01.077 Botschaft über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) vom 21. November 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung der UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) sowie den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1977

P 76.452

1993

P 93.3074 Zusammenführung von Kulturgütern (N 18.6.93, Keller Rudolf)

Kulturgüter, Export (N 19.9.77, Oehen)

1993

P 93.3028 UNESCO-Konvention Kulturgüterschutz: Unterzeichnung (N 18.3.93, Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates [91.073]; S 9.6.93)

1993

P 92.3259 Die Schweiz als umstrittene Drehscheibe des internationalen Kulturgüterhandels (N 2.6.93, Grossenbacher; S 6.12.93)

1993

M 92.3259 Die Schweiz als umstrittene Drehscheibe des internationalen Kulturgüterhandels (N 2.6.93, Grossenbacher; S 6.12.93)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-2310

535

Übersicht Der weltweite Handel mit Kulturgütern hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Zugenommen hat nicht nur der legale Kunsthandel, der als fairer Kulturaustausch zum gegenseitigen Verständnis und Respekt beiträgt; zugenommen hat auch der illegale Kulturgütertransfer, der dem Kulturerbe schwere und oft irreversible Schäden zufügt. Vielerorts ist er inzwischen vom organisierten Verbrechen übernommen worden. Fachleute gehen davon aus, dass der illegale Kunsthandel heute mit dem Drogen- und Waffenhandel an der Spitze der unrechtmässigen Handelsgeschäfte steht. Werden in der Schweiz und anderen europäischen Ländern vor allem private Kunstsammlungen, Museen, Kirchen und andere öffentliche Gebäude von Diebstählen heimgesucht, leiden die kulturgüterreichen Gegenden des Mittelmeerraums, Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zusätzlich unter der Plünderung von Tempeln, Gräbern und archäologischen Stätten. Die Massnahmen, welche finanzschwache Länder zu ihrem Schutz ergreifen können, sind angesichts der enormen Gewinnmargen, die der illegale Kunsthandel ermöglicht, kaum wirksam. Für einige Regionen hat dieser Mechanismus inzwischen zur kulturellen Katastrophe geführt: Sie sehen sich heute eines grossen Teils der Zeugnisse ihrer Identität, ihrer Geschichte und Religion beraubt. Die internationale Staatengemeinschaft hat auf diese Entwicklung mit einer Reihe von Massnahmen reagiert, die dem illegalen Kulturgütertransfer und seinen Begleiterscheinungen Einhalt gebieten.

Die Schweiz gehört zu den weltweit wichtigsten Kunsthandelsplätzen. Allerdings wird sie immer wieder verdächtigt, auch dem illegalen Handel als Drehscheibe zu dienen. Denn die Schweiz kennt auf Bundesebene keine Regelung zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern. Sie ist auch in kein internationales Instrument zur Bekämpfung des illegalen Kulturgütertransfers eingebunden. Sie steht damit gegenüber den anderen grossen Kunsthandelsnationen wie auch gegenüber ihren europäischen Nachbarn isoliert da.

Dies soll sich nun ändern. Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat den eidgenössischen Räten die UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) zur Genehmigung und legt ihnen den Entwurf zu einem
Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz) mit Antrag auf Zustimmung vor. Der Bundesrat sieht darin ein vordringliches Anliegen der Schweizer Kultur- und Aussenpolitik.

Die UNESCO-Konvention 1970 wurde am 14. November 1970 durch die 16. Generalkonferenz der UNESCO in Paris verabschiedet. Bis zum 1. Oktober 2001 sind ihr 91 Staaten beigetreten, darunter die USA und sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als ältestes Übereinkommen zum Schutz des beweglichen Kulturgutes in Friedenszeiten ergänzt sie das Haager Übereinkommen von 1954 über den Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten, das die Schweiz 1962 ratifiziert hat.

Das Ziel der UNESCO-Konvention 1970 ist es, in den Vertragsstaaten den Schutz für Kulturgüter zu verbessern und in internationaler Zusammenarbeit das kulturelle Erbe der Menschheit zu sichern. Sie enthält Mindestvorschriften über gesetz-

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geberische und administrative Massnahmen, welche die Vertragsstaaten ergreifen müssen, um den illegalen Handel mit Kulturgütern zu unterbinden. Im Zentrum steht die Bekämpfung des Diebstahls, der Raubgrabungen und der rechtswidrigen Ein- und Ausfuhr von Kulturgut. Weiter tritt die Konvention für eine Rückgabe gestohlener und eine Rückführung rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter ein. Sie ist nicht rückwirkend: Die Bestimmungen und Massnahmen entfalten ihre Wirkungen erst nach dem Inkrafttreten der Konvention für den Staat, der sie ratifiziert hat.

Die UNESCO-Konvention 1970 ist nicht direkt anwendbar: Sie verpflichtet die Vertragsstaaten, überall dort, wo die bestehenden Gesetze und Institutionen die Mindestansprüche nicht erfüllen, gesetzgeberisch tätig zu werden. Das Schweizer Recht weist auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers erhebliche Lücken auf. Der Bundesrat unterbreitet deshalb den eidgenössischen Räten zusammen mit der vorliegenden Botschaft über die Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 die erforderliche gesetzgeberische Umsetzung in einem Kulturgütertransfergesetz (KGTG).

Das Kulturgütertransfergesetz soll den illegalen und ethisch verwerflichen Geschäften mit Kulturgütern in der Schweiz einen Riegel schieben. Die Missbräuche werden gezielt bekämpft. Zugleich erfährt das kulturelle Erbe eine bessere Absicherung. Der offene und faire Kulturaustausch bleibt dabei ein wesentlicher Pfeiler der Schweizer Kulturpolitik.

Das Gesetz sieht verschiedene Massnahmen vor. Der Schutz für das kulturelle Erbe der Schweiz soll durch eine Ausfuhrregelung für bedeutende Kulturgüter im Eigentum des Bundes und die Einrichtung einer Ausfuhrkontrolle an der Schweizer Grenze verbessert werden. Die Ausfuhrkontrolle ermöglicht es auch den Kantonen, ihr Patrimonium besser zu schützen. Weiter erfährt das archäologische Erbe im Rahmen des Zivilgesetzbuches eine stärkere Absicherung.

Andere Vertragsstaaten der Konvention erhalten die Möglichkeit, besonders sensible Teile ihres kulturellen Erbes aus den Bereichen Archäologie, Ethnologie und Religion sowie Archivgut auf bilateralem Weg vor illegaler Ausfuhr und endgültigem Verlust zu bewahren. Dies soll in der Schweiz über eine bessere Kontrolle der Einfuhr, die Möglichkeit zur Rückführung illegal eingeführter Kulturgüter und eine Aufzeichnungspflicht für den
Kunsthandel erreicht werden. Ergänzend erhält der Bund die Möglichkeit, Projekten, die der Erhaltung besonders gefährdeter Kulturgüter dienen, eine finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Weiter werden zur Eindämmung des illegalen Kulturgütertransfers die Fristen für die Ersitzung und den Erwerb gestohlener Kulturgüter angehoben. Dies wirkt einer Zwischenlagerung und Weiterveräusserung solcher Objekte in der Schweiz entgegen.

Schliesslich soll mit der Einführung einer Rückgabegarantie für Kulturgüter, die eine ausländische Institution an eine Ausstellung in die Schweiz ausleiht, die Stellung der Schweizer Museen im internationalen Leihverkehr verbessert werden.

Die Massnahmen sind so ausgestaltet, dass sie Wirksamkeit entfalten und dabei den Rahmen der Verhältnismässigkeit wahren. Der Handlungsspielraum des legalen Handels mit Kulturgütern erfährt keine Einschränkung. Im Gegenteil wird das Kulturgütertransfergesetz dazu beitragen, dass der Kunsthandelsplatz Schweiz seinen Ruf der Kompetenz und Seriosität festigen kann.

537

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Kulturgüter sind besondere Güter: Sie sind Identifikationsträger für die Einzelnen und die Gemeinschaft, fassbare Zeugnisse der Kultur und Geschichte, in ihrer Bedeutung einzigartig und unersetzlich. Sie prägen das Selbstverständnis und den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft. Deshalb zählt der Schutz des kulturellen Erbes heute zu einer der zentralen Aufgaben der Staaten. Mit dem Haager Übereinkommen vom 14. Mai 1954 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf Regeln zum Schutz der Kulturgüter in Kriegszeiten geeinigt. Die Schweiz hat diese Konvention im Jahr 1962 ratifiziert.1 Viele Regionen der Erde leiden aber auch in Friedenszeiten unter Zerstörung und Verlust ihres kulturellen Erbes; für sie ist der illegale Kulturgüterhandel zu einer massiven Bedrohung geworden.

Mit dem Anwachsen und der Globalisierung des Welthandels hat in den letzten Jahrzehnten der Handel mit Kulturgütern stark zugenommen. Die grosse Nachfrage nach archäologischen und ethnologischen Objekten hat dazu geführt, dass sich auch der illegale Handel zu einem sehr lukrativen Geschäft entwickelte und vielerorts von der organisierten Kriminalität übernommen wurde. Er geht einher mit Diebstahl, mit der Plünderung und Zerstörung archäologischer Stätten, mit Schmuggel und Geldwäscherei. Darunter zu leiden haben alle Länder, insbesondere aber kulturgüterreiche Regionen, in denen die Mittel oder staatlichen Strukturen für einen effizienten Schutz nicht ausreichen.

Das exakte Ausmass des illegalen Kulturgütertransfers ist schwierig zu eruieren. Es liegt in der Natur des illegalen Handels, dass keine genauen statistischen Erhebungen über seinen Umfang bestehen. Die Angaben, die man in jüngeren Untersuchungen und Publikationen hierzu findet, sind namentlich aus diesem Grund mit Vorsicht aufzunehmen. Dennoch vermögen sie einen Hinweis zu geben auf das Ausmass des illegalen Handels. So wurden Interpol 1998 über 60 000 und 1999 rund 48 000 Kulturgüter als gestohlen gemeldet, wobei weniger als ein Viertel der Mitgliedstaaten überhaupt entsprechende Statistiken an Interpol weiterleitet.2 Italien beispielsweise meldete für das Jahr 1999 2042 Diebstähle von insgesamt 24 598 Kulturgütern. In Frankreich waren es im selben Jahr 5988 Diebstähle, in Deutschland 2175, in Tschechien 2077 und in Russland 2684.3 Diese Angaben berücksichtigen
ausschliesslich die offiziell als gestohlen gemeldeten Kulturgüter. Die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher, denn längst nicht alle Diebstähle werden gemeldet oder können von der Polizei erfasst werden. Dies gilt insbesondere für Funde aus Raubgrabungen und für ethnologische oder kultische Objekte, die indigenen Gemeinschaften gestohlen werden. Die italienischen Carabinieri beschlagnahmten in den letzten fünf Jahren über 120 000 archäologische Objekte aus Raubgrabungen.

Fachleute haben berechnet, dass nur 6% der weltweit auf dem Markt zirkulierenden 1 2 3

538

SR 0.520.3/32 Für 1999 vgl. die Statistik, die von Interpol Lyon auf Internet publiziert wurde: .

Für die Schweiz ist eine entsprechende Statistik erst im Aufbau.

apulischen Vasen aus legalen archäologischen Grabungen stammen; sie gehen davon aus, dass in den letzten Jahren allein in Apulien an die 100 000 Gräber geplündert und zerstört wurden.4 Ähnliche Meldungen erreichen uns aus vielen Teilen der Welt: Die chinesischen Behörden schätzen, dass Objekte aus Raubgrabungen inzwischen zur wichtigsten aus dem Land geschmuggelten Ware geworden sind. Allein für die Jahre 1989 und 1990 wurden in China über 40 000 Grabplünderungen gemeldet.5 Neben China, Indien, Thailand und Nepal ist im asiatischen Raum vor allem Kambodscha von der massiven Plünderung seiner historischen Stätten betroffen. Die berühmten Tempelbezirke der Angkor-Periode wurden in den letzten Jahren systematisch und zum Teil unter Zuhilfenahme von Sprengstoff ihrer Kunstschätze beraubt. Die zentralafrikanischen Länder wiederum leiden vor allem unter dem Abfluss sakraler Grabbeilagen und Masken.6 So schätzen die nigerianischen Behörden, dass rund 90% der Gräber der Region Bura geplündert wurden, nachdem 1994 die reichen Grabbeilagen der Region in Europa bekannt wurden. In Mali wiederum wird der Anteil geplünderter archäologischer Stätten auf 70% veranschlagt. Nicht anders ergeht es den bedeutenden Kulturstätten Lateinamerikas, die seit den Sechzigerjahren im Visier der Grabräuber stehen. Für Peru nimmt die aktuelle Forschung an, dass mit über 100 000 geplünderten Gräbern rund die Hälfte der bekannten archäologischen Stätten des Landes ein Opfer von Raubgrabungen geworden ist. 90% der heute weltweit in Sammlungen verwahrten peruanischen Goldfunde stammt aus Grabplünderungen in der Region Batán Grande.7 Diese Aktivitäten schaden sowohl den Kulturgütern als auch den betroffenen Gemeinschaften. Oft werden die Objekte schon beim Ausgraben oder dem Heraussprengen aus ihrem Verband beschädigt oder zerstört, oder die Plünderer zerstükkeln grössere Objekte in kleinere Teile, um sie einfacher und unauffälliger transportieren zu können. Auch geht mit der Plünderung der Fundzusammenhang, und damit ein wesentlicher Teil der historischen Aussagekraft eines Objektes oder einer archäologischen Stätte, unwiderruflich verloren. Den grössten Schaden aber erleiden die betroffenen Gemeinschaften: Sie verlieren ihr kulturelles Erbe, einen Teil ihrer Geschichte und ­ wo die Objekte sakrale Funktion besassen ­ ihren religiösen
Rückhalt.

In den letzten Jahrzehnten stossen diese Machenschaften auch in Staaten mit einem wichtigen Kunstmarkt auf immer weniger Akzeptanz. Objekte, die auf ethisch fragwürdige Art und Weise in öffentliche Sammlungen gelangt sind, erweisen sich heute 4

5 6

7

Zum Ausmass und den Mechanismen der Raubgrabungen in Italien vgl. Rapporto Ecomafia 2001: L'illegalità ambientale in Italia e il ruolo della criminalità organizzata, hrsg.

von Legambiente, Roma 5. März 2000, S. 149­162.

Vgl. hierzu: J.D. Murphy, The Peoples Republic of China and the Illicit Trade in Cultural Property, in: International Journal of Cultural Property, Nr. 2, Vol. 3, 1994, S. 227­242.

Zu den folgenden Angaben vgl. Some facts on illicit trafficking in cultural property, in: No to illicit traffic in cultural property, hrsg. vom UNESCO's Office of Public Information, November 2000.

Für Angaben über Art, Umfang und Schäden des illegalen Kulturgüterhandels vgl. im Weiteren: Dossier: Contre les pilleurs et les vandales. Sauvons nos trésors, Le courrier de l'UNESCO, avril 2001; Neil Brodie, Jenny Doole, Peter Watson: Stealing History: The Illicit Trade in Cultural Material, hrsg. vom McDonald Institute for Archaeological Research im Auftrag von ICOM England, London, 2000; Culture Without Context, hrsg.

vom McDonald Institute for Archaeological Research, 5/1999; Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und Unidroit-Konvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 3.

539

als historische Belastung, selbst wenn deren Erwerb weit zurückliegt. Das zeigt sich nicht nur in der aktuellen Diskussion um die Raubkunst aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Allgemein werden bei Kulturgütern, die gestohlen oder illegal aus ihren Ursprungsländern ausgeführt wurden, heute vermehrt Rückführungsansprüche geltend gemacht. Einige öffentliche Sammlungen sind inzwischen auch aus eigener Initiative dazu übergegangen, solche Kulturgüter zurückzugeben. Der Kampf gegen den illegalen Kulturgütertransfer steht letztlich für einen Anschauungswandel, für eine veränderte Einschätzung der Bedeutung von Kulturgütern und des ethisch verantwortungsvollen Umgangs mit ihnen.

1.2

Gesetzliche Regelungen zum Schutz des kulturellen Erbes

1.2.1

Nationale Regelungen

Ein umfassender Schutz des kulturellen Erbes verlangt nach Massnahmen an den Kulturgütern selbst, wie Inventarisierung, Konservierung und Sicherung der Objekte, und nach rechtlichen Bestimmungen, welche die Einzigartigkeit und den besonderen Stellenwert der Kulturgüter berücksichtigen.

Sowohl im Recht zum Kulturgüterschutz als auch im Sachenrecht überschneiden sich privatrechtliche mit öffentlich-rechtlichen Normen. Viele Staaten schützen ihr archäologisches Erbe, indem sie Bodenfunde zu Staatseigentum erklären. Auch die Schweiz kennt grundsätzlich eine solche Regelung in Artikel 724 Absatz 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB)8. Danach gelangen archäologische Bodenfunde von erheblichem wissenschaftlichen Wert in das Eigentum des Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden wurden. Andere Länder, so auch die Mitgliedstaaten der EU, haben besondere Bestimmungen zur Ausfuhr von Kulturgütern erlassen. In der Schweiz kennen mehrere Kantone spezielle Ausfuhrbestimmungen für Kulturgüter; auf Bundesebene gibt es in der Schweiz hingegen keine Regelung der Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern.

Weiter beeinflussen die unterschiedlichen Bestimmungen des Zivilrechts in verschiedenen Staaten die Stellung des Eigentümers oder der Eigentümerin gestohlener Kulturgüter. Geschickte Kunstschieber und Kunstschieberinnen machen sich diese Gegebenheiten zu Nutze, indem sie Kulturgüter zweifelhafter Herkunft in einen Staat zum Verkauf bringen, dessen Rechtsordnung für sie günstige Rahmenbedingungen bereithält. Wer in einem Staat, in dem der gutgläubige Erwerb privilegiert ist, ein Objekt in gutem Glauben erwirbt, erhält nach Ablauf einer bestimmten Frist einen gültigen Eigentumstitel; das Objekt kann nicht mehr zurückverlangt werden.

Ein solches Kulturgut kann in der Folge auch in Staaten veräussert werden, die eine Eigentumsübertragung gestohlener Sachen eigentlich nicht zulassen, wie beispielsweise den USA und Grossbritannien. Das Vorgehen ist somit ähnlich wie bei der Geldwäscherei: Auch Kulturgüter deliktischer Herkunft müssen «gewaschen» wer-

8

540

SR 210

den, d.h., es werden an ihnen Handlungen vorgenommen, die geeignet sind, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung zu vereiteln.9 Nationale Gesetze zum Schutz des kulturellen Erbes können gegenüber international agierenden Kunstschiebern und Kunstschieberinnen nur beschränkte Wirkung haben, da öffentlich-rechtliche Bestimmungen ausserhalb des Staatsgebietes, in dem sie erlassen wurden, nicht automatisch anerkannt sind. Nationale Regelungen müssen deshalb durch internationale Instrumente ergänzt werden, die ihnen über die Landesgrenzen hinaus Wirkung verschaffen und die zwischen den Staaten bestehenden Lücken schliessen.

1.2.2

Internationale Instrumente zur Regelung des Kulturgütertransfers

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten internationalen Instrumente verabschiedet, die den Schutz von Kulturgütern im Kriegsfall bezweckten: Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung von 1899 bzw. 1907 (HLKO) sah vor, dass bestimmte Kulturgüter jeglicher Beute- und Beschlagnahme entzogen seien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Instrumente durch das (von der UNESCO vorbereitete) Haager Übereinkommen vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten sowie durch die Zusatzprotokolle von 1954 und 1999 ergänzt.10 Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, in bewaffneten Konflikten eigene wie fremde Kulturgüter zu schützen, und schreibt die Schutzmassnahmen vor. Kulturgüter im Sinn der Konvention sind bewegliche und unbewegliche Güter, die für das kulturelle Erbe von grosser Bedeutung sind. Diese Kulturgutdefinition von Artikel 1 der Haager Konvention war das Vorbild für nachfolgende Regelungen über den Schutz von Kulturgütern wie die UNESCO-Konvention 1970, die Unidroit-Konvention von 1995 sowie für einige neuere kantonale Gesetze in der Schweiz.

1.2.2.1

UNESCO

Anfang der Sechzigerjahre wurde die UNESCO11 von Mexiko und Peru auf das enorme Ausmass des illegalen Handels mit Kulturgütern aufmerksam gemacht und 9

10

11

Vgl. Art. 305bis Schweizerisches Strafgesetzbuch StGB, SR 311.0; vgl. Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und Unidroit-Konvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 90­94.

SR 0.520.3/32. Gegenwärtig bereitet die Schweiz die Ratifikation des Zweiten Protokolls vom 26. März 1999 zur Haager Konvention von 1954 vor, welches in Artikel 5 Schutzmassnahmen für Kulturgüter in Friedenszeiten fordert.

Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Die UNESCO wurde 1945 gegründet; zurzeit hat sie 188 Mitgliedstaaten (Stand Oktober 1999). Der Zweck der Organisation besteht darin, einen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit zu leisten, und zwar durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern auf dem Wege der Erziehung, der Wissenschaft und Kultur, um auf diese Weise in der ganzen Welt die Beachtung der Gerechtigkeit, des Gesetzes, der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten für alle zu sichern, ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion, wie dies die Satzung der Vereinten Nationen für alle Völker vorsieht.

541

aufgefordert, ein internationales Instrument zu verabschieden, um das kulturelle Erbe der Menschheit auch in Friedenszeiten zu erhalten. Die Generalversammlung beschloss 1964 eine Empfehlung, wonach die Einfuhr von Kulturgut in einen Staat nur erlaubt sein soll, wenn eine Bewilligung des Ursprungsstaats vorliegt. Weiter sollten die Staaten bei der Bekämpfung des illegalen Handels zusammenarbeiten.12 Daraufhin erstellte die Generaldirektion der UNESCO, unterstützt durch den ICOM (International Council of Museums) und durch Unidroit (Internationales Institut zur Vereinheitlichung des Privatrechts), einen Bericht über die zu treffenden Massnahmen. Die Generalversammlung der UNESCO beauftragte ein Gremium aus Fachleuten mit der Ausarbeitung eines Konventionsentwurfs, der 1969 vorgelegt wurde.13 Der Entwurf sah als Hauptverpflichtung vor, dass die Vertragsstaaten generelle Ein- und Ausfuhrkontrollen für Kulturgüter einrichten müssten. Vor allem die USA kritisierten diese Verpflichtung. Im Rahmen der diplomatischen Konferenz wurde deshalb ein Konventionstext ausgearbeitet, der diesen Bedenken Rechnung trug.

Dies ebnete den Weg für eine Ratifikation durch die USA, der weltweit grössten und wichtigsten Kunsthandelsnation. Die UNESCO-Konvention über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) wurde am 14. November 1970 durch die 16. Generalkonferenz der UNESCO in Paris verabschiedet. Sie trat am 24. April 1972 in Kraft.

Die Konvention ist ein multilateraler Staatsvertrag zum Schutz des kulturellen Erbes.14 Bis zum 1. Oktober 2001 sind ihr 91 Staaten beigetreten, darunter sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frankreich, Finnland, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) sowie Australien, Kanada und die USA. Zurzeit bereiten Grossbritannien, Japan und Belgien die Ratifikation vor. Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Kulturgütertransfergesetz bereitet auch die Schweiz die Ratifikation der Konvention vor.

1.2.2.2

Unidroit

Die UNESCO-Konvention 1970 ist nicht direkt anwendbar und sieht auch keine Instrumente vor für die Wiedererlangung gestohlener oder rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter unter Berücksichtigung der Rechte eines gutgläubigen Erwerbers. Deshalb beauftragte die UNESCO im Jahre 1984 das Internationale Institut zur Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) mit Sitz in Rom mit der Ausarbeitung einer Konvention, welche diese Gebiete regelt. Nach zehnjährigen Vorarbeiten, an denen sich die Schweiz massgeblich beteiligte, wurde die Unidroit-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter (Unidroit-Konvention) am 24. Juni 1995 verabschiedet. Sie sieht im Wesentlichen folgende Regelungen vor:

12

13 14

542

Recommendation on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Export, Import and Transfer of Ownership of Cultural Property, 19.11.1964, in: UNESCO, Records of the General Conference, 13th session, 1964, Resolutions, S. 1481, insbesondere Absätze 4 und 8.

UNESCO Doc. SHC/MD/3 Anhang (1969) und die Überarbeitung in UNESCO Doc.

SHL/MD/5 Anhang III (1970).

Zum Inhalt vgl. Ziffern 1.4 und 2.1.

­

Gestohlene (oder illegal ausgegrabene) Kulturgüter müssen während 50 Jahren (in Ausnahmefällen 75 Jahren) zurückgegeben werden. Hat jemand ein Kulturgut gutgläubig erworben, hat er Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

­

Rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter, deren Ausfuhr eine Beeinträchtigung wesentlicher kultureller oder wissenschaftlicher Interessen bedeutet, müssen während 50 Jahren zurückgegeben werden. Hat jemand ein Kulturgut gutgläubig erworben, hat er Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Im Gegensatz zur UNESCO-Konvention 1970 sind die Bestimmungen der UnidroitKonvention grundsätzlich direkt anwendbar (self-executing) und müssen nicht in das nationale Recht umgesetzt werden. Ihre Bestimmungen ersetzen im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander das innerstaatliche materielle Recht und damit indirekt auch die Vorschriften des internationalen Privatrechts. Die UnidroitKonvention verstärkt die Bestimmungen der UNESCO-Konvention 1970 und ergänzt sie durch Mindestregeln für die Rückgabe bzw. Rückführung von Kulturgütern. Sie stellt die im internationalen Privat- und Verfahrensrecht gültigen Grundsätze für die unmittelbare Durchsetzung der Prinzipien sicher, die in der UNESCOKonvention 1970 verankert sind. In diesem Sinn sind die beiden Instrumente untereinander kompatibel und können komplementär zueinander eingesetzt werden.

Bis zum 1. Oktober 2001 haben 15 Staaten die Unidroit-Konvention ratifiziert, darunter drei der Europäischen Union, nämlich Italien, Portugal und Finnland.15 Frankreich, einer der weltweit wichtigsten Kunsthandelsplätze, bereitet gegenwärtig ihre Ratifikation vor. Die Schweiz hat die Unidroit-Konvention am 26. Juni 1996 unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

1.2.2.3

Europäische Union

Die Europäische Union16 hat zwei Instrumente zur Regelung des Kulturgütertransfers verabschiedet: Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (EG-Richtlinie 93/7), die von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt worden ist. Sie «europäisiert» gewissermassen die nationalen Schutzvorschriften, indem sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Ausfuhrverbote anderer Mitgliedstaaten im Inland durchzusetzen.

Die Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern enthält Vorschriften über den Warenverkehr mit Dritt15

16

Folgende Staaten haben die Konvention bisher ratifiziert bzw. sind ihr beigetreten: Litauen, Paraguay, Rumänien, Peru, Ungarn, Bolivien, Finnland, Italien, Portugal, Kroatien, China, Ecuador, Brasilien, El Salvador und Argentinien.

Der Begriff Europäische Union wird hier umgangssprachlich und nicht im rechtlichen Sinne verwendet: Eigentlich hat nur die Europäische Gemeinschaft, nicht aber die Europäische Union Rechtspersönlichkeit und damit auch die Befugnis, in eigenem Namen Rechtsnormen zu erlassen.

543

staaten. Sie macht die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Gebiet der Europäischen Union von einer Ausfuhrgenehmigung des Herkunftsstaates abhängig. Die dazugehörige Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 752/93 regelt die verschiedenen Genehmigungstypen und die Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens.

Diese EG-Instrumente wurden im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarkts erlassen, in dem neben dem freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen und Kapital auch der freie Warenverkehr gewährleistet ist. Indes erlaubt Artikel 30 EG-Vertrag ausnahmsweise die Abweichung vom Prinzip des freien Warenverkehrs.

Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote oder -beschränkungen sind demgemäss unter anderem dann zulässig, wenn sie dem Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert dienen. Was nationales Kulturgut im Sinne dieser Bestimmung ist, legen die einzelnen Mitgliedstaaten fest.

Die sich ergänzenden EG-Regelungen sollen einen Ausgleich schaffen zwischen dem Prinzip des freien Warenverkehrs im europäischen Binnenmarkt und dem Bedürfnis der Mitgliedstaaten, Kulturgüter von besonderer kultureller Bedeutung als nationale Kulturgüter einzustufen, um ihre Abwanderung zu verhindern. Sie schaffen zwischen den Mitgliedstaaten eine Schutz- und Zusammenarbeitsordnung, die den Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen ausgleichen soll.

1.2.2.4

Europarat

Im Rahmen des Europarats hat die Schweiz zwei Konventionen im Bereich des Kulturgüterschutzes ratifiziert: Das Europäische Kulturabkommen vom 19. Dezember 1954 17 formuliert den Grundsatz, dass jede Vertragspartei die europäischen Kulturgüter, die sich unter ihrer Kontrolle befinden, als Bestandteil des gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes betrachtet. Die Mitgliedstaaten sollen die erforderlichen Massnahmen zu ihrem Schutz treffen und den Zugang zu ihnen erleichtern; darin enthalten ist auch der Schutz vor Abwanderung.

Das Europäische Übereinkommen über den Schutz des archäologischen Erbes in der revidierten Fassung vom 16. Januar 1992 (Konvention von Malta)18. Die Vertragsstaaten verpflichten sich unter anderem, alles zu unternehmen, um Angebote von Grabungsgut, bei dem der Verdacht besteht, dass es aus Raubgrabungen stammt oder aus öffentlichen Grabungen verschleppt wurde, den zuständigen Instanzen des Herkunftsstaates zu melden. Sie sollen sicherstellen, dass die Museen und Institutionen, die ihrer Kontrolle unterstehen, keine archäologischen Objekte erwerben, die aus Raubgrabungen stammen. Schliesslich verpflichten sie sich, sich dafür einzusetzen, dass Museen, deren Einkäufe nicht der staatlichen Aufsicht unterstehen, ebenfalls diese Grundsätze beachten.

17 18

544

SR 0.440.1 SR 0.440.5

1.3

Die Situation in der Schweiz

Die Schweiz hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg zu einem international bedeutenden Kunsthandelsplatz entwickelt. Gemäss Aussenhandelsstatistik wurden im Jahr 2000 Kulturgüter im Wert von über 1,3 Milliarden Franken in die Schweiz importiert, solche im Wert von über 1,4 Milliarden Franken exportiert. Heute gehört die Schweiz neben den USA, England und Frankreich weltweit zu den wichtigsten Kunsthandelsnationen. Dies verdankt sie in erster Linie der Erfahrung und Kompetenz ihrer Kunsthändlerinnen und Kunsthändler. Sie wissen die attraktiven Rahmenbedingungen zu nutzen, die sich aus ihrer zentralen Lage, der ausgebauten Infrastruktur und den gut etablierten internationalen Kontakten ergeben.

Von den günstigen Rahmenbedingungen profitiert allerdings nicht nur der seriöse Kunsthandel. Die Schweiz steht im Ruf, eine Drehscheibe des illegalen Kulturgütertransfers zu sein. Tatsächlich sieht sie sich mit einer wachsenden Zahl von strafrechtlichen Rechtshilfegesuchen zu gestohlenen oder illegal ausgeführten Kulturgütern konfrontiert, die sich in einer zunehmenden Zahl von Bundesgerichtsentscheiden spiegelt.19 Das Schweizer Recht bietet einen vergleichsweise günstigen Boden für unsaubere Transaktionen, da es sowohl in Bezug auf den Schutz des eigenen kulturellen Erbes als auch in Bezug auf den internationalen Kulturgütertransfer im Gegensatz zu den anderen grossen Kunsthandelsnationen ein erhebliches Regelungsdefizit aufweist.

Die regelmässig durch die internationale Presse aufgenommenen Meldungen von Kulturgütern, deren illegaler Transfer durch die Schweiz führte, schaden dem Ruf des Kunsthandelsplatzes Schweiz. Der Schweizer Kunsthandel lebt von seiner Kompetenz und Seriosität, auf die sich Private und Museen auf der ganzen Welt verlassen. Die Kunsthandelsvereinigungen haben diese Gefahr inzwischen erkannt und mit Standesregeln reagiert, welche den Missbräuchen entgegentreten sollen.20 Solche Massnahmen können allerdings nur greifen, wenn ihnen die notwendige rechtliche Abstützung zur Seite gestellt wird. Sie müssen auch diejenigen Kreise erfassen, die keiner Fachvereinigung angehören und sich keinen Standesregeln verpflichtet fühlen.

1.3.1

Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen

In der Schweiz bestehen im Bereich des Kulturgütertransfers geteilte Kompetenzen.

Während die Regelung der Einfuhr von Kulturgütern Sache des Bundes ist, fällt die Regelung der Ausfuhr grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone;21 dem Bundesrecht vorbehalten sind einzig Massnahmen, die Objekte aus den Sammlungen des

19

20 21

Vgl. Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und UnidroitKonvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 90­92; Kulturgüter in der Schweiz ­ Einfuhr, Ausfuhr, Handel. Bericht der Arbeitsgruppe zu Handen des Bundesamtes für Kultur und des Eidgenössischen Departements des Innern vom 21. Januar 1991 (Bern 1991), S. 9.

Ethikcodes des Verbandes Schweizerischer Antiquare und Kunsthändler vom 27. Mai 2000 (hrsg. vom Verband Schweizerischer Antiquare und Kunsthändler).

Vgl. Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und UnidroitKonvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 49.

545

Bundes und Kulturgüter von gesamtschweizerischer Bedeutung betreffen (Artikel 69 und 54 Bundesverfassung).22

1.3.2

Die Mängel im geltenden Schweizer Recht

Auf Bundesebene kennt die Schweiz keine spezifischen Regelungen für die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern. Kulturgüter werden zollrechtlich gleich behandelt wie gewöhnliche Gebrauchsgüter.

Spezifische Ausfuhrvorschriften zum Schutz ihres kulturellen Erbes kennen hingegen namentlich die Kantone Basel-Landschaft, Freiburg, Jura, Luzern, Nidwalden, Schwyz und Tessin; ein Kaufrecht bzw. das Recht auf Unterschutzstellung für den Fall der Ausfuhr kennen die Kantone Aargau, Appenzell-Ausserrhoden, BaselLandschaft, Bern (vertraglich), Freiburg, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Solothurn, Tessin, Wallis und (indirekt) Waadt.23 Diese Vorschriften sind in der Praxis jedoch leicht zu umgehen. So kann ein Kanton nicht verhindern, dass geschütztes Kulturgut über die Landesgrenze gebracht wird, weil der Zoll Sache des Bundes ist und keine gesetzliche Grundlage für eine Kontrolle vorhanden ist.

