizerischen Post in Bern. Nach eingehender Diskussion verabschiedete die Subkommission einen Gesetzentwurf und einen Bericht mit 4 zu 0 Stimmen und einer Enthaltung zuhanden der Gesamtkommission.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Ausgangslage

Die Post erbringt heute gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag einen flächendeckenden Universaldienst mit Dienstleistungen im Post- und Zahlungsverkehr (Art. 2 Abs. 1 PG). Das Dienstleistungsangebot des Universaldienstes wird im Postgesetz und in der Postverordnung definiert. Die Kosten des aktuellen Poststellennetzes belaufen 5098

sich auf total 2,2 Milliarden Franken, das resultierende Defizit beträgt 530 Millionen Franken (Stand 2000).

Das grosse Engagement, mit dem in der Schweiz alle Veränderungen bei der Post diskutiert werden, zeigt, dass die Post nicht einfach ein blosses Dienstleistungsunternehmen ist, sondern eine nationale, identitätsstiftende Institution. Dies gilt in besonderem Mass für die ländlichen Regionen, mit gewissen Einschränkungen aber auch für Poststellen in städtischen Quartieren. Die Post, die sich zudem zu 100% in Bundesbesitz befindet, steht damit im besonderen Interesse des ganzen Volkes. Alle Reformvorhaben sind in diesem sensiblen Umfeld besonders gut zu planen und sorgfältig durchzuführen. Selbstverständlich kann und soll die Post auch gesellschaftliche Veränderungen nachvollziehen, wenn dies unternehmerisch nötig ist.

Zentral ist, dass dieser Umbau transparent und sozialverträglich durchgeführt wird, was sich nur in einem Dialog verwirklichen lässt.

Am 17. Oktober 2001 hat der Bundesrat beschlossen, auf eine Postbank bis auf weiteres zu verzichten, jedoch eine Rekapitalisierung der Post vorzunehmen. Ferner plant er einen Bericht über die zukünftige Entwicklung der Post, der im Frühjahr 2002 verabschiedet und dann dem Parlament vorgelegt werden soll. Dieser behandelt u.a. die Frage nach einer weiteren Marktöffnung, die Problematik der Grundversorgung (Dienstleistungen versus Infrastrukur) und die Finanzierung dieser Grundversorgung; ebenso wird eine Bilanz der Postreform von 1998 gezogen.

2.1.1

Vorstösse im Parlament

Seit 1999 sind die Poststellen ein wiederkehrendes Thema in den parlamentarischen Vorstössen; allein in der ersten Hälfte des Jahres 2001 waren es 14. Dabei werden unterschiedliche Ziele verfolgt: Nationalrat Spielmann forderte bereits 1999 in einer Motion (99.3628), auf jegliche Schliessung von Poststellen zu verzichten; der Rat überwies dieses Anliegen in Form eines Postulates. Nationalrat Rennwald wollte mit seiner Motion (01.3300) nicht nur eine Denkpause bei der Restrukturierung erreichen, sondern das Prinzip im Gesetz verankern, dass grundsätzlich jede Gemeinde Anrecht auf eine Poststelle habe; der Nationalrat lehnte dieses Begehren nach heftiger Diskussion ab. Auch die Motion Hämmerle (01.3065 n) hat ein flächendeckendes Poststellennetz zum Ziel.

Hier wird allerdings kein politisches, sondern ein geographisches Kriterium vorgeschlagen: Von jeder Siedlung aus muss eine PP-Poststelle in höchstens 10 Minuten mit dem öffentlichen Verkehr zu erreichen sein.

Eine ganze Reihe weiterer Vorstösse bekundet ein Missbehagen angesichts der Umbaupläne der Post, namentlich was die strukturschwachen Randregionen betrifft, und möchte den Bundesrat mit einer genauen Überprüfung des Vorgehens der Post betrauen (Mo KVF-N 00.3215 n, Mo. Epiney 01.3206 s, Kt.Iv. Jura 01.306, Mo.

