Bericht der Neat-Aufsichtsdelegation der eidgenössischen Räte zuhanden der Finanzkommissionen, der Geschäftsprüfungskommissionen und der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen betreffend Oberaufsicht über den Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) im Jahre 1999 vom 22. November 1999

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren Wir haben die Ehre, Ihnen gestützt auf Artikel 20 Absatz 5 des Alpentransit-Beschlusses (AtB, SR 742.104) vom 4. Oktober 1991, Änderung vom 20. März 1998, den ersten Bericht der Neat-Aufsichtsdelegation der eidgenössischen Räte über ihre Tätigkeit im Jahre 1999 (Stand 22. November 1999) zu unterbreiten.

22. November 1999

10736

1999-6038

Im Namen der Neat-Aufsichtsdelegation der eidgenössischen Räte Der Präsident: Hans Danioth, Ständerat Der Vizepräsident: Ernst Leuenberger, Nationalrat

203

Bericht A. Formelles 1

Auftrag und Organisation

1.1

Auftrag

Gemäss Artikel 20 Absatz 3 des Alpentransit-Beschlusses (AtB; SR 742.104) obliegt der Neat-Aufsichtsdelegation die parlamentarische Oberaufsicht über die Verwirklichung der Neuen Alpentransversale. Sie prüft insbesondere die Einhaltung der Leistungen, Termine, Kosten und Kredite sowie der rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen.

1.2

Rechte und Pflichten

Zur Erfüllung ihres Auftrags stehen ihr die gleichen Rechte und Pflichten zu wie den Geschäftsprüfungskommissionen gemäss Artikel 47quater und der Finanzdelegation gemäss Artikel 50 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG, SR 171.11).

Tabelle 1 Auskunft

Sie hat das Recht, die ihr zweckdienlichen Auskünfte bei den Behörden und Amtsstellen des Bundes, der Kantone und bei Privatpersonen zu verlangen.

Akteneinsicht

Sie hat das Recht, jederzeit in die mit dem Bau der Neat in Zusammenhang stehenden Akten bei den Behörden und Amtsstellen des Bundes, der Kantone und bei Privatpersonen Einsicht zu nehmen.

Aktenherausgabe

Sie hat das Recht, von den betroffenen Stellen die Aktenherausgabe zu verlangen. Es werden ihr insbesondere die halbjährlichen Standberichte des Bundesamtes für Verkehr (BAV), alle Neat-relevanten Beschlüsse des Bundesrates und alle Neat-relevanten Revisions- und Inspektionsberichte der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) laufend und regelmässig zur Verfügung gestellt.

Befragung

Sie kann Beamte und Privatpersonen als Auskunftspersonen beiziehen.

Augenschein vor Ort

Sie kann Inspektionsbesuche und Besichtigungen vor Ort vornehmen.

Sachverständige

Sie kann für Abklärungen von Verhältnissen, die eine besondere Abklärung erfordern, das Gutachten von Sachverständigen einholen.

Personal

Für besondere Prüfungen und Untersuchungen wird ihr das nötige Personal zur Verfügung gestellt.

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1.3

Konstituierung

Die Finanzkommissionen, die Geschäftsprüfungskommissionen und die Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen beider Räte entsenden je zwei Mitglieder in die Neat-Aufsichtsdelegation. Der Vorsitz wechselt jährlich zwischen einem Mitglied des Nationalrates und des Ständerates. Im Übrigen konstituiert sich die Neat-Aufsichtsdelegation selbst (Art. 20 Abs. 4 AtB).

Die Neat-Aufsichtsdelegation konstituierte sich an ihrer ersten Sitzung vom 18. Dezember 1998. Im Berichtsjahr 1999 setzte sie sich wie folgt zusammen: Tabelle 2

Ständerat

Geschäftsprüfungskommission

Finanzkommission

Kommission für Verkehr- und Fernmeldewesen

Hans Danioth (Präsident)

Kurt Schüle*

Hans Bisig

Edouard Delalay

This Jenny

Ernst Leuenberger (Vizepräsident)

Andrea Hämmerle

Pierre Aeby Nationalrat

Max Binder Hubert Lauper

Ruth Genner

Rudolf Steiner * Mitglied der Finanzdelegation

1.4

Sekretariatsdienste

Die Neat-Aufsichtsdelegation verfügt über ein eigenes Sekretariat, integriert ins Sekretariat der Finanzkommissionen und der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte. Diese Lösung im Sinne der Kontinuität nutzt die Synergien, die sich durch die Beratung der jährlichen Entnahmen aus dem Fonds für Eisenbahngrossprojekte durch die Finanzkommissionen ergeben. Sie widerspiegelt zudem die Tatsache, dass die Oberaufsicht über die Neat bis Ende 1998 von der Finanzdelegation wahrgenommen wurde.

2

Kontrollaufwand

Die Neat-Aufsichtsdelegation trat insgesamt zu drei ordentlichen Tagungen à zwei Sitzungstagen und drei ausserordentlichen Sitzungen während den Sessionen in Bern zusammen. Im September hielt sie zudem eine zweitägige Sitzung mit Besichtigung der wichtigsten Neat-Baustellen im Raum Mitholz, Ferden und Sedrun ab.

In der Berichtsperiode befasste sie sich hauptsächlich mit drei Neat-Standberichten des BAV, 12 Beschlüssen des Bundesrates und 6 Revisionsberichten der EFK. Sie verlangte bei verschiedenen Stellen der Bundesverwaltung (u. a. BAV, EFK, Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, Bundesamt für Ausländerfragen) sowie den für die Verwirklichung der beiden Achsen Gotthard und Lötschberg verantwortlichen Erstellergesellschaften AlpTransit Gotthard AG (ATG) und BLS AlpTransit AG 205

(BLS AT) eine Vielzahl zusätzlicher Berichte. Schliesslich führte sie mit den Verantwortlichen aller Stufen mehrere Aussprachen zur Klärung und Vertiefung von Spezialfragen.

3

Erarbeitung eines Leitbildes

3.1

Ziel

Mit der Schaffung der Neat-Aufsichtsdelegation mussten im Berichtsjahr zahlreiche Schnittstellen zu den Stammkommissionen (Finanzkommissionen, Geschäftsprüfungskommissionen und Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen) sowie zur Finanzdelegation der eidgenössischen Räte neu definiert werden. Um Doppelspurigkeiten zu vermeiden und Lücken in der parlamentarischen Oberaufsichtstätigkeit im Bereich der Grossprojekte des öffentlichen Verkehrs auszuschliessen, haben die Büros des Nationalrates und des Ständerates den Auftrag erteilt, die Frage der Kompetenzabgrenzung vertieft zu prüfen, eine präzise Regelung vorzuschlagen, diese mit den betroffenen Kommissionen und der Finanzdelegation zu diskutieren und die Büros über die Ergebnisse zu informieren. In die gleiche Richtung ging der Wunsch von Bundesrat und Verwaltung, ihre Ansprechpartner auf Seiten des Parlaments klar zu bezeichnen und eine Mehrbelastung im Bereich der Berichterstattung zu vermeiden.

