99.408 Parlamentarische Initiative Umklassierung der Prättigauerstrasse (Brändli) Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates vom 3. Februar 2000

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, ihrem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

3. Februar 2000

Im Namen der Kommission

10965

Der Präsident: Hans Hess

3212

2000-0933

Bericht I Allgemeiner Teil 1

Ausgangslage

1.1

Parlamentarische Initiative für die Ergänzung des Nationalstrassennetzes

Am 18. März 1999 reichte Ständerat Christoffel Brändli eine parlamentarische Initiative ein, welche verlangt, der Anhang zum Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz1 sei dahingehend zu ergänzen, dass die Kantonsstrasse durch das Prättigau (Landquart­Klosters/Verladestation Vereinatunnel) ins Netz der Nationalstrassen (Nationalstrasse 2./3. Klasse) aufgenommen wird.

1.2

Begründung der Initiative

Der Initiant führt in seiner Begründung aus, das Stabilisierungsprogramm 1998 habe die bestehenden Unterschiede bei den entsprechenden Strassenlasten der Kantone zusätzlich verstärkt. Die linearen Kürzungen von 10 Prozent für die Alpentrassen und von 5 Prozent für die Talstrassen würden vor allem die Gebirgskantone mit relativ grossem Hauptstrassennetz treffen. Einen wesentlichen Einfluss auf dieses unerwünschte Ergebnis habe die Kürzung der Folgetranchen bei laufenden Bauprojekten. Diese betrage gemäss einem Bericht des Bundes für den Kanton Graubünden als meistbelastetem Kanton 7013 Millionen pro Jahr, also 37 Franken pro Kopf, in anderen Kantonen aber nur 10 Franken (Basel-Land), 9 Franken (Wallis), 8 Franken (St. Gallen) oder gar 1 Franken (Bern) pro Kopf.

Die sich aus dieser Zusatzbelastung ergebende Verzögerung oder Nichtrealisierung dringend notwendiger nationaler Verbindungen sei in der ständerätlichen Kommission, welche das Stabilisierungsprogramm behandelt hatte, eingehend diskutiert worden. Das Problem sei zwar erkannt worden, es sei allerdings die Meinung vertreten worden, eine Lösung müsse ausserhalb des Stabilisierungsprogramms gefunden werden, weil dieses sonst grundsätzlich in Frage gestellt werde. Mit seiner parlamentarischen Initiative wollte der Initiant einen Weg aufzeigen, um zumindest die extremen negativen Auswirkungen für den am stärksten belasteten Kanton Graubünden etwas zu mildern.

Der Initiant verwies auch darauf, dass die Strassenlast des Kantons Graubünden im Vergleich mit den anderen Kantonen sehr hoch sei. Ein Vergleich ergebe für die drei am stärksten und die drei am schwächsten belasteten Kantonen pro Kopf der Bevölkerung folgende Beträge pro Jahr:

1

SR 725.113.11

3213

Franken

Graubünden Wallis Neuenburg Luzern Appenzell Innerrhoden Nidwalden

1251 899 811 442 394 380

Die durchschnittliche Belastung in der Schweiz beträgt nach Aussage des Initianten 570 Franken pro Einwohner.

Der Initiant wies zudem darauf hin, dass mit dem Stabilisierungsprogramm gemäss Botschaft die Kantone in Prozenten ihrer Steuerkraft möglichst gleich stark belastet werden sollten (angestrebte Abweichung maximal 0,3 Prozent vom Mittel). Effektiv würden die Kantone Uri und Graubünden mit 1,9 Prozent, der Kanton Obwalden mit 0,6 Prozent und der Kanton Zug mit 0,7 Prozent belastet; dies bei einem Mittel von 1,1 Prozent.

Auf die weiteren vom Initianten vorgebrachten Argumente wird hinten (Ziff. 4) noch ausführlich eingegangen.

