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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem dringlichen Bundesbeschluss über den Aufschub von Umzugsterniinen (Vom 20. Februar 1958)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über den Aufschub von Umzugsterminen zu unterbreiten. Dabei müssen wir zum voraus auf die zeitliche. Dringlichkeit dieser Angelegenheit hinweisen, die gebietet, dass der Beschluss noch in der Märzsession dieses Jahres verabschiedet wird.

I-

Als während des letzten Weltkrieges eine Wohnungsnot einsetzte und Neubauten wegen der Truppenaufgeböte und wegen der Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung oft nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnten, sah sich der Bundesrat erstmals im Frühjahr 1942 veranlasst, gestützt auf seine ausserordentlichen Vonmachten die Stadt Winterthur zu ermächtigen, den.

Umzugstermin vom 1. April aufzuschieben. In der Folge erwiesen sich gleichartige Beschlüsse auch für andere Gemeinden, besonders für Industriezentren und deren Vororte als nötig. .Wir verweisen auf unsere Ausführungen im 6, bis10. Vollmachtenbericht (BEI 1942, 323 und 745; 1943, 387 und 995; 1944, 887).

Einer Motion der ständerätlichen Vollmachtenkommission entsprechend,, wurde ani 28. Januar 1944 der Bundesratsbeschluss über den Aufschub von Umzugsterminen erlassen (BAU), der am 14. September 1948 durch einen weiteren Artikel ergänzt wurde (ES 10, 961 ; AS 1948, 973; hierzu 10. und 25. Vollmachtenbericht in BEI 1944, 387 und 1948, III, 840)» Über die Zahl der Gemeinden, die auf Grund des BAU Umzugstermine aufgeschoben haben, gibt nachstehende Tabelle Auskunft.

515 Anzahl der Gemeinden, für die Genehmigungen erteilt wurden

Umzugstermiiie

1 April .

1. Mai 1 Oktober 1. November Übrige Termine

. . , Total

1946

1947 | 1948

1049

1950

1951

1952

14 27

48 9 33 14 30

31 18 17 10 24

24 13 21 14 27

20 7 15 7 20

19 15 13 9 10

136

134

100

99

69

66

1044

1945

17 5 10 2 10

18 4 13 8 11

23 12 19 14" 16

38 17 40

44

54

84

Seit dem Waffenstillstand von 1945 war mit der Aufhebung des Vollmachtenrechts zu rechnen. Seit dem Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1950 über die Aufhebung der ausaerordentlichen Vollmachten des Bundesrates (AS 1950, 1498) stand fest, dass alles Vollmachtenrecht ausser Kraft zu treten hatte, soweit es nicht durch Bundesbeschlüsse ausdrücklich bestätigt wurde. Die rechtliche Situation war somit klar; mancherorts scheint man sich ihrer jedoch nicht bewusst geworden zu sein.

Speziell während der Beratungen des Verfassungszusatzes über die Weiterführung der Preiskontrolle, war im Zusammenhang hiermit stets nur von der Beschränkung des Kündigungsrechts die Eede, die im Bundesratsbeschluss vom 15. Oktober 1941/8. Februar 1946 betreffend Massnahmen gegen die Wohnungsnot geordnet ist (ES 10, 955). Nur diese Mieterschutzbestimmungen stehen neben den Mietzinsvorschriften auf Grund von Artikel 8, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 26. September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle (AS 1952, 1055) längstens noch bis 31. Dezember 1953 in Kraft, Der BAU dagegen, der durch keinen Bundesbeschluss bestätigt wurde, ist Ende 1952 ausser Kraft getreten.

II.

Durch das im Ständerat am 15. Dezember 1952 eingereichte Postulat Haefelin wird der Bundesrat eingeladen, von der dem Bund gemäss Artikel l, Absatz l, des Verfassungszusatzes über die Preiskontrolle zustehenden Kompetenz Gebrauch zu machen «und die Regierungen derjenigen Kantone, wo noch Gemeinden von akuter Wohnungsnot und insbesondere kinderreiche Familien von Obdachlosigkeit bedroht sind, zu ermächtigen, die Bestimmungen des BAU vom 28. Januar 1944 weiterhin in Kraft zu belassen».

