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Bundesblatt 105. Jahrgang

Bern, den 5. November 1953

Band III

Ericheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Kappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über eine finanzielle Hilfe an den Kanton Graubünden und die Rhätische Bahn - (Vom 23. Oktober 1953) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Im Laufe der letzten Jahre wurde die Frage einer Hilfe des Bundes an den Kanton Graubünden und die Ehätische Bahn in den eidgenössischen Bäten verschiedentlich zur Sprache gebracht. Namentlich haben die Herren Grimm und Mohr im Nationalrat und Vieli im Ständerat den Bundesrat in der Dezembersession 1948 in dieser Sache interpelliert. Durch ein Postulat des Nationalrates vom 30. September 1952 (Postulat Trüb) wurde der Bundesrat überdies eingeladen, zu prüfen, ob nicht den eidgenössischen Bäten eine Vorlage zu unterbreiten sei, die einen Tarifausgleich zwischen den Schweizerischen Bundesbahnen und der Rhätischen Bahn bringen würde.

Wir haben diesen parlamentarischen Vorstössen unsere volle Aufmerksamkeit geschenkt und beehren uns nun, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über eine finanzielle Hilfe des Bundes an den Kanton Graubünden und die Rhätischen Bahn vorzulegen.

I. Allgemeines Es ist nicht das erstemal in der Geschichte unseres Landes, dass der Gesamtstaat ausgleichend eingreifen muss, wenn ein Gliedstaat trotz aller Anstrengungen nicht mehr in der Lage ist, die seine Entwicklung hemmenden finanziellen Lasten aus eigener Kraft zu tragen. Das unserem Staat eigene Subventionswesen ist weitgehend ein Ausflugs der Erkenntnis, dass die Stärke Bundesblatt. 105. Jahrg. Bd. III.

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382 des Bundesstaates in der Stärke der Gliedstaaten begründet liegt. Es ist aber auch der Ausfluss des ethischen Prinzips, dass der Starke dem Schwachen helfen und der eine des andern Last tragen soll. Die Lebensbedingungen sind in den verschiedenen Teilen unseres Landes von Grund auf verschieden. So müssen namentlich auch unsere Miteidgenossen im Gebirgskanton Graubünden ihren Lebenskampf unter Bedingungen führen, die gegenüber denjenigen in anderen Landesteilen ungleich schwieriger sind. Wir haben gerade in den letzten Jahren versucht, durch eine Abstufung der Bundesbeiträge nach der Finanzkraft der Empfänger den geographischen und wirtschaftlichen Besonderheiten der einzelnen Kantone besser Bechnung zu tragen. Dem gleichen Zweck diente die erstmals mit der Vorlage über eine verfassungsmässige Neuordnung der Bundesfinanzen im Jahre 1948 in Vorschlag gebrachte und in der Folge von beiden Katen gutgeheissene Verstärkung dieser Bestrebungen durch einen zusätzlichen direkten Finanzausgleich. Der Erfolg der Bemühungen ist offensichtlich, gelang es doch, durch eine erfreuliche interkantonale Solidarität den schwächsten Kantonen, zu denen auch der Kanton Graubünden gehört, einen Teil ihrer finanziellen Sorgen abzunehmen.

n. Die Bahnbegehren des Kantons Graubünden Der Kanton Graubünden hat im Vergleich zu den anderen finanzschwachen Kantonen noch mit vermehrten Schwierigkeiten zu kämpfen, weil er vom Netz der Schweizerischen Bundesbahnen kaum berührt wird. Infolge seiner räumlichen Ausdehnung und der topographischen Gestaltung seines Gebietes war er weit mehr als andere Kantone gezwungen, aus eigener Initiative ein rund 400 km langes Bahnnetz zu erstellen und bis heute in der Form einer privaten Aktiengesellschaft betreiben zu lassen.