1.3

Erwägungen der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates

Die von Ständerat Christoffel Brändli am 18. März 1999 eingereichte parlamentarische Initiative wurde von der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates an ihrer Sitzung vom 19. August 1999 gemäss Artikel 21ter des Geschäftsverkehrgesetzes vorgeprüft.

Die Kommission kam zum Ergebnis, die in der parlamentarischen Initiative angesprochene Problematik des Ausbaus der Zufahrtsstrasse zum Vereinatunnel stelle einen Sonderfall dar, der einer näheren Prüfung bedürfe. Zwar sei die Kommission nach wie vor der Meinung, bei der Fertigstellung und beim Ausbau des Nationalstrassenetzes müsse eine Gesamtschau vorgenommen werden und es dürften grundsätzlich nicht Einzelfalllösungen angestrebt werden, welche andere, ebenso berechtigte Begehren ausser Acht lassen. Die Kommission unterstütze im Grundsatz die vom Bundesrat beschlossenen Prioritätenordnung beim Nationalstrassenbau und halte fest, dass die Fertigstellung des bereits geplanten Nationalstrassennetzes nicht in Frage gestellt werden dürfe.

Die Kommission teilte allerdings die Meinung des Initianten, der Kanton Graubünden befinde sich in einer besonderen Situation. Die Nettoverkehrslasten dieses Gebirgskantones seien auf Grund des ausgedehnten Strassennetzes sowie des geringen Nationalstrassenanteils unbestrittenermassen besonders hoch. Mit der angestrebten Umklassierung solle dem Kanton durch die finanzielle Entlastung ermöglicht werden, die Zufahrten wintersicher auszubauen. Damit würde der Anschluss der heute 50­100 km (Landesdurchschnitt 30­50 km) von einem nationalen Erschliessungswerk entfernten Südtäler Graubündens und des Engadins stark verbessert. Die Kommission war auch der Auffassung, es sei nicht sinnvoll in den Bau des Vereinatunnels 700 Millionen Franken zu investieren, ohne dafür zu sorgen, dass auch die Tunnelzufahrten das ganze Jahr hindurch sicher befahren werden können.

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Auf Grund all dieser Überlegungen kam die Kommission zum Schluss, es handle sich nicht um ein Präjudiz hinsichtlich der Erweiterung des Nationalstrassennetzes und stellte mit zehn Ja- und einer Neinstimme (bei einer Enthaltung) den Antrag, der Initiative Folge zu leisten.

1.4

Beschluss des Ständerates

An seiner Sitzung vom 6. Oktober 1999 gab der Ständerat der parlamentarischen Initiative ohne Gegenantrag Folge.

1.5

Motion der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen vom 7. September 1999

Am 7. September 1999 verabschiedete die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates eine Motion, welche die Überprüfung des Bundesbeschlusses über das Nationalstrassennetz verlangt. Die Kommissionsmotion verlangte, dass möglichst rasch ein Bericht mit einer aktualisierten Gesamtschau des Nationalstrassenbaus erstellt werde. Es solle eine rollende Planung im Sinne einer fliessenden Überführung von der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes zu den notwendigen Ausbauten und allenfalls Ergänzungen vorgenommen werden. Dabei sei in erster Linie eine Ergänzung des Nationalstrassennetzes durch wichtige Verkehrsverbindungen dort zu prüfen, wo es das Verkehrsaufkommen erfordert. Zum zweiten sei eine umfassende Ausbauplanung besonders verkehrsbelasteter Teilstücke des bestehenden Nationalstrassennetzes vorzunehmen und abzuklären, inwieweit z.B. der Ausbau von stark befahrenen Teilstücken auf sechs Spuren erforderlich sei. Die Kommission war der Meinung, die aktuellen Probleme im Nationalstrassenwesen und vor allem die anstehenden Probleme der Zukunft liessen es angezeigt erscheinen, rechtzeitig Überlegungen anzustellen über den punktuell notwendigen Ausbau der Nationalstrassen und über künftige Ergänzungen und Ausbauten, wobei die in diesem Bereich sehr langen Planungs-, Projektierungs- und Realisierungsphasen zu beachten seien.