Ein weiteres Problem ergibt sich für die Kantone beim Schutz ihres archäologischen Erbes. Die Schweiz kennt zwar in Artikel 724 Absatz 1 ZGB folgende Bestimmung: «Werden herrenlose Naturkörper oder Altertümer von erheblichem wissenschaftlichem Wert aufgefunden, so gelangen sie in das Eigentum des Kantons, in dessen Gebiet sie gefunden worden sind.» Der Gesetzestext lässt aber einen gewissen Interpretationsspielraum offen, ob solche Objekte direkt ins Eigentum des Kantons gehen oder nicht.24 Die meisten Kantone haben Bestimmungen erlassen, nach denen sie das Eigentum an solchen Bodenfunden beanspruchen.25 Die Schweiz verfügt im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten über keine öffentlich-rechtlichen Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs von Kulturgütern. Ausländische Ausfuhrvorschriften werden bisher in der Schweiz grundsätzlich nicht anerkannt, da sie zum öffentlichen Recht des jeweiligen Staates gehören. Deshalb haben Rückführungsansprüche in der Schweiz wenig Aussichten auf Erfolg.

Als besonders problematisch haben sich die im internationalen Vergleich kurzen Fristen erwiesen, die das schweizerische Recht für die Rückforderung gestohlener Güter vorsieht. Artikel 934 Absatz 1 ZGB besagt, dass eine abhanden gekommene (bzw. gestohlene) Sache, die in gutem Glauben im Handel erworben wurde, nach fünf Jahren vom bestohlenen Eigentümer oder von der bestohlenen Eigentümerin nicht mehr zurückverlangt werden kann. Was Kulturgüter anbelangt, ist diese Frist 22

23

24 25

546

Botschaft zur Revision der Bundesverfassung, BBl 1997 I 286; vgl. auch Jean-François Aubert, in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione. Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Bern 1998, S. 17 f., 19, 33, 35.

Vgl. im Detail Peter Hänni, in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione. Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten.

Bern 1998, S. 31 ff.

Vgl. Andrea F. G. Raschèr: Kulturgütertransfer und Globalisierung, Zürich 2000, S. 15 f.

Vgl. Peter Hänni, in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione. Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Bern 1998, S. 28­31.

zu kurz. Zusammen mit der fehlenden Kontrolle über die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern und der Möglichkeit, ein gestohlenes Gut im Handel gutgläubig zu erstehen, macht sie die Schweiz zum idealen Zwischenlager für international agierende Kunstschieber und Kunstschieberinnen. Ein Kulturgut illegaler Herkunft kann heute unbemerkt und ohne grosses Risiko in die Schweiz eingeführt und hier während fünf Jahren eingelagert werden. In dieser Zeit lässt sich über tatsächliche oder angebliche Weitergabe an vorgeschobene natürliche oder juristische Personen ein gültiger Eigentumstitel erstellen; die schweizerischen Regeln über den gutgläubigen Eigentumserwerb (vor allem bezüglich Auktionen) bieten eine günstige Voraussetzung dafür.26 Ein solchermassen von seinem «rechtlichen Makel» gereinigtes Kulturgut kann in der Folge auch in Common-Law-Staaten wie beispielsweise den USA oder Grossbritannien weiterverkauft werden, obwohl die dortige Rechtsordnung eine Eigentumsübertragung gestohlener Sachen nicht zulassen würde.

Die schweizerischen Behörden haben bis heute nur sehr beschränkte Möglichkeiten, gegen solche Missbräuche tätig zu werden. In der Schweiz werden einige illegale Tatbestände ­ unter anderem durch das Strafrecht, durch den Geldwäschereiartikel (Artikel 305bis StGB)27, und für grenzüberschreitende Delikte durch das Bundesgesetz vom 20. März 198128 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) ­ erfasst und geregelt. Das letztere Gesetz ermöglicht beispielsweise, gestohlene Kunstwerke auszuliefern, soweit sie als Beweismittel dienen oder von strafrechtlichen Handlungen herrühren. Diese Bestimmungen decken aber nur einen eng umgrenzten Problembereich ab. Schwierigkeiten bei der Anwendung des Strafrechts und damit auch mit der Rechtshilfe in Strafsachen treten zunehmend dort auf, wo zwar genügend Indizien für einen begründeten Verdacht, aber zu wenig Beweise für eine strafrechtliche Verurteilung bestehen. Die Verurteilung einer Person erfordert eine wesentlich stärkere Beweisführung als die bloss zivilrechtliche Regelung strittigen Eigentums. Eine strafrechtliche Einziehung und Rückgabe von Gegenständen ohne Aburteilung eines Täters ist zwar nicht unmöglich, aber selten.

1.3.3

Die Interessen der Schweiz

Es sind kultur-, aussen-, handels- und wirtschaftspolitische Interessen der Schweiz, die für eine stärkere Orientierung an der internationalen Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers sprechen.

Die Förderung des internationalen Kulturaustausches ist eine kulturpolitische Notwendigkeit. Unsere Museen, die Sammlerinnen und Sammler und der Handel sind darauf angewiesen, dass Kulturgüter aus anderen Ländern in die Schweiz gelangen, in Ausstellungen gezeigt werden oder über den Handel den Weg in Schweizer Sammlungen finden. Dieser Austausch wird je länger je mehr aber nur dann möglich sein, wenn die Grundsätze der Gegenseitigkeit, Gleichberechtigung und der kulturellen Selbstbestimmung für alle Beteiligten garantiert sind. Dazu muss ein Vertrauen vorhanden sein, das auf Rechtssicherheit und Transparenz beruht. Die internatio26

27 28

Zur Vertiefung, mit Fallbeispielen aus der Schweiz, vgl. Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und Unidroit-Konvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 90­94.

SR 311.0 SR 351.1

547

nale Zusammenarbeit zur Regelung des Kulturgütertransfers ist ein Weg, dieses Vertrauen herzustellen. Im Ausland setzt man darauf, dass wichtige kulturpolitische Interessen, wie der Schutz des kulturellen Erbes, in der Schweiz respektiert werden.

Ebenso ist die Schweiz darauf angewiesen, dass ihre kulturpolitischen Interessen im Ausland anerkannt werden. Als einer der weltweit bedeutenden Handelsplätze für Kulturgüter und als Land mit der weltweit höchsten Museumsdichte hat die Schweiz ein eminentes Interesse daran, am legalen Kulturgütertransfer als akzeptierte Partnerin teilzunehmen. Im Gegensatz zu europäischen Nachbarn wie Frankreich und Grossbritannien und anderen grossen Kunsthandelsnationen wie den USA ist sie bisher aber in keine internationale Regelung zum Kulturgütertransfer eingebunden.

Daraus kann der Vorwurf entstehen, die Schweiz profitiere vom illegalen Kulturgüterverkehr.

Mit der Ratifikation und Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 setzt die Schweiz auch aussenpolitisch ein Zeichen. Sie bekundet ihren Willen zur Solidarität mit denjenigen Staaten, die am meisten vom Verlust ihres kulturellen Erbes betroffen sind. Bereits die Ratifikation des Haager Übereinkommens von 1954 durch die Schweiz war ein Schritt in diese Richtung. Mit der Unterzeichnung der UnidroitKonvention 1996 hat sich die Schweiz zu den Prinzipien der Konvention bekannt.

Sie bestätigte damit die fundamentale Bedeutung, die in einem offenen, fairen und international vernetzten Kulturaustausch liegt. Auch als Mitglied der UNESCO hat sich die Schweiz bereits in der Vergangenheit auf globaler Ebene für ein kulturelles Engagement eingesetzt. In diesem Zusammenhang sei auf die von der Schweiz ratifizierte UNESCO-Konvention vom 16. November 197229 zum Schutz des Kulturund Naturgutes der Welt hingewiesen. Gemäss Artikel 3 und 4 der Konvention hat jede Vertragspartei die auf ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Natur- und Kulturgüter zu identifizieren, abzugrenzen sowie deren Schutz, Erhaltung und Erschliessung zu gewährleisten. Die Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 ist die logische Fortsetzung dieses Engagements. Durch die Ratifikation und Umsetzung wird die schweizerische Position im Rahmen der UNESCO gestärkt; die Schweiz gewinnt an Glaubwürdigkeit und erhält die Möglichkeit, ihre eigenen kulturpolitischen Anliegen
auf internationaler Ebene besser zu vertreten.

Als Handelsnation hat sich die Schweiz seit jeher für eine multilaterale, rechtsverbindliche Regelung des internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehrs eingesetzt. Gerade für einen vom internationalen Handel stark abhängigen Staat wie die Schweiz sind solche Regeln die beste Garantie für Berechenbarkeit und Rechtssicherheit, welche ihrerseits die Grundvoraussetzung für intakte Handelsströme bilden. Der legale Kunsthandel ist für die öffentlichen und privaten Kunstsammlungen in der Schweiz unabdingbar. Damit er gut funktionieren kann, braucht es in den internationalen Beziehungen eine rechtliche Sicherheit und Vorhersehbarkeit.

Ausserdem hat der legale Handel ein Interesse, sich durch klare Rechtsgrundlagen vom illegalen Handel zu distanzieren, um sich nicht durch dessen Machenschaften undifferenzierten Verdächtigungen und Pauschalverurteilungen ausgesetzt zu sehen.

Ein weiteres öffentliches Interesse, namentlich auch des privatrechtlichen Handels, ist der Schutz von Treu und Glauben im Rechtsverkehr. Dies bedeutet, dass der Rechtsverkehr von gegenseitigem Vertrauen getragen sein muss und berechtigtes 29

548

SR 0.451.41

Vertrauen Schutz verdient. Konkret ergibt sich daraus die Forderung, dass, wer sich vertraglich verpflichtet hat, alle Vorkehrungen treffen muss, die zur richtigen und rechtmässigen Erfüllung seiner Leistung nötig ist, und dass er alles zu unterlassen hat, was diese Erfüllung gefährden könnte. Dazu zählen auch die Sorgfaltspflichten, welche geboten sind, um auszuschliessen, dass die handelbare Sache mit Sach- oder Rechtsmängeln behaftet ist. Das Prinzip von Treu und Glauben dient dem Schutz aller Wirtschaftssubjekte vor Täuschung und Ausbeutung und garantiert die Standortqualität des Handels- und Kunsthandelsplatzes Schweiz. Somit hat auch der Staat ein Interesse daran, dass das Prinzip von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr eingehalten wird.

1.4

Die UNESCO-Konvention im Überblick

Die UNESCO-Konvention 1970 ist die erste globale Konvention zum internationalen Kulturgütertransfer. Sie will einerseits den Schutz der Kulturgüter in den verschiedenen Staaten fördern, andererseits durch Zusammenarbeit aller Staaten das gemeinsame kulturelle Erbe der Menschheit schützen und bewahren. Die Konvention enthält Mindestvorschriften über gesetzgeberische und administrative Massnahmen, welche die Vertragsparteien zur Sicherung des kulturellen Erbes und zur Verhinderung des illegalen Kulturgüterverkehrs zu ergreifen haben. Diese Massnahmen betreffen die Ein- und Ausfuhr, Rückgabe und Rückführung von Kulturgütern, die Informationsvermittlung und die Einbindung von Handel und Museen. Die Konvention ist nicht rückwirkend, das heisst, ihre Massnahmen und Bestimmungen werden erst nach Ratifikation für den betreffenden Staat wirksam. Sie ist auch nicht direkt anwendbar, muss also ins Landesrecht umgesetzt werden.

1.5

Die Vorverfahren

1.5.1

Vorarbeiten der Verwaltung

Im Januar 1990 setzte das Bundesamt für Kultur eine Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, einen Bericht zu erstellen über die Probleme, die sich für die Schweiz im Zusammenhang mit der Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern ergeben, und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Auslöser waren insbesondere Meldungen in- und ausländischer Medien gewesen, die über das Angebot von Objekten zweifelhafter Herkunft in der Schweiz berichteten. Die Arbeitsgruppe reichte ihren Bericht im Januar 1991 ein. Er schlägt als Hauptmassnahmen die Ratifikation und Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 und die Schaffung einer Verfassungsgrundlage für eine Regelungskompetenz des Bundes vor.30

30

Kulturgüter in der Schweiz ­ Einfuhr, Ausfuhr, Handel. Bericht der Arbeitsgruppe zu Handen des Bundesamtes für Kultur und des Eidgenössischen Departements des Innern vom 21. Januar 1991 (Bern 1991), S. 29.

549

1.5.2

Vernehmlassung zur UNESCO-Konvention 1970 (1993)

Im Bericht zur Legislaturplanung 1991­1995 vom 25. März 1992 stellte der Bundesrat in Aussicht, das Problem des illegalen Kulturgüterhandels anzugehen und insbesondere die Frage einer Verfassungsbestimmung über die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern sowie einer Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 zu prüfen.31 Er beauftragte deshalb das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), zur Frage der Ratifikation und Umsetzung der Konvention eine Vernehmlassung durchzuführen.

Die Vernehmlassung im Jahr 1993 brachte folgendes Ergebnis: Eine überwiegende Mehrheit der Antwortenden sprach sich sowohl für eine Bundeskompetenz zur Gesetzgebung im Bereich der Einfuhr, Ausfuhr und Rückgabe von Kulturgütern als auch für eine Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 aus. Die Kantone befürworteten beides im Verhältnis 22:2 respektive 21:3; praktisch geschlossen sprachen sich auch die kulturellen und kirchlichen Organisationen, die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und die Frauenorganisationen für die beiden Vorschläge aus. Die politischen Parteien und die Wirtschaftsorganisationen teilten sich in pro (SP, CVP) und contra (FDP, SVP); gegen die beiden Vorschläge votierten die Organisationen des Kunsthandels sowie namhafte Kunstsammler und einige Kunstmuseen.32

1.5.3

Vernehmlassung zur Unidroit-Konvention (1996)

Im Jahr 1996 führte das Eidgenössische Departement des Innern die Vernehmlassung durch zur Frage, ob die Schweiz die Unidroit-Konvention ratifizieren solle. Eine überwiegende Mehrheit der Antwortenden beurteilte die Konvention positiv und befürwortete ihre Ratifikation. Für eine Ratifikation sprachen sich 23 Kantone, die CVP und die SP, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die interkommunalen und interkantonalen Organisationen, die überwiegende Mehrheit der kulturellen Organisationen, die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, die kirchlichen Organisationen und die Frauenorganisationen aus. Gegen eine Ratifikation sprachen sich die Kantone Bern, Basel-Stadt und Genf, die FDP und die SVP, der Vorort, der Schweizerische Gewerbeverband sowie die Organisationen des Kunsthandels aus.33 Der Bundesrat liess, ausgehend von den Ergebnissen der Vernehmlassung, die Unidroit-Konvention unterzeichnen. Er setzte eine interdepartementale Arbeitsgruppe ein, welche sich mit den rechtlichen Fragen zur UNESCO-Konvention 1970 und zur 31 32

33

550

BBl 1992 III 116 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zu Handel und Verkehr mit Kulturgütern.

Vorschlag für eine neue Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Ergänzung von Art. 24sexies BV) ­ Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970, hrsg. vom Bundesamt für Kultur, Bern 1995.

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Unidroit-Konvention vom 24. Juni 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter, hrsg. vom Bundesamt für Kultur, Bern 1996.

Unidroit-Konvention auseinandersetzen sowie die Folgearbeiten zum Gesamtpaket koordinieren sollte.

1.5.4

Interdepartementale Arbeitsgruppe (1996­1998)

Die interdepartementale Arbeitsgruppe Internationaler Kulturgütertransfer legte ihren Bericht im August 1998 dem Bundesrat vor. Die Abklärungen der Arbeitsgruppe, die sich auf Gutachten der Professoren J.-F. Aubert (Verfassungsrecht), B. Schnyder (Privatrecht) und P. Volken (internationales Privatrecht) stützten,34 ergaben, dass einer Ratifikation sowohl der UNESCO-Konvention 1970 als auch der Unidroit-Konvention weder verfassungs- noch privatrechtliche Schranken entgegenstehen.35 Der Bundesrat nahm den Bericht zur Kenntnis und beauftragte das EDI mit den Vorbereitungsarbeiten für die Botschaft zur UNESCO-Konvention 1970, die auch die erforderlichen gesetzlichen Anpassungen auf nationaler Ebene enthalten sollten.

Einen Entscheid zur Ratifikation der Unidroit-Konvention hielt der Bundesrat für verfrüht. Das EDI wurde beauftragt, die internationale Entwicklung zu beobachten und zu gegebener Zeit dem Bundesrat entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.

1.5.5

Hearings (1999)

Im Juli 1999 gab das Bundesamt für Kultur (BAK) als federführendes Amt bei der Ausarbeitung des Gesetzes zur UNESCO-Konvention 1970 ein Diskussionspapier heraus, das in Grundzügen erläuterte, wie sich das BAK eine Umsetzung der Konventionsverpflichtungen vorstellen könnte. Auf dieser Grundlage wurden im September 1999 Hearings durchgeführt mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, des Kunsthandels, der Museen und Sammler und der interessierten Organisationen und Verbände aus Kultur, Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit.36 Die Anregungen und Bedenken, die an den Hearings geäussert wurden, gingen in die weiteren Arbeiten am Kulturgütertransfergesetz ein.

34 35 36

Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione.

Bern 1998.

Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und UnidroitKonvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 121 ff.

Hearings vom 14., 22. und 24. September 1999 zur Umsetzung der UNESCOKonvention vom 14. November 1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, hrsg. vom Bundesamt für Kultur, Bern 1999.

551

1.5.6

Vernehmlassung zum Entwurf des Kulturgütertransfergesetzes (2000­2001)

Der Entwurf zum Kulturgütertransfergesetz (KGTG) ging am 30. Oktober 2000 in die Vernehmlassung bis zum 31. Januar 2001.37 Zur Stellungnahme geladen wurden 26 Kantonsregierungen, das Bundesgericht, 13 politische Parteien, 13 Spitzenverbände der Wirtschaft, 5 interkommunale bzw. interkantonale Organisationen, 8 Organisationen des Kunsthandels, 41 kulturelle und wissenschaftliche Organisationen, 9 Organisationen für Entwicklungszusammenarbeit, 5 kirchliche Organisationen, 8 Frauenorganisationen sowie 14 Vertreterinnen und Vertreter aus weiteren interessierten Kreisen. Im Rundschreiben wurde um eine Beurteilung des Gesetzesentwurfes in seiner Gesamtheit, der Massnahmen zum Schutz des schweizerischen Kulturerbes und zum Schutz anderer Staaten, der Erhöhung der Fristen für die Rückforderung von gestohlenen Kulturgütern, der Finanzhilfen zur Erhaltung des kulturellen Erbes sowie der Sorgfaltsregeln für Bundesinstitutionen, Kunsthandel und Auktionswesen gebeten. Von den 143 zur Vernehmlassung Eingeladenen reichten 85 eine Stellungnahme ein; 30 Organisationen oder Einzelpersonen antworteten spontan. Aus den eingegangenen Antworten gingen im Wesentlichen folgende Positionen hervor:38 Es bestand weitgehend Einigkeit über die Notwendigkeit eines Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer. Nur wenige Antworten forderten eine Beschränkung auf die Anpassung bestehender Gesetze. Die überwiegende Mehrheit der Stellungnahmen beurteilte den Entwurf in seiner Gesamtheit als übersichtlich, klar und ausgewogen. Die Massnahmen zum Schutz des schweizerischen Kulturerbes stiessen ebenfalls überwiegend auf Zustimmung. Auch die Massnahmen zum Schutz des kulturellen Erbes anderer Staaten wurden von der grossen Mehrheit der Kantone, der Parteien sowie der kulturellen und wissenschaftlichen Organisationen positiv beurteilt. Die SP, 10 Kantone sowie zahlreiche kulturelle Organisationen forderten einen noch besseren Schutz des kulturellen Erbes anderer Staaten im Rahmen des Kulturgütertransfergesetzes sowie eine Ratifikation der Unidroit-Konvention. Die FDP, die Spitzenverbände der Wirtschaft und die Organisationen des Kunsthandels sprachen sich dafür aus, dass die bilateralen Verträge mit Genehmigung des Parlamentes abgeschlossen würden.

Weiter war die überwiegende Mehrheit der Antwortenden mit der vorgeschlagenen
Heraufsetzung der Fristen für die Rückforderung gestohlener Kulturgüter einverstanden. Für 8 Kantone, SP und Grüne sollten die Fristen auf 50 Jahre erhöht werden oder sogar unverjährbar sein. Der Kanton BS, die SVP, die Organisationen des Kunsthandels und die Sammler hingegen forderten Fristen von 10 bzw. 20 Jahren.

Die Möglichkeit zur Gewährung von Finanzhilfen zur Erhaltung des kulturellen Erbes wurde einzig von der SVP abgelehnt. Auch die Sorgfaltsregeln für die Bundesinstitutionen fanden in fast allen Stellungnahmen Zustimmung. Einige Antwortende, darunter 15 Kantone, waren der Meinung, dass die Sorgfaltsregeln auch von

37

38

552

Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG). Entwurf. Text und erläuternder Bericht, hrsg. vom Bundesamt für Kultur, Bern 2000.

Kulturgütertransfergesetz. Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung, hrsg. vom Bundesamt für Kultur, Bern 2001.

den kantonalen Institutionen (den öffentlichen Museen und Sammlungen) übernommen werden sollten.

Die vorgeschlagenen Sorgfaltsregeln für Kunsthandel und Auktionswesen fanden breite Unterstützung bei den Kantonen, der SP, CVP, PdAS, Grüne, CSP sowie den kulturellen und wissenschaftlichen Organisationen. Dem Kanton AG, der FDP, LPS, SVP, dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) und den Organisationen des Kunsthandels hingegen gingen die Sorgfaltsregeln zu weit: Sie wurden von ihnen als unverhältnismässig und unnötig beurteilt, und es wurde auf ähnlich lautende Verhaltensrichtlinien der Branche verwiesen.

1.5.7

Anpassung des Gesetzesentwurfs nach der Vernehmlassung

Auf Grund der Vernehmlassungsauswertung wurde der erste Entwurf für ein Kulturgütertransfergesetz39 noch einmal überarbeitet. Er hat dabei namentlich folgende inhaltlichen Änderungen erfahren:

39

­

Die Rückführung eines rechtswidrig in die Schweiz eingeführten Kulturgutes in den Staat, aus dem es rechtswidrig ausgeführt wurde, kann neu vom Gericht ausgesetzt werden, solange das Kulturgut bei einer Rückführung gefährdet wäre oder sein bestimmungsgemässer Gebrauch nicht gesichert scheint. Dieser Zusatz ist für den Fall bestimmt, dass Grund zur Annahme besteht, dass ein Kulturgut nach der Rückführung beschädigt, zerstört oder in den illegalen Markt eingeschleust wird. Die Änderung basiert auf einem Bedenken, das von verschiedenen Seiten geäussert wurde: In manchen Staaten ist auf Grund ausserordentlicher Ereignisse wie Krieg, Bürgerkrieg, Besetzung oder einer Naturkatastrophe ein ethisch verantwortungsvoller Umgang mit dem kulturellen Erbe nicht gegeben. Zu denken ist etwa an Ereignisse wie die Zerstörung des buddhistischen Erbes in Afghanistan, die zeigen, dass solche Befürchtungen berechtigt sein können (Art. 9 Abs. 2 KGTG).

­

Die Bedingungen für die Gewährung einer Rückgabegarantie (vorher «Rückgabezusage») für Kulturgüter, die aus dem Ausland zu Ausstellungen in die Schweiz ausgeliehen werden, wurden gelockert. Dies war in der Vernehmlassung vor allem von den ausstellenden Institutionen gewünscht worden, namentlich den archäologischen und ethnologischen Museen. Damit diese Institutionen im internationalen Kulturaustausch nicht benachteiligt sind, können neu alle Kulturgutkategorien, also auch die «Kulturgüter im engeren Sinn» (vgl. Art. 2 Abs. 2 KGTG), eine solche Rückgabegarantie erhalten. Tatsächlich kann in vielen Fällen, beispielsweise bei der Ausleihe aus dem Ursprungsland (z.B. syrische Grabungsfunde aus einem syrischem Museum), davon ausgegangen werden, dass die Objekte legal ausgeführt werden. Weiter wird auf einen eingehenden Nachweis der Herkunft und der Rechtmässigkeit des Erwerbs verzichtet: Die Tatsache, dass die Leihobjekte Vgl. Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG). Entwurf. Text und erläuternder Bericht, hrsg. vom Bundesamt für Kultur, Bern 2000.

553

aus einem Museum eines Vertragsstaats stammen, bietet ausreichende Gewähr, dass allfällige Ansprüche am Kulturgut in jenem Staat geltend gemacht werden könnten. Schliesslich wird in der Neuformulierung auch berücksichtigt, dass Leihobjekte oftmals erst nach einer Wanderausstellung wieder in die leihgebende Institution zurückkehren (Art. 10­13 KGTG).

­

Die Meldepflicht für Kunsthandel und Auktionswesen, wenn rechtswidrig eingeführte oder gestohlene Ware angeboten wird, wird fallen gelassen. Sie ist in der Vernehmlassung vor allem von Kunsthandelskreisen als unverhältnismässig kritisiert worden. Tatsächlich kennt das Schweizer Recht zwar im Waffengesetz40 eine Meldepflicht, in anderen Gesetzen, die den Schutz persönlicher Rechtsgüter bezwecken, wurde hingegen darauf verzichtet. Vor diesem Hintergrund ist auch im Kulturgütertransfergesetz ein Verzicht auf diese Massnahme möglich, zumal bei konsequenter Anwendung der übrigen Sorgfaltsregeln im Kunsthandel auch ohne eine solche Meldepflicht die Ziele dieses Gesetzes erreicht werden können.

­

Die Aufgaben der Fachstelle des Bundes (vorher «Zentralstelle») sind im vorliegenden Entwurf deutlicher gegenüber den Aufgaben der Zollorgane und Strafverfolgungsbehörden abgegrenzt. Damit wird den Befürchtungen Rechnung getragen, die Fachstelle könnte sich zu einer Art «Kulturpolizei» entwickeln. Die Neuformulierung des Gesetzes stellt klar, dass die Fachstelle im Bereich Kontrolle und Strafverfolgung keine Verpflichtungen und Kompetenzen besitzt (Art. 18, 19 und 21 KGTG).

­

Verschiedene Stimmen kritisierten im Rahmen der Vernehmlassung, die Strafmasse seien zu wenig präzise ausformuliert, und befanden deshalb die Strafbestimmungen als unverhältnismässig. Diesem Einwand ist Rechnung getragen worden. Die Strafbestimmungen wurden hinsichtlich der Straftatbestände und der jeweiligen Strafmasse präzisiert (Art. 24 und 25 KGTG).

­

Im Rahmen der weiteren Arbeiten am Gesetz wurde der Schutz für Kulturgüter im Eigentum des Bundes erhöht: Sie können, wenn sie auf Grund ihrer wesentlichen Bedeutung für das kulturelle Erbe der Schweiz in das Bundesverzeichnis eingetragen sind, neu weder ersessen noch gutgläubig erworben werden. Dies ist ein probates Mittel, um sich vor dem Verlust von Kulturgütern, die für die Gemeinschaft wichtig sind, abzusichern (Art. 3 KGTG).

1.6

Die Leitlinien für die Umsetzung der UNESCO-Konvention in der Schweiz

1.6.1

Notwendigkeit einer Umsetzungsgesetzgebung

Die Konvention ist ein Staatsvertrag, der nicht direkt anwendbar ist (non selfexecuting). Es braucht somit eine Umsetzung auf nationaler Ebene.

Die Konvention ist offen formuliert und ermöglicht den Konventionsstaaten, die Verpflichtungen einzelner Bestimmungen und Massnahmen ihrer jeweiligen Situation, ihren Anschauungen und gesetzgeberischen Möglichkeiten anzupassen.41 40 41

554

SR 514.54 Vgl. UNESCO-Doc. 22 C/93, S. 7.

Die Vertragsstaaten haben die Konvention deshalb unterschiedlich umgesetzt. In Vertragsstaaten, die den Kulturgütertransfer bereits gesetzlich geregelt haben, kann sich die gesetzgeberische Tätigkeit im Rahmen der Ratifikation unter Umständen auf kleine Anpassungen des bestehenden Rechts beschränken oder ganz entfallen. Auf den Erlass von speziellen Normen verzichtet haben Länder wie Spanien und Portugal, weil ihr Recht bereits die wichtigsten Bestimmungen der Konvention umsetzt, und Länder wie Italien und Finnland, weil mit der Ratifikation der direkt anwendbaren Unidroit-Konvention die zentralen Vertragspflichten grundsätzlich umgesetzt wurden. Staaten wie Russland, Slowenien oder Nigeria haben mit der Ratifikation kleinere Anpassungen nationaler Erlasse vorgenommen. Ein spezifisches Gesetz zur Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 haben Australien, Kanada, die USA und Tschechien erlassen. Da die Schweiz bisher keine gesetzliche Regelung zum Kulturgütertransfer auf nationaler Ebene kennt, ist eine Beschränkung auf die Anpassung bestehender Gesetze nicht möglich. Die Schweiz muss im Rahmen der Ratifikation gesetzgeberisch tätig werden, um die Verpflichtungen der Konvention umzusetzen.

1.6.2

Das Kulturgütertransfergesetz (KGTG)

1.6.2.1

Zielsetzung

Das Kulturgütertransfergesetz setzt alle Verpflichtungen der Konvention um, für welche der Bund kompetent ist. Ziel ist eine differenzierte und verhältnismässige Umsetzung, welche auch die internationalen Rechtsentwicklung der letzten Jahre in der Europäischen Union und die Arbeiten im Rahmen der UNESCO berücksichtigt.

Das Gesetz trägt namentlich folgenden Zielsetzungen Rechnung: ­

Schaffung gesetzlicher Grundlagen, die es erlauben, Missstände auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers zu bekämpfen;

­

Umsetzung der nicht direkt anwendbaren UNESCO-Konvention 1970;

­

Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers;

­

Anpassung der Regelungsmaterie an die international üblichen Mindeststandards;

­

Förderung eines offenen und fairen internationalen Austausches von Kulturgut.

1.6.2.2

Das Gesetz im Überblick

Der Entwurf für ein Kulturgütertransfergesetz (KGTG) enthält Regelungen zur Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut sowie zur Rückführung von illegal ein- oder ausgeführtem Kulturgut. Er sieht Massnahmen vor zu einem besseren Schutz des kulturellen Erbes der Schweiz und des kulturellen Erbes anderer Vertragsstaaten sowie zur Förderung des legalen Kulturgüteraustausches. Das Gesetz weist folgende Grundzüge auf:

555

­

Die Ausfuhr von Kulturgut aus der Schweiz wird ausschliesslich für den beschränkten Bereich der Kulturgüter im Eigentum des Bundes geregelt (für die übrigen Kulturgüter liegt die Kompetenz bei den Kantonen). Diejenigen Kulturgüter, die von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe der Schweiz sind, werden in das Bundesverzeichnis eingetragen. Dies bewirkt, dass sie dem Handel entzogen sind und ihre definitive Ausfuhr aus der Schweiz verboten ist. Sollten sie dennoch ausgeführt werden, strengt der Bundesrat ihre Rückführung an. Der Zoll kontrolliert die Ausfuhr von Kulturgut aus der Schweiz. Dabei erfasst er auch Kulturgüter, deren Ausfuhr durch kantonale Bestimmungen untersagt ist (Art. 3 bis 6 und 20 KGTG).

­

Zur Regelung der Einfuhr von Kulturgut in die Schweiz sieht das Gesetz zwei Massnahmen vor: Auf Antrag eines Vertragsstaates schliesst die Schweiz mit diesem eine Vereinbarung ab, welche die Einfuhr für den Bereich der archäologischen, ethnologischen und sakralen Kulturgüter sowie für Archivgut regelt. Als Zweites kann der Bundesrat, wenn ausserordentliche Ereignisse wie Krieg oder Naturkatastrophen dem kulturellen Erbe eines Staates Schaden zufügen, zeitlich befristete Massnahmen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgut aus diesem Gebiet beschliessen (Art. 7 und 8 KGTG).

Ergänzt wird dies durch Bestimmungen zur Rückführung illegal eingeführter Kulturgüter und zur Entschädigung bei gutgläubigem Erwerb (Art. 9 KGTG).

­

Zur Übertragung von Kulturgut formuliert das Gesetz Regeln, welche die Institutionen des Bundes beim Erwerb von Kulturgütern einzuhalten haben.

Weiter legt es Sorgfaltsregeln für den Kunsthandel und das Auktionswesen fest. Diese sollen die Herkunft besonders sensibler Kulturgüter aufzeichnen, ihre Kundschaft über bestehende Ein- und Ausfuhrregelungen unterrichten und den Zoll- und Strafverfolgungsbehörden bei Ermittlungen Auskunft geben (Art. 15 bis 18 KGTG). Schliesslich wird die Frist für die Ersitzung und Rückgabe von gestohlenen Kulturgütern auf 30 Jahre erhöht (Art. 32 KGTG).

­

Verschiedene Anpassungen bestehender Gesetze verbessern den Schutz für das kulturelle Erbe der Schweiz und anderer Staaten, indem sie seiner illegalen Aneignung oder Übertragung entgegenwirken (Art. 32 KGTG).

­

Ergänzend sieht das Kulturgütertransfergesetz die Möglichkeit vor, dass bestimmte Projekte zur Erhaltung des kulturellen Erbes eine Finanzhilfe des Bundes erhalten können (Art. 14 KGTG).

­

Als einzige Massnahme, die sich nicht aus einer Konventionsverpflichtung ergibt, ist vorgesehen, dass der Bund auf Antrag einer Kulturinstitution in der Schweiz eine Rückgabegarantie für Kulturgüter gewähren kann, die von einer ausländischen Institution an eine Ausstellung in die Schweiz ausgeliehen werden (Art. 10 bis 13 KGTG). Mit dieser Regelung wird einem Bedürfnis der Schweizer Museen entsprochen, die im Rahmen ihrer internationalen Ausstellungstätigkeit auf eine solche Garantie angewiesen sind.

­

Schliesslich enthält das Gesetz flankierende Bestimmungen zu den Behörden (Art. 19 bis 21 KGTG), zur Amts- und Rechtshilfe (Art. 22 und 23 KGTG), zu den Strafen (Art. 24 bis 29 KGTG) sowie zum Rechts- und Datenschutz (Art. 30 KGTG).

556

Tabellarische Übersicht der Regelungsmaterie der UNESCO-Konvention 1970, des heutigen Bundesrechts und des Kulturgütertransfergesetzes Materie

UNESCO-Konvention 1970 Bundesrecht (Verpflichtungen) (heute)

Verzeichnisse Inventar derjenigen von Kulturgütern Kulturgüter, deren Ausfuhr geregelt ist (Art. 5 Bst. b) Unveräusserlich- Anerkennung des keit von Kultur- Rechts eines Vertragsgütern staates, gewisse Kulturgüter als unveräusserlich zu erklären und deren Ausfuhr zu verbieten (Art. 13 Bst. d)

Ausfuhr von Kulturgütern

Kulturgütertransfergesetz

Keine Regelung

Bundesverzeichnis über Kulturgüter im Eigentum des Bundes (Art. 3 Abs. 1).