Das Postulat konnte am 16. Dezember 1952 zwar noch begründet, vom Vertreter des Bundesratos jedoch nicht mehr beantwortet werden, weil der Bundesrat in so kurzer Zeit keine Gelegenheit hatte, Stellung zu beziehen. Der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepärtementes musste daher den Ständerat bitten, die Beantwortung auf die nächste Session zu vorschieben

516 und konnte lediglich versichern, dass der Bundesrat die angeführten Argumente mit aller Aufmerksamkeit beachten werde.

Herr Haefelin begründete sein Postulat mit dem Hinweis auf die Obdachlosigkeit, die auf Frühjahr 1958 vielen Mietern droht, weil der bestehende Wohnungsmangel noch dadurch verschärft wurde, dass wegen der nassen Witterung zahlreiche im Bau befindliche Wohnungen nicht rechtzeitig bezugsbereit sein werden. Er erinnerte daran, dass die Umzugstermine vom Herbst 1952 noch für Gemeinden von vielen Kantonen hatten aufgeschoben werden müssen. Wie aus der im Abschnitt I hievor gegebenen tabellarischen Übersicht zu entnehmen ist, wurde 18 Gemeinden der Aufschub des Termins vom 1. Oktober und 9 Gemeinden der Aufschub desjenigen vom 1. November 1952 bewilligt. Wir erwähnen hier nur einige Städte, die uns folgende Zahlen von Obdachlosigkeit bedrohter Familien meldeten: Zürich über 100, Winterthur 27, Biel 50, St. Gallen 46; Basel rechnete mit 150-200 Gesuchen, hatte dann sogar 252 zu behandeln; die vier solothurnischen Gemeinden Grenchen, Solothurn, Derendingen und Zuchwil meldeten zusammen 90-100 Familien.

Das Postulat Haefelin ist von verschiedenen Seiten durch Eingaben an das Justiz- und Polizeidepartement unterstützt worden.

Der Begierungsrat des Kantons Basel-Sta dt meldete mit Schreiben vom 24. Dezember 1952, dass am 1. Dezember im ganzen Kanton von 65 000 Wohnungen nur 49 = 0,07 Prozent als leerstehend gezählt wurden; hievon waren 19 zum Verkauf bestimmte Einfamilienhäuser, 15 befanden sich in Neubauten und die Mietzinse für diese Wohnungen betrugen über 3500 Franken. Auf den 1. April 1953 rechnet Basel mit rund 250 Mietparteien, die ohne Aufschub von Obdachlosigkeit bedroht würden, darunter eine grosse Zahl von minderbemittelten Familien, zum Teil mit zahlreichen Kindern. Die den Behörden zur Verfügung stehenden 420 Notwohnungen sind vollständig besetzt. Andrerseits sollen auf Frühjahr 1958 einige hundert Wohnungen in Neubauten bezugsfertig werden, eine termingemässe Fertigstellung, d. h. auf 1. April, wird aber nicht möglich sein.

Nach den Darlegungen des Begierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 21. Januar 1953 ist die Wohnungsmarktlage mancher Gemeinden, besonders in der Nähe von Basel, ebenso prekär wie in der Stadt selber. Z. B.

Binningen meldete, dass am 1. Dezember
1952 nicht eine einzige Wohnung leer stand ; die Lage müsse « als so prekär bezeichnet werden, wie das überhaupt noch nie der Fall war». Die Gemeinde Allschwil berichtet u. a., dass immer noch 10 mehrheitlich kinderreiche Familien in Notwohnungen, nämlich in Baracken und abbruchreifen Häusern untergebracht seien. Es fehle an geeigneten Wohnungen, um auf den Umzugstermin alle Familien unterzubringen, trotzdem laufend Neubauten erstellt werden.

Einer Zuschrift des Departementes des Innern des Kantons St. Gallen vom 16. Januar 1958 entnehmen wir, dass in der Stadt St, Gallen immer noch 500 geräumige Wohnungen fehlen. 168 Personen sind noch in Notwohnungen

517 und 136 in Baracken untergebracht. Die Stadt werde genötigt sein, Säle, Schulhäuser und Turnhalle» als Unterkünfte für die von Obdachlosigkeit bedrohten Familien einzurichten.