Der Bundesrat führte in seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 1999 aus, er halte im Nationalstrassenbereich an seiner Prioritätenordnung fest, wonach an erster Stelle die Fertigstellung des beschlossenen Netzes komme, dann die Substanzerhaltung, dann die Ausnützung der Möglichkeiten der Telematik und erst an vierter Stelle ein allfälliger weiterer Ausbau. Er lehne deshalb Vorstösse ab, die einzelfallweise als Sofortmassnahme Umklassierungen oder Erweiterungen verlangen, wie z.B. das Postulat Bezzola betreffend Umklassierung der Prättigauerstrasse zur Nationalstrasse (zur parlamentarischen Initiative Brändli hat sich der Bundesrat im jetzigen Zeitpunkt noch nicht auszusprechen). Der Bundesrat wies zudem darauf hin, dass es aus Sicht einer gesamtheitlichen Verkehrspolitik erforderlich sei, auch die Bahnen einzubeziehen, vor allem auch die Verkehrsverlagerung im Schwerverkehr.

Materiell sei der Bundesrat bereit, dem Vorstoss zu entsprechen und eine gesamtheitliche Planung
einzuleiten. Formell erachte er ihn aber nicht als motionswürdig im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes, da es darum gehe, einen Bericht zu erstellen und nicht darum, gesetzgeberisch tätig zu werden.

3215

Am 6. Oktober 1999 überwies der Ständerat einstimmig (mit 17 Stimmen) die Kommissionsmotion.

2

Rechtslage

2.1

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 81 der neuen Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (nBV; SR 101) steht dem Bund das Recht zu, im Interesse des Landes oder eines grossen Teils desselben öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen. Nach Artikel 83 nBV hat der Bund auf dem Wege der Gesetzgebung die Errichtung und Benützung eines Netzes von Nationalstrassen sicher zu stellen. Nach Absatz 3 dieser Bestimmung haben Bund und Kantone die Kosten der Nationalstrassen gemeinsam zu tragen. Der Kostenanteil der einzelnen Kantone richtet sich nach ihrer Belastung durch die Nationalstrassen, nach ihrem Interesse an diesen Strassen und nach ihrer Finanzkraft. 2

2.2

Gesetzliche Grundlagen

Im zweiten Abschnitt (Bau der Nationalstrassen) des Nationalstrassengesetzes (NSG)3 wird in Artikel 11 Absatz 1 festgehalten, die Bundesversammlung entscheide auf Antrag des Bundesrates endgültig über die allgemeine Linienführung und die Art der zu errichtenden Nationalstrassen. Gemäss Artikel 11 Absatz 2 NSG legt der Bundesrat nach Anhören der Kantone das Bauprogramm fest.

2.3

Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz

Gestützt auf die erwähnten Verfassungsbestimmungen und Artikel 11 NSG hat die Bundesversammlung am 21. Juni 1960 den Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz4 erlassen. Gemäss Artikel 1 des Bundesbeschlusses gehören zu den Nationalstrassen im Sinne des NSG die im Anhang zum Bundesbeschluss aufgeführten Strassenverbindungen. Für die Umsetzung der parlamentarischen Initiative genügt es, diesen Anhang um die Strecke Landquart­Klosters/Verladetunnel Vereina zu ergänzen.

2 3 4

Angenommen in der Volksabstimmung vom 27. Februar 1983, in Kraft seit 1. Mai 1983.

Bundesgesetz vom 8. März 1960 über die Nationalstrassen, SR 725.11.