Die Neat-Aufsichtsdelegation hat die Grundsätze ihrer Tätigkeit und die Regelung der offenen Fragen in einem Leitbild festgelegt. Es wurde im Einvernehmen mit den Stammkommissionen und der Finanzdelegation erlassen und dient als Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Im Leitbild werden Auftrag, Arbeitsweise, Aufsichtsinstrumente und -kriterien sowie die Beziehungen der Neat-Aufsichtsdelegation zum Parlament, zu den Stammkommissionen, zum Bundesrat und zur Öffentlichkeit präzisiert.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf folgende spezifische Befugnisse hinzuweisen. Die Neat-Aufsichtsdelegation nimmt die Oberaufsicht wahr. Diese beinhaltet Feststellungen und Empfehlungen, nicht jedoch Weisungen, zuhanden der für den Vollzug verantwortlichen Behörden. Die jeweiligen Verantwortungsträger werden in ihrer Entscheidungskompetenz dadurch nicht beeinträchtigt.

3.2

Koordinationsbedarf gegenüber den Stammkommissionen und der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte

In rechtlicher Hinsicht bestehen namentlich Unklarheiten in Bezug auf das Verhältnis zwischen Artikel 20 AtB, der die Neat-Aufsichtsdelegation mit der Oberaufsicht über den Bau der Neat beauftragt, und Artikel 47quater bzw. Artikel 50 GVG, die den Geschäftsprüfungskommissionen bzw. der Finanzdelegation die Oberaufsicht über die gesamte Geschäftsführung des Bundesrates bzw. den gesamten Bundeshaushalt übertragen. Dadurch ergibt sich eine gewisse Überschneidung der Aufgabenbereiche, so dass eine klare Abgrenzung durch Interpretation nicht möglich ist.

Die Neat-Aufsichtsdelegation vertritt dezidiert die Auffassung, dass sich für den Neat-Bereich, allenfalls auch für die übrigen FinöV-Projekte, eine exklusive und 206

umfassende Kontrollkompetenz rechtfertigen würde. Denn nur so lässt sich diese komplexe Aufgabe optimal erfüllen. Eine juristisch saubere Klärung der Frage soll in der neuen Legislaturperiode im Rahmen der GVG-Totalrevision erfolgen.

3.3

Übergangsregelung

Die Neat-Aufsichtsdelegation ist mit den Kontrollkommissionen übereingekommen, dass die Stammkommissionen und die Finanzdelegation ihre Rechte und Pflichten grundsätzlich behalten, die Prüfung der Neat-relevanten Oberaufsichtsfragen jedoch der Neat-Aufsichtsdelegation übertragen. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen und die Finanzkommissionen sind nicht direkt betroffen. Sie befassen sich weiterhin ausschliesslich mit den Bundesbeschlüssen sowie Verpflichtungsund Zahlungskrediten betreffend der FinöV-Projekte. Die Neat-Aufsichtsdelegation erstattet den Stammkommissionen jährlich, über ausserordentliche Ereignisse schnellstmöglichst, Bericht.

Auch die Berichterstattung im Parlament und die Information der Öffentlichkeit obliegt grundsätzlich den Kontrollkommissionen, kann aber von diesen an die NeatAufsichtsdelegation übertragen werden. Der Zeitpunkt für das Erscheinen des Tätigkeitsberichts der Neat-Aufsichtsdelegation wird mit demjenigen des Tätigkeitberichts der Finanzdelegation (Behandlung durch die Finanzkommissionen) und des Geschäftsberichts des Bundesrates (Behandlung durch die Geschäftsprüfungskommissionen) koordiniert. Um die Kontinuität zu gewährleisten, wurde der vorliegende Bericht bereits an der letzten Sitzung der Neat-Aufsichtsdelegation in ihrer bisherigen Zusammensetzung verabschiedet. Die Berichterstattung erfolgt in den Räten zusammen mit dem Geschäftsbericht des Bundesrates bzw. der Staatsrechnung der Eidgenossenschaft. Als Referenten werden die jeweiligen Doppelmitglieder der Kontrollkommissionen und der Neat-Aufsichtsdelegation bestimmt. Damit kann die Neat-Aufsichtsdelegation ihren Bericht im Rat indirekt selbst vertreten.

Was die Beziehungen zur Öffentlichkeit angeht, hält sich die Neat-Aufsichtsdelegation an die Vorschriften über die Vertraulichkeit, die für die Kontrollkommissionen gelten. Bei ausserordentlichen Ereignissen orientiert sie im Rahmen dieser Vorschriften direkt.

3.4

Oberaufsicht bei den anderen FinöV-Projekten

Im Sinne einer besseren Nutzung von Synergien kann der Auftrag der Neat-Aufsichtselegation mit ausdrücklicher Genehmigung der Kontrollkommissionen auch auf die neu anstehenden FinöV-Projekte (BAHN 2000, 2. Etappe, Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz und Lärmsanierung der Eisenbahnen) erweitert werden. Die Oberaufsicht über BAHN 2000, 1. Etappe, erfolgt, was die finanziellen, terminlichen und wirtschaftlichen Belange angeht, weiterhin durch die Finanzdelegation, in organisatorischer und rechtlicher Hinsicht weiterhin durch die Geschäftsprüfungskommissionen. Diese haben das Projekt im Bereich ihrer jeweiligen Oberaufsichtskompetenzen seit Beginn intensiv begleitet.

207

Die Büros der eidgenössischen Räte haben dem Leitbild zugestimmt und die Staatspolitische Kommission beauftragt, die Frage nach der Anpassung der rechtlichen Grundlagen hinsichtlich Kompetenzabgrenzung und Erweiterung des Aufgabenbereichs im Rahmen der anstehenden Totalrevision des GVG zu prüfen.

4

Vorschläge zur Bildung von Ausschüssen sowie Beizug externer Experten

Im ersten Jahr ihrer Tätigkeit hat die Neat-Aufsichtsdelegation auf die Bildung von Ausschüssen wie ständigen Sektionen und Arbeitsgruppen verzichtet. Sie konzentrierte sich darauf, im Rahmen der Gesamtdelegation mit allen für die Verwirklichung der Neat verantwortlichen Stellen Kontakt aufzunehmen, um den Informations- und Wissenstand aller Mitglieder zu vertiefen.