Gadient 01.3018 n, D.Ip. Sozialdemokratische Fraktion 01.3025 n, D.Ip. Grüne Fraktion 01.3035 n, Ip. Maissen 01.3119 s). Ein Anliegen, dem u.a. in der Frühlingssession der eidgenössischen Räte in Lugano eine umfangreiche Debatte gewidmet war.

Das Anliegen der Post, ihre defizitären Bereiche zu reduzieren, um Kosten zu sparen, wird allgemein anerkannt. Da die Erbringung einer Grundversorgung auf hohem 5099

Niveau als politisches Anliegen des Bundes betrachtet wird, schlagen zwei in der Herbstsession 2001 überwiesene Vorstösse eine entsprechende zusätzliche Abgeltung mit Bundesmitteln vor. Der Leistungsauftrag der Post wäre dahin gehend zu erweitern (Mo. Dupraz 01.3168 n, Mo. Fasel 01.3120 n).

Nationalrat Lustenberger möchte die Post dagegen via eine Motion zu einer vermehrten und kostengünstigen Zusammenarbeit mit lokalen Partnern wie Banken verpflichten (01.3394).

Dank mehr Wettbewerb zu einem besseren Angebot zu kommen, fordert schliesslich Ständerat Hans Hess in seiner Motion (01.3370), welche der Rat in Form eines Postulates überwiesen hat. Eine gleich lautende Motion von Nationalrat Engelberger (01.3361) wurde noch nicht behandelt.

2.1.2

Unbehagen in der Bevölkerung

Wie tief die Schweizerische Post in der Identität von grossen Teilen der Bevölkerung verwurzelt ist, zeigen die teilweise heftigen Reaktionen von Anwohnerinnen und Anwohnern auf die Ankündigung der Schliessung oder des Umbaus «ihrer» Poststelle. Als Beispiele seien hier die Petition der Bündner Poststellenhalter und die Bewegung für den Erhalt der Genfer Quartierpost Saint-Jean genannt. Sowohl auf dem Land wie in städtischen Quartieren bildeten sich breite Bewegungen, die unabhängig von den üblichen politischen Unterteilungen die lokale Erhaltung des Service public durch die Post im bisherigen Umfang forderten.

2.1.3

Position der Schweizerischen Post

Am 18. Januar 2001 kommunizierte die Post ihre Pläne zum Netz-Umbau. Neu werden die Poststellen in drei Typen (P, PP, PPP) eingeteilt, um dem tatsächlichen Kundenverhalten Rechnung zu tragen. Jeder Poststellen-Typ erbringt mindestens die Dienstleistungen des Universaldienstes. Das Gerüst des neuen Netzes bilden die PPPoststellen mit ihrem umfassenden Dienstleistungsangebot (u.a. Produkte der Expresspost, Finanzdienstleistungen und Drittprodukte). Zusätzlich zu diesem Angebot offerieren PPP-Poststellen, so genannte PostCenter, breite und kompetente Beratungsdienstleistungen im Finanzgeschäft. Die rund 1500 P-Poststellen wiederum konzentrieren sich künftig auf den Universaldienst. Besonders in ländlichen Verhältnissen beschränkt sich die Nachfrage der Kundinnen und Kunden in der Regel auf die Universaldienstleistungen. Die Leistungen dieser P-Poststellen werden durch eine Filiale, eine mobile Poststelle, eine Agentur oder durch einen Haus-Service erbracht. In Städten wird angestrebt, die gewohnte Qualität mit weniger, aber besser platzierten Poststellen anzubieten. Die Modernisierung des Netzes ermöglicht nach Abschluss des Umbaus 2005/06 jährliche Einsparungen von über 100 Millionen Franken.

Das für 2005/06 angestrebte Netz zählt rund 2500 bis 2700 physische Poststellen.