Eintragung bewirkt UnersitzUnveräusserlich- barkeit und Unverjährbarkeit keit von Archivgut (Art. 3 Abs. 2 Bst. a und b) des Bundes: sowie Verbot der definitiven Art. 20 ArchivAusfuhr (Art. 3 Abs. 2 Bst. c) gesetz Archäologische Fundstücke aus dem Kantonsgebiet sind ohne Bewilligung des Kantons unveräusserlich (Art. 724 Abs. 1bis ZGB ­ Art. 32)

Bekämpfung der rechtswidrigen Ausfuhr (Art. 2 Abs. 2) Keine spezifische Bescheinigung für Regelung Kulturgüter, deren Ausfuhr geregelt ist (Art. 6 Bst. a und b)

Vorübergehende Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Bundesverzeichnis ist bewilligungspflichtig (Art. 5) Zollkontrolle an der Grenze ­ auch für Kulturgüter aus kantonalen Verzeichnissen (Art. 20 Abs. 1 und 2 und Art. 4)

Bekämpfung der rechtswidrigen Einfuhr (Art. 2 Abs. 2) Einfuhrverbot für Kulturgut, das aus Museum o.ä. gestohlen wurde Keine spezifische (Art. 7 Bst. b i) Regelung Rückführung von Zusammenarbeit mit Kulturgütern Vertragsstaaten, deren kulturelles Erbe gefährdet ist (Art. 9) Zusammenarbeit bei der Rückführung von Kulturgütern (Art. 13 Bst. b)

Abschluss bilateraler Staatsverträge über die Einfuhr von Kulturgütern aus Bereichen Archäologie, Ethnologie, Religion und Archivwesen (Art. 7) Vertragsstaat kann auf Rückführung illegal eingeführter Kulturgüter klagen (Art. 9) Zollkontrolle an der Grenze (Art. 20 Abs. 1 und 2) Einlagerung von Kulturgütern in Zolllager gilt als Einfuhr (Art. 20 Abs. 3)

Einfuhr von Kulturgütern

Rückgabe gestoh- Rückgabe von Kulturlener Kulturgüter gut, das aus Museum o.ä. Einrichtung gestohlen wurde ­ EntStärkung der schädigung bei gutRechte Bestohle- gläubigem Erwerb ner (Art. 7 Bst. b ii) Zulassung von Verfahren zur Wiedererlangung abhanden gekommenen Kulturguts (Art. 13 Bst. c)

Eigentum kann Erhöhung der Fristen für die während 5 Jahren Ersitzung und die Rückgabe herausverlangt wer- von Kulturgut auf 30 Jahre den ­ Entschädi- (Art. 934 Abs. 1bis und 728 gung bei gutgläubi- Abs. 1bis ZGB ­ Art. 32) gem Erwerb (Art. 934 und 728 ZGB)

557

Materie

UNESCO-Konvention 1970 Bundesrecht (Verpflichtungen) (heute)

Zusammenarbeit Mitteilung an Vertragszum Schutz des staat, wenn Kulturgut kulturellen Erbes dubioser Herkunft auftaucht (Art. 7 Bst. a Satz 2) Zusammenarbeit mit Vertragsstaaten, deren kulturelles Erbe durch Ausbeutung gefährdet ist (Art. 9) Zusammenarbeit zur Erleichterung der Rückgabe oder Rückführung von Kulturgütern (Art. 13 Bst. b)

Keine spezifische Regelung

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen

Kulturgütertransfergesetz

Ausserordentliche Massnahmen bei akuter Gefährdung des kulturellen Erbes eines Staates (Art. 8) Treuhänderische Aufbewahrung von gefährdeten Kulturgütern in der Schweiz (Art. 14) Unterstützung für Projekte zur Erhaltung des kulturellen Erbes anderer Staaten (Art. 14) Internationale Amts- und Rechtshilfe in Kulturgütertransfersachen (Art. 23)

Handel mit Kulturgütern

Bekämpfung der rechtswidrigen Übereignung von Kulturgütern (Art. 2 Abs. 2) Informations- und Auf- Keine spezifische zeichnungspflicht für Regelung Antiquitätenhandel (Art. 10 Bst. a) Verhütung von Übereignungen, durch die rechtswidrige Ein- oder Ausfuhr begünstigt würde (Art. 13 Bst. a)

Kulturgut darf nur übertragen werden, wenn kein Verstoss gegen Gesetz anzunehmen ist (Art. 16 Abs. 1) Kunsthandel informiert Kundschaft über Ein- und Ausfuhrregelungen (Art. 16 Abs. 2) Aufzeichnungspflicht für Kulturgüter im engeren Sinn (Art. 17) Erhöhung der Fristen für Gewährleistungsansprüche auf 30 Jahre in Art. 196 Abs. 1bis und 210 Abs. 1bis OR (Art. 32)

Erwerbsregeln für Museen

Museen und ähnliche Einrichtungen dürfen Keine spezifische keine widerrechtlich Regelung ausgeführten Kulturgüter erwerben (Art. 5 Bst. e und 7 Bst. a Satz 1)

Institutionen des Bundes dürfen keine gestohlenen oder rechtswidrig ausgeführten Kulturgüter erwerben oder ausstellen (Art. 15)

Einrichtung Dienststelle

Einrichtung Dienststelle für Fragen Kulturgüter- Keine Regelung transfer (Art. 5 Bst. a, b und f, Art. 6 Bst. c und Art. 14)

Fachstelle Kulturgütertransfer im Bundesamt für Kultur (Art. 19)

Rückgabegarantie für Ausstellungs- Keine Regelung objekte

558

Keine Regelung

Für Ausstellungsobjekte aus dem Ausland kann eine Rückgabegarantie erteilt werden (Art. 10­13)

1.6.2.3

Verhältnis zu anderen Gesetzen zum Schutz des kulturellen Erbes des Bundes

Zum Verhältnis des Gesetzesentwurfes zum Bundesgesetz vom 1. Juli 196642 über den Natur- und Heimatschutz (NHG), zum Bundesgesetz vom 6. Oktober 196643 über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten sowie zum Bundesgesetz vom 26. Juni 199844 über die Archivierung (BGA) ist Folgendes festzuhalten: Die genannten Bundesgesetze enthalten keine Regelungen über die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern. Daher besteht kein positiver Anwendungskonflikt. Das Kulturgütertransfergesetz ergänzt das NHG, das KGS sowie das BGA im Bereich des Kulturgütertransfers. Daher muss es als lex spezialis betrachtet werden.

1.6.2.4

Der Gesetzesentwurf im internationalen Kontext

Für das Kulturgütertransfergesetz wurden bestimmte, bereits bestehende Umsetzungsmodelle der UNESCO-Konvention 1970 geprüft. So standen insbesondere zur Regelung der Einfuhr zwei Modelle zur Diskussion: das kanadische und das US-amerikanische. Der Gesetzesentwurf folgt grundsätzlich der US-amerikanischen Lösung, welche die Einfuhrkontrolle auf der Grundlage von bilateralen Vereinbarungen regelt.45 Die EG-Regelung des Kulturgütertransfers (vgl. Ziffer 1.2.2.3) ist ­ weltweit gesehen ­ eine regionale Lösung. Sie geht bezüglich ihres räumlichen und sachlichen Geltungsbereiches grundsätzlich weniger weit als die UNESCO-Konvention 1970.

Der vorliegende Gesetzesentwurf hat vorrangig die Umsetzung der UNESCOKonvention 1970 zum Ziel sowie die Etablierung eines eigentlichen Systems zur Bekämpfung von Missbräuchen im Bereich des Kulturgütertransfers. Da zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Berührungspunkte bezüglich des Kulturgütertransfers bestehen, berücksichtigt der Entwurf allerdings die Regelungsmuster des Kulturgütertransferrechts der Europäischen Union überall dort, wo eine Anlehnung gerechtfertigt ist. Parallelen bestehen beispielsweise bei der Definition der Begriffe und bei den Fristen, während deren eine Rückführung möglich ist (vgl. Art. 9 KGTG bzw. Art. 7 Absatz 1 EG-Richtlinie ­ im Detail vgl.

Ziffer 5).

Die Unidroit-Konvention von 1995 ist neben der UNESCO-Konvention 1970 das zweite Instrument auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers von internationaler Bedeutung (vgl. Ziffer 1.2.2.2). Die Schweiz hat die Konvention am 26. Juni 1996 unterzeichnet und sich damit zu ihren Zielsetzungen bekannt. Mit dem Entwurf zum Kulturgütertransfergesetz wird die Anwendung der UNESCO-Konvention 1970 sichergestellt. Das Gesetz ist wie die Unidroit-Konvention nicht rückwirkend, sieht eine Entschädigung für einen gutgläubigen Erwerber vor und kennt längere Verjährungsfristen (das Kulturgütertransfergesetz 30 Jahre ­ die Unidroit-Konvention 50 und 75 Jahre). Eine Ratifikation der Unidroit-Konvention wird damit nicht prä42 43 44 45

SR 451 SR 520.3 SR 152.1 Vgl. Ziffer 3.4.4.

559

judiziert. Weil die Konvention strengere Mechanismen und volle Gegenseitigkeit vorsieht, würde sie zwar die Rechte von Diebstahlsopfern besser wahren und das kulturelle Erbe der Schweiz und anderer Staaten besser schützen; die dringlichsten Probleme im Bereich des Kulturgütertransfers können heute indes mit dem Kulturgütertransfergesetz wirksam angegangen werden.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch den Erlass des Bundesgesetzes über den Kulturgütertransfer können folgende parlamentarische Vorstösse abgeschrieben werden: Das Postulat Oehen vom 6. Oktober 197646: Darin wurde auf die Gefahr eines dauernden Substanzverlusts im Bereich der schweizerischen Kulturgüter hingewiesen.

Der Verlust könne trotz getätigten Repatriierungen schweizerischen Kulturguts nicht ausgeglichen werden, da laufend für die schweizerische Kultur wichtige Objekte definitiv oder aus spekulativen Gründen ins Ausland verschoben würden. Der Bundesrat wurde eingeladen, die nötigen Gesetze und Grundlagen vorzubereiten, um den Schweizer Museen ein Vorkaufsrecht zu sichern und um die Ausfuhr kontrollieren bzw. verbieten zu können für Objekte, die für die schweizerische Kultur wichtig sind. Der Vorstoss wurde am 19. September 1977 vom Nationalrat als Postulat überwiesen.

Das Postulat Keller Rudolf vom 4. März 199347: Mit dem als Motion eingereichten Vorstoss wurde die Förderung und Unterstützung nationaler und internationaler Bestrebungen zur Zusammenführung von Kulturgütern angeregt. Unter Voraussetzung, dass die Sicherheit und Erhaltung der betreffenden Kulturgüter gewährleistet sei, sollte insbesondere die Zusammenführung von Sammlungen gefördert werden. Der Vorstoss wurde nach Stellungnahme des Bundesrats am 18. Juni 1993 vom Nationalrat in Form eines Postulats überwiesen.

Die Motion Grossenbacher vom 18. Juni 199248: Sie konstatierte die bedeutende Rolle der Schweiz als Umschlagplatz für illegale Geschäfte mit Kunst und Kulturgütern, die sich wegen des bestehenden Rechtsvakuums entwickelt habe. Der Bundesrat wurde eingeladen, möglichst schnell gesetzliche Bedingungen zu schaffen, um einer weiteren Entwicklung des illegalen Kulturgütertransfers in der Schweiz entgegenzuwirken. Weiter sollte die Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 sofort an die Hand genommen und ein entsprechendes Ausführungsgesetz erarbeitet werden. Begründet wurde die Motion mit dem Hinweis, der internationale Kunsthandel habe im vergangenen Jahrzehnt erhebliche Ausmasse angenommen: Der traditionelle Erwerb werde immer mehr durch den Prestige- und Spekulationskauf ersetzt oder gar als Mittel zur Geldwäscherei missbraucht. Dabei spiele die Schweiz eine bedeutende Rolle als Umschlagplatz für illegale Geschäfte mit Kulturgütern vor allem aus der
Zweiten und Dritten Welt. Auf der anderen Seite wanderten Kulturgüter von nationaler Bedeutung ungehindert ins Ausland ab. Diese Motion wurde vom Nationalrat am 2. Juni 1993 angenommen und vom Ständerat in der Folge teil-

46 47 48

560

P 76.452: Kulturgüter, Export (N 19.9.77, Oehen).

P 93.3074: Zusammenführung von Kulturgütern (N 18.6.93, Keller Rudolf).

M 92.3259: Die Schweiz als umstrittene Drehscheibe des internationalen Kulturgüterhandels (N 2.6.93, Grossenbacher; S 6.12.93).

weise als Motion, teilweise als Postulat gutgeheissen. In der von beiden Räten überwiesenen Fassung der Motion ist die Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 als verbindlicher Auftrag an den Bundesrat enthalten.

Pro memoria seien die gleichlautenden Postulate der WBK von National- und Ständerat erwähnt.49 Sie forderten 1993, es seien umgehend die UNESCO-Konvention 1970 zu unterzeichnen und rechtliche Bestimmungen zu erlassen, um den Verlust von Kulturgütern von nationaler Bedeutung zu verhindern und ausländische Staaten bei der Wahrung ihres kulturellen Erbes zu unterstützen.

2

Besonderer Teil

2.1

Die UNESCO-Konvention 1970

2.1.1

Zweck

Die UNESCO-Konvention 1970 will einerseits den Schutz der Kulturgüter in den verschiedenen Staaten fördern, andererseits durch Zusammenarbeit aller Staaten das gemeinsame kulturelle Erbe der Menschheit schützen und bewahren. Sie richtet sich primär gegen den illegalen Kulturgütertransfer, in welchem sie eine der Hauptursachen dafür sieht, dass das kulturelle Erbe der Ursprungsländer verarmt.

2.1.2

Rechtsnatur

Adressaten der Konvention sind die Vertragsstaaten (Gesetzgeber und Behörden); sie räumt Privaten keine unmittelbaren Rechte und Pflichten ein. Bei der Konvention handelt es sich um einen Staatsvertrag, der nicht direkt anwendbar ist (non selfexecuting). Es braucht somit eine Umsetzung auf nationaler Ebene.

Die Verpflichtungen der Konvention können in spezifische Verpflichtungen und allgemeine Verpflichtungen eingeteilt werden:50

49 50 51

­

Spezifische Verpflichtungen haben rechtsverbindlichen Charakter. Es sind dies Artikel 6 Buchstaben a und b, Artikel 7 Buchstabe b, Artikel 8, Artikel 9, Artikel 10 Buchstabe b und Artikel 16 der UNESCO-Konvention 1970.

­

Allgemeine Verpflichtungen gelten im Rahmen der Möglichkeiten und der einem Staat zur Verfügung stehenden Mittel oder im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnung. Das heisst, einem Staat bleibt ein gewisser Spielraum bei der Umsetzung. Die Grenze der Handlungsfreiheit bildet gemäss Artikel 31 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 196951 über das Recht der Verträge immer der Wortlaut sowie die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck der Konvention zukommende gewöhnliche Bedeutung einer Bestimmung. Auch wenn diese Bestimmungen keinen rechtsverbindlichen P 93.3028: UNESCO-Konvention Kulturgüterschutz: Unterzeichnung (N 18.3.93, Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates [91.073]; S 9.6.93).

Für eine themenspezifische Übersicht der Konventionsverpflichtungen vgl. Andrea F. G. Raschèr: Kulturgütertransfer und Globalisierung. Zürich 2000, S. 56 ff.

SR 0.111

561

Charakter haben, hat der Vertragsstaat dennoch die Verpflichtung, alles zu unternehmen, um eine Umsetzung der Bestimmung im Rahmen seiner Rechtsordnung zu ermöglichen. Allgemeine Verpflichtungen in diesem Sinn formulieren die Artikel 2 Absatz 2, Artikel 5, Artikel 6 Buchstabe c, Artikel 7 Buchstabe a, Artikel 10 Buchstabe a, Artikel 13 und Artikel 14 der UNESCO-Konvention 1970.

2.1.3

Anwendungsbereich

2.1.3.1

Sachlicher Anwendungsbereich

Die Konvention ist auf Kulturgüter anwendbar. Kulturgut ist eine Sache, die von «jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaften bedeutungsvoll bezeichnet» worden ist (Art. 1 Ingress). Jeder Staat bestimmt selber in seiner Gesetzgebung zum Schutz von Kulturgütern, was er unter «bedeutungsvoll» versteht. In der Regel geschieht dies durch allgemeine Umschreibungen, die Aufnahme in eine Liste oder beides. Weiter muss diese Sache einer der elf Kategorien angehören, die in Artikel 1 Buchstaben a­k UNESCO-Konvention 1970 aufgelistet sind. Dabei kann ein Gut unter Umständen mehreren Kategorien angehören. Diese Kategorien umfassen die meisten Sammlungsbereiche von Museen und Archiven.

Einzelne Massnahmen sind allerdings auf einen engeren Bereich limitiert. Die Massnahmen nach Artikel 5 Buchstaben a, b und f, nach Artikel 12 und Artikel 14 greifen nur, wenn das Kulturgut Teil des «kulturellen Erbes» nach Artikel 4 ist; die internationale Zusammenarbeit nach Artikel 9 schliesslich beschränkt sich auf archäologische und ethnologische Güter.

2.1.3.2

Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich

Die Bestimmungen der Konvention entfalten ihre Wirkungen ausschliesslich im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten.

2.1.3.3

Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Konvention enthält keine allgemeine Bestimmung zur zeitlichen Anwendbarkeit. Einzig Artikel 7 enthält eine Regelung, gemäss der das Importverbot und die Rückgabeverpflichtung nur auf Kulturgüter Anwendung findet, die nach Inkrafttreten der Konvention gestohlen worden sind. Gemäss Artikel 28 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 196952 über das Recht der Verträge gilt demnach der Grundsatz der Nichtrückwirkung. Die Bestimmungen und Massnahmen entfalten ihre Wirkungen somit erst nach dem Inkrafttreten der Konvention für den Staat, der die Konvention ratifiziert hat.

52

562

SR 0.111

2.1.4

Inhalt

Definition «Kulturgut» (Art. 1 Konvention) Sachlich bezieht sich die Konvention auf die beweglichen Kulturgüter. Der Begriff «Kulturgut» wird in Artikel 1 zweiteilig definiert: Das Gut muss vom Staat «aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft bedeutungsvoll bezeichnet» worden sein und zu einer der elf folgenden Objektkategorien gehören: seltene Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie, Anatomie und Paläontologie; Gut von geschichtlichem Wert; archäologische Fundstücke; Teile von Denkmälern oder archäologischen Lagerstätten; Antiquitäten älter als 100 Jahre; Gegenstände von ethnologischem Interesse; Gut von künstlerischem Interesse; seltene Manuskripte und Inkunabeln sowie alte Publikationen und Dokumente von besonderem Interesse; Brief- und Steuermarken; Archive; Möbelstücke älter als 100 Jahre und alte Musikinstrumente.

Im Übrigen lehnt sich die Kulturgutdefinition von Artikel 1 der UNESCOKonvention 1970 an Artikel 1 des Haager Übereinkommens vom 14. Mai 195453 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten an. Die Schweiz hat diese Konvention am 15. Mai 1962 ratifiziert und mit dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 196654 über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten umgesetzt.55 Bekämpfung des rechtswidrigen Kulturgütertransfers (Art. 2 Konvention) Artikel 2 umschreibt den Zweck der Konvention, nämlich die Bekämpfung der rechtswidrigen Ein- und Ausfuhr von Kulturgut. Absatz 1 hält fest, dass die Vertragsstaaten die Tatsache anerkennen, dass die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine der Hauptursachen für die Verarmung der Ursprungsländer an ihrem kulturellen Erbe darstellt, und verpflichtet sie zur Zusammenarbeit. Gemäss Absatz 2 sollen die Vertragsstaaten dies in Anwendung der «ihnen zur Verfügung stehenden Mittel» tun, insbesondere in Anwendung der geltenden Gesetze. Es handelt sich also um eine allgemeine Verpflichtung. Lediglich dort, wo das Recht der Vertragsstaaten die Konventionsverpflichtungen nicht erfüllt, müssen ergänzende Bestimmungen erlassen werden.

Rechtswidrigkeit des Kulturgütertransfer (Art. 3 Konvention) Artikel 3 definiert die «Rechtswidrigkeit» des Kulturgütertransfers, indem es auf das nationale Recht verweist, das im Rahmen der Konvention erlassen
worden ist: Jede Ein- und Ausfuhr sowie Übereignung, die gegen die im Rahmen der Konvention getroffenen einzelstaatlichen Massnahmen verstösst, ist rechtswidrig. Was als rechtswidrig zu bezeichnen ist, bestimmt sich also nach den nationalen Bestimmun-

53 54 55

SR 0.520.3/32 SR 520.3 Vgl. P. Volken in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione. Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Bern 1998, S. 11­13.

563

gen zum Schutz der Kulturgüter, die jeder Vertragsstaat aufgestellt hat.56 Die Rechtswidrigkeit ergibt sich indes nicht aus der Verletzung anderer Gesetzesbestimmungen, beispielsweise solcher des Steuerrechtes.

Definition «kulturelles Erbe» (Art. 4 Konvention) Artikel 4 gibt an, wann ein Kulturgut zum «kulturellen Erbe» eines Staates gezählt werden kann. Hierzu muss es eine der fünf in Artikel 4 aufgeführten Eigenschaften erfüllen. Diese gehen nicht von den Eigentumsverhältnissen aus, sondern von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthalt der Kunstschaffenden (Art. 4 Bst. a: Es ist im Staat entstanden), dem Fundort (Art. 4 Bst. b: Es wurde auf Staatsgebiet gefunden) sowie der Tatsache der rechtmässigen Übereignung oder Ausfuhr aus dem Ursprungsstaat (Art. 4 Bst. c­e). Die Zuweisung zum kulturellen Erbe kommt in den Massnahmen unter Artikel 5 Buchstaben a, b und f, Artikel 9, Artikel 12 und Artikel 14 zum Tragen. Für den Fall, dass mehrere Staaten ein Kulturgut im Sinne von Artikel 4 zu ihrem kulturellen Erbe zählen, kann die UNESCO ihre guten Dienste im Sinne von Artikel 17 Absatz 5 anbieten.

Einrichtung von Dienststellen (Art. 5 Konvention) Artikel 5 verpflichtet die Vertragsstaaten, eine oder mehrere Dienststellen einzurichten, die sich den vielfältigen Aufgaben des innerstaatlichen Kulturgüterschutzes widmen. Genannt werden die Ausarbeitung von Rechtsvorschriften, die Aufstellung eines Verzeichnisses des zu schützenden Gutes, die Förderung von wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen zur Erhaltung von Kulturgut, die Überwachung archäologischer Ausgrabungsstätten, die Aufstellung von Verhaltensnormen für Fachpersonen, die Durchführung von Bildungsmassnahmen und die Veröffentlichung von verschwundenen Kulturgütern (Bst. a­g).

Auch hierbei handelt es sich um eine allgemeine Verpflichtung, da die Staaten diese Massnahmen «in der in jedem Land geeignetsten Weise» zu ergreifen haben.

Ausfuhrbescheinigung (Art. 6 Konvention) Artikel 6 verlangt, dass jede vorschriftsmässige Ausfuhr eines Kulturgutes durch eine amtliche Bescheinigung bestätigt wird und dass Ausfuhrverbote auf geeignete Weise veröffentlicht werden. Diese Verpflichtung bezieht sich auf die Regelung der Ausfuhr eigener Kulturgüter, nicht fremder Kulturgüter: Wenn ein Staat die Ausfuhr von Kulturgut regelt, hat er dafür eine
Bescheinigung vorzusehen.57 Die Bescheinigung und die Veröffentlichung der mit der Ausfuhrregelung verbundenen Rechtsvorschriften sollen der Rechtssicherheit im Kulturgütertransfer dienen.

Rechtswidrig ausgeführte oder gestohlene Kulturgüter (Art. 7 Konvention) 56

57

564

Vgl. Ridha Fraoua: Convention concernant les mesures à prendre pour interdire et empêcher l'importation, l'exportation et le transfert de propriété illicite des biens culturels (Paris, 1970). Commentaire et aperçu de quelques mesures nationales d'exécution (Doc. UNESCO CC-86/WS/40). Paris 1986, S. 57 f.

Vgl. Patrick J. O'Keefe: Commentary on the UNESCO 1970 Convention on Illicit Traffic, Leicester 2000, S. 42 und 56.

Artikel 7 formuliert drei für die Konvention zentrale Verpflichtungen: Museen und ähnliche Einrichtungen sollen am Erwerb von widerrechtlich aus einem Vertragsstaat ausgeführten Kulturgut gehindert und die Ursprungsländer über das Anbieten dieses Kulturgutes unterrichtet werden (Bst. a).58 Auch hier handelt es sich um eine allgemeine Verpflichtung, da die Staaten diese Massnahmen «im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften» zu ergreifen haben und die Unterrichtung der Ursprungsländer «soweit möglich» zu erfolgen hat. Mit dieser Verpflichtung sollen Museen als wichtige Partner im internationalen Kulturgütertransfer und als «Scharnier» der Kunstvermittlung einen Standard im Umgang mit Kulturgut setzen.

Weiter soll die Einfuhr von Kulturgut verboten werden, das in einem anderen Vertragsstaat zum Inventar eines öffentlichen Bauwerks (Museum, Kirche usw.) gehörte und gestohlen wurde (Bst. b i). Indes muss der Diebstahl nach Inkrafttreten der Konvention in beiden Vertragsstaaten stattgefunden haben; Rückwirkung ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Solchermassen gestohlenes Kulturgut soll auf Ersuchen des Ursprungslandes zurückgegeben werden, sofern dieses einem gutgläubigen Erwerber eine angemessene Entschädigung zahlt (Bst. b ii). Der ersuchende Staat hat auf eigene Kosten alle nötigen Unterlagen und Beweismittel, die zur Feststellung seines Anspruchs dienlich sind, zur Verfügung zu stellen. Auch die anfallenden Kosten für die Rückgabe und Zustellung des Kulturgutes sind vom ersuchenden Staat zu tragen.

Erlass strafrechtlicher oder administrativer Sanktionen (Art. 8 Konvention) Artikel 8 verpflichtet die Vertragsstaaten zum Erlass strafrechtlicher oder administrativer Strafen gegen Personen, die gegen die Verbote nach den Artikeln 6 Buchstabe b und 7 Buchstabe b, das heisst gegen die gesetzlichen Vorschriften zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgut, verstossen haben.

Internationale Zusammenarbeit in der Bekämpfung der archäologischen und ethnologischen Ausbeutung (Art. 9 Konvention) Artikel 9 betrifft weitere zentrale Verpflichtungen der Konvention: Vertragsstaaten, deren kulturelles Erbe durch archäologische und ethnologische Ausbeutung gefährdet ist, sollen sich an andere Vertragsstaaten wenden können (Satz 1). Diese verpflichten sich, an gemeinsamen internationalen Aktionen teilzunehmen, insbesondere
solchen zur Überwachung der Einfuhr, Ausfuhr und des Handels mit den entsprechenden Gütern (Satz 2). Schliesslich soll jeder Staat vorsorgliche Massnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass dem kulturellen Erbe des ersuchenden Staates unersetzlicher Schaden zugefügt wird (Satz 3). Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Verpflichtung; jeder Staat ist dazu «im Rahmen seiner Möglichkeiten» verpflichtet.

58

Vgl. Art. 10 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über den Schutz des archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992 (Konvention von Malta ­ SR 0.440.5), wonach die Vertragsparteien alles unternehmen sollen, um Angebote von Grabungsgut, bei dem der Verdacht besteht, dass es aus heimlichen Grabungen stammt oder aus öffentlichen Grabungen verschleppt worden ist, den zuständigen Instanzen des Herkunftsstaates zu melden.

565

Bei den Massnahmen nach Artikel 9 ist vor allem an Krisensituationen zu denken (Naturkatastrophen, Bürgerkrieg usw.). Ausbeutung kann aber auch vorliegen, wenn keine akute Krisenlage besteht, das kulturelle Erbe eines Staates jedoch durch andauernde Plünderung gefährdet ist. Die Massnahmen nach Artikel 9 Satz 3 sind zu ergreifen, bis eine konzertierte internationale Aktion zu Stande kommt. Die von den einzelnen Staaten zu treffenden Massnahmen können von der Überwachung der Einfuhr bis hin zum Einfuhrverbot für gefährdete Kulturgüter gehen.

Bildungsmassnahmen und Aufzeichnungspflicht für den Kunsthandel (Art. 10 Konvention) Artikel 10 Buchstaben a und b verpflichtet die Vertragsstaaten, die Öffentlichkeit über die Bedeutung der Kulturgüter, über den illegalen Kulturgütertransfer und den Schaden, der durch Diebstahl, unerlaubte Ausgrabungen und unzulässige Ausfuhr für das kulturelle Erbe entsteht, zu unterrichten.

Gemäss Artikel 10 Buchstabe a soll ausserdem der Kunsthandel zur Führung eines Eingangsverzeichnisses verpflichtet werden, aus dem der Ursprung jedes einzelnen Kulturgutes, die Namen und Anschriften der Lieferanten, die Beschreibung und der Preis jedes verkauften Gegenstands hervorgehen. Weiter hat der Kunsthandel seine Klientel über ein für den Gegenstand möglicherweise bestehendes Ausfuhrverbot zu unterrichten. Schliesslich soll er zur Einhaltung der ethischen Kodizes angehalten werden (vgl. Art. 5 Bst. e Konvention). Die Umsetzung dieser Bestimmungen soll verhindern, dass kriminelle Kreise Kulturgüter zweifelhafter Herkunft durch den legalen Kunsthandel schleusen, sie «waschen» und damit ihre wahre Herkunft verschleiern. Kulturgüter illegaler Herkunft, die trotz der Vorsichtsmassnahmen in den Handel gelangen, können durch diese Aufzeichnung zurückverfolgt werden. Zur Durchsetzung sollen die Vertragsstaaten gegen Personen, die gegen Verpflichtungen von Artikel 10 verstossen haben, straf- oder verwaltungsrechtliche Massnahmen verhängen. Auch hierbei handelt es sich um eine allgemeine Verpflichtung, indem ein Staat dies im Rahmen der «gegebenen Möglichkeiten» tun soll.

Besetzte Länder (Art. 11 Konvention) Artikel 11 erklärt die erzwungene Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, die sich aus der Besetzung eines Landes durch eine fremde Macht ergeben, für unzulässig.

Diese Bestimmung
entspricht den Prinzipien des Haager Übereinkommens vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten sowie des Zusatzprotokolls von 1954.59 Die Schweiz hat das Übereinkommen und das Protokoll am 15. Mai 1962 ratifiziert und mit dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 1966 über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten (KGS)60 umgesetzt.

Protektorate (Art. 12 Konvention) Artikel 12 deklariert, dass die Vertragsstaaten das kulturelle Erbe in den Hoheitsgebieten, für deren internationale Beziehungen sie verantwortlich sind, achten und die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die rechtswidrige Einfuhr, Ausfuhr und

59 60

566

SR 0.520.3/32 SR 520.3

Übereignung von Kulturgut zu verbieten und zu verhüten. Für die Schweiz ist diese Bestimmung bloss von untergeordnetem Interesse.

Weitere Verpflichtungen (Art. 13 Konvention) Auch in Artikel 13 werden allgemeine Verpflichtungen formuliert, die der Vertragsstaat «im Rahmen seiner innerstaatlichen Rechtsordnung» zu ergreifen hat. Artikel 13 Buchstabe c betrifft die Rückgabe gestohlener Kulturgüter: Die Vertragsstaaten müssen ein Verfahren zur Wiedererlangung von verloren gegangenem oder gestohlenem Kulturgut zulassen. Diese Bestimmung muss im Zusammenhang mit Artikel 7 Buchstabe b gesehen werden, welcher die Rückgabe von Kulturgütern vorsieht, die aus einem Museum, einem öffentlichen religiösen oder weltlichen Bauwerk oder einer ähnlichen Einrichtung gestohlen wurden.

Artikel 13 Buchstaben a, b und d betreffen die Rückführung von rechtswidrig ausgeführten Kulturgütern und die Verhinderung der Übereignung solcher Kulturgüter.

Dabei sollen die Vertragsstaaten Übereignungen verhindern, durch welche eine rechtswidrige Ein- oder Ausfuhr von Kulturgut begünstigt werden könnte (Bst. a).

Weiter sollen die staatlichen Dienststellen im Hinblick auf die schnellstmögliche Rückführung von rechtswidrig ausgeführtem Kulturgut zusammenarbeiten (Bst. b).

Schliesslich sollen andere Vertragsstaaten Unterstützung erhalten bei der Wiedererlangung von Kulturgut, das als unveräusserlich erklärt wurde und das rechtswidrig ausgeführt wurde.

Finanzierung der Dienststellen (Art. 14 Konvention) Artikel 14 fordert die Vertragsstaaten auf, die Dienststellen, die mit dem Schutz des kulturellen Erbes und der Einhaltung der mit dem Übereinkommen eingegangenen Verpflichtungen betraut werden, mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten. Jeder Staat ist «im Rahmen seiner Möglichkeiten» dazu verpflichtet. Diese Dienststellen haben die in Artikel 5 Buchstaben a­g der Konvention genannten Aufgaben wahrzunehmen.

Sonderabkommen (Art. 15 Konvention) Artikel 15 behält den Vertragsstaaten die Möglichkeit vor (verpflichtet sie indes nicht dazu), untereinander Sonderabkommen über die Rückgabe von Kulturgut abzuschliessen, das vor Inkrafttreten des Übereinkommens aus dem Ursprungsland entfernt wurde. Die Bestimmung statuiert, dass es den Vertragsstaaten offen steht, Vereinbarungen über die Rückgabe von Kulturgut abzuschliessen, die weiter gehen als die Prinzipien der UNESCO-Konvention 1970.

Berichte (Art. 16 Konvention) Artikel 16 verpflichtet die Vertragsstaaten,
regelmässig Berichte über die von ihnen erlassenen Gesetze sowie die in Bezug auf die Konvention ergriffenen Massnahmen vorzulegen.

Unterstützung durch die UNESCO (Art. 17 Konvention) 567

Artikel 17 nennt die Mittel, mit welchen die UNESCO die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Konventionsverpflichtungen unterstützen kann. Sie betreffen die Information und Ausbildung, Beratung, Koordinierung und die guten Dienste. Konkret kann die UNESCO Untersuchungen im Zusammenhang mit dem illegalen Kulturgütertransfer durchführen und veröffentlichen; sie kann sich zu diesem Zweck auch an jede sachverständige nichtstaatliche Organisation wenden; sie kann den Vertragsstaaten Vorschläge über die Durchführung der Konvention unterbreiten und bei Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten ihre guten Dienste anbieten.