Der Staatsrat von N e u e n b u r g verweist auf die Wohnungsnot in Neuenburg, La Chaux-de-Fonds und Le Lode. Obschon grundsätzlich Gegner allen Ausnahmerechts, ist die Neuenburger Begierung davon überzeugt, dass die Notwendigkeit hier den Gesetzgeber verpflichtet, einzugreifen und ausserordentliche Maßnahmen vorzusehen.

Der Begierungsrat des Kantons Solothurn hatte schon am 8. April 1952 darum ersucht, die ^Rechtsgrundlagen zu schaffen, um über das Jahresende hinaus Umzugstermine aufschieben zu können. Er führt aus, dass 1948 bis 1950 infolge der Bückbildung der Hochkonjunktur und dank der ausgedehnten privaten und kommunalen Wohnbautätigkeit eine merkliche Besserung der «immer sehr prekären Wohnungsmarktlage» eingetreten sei, dass sie sich aber seit dem. Koreakonflikt und der damit neu eingetretenen Hochkonjunktur in Industrie und Gewerbe wiederum verschlimmert habe. Am schwersten betroffen ist Grenchen, obwohl diese Gemeinde schon über 5 Millionen Franken zur Bekämpfung der Wohnungsnot aufgewendet hat; aber auch in Solothurn und in den Industriegemeinden Zuchwil (neue Niederlassung der Sulzer AG, Winterthur), Derendingen sowie Bettlach besteht Wohnungsnot.

Die Gemeinderatskommission Grenchen gelangte am 7. Januar 1953 direkt an die Bundesbehörden. Über den Herbsttermin schreibt sie: «Wir können uns das Chaos gar nicht vorstellen, das eingetreten wäre, wenn uns das Ausweichinstrument der Umzugsverschiebung nicht zur Verfügung gestanden hätte.» Dann fährt der Bericht fort: «Die Situation für das Frühjahr 1958 ist noch schlimmer... Sämtliche Notwohnungen (Souterrain der Turnhalle, Schulhausräumlichkeiten, Saalräumlichkeiten, Estrich- und Kelloreinbauton usw.) sind vollständig belegt. In Gronchen wird fortwährend gebaut... Neue Bauprojekte sind in Arbeit.» Zu der Eingabe von Grenchen bemerkt das kantonale Justizdepartemcnt in seiner Vernehmlassung vom 27. Januar 1953, dass es sich der Schwierigkeiten der Industriegemeinden vollauf bewusst sei; immerhin habe die Zahl der Gemeinden, die zum Aufschub eines Umzugstennins habe ermächtigt werden müssen, ständig abgenommen. Das genannte Departement schlägt vor, für die einzelnen
Gemeinden, die auf einen Aufschub angewiesen sind, individuelle Bundesratsbeschlüsse zu erlassen, da dies eher zu verantworten wäre, als «das Wiederinkrafttretenlassen eines bereits aufgehobenen Vollmachtenbeschlusses», Endlich reichte auch der Schweizerische S t ä d t e v e r b a n d am 15. Januar 1953 eine Eingabe zur Unterstützung des Postulates Haefelin ein. Darin wird erwähnt, dass z. B. in der Stadt Zürich rund 200 Wohnungen anstatt auf den 1. April erst anfangs Mai oder Juni bezugsbereit werden, während die Mietverträge bereits auf den früheren, ordentlichen Umzugstermin abgeschlossen worden seien.

Bundosblatt. 105. Jahrg. Bd. I.

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III.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1958 lud das Justiz- und Polizeidepartement die beiden Spitzenverbände der Vermieter, den Zentralverband schweizerischer Haus- und Grundeigentümervereine und die Fédération romande des intérêts immobiliers ein, "bis zum 7. Februar zürn Postulat Haefelin Stellung zu beziehen.

Der erwähnte Zentralverband äusserte sich am 11. Februar ablehnend, dies im wesentlichen mit folgender Begründung : Das Postulat Haefelin sei schon «aus verfassungsrechtlichen und formellen Gründen undurchführbar». Gestützt auf den Verfassungszusatz vom 26. September 1952 können neue Bestimmungen nur auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung erlassen werden. Ein dringlicher Bundesbeschluss komme nicht in Frage, weil die materielle «Dringlichkeit» fehle; auch werde das Parlament die berechtigten Hemmungen gegen Dringlichkeitsbeschlüsse in diesem* besonderen Fall kaum missachten.