SR 725.113.11

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II Besonderer Teil 3

Erläuterungen zum Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz

Für die Aufnahme der Prättigauerstrasse (Landquart­Klosters/Verladestation Vereinatunnel) als Nationalstrasse zweiter oder dritter Klasse ins Netz der Nationalstrassen ist wie bereits erwähnt eine Anpassung beziehungsweise Ergänzung des Anhanges zum Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz vom 21. Juni 1960 erforderlich. Nationalstrassen zweiter Klasse sind die ausschliesslich dem Verkehr von Motorfahrzeugen offenen Nationalstrassen, die nur an besonderen Anschlussstellen zugänglich sind und in der Regel nicht höhengleich gekreuzt werden. Nationalstrassen dritter Klasse stehen auch anderen Strassenbenützern offen, sollten aber, wo die Verhältnisse es gestatten Ortsdurchfahrten und höhengleiche Kreuzungen vermeiden.5 Die Umklassierung betrifft die Strecke der Prättigauerstrasse von der Abzweigung der Nationalstrasse A13 in Landquart bis zum Anschluss der Prättigauerstrasse an die Verladestation Vereinatunnel.

4

Gründe für die Umklassierung der Prättigauerstrasse

4.1

Nationale Verbindung

Am 19. November 1999 wurde mit einem offiziellen Festakt der Vereinatunnel eröffnet und dem Verkehr übergeben, womit das Unterengadin und die Bündner Südtäler ab Klosters eine wintersichere Zufahrt erhalten haben. Der Vereinatunnel wurde seinerzeit als Bauwerk nationaler Bedeutung eingestuft und konnte deshalb mit massgeblicher Unterstützung des Bundes realisiert werden. Konsequenterweise ist es angebracht, auch den Zubringer zu dieser rollenden Strasse, also die Prättigauerstrasse, welcher der Bundesrat eine nationale Bedeutung zuerkannt hat, entsprechend zu klassieren. Es macht wenig Sinn, in den Bau des Vereinatunnels zu investieren, ohne dafür besorgt zu sein, dass auch die Zufahrten das ganze Jahr hindurch sicher befahren werden können. Gerade der Winter 1998/1999 hat die anstehenden Probleme hinsichtlich der Verkehrssicherheit im Prättigau eindrücklich aufgezeigt, als in Davos während mehrerer Tage über 40 000 Personen eingeschlossen waren und das World Economic Forum (WEF) nur mit Glück einigermassen ordnungsgemäss abgewickelt werden konnte. Die alljährliche Durchführung des WEF in Davos aber auch die bevorstehenden Ski-Weltmeisterschaften 2003 in St. Moritz unterstreichen die nationale Bedeutung der Prättigauerstrasse deutlich; ja man kann ihr unter diesen Gesichtspunkten sogar internationale Bedeutung attestieren.

4.2

Stabilisierungsprogramm 1998

Durch sein über 1600 km langes Kantonsstrassennetz wird der Kanton Graubünden finanziell ausserordentlich stark belastet. Währenddem das relativ grosse Hauptstrassennetz gemäss kantonaler Strassengesetzgebung 625 km umfasst (davon sind nach 5

Vgl. Art. 2 und 3 NSG

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Bundesrecht lediglich 496 km subventionsberechtigt), fällt der Anteil an Nationalstrassen mit 129 km recht bescheiden aus. Verschiedene Hauptstrassenzüge haben denn auch eindeutig nationale Bedeutung, was der Bundesrat in der Vergangenheit mehrmals schriftlich bestätigt hat. Da bis zum heutigen Zeitpunkt keine Umklassierung vorgenommen wurde, ist der Kanton Graubünden doppelt benachteiligt. Er profitiert einerseits nicht von den bei den Nationalstrassen geltenden höheren Beitragssätzen für den Bau und muss andererseits den gesamten Unterhalt dieser wichtigen Alpenstrassen selbst tragen.