Als physische Poststelle gelten Poststellen des Typs PPP (PostCenter), PP und P (Filialen, Agenturen und mobile Poststellen). Vor der Einleitung des Umbaus Mitte Januar 2001 gab es in der Schweiz rund 3400 Poststellen. Das schweizerische Post-

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stellennetz ist eines der dichtesten weltweit. Daran wird sich auch nach Umsetzung des nun eingeleiteten Umbaus nichts ändern.

Nach Überzeugung der Post erfüllt der eingeleitete Umbau des Poststellennetzes die von der Kommission verlangte Flächendeckung. Je nach Auslegung des Begriffs «angemessene» Distanz dürfte die Post aber gezwungen sein, mehr physische Poststellen zu betreiben, als nach dem Kundenverhalten nötig wären.

Würde die Post in der Modernisierung des Netzes eingeschränkt, so wäre mit negativen Folgen für das Unternehmen zu rechnen. Das Defizit im Netz würde die Konzernrechnung weiterhin stark belasten. Da weder Kosten gesenkt noch Kundenkontaktpunkte besser nach dem Verhalten der Bevölkerung ausgerichtet werden könnten, würden die Geschäftsbereiche der Post gezwungenermassen die Leistungen des Netzes weniger nachfragen. Das Netz-Defizit würde somit rasch wieder wachsen. In einer Zeit, in der die Konkurrenten eigene Vertriebsnetze aufbauen und nicht-postalische Unternehmen ihre Retailnetze vermehrt kommerzialisieren, hätte die Post im schärfer werdenden Wettbewerb einen enormen Nachteil, sollte sie das Netz nicht marktgerecht modernisieren können.

2.2

Erwägungen der Kommission

Die Kommission begrüsst die Absicht der Post, ihr Unternehmen den veränderten Bedürfnissen ihrer Kundinnen und Kunden anzupassen. Mit dem vorgeschlagenen Umbau kann sie aber genau dieses Ziel nicht erreichen. Allein der quanitative Umbau ­ in gewissen Regionen würden mehr als die Hälfte aller Postbüros geschlossen ­ würde den Umbau zu einem Abbau werden lassen. Besonders stark betroffen wären die ohnehin strukturschwachen Randregionen. Den Zugang zu qualitativ hoch stehenden postalischen Dienstleistungen auch in Zukunft für die gesamte Bevölkerung der Schweiz zu gewährleisten, ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung. Die Qualität der Dienstleistungen lässt sich dabei nicht von der physischen Präsenz der Poststellen im ganzen Land trennen. Vereinzelt mögen eine mobile Post oder sogar ein Hausservice für die Betroffenen eine bessere Lösung sein, in der Regel ist aber an einer Poststelle ­ PPP, PP oder P (Filiale oder Agentur) ­ festzuhalten. Durch den Betrieb dieser z.T. stark defizitären Poststellen wird die Post gewisse geplante Einsparungen nicht realisieren können. Der Bund soll und wird sich aber entsprechend dem neuen Gesetzestext an den ungedeckten Kosten beteiligen. Diese Abgeltung bezieht sich allerdings lediglich auf die nicht realisierten Einsparungen und nicht auf das gesamte Defizit des Poststellennetzes. Die genaue Ausgestaltung dieser Abgeltung, namentlich die Frage, ob sie vorgängig oder nachträglich stattfinden soll, wird vom Bundesrat zu klären sein.

Die Post hat unter anderem auch eine sehr grosse volkswirtschaftliche Bedeutung: Nicht nur ist sie einer der grössten Arbeitgeber im Land; sie trägt mit ihren Dienstleistungen auch stark zu der für die Schweiz typischen, gut ausgebauten Infrastruktur bei. Gerade in ländlichen, ansonsten strukturschwachen Gebieten, kommt ihr damit eine zentrale Stellung zu, von der nicht nur die ansässige Bevölkerung, sondern ganze Wirtschaftszweige, wie der Tourismus oder das Kleingewerbe, direkt und indirekt profitieren. Nicht nur die Kunden, sondern auch das ganze Personal der Post würden durch einen massiven Abbau stark verunsichert und bei ohnehin steigenden Anforderungen zusätzlich belastet.