Angesichts der rechtlichen, technischen, organisatorischen und finanziellen Komplexität der mit der Verwirklichung der Neat verbundenen Fragen hat die Neat-Aufsichtsdelegation verschiedene Möglichkeiten für eine adäquate interne Strukturierung evaluiert. Als Kriterien zur Bildung von ständigen Sektionen bieten sich unter anderem die Prüfungsbereiche Leistung, Kosten, Finanzierung und Termine an. In Frage kommt ebenfalls eine sachbezogene Einteilung in Arbeitsgruppen für einzelne Spezial- und Querschnittsfragen oder eine Einteilung nach verschiedenen Werken innerhalb der Neat.

Die Neat-Aufsichtsdelegation wird die Frage der internen Struktur in der neuen Legislaturperiode erneut aufgreifen.

Die Neat-Aufsichtsdelegation stützt sich in ihrer Tätigkeit vorwiegend auf die halbjährlichen Standberichte des BAV und dessen ereignisbezogene Berichte über wichtige und unerwartete Vorfälle sowie auf die Revisionsberichte der EFK. Als parlamentarisches Oberaufsichtsorgan steht ihr darüber hinaus das Recht zu, zur Abklärung von besonderen Verhältnissen, deren Beurteilung besondere Fachkenntnis erfordert, Sachverständige beizuziehen.

Auch in Berücksichtigung der Gewaltentrennung zwischen Verwaltung und Parlament sowie der unabhängigen Berichterstattung durch die EFK wird die Neat-Aufsichtsdelegation inskünftig den Beizug externer Experten in Betrachtung ziehen.

B. Materielles 1 1.1

Abgrenzungsfragen zur Etappierung der Neat Handlungsbedarf

Der Bundesrat hat am 14. Juni 1999, im Lichte von Begehren, Projektteile von der zweiten in die erste Phase vorzuziehen, über eine vorzeitige Realisierung von Neat-Projekten der zweiten Phase diskutiert. Er hat dabei festgehalten, dass ein Vorziehen von grösseren Projekten zu Lasten des Fonds für Eisenbahngrossprojekte nicht möglich ist. Die gesetzlich festgelegte Bevorschussungslimite von 4,2 Milliarden Franken wird bereits durch BAHN 2000, 1. Etappe, die beiden Basistunnels am Lötschberg und am Gotthard sowie durch die Lärmsanierung ausgeschöpft. Gleichzeitig hat er im Rahmen seiner Vollzugskompetenz beschlossen, den Baubeginn von 208

einzelnen kleineren, betrieblich notwendigen Objekten auf der Strecke St. Gallen­ Arth-Goldau im Umfang von 40 Millionen Franken vorzuziehen. Zudem hat er den Entscheid über eine vorzeitige Realisierung des Zimmerbergtunnels, Teil Neat, sowie des Ceneritunnels sistiert, bis die Frage einer allfälligen Privatfinanzierung durch Dritte geklärt ist. Von der Realisierung des Anschlusses Nidelbad (Verbindung der beiden Teile des Zimmerberg-Tunnels) im Sinne einer Vorinvestition von 89 Millionen Franken wurde Kenntnis genommen.

In der Herbstsession ist der Nationalrat dem Bundesrat im Rahmen der Beratungen zur Botschaft über den Neuen Neat-Gesamtkredit (99.054) gefolgt und hat die entsprechende Kreditverteilung zwischen erster und zweiter Phase grossmehrheitlich bestätigt. Gleichzeitig beschloss er, der Parlamentarischen Initiative Hegetschweiler (99.410) mit 75 zu 56 Stimmen keine Folge zu geben (siehe Amtliches Bulletin des Nationalrates 1999, S. 2108 ff.). Diese sah vor, den Baubeginn des Zimmerbergtunnels, Teil Neat, unmittelbar nach Fertigstellung der zweiten Doppelspurstrecke zwischen Zürich und Thalwil (Zimmerbergtunnel, Teil BAHN 2000) zu bauen, um vorhandene Baustelleninstallationskapazitäten sinnvoll zu nutzen, und für die Finanzierung eine Lösung innerhalb des Fonds für Eisenbahngrossprojekte zu suchen.

Die Neat-Aufsichtsdelegation hatte sich bereits zuvor vom BAV über die Vorarbeiten zur neuen Botschaft, die Frage der vorzeitigen Realisierung einzelner Projektteile aus der zweiten Phase und die Bedingungen für den Einsatz einer Privatfinanzierung (siehe Kapitel B Ziffer 5) im Detail orientieren lassen. Im Rahmen ihres Auftrags, die Verwirklichung der Neat in rechtlicher, finanzieller und organisatorischer Hinsicht zu beaufsichtigen, befasste sie sich in der Folge mit der Frage der Verbindlichkeit der vom Parlament beschlossenen Etappierung.

Auf Grund der Informationen, die der Neat-Aufsichtsdelegation bis zum 22. November 1999 vorlagen, würde die Verwirklichung des Zimmerbergtunnels, Teil Neat, in der ersten Phase nebst Einsparungen bei den Baustelleninstallationen Vorteile namentlich in bautechnischer und ökologischer Hinsicht mit sich bringen.

1.2

Voraussetzungen für Verschiebungen

Bei allem Verständnis für die regionalpolitischen Anliegen der interessierten Kreise und der erwähnten Vorteile muss im heutigen Zeitpunkt von den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen ausgegangen werden. Die Neat-Aufsichtsdelegation kommt deshalb zum Schluss, dass eine vorzeitige Realisierung namhafter Projekte der zweiten Phase nicht durch eine grosszügige Interpretation des Alpentransitbeschlusses erfolgen kann. Der Wortlaut des Artikels 10bis AtB ist klar: Die Neat wird in zwei explizit definierten Phasen realisiert. Zwar gibt Absatz 2 dem Bundesrat die Kompetenz, über den Baubeginn der zweiten Phase zu entscheiden. Nachdem die Etappierung in der FinöV-Volksabstimmung vom 29. November 1998 ein entscheidendes Argument zur Annahme der Vorlage war, darf das nach zähen Parlamentsverhandlungen sorgfältig austarierte Gleichgewicht der Abstimmung ihrer Ansicht nach nicht bereits nach einem Jahr durch eine large Interpretation wieder in Frage gestellt werden. In den Materialien zu den Kommissions- und Parlamentsverhandlungen kommt der diesbezügliche Wille des Gesetzgebers klar zum Ausdruck.

