00.019 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Albanien vom 16. Februar 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das am 12. November 1999 unterzeichnete Abkommen mit der Republik Albanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. Februar 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0305

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Übersicht Am 12. November 1999 wurde mit der Republik Albanien ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet.

Das Abkommen bietet Personen mit steuerlichen Bezugspunkten zu beiden Staaten und speziell den investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung auch einen gewissen steuerlichen Schutz. Es begünstigt neue Investitionen und stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen westlichen Staaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden.

Das Abkommen folgt im Wesentlichen dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der schweizerischen Abkommenspraxis. Die Kantone und interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens gutgeheissen.

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Botschaft 1

Vorgeschichte

Nach zwei Gesprächsrunden konnte schon Mitte Mai 1994 mit Albanien der Entwurf eines Doppelbesteuerungsabkommens paraphiert werden. Kurz nach der politischen Öffnung erlitt Albanien den wohl grössten wirtschaftlichen Rückgang aller osteuropäischen Staaten; so sank die Industrieproduktion 1991 beispielsweise um 50 Prozent. Mittels eines Strukturreformprogramms konnte der wirtschaftliche Niedergang in der Zwischenzeit in den meisten Bereichen wieder gestoppt werden. Die Privatisierung in der Landwirtschaft ist praktisch abgeschlossen. Ebenfalls weiter fortgeschritten ist die Entstaatlichung der kleinen Detailhandels-, Transport- und Dienstleistungsbetriebe, während die Privatisierung der grossen Industriebetriebe erst noch in Angriff genommen werden muss. Bedeutende ausländische Investitionen sind, nachdem in den vergangenen zwei Jahren grössere, innenpolitisch begründete Turbulenzen zu überwinden waren, im Leichtindustriesektor, im Tourismusgeschäft und im Zusammenhang mit den relativ grossen Bodenschätzen des Landes zu erwarten. Albanien ist ein Schwerpunktland der schweizerischen Finanzhilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Die schweizerischen Direktinvestitionen in Albanien sind bis anhin bescheiden. Es ist jedoch absehbar, dass schweizerische Unternehmen in Zukunft vermehrt in Albanien investieren werden. Mit der Unterzeichnung des Abkommens wurde am 12. November 1999 in Bern ein erster Schritt in diese Richtung unternommen.

Neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung vermittelt ein Doppelbesteuerungsabkommen den in Albanien tätigen Firmen einen steuerlichen Schutz, begünstigt neue schweizerische Investitionen und trägt dazu bei, dass den schweizerischen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen Industrienationen keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erwachsen. Der Bundesrat hat zudem in der Botschaft über eine verstärkte Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten und über entsprechende Soforthilfsmassnahmen (BBl 1990 I 145) sowie in der Botschaft über die Weiterführung der verstärkten Zusammenarbeit mit ost- und mitteleuropäischen Staaten (BBl 1991 IV 553) die generelle Unterstützung des Reformprozesses in Mittel- und Osteuropa befürwortet und den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen als zur Unterstützung geeignete Massnahme bezeichnet.

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Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen des Abkommens

Das Abkommen folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis mit Entwicklungsländern. Es werden deshalb im Folgenden nur die wesentlichen Abweichungen vom Musterabkommen und wichtige Besonderheiten des Abkommens erläutert.

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Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der sachliche Geltungsbereich des Abkommens umfasst die Steuern auf dem Einkommen und dem Vermögen. Die Verrechnungssteuer auf Lotteriegewinnen wird der schweizerischen Abkommenspraxis entsprechend vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossen.

Art. 5

Betriebstätten

Eine Bau- und Montageausführung begründet eine Betriebstätte, sofern deren Dauer neun Monate übersteigt.

Der Katalog von Hilfstätigkeiten, die keine Betriebstätten begründen, ist umfangreicher ausgestaltet als im OECD-Musterabkommen. Zusätzlich erwähnt wird die Montage von eigenen Maschinen oder Ausrüstungen.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Entsprechend dem OECD-Musterabkommen gilt der Grundsatz, dass eine Betriebstätte nur für diejenigen Gewinne besteuert werden darf, die ihr tatsächlich zugerechnet werden können. Dass dieser Grundsatz sich auch auf Gewinne aus Zulieferungen bezieht, wird in Ziffer 2 des Protokolls ausdrücklich bekräftigt. Dagegen kann eine Zurechnung von Einkünften des Hauptsitzes an die Betriebstätte in Fällen von missbräuchlichen Gestaltungen erfolgen, sofern nachgewiesen wird, dass die Betriebstätte in massgeblicher Weise an der Erzielung der betreffenden Einkünfte beteiligt war.