In materieller Hinsicht macht der Zentralverband geltend, wenn auch eine Wohnungsknappheit in gewissen Städten und Industriezentren nicht verneint werden könne, so handle es sich doch nirgends mehr um eigentliche Wohnungsnot. Die Gefahr, dass eine Familie obdachlos werden könnte, sei heute überwunden; für die Gemeinden sei es «sicher leichter als in der Zeit der akuten Krise», Notwohnungen zu beschaffen ; der Aufschub sei natürlich für die Gemeindebehörden viel bequemer. Es wird sodann auf den weitgehenden Eingriff in die private Eechtssphäre hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass eine Aufschubsbewilligung weitere nach sich ziehe, weil der neue Mieter, der nicht einziehen kann, dann seinerseits um Aufschub nachsuchen müsse. Die staatlichen Eingriffe auf dem Gebiet des Wohnungswesens sollten nun schrittweise abgebaut werden. Gelegentliche Schwierigkeiten einzelner Gemeindebehörden werden nicht abgestritten, doch rechtfertigen sie, nach der Auffassung des Zentralverbandes, «dermassen einschneidende und überwiegend auch für den Mieter nachteilige Massnahmen nicht».

Auch die Fédération romande lehnt das Postulat ab und ersucht, ihm nicht zu entsprechen.

IV.

-

Nach den unter II hievor erwähnten Darlegungen verschiedener Kantonsregierungen und Gemeindebehörden kann im Ernste nicht bestritten werden, dass in manchen Industriezentren der Bau von Wohnungen mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt zu halten vermochte. Mag auch die Wohnungsnot heute zum Teil eine Preisfrage sein, so ist doch dargetan, dass in mehreren Gemeinden verschiedener Kantone den Mietern Obdachlosigkeit droht, wenn die nächsten ordentlichen Termine nicht wieder aufgeschoben werden können. Gewiss gibt ea Mieter, die es mit Vorliebe der Behörde überlassen, ihnen eine andere Wohnung zu suchen, wenn sie die bisherige verlassen müssen. Es mag auch gelegentlich eine>

519 Gemeindestelle geben, die es in ihrer Zeitnot mit der Prüfung, ob alle Voraussetzungen zur Bewilligung eines Aufschubs auf Grund des BAU erfüllt waren, nicht allzu streng genommen hat. Der Bundesrat verkennt auch keineswegs, dass eine Aufschubsbewilligung einen schweren Eingriff in das Vertragsrecht bedeutet. Dem stehen aber die sozialen und moralischen Gefahren gegenüber, welche die Obdachlosigkeit ganzer Familien, besonders der kinderreichen, zur Folge haben müsste, wenn noch mehr als bisher in unzulänglichen Notwohnungen untergebracht oder sogar aufgelöst werden rnüssten. Gewiss schafft der Aufschub eines Umzugstermina keine neuen Wohnungen, und die Massnahme hätte da keinen Sinn, wo nicht in den Gemeinden, sei es von den Behörden oder von den von der Hochkonjunktur profitierenden Privaten, welche durch ihre Beschaftigungsmöghchkeiten unverhältnismässig viele Personen von ausserhalb ihrer Gemeinde anziehen, dafür gesorgt wird, dass neue Wohnungen zu erschwinglichen Mietzinsen erstellt werden.

Entgegen der vom Zentralverband schweizerischer Haus- und Grundeigentumervereine geäusserten Ansicht, ist die Angelegenheit dringlich. D.er nächste ordentliche Umzugstermin für die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Solothurn, Zürich und 8t. Gallen sowie für einzelne bernische Gemeinden fällt bereits auf den 1. April 1958. Wenn schon mit rechtlichen Massnahmen geholfen werden soll, so müssen sie vorher in Kraft gesetzt werden, damit die einzelnen Ermächtigungs- und Bewilligungsverfahren vorschriftsgemass und rechtzeitig durchgeführt werden können.

V.

Ein blosses Wiederinkraftsetzen des Ende 1952 ausser Kraft getretenen BAU kommt nicht in Frage. Die erforderlichen Bestimmungen müssen vom Gesetzgeber aufgestellt werden.