Vergleicht man die Strassenlast von Graubünden mit derjenigen anderer Kantone und mit dem schweizerischen Mittel, ist ersichtlich, dass der Kanton Graubünden mit 1251 Franken pro Kopf ohne Zweifel am stärksten belastet wird. Die Belastung im schweizerischen Mittel beträgt 570 Franken pro Einwohner, also deutlich weniger als die Hälfte. Aufgrund des Stabilisierungsprogramms 1998 des Bundes wurden die Beitragssätze für die Alpenstrassen um 10 Prozentpunkte reduziert.6 Diese Reduktion soll auch für die Folgetranchen von bereits begonnenen Grossprojekten gelten. Allein für die Umfahrungen Klosters und Flims resultiert daraus ein Beitragsausfall für den Kanton Graubünden von rund 30 Millionen Franken. Im Rahmen des Stabilisierungsprogramms wurde das bereits vorher bescheidene Hauptstrassenbudget nun auf gut 200 Millionen Franken reduziert, dies, obwohl dadurch verschiedene Kantone Schwierigkeiten bei der Umsetzung grösserer Bauvorhaben begegnen. Neben den laufenden Grossprojekten in Klosters und Flims müssen im Kanton Graubünden zwingend Ausbauten und Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit am grossen Hauptstrassennetz in allen Talschaften realisiert werden. Im Rahmen der jüngsten Revision der Strassenfinanzierungsregelung im Strassengesetz des Kantons Graubünden wurde ein ausgewogenes Verhältnis bei der Mittelzuteilung für Grossprojekte zu den übrigen Bauvorhaben auf dem Hauptstrassennetz angestrebt. Auf Grund der Budgetkürzung durch den Bund, welche sich auf das Mehrjahresprogramm für Hauptstrassen von 2000­2003 ausgewirkt hat, kann das beabsichtigte kantonale Finanzierungsmodell nicht in die Tat umgesetzt werden, ohne dass wesentliche Verzögerungen bei der Realisierung der beiden laufenden, verkehrspolitischen
Grossprojekte in Kauf genommen würden. Die Belastung der Strassenrechnung durch die Grossprojekte wird demnach künftig weit stärker ins Gewicht fallen, was zur Folge haben wird, dass für die Umfahrung Saas im gleichen Zeitraum keine freien Mittel zur Verfügung stehen werden. Die Regierung hat gleichwohl beschlossen, die entsprechenden Planungs- und Projektierungsarbeiten weiter zügig voranzutreiben. Sie ist auch gewillt, im Einvernehmen mit dem Bund mit ersten kleineren Vorbereitungsarbeiten zur Erschliessung und Versorgung der Baustellen bereits im Jahre 2002 zu beginnen. Unter den heutigen Finanzierungsrandbedingungen wird der Start der Hauptarbeiten jedoch frühestens im Jahre 2006 erfolgen können.

Im Verlaufe der mehrjährigen Diskussionen um eine rasche Realisierung der Umfahrung Saas hat sich in der Folge des Stabilisierungsprogramms die finanzielle Situation für Graubünden auch in anderer Hinsicht verschlechtert. Für die Grossprojekte sind wie eingangs erwähnt die Subventionssätze um 10 Prozent gekürzt worden und für die übrigen Projekte um 15­20 Prozent. Eine weitere Belastung ergibt sich dadurch, dass Projekte im Umfang von weniger als 2,5 Millionen Franken vom Bund überhaupt nicht mehr subventioniert werden. Dies hat zur Folge, dass für den Kan6

Vgl. die ausführliche Diskussion zu dieser Problematik in der Debatte des Ständerates zum Stabilisierungsprogramm: AB 1999 S. 18 und insbes. S. 36 ff.

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ton Graubünden bei gleichbleibendem Bauvolumen eine Mehrbelastung von mindestens 10 Millionen Franken pro Jahr resultieren wird. Dadurch haben sich die Finanzierungsmöglichkeiten dieses Kantons massgeblich verschlechtert. In der Gesamtbilanz des Stabilisierungsprogramms erfährt der Kanton eine Spitzenbelastung, die um einiges über dem vom Bundesrat vorgegebenen Maximalwert liegt, was eine besonders heikle Situation darstellt.