Die Neat-Aufsichtsdelegation stellt sich auf den Standpunkt, dass eine Vorverschiebung eine Änderung der in Artikel 10 bis des Alpentransitbeschlusses festgeschriebenen Etappierung und gegebenenfalls eine Änderung des in Artikel 6 Absatz 2 des 209

Bundesbeschlusses über das Reglement des Fonds für die Eisenbahngrossprojekte vom 9. Oktober 1998 (Fondsreglement; SR 742.140) festgehaltenen Bevorschussungslimite von 4,2 Milliarden Franken voraussetzt. Dieser Entscheid ist allerdings dem Parlament vorbehalten.

2 2.1

Controlling und Kontrolle Allgemeines

Die Neat-Aufsichtsdelegation nimmt auf Parlamentsstufe die mitlaufende Oberaufsicht über die rechtlich, finanziell, terminlich, technisch und organisatorisch korrekte Verwirklichung des Neat-Grossprojektes wahr. In dieser Eigenschaft steht sie an der Spitze einer vielschichtigen Aufsichts- und Kontrollstruktur, welche die Komplexität des Jahrhundertprojekts widerspiegelt. Zur Ausübung ihres gesetzlichen Auftrags ist sie nicht nur darauf angewiesen, dass die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten klar definiert werden, sondern auch, dass sie sich auf funktionierende Systeme der Projektsteuerung (Controlling), Berichterstattung (Reporting) und Kontrolle (Aufsicht und Revision) auf allen Zuständigkeitsstufen stützen kann. Dabei legt die Neat-Aufsichtsdelegation besonderes Gewicht darauf, dass sich die Oberaufsicht nicht in die Aufsichts-, Kontroll- und Controllingkompetenzen der verantwortlichen Stellen einmischt.

2.2

Bundesämter

Für die Gewährleistung der Projektsteuerung, die Ausübung der direkten Projektaufsicht und die Koordination der Berichterstattung ist auf Behördenstufe in erster Linie das BAV zuständig, für die finanzielle Oberaufsicht und die Koordination der verschiedenen Revisionsstellen und Finanzinspektorate die EFK. Die Erstellergesellschaften ihrerseits zeichnen für ihr eigenes Controlling, Reporting und die internen Kontrollsysteme verantwortlich.

2.3

Controlling

Als zentrales Instrument für das Neat-Programm-Management auf Behördenstufe dient die umfangreiche Neat-Controlling-Weisung (NCW). Als Frühwarnsystem soll sie ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Im Auftrag der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte begleitete die EFK in den letzten Jahren die Entwicklung und den Aufbau der NCW. Hauptstossrichtung der Arbeiten an der Version 3.00 vom 30. November 1998 lag in deren Vervollständigung.

Die Neat-Aufsichtsdelegation liess sich vom BAV im Detail über die Version 3.00 orientieren. Diese gliedert sich in fünf Hauptgebiete (Leistungen, Kosten, Termine und Finanzen sowie Vergabe- und Vertragswesen) und spezielle Querschnittsbereiche. Neben aktualisierten Kapiteln wurden neu die Kapitel Leistungscontrolling, Änderungswesen, Reserve-, Risiko- und Qualitätsmanagement sowie Informatik und Integrierte Steuerung aufgenommen. In Überarbeitung befinden sich die Kapitel Finanzmanagement und Teuerung, in Bearbeitung die Kapitel über die Organisation und die integrierte Steuerung.

210

Die Umsetzung der NCW 3.00 stellt hohe Anforderungen an das Know-how und die elektronische Verarbeitung. Deren Umsetzung wird bis ca. Mitte 2000 dauern.

Die Anpassung der NCW an das neue Neat-Konzept läuft derzeit. Die nächste Version wird voraussichtlich Anfang des Jahres 2000 in Kraft treten.

2.4

Reporting

Kapitel 6 der NCW regelt das Berichtswesen und definiert vier Berichtstypen. Für die Aufgabenerfüllung der Neat-Aufsichtsdelegation von besonderer Bedeutung sind die halbjährlichen Standberichte des BAV sowie ereignisbezogene, fallweise Berichte der Ersteller über ausserordentliche Ereignisse von öffentlichem Interesse. Die in den Standberichten zusammengefassten Angaben zu den Bereichen Leistungen, Termine, Kosten, Finanzen und Organisation basieren auf den Daten, welche die Ersteller dem BAV liefern.

Bei der Beratung der Standberichte stellte die Neat-Aufsichtsdelegation fest, dass bei den von der ATG verarbeiteten Daten auf Grund von Informatikproblemen und Personalengpässen Fehler bei den Vergabewerten auftraten. Sie nahm dies zum Anlass, die Umsetzung der NCW bei der ATG genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die rechtliche Verselbstständigung der ATG auf 1. Januar 1999 erforderte den Aufbau einer eigenen Finanzbuchhaltungs- und eines eigenen Kostenabrechnungssystems. Auf Grund des Entscheids, den Firmensitz nach Luzern zu verlagern, waren zudem im ersten Semester 1999 bedeutende Mitarbeiterabgänge im Bereich Finanzen und Controlling zu verzeichnen. Ähnliche Probleme bei den Vergabewerten und den Indexteuerungsberechnungen zeigten sich auch bei der BLS AT.

Die ATG bestätigte, dass die Personalabgänge inzwischen vollwertig ersetzt wurden und ein Ausbau der personellen Kapazitäten geplant ist. Zudem befasst sich eine Task Force vordringlich mit der Umsetzung der NCW 3.00, die auf Grund der Verzögerungen und Softwareprobleme jedoch erst auf das 4. Quartal 2000 erwartet wird. In erster Linie werden die rechnerischen Mängel behoben und die Kosten den Gegebenheiten der redimensionierten Neat gemäss FinöV angepasst. Die Anpassung bzw. Ersetzung der Software benötigt längere Zeit. Für die Standberichte bedeutet dies, dass die von der ATG gelieferten Daten erst ab 1. Semester 2001 verlässlich sein werden.

Das BAV führte bei der ATG und BLS AT Ergänzungsprüfungen zur Beurteilung der Datenqualität durch. Mit diesen konnten zusätzliche Kenntnisse über die Zuverlässigkeit der Daten im Kosten- und Finanzmanagement erhalten, systematische Fehler beim Datenfluss von der Erfassung bis zur Ausgabe in den Standberichten erkannt und Klarheit bei der konkreten Situation betreffend angewandter Projektmanagement-Werkzeuge gewonnen werden.