Das Postulat Haefelin erachtet Artikel l, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 26. September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle als die Verfassungsgrundlage, auf die sich der Gesetzgeber zu stützen hat. Die erwähnte Bestimmung lautet : «Der Bund kann Vorschriften erlassen über Miet- und Pachtzinse sowie zum Schutze der Mieter. Er kann seine Befugnisse den Kantonen übertragen.» Auch die Kantonsregierungen von Basel-Stadt und Neuenburg sowie der Städteverband rufen ausdrücklich diese Verfassungsgrundlage an; in den übrigen Eingaben geschieht dies implicite durch die Unterstützung des Postulates Haefeh'ü. Auch der Zentralverband schweizerischer Haus- und Grundeigentümervereine bemerkt, ein neuer Erlass könnte sich nur auf Artikel l des Veri assungszusatzes vom 26. September 1952 stützen.

Der Bundesrat schliesst sich der Auffassung an, dass die zitierte Bestimmung die nötige Verfassungsgrundlage bilde. Allerdings ist zuzugeben, dass der Verfassungszusatz in erster Linie, wie auch aus dem Titel des Bundesbeschlusses

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hervorgeht,. Preisvorschriften im Auge hat. Auch .während der Beratungen wurden in den Eäten stets nur die Beschränkungen des Kündigungsrechts als Beispiel für den Schutz der Mieter genannt. Allein der erwähnte Artikel l spricht ganz allgemein von Vorschriften zum Schutze der Mieter, ohne Beschränkung auf einen Zusammenhang mit der Preiskontrolle.

Da der Bundesbeschluss, den wir Ihnen vorschlagen, sofort in Kraft gesetzt ·werden muss, ist er gemäss Artikel 89blB, Absatz l, der Bundesverfassung zu befristen ; gemäss Absatz 2 untersteht er sodann dem nachträglichen fakultativen Eeferendum.

Wir schlagen Ihnen vor, den Bundesbeschluss bis Ende Juni 1954 zu befristen, so dass nötigenfalls die wichtigen Frühjahrstermine .vom l. April und l. Mai sowie im Kanton Neuenburg der ordentliche ümzugstermin vom 24. Juni im Jahre 1954 letztmals aufgeschoben werden können. Das sollte genügen. Der Bundesrat möchte jedenfalls heute schon der bestimmten Erwartung Ausdruck geben, dass seitens aller Interessierten die erforderlichen Anstrengungen und allenfalls auch die Opfer übernommen werden, um nach dem genannten Zeitpunkt ohne den schweren Eingriff in das ordentliche Recht, den er auch heute nicht ohne Bedenken vorschlägt, auszukommen. Wir möchten in aller Form davor warnen, sich etwa auf eine Erneuerung des Bundesbeschmsses verlassen zu wollen.

VI.

Der Entwurf lehnt sich an die früheren Bestimmungen des BAU vom 28. Januar 1944/14. September 1948 an.

Artik-el l sieht, wie früher Artikel l BAU, vor, dass die Gemeinden eine Ermächtigung ihrer Kantonsregierung einzuholen haben und dass der Aufschub höchstens sechs Monate betragen darf. Wie früher, ist der Aufschub nur far ordentliche Umzugstermine vorgesehen, wo jeweilen viele Mieter umziehen wollen. Dagegen kann nicht jedes beliebige Mietverhältnis erstreckt werden, das auf irgend einen anderen beliebigen Termin abläuft.

Wie schon 1944, so soll auch jetzt wieder die Genehmigung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes eingeholt werden müssen. Das Departement wird prüfen, ob die Voraussetzungen für die einer Gemeinde erteilte Ermächtigung erfüllt sind.

Artikel 2 verlangt ein Minimum von Obdachlosigkeit Bedrohter. Einiger weniger Personen wegen soll auch in kleineren Gemeinden kein Ümzugstermin aufgeschoben worden. Die Behörden haben sich hier zu behelfen, wie sie es auch tun müssen, wenn ihnen z. B. eine verarmte oder ausgewiesene Eamilie zugeschoben wird.

.

In Artikel 3 entsprechen die Absätze l und 3 dem Artikel 8 BAU. Neu ist Absatz 2, der verhüten will, was auch schon versucht wurde, dass Aufschubsbewilligungen erst erteilt werden, wenn der Umzugstermin schon verstrichen ist.