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Auch mit der gesetzlichen Bestimmung, wie sie in der Kommissionsinitiative formuliert wurde, wird es der Post möglich sein, ihr Poststellen-Netz zeitgemäss anzupassen. Namentlich Kombinationslösungen ­ zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Dorfläden, Gemeindeämtern oder Sparkassen ­ sind ohne weiteres möglich. Ziel ist nicht, das Poststellen-Netz für immer auf dem Stand 2001 festzuschreiben. Vielmehr geht es darum, dass sich die Qualität der Dienstleistungen, wie sie heute geboten werden, nicht vom Umfang der Infrastrukur trennen lässt. Ein massiver Ausbau sämtlicher heutigen P-Poststellen zu PP-Poststellen ist nicht beabsichtigt. An einem Ausbaustandard auf dem Niveau des Universaldienstes (Art. 2 Abs. 1 PG) wird dagegen festgehalten. Poststellen mit einem solchen Angebot müssen für alle Bevölkerungsteile in einer angemessenen Distanz (vgl. dazu Punkt 3.1) erreichbar sein. Ein allzu starre zahlenmässige Definition für eine solche Distanz kann in einem Gesetz nicht gegeben werden.

2.3

Position der Minderheit

Es ist wenig sinnvoll, die Post in die Unabhängigkeit zu entlassen und drei Jahre später alles wieder rückgängig machen zu wollen. Es war ja gerade der Sinn der Liberalisierung, den Handlungsspielraum der Post als Unternehmen zu vergrössern.

Diesen jetzt wieder einzuschränken, wäre nicht nur falsch, sondern auch inkonsequent. Es kann zudem nicht sein, dass der Gesetzgeber einerseits der Post Eigenwirtschaftlichkeit vorschreibt und ihr andererseits betriebswirtschaftlich wenig sinnvolle Massnahmen verordnet. Neue Abgeltungen lösen dieses Problem ebenfalls nicht, denn dies würde eine Rückkehr zum alten System bedeuten, und das ist nicht vereinbar mit dem Geist des geltenden Postgesetzes.

Es handelt sich bei der Reform des Poststellennetzes ­ wie auch Bundesrat Leuenberger immer wieder betont ­ nicht um einen Abbau des Service public. Die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung bleibt auf hohem Niveau gewährleistet, auch in den Randregionen. Die Post versucht lediglich, sich den veränderten Lebens- und Arbeitsgewohnheiten der Bevölkerung anzupassen. Statt überholte und teure Strukturen aufrechtzuerhalten, setzt sie auf flexible und kostengünstige Modelle. Der erhoffte Spareffekt dieser Massnahmen von ca. 100 Millionen darf als substanziell betrachtet werden, auch wenn er allein das aktuelle Defizit des Poststellennetzes von 500 Millionen Franken nicht zu decken vermag.

Der vorliegende Änderungsvorschlag für das Postgesetz ist problematisch, da er mit ungenauen Begriffen eine Rechtsunsicherheit schaffen würde. Insbesondere klärungsbedürftig sind die Begriffe «Regionen» und «in angemessener Distanz». Je nach Auslegung wäre die Post zu einer nicht zu rechtfertigenden Strukturerhaltung verpflichtet. Entsprechende, heute noch nicht bezifferbare Kosten wären die Folge.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Artikel 2 Absatz 3

Gemäss Satz 1 soll die Post neu verpflichtet werden, landesweit ein flächendeckendes Poststellennetz zu betreiben. Im Entwurf wird weder die genaue Anzahl an Poststellen, die hierzu erforderlich ist, noch deren geographische Verteilung festgelegt.