2.5

Kontrolle

Die operative Aufsicht auf Stufe der Verwaltung liegt beim BAV. Die Sektion AlpTransit der Abteilung Bau prüft mittels Sonderprüfungen und Ergänzungsprüfungen die Einhaltung der Grundsätze der NCW, die Zuverlässigkeit und Aktualität der Informationen auf allen Stufen der Projektorganisation sowie die Einhaltung der Ver-

211

einbarung mit den Erstellern. Materielle Prüfungen erfolgen bei der Kreditkontrolle, eine stichprobenweise Prüfung bei den Vergaben. Das Finanzinspektorat des BAV befasst sich mit den Schnittstellen der verschiedenen Buchhaltungen und den internen Kontrollsystemen bei den Erstellern. Sie führt gezielte Sonderprüfungen durch.

Die personellen Kapazitätsprobleme bei der Sektion AlpTransit, die sich nach der Annahme der FinöV-Vorlage durch das Schweizer Volk abzeichneten, konnten verwaltungsintern in der Zwischenzeit durch die Zuweisung dreier Stellen (Stand November 1999: 14,5 Stellen inkl. 4 Stellen für Verfahren) entschärft werden.

Die Struktur der mitlaufenden und der nachträglichen finanziellen Kontrolle (Revision) erweist sich als äusserst vielschichtig. Auf Behördenstufe nimmt die EFK die finanzielle Oberaufsicht über das Neat-Projekt wahr. Sie wacht darüber, dass das Kontrollkonzept stimmt, das BAV seine Aufgaben richtig erfüllt und keine prüffreien Räume entstehen. Neben diesem Koordinationsauftrag prüft sie im Rahmen ihres Kontrollstellenmandats die Rechnung des Fonds für Eisenbahngrossprojekte und führt direkte Prüfungen bei den Erstellern durch, namentlich in formeller und materieller Hinsicht beim Submissions- und Vergabewesen sowie in der Auftragsund Geschäftsabwicklung. Die entsprechenden Revisionsberichte der EFK bilden für die Neat-Aufsichtsdelegation eine wichtige Grundlage für ihre Tätigkeit (siehe Kapitel B Ziffer 4).

Auf Stufe der Ersteller konzentriert sich die aktienrechtliche Revisionsstelle auf die Prüfung der Gesetzes- und Statutenmässigkeit der Finanzbuchhaltung. Umso mehr kommt der internen Revisionsstelle als Teil des internen Kontrollsystems eine wichtige Rolle zu. Die Neat-Aufsichtsdelegation hat bei der ATG festgestellt, dass keine funktionsfähige interne Revisionsstelle bestand. Die interne Revision der SBB AG, die diese Aufgabe früher bei der ATG wahrgenommen hatte, war nach der aktienrechtlichen Verselbstständigung und Ausgliederung der ATG als hundertprozentige Tochtergesellschaft der SBB AG nicht mehr zuständig. Die Neat-Aufsichtsdelegation hat den Verantwortlichen der Erstellergesellschaften empfohlen, für eine raschestmögliche Einsetzung einer internen Revision besorgt zu sein. Seit Mitte 1999 nimmt die interne Revision der SBB AG diese Aufgabe bei der ATG
rückwirkend auf das Jahr 1998 wieder wahr.

Die EFK und das Finanzinspektorat haben in der Berichtsperiode zudem einen unzureichenden Informations- und Dokumentenfluss von der aktienrechtlichen Revisionsstelle der ATG zu den Kontrollorganen im Bereich AlpTransit festgestellt. Auf Intervention der Neat-Aufsichtsdelegation hat die ATG die externe Revisionsstelle gegenüber dem BAV und der EFK generell von ihrer gesetzlichen Pflicht zur Wahrnehmung des Geschäftsgeheimnisses gemäss Artikel 730 des Obligationenrechts (OR; SR 220) entbunden. Sie hat versichert, für die Schaffung grösstmöglicher Transparenz und damit auch für den direkten Zugriff der EFK und des BAV auf ihre Zahlen und Unterlagen besorgt zu sein.

212

3

3.1

Einhaltung von Gesetzen und Gesamtarbeitsverträgen (GAV) betreffend ausländischer Arbeitnehmender ­ Abgrenzung und Kooperation sowie Synergien Schacht Sedrun

Die Neat-Aufsichtsdelegation hatte sich in der Berichtsperiode vertieft mit Fragen nach der Einhaltung der Gesetze und der Gesamtarbeitsverträge (GAV) betreffend ausländischer Arbeitnehmender zu befassen. Ausgangspunkt waren Berichte in den Medien über arbeitsrechtliche Unregelmässigkeiten beim Bau des Schachts für den Zwischenangriff in Sedrun. Den Arbeitern des südafrikanischen Unternehmens Shaft Sinkers Ltd., das die schwierigen Schachtabteufungsarbeiten in Sedrun vornimmt, wurden unzulässige Abzüge auf den Löhnen erhoben. Zudem wurden in der Installationsphase des Liftes Anfang 1999 die Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeiten nicht eingehalten, indem mit Zustimmung der Arbeiter Schichten zu 12 Stunden ohne Pausen gefahren wurden. Bei allem Verständnis für diese Massnahme, die auf Grund des hohen Zeitdrucks bei der auf dem zeitkritischen Weg befindlichen Baustelle Sedrun und der Umstände bei diesen Arbeitspausen erfolgte, musste den Regelungen in Gesetz und GAV der nötige Nachdruck verliehen werden.

So erstattete das Arbeitsinspektorat des Kantons Graubünden am 31. März 1999 strafrechtlichen Anzeige vor allem wegen Verstosses gegen die Arbeitszeitgesetzgebung.

Die Neat-Aufsichtsdelegation verlangte von den mit der Aufsicht betrauten Bundesstellen und der Paritätischen Berufskommission Untertagebau (PK-UT) genaue Auskünfte über Sachlage, Verantwortlichkeiten und getroffene Massnahmen, um in Zukunft eine reguläre Vertragserfüllung auf den Neat-Baustellen zu gewährleisten.

Sie führte Aussprachen mit Vertretern des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit (Aufsichtsorgan Arbeitsrecht), dem Bundesamt für Ausländerfragen (Aufsichtsorgan Ausländerrecht), der Alptansit Gotthard AG (Ersteller) und der Arbeitsgemeinschaft Schacht Sedrun (Unternehmerseite).

Die Neat-Aufsichsdelegation konnte anlässlich ihrer Inspektionssitzung vom September 1999 in Sedrun eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Situation feststellen. Die ungerechtfertigten Lohnabzüge waren den südafrikanischen Arbeiternehmern zurückerstattet worden. Zudem wurden neue Arbeitsverträge nach schweizerischem Recht abgeschlossen. Bei Betriebskontrollen des Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Graubünden wurde keine weiteren Verstösse gegen die Arbeits- und Ruhezeitvorschriften festgestellt. Die Arbeitsgemeinschaft Schacht
Sedrun hat versichert, es liege in ihrem Bestreben, die Gesetze einzuhalten. Zudem hat der Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die beiden Erstellergesellschaften angewiesen, der Einhaltung der Arbeitsbedingungen in Zukunft höchste Beachtung zu schenken.