Der Mieter, der sich nicht rechtzeitig an die Behörde wendet, soll die Könse-

521 quenzen gelber tragen und nicht verspätet .noch eine ganze Kette von Aufschubsbewilligungen auslösen können.

Artikel 4 lehnt sich an Artikel 4 BAU an. Lit. b ist dem Umstände angepasst, dass heute die amtliche Inanspruchnahme unbenutzter Wohnräume nicht mehr möglich ist.

Der Gesuchsteller soll seine Bemühungen, eine andere Wohnung zu finden, nachweisen und sich nicht einfach darauf verlassen, er werde schon Aufschub erhalten.

Artikel S entspricht Artikel 5, Absatz l BAU.

Artikel 6. In ht. à ist die frühere Bestimmung von Absatz 2 des Artikels 5 BAU untergebracht.

Neu ist lit. 6. Wenn der Mieter oder seine Hausgenossen sich derart aufführen, dass die Kündigung wegen dieses Benehmens gerechtfertigt ist, so soll dem Vermieter und deri bisherigen Mitbewohnern eines Hauses nicht zugemutet ·werden, weiterhin in Hausgemeinschaft mit einem solchen Mieter zu leben, auch wenn er selber noch keine passende Unterkunft gefunden hat. Die Vorschrift soll solchen Mietern zur Warnung dienen, die geneigt sind, sich allzusehr auf unverdienten Mieterschutz zu verlassen.

Lit. c stimmt inhaltlich' mit dem am 14. September 1948 in den BAU eingefügten Artikel 5bls überein und will wiederum verhüten, dass Mieter länger als sechs Monate über den ordentlichen Ablauf des Mietverhältnisses hinaus in ihrer WTohnung bleiben können, indem zwei verschiedene Massnahmen, nämlich eine Erstreckung des Mietverhältnisses auf Grund der Bestimmungen über die Beschränkung des Kündigungsrechts und ein Aufschub des Umzuges, miteinander kombiniert werden. Wir erinnern an unsere Ausführungen im 25. Vollmachtenbericht (BEI 1948, III 840/841).

Artikel 7 übernimmt die alte Bestimmung von Artikel 6 BAU.

Artilcel 8 ist neu und räumt dem Vermieter das Eecht ein, die Aufhebung der Aufschubsbewilligung zu verlangen, wenn der Mieter dieser Eechtswohltat nicht mehr bedarf.

Artikel 9 sieht die gleiche Regelung vor wie seinerzeit. Artikel 7 BAU.

Artikel 10 entspricht den Artikeln 8 und 2 des BAU. Die Publikation der kantonalen und kommunalen Ausführungsvorschriften ist nicht mehr von Bundesrechts wegen vorgeschrieben. In der Praxis werden Kantone und Gemeinden nicht ohne Veröffentlichung auskommen, doch mag hier ihr eigenes Eecht Eegel machen.

In Absatz 3 werden die Entscheide der Gemeindebehörden wiederum als endgültig bezeichnet. Da sich
erfahrungsgemäss viele Mieter erst sehr spät bei der Behörde melden, würde die Zeit zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens nicht ausreichen. Als ausserordentliches Bechtsmittel steht die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht offen; das hat bisher, soweit wir orientiert sind, genügt. Nach längstens sechs Monaten muss der Mieter doch

522 unter allen Umständen ausziehen, auch wenn er immer noch keine Wohnung gefunden hat und nun von der Gemeindebehörde irgendwo untergebracht werden muss.

Artikel 11 enthält die sofortige Inkraftsetzung, die vorgeschriebene Beschränkung der Gültigkeitsdauer und den Hinweis auf das fakultative Referendum.

Wir empfehlen Ihnen, den vorgelegten Entwurf zu einem dringlichen Bundesbeschluss anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B.ern, den 20. Februar 1953.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter Der Bundeskanzler : Ch. Oeer

523 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

den Aufschub von Umzugstenninen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel l, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 26. September 1952 über die befristete. Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 20. Februar 1953, beschliesst :

Art. l 1

Die Kantonsregierungen können bestimmte, unter Wohnungsnot leidende Gemeinden ermächtigen, einen ordentlichen Umzugstermin nach Massgabe der folgenden Artikel um längstens sechs Monate aufzuschieben.

a Eine solche Ermächtigung bedarf zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes.