Schlussbestimmungen (Art. 18­26 Konvention) Die Artikel 18­26 enthalten die Standardbestimmungen über Amtssprache, Inkrafttreten, Revision und Kündigung der Konvention. Speziell zu erwähnen ist, dass die Konvention nach Artikel 23 durch schriftliche Notifizierung bei der UNESCO unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Frist gekündigt werden kann.

2.1.5

Die Umsetzung der Konventionsverpflichtungen

Die UNESCO-Konvention 1970 verlangt, dass die Vertragsstaaten dort legislatorische und administrative Massnahmen ergreifen, wo die Konventionsverpflichtungen noch nicht erfüllt sind. Für die Umsetzung der Konvention in der Schweiz gilt, dass ein kleiner Teil der Verpflichtungen als bereits erfüllt betrachtet werden kann. So werden insbesondere die in Artikel 5 Buchstaben c und d formulierten Aufgaben bereits heute von bestehenden Amtsstellen und Institutionen des Bundes und in den Kantonen abgedeckt.

Von den Konventionsverpflichtungen, die noch umzusetzen sind, fällt die Mehrheit in die Kompetenz des Bundes; einzelne zentrale Verpflichtungen, insbesondere zum Schutz des eigenen kulturellen Erbes, betreffen indes auch die Kantone.

2.1.5.1

Auf der Ebene des Bundes

Vom Bund umzusetzen sind namentlich die folgenden Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970: ­

Die Bekämpfung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut «mit den ihnen [den Vertragsstaaten] zur Verfügung stehenden Mitteln» (Art. 2 Abs. 2).

­

Die Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Rechtsgrundlagen zum Schutz des kulturellen Erbes und insbesondere zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung bedeutsamen Kulturguts, «in der in jedem Land geeigneten Weise» (Art. 5 Bst. a).

­

Die Führung eines nationalen Inventars des zu schützenden Gutes, dessen Ausfuhr für den Staat einen merklichen Verlust an seinem kulturellen Erbe darstellen würde, «in der in jedem Land geeigneten Weise» (Art. 5 Bst. b).

­

Die Aufstellung von Vorschriften für die betroffenen Personen (Kuratoren und Kuratorinnen, Konservatoren und Konservatorinnen, Sammler und

568

Sammlerinnen, Antiquitätenhändler und -händlerinnen usw.), entsprechend den ethischen Grundsätzen des Übereinkommens, und die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften, «in der in jedem Land geeigneten Weise» (Art. 5 Bst. e).

­

Die Verbreitung der Kenntnisse über die Bestimmungen dieses Übereinkommens, «in der in jedem Land geeigneten Weise» (Art. 5 Bst. f).

­

Die Einführung einer Bescheinigung, die für Kulturgüter, deren Ausfuhr geregelt ist, die Rechtmässigkeit der Ausfuhr bestätigt (Art. 6 Bst. a ­ b).

Weiter müssen Ausfuhrverbote auf geeignete Weise veröffentlicht werden (Art. 6 Bst. c).

­

Das Ergreifen von Massnahmen, um Museen und ähnliche Einrichtungen am Erwerb von Kulturgut zu hindern, das aus einem anderen Vertragsstaat stammt und nach Inkrafttreten des Übereinkommens widerrechtlich aus dem betreffenden Staat ausgeführt wurde, «im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften» (Art. 7 Bst. a Satz 1).

­

Die Mitteilung an einen Vertragsstaat, wenn Kulturgut auftaucht, das nach Inkrafttreten der Konvention widerrechtlich aus ihm entfernt wurde (Art. 7 Bst. a Satz 2: «soweit möglich»).

­

Die Etablierung eines Einfuhrverbotes für Kulturgut, das nach Inkrafttreten des Übereinkommens aus einem Museum, einem öffentlichen Bauwerk oder einer ähnlichen Einrichtung eines Vertragsstaates entwendet wurde (Art. 7 Bst. b i).

­

Die Rückgabe von Kulturgütern, die nach Inkrafttreten des Übereinkommens aus einem Museum, einem öffentlichen Bauwerk oder einer ähnlichen Einrichtung in einem Vertragsstaat entwendet wurden (Art. 7 Bst. b ii).

­

Der Erlass strafrechtlicher oder administrativer Sanktionen (Art. 8).

­

Die Zusammenarbeit mit Vertragsstaaten, deren kulturelles Erbe durch archäologische oder ethnologische Ausbeutung gefährdet ist (Art. 9).

­

Die Verpflichtung des Antiquitätenhandels zur Führung von Verzeichnissen, aus denen die Herkunft eines Objektes hervorgeht, sowie zur Information gegenüber der Kundschaft über möglicherweise bestehende Ausfuhrverbote, «im Rahmen der in jedem Land gegebenen Möglichkeiten» (Art. 10 Bst. a).

­

Bildungsmassnahmen zu Wert und Bedeutung von Kulturgütern gemäss Artikel 10 Buchstabe b und 5 Buchstabe f.

­

Die Verhütung von Übereignungen, durch die eine unzulässige Einfuhr oder Ausfuhr von Kulturgut begünstigt werden könnte, «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung» (Art. 13 Bst. a).

­

Die Zusammenarbeit mit den Dienststellen anderer Vertragsstaaten, um die Rückgabe an die rechtmässigen Eigentümer und Eigentümerinnen eines unzulässig ausgeführten Kulturgutes zu erleichtern, «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung» (Art. 13 Bst. b).

­

Die Zulassung von Verfahren zur Wiedererlangung abhanden gekommenen Kulturgutes, «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung» (Art. 13 Bst. c).

569

­

Die Anerkennung des Rechtes eines Vertragsstaates, gewisse Kulturgüter als unveräusserlich einzustufen und ihre Ausfuhr zu untersagen, «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung» (Art. 13 Bst. d).

­

Die Einrichtung einer mit den erforderlichen Mitteln ausgestatteten Dienststelle, welche die aus der Anwendung des Übereinkommens entstehenden Verpflichtungen übernimmt, «im Rahmen seiner Möglichkeiten» (Art. 14).

­

Die regelmässige Erstellung von Berichten zuhanden der Generalkonferenz der UNESCO (Art. 16).

2.1.5.2

Auf der Ebene der Kantone

Von den Kantonen umzusetzen sind namentlich die folgenden Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970: ­

Die Führung eines Inventars des zu schützenden Gutes, dessen Ausfuhr für den Staat einen merklichen Verlust an seinem kulturellen Erbe darstellen würde, «in der in jedem Land geeigneten Weise» (Art. 5 Bst. b). Die Kantone haben die Kompetenz zur Regelung der Ausfuhr von Kulturgütern auf ihrem Gebiet.61 Sie sind zur Führung eines Inventars angehalten, das diejenigen Objekte aufnimmt, deren Ausfuhr aus dem Kantonsgebiet durch kantonales Recht geregelt ist.

­

Die Aufstellung von Vorschriften für die betroffenen Personen (Kuratoren und Kuratorinnen, Konservatoren und Konservatorinnen, Sammler und Sammlerinnen, Antiquitätenhändler und -händlerinnen usw.), entsprechend den ethischen Grundsätzen des Übereinkommens und die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften, «in der in jedem Land geeigneten Weise» (Art. 5 Bst. e).

­

Die Einführung einer Bescheinigung, die für Kulturgüter, deren Ausfuhr geregelt ist, die Rechtmässigkeit der Ausfuhr bestätigt (Art. 6 Bst. a­b). Weiter müssen Ausfuhrverbote auf geeignete Weise veröffentlicht werden (Art. 6 Bst. c). Die Kantone sind für die Bescheinigung der Ausfuhr und die Veröffentlichung von Ausfuhrverboten für Kulturgüter auf ihrem Kantonsgebiet zuständig.

­

Das Ergreifen von Massnahmen, um Museen und ähnliche Einrichtungen am Erwerb von Kulturgut zu hindern, das aus einem anderen Vertragsstaat stammt und nach Inkrafttreten des Übereinkommens widerrechtlich aus dem betreffenden Staat ausgeführt wurde (Art. 7 Bst. a Satz 1). Es liegt in der Kompetenz der Kantone, diese Massnahmen für ihre eigenen Institutionen sowie für solche, die sich auf ihrem Kantonsgebiet befinden, vorzusehen.

­

Die Mitteilung an einen Vertragsstaat, wenn Kulturgut, das nach Inkrafttreten des Übereinkommens widerrechtlich aus ihm entfernt wurde, auftaucht (Art. 7 Bst. a Satz 2). Die Mitteilung kann in Zusammenarbeit der Behörden

61

570

Vgl. Internationaler Kulturgütertransfer: UNESCO-Konvention 1970 und UnidroitKonvention 1995. Bericht der Arbeitsgruppe. Bern 1998, S. 49; Jean-François Aubert, in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione.

Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Bern 1998, S. 17 f., 19, 33, 35.

des Bundes und der Kantone im Rahmen der Rechts- und Amtshilfe erfolgen.

­

Bildungsmassnahmen zu Wert und Bedeutung von Kulturgütern gemäss Artikel 5 Buchstabe f und 10 Buchstabe b. Diese Aufgabe kann von den bestehenden Bildungs- und Kulturinstitutionen auf Stufe der Kantone übernommen werden.

2.2

Der Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG)

2.2.1

Gliederung

Der Gesetzesentwurf enthält 33 Artikel und ist in elf Abschnitte gegliedert. Der erste Abschnitt umfasst die allgemeinen Bestimmungen, namentlich zu Gegenstand und Zweck des Gesetzes sowie zur Begriffsdefinition. Der zweite Abschnitt regelt den Inhalt und die Wirkung der Kulturgüterverzeichnisse. Der dritte Abschnitt gilt der Ein- und Ausfuhr von Kulturgut (Einfuhr, Ausfuhr und Rückführung). Der vierte Abschnitt behandelt die Rückgabegarantie für Leihgaben aus dem Ausland. Im fünften Abschnitt sind die Finanzhilfen zu Gunsten der Bewahrung des Kulturerbes festgelegt. Der sechste Abschnitt enthält Bestimmungen zur Übertragung von Kulturgut für die Institutionen des Bundes, den Kunsthandel und das Auktionswesen.

Der siebte Abschnitt nennt die im Gesetz genannten Behörden. Der achte Abschnitt regelt die Zusammenarbeit der Behörden im Rahmen der Amts- und Rechtshilfe.

Der neunte Abschnitt enthält die Strafbestimmungen; der zehnte Abschnitt die Bestimmungen zu Rechts- und Datenschutz. Im elften Abschnitt sind die Schlussbestimmungen aufgelistet, darunter die Änderungen bestehender Erlasse. Sie betreffen das Zivilgesetzbuch, das Obligationenrecht, das Natur- und Heimatschutzgesetz sowie das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht.

2.2.2

Titel und Ingress

Der Titel des Gesetzes weist klar auf die Zielsetzung hin, nämlich die Regelung des internationalen Kulturgütertransfers. Das Gesetz bildet die Schnittstelle zwischen der UNESCO-Konvention 1970 und dem internen Recht.

Der Ingress nennt mit den Artikeln 69 Absatz 2 und 95 Absatz 1 BV die zentralen verfassungsrechtlichen Grundlagen, auf die sich das Gesetz abstützt. Auf die Frage der Verfassungsmässigkeit wird unter Ziffer 6.1 eingegangen.

2.2.3

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (Art. 1­2 KGTG)

Im 1. Abschnitt werden in Artikel 1 der Gegenstand und Zweck des Gesetzes und in Artikel 2 die Begriffe umschrieben.

571

Gegenstand und Zweck (Art. 1 KGTG) Gegenstand des Kulturgütertransfergesetzes ist gemäss seinem Zweckartikel die Einfuhr, Durchfuhr, Ausfuhr und Rückführung von Kulturgut (Art. 1 Abs. 1). Der Bund will mit dem Gesetz einen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes der Menschheit leisten und Diebstahl, Plünderung sowie illegale Ein- und Ausfuhr von Kulturgut verhindern (Art. 1 Abs. 2).

Wie die UNESCO-Konvention 1970 geht das Gesetz von der grundlegenden Annahme aus, dass die rechtswidrige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine der Hauptursachen für die Verarmung der Ursprungsländer an ihrem kulturellen Erbe ist (Ingress und Art. 2 Konvention) und nur durch internationale Zusammenarbeit wirksam bekämpft werden kann. Die vom Gesetz vorgesehenen Massnahmen zur Bekämpfung des illegalen Kulturgütertransfers dienen sowohl zum Schutz des kulturellen Erbes anderer Staaten (namentlich die Art. 7­9, 14, 20 und 32 KGTG) als auch einem besseren Schutz des kulturellen Erbes der Schweiz (namentlich die Art. 3­7, 20 und 32 KGTG). Daneben sieht das Gesetz Massnahmen vor, die den legalen internationalen Kulturgüteraustausch zwischen Museen fördern (Art. 10­13 KGTG).

Begriffe (Art. 2 KGTG) Die Definition des Begriffs Kulturgut in Artikel 2 Absatz 1 übernimmt den ersten Teil der Umschreibung von Artikel 1 der UNESCO-Konvention 1970 und verweist des Weiteren auf die im zweiten Teil aufgelisteten Objektkategorien.62 Es sind dies: seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie, Anatomie und Paläontologie; die Geschichte betreffendes Gut; archäologische Fundstücke; Teile von Denkmälern oder Grabungsstätten; Antiquitäten, die älter als hundert Jahre sind; Gegenstände aus dem Gebiet der Ethnologie; Gut von künstlerischem Interesse; seltene Manuskripte, Inkunabeln, Bücher und Dokumente; Brief- und Steuermarken; Archivmaterial; Möbelstücke, die älter als hundert Jahre sind, und Musikinstrumente. In einigen Stellungnahmen zur Vernehmlassung wurde die Breite dieser Objektkategorien als «uferlos» kritisiert. Sie erklärt sich aber aus der Tatsache, dass die Konvention weltweit Kulturgüter aus den verschiedensten Kulturkreisen schützen soll und es letztlich keine Frage des Materials, der Form oder Kategorie sein darf, die über den Kulturgut-Charakter eines Objektes entscheidet.

Wichtig ist,
welche Funktion und Bedeutung das Objekt für eine Gemeinschaft und ihre kulturelle Identität besitzt. Auch ein gewöhnlicher Stein kann im Ausnahmefall diese Bedeutung erhalten, denkt man beispielsweise an den Unspunnen-Stein oder den schwarzen Stein von Mekka.

Neben der Zugehörigkeit zu einer der genannten Kategorien muss das Objekt aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft bedeutungsvoll sein. Die Frage, welche Kultur62

572

Die Methode der Verweisung auf Artikel 1 der UNESCO-Konvention 1970 entspricht der US-Regelung, welche gemäss Sec. 302 (6) Cultural Property Implementation Act (CPIA) of 12 January 1983, Public Law No. 97-446, 19 USC. sections 2601-2613 als Kulturgüter alle Objekte versteht, die in Art. 1 Bst. a­k der UNESCO-Konvention 1970 beschrieben sind, unabhängig davon, ob ein solches Objekt ausdrücklich durch einen Staat als solches bezeichnet wurde oder nicht.

güter in welchem Zusammenhang als bedeutungsvoll gelten, ist dem stetigen Wandel der Auffassungen unterworfen. Sie kann nur unter Berücksichtigung der Gemeinschaft, zu deren Kulturerbe sie zählt, und des gegebenen Kontextes beurteilt werden. Zu dieser Beurteilung wird auch der aktuelle Stand der Fachdiskussion in den genannten Wissenschaften beitragen.

Artikel 2 Absatz 2 KGTG definiert den Begriff des Kulturguts im engeren Sinn.

Hierbei geht es um diejenigen Objektkategorien, die für die kulturelle Identität einer Gemeinschaft in der Regel herausragende Bedeutung haben und die in vielen Ländern in besonderem Mass von Diebstahl und illegalem Export betroffen sind. Es sind dies: ­

Objekte der Archäologie und Paläontologie, also die im oder über dem Boden gelegenen Überreste alter Kulturen wie Siedlungsreste, Grabbeigaben, Mosaiken, Wandmalereien usw., sowie die Fossilien;

­

Bestandteile von Denkmälern, sakralen oder profanen Bauwerken und archäologischen Stätten, also beispielsweise der Bilder- und Skulpturenschmuck von Tempeln, Kirchen, oder anderen historischen Gebäuden;

­

Objekte von ethnologischer oder kultischer Bedeutung oder sakrale Güter.

Gemeint sind Objekte, die, namentlich im Zusammenhang mit religiösen oder profanen Riten, zum kulturellen Leben einer Gemeinschaft gehören. Zu denken ist hier beispielsweise an Masken, Fetische, rituelle Geräte, sakrale Figuren und Bilder usw. Nicht zu dieser Kategorie zählen Objekte, die für den Kunstmarkt produziert oder die aus ihrem ehemals sakralen Status entlassen wurden und in den Kunstmarkt eingingen. Ein Beispiel hierfür ist die im Kunsthandel zirkulierende europäische religiöse Malerei und Skulptur, insofern sie ihre ursprünglich vorhandene Funktion innerhalb der Religionsausübung verloren hat;

­

Archivgut auf allen Trägern, also auch Ton- und Bildarchive oder auf elektronischen Medien gespeicherte Informationen, die historisch oder kulturell bedeutend sind.63 Darunter fallen namentlich Urkunden und andere Schriftstücke, Handschriften und seltene Publikationen, Bild- und Tonmaterialien, die von öffentlichen oder religiösen Institutionen archiviert werden, also Archivalien, die das «historische Gedächtnis» einer Gesellschaft ausmachen.

Nicht darunter fallen beispielsweise private Archive oder Firmenarchive, die keine wesentliche historische oder kulturelle Bedeutung für die Gemeinschaft haben.

Diese Kategorien entsprechen im Wesentlichen den Bestimmungen von Artikel 1 Buchstaben c, d, f und j der UNESCO-Konvention 1970. Sie decken sich auch weitgehend mit den Kategorien A 1 (archäologische Gegenstände), A 2 (Bestandteile von Kunst- und Baudenkmälern oder religiösen Denkmälern) und A 11 (Archive) im Anhang der EG-Richtlinie 93/7 und der EG-Verordnung Nr. 3911/32. Diese Objektkategorien unterstehen auch in der EU einer besonderen Behandlung, indem sie unabhängig von ihrem monetären Wert geschützt werden können. Die Tatsache, 63

«Archivgut» im Sinne dieses Gesetzes entspricht nicht der Definition von «Archivgut» in Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1998 über die Archivierung (Archivierungsgesetz, BGA), SR 152.1, die sich auf Unterlagen bezieht, die bei der Erüllung öffentlicher Aufgaben des Bundes empfangen oder erstellt worden sind, sowie die notwendigen Hilfsmittel und ergänzenden Daten.

573

dass Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c KGTG ausserdem die kultischen respektive sakralen Gegenstände zu den Kulturgütern im engeren Sinn zählt, entspringt der Auffassung, dass gerade Objekten, die eine Funktion innerhalb einer religiösen Praxis besitzen, eine herausragende Bedeutung für die kulturelle Identität zukommt.

Das Verhältnis der beiden Kulturgutbegriffe zu den Bestimmungen des Kulturgütertransfergesetzes lässt sich wie folgt darstellen. Der Begriff Kulturgut im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 KGTG (bzw. Art. 1 UNESCO-Konvention 1970) wird in folgenden Bestimmungen wirksam: ­

Wenn im Eigentum des Bundes und von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe: ­ Eintragung im Bundesverzeichnis (Art. 3 Abs. 1) ­ Unveräusserlichkeit und Verbot der definitiven Ausfuhr (Art. 3 Abs. 2) ­ Rückführungsanspruch bei illegaler Ausfuhr (Art. 6 Abs. 1) ­ Grenzkontrolle (Art. 20)

­

Wenn von kantonaler Ausfuhrregelung erfasst und mit der Datenbank des Bundes verbunden (Art. 4): ­ Rückführungsanspruch bei illegaler Ausfuhr (Art. 6 Abs. 2) ­ Grenzkontrolle (Art. 20)

­

Wenn Teil des kulturellen Erbes eines Staates, das auf Grund einer Krisensituation gefährdet ist: ­ Zeitlich befristete Regelung der Einfuhr in die Schweiz oder der Ausfuhr (Art. 8 Abs. 1 Bst. a) ­ Teilnahme an internationalen Aktionen zu seinem Schutz (Art. 8 Abs. 1 Bst. b)

­

Rückgabegarantie für Leihgaben aus dem Ausland an Schweizer Ausstellungen (Art. 10­13)

­

Finanzhilfen für Projekte zur Erhaltung des kulturellen Erbes (Art. 14)

­

Erwerbsverbot für Bundesinstitutionen, wenn gestohlen, illegal ausgegraben oder rechtswidrig ausgeführt (Art. 15)

­

Verbot der Übertragung im Kunsthandel und Auktionswesen, wenn Verdacht, dass gestohlen oder illegal eingeführt (Art. 16)

­

Fristen für Ersitzung und Rückgabe: 30 Jahre (Art. 32)

Der Begriff Kulturgut im engeren Sinn gemäss Artikel 2 Absatz 2 KGTG, der einen spezifischen Teilbereich des Kulturguts bezeichnet, kommt in folgenden Bestimmungen zur Anwendung: ­

Staatsverträge mit Vertragsstaaten der UNESCO-Konvention 1970 über die Einfuhr und Rückführung, falls Teil des kulturellen Erbes (Art. 7)

­

Aufzeichnungspflicht für Kunsthandel und Auktionswesen (Art. 17)

Der Begriff des kulturellen Erbes in Artikel 2 Absatz 3 verweist auf Artikel 4 der UNESCO-Konvention 1970. Er zielt auf die spezielle Bedeutung, die ein Kulturgut für die Kultur des betreffenden Landes hat. Sie ist insbesondere dann gegeben, wenn das Kulturgut von Angehörigen oder Ansässigen des Landes geschaffen oder wenn 574

es im Staatsgebiet gefunden wurde.64 Der Begriff des kulturellen Erbes kommt bei den Bestimmungen zur Kontrolle der Aus- und Einfuhr (Art. 3, 7 und 8 KGTG), bei den Finanzhilfen (Art. 14 KGTG) und den Erwerbsregeln für Institutionen des Bundes (Art. 15 KGTG) zur Anwendung.

Artikel 2 Absatz 4 schliesslich definiert als Vertragsstaaten diejenigen Staaten, welche die UNESCO-Konvention 1970 ratifiziert haben; Absatz 5 benennt die in Artikel 19 KGTG bezeichnete Stelle als Fachstelle. Absatz 6 definiert den Begriff rechtswidrige Einfuhr als eine Einfuhr, die eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 7 oder eine Massnahme im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a verletzt. Er findet sich in Artikel 9 Absatz 1, Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b, Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b, Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c.

2.2.4

2. Abschnitt: Kulturgüterverzeichnisse (Art. 3 und 4 KGTG)

Der 2. Abschnitt handelt vom Bundesverzeichnis, seiner Wirkung und der Möglichkeit, allfällige kantonale Verzeichnisse mit der Datenbank des Bundes zu verknüpfen. Mit ihm werden folgende Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970 konkretisiert: ­

Art. 5 Bst. b:

Führung eines nationalen Inventars des zu schützenden Gutes, dessen Ausfuhr für den Staat einen merklichen Verlust an seinem kulturellen Erbe darstellen würde (allgemeine Verpflichtung: «in der in jedem Land geeigneten Weise»);

­

Art. 13 Bst. d:

Anerkennung des Rechts eines Vertragsstaats, gewisse Kulturgüter als unveräusserlich zu erklären und deren Ausfuhr zu verbieten (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung»)

Bundesverzeichnis (Art. 3 KGTG) Kulturgüter im Eigentum des Bundes, die von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe der Schweiz sind, werden im Bundesverzeichnis eingetragen (Art. 3 Abs. 1). Die Eintragung bewirkt, dass diese Kulturgüter weder ersessen noch gutgläubig erworben werden können, dass der Herausgabeanspruch nicht verjährt und ihre definitive Ausfuhr aus der Schweiz verboten ist (Abs. 2). Dies ist ein probates Mittel, um sich vor dem Verlust von Kulturgütern, die für die Gemeinschaft wichtig sind, abzusichern. In das Bundesverzeichnis aufgenommen werden einzig Kulturgüter, die sich im Eigentum des Bundes befinden. So bleibt die verfassungsmässige Kompetenz der Kantone zur Regelung der Ausfuhr von Kulturgütern gewahrt. Allerdings soll den Kantonen die Möglichkeit geboten werden, eigene Verzeichnisse mit der Datenbank des Bundes zu verbinden (vgl. Ausführungen zu Art. 4 KGTG).

Kulturgut kann auch wieder aus dem Bundesverzeichnis gestrichen werden, wenn es seine Bedeutung für das kulturelle Erbe eingebüsst hat (Art. 3 Abs. 3 Bst. a). Dies 64

Vgl. dazu auch vorne Ziffer 2.1.4.

575

kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn neue Erkenntnisse zu einer Neubeurteilung des Kulturgutes führen, sich zum Beispiel herausstellt, dass es sich bei dem Objekt um eine Fälschung handelt, oder wenn mehrere gleichartige Kulturgüter auftauchen und es dadurch seinen singulären Wert einbüsst. Weiter können die Zusammenführung zu Gunsten eines Ensembles für eine Streichung sprechen (Bst. b).

So ist es denkbar, dass die Absicht, ein Kulturgut wieder in seinen ursprünglichen Kontext zu integrieren ­ einen Kirchenraum, eine Sammlung o.ä. ­ für eine Veräusserung des Objektes spricht. Schliesslich kann es auch aus dem Verzeichnis gestrichen werden, wenn der Bund sein Eigentum verliert oder darauf verzichtet (Bst. c).

Zu denken ist an Objekte, an denen ein Dritter sein besseres Recht geltend macht, indem er beispielsweise belegt, dass ihm das Kulturgut gestohlen wurde, oder an Objekte, deren Herkunft sich im Nachhinein als ethisch bedenklich herausstellt, wie dies zum Beispiel auf die Raubkunst aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zutrifft.

Das Bundesverzeichnis wird von der Fachstelle in Form einer elektronischen Datenbank veröffentlicht (Art. 3 Abs. 4). Die Datenbank steht den Zollorganen bei der Kontrolle der Ausfuhr zur Verfügung. Die Publikation der Kulturgüter wird ausserdem einen gültigen Eigentumserwerb an dem Objekt nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland praktisch verunmöglichen. Ist ein Objekt aus dem Bundesverzeichnis einmal illegal ausser Landes gebracht worden, kann gegenüber einem Vertragsstaat mit Verweis auf das verzeichnete Ausfuhrverbot eine Rückführung des Objektes beantragt werden. Die Massnahmen bewirken also insgesamt einen besseren Schutz vor einem endgültigen Verlust dieser Objekte durch Diebstahl und illegale Ausfuhr.

Verzeichnisse der Kantone (Art. 4 KGTG) Es liegt in der verfassungsmässigen Kompetenz der Kantone, selbst zu bestimmen, wie sie das kulturelle Erbe auf ihrem Gebiet schützen. Im Zusammenhang mit der Kompetenz des Bundes in Fragen des Kulturgütertransfers führt die Botschaft zur Bundesverfassung aus, dass dem Bund die Regelung der Einfuhr und Rückgabe von Kulturgütern sowie die Regelung der Ausfuhr von Kulturgütern von gesamtschweizerischer Bedeutung obliegt.65 Diese Bundeskompetenz lässt die parallele Kompetenz der Kantone zur Ausgestaltung des
Schutzes von kulturellem Erbe auf dem jeweiligen Kantonsgebiet unberührt. Die Kantone werden in ihrer Kompetenz, frei zu entscheiden, ob und wie sie die Ausfuhr von Kulturgütern aus ihrem Kantonsgebiet regeln wollen, nicht eingeschränkt.66 Mehrere Kantone kennen bereits heute solche Ausfuhrregelungen.67 Die Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 bietet die Möglichkeit, ihnen auch im internationalen Verkehr eine bessere Wirksamkeit zu verschaffen: Artikel 4 KGTG sieht vor, dass die Kantone eigene Verzeichnisse des für das kulturelle Erbe bedeutenden Kulturguts, dessen Ausfuhr sie verboten haben, mit der Datenbank des Bundes verbinden können. Die Kantone bestimmen selbst über den konkreten Inhalt ihrer jeweiligen Verzeichnisse. Das Verzeichnis ermöglicht eine Kontrolle bei der Ausfuhr an der Grenze (vgl. Art. 20 KGTG). Es ist auch die Grundlage dafür, dass der Bundesrat auf Antrag eines Kantons gegenüber einem Vertragsstaat die sofortige Rückführung eines illegal ausgeführten Kulturgutes ver65 66 67

576

BBl 1997 I 286 Zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen vgl. Ziffer 1.3.1; zur Verfassungsmässigkeit allgemein vgl. Ziffer 6.

Vgl. die Ausführungen in Ziffer 1.3.2.

langen kann (Art. 6 Abs. 2 KGTG). Namentlich dort, wo bewegliches Kulturgut an öffentlich zugänglichen Orten wie beispielsweise Kirchen weniger gut gesichert werden kann, bedeutet die Massnahme einen zusätzlichen Schutz.

In der Vernehmlassung wurde von mehreren Seiten gefordert, Kulturgüter im Privatbesitz nicht in die kantonalen Verzeichnisse einzutragen. Da diese Frage aber vollständig in der Entscheidungskompetenz der Kantone liegt, kann das Kulturgütertransfergesetz hierzu keine Regelung vorsehen. Es ist indes zu erwähnen, dass ein absolutes Ausfuhrverbot für ein Kulturgut in privatem Eigentum gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung den Eigentümer in seinen wesentlichen Befugnissen beträchtlich einschränkt: Es stellt eine materielle Enteignung dar, für die eine volle Entschädigung zu leisten ist.68 Es ist deshalb davon auszugehen, dass Kantone nur sehr eingeschränkt Kulturgüter in privatem Eigentum unter ein absolutes Ausfuhrverbot stellen, da sie sonst entschädigungspflichtig werden. Neuere kantonale Gesetze, wie beispielsweise das Denkmalpflegegesetz des Kantons Bern vom 8. September 1999, sehen eine Unterschutzstellung von Kulturgütern in privatem Eigentum ausschliesslich über einen schriftlichen Vertrag zwischen Kanton und Eigentümer vor.69 Im Vertrag werden Umfang des Schutzes und die Wirkung der Unterschutzstellung festgelegt, also auch eine allfällige Eintragung des Kulturguts in das kantonale Verzeichnis.

2.2.5

3. Abschnitt: Ein- und Ausfuhr (Art. 5­9 KGTG)

Der 3. Abschnitt behandelt die Ausfuhr und Einfuhr von Kulturgut. Mit den Artikeln 5 bis 9 KGTG werden folgende Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970 konkretisiert:

68 69

­

Art. 2 Abs. 2:

Bekämpfung der rechtswidrigen Ein- und Ausfuhr von Kulturgut (allgemeine Verpflichtung: «mit den ihnen [den Vertragsstaaten] zur Verfügung stehenden Mitteln»);

­

Art. 6 Bst. a und b: Einführung einer Bescheinigung, die für Kulturgüter, deren Ausfuhr geregelt ist, die Rechtmässigkeit der Ausfuhr bestätigt (spezifische Verpflichtung);

­

Art. 9:

Zusammenarbeit mit Vertragsstaaten, deren kulturelles Erbe durch archäologische oder ethnologische Ausbeutung gefährdet ist (spezifische Verpflichtung);

­

Art. 13 Bst. b:

Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen der Vertragsstaaten, um die Rückgabe an die rechtmässigen Eigentümer eines unzulässig ausgeführten Kulturgutes zu erleichtern (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung»).

BGE 113 Ia 368; Pra 78/199, S. 522 ff. (Balli-Entscheidung).

Art. 20 Gesetz über die Denkmalpflege (Denkmalpflegegesetz, DPG), vom 8. September 1999, BSG 426.41.

577

Ausfuhrbewilligung für Kulturgut im Bundesverzeichnis (Art. 5 KGTG) Der kulturelle und wissenschaftliche Austausch als zentrales Anliegen der schweizerischen Kulturpolitik soll durch den Eintrag eines Kulturgutes in das Bundesverzeichnis nicht behindert werden. Deshalb ist die vorübergehende Ausfuhr von im Bundesverzeichnis erfassten Kulturgütern, namentlich zu Zwecken der Forschung, Konservierung Ausstellung, oder aus ähnlichen Gründen mit einer Bewilligung der Fachstelle möglich (Art. 5 Abs. 1).

Rückführungsansprüche der Schweiz (Art. 6 KGTG) Wurde im Bundesverzeichnis eingetragenes Kulturgut rechtswidrig, d.h. ohne entsprechende Bewilligung, aus der Schweiz ausgeführt, macht der Bundesrat gegenüber anderen Vertragsstaaten einen Rückführungsanspruch geltend, wobei anfallende Entschädigungen und Kosten zu Lasten des Bundes gehen (Art. 6 Abs. 1). Auf Antrag eines Kantons macht der Bundesrat auch Rückführungsansprüche auf Kulturgut aus einem kantonalen Verzeichnis gegenüber einem Vertragsstaat geltend, wenn dieses widerrechtlich ausgeführt wurde (Art. 6 Abs. 2). Anfallende Entschädigungen und Kosten gehen dann zu Lasten des ersuchenden Kantons.

Der Rückführungsanspruch kann je nach Staat sowohl auf dem Gesuchsweg (diplomatisches Verfahren, Verfahren der Rechtsdurchsetzungshilfe) als auch auf dem ordentlichen Klageweg geltend gemacht werden. Die mit der Rückführung anfallenden Kosten für den Bund oder den ersuchenden Kanton kommen einem Schaden aus unerlaubter Handlung im Sinne von Artikel 41 ff. Schweizerisches Obligationenrecht (OR)70 gleich. Folgerichtig finden die Artikel 41 ff. OR auch Anwendung auf die durch Rückführung nach Artikel 6 KGTG entstandenen Kosten. Der Verursacher des Schadens ist zum Ersatz verpflichtet, sofern der Beanspruchende den Schaden zu beweisen vermag (Art. 41 OR und Art. 42 OR).

Die Möglichkeit, bei einem Vertragsstaat die Rückführung von Kulturgut zu beantragen, das zum kulturellen Erbe der Schweiz gehört und widerrechtlich ausgeführt wurde, entspricht spiegelbildlich dem in Artikel 9 KGTG eingeräumten Recht zur Klage auf Rückführung von Kulturgut, das widerrechtlich in die Schweiz eingeführt wurde.