3.2

Anwendung ausländischen Rechts

Die Neat-Aufsichtsdelegation nahm zur Kenntnis, dass bei Tunnelbauten dieser Dimension die Vorschriften der SUVA nicht ausreichen. Die Ersteller ziehen deshalb sinngemäss auch die Vorschriften der Deutschen Bergbauverordnung heran.

213

3.3

Lücken bei der Unfallversicherung

Offen hingegen blieben Fragen im Bereich der Unfallversicherung. Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982 (UVV; SR 832.202) sieht eine Karenzfrist von einem Jahr für den Abschluss einer Unfallversicherung bei ausländischen Arbeitnehmenden vor. Diese gilt auch für diejenigen aus Staaten, die mit der Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen haben, wie beispielsweise Südafrika. Auf Grund des hohen Risikos im Untertagebau, einen Unfall zu erleiden oder sich eine Berufskrankheit zuzuziehen, sowie der kurzen Laufdauer einer Unfallversicherung bei ausländischen Spezialisten müsste ein Privatversicherer unverhältnismässig hohe Prämien erheben.

Nach Auffassung der Neat-Aufsichtsdelegation beinhaltet Artikel 6 UVV eine Lücke, die angesichts der Konsequenzen eines allfälligen Grossunfalls auf einer Neat-Baustelle rasch geschlossen werden muss. Eine Arbeitsgruppe der Direktion für Arbeit des Staatssekretariates für Wirtschaft (seco), des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV), der SUVA und des Schweizerischen Versicherungsverbandes hat sich auf ein dreistufiges Vorgehen zur Entschärfung der Situation geeinigt.

Kurzfristig wird für die südafrikanischen Arbeitnehmer in Sedrun die Unterstellung der Arbeitsgemeinschaft Schacht Sedrun inklusive der Firma Shaft Sinkers unter die SUVA, mittelfristig die Änderung des Artikels 6 UVV und längerfristig die Änderung des Artikels 2 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG; SR 832.20) geprüft. Mit diesen Massnahmen soll auch das Prinzip der gleich langen Spiesse für alle am Bau beteiligten Unternehmen gewährleistet werden.

3.4

Behördenkoordination

Die Vorkommnisse in Sedrun veranlassten die Neat-Aufsichtsdelegation, sich vertieft mit Fragen der Zuständigkeiten, Aufsicht und Koordination im Bereich des Arbeits- und Ausländerrechts auseinander zu setzen. Die Neat-Aufsichtsdelegation stellte fest, dass Aufsicht und Vollzug reichlich komplex organisiert sind. Für die Projektierung und den Bau der Neat und damit auch die Einhaltung der Gesetze und des Landesmantelvertrags sind grundsätzlich die Bahnen bzw. ihre Tochtergesellschaften (ATG und BLS AT) zuständig. Die Mindestanforderungen für die Verträge der Ersteller mit den Unternehmen bzw. Arbeitsgemeinschaften werden in Kapitel 13 NCW 3.00 explizit festgehalten. Gemäss lit. g sind die Unternehmen im Sinne von Artikel 8 des Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 1994 (BoeB, SR 172.056.1) und Artikel 6 der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 11. Dezember 1995 (VoeB, SR 172.056.11) verpflichtet, die geltenden Vorschriften sowie diejenigen in allfälligen Gesamtarbeitsverträgen betreffend Arbeitsschutz, Arbeitsbedingungen und Gleichbehandlung von Mann und Frau einzuhalten. Von der Ausschreibung ausgeschlossen sind somit Bewerber, die deren Einhaltung nicht gewährleisten. Die berücksichtigten Unternehmen haben die Einhaltung der Vorschriften in Vertragszusätzen zu bestätigen. Bei Nichteinhaltung wird eine Konventionalstrafe fällig.

Auf Behördenstufe stellt das BWA in arbeitsrechtlichen Belangen die Regelungen auf und nimmt die Oberaufsicht wahr. Die kantonalen Arbeitsinspektorate sind mit dem Vollzug betraut. Im Bereich der Arbeitssicherheit liegt die Regelung und der Vollzug bei der SUVA. In ausländerrechtlichen Belangen sind das BFA und die 214

kantonalen Ämter für Industrie, Gewerbe und Arbeit zuständig. Die Paritätischen Kommissionen kontrollieren und setzen die Gesamtarbeitsverträge durch. Eine Arbeitsgruppe der Neat-Kantone, der SUVA und des BWA befasst sich mit der Koordination des Vollzugs von Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Arbeitszeit.

In Bezug auf den Bau der Neat vermisste die Neat-Aufsichtsdelegation eine weiter gehende, d. h. formalisierte und institutionalisierte Gesamtkoordination zwischen allen betroffenen Organen auf Bundes- und Kantonsebene.

Das BFA hat auf Empfehlung der Neat-Aufsichtsdelegation Möglichkeiten für eine verbesserte Information und Koordination zwischen den beteiligten Behörden und Organisationen geprüft. In Zukunft werden für die neuen Neat-Baustellen anstelle der bisherigen bilateralen Besprechungen so genannte Koordinationssitzungen zwischen dem BFA, der SUVA, den betroffenen kantonalen Stellen, den Erstellern, der PK-UT und den Arbeitsgemeinschaften einberufen. Diese Koordinationssitzungen sollen für weitere Grossaufträge des Bundes (BAHN 2000 und Nationalstrassenbau) wegweisend sein.

4

4.1

Vergabewesen: Einhaltung der Submissionsvorschriften (WTO, Gesetz und Verordnung über das Beschaffungswesen) und Teuerung Gesetzliche Grundlagen

Für das Vergabe- und Vertragswesen bei der Verwirklichung der Neat sind die Ersteller grundsätzlich alleine verantwortlich (NCW 3.00, Kapitel 13). Vorbehalten bleibt die Aufsicht des Bundes. Mit der Wahl eines Bauherrenmodells, das diese Aufgabe den zwei privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaften (ATG für die SBB und BLS AT) überträgt, hat sich der Bundesrat Anfang 1998 für eine Lösung mit klarer Trennung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Erstellern entschieden. Das BAV nimmt nur in begründeten Ausnahmefällen Eingriffe in die Vertrags- und Vergabeunterlagen der Ersteller vor.