Art. 2 Die Ermächtigung darf den Gemeinden nur erteilt werden, wenn mindestens fünf Familien oder weniger Familien mit zusammen mindestens zehn Personen von Obdachlosigkeit bedroht sind.

Art. 3 1

Die Bewilligung zum Aufschub eines Umzuges darf nur auf begründetes Gesuch hin erteilt werden und nur, nachdem der Vermieter ausreichend Gelegenheit hatte, sich dazu zu äussern.

2 Nach Ablauf des Mietverhältnisses dürfen keine Bewilligungen mehr erteilt werden. Entgegen dieser Vorschrift erteilte Bewilligungen sind nichtig.

3 Wird die Bewilligung erteilt, so ist der Termin, bis zu welchem der Mieter längstens in der bisherigen Wohnung bleiben darf, genau anzugeben.

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Art. 4 Der Aufschub darf einem Mieter nur bewilligt werden : a. wenn er seine auf den ordentlichen Umzugsterniin gemietete Wohnung oder eine Wohnung in einem eigenen Hause nicht beziehen kann, weil sie nicht bezugsbereit ist ; b. wenn er nachgewiesenermassen trotz eifriger Bemühungen keine Wohnung gefunden hat und die Gemeinde nicht in der Lage ist, ihn in einer Notwohnung oder in anderen bewohnbaren Bäumen unterzubringen ; c. wenn er eine Wohnung beziehen sollte, deren bisheriger Inhaber eine Aufschubsbewilligung erhalten hat. Die gleiche Bewilligung kann auch einem Hauseigentümer erteilt werden, der in eine Wohnung im eigenen Hause umziehen sollte, deren Inhaber eine Aufsehubsbevilligung erhalten hat.

Art. 5 Der Aufschub darf in allen Fällen nur bewilligt werden, sofern dies zur Vermeidung von Obdachlosigkeit unumgänglich erscheint.

Art. 6 Der Aufschub ist zu verweigern : a. wenn dem Mieter an Stelle der bisherigen Wohnung eine andere, ihm und seiner Familie vorübergehend zumutbare Unterkunft zur Verfügung steht ; b. wenn die Kündigung erfolgte, weil das Verhalten des Mieters oder seiner Hausgenossen zu berechtigten Klagen Anlass gab ; c. wenn das Mietverhältnis schon auf Grund der Bestimmungen über die Beschränkung des Kündigungsrechts um sechs Monate erstreckt worden ist. Wurde das Mietverhältnis für kürzere Zeit erstreckt, so kann, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, ein Aufschub bewilligt werden, wobei jedoch die gesamte Verlängerung sechs Monate nicht übersteigen darf.

Art. 7 Wird.ein Aufschub bewilligt, so gilt der alte Mietvertrag als für die Dauer des Aufschubs (Art. 3, Abs. 3) verlängert; in den Fällen der lit. .a und c des Artikels 4 beginnt die Wirksamkeit des neuen Mietvertrages erst nach Ablauf des Aufschubs.

.

...

.

Art. .8

Der Vermieter ist berechtigt, die Aufhebung der Bewilligung zu verlangen, sobald der Aufschub nicht mehr, gerechtfertigt ist.

.

525 Art. 9 Die Gemeinde haftet den Vermietern für den ihnen aus den getroffenen Verfügungen erwachsenden Schaden.

2 Über die Schadenersatzansprüche entscheiden im Streitfalle die ordentlichen Gerichte.

Art. 10 1

1 Dio kantonalen Kegierungen erlassen die nötigen Ausführungsbestimmungen; sie können, soweit nötig, die Gemeinderäte mit dem Erlàss weiterer Vorschriften beauftragen.

2 Im Einverständnis mit der kantonalen Eegierung kann der Gemeinderat seine Zuständigkeit, Aufschubsbewilligungen zu erteilen, einer ihm unterstellten Amtsstelle oder einer von ihm gewählten Behörde übertragen.

3 Die Entscheide der Gemeindebehörde sind endgültig.

Art. 11 Dieser Beschluss wird dringlich erklärt und sofort in Kraft gesetzt.

2 Er gut bis Ende Juni 1954.

3 Er unterliegt im Sinne von Artikel 89bis, Absatz 2, der Bundesverfassung dem fakultativen Eeferendum.

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