Vereinbarungen (Art. 7 KGTG) Das Gesetz regelt die Einfuhr von Kulturgütern nicht direkt. Allfällige Einfuhrbestimmungen werden staatsvertraglich im Rahmen der Voraussetzungen
von Artikel 7 vereinbart: Der Bundesrat kann zur Wahrung kultur- und aussenpolitischer Interessen und zur Sicherung des kulturellen Erbes mit Vertragsstaaten Vereinbarungen abschliessen über die Einfuhr und die Rückführung von Kulturgut. Nach Absatz 2 kann der Bundesrat solche Vereinbarungen abschliessen, wenn die in den Buchstaben a­d aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind: Es muss sich um Kulturgut im engeren Sinn nach Artikel 2 Absatz 2 KGTG handeln, d.h. um Kulturgut aus den besonders sensiblen Bereichen Archäologie, Ethnologie, Religion und Archivwesen; es muss zum kulturellen Erbe des jeweiligen Vertragsstaates im Sinne von Artikel 4 UNESCO-Konvention 1970 gehören; die Ausfuhr muss im jeweiligen Vertragsstaat Ausfuhrbestimmungen unterliegen, die den Schutz des kulturellen Er70

578

SR 220

bes bezwecken, also nicht fiskalisch motivierten Ausfuhrregelungen, und der Vertragsstaat muss der Schweiz Gegenrecht gewähren.

Die Einfuhrregelungen werden nicht bereits mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wirksam, sondern erst nach dem Abschluss der Staatsverträge mit den entsprechenden Schweizer Vertragspartnern. Die Schweiz hat bereits Anfragen von einigen Staaten erhalten, welche mit ihr bilaterale Abkommen schliessen möchten (Peru, Ecuador). Es ist vorgesehen, prioritär mit Staaten des Mittelmeerraums (beispielsweise Griechenland, Türkei, Ägypten), Südamerikas, Afrikas (beispielsweise Burkina Faso und Mali) und Asiens (beispielsweise Kambodscha) solche Vereinbarungen zu treffen.

Als Vorbild für solche Staatsverträge können die bilateralen Verträge dienen, welche die USA seit den Achtzigerjahren mit anderen Vertragsstaaten der UNESCOKonvention 1970 abschliessen. Darin werden die Kulturgüter, deren Einfuhr nur mit einer Ausfuhrbewilligung des Ursprungslandes erlaubt ist, in verschiedenen Kategorien erfasst und beschrieben, unter Bezeichnung des Typus, der Herkunftsregion, des Materials, der Entstehungszeit und weiterer Kennzeichen, die für eine Identifizierung der betreffenden Kulturgüter notwendig sind.71 Als Hilfestellung für Private und Handel stellt das verantwortliche United States Department of State über Internet Bilddatenbanken zur Verfügung, in denen die einzelnen Objektkategorien durch eine Reihe von Bildbeispielen erläutert sind.72 In der Vernehmlassung stiess der Vorschlag, die Einfuhrregelung auf den Bereich der Kulturgüter im engeren Sinn einzugrenzen und über bilaterale Staatsverträge zu regeln, auf breite Zustimmung. Ein Teil der Antwortenden hätte allerdings eine Orientierung an der kanadischen Umsetzung der Konvention vorgezogen; dort wird jede illegale Ausfuhr eines Kulturgutes aus einem Vertragsstaat automatisch zur illegalen Einfuhr erklärt. Diese Regelung geht letztlich allerdings weiter als die Unidroit-Konvention, indem sie keine weitere Einschränkung des Bereiches der illegalen Einfuhr vorsieht. Ausserdem ist bei einer einseitigen Anerkennung von Ausfuhrverboten die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet.73 Weiter wurde in einigen Stellungnahmen angeregt, die Einfuhrregelungen sollten sich auf «herausragende Kunstwerke» beschränken. Eine solche Einschränkung hätte aber
eine wesentliche Umorientierung des Gesetzes zur Folge. Im Brennpunkt der vorgeschlagenen Massnahmen liegen Objekte, die von wesentlicher kultureller Bedeutung für eine Gemeinschaft sind, also auch archäologische Fundstücke oder rituelle und sakrale Objekte, die möglicherweise auf dem internationalen Kunstmarkt einen nur geringen Handelswert besitzen. Der «Kunstwert», der stark vom ästhetischen Urteil abhängt, deckt sich nicht immer mit dieser kulturellen Bedeutung. Er sollte deshalb kein Kriterium für den Massnahmenkatalog des Kulturgütertransfergesetzes bilden, das gerade im Interesse eines möglichst ungehinderten internationalen Kunstaustausches herausragende Kunstwerke wie die traditionelle westliche Ausstellungskunst in

71

72 73

Als Beispiel vgl. den jüngsten Staatsvertrag zwischen den USA und Italien: Agreement between the Government of the United States of America and the Government of the Republic of Italy Concerning the Imposition of Import Restrictions on Categories of Archaeological Material Representing the Pre-Classical, Classical and Imperial Roman Periods of Italy, January 19, 2001. Publiziert im Internet unter .

http://exchanges.state.gov/education/culprop/database.html.

Vgl. Ziffer 3.3.4.

579

Malerei und Plastik nicht zu den Kulturgütern im engeren Sinn zählt, sie also keiner Einfuhrbeschränkung unterstellt.

In der Vernehmlassung wurde weiter die Frage aufgeworfen, ob der Bundesrat die Kompetenz zum Abschluss solcher Verträge habe. Artikel 166 Absatz 2 BV bestimmt, dass die Bundesversammlung die völkerrechtlichen Verträge genehmigt.

Von der Genehmigung durch die Bundesversammlung sind jedoch diejenigen völkerrechtlichen Verträge ausgenommen, für deren Abschluss auf Grund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 166 Abs. 2 BV, 2.

Teilsatz). Diese Ausnahme von der parlamentarischen Genehmigung völkerrechtlicher Verträge wird zudem im Bundesgesetz vom 23. März 196274 über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (Geschäftsverkehrsgesetz, GVG) konkretisiert: Artikel 47bisb Absatz 2 GVG legt fest, dass der Bundesrat völkerrechtliche Verträge selbstständig abschliessen kann, soweit er durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist.

Als Gesetz im formellen Sinn erteilt Artikel 7 Absatz 1 KGTG dem Bundesrat eben diese Kompetenz zum selbstständigen Abschluss von Staatsverträgen mit den Vertragsstaaten. Die Abschlusskompetenz des Bundesrates ist inhaltlich dadurch gerechtfertigt, dass es sich bei solchen Vereinbarungen einerseits um eine technische Materie handelt, anderseits das Gesetz in Artikel 7 Absatz 2 klare Bedingungen für den Abschluss solcher Vereinbarungen aufstellt und ihre Tragweite definiert.

Befristete Massnahmen (Art. 8 KGTG) Um das kulturelle Erbe eines Staats, das wegen ausserordentlicher Ereignisse gefährdet ist, vor Schaden zu bewahren, kann der Bundesrat die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Kulturgut an Bedingungen knüpfen, einschränken oder verbieten (Art. 8 Abs. 1 Bst. a KGTG), oder er kann sich an gemeinsamen internationalen Aktionen im Sinne von Artikel 9 der UNESCO-Konvention 1970 beteiligen (Bst. b).

Die Bestimmung ermöglicht es der Schweiz, in ausserordentlichen Situationen mit zeitlich befristeten Massnahmen rasch zu reagieren. Die Regelung schützt alle Staaten, unabhängig davon, ob sie Vertragspartei der Konvention sind oder nicht. Sie soll vor allem in Fällen zur Anwendung kommen,
in denen auf Grund ausserordentlicher Umstände der Abschluss von bilateralen Vereinbarungen nicht möglich ist oder zu viel Zeit beanspruchen würde. Dies kann namentlich bei bewaffneten Konflikten, Bürgerkriegen oder Naturkatastrophen der Fall sein.

Welche Regelung angebracht ist, wird der Bundesrat je nach Einzelfall zu entscheiden haben; insbesondere wird auch eine Kombination mit der Gewährung von Finanzhilfen für eine treuhänderische Aufbewahrung oder für Projekte zur Erhaltung der Kulturgüter im Land selbst nach Artikel 14 KGTG zu prüfen sein. Die Massnahmen nach Artikel 8 KGTG können sofort nach dem Inkrafttreten des Kulturgütertransfergesetzes ergriffen werden. Schliesst die Schweiz in der Folge mit dem betreffenden Staat eine Vereinbarung nach Artikel 7 KGTG ab, werden sie hinfällig.

74

580

SR 171.11

Rückführungsklagen anderer Staaten (Art. 9 KGTG) Bei der Klage auf Rückführung im Sinne von Artikel 9 KGTG geht es um Ansprüche eines Staates, die sich aus einer Vereinbarung gemäss Artikel 7 oder einer befristeten Massnahme nach Artikel 8 KGTG ergeben. Neben dieser Klage können Staaten weiterhin die ihnen üblicherweise zur Wiedererlangung von beweglichen Gütern zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe, wie beispielsweise die rei vindicatio, geltend machen.

Die Klage richtet sich gegen jede Person, die das Kulturgut besitzt (Abs. 1).

Bestehen über die Rechtmässigkeit des Rückführungsanspruches Zweifel, weil beispielsweise aus der Art und spezifischen Erscheinung des Kulturgutes nicht klar abgeleitet werden kann, dass es sich um kulturelles Erbe des klagenden Staates handelt, wird es am klagenden Staat liegen, die Zugehörigkeit des Objektes zu seinem kulturellen Erbe vor Gericht zu beweisen.

Das Gericht kann den Vollzug der Rückführung so lange aussetzen, bis das Kulturgut bei seiner Rückführung nicht mehr gefährdet ist (Art. 9 Abs. 2 KGTG). Dies trifft beispielsweise dann zu, wenn begründete Annahme dafür besteht, dass ein Kulturgut nach der Rückführung entgegen seiner traditionellen Bestimmung beschädigt, zerstört oder wieder in den illegalen Markt eingeschleust wird. Dies kann namentlich der Fall sein, wenn eine Region auf Grund eines Krieges, einer Okkupation, eines Bürgerkrieges oder einer Naturkatastrophe eine Phase der Instabilität durchläuft.

Die Kosten für die Rückführung, Sicherung und Erhaltung des Kulturguts trägt der klagende Staat (Abs. 3). Im Übrigen richten sich ­ gestützt auf die Bestimmungen über die Kompetenzverteilung in Zivilsachen nach Artikel 122 Absatz 2 BV ­ die Organisation der Gerichte und die Rechtsprechung in Zivilsachen nach kantonalem Recht.

Absatz 4 nennt die Fristen, während derer eine Rückführung möglich ist: Die Rückführungsklage des Staats verjährt ein Jahr nach dem Zeitpunkt, an dem seine Behörden Kenntnis erlangt haben, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem das Kulturgut rechtswidrig aus dem ersuchenden Staat ausgeführt worden ist. Dies entspricht den Fristen in Artikel 7 Absatz 1 EG-Richtlinie 93/7. Es wurde geprüft, ob analog Artikel 7 Absatz 1 EG-Richtlinie 93/7 für Kulturgüter aus öffentlichen
Sammlungen und kirchliche Güter, die nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegen, eine Frist von 75 Jahren oder Unverjährbarkeit gelten soll. Eine solche Frist würde einen verstärkten Schutz für Kulturgüter aus Kirchen (im weitesten Sinn) und öffentlichen Sammlungen bedeuten. Indes würde eine Frist von dieser Dauer die längsten in der Schweiz bekannten Fristen um mehr als das Doppelte übersteigen, was gegenwärtig im Verhältnis als zu lange erscheint. In der Vernehmlassung haben sich die vorgeschlagenen Fristen als guter Mittelwert erwiesen.

Hat jemand das Kulturgut in gutem Glauben erworben, ist die Person vom klagenden Staat angemessen zu entschädigen, wobei sich die Entschädigung am Kaufpreis orientiert (Art. 9 Abs. 5 KGTG). Zum guten Glauben ist anzumerken, dass nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Artikel 3 ZGB sich eine erhöhte Anforderung an die Sorgfaltspflicht generell «auf Geschäftszweige erstreckt, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft in besonderem Masse ausgesetzt

581

sind, und bei denen infolgedessen ein erhöhtes Risiko besteht, dass Waren mit Rechtsmängeln behaftet sind».75 Ein im Antiquitätenhandel nicht ganz Unerfahrener muss auf das erhöhte Risiko einer dunklen Herkunft der Objekte Acht geben und hat deshalb eine erhöhte Sorgfalt walten zu lassen. Für die Prüfung, ob eine Person beim Erwerb mit der notwendigen Sorgfalt gehandelt hat, wird beispielsweise zählen, ob das Vorhandensein einer Ausfuhrbewilligung abgeklärt wurde. Entsprechend Artikel 7 Buchstabe b ii der UNESCO-Konvention 1970 soll die Entschädigung «angemessen» sein. Dabei hat der Entzug der Nutzung des Kulturguts unter Abwägung der öffentlichen Interessen gegen die Interessen der Person zu geschehen, die das Kulturgut zurückgeben muss. Absatz 6 konkretisiert weiter, dass sich eine Entschädigung bei Rückgabe des Kulturgutes am Kaufpreis orientieren wird. Notwendige und nützliche Aufwendungen, wie beispielsweise konservatorische Massnahmen zur Bewahrung und Erhaltung des Kulturguts, sind bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ebenfalls zu berücksichtigen. Diese Regelung orientiert sich am Rückforderungsrecht des Zivilrechts (vgl. Art. 934 Abs. 1 ZGB i. V. m. Art. 939 Abs. 1 ZGB) wie auch an den obligationenrechtlichen Ansprüchen aus Rechts- oder Sachmängelgewährleistung (Art.195 Abs. 1 Ziff. 2 OR und Art. 208 Abs. 2 OR).76 Damit wird im Sinne einer gesetzestechnischen Kohärenz eine Koordination zwischen der Rückführungsregel nach Kulturgütertransfergesetz und der Rückgaberegelung nach Zivilgesetzbuch erreicht.

Der klagende Staat muss für die Entschädigung aufkommen (Art. 9 Abs. 6 KGTG); die Rückführung geschieht Zug um Zug. Das bedeutet, dass die Person, die das Kulturgut herausgeben muss, ein Retentionsrecht hat, bis die Entschädigung bezahlt worden ist.

2.2.6

4. Abschnitt: Rückgabegarantie (Art. 10­13 KGTG)

Im internationalen Leihverkehr zwischen den Museen spielt die Gewährung einer Rückgabegarantie in den letzten Jahren eine zunehmend wichtige Rolle. Viele leihgebende Institutionen, namentlich auch bedeutende Kunstmuseen, verlangen heute, bevor sie Objekte aus ihren Sammlungen zu einer ausländischen Ausstellung schikken, von den autorisierten Behörden des Gastlandes eine Rückgabegarantie, welche die Leihgabe vor Rechtsansprüchen Dritter und entsprechenden Gerichtsverfahren schützt. Anlässlich der Hearings und der Vernehmlassung wünschten mehrere Schweizer Museen die Einführung einer Rückgabegarantie im Kulturgütertransfergesetz, um am internationalen Leihverkehr uneingeschränkt teilhaben zu können.

Zwei Nachbarländer der Schweiz, die EU-Mitgliedstaaten Deutschland77 und Frankreich78, kennen vergleichbare Regelungen. Eine ähnliche Regelung gibt es auch in 75 76 77

78

582

BGE 122 III 1 Vgl. Ziffer 2.2.13.2.

§ 20 Gesetz zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 15.10.1998 (KultSchG ­ BGBl I, 3162).

Nach deutscher Lehre ist diese Bestimmung mit Art. 19 Abs. 4 Deutsches Grundgesetz (Rechtsweggarantie) vom 23.05.1949 vereinbar: B. Pieroth und B. Hartmann: Rechtswegbeschränkungen zur Sicherung des Leihverkehrs mit ausländischen Kulturgütern, in: Neue Juristische Wochenschrift 2000, S. 2129­2224 (2131 ff.).

Artikel 61, Gesetz Nr. 94-679 vom 8.05.1994.

verschiedenen UNESCO-Vertragsstaaten wie beispielsweise den USA79 und Kanada80. Bei der Rückgabegarantie handelt es sich nicht um die Umsetzung einer Konventionsverpflichtung.

Antrag (Art. 10 KGTG) Artikel 10 bestimmt, dass die Fachstelle eine Rückgabegarantie erteilen kann für Kulturgut aus einem Museum oder einer anderen kulturellen Einrichtung eines Vertragsstaates, welches für eine Ausstellung an ein Museum oder eine kulturelle Einrichtung in die Schweiz ausgeliehen wird. Unter Ausstellung sind auch Wanderausstellungen zu verstehen, die durch mehrere Staaten gehen und bei denen das Kulturgut nach Abschluss wieder in den Staat zurückkehrt, aus dem es ursprünglich entliehen wurde. Die Fachstelle kann auf Antrag der leihnehmenden Institution in der Schweiz der leihgebenden Institution eine Rückgabegarantie für die im Leihvertrag vereinbarte Ausstellungsdauer erteilen. Dabei können das Museum oder die kulturelle Einrichtung im Ausland sowohl eine öffentlich-rechtliche wie auch eine private Trägerschaft haben. Für Kulturgüter, die aus Privatsammlungen stammen oder zu anderen, beispielsweise kommerziellen Ausstellungszwecken eingeführt werden, namentlich zu Ausstellungen an Messen, in Galerien, Auktionshäusern oder dergleichen, wird keine Rückgabegarantie erteilt.

Veröffentlichung und Einspracheverfahren (Art. 11 KGTG) Artikel 11 KGTG regelt die Veröffentlichung sowie das Einspracheverfahren im Zusammenhang mit einem Antrag um Rückgabegarantie. Der Antrag wird unter genauer Beschreibung des Kulturguts sowie seiner Herkunft im Bundesblatt veröffentlicht (Art. 11 Abs. 1 KGTG).

Sofern der Antrag die Bedingungen offensichtlich nicht erfüllt, kann die Fachstelle den Antrag ohne vorhergehende Veröffentlichung im Bundesblatt ablehnen (Art. 11 Abs. 2 KGTG). Die Bedingungen sind beispielsweise dann offensichtlich nicht erfüllt, wenn der Antrag den formellen Voraussetzungen nicht genügt oder wenn bekannt ist, dass ein Kulturgut als gegen den Willen des Eigentümers oder der Eigentümerin abhanden gekommen gemeldet ist. Gemäss Artikel 11 Absatz 3 kann gegen den Antrag innert einer Frist von 30 Tagen seit der Veröffentlichung bei der Fachstelle schriftlich Einsprache erhoben werden. Zur Einsprache sind Parteien im Sinne von Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren81
zugelassen. Dabei geht es vor allem um Personen, die einen Eigentumstitel am Kulturgut geltend machen können. Das Einspracheverfahren erlaubt es der Fachstelle, in Kenntnis aller relevanten Elemente über die Rückgabegarantie zu entscheiden. Absatz 4 bestimmt, dass zum weiteren Verfahren nur diejenigen Parteien zugelassen sind, welche bereits Einsprache nach Absatz 3 erhoben haben. Das heisst, die Parteien müssen sich am Einspracheverfahren beteiligen, sonst verlieren sie das Recht auf das Ergreifen von Rechtsmitteln im Zusammenhang mit der Erteilung der Rückgabegarantie. Diese Einschränkung der Parteistellung im Beschwerdeverfahren auf diejenigen Parteien, welche bereits im Einspracheverfahren Partei waren, ist für Entscheidverfahren geeignet, welche Interessen einer unbe79 80 81

1965 US Federal Act 22 USC para 2549.

Section 50 (1), British Columbia Law and Equity Act 1980.

SR 172.021

583

kannten Anzahl Dritter betreffen. Sie entspricht geltendem Recht: Artikel 126f des Bundesgesetzes vom 3. Februar 199582 über Armee und Militärverwaltung (Militärgesetz, MG) sowie Artikel 12a Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 196683 über den Natur- und Heimatschutz (NHG) bestimmen, dass das Rechtsmittel der Beschwerde nur denjenigen Parteien offen steht, welche sich bereits am Einspracherespektive Plangenehmigungsverfahren beteiligt haben.

Erteilung (Art. 12 KGTG) Die Fachstelle entscheidet über den Antrag auf Erteilung der Rückgabegarantie (Abs. 1). Auf die Erteilung besteht kein Rechtsanspruch. Es liegt im Ermessen der Fachstelle zu entscheiden, ob die Voraussetzungen von Absatz 2 erfüllt sind.

Voraussetzung für die Gewährung einer Rückgabegarantie ist, dass niemand während der Einsprachefrist einen Eigentumstitel am Kulturgut mit Einsprache geltend gemacht hat (Abs. 2 Bst. a). Weiter darf die Einfuhr des Kulturgutes nicht rechtswidrig sein (Abs. 2 Bst. b), also nicht gegen eine Vereinbarung nach Artikel 7 oder eine befristete Massnahme nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a KGTG verstossen.

Damit wird ausgeschlossen, dass Kulturgüter, gegen deren illegale Ausfuhr aus dem Ursprungsland die Schweiz Massnahmen ergriffen hat, über eine Rückgabegarantie immunisiert in die Schweiz gelangen. Weiter muss im Leihvertrag vereinbart sein, dass das Kulturgut nach der Ausstellung in der Schweiz oder der Wanderausstellung durch mehrere Länder wieder in den Vertragsstaat zurückkehrt (Abs. 2 Bst. c). Damit wird sichergestellt, dass ein Dritter, der im Vertragsstaat einen Anspruch am betreffenden Gut geltend machen will, die Möglichkeit dazu erhält. Da es sich dabei um einen UNESCO-Vertragsstaat handelt, kann davon ausgegangen werden, dass der Staat die nötigen Rechtsbehelfe zur Wiedererlangung von Kulturgut bereitstellt.

Wirkung (Art. 13 KGTG) Die Rückgabegarantie wird in Form einer Verfügung mit zeitlich befristeter und örtlich beschränkter Wirkung erlassen. Die Verfügung bewirkt, dass Dritte und Behörden keine Rechtsansprüche jedwelcher Art auf das Kulturgut geltend machen können, solange es sich in der Schweiz befindet. Darunter fallen beispielsweise gerichtliche Klagen auf Herausgabe oder Rückführung, Arrestverfügungen, Pfändungen und Beschlagnahmen. Die Rückgabegarantie verhindert, dass Drittansprüche
an Kulturgütern, welche von ihr gedeckt sind, in der Schweiz gerichtlich überprüft und durchgesetzt werden können.

Die Rückgabegarantie mag somit in einzelnen Fällen in die von der Verfassung geschützte Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) eingreifen. Sie muss deshalb den verfassungsmässigen Grundsätzen über die Einschränkung von Grundrechten nach Artikel 36 BV genügen. Artikel 36 BV bestimmt, dass ein Eingriff in ein Grundrecht nur dann verfassungsmässig ist, wenn dafür eine formell-gesetzliche Grundlage besteht (Abs. 1), wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse liegt (Abs. 2), wenn er verhältnismässig ist (Abs. 3) ­ d.h. wenn der Eingriff geeignet und erforderlich ist, den Zweck des öffentlichen Interesses zu erfüllen ­ und wenn zudem der Kerngehalt des Grundrechts nicht verletzt wird (Abs. 4).

82 83

584

SR 510.10 SR 451

Die Eigentumsgarantie ist namentlich in denjenigen Fällen tangiert, in denen ein Drittansprecher gemäss schweizerischem Recht seine Ansprüche an seinem Eigentum nicht mehr durch zivilrechtliche Besitzesschutz- und Eigentumsklagen geltend machen kann. Sie garantiert ­ im Gegensatz zu den persönlichkeitsbezogenen Grundrechten ­ lediglich einen relativen Schutz vor gesetzlichen Einschränkungen.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewährleistet die Eigentumsgarantie das Eigentum nicht unbeschränkt, sondern nur innerhalb der Schranken, die ihm im öffentlichen Interesse durch die Rechtsordnung gezogen sind.84 Die nach Artikel 36 Absatz 1 BV erforderliche gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Eigentumsgarantie wird durch das Kulturgütertransfergesetz geschaffen. Das öffentliche Interesse besteht in der Verfolgung des verfassungsmässigen Ziels, den internationalen Kulturgüteraustausch zu fördern und zu intensivieren und damit das kulturelle Leben zu bereichern und das Verständnis unter den Gemeinschaften zu fördern.85 Wenn die Museen in der Schweiz bei der Veranstaltung international bestückter Kunstausstellungen gegenüber den Museen in unseren Nachbarländern, denen ein solches Rechtsinstrument zur Verfügung steht, nicht ins Hintertreffen geraten sollen, drängt sich die Einführung eines gleichen oder ähnlichen Rechtsinstrumentes aus kulturpolitischen Gründen auf. Damit ist die Einschränkung der Eigentumsgarantie durch ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Artikel 36 Absatz 2 BV gerechtfertigt. Die Rückgabegarantie ist sowohl ein geeignetes als auch ein erforderliches Mittel, um den internationalen Leihverkehr zwischen den Museen ohne Einschränkung zu erhalten, womit auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit nach Artikel 36 Absatz 3 BV gewahrt ist. Sie ist zeitlich und sachlich limitiert: Die Rückgabegarantie greift nur während der Ausstellungszeit und ist auf Ausstellungsobjekte beschränkt, die sich vorübergehend in der Schweiz befinden. Zudem ist der Geltungsbereich der Massnahme eingeschränkt, indem die Zusage nur für Kulturgüter erteilt wird, die aus Vertragsstaaten der UNESCO-Konvention 1970 stammen (Art. 10). Damit ist schliesslich auch der Kerngehalt des Grundrechts der Eigentumsfreiheit berücksichtigt. Soweit die Rückgabegarantie die Eigentumsgarantie berührt, sind
somit alle nach Artikel 36 BV erforderlichen verfassungsmässigen Voraussetzungen für die Einschränkung von Grundrechten erfüllt.

Die Rückgabegarantie berührt den strafrechtlichen Verfolgungsanspruch des Staates nicht. Das bedeutet, dass die Straftäter im Sinne des Strafgesetzbuches von der Schweiz verfolgt werden, wenn während der Zeit, in welcher die ausgeliehenen Kulturgüter sich auf schweizerischem Hoheitsgebiet befinden, Straftaten wie Diebstahl, Sachbeschädigung usw. am ausgeliehenen Ausstellungsgut begangen werden.

Dies widerspricht der Rückgabegarantie keineswegs, sondern verstärkt und stützt im Gegenteil den Rechtsschutz im Kulturgütertransfer.

Die Massnahmen des Kulturgütertransfergesetzes im Verhältnis zu anderen Staaten in der Übersicht (3. bis 5. Abschnitt) In der folgenden Darstellung werden die Massnahmen der Abschnitte 3 bis 5 Kulturgütertransfergesetz im Verhältnis zu anderen Staaten aufgezeigt. Für Vertragsstaaten der UNESCO-Konvention 1970, die mit der Schweiz einen bilateralen Staatsvertrag 84 85

BGE 105 Ia 330; vgl. Jörg Paul Müller: Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, S. 598.

Vgl. Ziffer 6.1 zum verfassungsmässigen Ziel der Förderung des internationalen Kulturgüteraustausches.

585

nach Artikel 7 KGTG abgeschlossen haben, kommen alle Massnahmen in der Tabelle in Frage (äusserster Kasten); für Vertragsstaaten der UNESCO-Konvention 1970 kommen die Massnahmen im mittleren Kasten in Frage; für alle übrigen Staaten kommen lediglich die Massnahmen im innersten Kasten in Frage.

Massnahmen gegenüber Vertragsstaaten mit bilateralem Staatsvertrag nach Art. 7 KGTG Regelung der Einfuhr und Klage auf Rückführung von Kulturgütern im engeren Sinn (Art. 7 und 9)

Massnahmen gegenüber UNESCO-1970-Vertragsstaaten · Klage auf Rückführung rechtswidrig aus der Schweiz ausgeführter Kulturgüter (Art. 6) · Rückgabegarantie für Leihgaben (Art. 10­13) · Finanzhilfen für Projekte zur Erhaltung des kulturellen Erbes (Art. 14 Abs. 1 Bst. b)

· · ·

2.2.7

Massnahmen gegenüber allen Staaten Zeitlich befristete Massnahmen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern aus Krisenregionen (Art. 8 Abs. 1 Bst. a) Beteiligung an internationalen Aktionen zum Schutz des kulturellen Erbes (Art. 8 Abs. 1 Bst. b) Rückführungsklage in Verletzung einer Massnahme nach Art. 8 (Art. 9)

5. Abschnitt: Finanzhilfen zu Gunsten der Erhaltung des kulturellen Erbes (Art. 14 KGTG)

Der 5. Abschnitt behandelt die Finanzhilfen zur Erhaltung des kulturellen Erbes.

Diese Bestimmung basiert auf Artikel 9 UNESCO-Konvention 1970, der die Zusammenarbeit mit Vertragsstaaten vorsieht, deren kulturelles Erbe durch archäologische oder ethnologische Ausbeutung gefährdet ist.

Um das kulturelle Erbe der Menschheit wirksam zu schützen, bedarf es neben den restriktiven Massnahmen zur Unterbindung des illegalen Kulturgüterhandels auch präventiver, unterstützender Massnahmen. Dies wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens mehrfach gefordert. Es ist deshalb vorgesehen, dass sich der Bund über Finanzhilfen an Projekten zur Erhaltung des kulturellen Erbes beteiligen kann.

586

Damit will die Schweiz ihren Beitrag leisten an die Erhaltung des kulturellen Erbes auf der ganzen Welt.

Das Kulturgütertransfergesetz sieht vor, dass der Bund Museen oder ähnlichen Institutionen in der Schweiz, die Kulturgüter aus Krisenregionen, in denen das kulturelle Erbe bedroht ist (Krieg, Bürgerkrieg oder Naturkatastrophe), treuhänderisch aufbewahren und konservieren, eine Finanzhilfe gewähren kann (Art. 14 Abs. 1 Bst. a). Als Beispiel für eine solche Institution kann auf das Afghanistanmuseum in Bubendorf verwiesen werden, das sich der treuhänderischen Aufbewahrung und Konservierung von Kulturgütern aus Afghanistan widmet. Voraussetzung für eine Finanzhilfe des Bundes ist, dass die treuhänderische Aufbewahrung entweder im Einvernehmen mit den Behörden des anderen Staates (Abs. 2 Bst. a) oder unter der Schirmherrschaft der UNESCO oder einer anderen internationalen Organisation zum Schutz von Kulturgut (Abs. 2 Bst. b) stattfindet. Dies soll sicherstellen, dass die treuhänderische Aufbewahrung im Interesse der betroffenen Bevölkerung geschieht.

Ziel einer solchen Aktion ist immer die Repatriierung der Kulturgüter nach der Normalisierung der Situation.

Weiter soll der Bund Finanzhilfen gewähren können für Projekte zur Erhaltung des beweglichen kulturellen Erbes in anderen Vertragsstaaten (Art. 14 Abs. 1 Bst. b). Zu denken ist beispielsweise an Projekte, die der Sicherung archäologischer Stätten und Monumente dienen, die in den Partnerländern beim Aufstellen von Inventaren und Verzeichnissen und bei der Konservierung und Sicherung von beweglichem Kulturgut helfen. Eine solche Zusammenarbeit wäre eine konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Bemühungen der Schweiz im Rahmen der UNESCO und diente dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses mit den Partnerstaaten. Dies käme nicht zuletzt auch dem wissenschaftlichen Austausch zwischen der Schweiz und dem Ausland zugute.

Auf eine Finanzhilfe nach Artikel 14 KGTG besteht kein Rechtsanspruch ­ es obliegt dem Bund zu entscheiden, ob und in welchen Fällen er eine Finanzhilfe gewähren will.

Artikel 14 Absatz 3 KGTG bildet die formell gesetzliche Grundlage für die Delegation der Kompetenz zur Gewährung von Finanzhilfen an das Bundesamt für Kultur.

2.2.8

6. Abschnitt: Übertragung von Kulturgut (Art. 15­18 KGTG)

Der 6. Abschnitt nennt die Regeln, welche Museen und Handel bei der Übertragung von Kulturgut zu beachten haben. Als Scharnierstellen in der Kunstvermittlung spielen sie eine zentrale Rolle für den verantwortungsvollen Umgang mit Kulturgütern. In diesem Abschnitt werden folgende Verpflichtungen der UNESCOKonvention 1970 konkretisiert: ­

Art. 5 Bst. e:

die Aufstellung von Vorschriften für die betroffenen Personen (Kuratoren und Kuratorinnen, Konservatoren und Konservatorinnen, Sammler und Sammlerinnen, Antiquitätenhändler und -händlerinnen usw.), entsprechend den ethischen Grundsätzen des Übereinkommens und die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften (allgemeine Verpflichtung: «in der in jedem Land geeigneten Weise»);

587

­

Art. 7 Bst. a Satz 1: das Ergreifen von Massnahmen, die Museen am Erwerb von gestohlenem oder rechtswidrig ausgeführtem Kulturgut hindern (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften»);

­

Art. 7 Bst. b i:

die Aufstellung eines Einfuhrverbotes für Kulturgut, das nach Inkrafttreten des Übereinkommens aus einem Museum, einem öffentlichen Bauwerk oder einer ähnlichen Einrichtung eines Vertragsstaates entwendet wurde (spezifische Verpflichtung);

­

Art. 10 Bst. a:

die Verpflichtung des Antiquitätenhandels zur Führung von Verzeichnissen, aus denen die Herkunft eines Objektes hervorgeht, sowie zur Information gegenüber der Kundschaft über möglicherweise bestehende Ausfuhrverbote (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen der in jedem Land gegebenen Möglichkeiten»);

­

Art. 13 Bst. a:

die Verhütung von Übereignungen, durch die eine unzulässige Einfuhr oder Ausfuhr von Kulturgut begünstigt werden könnte (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung»).

Übertragung an Institutionen des Bundes (Art. 15 KGTG) Gemäss Artikel 15 Absatz 1 dürfen Institutionen des Bundes keine Kulturgüter erwerben oder ausstellen, die gestohlen wurden, gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhanden gekommen oder illegal ausgegraben worden sind.

Dasselbe gilt für Kulturgüter, die Teil des kulturellen Erbes eines anderen Staates sind und rechtswidrig aus diesem ausgeführt wurden. Entsprechende Angebote müssen der Fachstelle gemeldet werden (Abs. 2). Rechtswidrige Ausfuhren von Kulturgütern, die nicht zum kulturellen Erbe des betreffenden Staates gehören, fallen nicht unter die Regelung. Als Institutionen des Bundes gelten öffentlich-rechtliche Anstalten und Stiftungen des Bundes; diese Regelung gilt indes auch für die Sammlungen des Bundes wie beispielsweise das Landesmuseum, die Landesbibliothek und die Bundeskunstsammlungen.

Die Umsetzung der Verpflichtung von Artikel 7 Buchstabe a der UNESCOKonvention 1970 ist gleichzeitig auch eine Umsetzung von Artikel 10 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Januar 199286 über den Schutz des archäologischen Erbes (Malta-Konvention), das die Schweiz am 27. März 1996 ratifiziert hat.

