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Bundesblatt

105. Jahrgang

Bern, den 5. März 1953

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 30 Franken im Jahr, Iß Franken im Halljahr zuzüglich Nachnahme- und Postbest ellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stampflii&cCie., in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der teilweisen Abänderung der Verfassung des Kantons St. Gallen (Artikel 39, Absatz 2, 41, Absatz 2, 76, 90, Absatz 2, 92 und 104) (Vom 28. Februar 1953) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Die Stimmberechtigten des Kantons St. Gallen haben in der Volksabstimmung vom 23. November 1952 eine teilweise Abänderung der Staatsverfassung angenommen. Die Abänderung des Artikels 89, Absatz 2, über das Stimmrecht, in Kantons- und Gemeindesachen wurde mit 30 155 Ja gegen 15 812 Nein angenommen; die Abänderung der Artikel 41, Absatz 2, 76 und 90, Absatz 2.

sowie die Aufhebung der Novelle vom 4. September 1921 betreffend die Organisation, das Stimmrecht und die Wahlfähigkeit in Angelegenheiten der Konfessionsteile wurden mit 28884 Ja gegen 16810 Nein angenommen; schliesslich wurde die Revision der Artikel 92 und 104 über den Amtsdauerbeginn der Gemeindebehörden mit 27 360 Ja gegen 18 190 Nein angenommen. Mit Schreibon vom 26. November 1952 ersuchen Landammann und Regierungsrat um Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten : Bisheriger Text

Art. 39 Abs. 2 Die Stimmberechtigung beginnt 1. für die in der Heimatgemeinde wohnhaften Burger nach Eingang der Ausweise über die Heimatangehörigkeit und das Stimmrecht; Bundesblatt. 105. Jahrg. Bd. I.

Neuer Text

Art. 39 Abs. 2 Die Stimmberechtigung beginnt 1. (unverändert)

40

566 Bisheriger Text

Neuer Text

2.-für die Niedergelassenen 14 Tage . nach Erteilung der Niederlassungsbewilligung; 8. für die Aufenthalter drei Monate nach der Erteilung der Auf enthaltsbewilligung.

2. für die übrigen fichweizerbürger 14 Tage nach Erteilung der Niederlassungsbewilligung.

Art. 41 In den Schul- und Kirchgemeinden sind die Mitglieder stimmberechtigt, welche in Angelegenheiten der politischen Gemeinde das Stimmrecht besitzen.

Art. il (Unverändert)

Die Konfessionsteile können in ihrer Organisation das Stimmrecht abweichend von Absatz l regeln, jedoch weder einschränken noch auf Ausländer oder Minderjährige ausdehnen.

Art. 76 Die Kirchgemeinden wählen zur Besorgung ihrer ökonomischen Angelegenheiten einen Kirchenverwaltungsrat von mindestens drei Mitgliedern.

Art. 76 Die Kirchgemeinden wählen zur Besorgung, ihrer ökonomischen Angelegenheiten einen oder mehrere Kirchenverwaltungsräte von mindestens drei Mitgliedern.

Art. 90, Abs. 2 Die Ortsvcrwaltungsräte und aus ihnen deren Präsidenten werden durch die stimmfähigen Ortsbürger, die Kirchenverwaltungsräte und Schulräte und aus ihnen deren Präsidenten durch die stimmfähigen Bürger der Kirchund Schulgomeinden gewählt.

Art. 90, Abs. 2 Die Ortsverwaltungsrate und aus ihnen deren Präsidenten werden durch die stimmfähigen Ortsbürger, die Kirchenverwaltuiigsräte und Schulräte und aus ihnen deren Präsidenten durch die stimmfähigen Bürger der Kirchund Schulgemeinden gewählt. Die Konfessionsteile können in ihrer Organisation für die Kirchgemeinden abweichende Vorschriften aufstellen.

Art. 92 Der Amtsantritt der Mitglieder des Grossen Eates findet am 1. Mai, derjenige aller andern Behörden am 1. Juli, derjenige der Abgeordneten in

Art. 92 Die Amtsdauer beginnt für die Abgeordneten in den Ständerat mit der ersten auf ihre "Wahl folgenden Session der Bundesversammlung, für

567 Bisheriger Text den Ständerat mit Beginn der ersten auf ihre Wahl folgenden ordentlichen Session der Bundesversammlung statt.

Neuer Text die Mitglieder des Grossen Eates am 1. Mai, für die übrigen Behörden und die Beamten des Kantons am 1. Juli und für jene der Gemeinden am 1. Januar.

Art. 104 Wahlfähig in die Behörden sind im allgemeinen alle Bürger, welche die für die Stimmfähigkeit erforderlichen Eigenschaften besitzen.