Dieses Bahnnetz und die dem Kanton daraus erwachsenden finanziellen Belastungen veranlassten den Kanton Graubünden und die Rhätische Bahn, im Verlaufe der Jahre immer wieder an den Bund zu gelangen und auf eine Änderung der Verhältnisse zu drängen. Wir erinnern an die folgenden Eingaben: Eingabe des Kleinen Bates des Kantons Graubünden vom 31. Oktober 1980, worin der Bundesrat ersucht wird, die vom Kanton der Bhatischen Bahn gewährten Darlehen ganz oder doch im Verhältnis der beidseitigen Aktienbeteiligung zu übernehmen.

Eingabe des Kleinen Eates vom 11. Mai 1933. Der
Bund soll von den Aufwendungen des Kantons für seine Bahnen von insgesamt 93 Millionen Franken mindestens 40 Millionen als Naehgangshypothek mit variabler Verzinsung übernehmen. Die Durchführung der Aktion stellte man sich so vor, dass der Bund an Stelle des Kantons die Zinspflicht für einen entsprechenden Teil des vom Kanton für die Darlehen an die Bahnen aufgenommenen Obligationenkapitals übernähme. Auf Verfall der in Betracht kommenden Kantonsanleihen sollten die entsprechenden Kapitalbeträge vom Bund übernommen

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·werden. Überdies -wurde verlangt, dass der Zins für das Elektrifikationsdarlehen des Bundes an die Bhätische Bahn für den Best der Darlehensdauer auf 4% netto angesetzt werde.

Eingabe des Kleinen Eates vom 31. Januar 1941. Im Ansehluss an die Sanierung der vier bündnerischen Privatbahnen (Bhätische Bahn, ChurArosa-Bahn, Bernina-Bahn, Bellinzona-Mesocco-Bahn) sollte an die Verstaatlichung des bündneriachen Schmalspurnetzes herangetreten werden, da Volkswirtschaft und Finanzhaushalt des Kantons Graubünden die ungewöhnlich hohen Bahnlasten nicht mehr zu tragen vermögen.

Eingabe des Kleinen Bates vom 27. Juni 1942. Der Bund soll ab 1. Januar 1943, auf welchen Zeitpunkt die Zuschläge auf allen Strecken der Bundesbahnen aufgehoben und die entstehenden Einnahmenausfälle durch den Bund übernommen werden, durch einen jährlichen Beitrag von 4,5 Millionen Franken auch den bündnerischen Bahnen ermöglichen, ihre Bergzuschläge aufzuheben.

Eingabe des Kleinen Eates vom 13. Juli 1943. Es werden verschiedene Wünsche in bezug auf den gemäss Privatbahnhilfegesetz 1939 vorgesehenen Sanierungsvertrag angebracht. Namentlich wird noch einmal dargelegt, dass sich die bündnerische Volkswirtschaft so lange nicht werde erholen können, als die Bahntaxen nicht eine Angleichung an die Taxen der Bundesbahnen erfahren.

Eingabe des Kleinen Bates vom 29. Dezember 1944. Da die Übernahme der Bhätischen Bahn durch die Bundesbahnen nur durch ein dem Beferendum unterstelltes Bundesgesetz möglich ist, sollte der Bund vorerst durch einen Sonderbeschluss den Taxausgleich ermöglichen, und den dadurch entstehenden Ausfall garantieren. Daneben sollte sich der Bund an den Darlehen I. und II. Banges mit dem Kanton hälftig beteiligen, wobei von dem im Besitze des Kantons befindlichen Prioritätsaktienkapital von 20 Millionen Franken vorgängig wenigstens 10 Millionen in ein Darlehen II. Banges mit variabler Verzinsung umzuwandeln wären.