Es verpflichtet die Vertragsparteien, «die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, dass Museen und ähnliche Einrichtungen, deren Ankäufe staatlicher Aufsicht unterstehen, Elemente des archäologischen Erbes erwerben, bei denen der Verdacht besteht, dass sie aus unüberwachten Funden oder unerlaubten Ausgrabungen stammen oder bei amtlichen Ausgrabungen entwendet wurden» (Art. 10 Abs. iii Malta-Konvention). Der eingeschränkten Bundeskompetenz entsprechend findet Artikel 15 des Kulturgütertransfergesetzes ausschliesslich auf Institutionen des Bundes Anwendung. Letztlich haben sich aber alle öffentlichen und privaten Museen, die dem International Council of Museums (ICOM) angehören, auf dieselben 86

588

SR 0.440.5

ethischen Grundregeln verpflichtet, die auch den Bestimmungen in der MaltaKonvention und im Kulturgütertransfergesetz zu Grunde liegen. Artikel 3.2 des ICOM-Kodex der Berufsethik vom 4. November 198687 hält fest, dass der illegale Handel mit Kulturgütern die Zerstörung historischer Stätten und örtlicher ethnischer Kulturen sowie den Diebstahl sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene fördert und es deshalb äusserst unethisch ist, wenn Museen den illegalen Handel in irgendeiner Weise direkt oder indirekt unterstützen. Der Kodex fordert alle Museen dazu auf, keine Objekte aufzunehmen, die unter Missachtung der Gesetze des Ursprungslandes oder eines Transitlandes erworben oder aus einem dieser Länder gesetzwidrig exportiert wurden. Auch sollen sie keine Objekte erwerben, bei denen den Verantwortlichen begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Zuge ihrer erst vor kurzem erfolgten Bergung ein antikes Denkmal oder eine archäologische Stätte durch unwissenschaftliches Vorgehen oder mit Absicht beschädigt oder zerstört wurde oder dass versäumt worden war, den Fund dem Eigentümer oder Besitzer des entsprechenden Grundstückes bzw. der zuständigen Behörde mitzuteilen. Diesen Kriterien solle nach Möglichkeit auch dann Rechnung getragen werden, wenn über die Aufnahme von Leihgaben für Sonderausstellungen oder für andere Zwecke zu entscheiden sei.

Mit den in Artikel 15 KGTG genannten Vorschriften übernimmt der Bund somit für seine Institutionen die von der internationalen Museumswelt als Standard definierten Verhaltensregeln. Dies soll sich auch auf das öffentliche und private Sammelverhalten in den Kantonen auswirken. Im Rahmen der Vernehmlassung sprachen sich 15 Kantone dafür aus, solche Sorgfaltsregeln zu übernehmen.88 Übertragung im Kunsthandel und im Auktionswesen (Art. 16 KGTG) Die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen dürfen Kulturgut nur übertragen, wenn sie auf Grund der Umstände annehmen können, dass die Kulturgüter nicht gestohlen worden oder gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhanden gekommen sind, dass sie nicht rechtswidrig ausgegraben (Art. 16 Abs. 1 Bst. a) und dass sie auch nicht rechtswidrig, also in Verletzung einer bilateralen Vereinbarung nach Artikel 7 oder einer Massnahme nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a, in die Schweiz eingeführt
worden sind (Art. 16 Abs. 1 Bst. b).

Die im Kunsthandel und Auktionswesen Berufstätigen sind somit verpflichtet, bei der Übertragung von Kulturgut eine erhöhte Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen. Die besondere Sorgfaltspflicht rechtfertigt sich einerseits durch den Umstand, dass im Kunsthandel und Auktionswesen ein erhöhtes Risiko besteht, dass Objekte dunkler Herkunft angeboten werden. Andererseits ist davon auszugehen, dass die im Kunsthandel und Auktionswesen tätigen Personen in Fragen des Handels mit Kulturgütern über besondere Kenntnisse und spezielles Wissen verfügen und zudem mit der Branche vertraut sind. Diese besonderen Kenntnisse, das Spezialwissen und die Branchenvertrautheit sind subjektive, das Mass der Sorgfaltspflicht qualifizierende Eigenschaften. Die erhöhte Sorgfaltspflicht nach Artikel 16 KGTG 87

88

Deutsche Fassung von ICOM-Deutschland und ICOM-Österreich (Übersetzung von F. Joseph und H. A. Treff): . Original Englisch und Französisch: International Council of Museums (Hrsg.): ICOM Statutes ­ ICOM Code of Professional Ethics, Paris 1996, S. 22 ff.

Vgl. Kulturgütertransfergesetz. Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung, hrsg.

vom Bundesamt für Kultur, Bern 2001, Ziffer 3.1.6.

589

entspricht sowohl der herrschenden Lehre zur Sorgfaltspflicht gemäss den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts89 als auch derjenigen zum Schutz des guten Glaubens des nichtberechtigten Erwerbers einer beweglichen Sache nach Artikel 934 ZGB i.V.m. Artikel 3 ZGB.90 Dies wird auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt. Das Bundesgericht stellt generell eine erhöhte Anforderung an die Sorgfaltspflicht der Geschäftszweige, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft in besonderem Masse ausgesetzt sind und bei denen infolgedessen ein erhöhtes Risiko besteht, dass Waren mit Rechtsmängeln behaftet sind.91 Es versagt einem Erwerber einer beweglichen Sache nach Artikel 934 ZGB den Gutglaubensschutz nicht nur bei dessen Bösgläubigkeit, sondern auch bei Unachtsamkeit, also dann, wenn die Unkenntnis des Erwerbers über den Rechtsmangel darauf zurückzuführen ist, dass er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit vermissen liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte (Artikel 3 Absatz 2 ZGB).92 Die im Kunsthandel und Auktionswesen tätigen Personen haben gegenüber ihrer Kundschaft die Pflicht, sie über bestehende Ein- und Ausfuhrregelungen zu unterrichten (Art. 16 Abs. 2); darunter fallen sowohl schweizerische als auch ausländische Regelungen. Das Pendant hierzu findet sich in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe e KGTG, das dem Kunsthandel, dem Auktionswesen sowie weiteren interessierten Kreisen ermöglicht, sich bei der Fachstelle diesbezüglich zu informieren. Die Nichteinhaltung dieser Pflichten kann strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen (Art. 25 Abs. 1 Bst. a KGTG).

Aufzeichnungspflicht (Art. 17 KGTG) Artikel 17 KGTG sieht vor, die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen zur Buchführung über die Beschaffung von Kulturgut im engeren Sinn gemäss Artikel 2 Absatz 2 KGTG zu verpflichten (Abs.1). In den Aufzeichnungen sind der Ursprung des Kulturguts (also Herkunft und Vorgeschichte, soweit diese zu eruieren sind), Name und Adresse der einliefernden Person bzw. der Verkäuferin oder des Verkäufers (unter Beilage einer Kopie eines Ausweispapiers), die Beschreibung und der Ankaufspreis des Kulturguts aufzunehmen (Abs. 2). Die Aufzeichnungen und Belege müssen während 30 Jahren aufbewahrt werden (Abs. 3).

Die Bestimmung von Artikel 17 KGTG gilt ausschliesslich
für den gewerbsmässigen Handel mit Kulturgütern im engeren Sinn, das heisst mit archäologischen und paläontologischen Bodenfunden, Teilen von Denkmälern, sakralen Bauwerken oder archäologischen Stätten, mit Objekten von ethnologischer oder kultischer Bedeutung, mit sakralen Gegenständen sowie mit historisch oder kulturell bedeutendem Archivgut.

89

90 91

92

590

Vgl. Anton K. Schnyder in: Heinrich Honsell / Nedim Peter Vogt / Wolfgang Wiegand: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1­529 OR, Basel 1996, N 52 f. zu Art. 41 OR.

Vgl. Heinz Rey: Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum. Grundriss des schweizerischen Sachenrechts, Band I, Bern 2000, Nr. 1778 und 2118a.

BGE 123 II 134, E. 6, wonach ein im Antiquitätenhandel nicht ganz Unerfahrener auf das erhöhte Risiko einer dunklen Herkunft der Objekte Acht geben und deshalb eine erhöhte Sorgfalt walten lassen muss.

Vgl. BGE 122 III 1 ff. betreffend den Herausgabeanspruch gegenüber dem Erwerber einer gestohlenen Waffensammlung.

Die Aufzeichnungspflicht nach Artikel 17 KGTG soll insbesondere dazu dienen, die Rückverfolgung von illegal in den Markt geschleusten Objekten zu erleichtern, rechtswidrige Einfuhren gemäss den Artikeln 7 und 8 KGTG zurückzuverfolgen und namentlich auch dem Handel mit Objekten, die aus sakralen Gebäuden gestohlen wurden, einen Riegel vorzuschieben. Sie ist ein der bestehenden Rechtsordnung bekanntes Instrument: Artikel 20 Artenschutzverordnung vom 19. August 198193 (ASchV) geht noch weiter und statuiert beim Handel mit bestimmten Arten eine Pflicht zur lückenlosen Bestandeskontrolle sowie zum laufenden Eintrag über sämtliche Ein- und Ausgänge mit Name und Adresse des Lieferanten oder des Empfängers.

Eine umfassende Aufzeichnungspflicht für alle Kategorien von Kulturgütern wurde geprüft. Der Vorteil einer generellen Aufzeichnungspflicht würde sich vor allem auf die Rückverfolgung gestohlener Kulturgüter positiv auswirken. Angesichts der Menge der umgesetzten Kulturgüter erscheint eine solche gesetzliche Vorschrift indes unverhältnismässig. Es ist aber anzufügen, dass schon heute renommierte Berufsverbände wie der Verband Schweizerischer Antiquare und Kunsthändler ihre Mitglieder im Ethikcode dazu anhalten, die Identität des Verkäufers oder der Verkäuferin festzuhalten und abzuklären, ob ein Objekt gestohlen oder illegal exportiert wurde.94 Die Aufzeichnungspflicht kommt den Kundinnen und Kunden zugute, aber auch dem Handel, für den es künftig einfacher sein wird nachzuweisen, dass er alles getan hat, um die Herkunft eines Kulturguts zu überprüfen und somit als gutgläubig gelten zu können. Die Aufzeichnungspflicht ist als institutionelle Verstärkung der vom Kunsthandel bereits heute initiierten Verhaltenskodizes zu verstehen.

Die Aufzeichnungspflicht des Kulturgütertransfergesetzes lässt sich als Buchführungsvorschrift in einem weiteren Sinn qualifizieren. Sie ist vergleichbar mit den Vorschriften über die kaufmännische Buchführung in Artikel 957 ff. OR. Diese Vorschriften genügen den Anforderungen von Artikel 10 Buchstabe a der UNESCO-Konvention 1970 indes nicht vollständig, da nach Obligationenrecht für die ordnungsgemässe kaufmännische Buchführung bloss die Vermögenslage des Geschäfts, die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse sowie das Betriebsergebnis
einzelner Jahre in den Büchern darzustellen sind (Artikel 957 OR). Ausserdem beträgt die Aufbewahrungspflicht der Geschäftsbücher bei der kaufmännischen Buchführung gemäss Artikel 962 Absatz 1 OR nur 10 Jahre, während das Kulturgütertransfergesetz eine Aufbewahrungspflicht von 30 Jahren festlegt. Diese dreissigjährige Pflicht zur Aufbewahrung der Bücher ist insbesondere im Zusammenhang mit Artikel 9 Absatz 4 und 5 sowie Artikel 32 KGTG (Ergänzung des Zivilgesetzbuches mit Artikel 728 Absatz 1bis [neu] und Artikel 934 Absatz 1bis [neu] ZGB) zu sehen. Darin werden die Ersitzungsfrist für Kulturgüter auf 30 Jahre und die absolute Verjährungsfrist des Rückforderungsrechts für abhanden gekommene Kulturgüter ebenfalls auf 30 Jahre erhöht. Dementsprechend erfüllt die Aufbewahrungspflicht der Bücher nach Artikel 17 Absatz 3 des Kulturgütertransfergesetzes ihren eingangs beschriebenen Zweck nur dann, wenn ihre Frist ebenfalls auf 30 Jahre festgelegt wird. Eine Beschränkung der Aufbewahrungspflicht der Bücher auf 10 Jahre im Sinne des Obligationenrechts würde die

93 94

SR 453 Verband schweizerischer Antiquare und Kunsthändler, Ethikcode vom 27. Mai 2000.

591

Kongruenz der gesetzlichen Bestimmungen des Kulturgütertransfergesetzes in Frage stellen.

Die Aufzeichnungen gemäss Artikel 17 KGTG können ausschliesslich bei Verdacht auf Widerhandlung gegen das Kulturgütertransfergesetz von den für den Vollzug des Gesetzes zuständigen Zoll- und Strafverfolgungsbehörden eingesehen werden.

Der Bund hat gemäss Artikel 95 BV die Kompetenz, Vorschriften zur Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zu erlassen. Diese Bestimmung gibt ihm eine breite Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der verschiedensten wirtschaftlichen Tätigkeiten; die einzige Einschränkung, die ihm auferlegt wird, ist die Bindung an den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit.95 Das qualifizierte Interesse ausländischer Staaten am Schutz ihres kulturellen Erbes sowie das Interesse der Schweiz, ihr kulturelles Erbe zu schützen und sich international solidarisch zu zeigen, rechtfertigen die Aufzeichnungspflicht auch unter diesem Aspekt.

Die genaue Umschreibung der Aufzeichnungspflicht erfolgt in einer Verordnung. Im Hinblick auf die geltende Datenschutzgesetzgebung des Bundes und der Kantone müssen in der Verordnung insbesondere die Einzelheiten der Bearbeitung und Aufbewahrung von Personendaten festgelegt werden (vgl. Art. 30 Abs. 2 KGTG). Entsprechend den revidierten Bestimmungen von Artikel 957, 961, 962 und 963 OR wird auch eine Buchführung auf elektronischem Wege möglich sein.

Auskunftspflicht und Kontrolle (Art. 18 KGTG) Die Auskunftspflicht der im Kunsthandel und Auktionswesen tätigen Personen gemäss Artikel 18 Absatz 1 ermöglicht es den Zoll- und Strafverfolgungsbehörden, ihre Aufgaben effizient wahrzunehmen. Bei Ermittlungen im Rahmen von Strafverfahren findet allerdings nicht diese Bestimmung, sondern das jeweilige kantonale Strafverfahrensrecht Anwendung.

Als Korrelat zur Auskunftspflicht beschreibt Absatz 2 die Befugnisse der zuständigen Behörden. Eine wirksame Kontrolle bedingt das Recht, die Geschäftsräume (Verkaufsraum, Lager, Tresore usw.) während der üblichen Arbeitszeiten ohne Voranmeldung zu betreten und zu besichtigen sowie Einsicht in die einschlägigen Akten zu nehmen. Die einschlägigen Unterlagen können wenn nötig ­ d.h. bei Verdacht auf Verstoss gegen das Kulturgütertransfergesetz ­ auch sichergestellt werden.

Diese in Artikel 18 KGTG umschriebenen Massnahmen
sind in analoger Form auch in anderen Erlassen vorgesehen, deren Vollzug eine nachhaltige Kontrollmöglichkeit verlangt. So kennen Artikel 11 der Artenschutzverordnung96, Artikel 34 des Tierschutzgesetzes vom 9. März 197897 (TSchG) und Artikel 42a des Bundesgesetzes vom 21. Juni 193298 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz, AlkG) insbesondere die Zutrittsbefugnis und das Einsichtsrecht. Artikel 29 Absatz 2 des Bun95

96 97 98

592

E. Grisel: Liberté du commerce et de l'industrie, Bd. II. Bern 1995, N. 482-484, S. 31 f.; René Rhinow: Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, ad Artikel 31bis Rz. 53; R. Rhinow / G Schmid / G. Biaggini: Öffentliches Wirtschaftsrecht. Basel 1998, § 20 Rz. 51; Jean-François Aubert in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione. Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Bern 1998, S. 14.

SR 453 SR 455 SR 680

desgesetzes vom 20. Juni 199799 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) räumt den Behörden zudem das Recht zur Sicherstellung belastenden Materials ein. Insofern sind diese Kontrollmassnahmen dem schweizerischen Rechtssystem bekannt. Die Möglichkeit der Sicherstellung der einschlägigen Unterlagen deckt sich mit Artikel 21 KGTG, der festlegt, unter welchen Voraussetzungen die Strafverfolgungsbehörden zur Anordnung der Beschlagnahme von Kulturgut befugt sind.

2.2.9

7. Abschnitt: Behörden (Art. 19­21 KGTG)

Der siebte Abschnitt nennt die für den Vollzug des Kulturgütertransfergesetzes zuständigen Behörden. Zugleich werden darin die Kompetenzen dieser Behörden umschrieben.

Fachstelle (Art. 19 KGTG) Mit Artikel 19 KGTG wird die Rechtsgrundlage für die Einrichtung einer Fachstelle geschaffen. Dies geschieht in Konkretisierung folgender Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970: ­

Art. 5 Bst. a:

Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Rechtsgrundlagen zum Schutz des kulturellen Erbes und insbesondere zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung bedeutsamen Kulturguts (allgemeine Verpflichtung: «in der in jedem Land geeigneten Weise»);

­

Art. 5 Bst. b:

Führung eines nationalen Inventars des zu schützenden Gutes, dessen Ausfuhr für den Staat einen merklichen Verlust an seinem kulturellen Erbe darstellen würde (allgemeine Verpflichtung: «in der in jedem Land geeigneten Weise»);

­

Art. 5 Bst. f:

Verbreitung der Kenntnisse über die Bestimmungen dieses Übereinkommens (allgemeine Verpflichtung: «in der in jedem Land geeigneten Weise»);

­

Art. 6 Bst. c:

Veröffentlichung von Ausfuhrverboten (allgemeine Verpflichtung: «auf geeignete Weise»);

­

Art. 14:

Einrichtung einer mit den erforderlichen Mitteln ausgestatteten Dienststelle, welche die aus der Anwendung des Übereinkommens entstehenden Verpflichtungen übernimmt (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen seiner Möglichkeiten»);

­

Art. 16:

Regelmässige Erstellung von Berichten zuhanden der Generalkonferenz der UNESCO (spezifische Verpflichtung).

Die Fachstelle ist die vom Bund bezeichnete Verwaltungsstelle. Der Bundesrat beabsichtigt, das Bundesamt für Kultur (BAK), bei dem seit 1999 für den spezifischen 99

SR 514.54

593

Bereich der entzogenen Kulturgüter aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs die Anlaufstelle Raubkunst angesiedelt ist, mit dieser Aufgabe zu betrauen. Der Fachstelle kommt neben der Führung des Bundesverzeichnisses und der Erteilung von Rückgabegarantien im Wesentlichen unterstützende und beratende Funktion zu. Sie verfügt über keinerlei polizeiliche Befugnisse. Die Stellung der Fachstelle ist strukturell vergleichbar mit der Anlaufstelle im Bereich des internationalen Minderjährigenschutzes im Bundesamt für Justiz, das bisher mit diesem System sehr gute Erfahrungen gemacht hat.

Die Aufgaben der Fachstelle sind in Absatz 1 umschrieben. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verkehr mit den Kantonen, dem Ausland, dem Kunsthandel und weiteren interessierten Kreisen sowie auf der Koordination der Tätigkeiten. Sie ist namentlich zuständig für: ­

die Beratung und Unterstützung der Bundesbehörden in allen Fragen des Kulturgütertransfers und die Koordination der Arbeiten (Bst. a). Sie wirkt als nationales Kompetenzzentrum, das alle relevanten Informationen sammelt und weitergibt. Sie arbeitet eng mit den Zoll-, Polizei- und Justizbehörden zusammen. In dieser Funktion ist sie auch für die fachliche Unterstützung der Zoll- und Polizeibehörden besorgt, beispielsweise die Ausbildung der Polizei- und Zollbeamten auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers;

­

die Beratung und Unterstützung der kantonalen Behörden in Fragen des Kulturgütertransfers und die Koordination der Aktivitäten auf diesem Gebiet (Bst. b). Dies betrifft auch die fachliche Unterstützung der Kantone bei der Einrichtung und Verknüpfung von Kulturgutverzeichnissen nach Artikel 4 KGTG sowie bei Fragen der Lagerung und Unterbringung von beschlagnahmten Kulturgütern;

­

die Vertretung der Schweiz gegenüber ausländischen Behörden in Kulturgütertransfersachen (Bst. c). Darunter fällt die Ausarbeitung der Vereinbarungen im Sinne von Artikel 7 KGTG, die Erarbeitung der Grundlagen für die zeitlich befristeten Massnahmen nach Artikel 8 KGTG und die Geltendmachung schweizerischer Rückführungsbegehren im Ausland im Sinne von Artikel 6 KGTG;

­

die Zusammenarbeit mit den Behörden anderer Staaten zur Sicherung des kulturellen Erbes (Bst. d). Darunter fällt beispielsweise die Meldung von Angeboten widerrechtlich ausgeführter Kulturgüter;

­

das Erteilen von Auskünften an Personen, die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätig sind, sowie an weitere interessierte Kreise zu Fragen des Kulturgütertransfers (Bst. e). Dabei handelt es sich insbesondere um Auskünfte über bestehende Ein- und Ausfuhrregelungen. Die Fachstelle ermöglicht den einfachen Zugang zur relevanten Information über Internet oder in gedruckter Form. Als Hilfestellung für Private und Handel werden über Internet Bilddatenbanken zur Verfügung gestellt, in denen die einzelnen Objektkategorien durch eine Reihe von Bildbeispielen erläutert sind. Dies erlaubt den interessierten Kreisen, ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen;

­

die regelmässige Erstellung von Berichten zuhanden der Generalkonferenz der UNESCO;

594

­

die Führung des Bundesverzeichnisses im Sinne von Art. 3 Abs. 4 KGTG (Bst. f);

­

die Erteilung von Rückgabegarantien im Sinne von Artikel 10­12 KGTG für Kulturgut, das an eine Ausstellung in der Schweiz ausgeliehen wird (Bst. g);

Zoll (Art. 20 KGTG) In Artikel 20 werden die Aufgaben und Kompetenzen der Zollbehörden im Rahmen dieses Gesetzes umschrieben. Die Zollbehörden kontrollieren die Ein- und Ausfuhr.

Sie dürfen gemäss Artikel 36 Zollgesetz vom 1. Oktober 1925100 (ZG) in Verbindung mit Artikel 50 Verordnung vom 10. Juli 1926101 zum Zollgesetz (Zollverordnung, ZV) Sendungen anhalten, durchsuchen, kontrollieren, zurückbehalten, der Abklärung zuführen und beschlagnahmen. Im Kulturgütertransfergesetz erhalten die Zollorgane die Rechtsgrundlage, bei der Ein-, Durch- und Ausfuhr verdächtige Kulturgüter zurückzubehalten und den Strafverfolgungsbehörden Anzeige zu erstatten (Art. 20 Abs. 2 KGTG). Die Einlagerung von Kulturgut in Zolllager gilt als Einfuhr (Abs. 3), das heisst, sie wird deklarationspflichtig. Diese Massnahme soll verhindern, dass Kulturgut dubioser Provenienz in den Zolllagern wie bisher weitgehend unbemerkt und mit geringem Risiko zwischengelagert werden kann.

Zur Kontrolle der Ein- und Ausfuhr sollen auf Verordnungsstufe, analog zum Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996102 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG), neue Tarifnummern ausgestaltet und mit einem Schlüssel versehen werden. Neben dem Herkunftsland soll neu bei Kulturgütern im engeren Sinn auch das Ursprungsland angegeben werden. Weiter ist anzuzeigen, ob für die Kulturgüter in der Schweiz eine Einschränkung der Ein- oder Ausfuhr besteht. Damit lassen sich die Massnahmen nach Artikel 5, 7 und 8 KGTG zielgenau umsetzen. Kulturgut aus dem Bundesverzeichnis oder einem damit verknüpften kantonalen Verzeichnis im Sinne von Artikel 4 KGTG darf nicht ohne Bewilligung ausgeführt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass für die Ausfuhr eines solchen Kulturguts eine Ausfuhrbewilligung des Bundes bzw. des betreffenden Kantons beigebracht werden muss, damit der Zoll auf ein Ausfuhrbegehren überhaupt eintreten kann. Erst dann ist im Sinne von Artikel 13 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968103 über das Verwaltungsverfahren (VwVG) der Mitwirkungspflicht bei der Feststellung des Sachverhalts Genüge getan. Die Zollbehörden haben direkten Zugriff auf die Verzeichnisse.

Alle Kulturgüter, die keiner Ausfuhrregelung unterworfen sind, brauchen keine Ausfuhrbewilligung.

Strafverfolgungsbehörden
(Art. 21 KGTG) Wenn der Verdacht besteht, dass ein Kulturgut gestohlen worden ist, gegen den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers abhanden gekommen ist oder rechtswidrig in die Schweiz eingeführt wurde, ordnen die zuständigen eidgenössischen oder kantonalen Strafverfolgungsbehörden seine Beschlagnahme an (Art. 21

100 101 102 103

SR 631.0 SR 631.01 SR 946.202 SR 172.021

595

Abs. 1 KGTG) und melden dies der Fachstelle (Abs. 2). Damit erhalten die zuständigen Behörden ein Instrument, um im Bedarfsfall rasch handeln zu können.

2.2.10

8. Abschnitt: Amts- und Rechtshilfe (Art. 22­23 KGTG)

Artikel 22 KGTG regelt die Amtshilfe in der Schweiz und Art. 23 KGTG die internationale Amts- und Rechtshilfe. Er konkretisiert folgende Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970: ­

Art. 7 Bst. a Satz 2: Mitteilung an einen Vertragsstaat, wenn Kulturgut auftaucht, das nach Inkrafttreten der Konvention widerrechtlich aus ihm entfernt wurde (allgemeine Verpflichtung: «soweit möglich»);

­

Art. 8:

Verpflichtung zum Erlass strafrechtlicher oder administrativer Sanktionen (spezifische Verpflichtung);

­

Art. 13 Bst. b:

Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen der Vertragsstaaten, damit die Rückgabe an die rechtmässigen Eigentümer eines unzulässig ausgeführten Kulturgutes erleichtert wird (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung»).

Amtshilfe in der Schweiz (Art. 22 KGTG) Artikel 22 KGTG verlangt, dass die zuständigen Behörden im Inland einander sowie den jeweiligen Aufsichtsbehörden alle Daten bekannt geben, die für den Vollzug dieses Gesetzes notwendig sind.

Internationale Amts- und Rechtshilfe (Art. 23 KGTG) Artikel 23 KGTG regelt die Amts- und Rechtshilfe gegenüber den zuständigen ausländischen Behörden, internationalen Organisationen oder Gremien. Unter internationalen Organisationen oder Gremien sind dabei ausschliesslich solche zu verstehen, deren Mitglieder Staaten sind, wie beispielsweise Interpol.

Absatz 2 regelt das Ersuchen an ausländische Behörden sowie internationale Organisationen oder Gremien um Datenherausgabe. Zu diesem Zweck können die Schweizer Behörden, die für den Vollzug, die Deliktsverhütung oder die Strafverfolgung zuständig sind (vgl. Art. 19­21 KGTG), Daten an ausländische Stellen übermitteln, damit diese im Ausland fallweise weitere Abklärungen treffen und so ihrerseits den schweizerischen Behörden die für ein Verfahren in unserem Land notwendigen Angaben liefern können. Die Bestimmungen unter Absatz 2 erlauben die Bekanntgabe von Daten, welche sowohl den Import (Bst. a: Empfänger und Empfängerinnen von Kulturgütern) als auch den Export (Bst. b: Lieferung von Kulturgütern) betreffen. Die vorgesehene Datenherausgabe soll eine Amtshilfe ausländischer Behörden, internationaler Organisationen oder Gremien zu Gunsten der Schweiz bewirken. Die Daten dürfen ausschliesslich dann übermittelt werden, wenn die ausländischen Behörden, internationalen Organisationen oder Gremien betref-

596

fend der Weitergabe von Daten an das Amtsgeheimnis gebunden sind oder einer entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Artikel 23 Absatz 3 KGTG regelt die Amtshilfe der Schweiz zu Gunsten des Auslandes. Die Bestimmung entspricht analogen Vorschriften in neueren Bundesgesetzen (vgl. Art. 31 Abs. 2 Bst. c Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997104 zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG) und Art. 38 Abs. 2 Bst. c Bundesgesetz vom 24. März 1995105 über Börsen und den Effektenhandel [Börsengesetz, BEHG]). Die schweizerischen Behörden sollen ausländischen Behörden, internationalen Organisationen oder Gremien unter bestimmten Voraussetzungen Daten übermitteln können. Der Amtshilfe zu Gunsten ausländischer Stellen liegt die Überlegung zu Grunde, dass die schweizerischen Behörden vom Ausland die zum Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Daten nur erhalten, wenn die Schweiz dem Ausland ebenfalls die erforderlichen Daten zur Verfügung stellen kann.

Artikel 23 Absatz 4 KGTG sieht die Möglichkeit vor, in Fällen von Widerhandlung gegen das Kulturgütertransfergesetz Rechtshilfe zu leisten. Es stellt sich die Frage, ob diese Bestimmung im Widerspruch zu Artikel 3 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981106 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) steht, wonach einem Rechtshilfeersuchen nicht entsprochen wird, «wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt". Dem ist nicht so: Fiskaldelikte sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts107 ausschliesslich Handlungen, die Regeln über die Festsetzung und Erhebung öffentlicher Abgaben jeder Art zuwiderlaufen.

Dagegen sind die Massnahmen im Sinne des Kulturgütertransfergesetzes nicht währungs-, handels- oder wirtschaftspolitischer Art; es handelt sich von ihrer Zielrichtung und Begründung her eindeutig um kultur- und aussenpolitische Massnahmen.

Deshalb kann bei Widerhandlungen gegen Ein- und Ausfuhrmassnahmen internationale Rechtshilfe geleistet werden. Dabei sind die im Rechtshilfegesetz vorgesehenen Verfahren anwendbar.

2.2.11

9. Abschnitt: Strafbestimmungen (Art. 24­29 KGTG)

Der 9. Abschnitt handelt von den Strafbestimmungen. Diese Bestimmungen konkretisieren folgende Verpflichtungen der UNESCO-Konvention 1970:

104 105 106 107

­

Art.8:

Erlass strafrechtlicher oder administrativer Sanktionen (spezifische Verpflichtung);

­

Art. 10 Bst. a:

Androhung strafrechtlicher oder administrativer Sanktionen, um den Antiquitätenhandel zur Führung von Verzeichnissen anzuhalten, aus denen die Herkunft eines Objektes hervorgeht, sowie zur Information gegen-

SR 955.0 SR 954.1 SR 351.1 BGE 110 Ib 82

597

über der Kundschaft über möglicherweise bestehende Ausfuhrverbote (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen der in jedem Land gegebenen Möglichkeiten»).

Der Entwurf zu einem Kulturgütertransfergesetz orientiert sich bei der Ausgestaltung der Strafbestimmungen ­ insbesondere bei der Festlegung des Strafmasses ­ an den bestehenden Strafbestimmungen und Strafmassen des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966108 über den Natur- und Heimatschutz (NHG).

Das Natur- und Heimatschutzgesetz bezweckt unter anderem die Schonung, den Schutz und die Förderung der Erhaltung und Pflege der Natur- und Kulturdenkmäler von nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung (Art. 1 Bst. a. und Art. 4 NHG).

Der Begriff «Heimatschutz» umfasst auch die Denkmalpflege, welche sich mit der Erhaltung, der archäologischen Erforschung, der Ausgrabung und der Aufnahme von kunsthistorisch und geschichtlich bedeutsamen Bauten und deren Bestandteilen befasst.109 Diese Umschreibung lässt erkennen, dass es sich bei den Objekten nach dem Natur- und Heimatschutzgesetz um solche handelt, die den Kulturgütern im Sinne des Kulturgütertransfergesetzes verwandt und somit vergleichbare Rechtsgüter sind. Eine Übernahme der Strafmasse ist deshalb gerechtfertigt und drängt sich vor allem im Hinblick auf eine einheitliche Gesetzgebung auf.

Vergehen (Art. 24 KGTG) In Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a­e KGTG werden Tätigkeiten aufgelistet, deren vorsätzliche Ausübung mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse bis zu 100 000 Franken bestraft wird. Dazu gehören die Einfuhr, der Verkauf, der Vertrieb, die Vermittlung, der Erwerb oder die Ausfuhr von Kulturgütern, die gestohlen oder gegen den Willen des Eigentümers oder der Eigentümerin abhanden gekommen sind (Art. 24 Abs. 1 Bst. a), die unrechtmässige Aneignung von Grabungsfunden im Sinne von Artikel 724 ZGB (Bst. b), die rechtswidrige Einfuhr von Kulturgütern (in Verletzung einer Vereinbarung nach Artikel 7 oder einer Massnahme nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a KGTG) oder die Falschdeklaration bei der Einfuhr (Art. 24 Abs. 1 Bst. c) sowie die rechtswidrige Ausfuhr der in Bundesverzeichnis erfassten Kulturgüter oder die Falschdeklaration bei der Ausfuhr (Art. 24 Abs. 1 Bst. d). Vergehen bei der Einfuhr und Ausfuhr werden von den Zollorganen bei den kantonalen Strafverfolgungsbehörden angezeigt. Als Ein-, Durch-
und Ausfuhr gilt nach Praxis des Bundesgerichts «die Beförderung der Ware über die schweizerische Zollgrenze»110. In Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe e KGTG wird eine strafbare Handlung im Zusammenhang mit dem Kunsthandel und dem Auktionswesen erfasst (Missachten der Aufzeichnungspflicht im Sinne von Art. 17 KGTG). Im Falle der Verletzung der Aufzeichnungspflicht rechtfertigt sich eine abweichende Qualifizierung gegenüber dem Straftatbestand der ordnungswidrigen Führung von Geschäftsbüchern (Art. 325 StGB; Strafandrohung Haft oder Busse), indem es nicht um eine kaufmännische Buchführung geht, sondern um die Aufzeichnung über den Handel mit besonders schützenswerten Gütern. Kunsthandel und Auktionswesen tragen in diesem Bereich eine erhöhte Verantwortung. Die Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist daher mit 108 109

SR 451 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz, BBl 1991 III, S. 1121 f.

110 BGE 119 IV 83, E. 3b

598

dem Tatbestand der Unterlassung der Buchführung nach Artikel 166 StGB111 vergleichbar, welcher die Verletzung der Buchführungspflichten, wenn sie zum Konkurs oder zu Verlustscheinen führt, mit Gefängnis oder Busse bestraft.

Artikel 24 Absatz 2 KGTG privilegiert die fahrlässige Begehung der Tatbestände von Absatz 1, indem diese Vergehen mit Busse bis zu 40 000 Franken bedroht werden. Der Tatbestand ist als Vergehen ausgestaltet. Strafbar sind nach der in der Schweiz vorherrschenden Auffassung einzig natürliche Personen.