Art. 104 Wahlfähig in die Behörden ist, wer die erforderlichen Eigenschaften für die Stiminfähigkeit besitzt.

Eine Übergangsbestimmung hebt die Novelle vom 4. September 1921 auf, die wie folgt lautete : «Der katholische und der evangelische Konfessionsteil können in ihrer Organisation, unter Sanktion des Grossen Eates, für die Wahl der Beamten und Behörden, sowie für die Organisation grösserer Kirchgemeinden Bestimmungen aufstellen, die von den Vorschriften der Artikel 76, 82 und 90, Absatz 2, der Kantonsverfassung abweichen.» Der neue Artikel 89, Absatz 2, soll die Revision des Gesetzes über die Niederlassung der Schweizerbürger ermöglichen. Es ist beabsichtigt, den Unterschied zwischen Niedergelassenen und Aufenthaltern fallen zu lassen. Die Ortsbürger, nämlich die in ihrerWohngemeinde Heimatberechtigten, werden in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten mit dem Eingang der Ausweise über die Heimatangehörigkeit und über das Stimmrecht stimmberechtigt. Alle übrigen Schweizerbürger - die Niedergelassenen - werden 14 Tage nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung stimmberechtigt.

Es steht den Kantonen frei, die Niedergelassenen und die Aufenthalter gleich zu behandeln. In bezug auf Artikel 89, Absatz 2, Ziffer 2, ist zu bemerken, dass nach Artikel 48, Absatz 5, der Bundesverfassung der niedergelassene Schweizerbürger das Stimmrecht in kantonalen und Gemeindeangolegenheiten spätestens nach einer Niederlassung von drei Monaten erwirbt. Nach der konstanten Praxis des Bundesrates (vgl.BB11908, IV, 101-107 jBurckhardt, Schweizerisches Bundesrecht, Bd. I, Nr. 228, S. 523 und dortige Zitate; Burckhardt, Kommentar, S. 378-874; Giacornotti, Staatsrecht der Kantone, S. 215) darf die dreimonatige Frist nicht von der Erteilung der Niederlassungsbewilligung an gerechnet werden, sondern sie läuft vom Zeitpunkt des regelrechten Gesuches an.

Die kantonale Vorschrift, nach welcher die Niedergelassenen 14 Tage nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung stimmberechtigt werden, besteht übrigens schon seit 1890, und es ist nicht bekannt, dass sich Schwierigkeiten ergeben hätten. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen wird immerhin auch künftig darüber zu wachen haben, dass die Frist von Artikel 48, Absatz 5, soweit es sich um Niedergelassene handelt, unter allen Umständen eingehalten werde.

568 Die Artikel 41, Absatz 2, und 90, Absatz 2, sollen die Einführung des Frauenstirninrechts in kirchlichen Angelegenheiten ermöglichen. Artikel 76 erlaubt den grösseren Kirchgemeinden, mehrere Kirehenvenvaltungsräte zu wählen, damit diese die ökonomischen Angelegenheiten der Konfessionsteile besser besorgen können. Diese Möglichkeit war schon implicite durch die Novelle vom 4. September 1921 gegeben, so dass hier nichts Neues geschaffen wird. Diese Novelle ist nun aufgehoben worden, da sie in die einzelnen Artikel der Staatsverfassung eingebaut wurde. Das Ffauenstimmrecht in kirchlichen Angelegenheiten und die Organisation der Kirchgemeinden fallen in die Zuständigkeit der Kantone. Die eidgenössische Gewährleistung kann somit ohne weiteres .erteilt werden.

Auf Grund des Artikels 92 beginnt nun die Amtsdauer der Gemeindebehörden und -beamteu am 1. Januar. Sie begann bisher am 1. Juli, wie diejenige der Kantonsbehörden und -beamten. Diese Änderung bezweckt, den Amtsdauerbeginn der Gemeindebehörden und -beamten mit dem Beginn des EechnungsJahres zusammenfallen zu lassen. Im weiteren ist Artikel 92 nur redaktionell abgeändert worden, desgleichen Artikel 104.. Auch hier handelt es sich um Materien, für welche die Kantone ausschliesslich zuständig sind.

Diese Abänderungen der Staatsverfassung des Kantons St. Gallen laufen in keiner -Weise dem Bundesrecht zuwider, weshalb wir Urnen beantragen, die nachgesuchte Gewährleistung des Bundes durch Annahme des mitfolgenden Beachlussesentwurfes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. Februar 1953.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter Der Bundeskanzler : Ch. Oser

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der teilweisen Abänderung der Verfassung des Kantons St. Gallen (Artikel 39, Absatz 2, 41, Absatz 2, 76, 90, Absatz 2, 92 und 104) (Vom 28. Februar 1953)

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