Vor diesem Hintergrund haben der Bund und der Kanton Graubünden gemeinsam nach Lösungen gesucht, damit die Umfahrung Saas als dringlichstes Projekt realisiert werden könnte; bisher allerdings ohne Erfolg. Als Folge der Mehrbelastung des Kantons von ca. 10 Millionen Franken auf Grund der Reduktion der Subventionssätze und der gegenüber dem bisherigen Mehrjahresprogramm neu ebenfalls in etwa gleicher Höhe reduzierten Bundesmittelzuteilung ist es nicht möglich, mit den Arbeiten für die Umfahrung Saas zu beginnen, solange der Bau der Umfahrung Klosters noch nicht beendet ist. Ohne erhebliche längere Bauzeiten bei den beiden Grossprojekten Flims und Klosters in Kauf zu nehmen oder die dringend anstehenden Bauvorhaben für den massvollen Ausbau des übrigen Hauptstrassennetzes zurückzustellen, wird es nicht möglich sein, einen Teil der Mittel für Saas aufzuwenden, wie dies der Bund im Zusammenhang mit dem Mehrjahresprogramm vorgeschlagen hat. Weder längere Bauzeiten bei den Grossprojekten Flims und Klosters noch ein Zurückstellen dringend notwendiger Projekte auf dem übrigen Hauptstrassennetz sind wirtschaftlich vertretbar. Aus diesem Grund kann mit den erforderlichen Mitteln für die Umfahrung Saas aus dem Hauptstrassenfinanzierungsbudget erst nach der Fertigstellung der Umfahrung Klosters gerechnet werden. Unter diesen Bedingungen wird ein angemessener und für die Erhöhung der Verkehrssicherheit nötiger Ausbau der national bedeutenden Prättigauerstrasse noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Damit der speziellen Situation des Kantons Graubünden Rechnung getragen werden kann, dürfte die Umklassierung der Prättigauerstrasse und damit die Aufnahme ins Nationalstrassennetz mittelfristig die beste Lösung zur Bewältigung der anstehenden Probleme darstellen. Selbst unter Berücksichtigung des Zeitbedarfs für das Umklassierungsverfahren und der allenfalls auftretenden verfahrensrechtlichen Fragen bei der Projektgenehmigung ist die Erreichung des angestrebten Zieles damit am besten gewährleistet.

4.3

Sonderfall Graubünden

Obwohl Graubünden rund einen Sechstel der Gesamtfläche der Schweiz aufweist, verfügt der Kanton über einen geringen Anteil am vom Bund finanzierten Nationalstrassennetz, was auf Grund der speziellen topografischen Verhältnisse entsprechend mehr Haupt- und Verbindungsstrassen zur Folge hat. Grosse Gebiete des Kantons, insbesondere das Engadin und die Bündner Südtäler liegen mehr als 30­50 km vom Anschluss an eine Nationalstrasse entfernt, dies im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen der Schweiz. Auf Grund der Topografie beträgt zudem die Länge der Kantonsstrasse in Graubünden pro Einwohner das Dreifache des schweizerischen Mittels. All dies hat zur Folge, dass die Strassenrechnung rund einen Viertel des gesamten kantonalen Finanzhaushaltes beansprucht.

Betrachtet man das Schienennetz im Kanton, wird deutlich, dass Graubünden auch diesbezüglich nicht als privilegiert betrachtet werden kann. Auf sein Gebiet entfallen

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lediglich knapp 20 km SBB-Strecke. Andererseits weisen die Streckennetze der RhB und FOB eine Länge von ca. 400 km auf.