Im Vergabewesen prüft das BAV im Rahmen seiner permanenten Aufsicht die Ausschreibungsgrundlagen. Im Vertragswesen beschränkt sich der Bund auf die Festsetzung von Mindestanforderungen, die von den Erstellern in den Vertragswerken neben den üblichen Vertragselementen eingehalten werden müssen. Darunter fallen insbesondere Fragen in Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen, Versicherungsschutz, solidarischer Haftung, Qualitätssicherungssystem, Einhaltung der Bundesgesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen und von Landesmantelverträgen betreffend Arbeitsschutz, Arbeitsbedingungen und Gleichbehandlung von Mann und Frau sowie der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen der Unternehmen bei Sistierung bzw. Auflösung des Vertrags infolge von Entscheiden von Volk, Parlament und Bundesbehörden.

Des Weiteren nimmt das BAV auf Grund eines Ausschreibungskalenders, welcher von den Erstellern vierteljährlich einzureichen ist, Stichproben im Vergabe- und Vertragswesen vor. Diese vertieften Prüfungen erfolgen auf Grund einer Risikobetrachtung in den Bereichen Leistungen, Kosten und Terminen und können sämtliche Stadien des Vergabeverfahrens bzw. der Vertragsabwicklung betreffen.

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4.2

Probleme der Vergabepraxis

Die Neat-Aufsichtsdelegation hat sich in der Berichtsperiode mit verschiedenen Revisionsberichten der EFK zur Vergabepraxis bei Bau- und Dienstleistungsaufträgen der Erstellergesellschaften sowie mit Vergaben von Dienstleistungsaufträgen des BAV befasst. Diese betrafen hauptsächlich Prüfungen von Vergaben, die noch vor der Volksabstimmung zum FinöV-Verfassungsartikel im November 1998 erfolgten.

Im Zusammenhang mit der Einführung des BoeB stellte die EFK auf Grund verschiedener Stichproben Mängel und Schwachstellen bei der Einhaltung bzw. eine zu wenig konsequente Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben fest. Im Falle eines externen Auftrags zur Unterstützung der Projektleitung ATG führten über 40 freihändig vergebene Zusatz- und Nachaufträge zu einem gegenüber der ursprünglichen Offerte markant erhöhten Vertragsabschluss. Die Erstellergesellschaften haben auf Grund der Revisionsbemerkungen Massnahmen eingeleitet, mit welchen die erkannten Schwachstellen behoben werden können. Das BAV führt auf Grund dieser Feststellungen bei den Erstellern weitere vertiefte Abklärung durch. Mit den neu zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen beabsichtigt es zudem ein vermehrt präventives Engagement im Submissionswesen der Neat.

Die Neat-Aufsichtsdelegation wird die Entwicklung im Vertrags- und Vergabewesen auch im kommenden Jahr mit hoher Priorität weiterverfolgen. Sie legt grössten Wert auf die korrekte Anwendung und strikte Einhaltung der Submissionsvorschriften.

4.3

Kostenüberschreitungen bei jüngsten Vorhaben

Anlässlich einer Inspektion vor Ort wurde der Neat-Aufsichtsdelegation von Seiten der BLS AT mitgeteilt, dass die günstigsten Offerteingaben bei den zu vergebenden grossen Tunnellosen bei der BLS AT bis zu 8 Prozent über den Kostenvoranschlägen der Ersteller (Preisbasis 1991) liegen. Der vom Nationalrat in der Herbstsession 1999 gesprochene Kredit (Preisbasis 1998, ohne Reserven) liege damit für das Werk Basistunnel Lötschberg um mehr als 500 Millionen Franken zu tief.

Die Neat-Aufsichtsdelegation hat sich in der Folge von den Verantwortlichen im Detail über die aktuelle Vergabesituation und die Gründe für die höheren Angebote orientieren lassen. Wie sich zeigte, sind die unterschiedlichen Positionen von Verwaltung und Erstellern in der Frage des Kreditbedarfs und der Teuerung zum Teil auf unterschiedliche Sprachregelungen zurückzuführen. Darüber hinaus sind die Ursachen für die gegenüber den Kostenvoranschlägen 1991 höheren Vergaben nicht nur in der grauen Teuerung (zwischen Kostenvoranschlag und Vertragsabschluss) zu suchen, sondern gründen auch in früheren Unternehmerofferten, die nicht alle erforderlichen Gegebenheiten berücksichtigt haben.

Die Neat-Aufsichtsdelegation gelangte deshalb zur Erkenntnis, dass sich die abzeichnenden höheren Kosten zu einem kleineren Teil auf Projektänderungen und Anpassungen sowie die vom Parlament postulierte beschleunigte Verwirklichung, zu einem grösseren Teil auf die veränderte Marktsituation, den Respekt der Unternehmen vor der Übernahme von grösseren Kostenrisiken bei Grossbauprojekten sowie die Verkoppelung der Kredite mit dem Zürcher Index für Wohnbauten (ZIW) zurückführen lassen.

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Zur Veränderung der Marktsituation trägt insbesondere die markante Zunahme des Marktvolumens im Tunnelbau auf Grund des gleichzeitigen Baus der Gotthard- und Lötschbergbasistunnels bei. Die Grössenordnung der daraus resultierenden konjunkturell bedingten Preissteigerung ist zurzeit schwer abschätzbar. Die früheren Vergaben für Vorbereitungsarbeiten wie die Sondierung bei der Pioramulde und im Kandertal, den Zwischenangriff Sedrun und den Sondierstollen Sigirino erfolgten zu einem guten Teil unter den Voranschlägen, teils gar unter den Selbstkosten der Unternehmungen, die ein hohes Kostenrisiko trugen.

Diese Entwicklung schlägt sich nur zum Teil im ZIW nieder. Er dient im Projekt AlpTransit mangels Alternative der Messung der Preisänderung zwischen der Kreditsprechung und dem Vertragsabschluss. Bis etwa 1995 verlief er tendenziell gleichgerichtet mit der Preisentwicklung im Tunnelbau bei Bahn und Strasse, in den letzten Jahren zeigte er einen abweichenden Verlauf. Eine Überprüfung der Zweckmässigkeit des ZIW bzw. die Entwicklung eines angepassten Teuerungsmodells für den Tunnelbau wurde vom BAV in Auftrag gegeben. Die Studie kommt vorläufig zum Schluss, dass eine realistische Ermittlung eines Index für die Teuerung im Tunnelbau nur durch Auswertung von repräsentativen, aktuellen Projekten unter Einbezug der ausgeschriebenen Neat-Tunnelbaulose möglich ist. Ein rascher, aber zuverlässiger Ersatz des ZIW ist im Sinne der Transparenz unabdingbar. Der Erlass eines tauglichen Index wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Bei der Beratung des neuen Neat-Gesamtkredits ist der Nationalrat als Erstrat näher auf die Frage der Ankoppelung der Neat-Kredite an den ZIW eingegangen (siehe Amtliches Bulletin des Nationalrates 1999, S. 1865 ff.). Er hat sich nach ausführlicher Diskussion dem Antrag des Bundesrates angeschlossen, die Kredite auf Preisbasis 1998 inklusive Reserven, jedoch unter Ausschluss der von der Projektleitung nicht direkt beeinflussbaren und schwer voraussehbaren Grössen Teuerung, Bauzinsen und Mehrwertsteuer zu sprechen.