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Dem Bundesrat bleibt es aber unbenommen, in den Ausführungsbestimmungen hierzu Näheres zu regeln.

Gemäss dem ersten Halbsatz von Satz 2 muss in allen Regionen des Landes für alle Bevölkerungsgruppen eine Poststelle in angemessener Distanz erreichbar sein. Mit den Regionen sind einzelne oder mehrere Talschaften oder andere grössere Gebiete gemeint, die sich insbesondere aufgrund ihrer geographischen, sprachlichen oder politischen Zusammengehörigkeit bestimmen und die auch betriebslogistischen Kriterien entsprechen. Keinem der Kriterien soll der Vorrang zukommen, es soll aber auch keines für sich alleine genügen, um eine Region abzugrenzen. Insbesondere die Ausdehnung eines politischen Bezirks wird häufig ein wenig hilfreiches Kriterium sein, da die Bezirke von Kanton zu Kanton sehr unterschiedliche Grössen aufweisen und in einzelnen Fällen nur eine oder wenige Gemeinden umfassen können. Auch eine Kantonsgrenze bildet nicht automatisch eine Regionsgrenze; Regionen können Teile von mehr als einem Kanton umfassen.

Die Angemessenheit der Distanz zur nächsten Poststelle muss für alle Bevölkerungsgruppen erfüllt sein. In der Regel wird damit die Gruppe den Ausschlag geben, die am wenigsten mobil ist, beispielsweise Personen, die über kein Verkehrsmittel verfügen, oder ältere und gehbehinderte Personen. Nicht verlangt ist aber, dass für jeden einzelnen Postbenützer eine Poststelle in angemessener Distanz erreichbar ist.

Der Bundesrat wird in den Ausführungsbestimmungen die angemessene Distanz näher zu bestimmen haben. Er kann dabei unter anderem: ­

für Poststellen in Agglomerationen, in ländlichen Gebieten oder in den Bergen unterschiedliche Distanzen festlegen;

­

für bestimmte Standorttypen von Poststellen standardisierte Minimal- und Maximaldistanzen festlegen;

­

für besondere Fälle oder aus wichtigen Gründen Ausnahmen vorbehalten oder vorsehen.

Als Poststellen im Sinne dieser Bestimmungen gelten PPP-, PP- und unter den P-Poststellen die Filialen und Agenturen sowie ­ in Ausnahmefällen ­ die mobilen Poststellen, sofern diese eine Mindestverweildauer an einem Ort nicht unterschreiten und dort mehrmals pro Woche ihre Dienste anbieten. Der Hausservice hingegen stellt keine Poststelle im Sinne dieser Bestimmungen dar. Die Post kann indessen im Rahmen der neuen Vorgaben auch in Zukunft an geeigneten Stellen einen Hausservice anbieten.

Gemäss dem zweiten Halbsatz von Satz 2 muss eine Poststelle mindestens den Universaldienst anbieten. Was als Universaldienst gilt, richtet sich nach dem bestehenden Artikel 2 Absatz 1 des Postgesetzes.

Ein Rechtsanspruch auf eine Poststelle besteht nicht; gegen die Schliessung oder Nichterrichtung einer Poststelle kann kein Rechtsmittel ergriffen werden.

3.2

Artikel 2 Absatz 4

Gemäss dieser Bestimmung gilt der Bund der Post jährlich einen Anteil der ungedeckten Kosten des Poststellennetzes ab. Die Bestimmung lehnt sich an Artikel 15 Absatz 2 des Postgesetzes an, der die Abgeltungen des Bundes für die vergünstigte 5103

Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften regelt. Im Gegensatz zu Artikel 15 Absatz 2 ist nach Artikel 2 Absatz 4 jedoch nur eine teilweise Abgeltung der ungedeckten Kosten des Poststellennetzes, die nach Angaben der Post im heutigen Zeitpunkt rund eine halbe Milliarde Franken jährlich betragen, vorgesehen. Für den Bund ist an eine Abgeltung im Bereich von 10 bis 20 Prozent der heutigen ungedeckten Kosten gedacht. Der Post sollen dadurch die im Vergleich zu ihren ursprünglichen Umbauplänen tieferen Einsparungen ausgeglichen werden. Deutlich wird damit, dass die Post auch in Zukunft nicht umhinkommen wird, weitere Einsparmöglichkeiten auszuschöpfen.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das aktuelle Poststellennetz ist nach Angaben der Schweizerischen Post mit ca.

530 Millionen Franken defizitär. Die von der Post im Januar 2001 angekündigten Einsparungen in der Grössenordnung von 100 Millionen Franken mittels Schliessungen und durch den Umbau des bisherigen Netzes können aufgrund der vorgesehenen Gesetzesänderung nur zum Teil realisiert werden. Der Bund wird der Post die nicht realisierten Einsparungen gemäss dem neuen Artikel 2 Absatz 4 PG abgelten müssen. Längerfristig wird sich ein Kostenanteil des Bundes am gesamten Defizit des Poststellennetzes von ca. 10­20% ergeben.

Die Post selbst hat bei der Umsetzung der gesamten Poststellennetz-Reform mit einem Abbau von ca. 500 Stellen gerechnet, der durch natürliche Fluktuationen hätte erfolgen können. Aufgrund der neuen Lage ist mit einem eher geringeren Abbau zu rechnen. Genauere Angaben lassen sich zur Zeit keine machen.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die EU kennt in ihrer «Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (Postrichtlinie)» eine ähnliche Definition von postalischen Grunddienstleistungen wie die Schweiz: «Der Zweck der Gemeinschaftspolitik im Postsektor besteht darin, den Binnenmarkt für Postdienste zu verwirklichen, und allen Bürgern in der Europäischen Union überall effiziente, zuverlässige und hochwertige Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen. Die Bedeutung der Postdienste sowohl für die wirtschaftliche Entwicklung als auch das soziale Gefüge und den Zusammenhalt in der EU machen den Postsektor zu einem der vorrangigen Bereiche der Politik in der Gemeinschaft.» Zur Finanzierung der (nationalen) Postunternehmen sind reservierte Bereiche vorgesehen. Das mittelfristige Ziel ist, diese reservierten Bereiche immer stärker abzubauen. Die vollständige Liberalisierung ist aber innerhalb der EU stark umstritten.

Eigentliche Abgeltungen, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf vorschlägt, sind dagegen nicht vorgesehen. Sie sind somit zwar auch nicht explizit verboten, sondern dem Gutdünken der einzelnen Länder anheim gestellt, aber sie liegen eindeutig nicht im momentanen Trend der europäischen Bemühungen um eine einheitliche Regelung der Postdienstleistungen.

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6

Ausgabenbremse

Die Vorlage unterliegt gemäss Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b Bundesverfassung der Ausgabenbremse und kann deshalb von den Eidgenössischen Räten nur mit der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder verabschiedet werden.

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Anhang

Geltendes Recht: Postgesetz (PG) vom 30. April 1997 (Auszug) Art. 2

Auftrag der Post

1

Die Post erbringt einen ausreichenden Universaldienst, bestehend aus Dienstleistungen des Post- und Zahlungsverkehrs. Die Dienstleistungen des Postverkehrs umfassen die Annahme, die Abholung, den Transport und die Zustellung von Sendungen in der Regel an allen Werktagen, mindestens aber an fünf Tagen pro Woche.

2

Die Post gewährleistet den freien Zugang zu den Dienstleistungen des Universaldienstes. Dieser muss in allen Landesteilen nach gleichen Grundsätzen, in guter Qualität und zu angemessenen Preisen angeboten werden.

Stand am 3. Oktober 2000

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