Unter diesen Voraussetzungen wird deutlich, dass Graubünden gesamtschweizerisch betrachtet einen Sonderfall darstellt. Die Frage des Ausbaus der Zufahrtsstrasse zum Vereinatunnel ist aus diesem Blickwinkel zu betrachten.

4.4

Keine präjudizielle Wirkung

Auf Grund der Ausführungen unter Ziffer 4.3 ist ersichtlich, dass mit der Umklassierung der Prättigauerstrasse unter Berücksichtigung der vorliegenden besonderen Situation, insbesondere der erheblichen finanziellen Belastung des Kantons Graubünden, keine präjudizielle Wirkung erwartet werden muss. Es geht schliesslich nicht darum, eine allgemeine Netzdebatte hinsichtlich Erweiterung des Nationalstrassennetzes zu führen, sondern dem berechtigten Anliegen eines Kantons unter Berücksichtigung seiner speziellen und besonderen Situation im Einzelfall Rechnung zu tragen. Die Beurteilung des vorliegenden Falles zeigt deutlich auf, dass bei der Prättigauerstrasse zwingende Gründe vorliegen, die eine sofortige Umklassierung dieses Stras-senabschnittes rechtfertigen.

4.5

Länge des Strassenabschnittes

Betrachtet man die Gesamtlänge des Nationalstrassennetzes in der Schweiz (1856 km) und hält sich vor Augen, dass der Anteil des Kantons Graubünden an diesem Netz mit 129 km bescheiden ist, kann gesagt werden, dass die ca. 35 km der Prättigauerstrasse, welche für die Umklassierung zur Diskussion stehen, verhältnismässig gering ausfallen. Trotzdem würde sich dies auf die finanzielle Entlastung des Kantons in erheblichem Ausmass auswirken und die Zufahrt zur Vereina-Verladestation könnte mittelfristig wintersicher ausgebaut werden.

4.6

Aspekte der Verkehrspolitik

Die schweizerische Verkehrspolitik war grundsätzlich immer darauf ausgerichtet, gute Nord-Süd-Verbindungen zu realisieren. Der West-Ost-Verkehr fand dabei nie die gleiche Beachtung. Trotzdem hat Graubünden diese gesamtschweizerische Verkehrspolitik stets unterstützt und mitgetragen. Die bereits erfolgte Realisierung des Vereinatunnels verbunden mit der Aufnahme der Prättigauerstrasse ins Nationalstrassennetz könnte einen wichtigen Schritt zur Aufwertung der West-Ost-Achse darstellen. Diesem Vorgehen käme auch regionalpolitisch sehr grosse Bedeutung zu, würden doch damit das Engadin und die Bündner Südtäler (Münstertal, Puschlav, Bergell) einen wintersicheren Anschluss an das Nationalstrassennetz erhalten.

Selbstverständlich würde die Prättigauerstrasse wie bisher eine zweispurige Strasse bleiben und nur als solche weiter ausgebaut und betrieben werden.

3220

5

Verfahren

5.1

Stand der Arbeiten der Bundesversammlung und der Verwaltung zum gleichen Gegenstand

1996 reichte der Kanton St. Gallen eine Standesinitiative (96.302) ein, welche die Aufnahme der Strasse über den Seedamm Rapperswil ins Nationalstrassennetz verlangte. Im Ständerat wurde der Initiative am 6. September 1997 auf Antrag der KVF-S keine Folge gegeben, weil man die präjudizielle Wirkung einer Einzelfalllösung befürchtete und das Problem im Rahmen des neuen Finanzausgleiches angehen wollte. Am 20. Januar 1998 schloss sich der Nationalrat diesen Überlegungen an.

Am 8. Oktober 1998 gab der Ständerat entgegen dem Antrag der KVF-S der parlamentarischen Initiative Reimann (98.417) Folge, welche einen Ausbau des Teilstükkes Kölliken-Oenzigen der Nationalstrasse A1 auf sechs Spuren verlangte.