Die Neat-Aufsichtsdelegation legt Wert auf die Feststellung, dass die Reserven von 1,669 Milliarden Franken allein der Abdeckung der Unsicherheiten gegenüber den wahrscheinlichen Projektkosten (beispielsweise geologische Schwierigkeiten oder Projektänderungen des
Bundes) und der Stabilisierung des Finanzpakets dienen, nicht jedoch der Deckung der Bauteuerung und der konjunkturabhängigen Marktpreise (Indexteuerung), die vom Neat-Gesamtkredit ausgenommen sind. Diese sollen gemäss Artikel 3 des Entwurfs zum Alpentransit-Finanzierungsbeschluss durch den Bundesrat mittels Krediterweiterungen im Nachhinein und gemäss effektivem Ausmass gedeckt werden können.

Die Neat-Aufsichtsdelegation wird den verschiedenen Ursachen bei Kostenschwankungen regelmässig und systematisch nachgehen. Bei Kostenerhöhungen kontrolliert sie, ob eine Deckung aus der im Neat-Gesamtkredit enthaltenen Reserve entsprechend den erwähnten Kriterien gerechtfertigt ist. Eine Freigabe der vom Bundesrat zentral verwalteten Bundesreserve ist in diesem Fall jedoch erst als ultima ratio ins Auge zu fassen. Zuerst sind die Ersteller gehalten, über die wirtschaftlich günstigste Offerte den Kreditrahmen einzuhalten. Ist dies nicht möglich, müssen Anpassungen der vom Bund vorgegebenen Standards und Massnahmen bis hin zu einer Zurückstellung oder gar einer Verzichtplanung beim Ausbaustandard ­ ohne Abbau an den objektiven Sicherheitsanforderungen ­ geprüft werden. Dieses Verfahren wurde bereits beim Bau der Vereinalinie der Rhätischen Bahn erfolgreich angewandt.

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5 5.1

Mögliche Privatfinanzierung Gesetzliche Möglichkeiten

Gemäss Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe f der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung (Art. 196 Ziff. 3 Abs. 2 Bst. f nBV; SR 101) kann der Bundesrat zur Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte eine ergänzende Finanzierung durch Private oder internationale Organisationen vorsehen. Die gewählte Lösung darf jedoch weder zu einer Überschreitung der festgelegten Höchstverschuldung des Bundes noch zu einer Zunahme der finanziellen Risiken führen, die sich später zulasten des Bundes auswirken können (Art. 5 Fondsreglement).

Bereits Anfang 1998 hatte der Bundesrat eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, Möglichkeiten des Beizugs von privatem Kapital abzuklären. Diese legte ihren Schlussbericht dem Vorsteher des UVEK im März 1999 vor. Darin kam sie insbesondere zum Schluss, dass der Bau der beiden Neat-Basistunnels für den Beizug privaten Kapitals kaum geeignet ist. Zu einem späteren Zeitpunkt und unter Voraussetzung reduzierter und besser abgegrenzter Risiken sowie geklärter Rahmenbedingungen könnte eine teilweise Privatfinanzierung für den Bund jedoch Vorteile bringen (Risikoteilung, Steigerung der Effizienz bei Bau und Betrieb, zeitliche Optimierung von Finanzierungsbedarf und Investitionsprogramm). Voraussetzung für die Gewinnung von privaten Investoren ist eine Anpassung der institutionellen Rahmenbedingungen und eine klar abgrenzbare Identifizierung von Teilprojekten.

5.2

Beispiel Zimmerbergtunnel

Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Frage einer vorzeitigen Realisierung des Zimmerbergtunnels, Teil Neat, mittels Privatfinanzierung führte die Neat-Aufsichtsdelegation mit Vertretern der Eidgenössischen Finanzverwaltung, dem BAV und dem Verwaltungsrat der ATG Aussprachen über verschiedene Lösungsvorschläge.

Sie kam zum Schluss, dass sich eine vorgezogene Realisierung des Zimmerbergtunnels, Teil Neat, im Rahmen der Bevorschussungsgrenze von 4,2 Milliarden Franken halten müsste. Zudem darf sie die zeitgerechte Verwirklichung der über den Fonds für Eisenbahngrossprojekte finanzierten Projekte, insbesondere diejenigen der ersten Neat-Etappe, keinesfalls gefährden. Mit einem Abzug der Mittel ­ insbesondere beim Lötschberg-Basistunnel ­ und einer daraus resultierenden zeitlichen Verzögerung bei der Fertigstellung, entstünden dem Bund schnell markante Mindereinnahmen durch eine Verzögerung bei der vollen Erhebung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA).

In der Frage der Vorfinanzierung des Zimmerbergtunnels, Teil Neat, durch Private lag bis zum 22. November 1999 kein verbindliches Angebotskonzept für eine finanzielle Mitberteiligung der interessierten Kreise (Kantone, Wirtschaft, Schweizerische Bundesbahnen AG) vor. In Anbetracht der auf Ende November 1999 beschränkten Option der Unternehmer, den Tunnel gemäss früherer Ausschreibung zu bauen, besteht auch in zeitlicher Hinsicht kaum ein Handlungsspielraum für eine solche Alternativlösung.

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Bei der Prüfung von weiteren Privatfinanzierungsmöglichkeiten ist unbedingt darauf zu achten, dass der Eidgenossenschaft keine zusätzlichen Kosten und Risiken entstehen und die Verschuldungs- und die Bevorschussungslimiten eingehalten werden.

C. Schlussbemerkung Die Neat-Aufsichtsdelegation hat sich im ersten Jahr ihrer Tätigkeit vorab darauf konzentriert, den Grundstein für ein Klima der transparenten Aufgabenerfüllung auf allen Stufen zu legen. Ganz im Sinne des Grundsatzes «Kompetenz gegen Transparenz» muss diese auf der Basis gegenseitigen Vertrauens aller verantwortlichen Stellen und Organe erfolgen. Allein so wird es möglich sein, ein solch komplexes Jahrhundertvorhaben wie den Bau der Neat innerhalb der ambitiösen Zeit- und Kostenvorgaben gemäss den Weisungen und Vorstellungen des Gesetzgebers zu verwirklichen.

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