Art. 8

Internationale Seeschifffahrt und Luftfahrt

Entsprechend den schweizerischen Abkommen mit anderen mittel- und osteuropäischen Staaten findet diese Bestimmung auch für im internationalen Verkehr betriebene Strassenfahrzeuge Anwendung. Dementsprechend sind auch die Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g (allgemeine Begriffsbestimmungen), 13 Absatz 3 (Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen), 15 Absatz 3 (unselbstständige Arbeit) und 22 Absatz 3 (Vermögen) angepasst worden.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Wie bei den meisten in letzter Zeit ausgehandelten Doppelbesteuerungsabkommen gelang es auch hier, die der schweizerischen Praxis entsprechende Formulierung der Absätze 2 und 3 einzubringen. Das Abkommen sieht vor, dass sich die Vertragsstaaten über die Vornahme von Gewinnaufrechnungen konsultieren können.

Gewinnberichtigungen dürfen nicht mehr vorgenommen werden, wenn seit Ablauf des Jahres, in dem die fraglichen Gewinne erzielt wurden, fünf Jahre verflossen sind.

Diese zeitliche Begrenzung findet in Steuerbetrugsfällen oder in Fällen von anderen vorsätzlichen Steuerdelikten keine Anwendung.

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Art. 10

Dividenden

Die Steuer zu Gunsten des Quellenstaates beträgt 5 Prozent bei Beteiligungen von mindestens 25 Prozent, die von einer Gesellschaft gehalten werden. In den übrigen Fällen ist das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 15 Prozent begrenzt.

Art. 11

Zinsen

Die Quellensteuer auf Zinsen wird generell auf 5 Prozent begrenzt.

Art. 12

Lizenzgebühren

Bei den Lizenzgebühren sieht das Abkommen einen Quellensteuersatz von 5 Prozent vor. Damit ist eine Lösung getroffen worden, die im Rahmen der schweizerischen Abkommenspolitik mit den Ländern in dieser Region liegt und die den schweizerischen Interessen gebührend Rechnung trägt. Im Protokoll (Ziffer 4) wird ausdrücklich festgehalten, dass Vergütungen für technische Dienstleistungen als gewerbliche Einkünfte zu gelten haben und daher nicht unter Artikel 12, sondern unter Artikel 7 (Unternehmensgewinne) oder Artikel 14 (selbstständige Arbeit) fallen. Desgleichen gelten auch Leasingerträge als gewerbliche Einkünfte.

Art. 17

Künstler und Sportler

Der schweizerischen Vertragspraxis folgend erfolgt die Besteuerung am Tätigkeitsort grundsätzlich auch für Einkünfte, die einer anderen Person als dem Künstler oder Sportler für dessen Auftreten zufliessen. Diese Besteuerung tritt aber nicht ein, wenn nachgewiesen werden kann, dass weder der Künstler oder Sportler noch mit ihnen verbundene Personen an den Gewinnen dieser anderen Person beteiligt sind. Die Besteuerung nach Artikel 17 ist ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers in erheblichem Umfang aus öffentlichen Mitteln unterstützt wird.

Art. 21

Andere Einkünfte

Diese Einkünfte können ausschliesslich im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Albanien vermeidet die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode; die Schweiz wendet grundsätzlich die Befreiungsmethode an und gewährt für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung.

Art. 26

Informationsaustausch

Das Abkommen enthält keine Bestimmung über den Informationsaustausch.

Art. 27

Inkrafttreten

Das Abkommen tritt mit Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Dessen Bestimmungen sind erstmals für Steuerjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember des auf die Ratifikation folgenden Jahres beginnen.

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Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der in Albanien auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren gestützt auf die Artikel 10, 11 und 12 erhobenen Quellensteuern. Die Einbussen, die sich aus der teilweisen Rückerstattung der Verrechnungssteuer an in Albanien ansässige Personen ergeben, dürften nur geringfügig ins Gewicht fallen. Die durch den Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 verankerte pauschale Steueranrechnung wird eine gewisse Belastung der schweizerischen Steuerhoheitsträger nach sich ziehen. Diese Einbussen, deren Ausmass mangels geeigneter Unterlagen nicht geschätzt werden kann, werden aber teilweise aufgewogen durch den Umstand, dass inskünftig die aus Albanien stammenden Einkünfte in der Schweiz mit dem Bruttobetrag besteuert werden, während bisher die albanische Quellensteuer zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden musste. Daraus wird sich im Allgemeinen eine Erhöhung des steuerbaren Einkommens ergeben.

Das Abkommen bringt wesentliche Verbesserungen und Erleichterungen gegenüber dem bisherigen abkommenslosen Zustand. Es darf erwartet werden, dass das Abkommen zur Förderung neuer schweizerischer Direktinvestitionen in Albanien beitragen und sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken wird. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben dessen Abschluss im Vernehmlassungsverfahren gutgeheissen. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden und dass sie ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage dieses Abkommens bildet Artikel 54 der Bundesverfassung vom 18. April 1999, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung zuständig für die Genehmigung des Abkommens. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch führt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Der Bundesbeschluss unterliegt daher nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

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Schlussfolgerungen

Das vorliegende Abkommen folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen und entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis. Es schafft Rechtssicherheit und bringt den schweizerischen Investoren eine erhebliche Entlastung von den albanischen Steuern. Das Abkommen dürfte sich allgemein günstig auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Republik Albanien auswirken.

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