Erfolgt der rechtswidrige Umgang mit Kulturgütern gewerbsmässig, wird dies nach Absatz 3 als qualifizierter Straftatbestand behandelt. Die Erfüllung dieses Straftatbestandes wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Busse bis zu 200 000 Franken bestraft. Für den Begriff der Gewerbsmässigkeit ist die bundesgerichtliche Praxis im Bereich des Strafrechts massgebend, die dem Täter Gewerbsmässigkeit anlastet, «wenn sich aus der Zeit und Mitteln, die er für die deliktischen Tätigkeiten aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktischen Tätigkeiten nach Art eines Berufs ausübt. (...) Wesentlich für die Annahme der Gewerbsmässigkeit ist, dass der Täter durch die deliktischen Handlungen relativ regelmässig Einnahmen erzielt und anstrebt, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen.»112 Der Strafrahmen, insbesondere das Bussenmaximum, ist auf diese Vorstellung der Gewerbsmässigkeit ausgerichtet.

Soweit die Strafandrohung des Artikels 24 wahlweise eine Freiheitsstrafe oder eine Busse vorsieht, bleibt es dem Gericht unbenommen, nach dem Grundsatz von Artikel 50 Absatz 2 StGB beide Strafen zu verbinden.

Wird die Tat nach einer anderen Bestimmung mit einer höheren Strafe bedroht, bleibt die Bestrafung nach dieser Bestimmung vorbehalten. Dabei kann es sich beispielsweise um die Artikel 138 (Veruntreuung), 139 (Diebstahl), 140 (Raub), 160 (Hehlerei) und 305bis (Geldwäscherei) des Strafgesetzbuches handeln.

Übertretungen (Art. 25 KGTG) Artikel 25 Absatz 1 Buchstaben a und b KGTG stellen für die im Kunsthandel oder Auktionswesen tätigen Personen das Missachten der erhöhten Sorgfalts- und Informationspflichten nach Artikel 16
KGTG sowie der Auskunftspflicht und der Gewährung von Zugang nach Artikel 18 KGTG als Übertretung unter Strafe. Absatz 1 nennt als Strafmass die Busse bis zu 20 000 Franken. Mit der Strafbefreiungsklausel in Absatz 3 wird den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, in leichten Fällen auf eine Strafverfolgung oder Bestrafung zu verzichten (Opportunitätsprinzip).

Widerhandlung in Geschäftsbetrieben (Art. 26 KGTG) Nach Artikel 1 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974113 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) ist dieses nur direkt anwendbar, wenn die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen durch eine Bundesbehörde erfolgt. Abweichend vom

111 112 113

SR 311.0 BGE 116 IV 319, E. 4 und 4c; bestätigt in BGE 117 IV 120, E. 1c.

SR 313.0

599

sonst anwendbaren allgemeinen Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuches kennt das Verwaltungsstrafrecht in Artikel 6 und 7 eine besondere Regelung für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben und durch Beauftragte. In Artikel 6 Absätze 1 und 2 VStrR wird der Zugriff auf die strafrechtlich verantwortliche Person erleichtert: Absatz 1 bezieht sich auf die handelnde Person als solche und Absatz 2 erstreckt die Verantwortlichkeit auf die Geschäftsleute, die Arbeitgebenden, die Auftraggebenden oder die Vertretenen, die es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlassen, eine Widerhandlung der Untergebenen, Beauftragten oder Vertreter und Vertreterinnen abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben.

Nach Artikel 7 VStrR besteht eine beschränkte Strafbarkeit von juristischen Personen, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaften und Einzelfirmen. Kommt eine Busse von höchstens 5000 Franken in Betracht und würde die Ermittlung der nach Artikel 6 VStrR strafbaren Person Untersuchungsmassnahmen bedingen, die im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären, so kann von einer Verfolgung dieser Personen Abstand genommen und an ihrer Stelle die juristische Person, die Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder die Einzelfirma zur Bezahlung der Busse verurteilt werden.

Strafverfolgung (Art. 27 KGTG) Artikel 27 Absatz 1 KGTG stellt klar, dass die Strafverfolgung der im Kulturgütertransfergesetz umschriebenen Delikte Sache der Kantone ist.

Einziehung von Kulturgütern und Vermögenswerten (Art. 28 KGTG) Die Einziehung von Kulturgütern und Vermögenswerten in Folge einer Massnahme nach diesem Gesetz wird vom zuständigen Gericht ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person verfügt, wenn und soweit keine Gewähr für eine rechtmässige weitere Verwendung der Kulturgüter geboten ist (Art. 28 Abs. 1 KGTG). Die eingezogenen Kulturgüter und Vermögenswerte verfallen dem Bund; der Bundesrat regelt ihre weitere Verwendung unter Berücksichtigung der Ziele dieses Gesetzes (Abs. 2). Insbesondere können eingezogene Kulturgüter an die Berechtigten zurückgegeben oder in ihr Ursprungsland zurückgeführt werden.

Mitteilungspflicht (Art. 29 KGTG) Für die Zollbehörden und die zuständigen Strafverfolgungsbehörden, also auch Polizeiorgane der Kantone und Gemeinden, besteht eine Mitteilungspflicht:
Widerhandlungen gegen dieses Gesetz müssen der Fachstelle mitgeteilt werden (Art. 29 KGTG). Auf Grund dieser Mitteilungen hat die Fachstelle die Möglichkeit, die Entwicklung im Bereich des illegalen Kulturgütertransfers in der Schweiz statistisch zu erfassen und zu verfolgen und auf dieser Grundlage ihre Beratungsfunktionen wahrzunehmen.

2.2.12

10. Abschnitt: Rechtsmittel und Datenschutz (Art. 30 KGTG)

Gemäss Artikel 30 Absatz 1 steht den Betroffenen gegen Verfügungen nach diesem Gesetz der Beschwerdeweg offen. Das Rechtsschutzverfahren richtet sich nach den 600

«allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege», wozu auch das Bundesgesetz vom 15. Juni 1934114 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP) und das Bundesgesetz vom 22. März 1974115 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) zählen. Zu beachten ist, dass in Fällen, in denen es um Fragen der Aussenpolitik geht, der Bundesrat die letzte Beschwerdeinstanz ist (Art. 72 VwVG116 i.V.m. Art. 100 Bst. a Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943117 über die Organisation der Bundesrechtspflege [Bundesrechtspflegegesetz, OG]). Andere Fälle sollen gestützt auf Artikel 97 OG letztinstanzlich mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden können.

Artikel 30 Absatz 2 KGTG verweist für die Bearbeitung von Personendaten auf die Gesetzgebung über den Datenschutz: Die Bearbeitung von Personendaten nach Kulturgütertransfergesetz untersteht dessen Bestimmungen.

Der Geltungsbereich des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992118 über den Datenschutz (DSG) erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Personendaten. Das Datenschutzgesetz will sowohl natürliche als auch juristische Personen schützen, da beide durch Datenbearbeitung in ihren Rechten beeinträchtigt werden können. Es gilt für den öffentlich-rechtlichen wie auch für den privatrechtlichen Bereich und bezweckt eine mit rechtmässigen Mitteln erfolgte und nicht gegen Treu und Glauben verstossende Beschaffung von Personendaten.119 Im Zusammenhang mit dem Kulturgütertransfergesetz erfolgt die Erhebung von Personendaten insbesondere im Rahmen der Aufzeichnungspflicht nach Artikel 17 KGTG. Da es sich bei den nach Artikel 17 KGTG gesammelten Daten um Informationen handelt, die eindeutig in den Geltungsbereich des Datenschutzgesetzes fallen, beschränkt sich das Kulturgütertransfergesetz darauf, auf dessen Anwendbarkeit zu verweisen.

2.2.13

11. Abschnitt: Schlussbestimmungen (Art. 31­33 KGTG)

Der 11. Abschnitt handelt vom Vollzug und den Änderungen verschiedener Gesetze, die Schnittstellen zum KGTG aufweisen (Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, Naturund Heimatschutzgesetz und Bundesgesetz über das internationale Privatrecht). Ein Teil dieser Bestimmungen konkretisiert folgende Verpflichtungen der UNESCOKonvention 1970:

114 115 116 117 118 119

­

Art. 2 Abs. 2:

Bekämpfung der rechtswidrigen Übereignung von Kulturgut (allgemeine Verpflichtung: «mit den Ihnen [den Vertragsstaaten] zur Verfügung stehenden Mitteln»);

­

Art. 7 Bst. b ii:

Rückgabe von Kulturgut, das aus einem Museum oder einer ähnlichen Einrichtung gestohlen wurde (spezifische Verpflichtung);

SR 312.0 SR 313.0 SR 172.021 SR 173.110 SR 235.1 Vgl. Botschaft zum Datenschutzgesetz in BBl 1988 II 431 f.

601

­

Art. 13 Bst. c:

Zulassung von Verfahren zur Wiedererlangung abhanden gekommenen Kulturguts (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung»);

­

Art. 13 Bst. d:

Anerkennung des Rechtes eines Vertragsstaates, gewisse Kulturgüter als unveräusserlich einzustufen und ihre Ausfuhr zu untersagen (allgemeine Verpflichtung: «im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung»).

2.2.13.1

Vollzug (Art. 31 KGTG)

Artikel 31 KGTG ermächtigt den Bundesrat zum Erlass der Ausführungsvorschriften. Diese Vollzugskompetenz des Bundesrates ergibt sich direkt aus Artikel 182 Absatz 2 BV. Der Bundesrat ist dabei an die Grundsätze des Legalitätsprinzips gebunden.

2.2.13.2

Änderungen bisherigen Rechts (Art. 32 KGTG)

Artikel 32 KGTG sieht die Änderungen verschiedener Gesetze vor, die Schnittstellen zum Kulturgütertransfergesetz aufweisen. Es betrifft das Zivilgesetzbuch, das Obligationenrecht, das Natur- und Heimatschutzgesetz und das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht.

Art. 724 Abs. 1 ZGB Für einen besseren Schutz des schweizerischen archäologischen Erbes soll die gegenwärtig nicht eindeutig formulierte Bestimmung von Artikel 724 Absatz 1 ZGB im Sinne der herrschenden Lehre redaktionell präzisiert werden (Art. 32 KGTG).

Weiter wird festgehalten, dass Grabungsfunde ohne Bewilligung der kantonalen Behörde nicht verkehrsfähig sind (Art. 32 KGTG ­ ZGB Art. 724 Abs. 1bis [neu]).

Werden solche Objekte illegal ausgegraben und eignet sie sich jemand an, kann sie der Kanton in der Schweiz jederzeit und von jeder Person zurückfordern. Dies bedeutet eine Verstärkung des Schutzes des schweizerischen archäologischen Erbes im Rahmen von Artikel 724 ZGB, wie dies von den Kantonen in den verschiedenen Vernehmlassungen gefordert wurde.

Art. 728 Abs. 1bis (neu) und Art. 934 Abs. 1bis (neu) ZGB Ein grosses Problem für einen bestohlenen Eigentümer oder eine bestohlene Eigentümerin im Zusammenhang mit dem illegalen Kulturgütertransfer sind gegenwärtig die fünfjährige Ersitzungsfrist von Artikel 728 und die Verwirkungsfrist von Artikel 934 ZGB: Wurde ein gestohlenes Objekt in gutem Glauben im Handel erworben, ist es dem bestohlenen Eigentümer oder der bestohlenen Eigentümerin nach fünf Jahren verwehrt, die gestohlene Sache wieder zurückzuerlangen. Wie die Praxis und der internationale Vergleich zeigen, sind diese Fristen viel zu kurz. Durch eine Erhöhung der Ersitzungsfrist von Artikel 728 und der Rückforderungsfrist von Artikel 934 ZGB in Artikel 32 KGTG auf 30 Jahre passen wir uns den internationalen 602

Standards an. Damit können nicht nur im In- und Ausland gestohlene, sondern auch sonst wie gegen den Willen des Eigentümers oder der Eigentümerin abhanden gekommene Kulturgüter während 30 Jahren von einem gutgläubigen Erwerber zurückgefordert werden. Das gilt auch für illegal ausgegrabene archäologische oder paläontologische Objekte, sofern sie der Ursprungsstaat als Staatseigentum ansieht. Dies ist beispielsweise in Ägypten, Griechenland, Italien und der Türkei der Fall: Ein Grabraub ist eine Fundunterschlagung, wodurch dem Ursprungsstaat der Fund abhanden kommt (vgl. auch Art. 724 Abs. 1 ZGB). Vorbehalten bleiben in Artikel 728 Absatz 1bis (neu) die gesetzlichen Ausnahmen wie beispielsweise Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1998120 über die Archivierung sowie Artikel 3 Absatz 2 KGTG, welche keine Verjährung vorsehen.

In Zusammenhang mit den längeren Fristen sei auf die vom Bund in Auftrag gegebenen Gutachten zur UNESCO-Konvention 1970 und zur Unidroit-Konvention hingewiesen, insbesondere an das verfassungsrechtliche Gutachten von Professor J.-F. Aubert. Es verweist bezüglich der fünfzigjährigen Verjährungsfrist der Unidroit-Konvention auf die Tatsache, dass die Bestimmungen des schweizerischen Zivilrechts über die Verjährungsfristen keine Bestimmungen der Bundesverfassung sind, und folgert: «Der Bundesgesetzgeber kann sie somit ändern und beispielsweise lange Verjährungsfristen für besondere Forderungen einführen, ohne dass dies eine Verfassungsänderung erfordert.»121 30 Jahre entsprechen einer Generation. Das schweizerische Zivilgesetzbuch kennt in der Bestimmung von Artikel 662 ZGB bei der ausserordentlichen Ersitzung eine Frist von 30 Jahren. Diese geht auf die «longissimi temporis praescriptio» im römischen Recht zurück, die ebenfalls 30 Jahre betrug. Auch in anderen Spezialgesetzen sind dreissigjährige Verjährungsfristen vorgesehen: Artikel 10 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983122 (KHG), Artikel 40 Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991123 (StSG). Eine längere Verjährungsfrist ist zudem in der Gen-Lex-Vorlage124 vorgesehen, welche das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983125 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) mit Artikel 59 Buchstabe c (neu) ergänzen will. Die Gen-Lex-Vorlage befindet sich gegenwärtig zur Beratung im Parlament. Im Rahmen der Vernehmlassung war
die überwiegende Mehrheit der Antwortenden mit der vorgeschlagenen Heraufsetzung der Fristen für die Rückforderung gestohlener Kulturgüter auf 30 Jahre einverstanden; eine Minderheit wollte entweder höhere oder tiefere Fristen.126 Die dreissigjährige absolute Verjährungsfrist wird durch eine einjährige relative Verjährungsfrist ergänzt: Sobald die berechtigte Person weiss, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, muss sie innerhalb eines Jahres Klage erheben, andernfalls verwirkt ihr Anspruch. Zu beachten bleibt, dass das Kulturgütertransfergesetz den Eigentümer oder die Eigentümerin in den ersten Jahren nach erfolgtem Diebstahl 120 121

122 123 124 125 126

SR 152.1 Jean-François Aubert in: Internationaler Kulturgütertransfer: Dokumentation ­ documentation ­ documentazione. Vom Bund in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Bern 1998, S. 27 f.

SR 732.44 SR 814.50 BBl 2000 III 2413 ff.

SR 814.01 Für 8 Kantone, SP und Grüne sollten die Fristen auf 50 Jahre erhöht werden oder sogar unverjährbar sein. Der Kanton BS, die SVP, die Organisationen des Kunsthandels und die Sammler hingegen forderten Fristen von 10 bzw. 20 Jahren.

603

schlechter als das geltende Recht stellt. Während sie nach geltendem Recht die Sache während fünf Jahren herausverlangen können (Art. 934 ZGB), müssen sie in Bezug auf Kulturgüter in Zukunft eine relative Verjährungsfrist von einem Jahr (ab Kenntnis des Besitzers) beachten. Diese Schlechterstellung wird indes durch die absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren mehr als aufgewogen.

Artikel 934 Absatz 2 ZGB, wonach eine im Handel in gutem Glauben erworbene Sache nur gegen Vergütung des bezahlten Preises abgefordert werden kann, bleibt bestehen. Gemäss Artikel 939 Absatz 1 ZGB können gutgläubige Besitzer und Besitzerinnen für die notwendigen und nützlichen Aufwendungen, wie beispielsweise konservatorische Massnahmen, die sie zur Bewahrung und Erhaltung des Kulturguts getroffen haben, vollen Ersatz beanspruchen.

Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung zum guten Glauben (Art. 3 ZGB) bestehen generell höhere Anforderungen an die Erkundigungspflicht des Erwerbers in jenen Geschäftszweigen, «die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind, wie es beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall ist».127 Eine im Antiquitätenhandel nicht ganz unerfahrene Person muss auf das erhöhte Risiko einer dunklen Herkunft der Objekte Acht geben und hat eine erhöhte Sorgfalt walten zu lassen.128 Für die Prüfung, ob eine Person beim Erwerb mit der notwendigen Sorgfalt gehandelt hat, werden alle für den Erwerb massgeblichen Umstände berücksichtigt. Dazu gehören beispielsweise die persönlichen Eigenschaften der Parteien wie deren Branchenvertrautheit, das gezahlte Entgelt sowie Abklärung in den einschlägigen Verzeichnissen gestohlener Kulturgüter. Der Sorgfaltsmassstab verschärft sich mit steigender Fach- und Sachkenntnis des Erwerbers oder der Erwerberin. Weiter soll die Person alle Auskünfte einholen, die sie vernünftigerweise erlangen kann, und Organisationen zu Rate ziehen, zu denen sie Zugang hat. Bei Grabungsfunden können diesen Zweck wissenschaftliche Publikationen oder veröffentlichte Grabungsrapporte erfüllen. Bei bösem Glauben bleibt Artikel 936 ZGB vorbehalten: Wer eine Sache in bösem Glauben erworben hat, kann jederzeit auf Rückgabe belangt werden (Unverjährbarkeit).

Kunstsammlerkreise verlangten in der Vernehmlassung,
dass eine Meldepflicht für Bestohlene eingeführt wird: Wem ein Kulturgut gestohlen wird, soll dazu verpflichtet sein, den Diebstahl zu melden, andernfalls er seinen Rückgabeanspruch verliert. Der Vorschlag wurde geprüft, letztendlich aber verworfen. Eine solche Meldepflicht würde einen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie des bestohlenen Eigentümers bedeuten. Auch würde sie dem System des Strafgesetzbuches, das für Diebstahl auch keine Meldepflicht vorsieht und von Artikel 934 bzw. 936 ZGB zuwiderlaufen: Diese Bestimmung bezieht sich nicht nur auf gestohlene, sondern auch auf sonst wie gegen den Willen des Eigentümers abhanden gekommene Objekte. Bei Letzteren kann es sich auch um archäologische Objekte handeln, die sich im Boden befanden. Es liegt in der Natur der Sache, dass es nicht möglich ist, solche Objekte als abhanden gekommen zu melden, da sie vor ihrer Ausgrabung nicht bekannt waren. Weiter müsste für eine solche Verpflichtung ein von allen Vertragsstaaten der Konvention anerkanntes Register zur Verfügung stehen. Dies ist heute nicht der Fall. Schliesslich liegt es bereits nach heutigem Recht 127 128

604

BGE 113 II 400, E. 2b, bestätigt in BGE 122 III 1, E. 2a bb.

BGE 123 II 134, E. 6

im Interesse der bestohlenen Person, einen Diebstahl so rasch wie möglich zu melden und publik zu machen, weil sie andernfalls riskiert, dass jemand das Kulturgut gutgläubig erwerben kann, da er oder sie bei Nachforschungen auf keine gegenteiligen Indizien gestossen ist. Die bestohlene Person könnte das Kulturgut dann nur zurückerhalten, falls sie den bezahlten Preis erstattet.

Die UNESCO-Konvention 1970 sieht lediglich einen öffentlich-rechtlichen Klageanspruch auf Rückgabe von Kulturgütern vor, die aus einem Museum, einem öffentlichen Bauwerk oder einer ähnlichen Einrichtung in einem Vertragsstaat entwendet wurden (Art. 7 Bst. b ii). Die rasante Zunahme der Kulturgutdiebstähle in den letzten Jahrzehnten erfordert indes einen stärkeren Schutz der bestohlenen Partei. Dies hat sich unter anderem auch in Artikel 3 der Unidroit-Konvention niedergeschlagen, der sich auf alle Kulturgüter bezieht, unabhängig davon, wo sie gestohlen wurden. Mit der vorliegenden Gesetzgebung geht die Schweiz in der Regelung der Rückgabe gestohlener oder sonst wie abhanden gekommener Kulturgüter aus diesem Grund ebenfalls über die reinen Konventionsverpflichtungen der UNESCOKonvention 1970 hinaus und passt sie den internationalen Standards an. Das KGTG sieht in Artikel 32 ­ entsprechend ZGB Artikel 728 Absatz 1bis (neu) ­ vor, dass alle bestohlenen Eigentümerinnen und Eigentümer von der Erhöhung der absoluten Frist auf 30 Jahre profitieren.

196 bis (neu) OR und Art. 210 Abs. 1bis (neu) OR Mit der Erhöhung der absoluten Ersitzungsfrist (Art. 728 Abs. 1bis [neu] ZGB) und der Verjährungsfrist des Rückforderungsrechts (Art. 934 Abs. 1bis [neu] ZGB) auf 30 Jahre räumt das Kulturgütertransfergesetz der besserberechtigten Drittperson eines Kulturgutes einen stärkeren sachenrechtlichen Schutz ein. Er soll im gleichen Umfang auch dem gutgläubigen Käufer oder der gutgläubigen Käuferin eines mit einem Rechts- oder Sachmangel behafteten Kulturgutes gewährt werden: Artikel 32 KGTG erhöht mit Einführung von Artikel 196bis (neu) OR und Artikel 210 Abs. 1bis (neu) OR die Verjährungsfrist sowohl für den Anspruch aus Gewährleistung wegen Rechtsmangel (Art. 192 ff. OR) als auch für denjenigen aus Gewährleistung wegen Sachmangel (Art. 197 ff. OR) auf 30 Jahre. Das heisst, der Käufer oder die Käuferin hat auf Grund der erhöhten Verjährungsfrist
die Möglichkeit, während 30 Jahren den vertraglichen Anspruch aus Gewährleistung wegen Rechts- oder Sachmängel geltend zu machen. Dabei handelt es sich um eine absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren, die mit Vertragsschluss zu laufen beginnt. Die relative Frist beträgt ein Jahr.

Kann der Käufer oder die Käuferin auf Grund der erhöhten Verjährungsfrist während 30 Jahren den vertraglichen Anspruch aus Gewährleistung geltend machen, vermindert dies die Attraktivität des Handels mit Objekten dunkler Herkunft: Der Verkäufer oder die Verkäuferin dürfte sich um mehr Sorgfalt im Geschäftsverhalten bemühen, wenn er oder sie um die Möglichkeit einer Klage des Käufers oder der Käuferin während 30 Jahren weiss.

Die Klage auf Gewährleistung des veräusserten Rechts sowie diejenige auf Gewährleistung wegen Sachmängel geht auch auf Schadenersatz nach den Artikeln 195, 196 und 208 OR. Der Schadenersatz umfasst das negative und das positive Interesse, d.h. sowohl den entstandenen Schaden (Kaufpreis, Zinsen und Aufwendungen ­ vgl.

605

Art. 939 Abs. 1 ZGB) als auch den entgangenen Gewinn. Die Klage auf Gewährleistung des veräusserten Rechts (Art. 192 ff. OR) kommt in der Praxis dann zum Tragen, wenn ein Käufer oder eine Käuferin das erworbene Kulturgut einer besserberechtigten Drittperson, welcher das Kulturgut wider ihren Willen abhanden gekommen ist, zurückgeben muss. Gestützt auf die durch Artikel 32 KGTG auf 30 Jahre erhöhten Fristen für die Ersitzung von Kulturgütern (Art. 728 Abs. 1bis [neu] ZGB) sowie für das Rückforderungsrecht abhanden gekommener Kulturgüter (Art. 934 Abs. 1bis [neu] ZGB) hat eine besserberechtigte Drittperson die Möglichkeit, ihr Rückforderungsrecht im Rahmen der Rechtsmängelgewährleistung nach Artikel 196bis (neu) OR während 30 Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages geltend zu machen. Die Erhöhung der Frist gründet in der Überlegung, dass der Käufer oder die Käuferin eines Kulturgutes das Risiko der Eviktionshaftung nicht alleine tragen soll.

Artikel 210 Absatz 1bis (neu) OR bezieht sich auf die Sachmängelgewährleistung bei Sachmängeln rechtlicher Natur. Im Zusammenhang mit dem Kulturgütertransfer kann er namentlich dann relevant sein, wenn er ein Kulturgut betrifft, dessen Einfuhr gemäss Artikel 7 Absatz 1 oder 8 KGTG einer öffentlich-rechtlichen Beschränkung unterliegt. Verstösst ein in der Schweiz abgeschlossener Kaufvertrag über ein Kulturgut eines Vertragsstaates gegen eine solche Beschränkung, ist das betreffende Kulturgut mit einem Sachmangel rechtlicher Natur im Sinne von Artikel 197 OR behaftet. In diesem Fall kann der betroffene Vertragsstaat das Kulturgut während 30 Jahren seit seiner rechtswidrigen Ausfuhr zurückverlangen (Art. 9 KGTG). Bedeutet die Rückführung für den Käufer oder die Käuferin einen Schaden, ergibt sich für sie aus der Verjährungsfrist nach Art. 210 Absatz 1bis (neu) OR ein erweiterter Rechtsbehelf: Sofern sie den Sachmangel bei Kaufvertrag weder kannten noch hätten kennen müssen, können sie während 30 Jahren auf Gewährleistung wegen Mängel der Kaufsache (Art. 197 ff. OR) gegen den Verkäufer oder die Verkäuferin vorgehen.

Art. 24 Abs. 1 Bst. c NHG Die redaktionelle Änderung von Artikel 724 Absatz 1 ZGB wird auch in Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c des Natur- und Heimatschutzgesetzes129 übernommen. Damit werden beide Bestimmungen aufeinander abgestimmt.

Art. 98a (neu)
IPRG Artikel 98 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987130 über das Internationale Privatrecht (IPRG) soll durch einen Artikel 98a ergänzt werden. Er sieht für den Streit um die Rückführung rechtswidrig eingeführter Kulturgüter alternativ das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem sich das Kulturgut befindet, vor. Damit wird auch an die geltende Bestimmung des Bundesgesetzes vom 24. März 2000131 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG) angeknüpft. Sowohl das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht als auch das Gerichtsstandsgesetz begründen den Gerichtsstand alternativ: Artikel 20 GestG bestimmt, dass für Klagen über dingliche Rechte oder über den Besitz an beweglichen Sachen das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten 129 130 131

606

SR 451 SR 291 SR 272

Partei oder ­ alternativ ­ das Gericht am Ort, an dem sich die Sache befindet, zuständig ist; Artikel 98 Absatz 1 IPRG legt fest, dass für Klagen betreffend dingliche Rechte an beweglichen Sachen die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten zuständig sind. Hat der Beklagte in der Schweiz weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, so sind die schweizerischen Gerichte am Ort der gelegenen Sache zuständig (Art. 98 Abs. 2 IPRG). Damit für die Rückführung rechtswidrig eingeführter Kulturgüter im Sinne von Artikel 9 KGTG der gleiche Rechtsweg und der gleiche Instanzenzug gilt wie für Klagen über dingliche Rechte oder über den Besitz ­ beispielsweise für gestohlene oder sonst wie abhanden gekommene Kulturgüter im Sinne von Artikel 934 ZGB ­, sollen die ordentlichen Zivilgerichte für diese Klagen zuständig sein. Dies ist insofern zweckmässig, als ein Kulturgut gleichzeitig unter Artikel 934 ZGB und Artikel 9 KGTG fallen kann. Das ist beispielsweise bei Kulturgütern aus Raubgrabungen der Fall, wenn sie sich im Eigentum des Ursprungsstaats befinden und die Schweiz mit diesem Staat ein Abkommen im Sinn von Artikel 7 KGTG abgeschlossen hat.132 Zu erwähnen bleibt, dass das LuganoÜbereinkommen133, abgesehen vom allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand des Beklagten, hierzu keine besondere Bestimmung enthält.

Eine allfällige Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile richtet sich nach Artikel 26 ff. Lugano-Übereinkommen beziehungsweise Artikel 25 ff. IPRG.

Für jene Urteile, die nicht in Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens gesprochen wurden, gelten Artikel 25 ff. IPRG.

2.2.13.3

Referendum und Inkrafttreten (Art. 33 KGTG)

Der Artikel 33 KGTG enthält die übliche Bestimmung über Referendum und Inkrafttreten.

Auf Grund dieser Bestimmung ist eine Rückwirkung ausgeschlossen. Dies bedeutet, dass das Gesetz ausschliesslich Handlungen erfasst, die nach seinem Inkrafttreten getätigt wurden. Diebstähle, illegale Ausgrabungen oder rechtswidrige Ein- und Ausfuhren in die Schweiz, die vor Inkrafttreten stattgefunden haben, fallen nicht darunter.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Die Einführung eines neuen Kulturgütertransfergesetzes wird einen gewissen personellen Mehraufwand mit sich bringen. Er wird in erster Linie in die in Artikel 19 KGTG beschriebene Fachstelle einfliessen. Sie wird das Bundesverzeichnis aufbauen, führen und publizieren sowie die Verknüpfung mit kantonalen Verzeichnissen nach Artikel 4 KGTG betreuen. Weiter wird sie die Ausarbeitung der bilateralen Verträge nach Artikel 7 KGTG vorbereiten und deren Umsetzung begleiten. Hierbei 132 133

Vgl. Ziffer 2.2.5, Ausführungen zu Art. 9 KGTG.

SR 0.275.11

607

wird die fachliche Unterstützung in kulturellen Fragen der Zoll- und Strafverfolgungsbehörden eine wesentliche Aufgabe sein (Information, Schulung und Koordination). Als weitere wichtige Aufgaben sind die Zusammenarbeit mit den Kantonen (Beratung und Interessenvertretung) und die Information der interessierten Kreise (Sammlerinnen und Sammler, Kunsthandel und Museen) zu nennen. Daneben muss die Fachstelle Aufgaben im Zusammenhang mit der Rückführung von Kulturgütern, der Erteilung von Rückgabegarantien und der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden übernehmen. Hierbei geht es um neue gesetzliche Aufgaben (Übernahme internationaler Verpflichtungen), die zu einer Mehrbelastung der damit befassten Amtsstelle führen werden. Ohne zusätzliche Stellen wird die Auftragserfüllung nicht möglich sein. Es ist davon auszugehen, dass die Fachstelle mit vier Stellen besetzt werden muss. Dies entspricht einem Mehraufwand von rund 640 000 Franken einschliesslich Arbeitsplatzkosten.134 Die Vorlage sieht weiter die Möglichkeit der Gewährung von Finanzhilfen zu Gunsten der Bewahrung des Kulturerbes vor (Art. 14 KGTG). Für diese Finanzhilfen braucht es einen ständigen Kredit von einer Million Franken jährlich. Damit sollen beispielsweise in Zusammenarbeit mit der UNESCO Inventarisierungsprojekte und Sicherheitsmassnahmen in ausländischen Museen mitfinanziert sowie Ausgrabungsund Restaurationsprojekte unterstützt werden. Für Einzelfälle, in denen rasch gehandelt werden muss, weil die Zerstörung von Kulturgütern imminent ist (Beispiel Afghanistan), werden Nachtragskredite beantragt. Da es sich dabei um Subventionsbestimmungen handelt, kommt Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV über die Ausgabenbremse zur Anwendung.

3.2

Auswirkungen für die Informatik

Aus der Betreuung des Bundesverzeichnisses und der umfassenden Informationspflicht der Fachstelle wird ein konstanter Bedarf an Informatikressourcen entstehen.

Die Einrichtung der Datenbank für das Bundesverzeichnis im Sinne von Artikel 3 KGTG sowie die Verknüpfung der kantonalen Verzeichnisse im Sinne von Artikel 4 KGTG verursacht Informatikaufwand in der Grössenordnung einer einmaligen Investition von 500 000 Franken für die Konzeption und Realisierung einer Datenbank und von 25 000 Franken pro Jahr für den laufenden Betrieb (Unterhalt und Anpassungen).

3.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone

Falls die Kantone aus den Schutzmassnahmen der UNESCO-Konvention 1970 Nutzen ziehen wollen, müssen sie die Konvention im Rahmen ihrer Zuständigkeit umsetzen. Jeder Kanton bestimmt selber, wie er den Schutz des kulturellen Erbes auf seinem Kantonsgebiet regeln will. Insbesondere ist jeder Kanton frei zu bestimmen, ob er die Ausfuhr von Kulturgütern aus seinem Kantonsgebiet überhaupt regeln will.

Um die Grenzkontrolle bei der Ausfuhr zu vereinfachen, ist vorgesehen, den ent134

608

Annahme von 160 000 Franken durchschnittlich Personalvoll- und Arbeitsplatzkosten pro Stelle.

sprechenden Kulturgüterverzeichnissen der Kantone auf dem elektronischen Kulturgüterverzeichnis des Bundes mittels Verknüpfung eine Plattform einzurichten. Vorgesehen ist überdies die fachliche Unterstützung des kantonalen Vollzugs durch die Fachstelle.

Artikel 15 KGTG enthält Erwerbsregeln für die Institutionen des Bundes, womit die diesbezügliche Verpflichtung der UNESCO-Konvention 1970 umgesetzt wird.

Kantone, die für ihre kantonalen Institutionen noch keine entsprechenden Vorschriften erlassen haben, müssen nach Ratifikation der UNESCO-Konvention 1970 ebenfalls Umsetzungsmassnahmen einführen.

Das Zusammenwirken zwischen Bund und Kantonen beim Geltendmachen von Rückführungsansprüchen, bei der Klage auf Rückführung sowie im Rahmen der Mitteilungspflichten gemäss Artikel 21 Absatz 2 und Artikel 29 KGTG wird auf Verordnungsstufe zu regeln sein. In diesen Bereichen kann sich für die Kantone ein gewisses Mass an Mehraufwand ergeben. Er dürfte sich allerdings in engen Grenzen halten, verfügen die Kantone doch grundsätzlich bereits über die notwendigen Behörden und die erforderliche Infrastruktur. Dem allfälligen Mehraufwand stehen zudem gewisse Entlastungen gegenüber, die sie von der Fachstelle des Bundes erwarten können.

3.4

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Gemäss den Richtlinien des Bundesrates vom 15. September 1999 für die Darstellung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Vorlagen des Bundes135 ist eine Vorlage anhand der nachgenannten Gesichtspunkte zu prüfen (Regulierungsfolgenabschätzung).