Nationalrat Bezzola reichte am 22. April 1999 ein Postulat (99.3182) ein, worin der Bundesrat gebeten wird, eine Aufnahme der Prättigauerstrasse von der Verzweigung mit der Nationalstrasse A13 bis zum Vereinatunnel bei Klosters ins Nationalstrassennetz als Nationalstrasse dritter Klasse zu prüfen. Am 18. Juni 1999 reichte Nationalrat Bosshard eine Motion (99.3374) ein, welche eine Erweiterung des Nationalstrassennetzes um eine Verbindung zwischen der A3, Anschluss Wädenswil und der A4, Anschluss Sihlbrugg durch den Bau des Hirzeltunnels verlangte. Eine ebenfalls am 18. Juni 1999 von Nationalrat Hegetschweiler gestellte einfache Anfrage (99.1101) forderte den Bundesrat auf, das Nationalstrassennetz um einen geschlossenen Autobahnring um Zürich herum zu erweitern. Alle drei Vorstösse wurden bisher noch nicht behandelt.

Der Bundesrat folgt im Bereich des Nationalstrassenbaus seit längerem der folgenden Prioritätenordnung: 1.

Fertigstellung des Nationalstrassennetzes

2.

Sicherstellung eines genügenden Strassenunterhaltes

3.

Verbesserung der bestehenden Verkehrskapazität mittels Verkehrstelematik

4.

Ausbau des bestehenden Nationalstrassennetzes

Der «Neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen (NFA)» wird frühestens auf das Jahr 2004 in Kraft treten. Er sieht vor, dass künftig Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen vollständig vom Bund finanziert werden.

5.2

Aufwand und Zeitplan

Die Änderung des Anhangs zum Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz (SR 725.113.11) lässt sich gesetzgebungstechnisch einfach und ohne grossen Aufwand umsetzen, indem dieser Anhang um die Strecke Landquart­Klosters/Verladestation Vereinatunnel ergänzt wird.

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6

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Änderung des Anhanges zum Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz hätte weder für den Bund noch für den Kanton Graubünden personelle Auswirkungen.

In finanzieller Hinsicht würde die Aufnahme der Prättigauerstrasse von Landquart bis Klosters/Verladestation Vereina den Bund mehr belasten als dies heute der Fall ist, da die Beitragssätze höher sind. Die Prättigauerstrasse wird heute mit 65 Prozent plus 2 × 5 Prozent subventioniert. Künftig würde der Bund an den Bau 92 Prozent, an den baulichen Unterhalt 92 Prozent und an den Betrieb 85 Prozent bezahlen. Die Realisierung von Strassenbauten im Prättigau würde beim Bund allerdings nicht mehr zu Lasten der sehr knappen Hauptstrassenmittel, sondern zu Lasten des Nationalstrassenbaus erfolgen. Obwohl die finanzielle Situation auch im Programm des Nationalstrassenbaus eher eng ist, würden sich dort die für den weiteren Ausbau der Prättigauerstrasse erforderlichen Mittel weit weniger stark auswirken, stehen dem Nationalstrassenbau doch jährlich 1,6 Milliarden Franken zur Verfügung gegenüber lediglich gut 200 Millionen. Franken beim Hauptstrassenbau. Im Rahmen des neuen Finanzausgleiches zwischen Bund und Kantonen (NFA), ist vorgesehen, dass inskünftig Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen vollständig vom Bund finanziert werden. Für den Kanton würde die Umklassierung eine erhebliche finanzielle Entlastung mit sich bringen. Trotzdem wäre die Strassenrechnung weiterhin sehr hoch und die Pro-Kopf-Belastung wäre nach wie vor massiv über dem schweizerischen Mittelwert.

Eine Rückwirkung des Umklassierungsbeschlusses ist nicht vorgesehen, so dass keine bereits früher getätigten Ausgaben zu Gunsten der Prättigauerstrasse rückwirkend nach Nationalstrassensätzen entschädigt werden müssen.

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