3.4.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns

Die Notwendigkeit und die Möglichkeit des staatlichen Handelns wurden unter den vorangehenden Ziffern ausführlich begründet. Es soll aber nochmals betont werden, dass der illegale Kulturgütertransfer den Kulturgütern, den betroffenen Gemeinschaften und dem legalen Kunsthandel schadet. Um den Missbräuchen im Bereich des Kulturgütertransfers entgegenzutreten, sind international abgestimmte Massnahmen und rechtliche Bestimmungen gefordert, die den besonderen Stellenwert der Kulturgüter berücksichtigen und das kulturelle Erbe der Schweiz und dasjenige anderer Länder im Ernstfall wirkungsvoll zu schützen vermögen. Die Schaffung eines Kulturgütertransfergesetzes im Rahmen der Ratifizierung der UNESCO-Konvention 1970 ist dafür das geeignete Mittel, weil die nicht direkt anwendbare internationale Konvention ein in zahlreichen Staaten bereits etabliertes Instrument ist und dem Gesetzgeber gleichzeitig einen Ermessensspielraum in der Umsetzung einräumt. Das Gesetz berücksichtigt in gewissen Teilen die Lösungsansätze der USA und der EU.

Damit ist es in einen internationalen Rahmen eingebunden.

135

BBl 2000 I 1038

609

3.4.2

Auswirkungen auf einzelne gesellschaftliche Gruppen

3.4.2.1

Kunsthandel und Auktionswesen

Die Schweiz spielt auf dem internationalen Kunstmarkt eine wichtige Rolle. Statistische Erhebungen zum jährlichen Umsatz der Kunsthandelsbranche fehlen, doch betrug der Wert der Einfuhren in die Schweiz von «Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten» gemäss Aussenhandelsstatistik im Jahr 2000 über 1,3 Milliarden Franken; die Ausfuhren wurden mit über 1,4 Milliarden Franken verzeichnet. Die Branche zählt zwischen 500 und 700 Betriebe; davon betreibt nur ein kleiner Prozentsatz (etwa 50­70 Betriebe) Handel mit Kulturgut im engeren Sinn gemäss Artikel 2 Absatz 2 KGTG. Für dieses kleine Segment des Handels entstehen folgende Pflichten: Beachtung allfälliger Einfuhrregelungen im Rahmen von Vereinbarungen nach Artikel 7 KGTG und Massnahmen nach Artikel 8 KGTG sowie die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht während 30 Jahren (Art. 17 KGTG).

Hinsichtlich dieser Verpflichtungen sind die verschiedenen Handelszweige gleichzustellen, das heisst sie gelten insbesondere auch für das Auktionswesen.

Die Pflicht zur Beachtung allfälliger Einfuhrregelungen kann für den Kunsthandel zu einem geringfügigen Mehraufwand führen, der jedoch kaum kostenrelevant sein dürfte. Die erforderlichen Auskünfte sind ohne weiteres bei der Fachstelle erhältlich (Art. 19 Abs. 1 Bst. e KGTG). Die geforderte Aufzeichnungspflicht umfasst nur einen Bruchteil der Verpflichtungen, die der Handel bereits heute auf Grund der Mehrwertsteuergesetzgebung zu erfüllen hat. Sie kommt letztlich den Kundinnen und Kunden zugute, aber auch dem Handel selbst, für den es künftig einfacher sein wird, nachzuweisen, dass er alles getan hat, um die Herkunft eines Kulturguts zu überprüfen und somit als gutgläubig zu gelten. Gemäss den Aussagen anlässlich der Hearings und in der Vernehmlassung hat sich gezeigt, dass der überwiegende Teil des Kunsthandels bereits heute über die Beschaffung von Kulturgut Buch führt. Die Händlerinnen und Händler sind für den An- und Verkauf von Kulturgütern und im Hinblick auf verlangte Provenienznachweise auf die einschlägigen Daten angewiesen. Die Pflicht zur Aufbewahrung der Bücher über 30 Jahre kann zu einem gewissen Mehraufwand führen, der insbesondere aber durch die Zulassung neuer Technologien im Bereich der gesetzlichen Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten, wie dies im Rahmen der Revision der Bestimmungen
über die kaufmännische Buchführung im Obligationenrecht vorgesehen ist, sehr gering ausfallen dürfte und deshalb vertretbar ist. Die Beachtung der Sorgfaltspflichten bei der Übertragung von Kulturgütern gemäss Artikel 16 KGTG und die Auskunftspflicht gemäss Artikel 18 KGTG haben für den Kunsthandel keine wirtschaftlichen Konsequenzen. In den weitaus meisten Fällen wird kein zusätzliches Personal benötigt werden, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Damit ist die Vorlage auch KMUverträglich.

Der Kunsthandel wird insgesamt von Massnahmen profitieren können. Zum einen, indem die illegale Ware aus dem Markt gedrängt wird. Dies vermindert auch für den Kunsthandel das Risiko, für ein Geschäft im Nachhinein zur Haftung gezogen zu werden. In dieselbe Richtung wirken die Sorgfaltsregeln, namentlich die Aufzeichnungspflicht, die den Kunsthandel im Ernstfall gegenüber ungerechtfertigten Ansprüchen absichern können. Schliesslich werden die Massnahmen dazu beitragen,

610

dass sich der Ruf der Kompetenz und Seriosität des Schweizer Kunsthandels auf internationaler Ebene festigt.

3.4.2.2

Museen

Der Gesetzesentwurf enthält Erwerbsvorschriften für die Institutionen des Bundes.

Sie entsprechen im Wesentlichen Artikel 3.2 des ICOM-Kodex der Berufsethik vom 4. November 1986136, den sich die Museen selber gegeben haben. Mittel- und langfristig wird die erhöhte Sorgfalt beim Erwerb von Kulturgütern dazu führen, dass keine Kulturgüter mehr in öffentliche Sammlungen gelangen, deren dubiose Provenienz zu einer Belastung für die Sammlungen und ihr Image werden kann.

Die Möglichkeit der Rückgabezusage für Kulturgüter, welche vorübergehend zu Ausstellungszwecken in die Schweiz gelangen, trägt einem wichtigen Anliegen der schweizerischen Museen Rechnung, die auf den ungehinderten internationalen Austausch von Kulturgütern angewiesen sind.

3.4.2.3

Forschung

Im Bereich der Forschung kann auf die zu erwartenden positiven Auswirkungen hingewiesen werden, namentlich für Archäologie und Ethnologie. Es gibt Anzeichen dafür, dass bestimmte Länder zunehmend zurückhaltend sind bei der Erteilung von Grabungsgenehmigungen für Forscherinnen und Forscher aus Staaten, die sich nicht für die internationale Zusammenarbeit im Bereich des Kulturgüterschutzes einsetzen.

3.4.3

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Die Vorlage hat zum Zweck, den illegalen Handel mit Kulturgut zu bekämpfen. Der legale Handel mit Kulturgut in der Schweiz wird nicht beeinträchtigt, sondern wird im Gegenteil von den Massnahmen profitieren. Die klare Trennung vom illegalen Handel wird insgesamt zu einer positiven Profilierung des Kunsthandelsplatzes Schweiz führen. Die im Gesetz festgelegten Sorgfaltsregeln ermöglichen es dem Kunsthandel in Zukunft, im internationalen Handelsgeschäft glaubwürdig für die ethisch und rechtlich einwandfreie Herkunft der Kulturgüter zu bürgen. Dies ist gerade im internationalen Kontakt mit grossen Handelsnationen wie den USA von eminenter Bedeutung, wo eine moralisch und rechtlich einwandfreie Herkunft der Objekte von immer grösserer Bedeutung ist. Aus einer internationalen Perspektive lässt sich deshalb festhalten, dass das gegenwärtige Fehlen gesetzlicher Regelungen auf dem Gebiet des Kulturgütertransfers einen Nachteil für die schweizerische Wirtschaft bedeutet. In diesem Sinne erhoffen wir uns von der Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 positive Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.

136

Deutsche Fassung von ICOM-Deutschland und ICOM-Österreich (Übersetzung von F. Joseph und H. A. Treff): . Original Englisch und Französisch: International Council of Museums (Hrsg.): ICOM Statutes ­ ICOM Code of Professional Ethics, Paris 1996, S. 22 ff.

611

3.4.4

Alternative Regelungen

In der Frage der Einfuhrregelung standen ursprünglich zwei Modelle für eine Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 zur Diskussion: das kanadische und das US-amerikanische. Die kanadische Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 legt fest, dass jede illegale Kulturgüterausfuhr aus einem Vertragsstaat automatisch einer illegalen Einfuhr gleichkommt. Diese Regelung hat den Vorteil, dass sie klar und einfach ist, einen umfassenden Schutz bietet, alle Vertragsstaaten gleich behandelt und sofort wirksam wird. Sie geht letztlich aber weiter als die Unidroit-Konvention, indem sie keine weitere Einschränkung des Bereichs der illegalen Einfuhr vorsieht.137 Ausserdem ist bei einer einseitigen Anerkennung von Ausfuhrverboten die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet. Die USA hingegen haben die Einfuhrkontrolle differenziert umgesetzt: Sie schliessen mit den betroffenen Staaten bilaterale Zusatzabkommen zur UNESCO-Konvention 1970 ab, vorab für archäologische, ethnologische, kultische und sakrale Objekte. Diese Regelung hat den Vorteil, dass sie die ersuchenden Staaten in die Pflicht nimmt, die Einfuhrregelung präzisiert und auf die Problembereiche einschränkt. Unverhältnismässige Rückforderungsansprüche eines ausländischen Staates müssen nicht automatisch anerkannt werden; der bilaterale Vertrag beruht auf einem Konsens, der die spezifischen Interessen beider Vertragsstaaten berücksichtigt. Der Nachteil des US-amerikanischen Modells ist, dass es im Vergleich zur kanadischen Lösung aufwendiger ist und erst mit einiger Verzögerung wirksam wird, entsprechend dem Stand der bilateralen Abschlüsse. Die nun in Artikel 7 KGTG vorgeschlagene Einfuhrregelung geht wie das US-amerikanische System von bilateralen Vereinbarungen aus. Damit werden die Vorzüge dieses Modells wirksam: Es ermöglicht eine zielgerichtete Einfuhrregelung, die für Handel, Museen und Sammler und auch für den Zoll und die Strafverfolgungsbehörden einfach zu handhaben ist. Die von den USA abgeschlossenen Staatsverträge können dabei als Modell beigezogen werden, wie die Kulturgüter, deren Einfuhr geregelt werden soll, für alle involvierten Parteien verständlich und praxisbezogen zu umschreiben sind.

Was die Aufzeichnungspflicht des Kunsthandels gemäss Artikel 17 KGTG (Umsetzung der Verpflichtung von Artikel 10 Buchstabe a UNESCO-Konvention 1970) betrifft,
so wurde auch ein Ansatz geprüft, der auf neuere staatliche, so genannt «kooperative» Steuerungsinstrumente zurückgreift. In Anlehnung an Branchenvereinbarungen im Bankenbereich138 bzw. in Analogie zur neueren Gesetzgebung im Umweltschutz139 wäre ein System von Selbstverpflichtungsvereinbarungen der im Kunsthandel organisierten Verbände denkbar. Zwingend erforderliche Voraussetzung für eine solche Lösung ist, dass die Branche nicht zu stark zersplittert sein darf, denn eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationen erschwert jede Einigung und Kontrolle. Die Branche bzw. die einzelnen beteiligten Organisationen müssten über starke interne Strukturen verfügen, damit die Selbstverpflichtungen, die eingegangen 137

Art. 5 Abs. 3 Unidroit-Konvention: Die Konvention greift nur, wenn der Staat, aus dem ein Kulturgut rechtswidrig ausgeführt wurde, nachweisen kann, dass die Ausfuhr eine wesentliche Beeinträchtigung bestimmter wissenschaftlicher oder kultureller Interessen darstellt. Vgl. Andrea F. G. Raschèr: Kulturgütertransfer und Globalisierung, Zürich 2000, S. 87 ff.

138 Vgl. Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfalt der Banken ­ VSB ­ zwischen der Schweizerischen Bankiervereinigung und den unterzeichnenden Banken vom 28. Januar 1998.

139 Vgl. Art. 41 Bst. a Umweltschutzgesetz (USG), SR 814.01.

612

wurden, auch wirksam umgesetzt werden können (wirksame interne Sanktionsmechanismen bei Nichtbefolgung der Verpflichtungen durch einzelne Mitglieder). Es sollten möglichst alle Kunsthändlerinnen und Kunsthändler miteinbezogen werden, damit nicht einzelne «Trittbrettfahrer» zu Lasten der übrigen profitieren können. Im Gegensatz zum Bankenbereich besteht nun aber im Kunsthandelsbereich keine Organisation mit starken internen Strukturen. Zudem spricht die in Artikel 10 Buchstabe a UNESCO-Konvention 1970 vorgeschriebenen Sanktionen («Kriminal- und Ordnungsbussen») grundsätzlich gegen kooperative Lösungen, weil sie sich nicht über Branchenvereinbarungen durchführen lassen.

3.4.5

Zweckmässigkeit im Vollzug

Das Zusammenwirken zwischen Bund und Kantonen bei der Geltendmachung von Rückführungsansprüchen (Art. 6) und im Rahmen der Mitteilungspflichten gemäss Artikel 21 Absatz 2 und 29 KGTG wird auf Verordnungsstufe zu regeln sein. Im Hinblick auf die Vereinfachung der Grenzkontrolle bei der Ausfuhr ist für die elektronischen Kulturgüterverzeichnisse das Bereitstellen einer Plattform für die kantonalen Verzeichnisse im elektronischen Kulturgüterverzeichnis des Bundes vorgesehen sowie deren elektronische Verknüpfung (Art. 4).

Des Weiteren ist die Schaffung einheitlicher Instrumente in einem Gesetz zur Durchsetzung der in der UNESCO-Konvention 1970 vorgesehenen Massnahmen für den Vollzug zweckmässig und wünschenswert.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003140 in Anhang 2, Abschnitt 1.1 «Aussenbeziehungen», Rubrik «weitere Geschäfte» angekündigt. Sie ist auch in den Zielen des Bundesrats 2000 vorgesehen (Ziel 4).

5

Verhältnis zum europäischen Recht

5.1

Regelungen in der Europäischen Union

Die in der Europäischen Union141 bestehenden Erlasse regeln einerseits die Rückführung von unrechtmässig verbrachten Kulturgütern innerhalb der Gemeinschaft (Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kultur-

140 141

BBl 2000 III 2329 Der Begriff Europäische Union wird hier umgangssprachlich und nicht im rechtlichen Sinne verwendet. Eigentlich hat nur die Europäische Gemeinschaft, nicht aber die Europäische Union Rechtspersönlichkeit und damit auch die Befugnis, in eigenem Namen Rechtsnormen zu erlassen.

613

gütern142) und andererseits die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern143 und Durchführungsverordnung [EWG] Nr. 752/93144). Diese EG-Instrumente wurden im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarkts erlassen, in dem neben dem freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen und Kapital auch der freie Warenverkehr gewährleistet ist. Indes erlaubt Artikel 30 EG-Vertrag als Ausnahme die Abweichung vom Prinzip des freien Warenverkehrs. Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote oder -beschränkungen sind unter anderem dann zulässig, wenn sie dem Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert dienen. Was nationales Kulturgut im Sinne dieser Bestimmung ist, legen die einzelnen Mitgliedstaaten fest.

5.1.1

Verordnung (EWG) Nr. 3911/92

Die Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 (Grundverordnung) enthält Vorschriften über den Warenverkehr mit Drittstaaten, die den Schutz von Kulturgütern gewährleisten und insbesondere Massnahmen vorsehen, welche eine einheitliche Kontrolle der Ausfuhr von Kulturgütern an den Aussengrenzen der Gemeinschaft sicherstellen.

Sie macht die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Gebiet der Europäischen Union von einer Ausfuhrgenehmigung des Herkunftsstaates abhängig. Die Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 752/93 regelt die verschiedenen Genehmigungstypen und Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens.

Die Grundverordnung ist anwendbar auf alle Kulturgüter, die nach dem einzelstaatlichen Recht des Ursprungsstaates als nationales Kulturgut im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag eingestuft werden und die einer der im Anhang der Verordnung aufgeführten Voraussetzungen entsprechen. Im Anhang sind 14 verschiedene Kategorien von Kulturgütern beschrieben sowie die Wertgrenzen angegeben, die für die einzelnen Kategorien gelten. Für die Kulturgüter der Kategorien A 1 (archäologische Gegenstände), A 2 (Bestandteile von Kunst- und Baudenkmälern oder religiösen Denkmälern), A 8 (Wiegendrucke und Handschriften) und A 11 (Archive) gilt, dass sie unabhängig von ihrem Wert einer Ausfuhrregelung unterstellt werden können.

Diese Kategorien entsprechen im Wesentlichen den Kulturgütern im engeren Sinn, wie sie in Artikel 2 Absatz 2 KGTG aufgeführt sind und bei denen der grösste Handlungsbedarf in Bezug auf ihren Schutz besteht. Auch in der EU unterstehen diese Kulturgüter also einer besonderen Behandlung. Die Verordnung verpflichtet 142

ABl. L 74 vom 27.3.1993, S. 74; geändert durch Richtlinie 96/100/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Februar 1997 zur Änderung des Anhangs der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl. L 60 vom 1.3.1997, S. 59).

143 ABl. L 395 vom 31.12.1992, S. 1; berichtigt ABl. L 267 vom 19.10.1996, S. 30; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 2469/96 des Rates vom 16. Dezember 1996 zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 über die Ausfuhr von Kulturgütern (ABl. L 335 vom 24.12.1996, S. 9) sowie durch Verordnung (EG) Nr. 974/2001 des Rates vom 14. Mai 2001 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 über die Ausfuhr von Kulturgütern (Abl. L 137 vom 19.5.2001, S. 10f.).

144 ABl. L 77 vom 31.3.1993, S. 24; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1526/98 der Kommission vom 16. Juli 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 752/93 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern (ABl. L 201 vom 17.7.1998, S. 47).

614

die Mitgliedstaaten, die Ausfuhr solcher Kulturgüter aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft von einer Ausfuhrgenehmigung abhängig zu machen. Eine Ausfuhr ohne Bewilligung ist seit dem 30. März 1993 widerrechtlich.

5.1.2

Richtlinie 93/7/EWG

Mit der Richtlinie 93/7/EWG wurde eine Rückführungsregelung geschaffen, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Rückführung von Kulturgütern aus einem anderen Mitgliedstaat in ihr Hoheitsgebiet zu erreichen, wenn diese im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag als nationales Kulturgut eingestuft und in Verletzung der oben genannten einzelstaatlichen Vorschriften oder der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 verbracht wurden. Sie «europäisiert» gewissermassen die nationalen Schutzvorschriften, indem sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Ausfuhrverbote anderer Mitgliedstaaten im Inland durchzusetzen. Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie entspricht grundsätzlich demjenigen der Verordnung.

Rechtswidrig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachte Kulturgüter können vom betroffenen Mitgliedstaat zurückgefordert werden. Die Richtlinie regelt in erster Linie den Verkehr unter den Mitgliedstaaten; sie ist aber auch anwendbar, wenn ein Kulturgut aus einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat ausgeführt und von dort in einen anderen Mitgliedstaat eingeführt wird. Die Richtlinie gilt für Kulturgüter, die seit dem 1. Januar 1993 unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden.

Die Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten die Einrichtung von zentralen Stellen, welche die Aufgaben der Richtlinie wahrnehmen, sowie die Einführung des Verfahrens zur Rückführung von unrechtmässig verbrachten Kulturgütern vor. Die Richtlinie schafft einen Rückführungsanspruch, wenn ein nationales Kulturgut im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag unrechtmässig innerhalb der EU von einem in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden ist. Der Mitgliedstaat, der ein Kulturgut als sein nationales Kulturgut versteht, ist zu einer Rückführungsklage berechtigt. Hat ein Eigentümer oder eine Eigentümerin beim Erwerb des Kulturguts mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, hat er oder sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Der Rückführungsanspruch erlischt ein Jahr (relative Verjährungsfrist), nachdem der ersuchende Staat Kenntnis über die Belegenheit des Guts und die Identität des Besitzers bzw. Eigentümers erhält und 30 Jahre (absolute Verjährung) nach der unrechtmässigen Ausfuhr. Bei Kulturgütern aus öffentlichen Sammlungen sowie kirchlichen Gütern verlängert sich die Frist auf 75 Jahre; auch die Unverjährbarkeit des Anspruchs ist in diesen Fällen möglich.

5.2

Verhältnis des EG-Rechts zur UNESCO-Konvention 1970

Die EG-Regelungen sind ­ weltweit gesehen ­ regionale Lösungen, die bezüglich ihres räumlichen Geltungsbereiches grundsätzlich weniger weit gehen als die UNESCO-Konvention 1970, welche ein weltweites Instrument darstellt. Zudem regelt das EG-Recht ausschliesslich die Rückführung (Richtlinie 93/7/EWG) von 615

unrechtmässig verbrachten Kulturgütern innerhalb der Gemeinschaft sowie die Ausfuhr (Verordnung [EWG] Nr. 3911/92) von Kulturgütern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (öffentliches Recht). Auch hier geht die UNESCO-Konvention 1970 weiter, indem sie neben der Rückführung von (bestimmten) gestohlenen und rechtswidrig ausgeführten Kulturgütern eine Reihe flankierender Massnahmen vorsieht (Zusammenarbeit, Information, Erziehung: Artikel 5, 9, 10 UNESCOKonvention 1970). Ein weiterer Unterschied besteht im sachlichen Geltungsbereich: Im Gegensatz zu Artikel 1 UNESCO-Konvention 1970 sehen die EG-Instrumente in Anhang B Wertgrenzen vor.

5.3

Verhältnis des KGTG zum europäischen Recht

Die Gesetzesvorlage wurde dort, wo es möglich war, kompatibel zum bestehenden Kulturgütertransferrecht der Europäischen Union ausgestaltet. Parallelen bestehen beispielsweise bei der Formulierung der Begriffe. So entsprechen die besonders geschützten Kulturgüter im engeren Sinn gemäss Artikel 2 Absatz 2 KGTG weitgehend denjenigen Gruppen von Kulturgütern im Anhang der Richtlinie bzw. der Verordnung, die ebenfalls eine besondere Behandlung erfahren, indem sie unabhängig von ihrem monetären Wert unter Schutz gestellt werden können. Eine weitere Parallele besteht bei den Fristen, während derer eine Rückführung möglich ist. Die relative Frist für die Geltendmachung des Anspruchs beträgt ein Jahr, die absolute Verjährungsfrist 30 Jahre (vgl. Art. 9 Abs. 4 KGTG bzw. Art. 7 Abs. 1 EG-Richtlinie).

Die Angleichung an das Recht der Europäischen Union findet für die schweizerische Lösung dort ihre Grenzen, wo auf Grund der Unterschiede in der Sache und im System spezifische Lösungen angezeigt sind. Die Gesetzesvorlage hat vorrangig die Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 sowie die Etablierung eines eigentlichen Systems zur Bekämpfung der Missbräuche im Bereich des Kulturgütertransfers zum Ziel. Dieses System umfasst neben Bestimmungen über die Ausfuhrkontrolle und zur Rückführung von illegal ausgeführten Kulturgütern ­ wie sie die EURegelungen auch enthalten ­ Bestimmungen über die Einfuhrkontrolle, die reziproke Möglichkeit der Klage auf Rückführung von Kulturgütern in Staaten, die mit der Schweiz entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen haben, sowie Bestimmungen über den internationalen Austausch und die Übertragung von Kulturgütern.

Im Gesetzesentwurf wurden die Regelungsmuster des Kulturgütertransferrechts der Europäischen Union dort berücksichtigt, wo auf Grund der erwähnten Vorgaben eine Anlehnung gerechtfertigt war. Diese Vorgehensweise soll nicht nur eine Optimierung der Kulturgütertransferregelungen in der Schweiz ermöglichen ­ im Sinne einer Übernahme bewährter Konzepte ­; sie bietet auch eine gewisse Gewähr, dass die schweizerischen und europäischen Massstäbe bei der Beurteilung besonders wichtiger Teile des kulturellen Erbes nicht in einem grundsätzlich widersprüchlichen Verhältnis zueinander stehen.

616

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungsmässigkeit

Der Gesetzesentwurf über den internationalen Kulturgütertransfer stützt sich auf Artikel 69 Absatz 2 sowie auf Artikel 95 Absatz 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999145.

Die Botschaft zur Bundesverfassung146 führt zu Artikel 69 aus, dass nach unbestrittener Praxis von Bundesrat und Bundesversammlung die Kulturförderung in einem umfassenden Sinn zu den Staatsaufgaben gehört. Dem Bund kommt in den Bereichen, in denen seine Zuständigkeit nicht explizit verankert ist, im Rahmen seiner bisherigen Aktivitäten eine stillschweigende oder gewohnheitsrechtliche Kompetenz zu; im Bereich der Kultur beschränkt sie sich auf die Leistungsverwaltung.

Artikel 69 Absatz 1 BV bestimmt, dass die Kantone für den Bereich der Kultur zuständig sind. Ausgenommen von dieser kantonalen Zuständigkeit sind gemäss Absatz 2 die Unterstützung kultureller Bestrebungen von gesamtschweizerischem Interesse sowie die Förderung der Kunst und Musik, insbesondere im Bereich der Ausbildung. Bei Artikel 69 Absatz 2 BV handelt es sich um eine Förderungskompetenz des Bundes, die sich auf jene Bereiche beschränkt, welche von gesamtschweizerischem Interesse sind. Die Förderungskompetenz des Bundes umfasst nicht nur die Förderung im Sinne einer finanziellen Unterstützung, sondern insbesondere auch die Bewahrung des kulturellen Erbes. Wie die Botschaft ausführt, ist die Aufnahme einer Bestimmung über den internationalen Kulturgütertransfer in der Verfassung nicht als unbedingt notwendig erachtet worden. Die Botschaft hebt hervor, dass der Bund bereits nach geltendem Recht für die Förderung des internationalen Kulturgüteraustausches zuständig ist. Zudem obliegt dem Bund die Regelung der Einfuhr und Rückgabe von Kulturgütern sowie die Regelung der Ausfuhr von Kulturgütern von gesamtschweizerischer Bedeutung.147 Auswärtige Angelegenheiten sind gemäss Artikel 54 BV Sache des Bundes. Dabei handelt es sich um eine umfassende Bundeskompetenz, welche dem Bund insbesondere die Befugnis zum Abschluss von Verträgen einräumt.148 Grundsätzlich kann der Bund auch Verträge über Bereiche abschliessen, welche in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fallen. Da die innerstaatliche Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen nicht relativiert werden soll, ist er dabei zu grosser Zurückhaltung angehalten. Gestützt auf diese Ausführungen zu Artikel 69 BV
verfügt der Bund über die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen im Bereich der Einfuhr und Rückführung von Kulturgütern.

Artikel 95 BV räumt dem Bund die Kompetenz ein, Vorschriften zur Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zu erlassen. Es handelt sich dabei um eine breite Regelungskompetenz, die ihn berechtigt, bundesweit einheitliche Vorschriften oder auch blosse Harmonisierungsvorschriften zu erlassen. Dabei ist er an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit gebunden.149 Als Vorschrift zur Ausübung pri-

145 146 147 148 149

SR 101 BBl 1997 I 285 f.

BBl 1997 I 286 BBl 1997 I 229 f.

BBl 1997 I 298

617

vatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit findet Artikel 17 KGTG über die Aufzeichnungspflicht seine verfassungsmässige Grundlage ebenfalls in Artikel 95 BV.

Der Entwurf zum Bundesbeschluss über die Genehmigung der UNESCOKonvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Konvention 1970) beruht auf Artikel 184 Absatz 2 der Bundesverfassung. Er räumt dem Bundesrat die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen ein und verpflichtet ihn, diese der Bundesversammlung zur Genehmigung zu unterbreiten. Artikel 166 Absatz 1 BV legt fest, dass die Bundesversammlung sich an der Gestaltung der Aussenpolitik beteiligt und die Pflege der Beziehungen zum Ausland beaufsichtigt. Gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV hat sie die völkerrechtlichen Verträge zu genehmigen. Die Konvention kann jederzeit gekündigt werden (Artikel 23 der UNESCO-Konvention). Sie sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Sie führt auch nicht zu einer multilateralen Rechtsvereinheitlichung, da sie keine direkt anwendbare Bestimmung enthält. Der zur Genehmigung vorgelegte Bundesbeschluss ist deshalb nicht Gegenstand eines fakultativen Referendums im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Kompetenz des Bundesrates zum Erlass von rechtsetzenden Bestimmungen stützt sich auf Artikel 182 Absatz 1 der Bundesverfassung. Um das Gesetzmässigkeitsprinzip zu erfüllen, bedarf er zum Erlass von Verordnungen einer Ermächtigung in einem Gesetz (Art. 182 Abs. 1 BV). Die Befugnisse des Bundesrates zur Rechtsetzung sind im Kulturgütertransfergesetz auf bestimmte Regelungsgegenstände beschränkt und nach Gegenstand, Zweck und Ausmass in einem Gesetz im formellen Sinn hinreichend konkretisiert. Damit ist dem Legalitätsprinzip Genüge getan. Die Delegationsnormen sind: ­

Artikel 8, der dem Bundesrat die Kompetenz gibt, befristete Massnahmen vorzunehmen, um das kulturelle Erbe eines Staates, das wegen ausserordentlicher Ereignisse gefährdet ist, vor Schaden zu bewahren. Eine solche Massnahme kann auch im Erlass einer Verordnung bestehen.

­

Artikel 12 Absatz 3, der dem Bundesrat die Kompetenz gibt, zusätzliche Voraussetzungen für die Erteilung der Rückgabegarantie festzulegen. Dies soll dem Bundesrat erlauben, auf die sich wandelnden Umstände und Auffassungen über einen verantwortungsvollen Umgang mit Kulturgut zu reagieren.

­

Artikel 28 Absatz 2, der den Bundesrat beauftragt, die Verwendung der eingezogenen Kulturgüter und Vermögenswerte zu regeln, die durch ein Gericht beschlagnahmt wurden, weil sie eine Widerhandlung gegen das Kulturgütertransfergesetz darstellen.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV ist ein Erlass, der wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält, in die Form des Bundesgesetzes zu kleiden.

618

Inhaltsverzeichnis Übersicht

536

1 Allgemeiner Teil 1.1 Ausgangslage 1.2 Gesetzliche Regelungen zum Schutz des kulturellen Erbes 1.2.1 Nationale Regelungen 1.2.2 Internationale Instrumente zur Regelung des Kulturgütertransfers 1.2.2.1 UNESCO 1.2.2.2 Unidroit 1.2.2.3 Europäische Union 1.2.2.4 Europarat 1.3 Die Situation in der Schweiz 1.3.1 Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen 1.3.2 Die Mängel im geltenden Schweizer Recht 1.3.3 Die Interessen der Schweiz 1.4 Die UNESCO-Konvention im Überblick 1.5 Die Vorverfahren 1.5.1 Vorarbeiten der Verwaltung 1.5.2 Vernehmlassung zur UNESCO-Konvention 1970 (1993) 1.5.3 Vernehmlassung zur Unidroit-Konvention (1996) 1.5.4 Interdepartementale Arbeitsgruppe (1996­1998) 1.5.5 Hearings (1999) 1.5.6 Vernehmlassung zum Entwurf des Kulturgütertransfergesetzes (2000­2001) 1.5.7 Anpassung des Gesetzesentwurfs nach der Vernehmlassung 1.6 Die Leitlinien für die Umsetzung der UNESCO-Konvention in der Schweiz 1.6.1 Notwendigkeit einer Umsetzungsgesetzgebung 1.6.2 Das Kulturgütertransfergesetz (KGTG) 1.6.2.1 Zielsetzung 1.6.2.2 Das Gesetz im Überblick 1.6.2.3 Verhältnis zu anderen Gesetzen zum Schutz des kulturellen Erbes des Bundes 1.6.2.4 Der Gesetzesentwurf im internationalen Kontext 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

538 538 540 540 541 541 542 543 544 545 545 546 547 549 549 549 550 550 551 551

2 Besonderer Teil 2.1 Die UNESCO-Konvention 1970 2.1.1 Zweck 561 2.1.2 Rechtsnatur 2.1.3 Anwendungsbereich 2.1.3.1 Sachlicher Anwendungsbereich 2.1.3.2 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich 2.1.3.3 Zeitlicher Anwendungsbereich

561 561

552 553 554 554 555 555 555 559 559 560

561 562 562 562 562

619

2.1.4 Inhalt 2.1.5 Die Umsetzung der Konventionsverpflichtungen 2.1.5.1 Auf der Ebene des Bundes 2.1.5.2 Auf der Ebene der Kantone 2.2 Der Entwurf zu einem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) 2.2.1 Gliederung 2.2.2 Titel und Ingress 2.2.3 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (Art. 1­2 KGTG) 2.2.4 2. Abschnitt: Kulturgüterverzeichnisse (Art. 3­4 KGTG) 2.2.5 3. Abschnitt: Ein- und Ausfuhr (Art. 5­9 KGTG) 2.2.6 4. Abschnitt: Rückgabegarantie (Art. 10­13 KGTG) 2.2.7 5. Abschnitt: Finanzhilfen zu Gunsten der Erhaltung des kulturellen Erbes (Art. 14 KGTG) 2.2.8 6. Abschnitt: Übertragung von Kulturgut (Art. 15­18 KGTG) 2.2.9 7. Abschnitt: Behörden (Art. 19­21 KGTG) 2.2.10 8. Abschnitt: Amts- und Rechtshilfe (Art. 22­23 KGTG) 2.2.11 9. Abschnitt: Strafbestimmungen (Art. 24­29 KGTG) 2.2.12 10. Abschnitt: Rechtsmittel und Datenschutz (Art. 30 KGTG) 2.2.13 11. Abschnitt: Schlussbestimmungen (Art. 31­33 KGTG) 2.2.13.1 Vollzug (Art. 31 KGTG) 2.2.13.2 Änderungen bisherigen Rechts (Art. 32 KGTG) 2.2.13.3 Referendum und Inkrafttreten (Art. 33 KGTG)

563 568 568 570 571 571 571 571 575 577 582 586 587 593 596 597 600 601 602 602 607

3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen für die Informatik 3.3 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone 3.4 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 3.4.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 3.4.2 Auswirkungen auf einzelne gesellschaftliche Gruppen 3.4.2.1 Kunsthandel und Auktionswesen 3.4.2.2 Museen 3.4.2.3 Forschung 3.4.3 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 3.4.4 Alternative Regelungen 3.4.5 Zweckmässigkeit im Vollzug

607 607 608 608 609 609 610 610 611 611 611 612 613

4 Legislaturplanung

613

5 Verhältnis zum europäischen Recht 5.1 Regelungen in der Europäischen Union 5.1.1 Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 5.1.2 Richtlinie 93/7/EWG 5.2 Verhältnis des EG-Rechts zur UNESCO-Konvention 1970 5.3 Verhältnis des KGTG zum europäischen Recht

613 613 614 615 615 616

620

6 Rechtliche Grundlagen 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 6.3 Erlassform

617 617 618 618

Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Entwurf)

622

Bundesbeschluss über die Genehmigung der UNESCO-Konvention 1970 (Entwurf)

634

Übereinkommen über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut 635

621