Eingabe des Kleinen Bates vom 28. April 1945. Als Hauptforderung wird wiederum die Übernahme der Bhätischen Bahn durch den Bund und deren Eingliederung in die Bundesbahnen aufgestellt. Als Übergangsmassnahmen sollten bis spätestens 1. Januar 1946 die Taxen der Bhätischen Bahn auf das Niveau der Bundesbahntarife abgebaut und die daraus entstehenden Ausfälle durch den Bund getragen werden. Ferner wären von den
dem Kanton verbliebenen 21 Millionen Franken Prioritätsaktien 10 Millionen in ein Darlehen mit variablem Zinsfuss umzuwandeln und wie bei der Lötschbergbahn hätte sich der Bund auch in Graubünden an der Hälfte der dem Kanton verbleibenden Darlehen gegenüber der Bhätischen Bahn zu beteiligen.

Eingabe des Kleinen Bates vom 4. April 1946. Der Kleine Bat stellt in dieser Eingabe fest, dass der Kanton an der Forderung auf Übernahme der Bhätischen Bahn durch den Bund so lange festhalte, bis dem Begehren

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entsprochen werde. Als Übergangslösung wird die Senkung der Tarife der Bhätischen Bahn mit Ausfallgarantie durch den Bund auf 150 % der Bundesbahntarife postuliert. Der Ausfall würde nach den Berechnungen der Bahnorgane jährlich rund 4 Millionen Franken betragen. Der Kanton wäre bereit, die Bundesgarantie auf 2,5 Millionen zu begrenzen und den Best zu seinen Lasten zu übernehmen. Im weitern wurde wiederum verlangt, dass für 10 Millionen Franken Prioritätsaktien in ein Darlehen II. Banges mit variabler Verzinsung umgewandelt werden und der Bund wie bei der Lötschberg-Bahn die Hälfte der Darlehen I. und II. Banges, also den Betrag von 26,5 Millionen Franken übernehme.

Eingabe des Kleinen Bates vom 30, Juli 1948. Die Übernahme der Bhätischen Bahn wird als eine für den Kanton Graubünden unausweichliche und unaufschiebbare finanz- und volkswirtschaftliche Notwendigkeit dargestellt.

Von den Eingaben der Bhätischen Bahn selbst sei hier nur diejenige vom 16. März 1950 erwähnt. Diese wurde im Auftrage der wichtigeren Privatbahnen gemeinsam von deti Direktionen der Bhätischen Bahn und der Berner Alpenbahn-Gesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon ausgearbeitet und dem Bundesrat eingereicht. Die Begehren gingen im wesentlichen dahin, dass die grundsätzliche Frage der Eingliederung weiterer Privatbahnen in das Bundesbahnnetz, die von den beiden Direktionen als Notwendigkeit bezeichnet wird, gleichzeitig mit der Frage der Angleichung der Tarife der Privatbahnen an diejenigen der Bundesbahnen behandelt werde und dass Gesuche einzelner Unternehmungen um die Gewährung von Soforthilfen wohlwollend geprüft würden, m. Die Arbeit der Eidgenössischen Expertenkommission für Eisenbatm-Ruekkauîsfragen.

Wie nicht anders zu erwarten; war, hatten die Vorstellungen des Kantons Graubünden und der Bhätischen Bahn eine ganze Anzahl von Anschlussbegehren anderer Kantone und Bahnen zur Folge, die ihrerseits einen Bückkauf oder eine entsprechende finanzielle Entlastung von Eisenbahnsorgen forderten und im Falle einer Tarifhilfe an die Bhätische Bahn Anspruch auf Gleichbehandlung erhoben. Das Problem gewann dadurch eine politische und finanzielle Tragweite, die zu einer gründlichen Abklärung all der weitschichtigen Fragen zwang, die unserer föderalistischen Staatsstruktur und der damit eng zusammenhängenden Organisation des schweizerischen
Verkehrswesens eigen sind. Als Ergänzung der von unseren Departementen angestellten Untersuchungen setzten wir deshalb am 19. Dezember 1949 eine besondere Kommission für Eisenbahnrückkaufsfragen ein, der die folgenden beiden Fragenzur Beantwortung vorgelegt wurden : a. Allfälliger Bückkauf weiterer Privatbahnen durch den Bund.

b. Allfällige Anpassung der Tarife von Bahnen in Gebirgsgegenden an diejenigen der Schweizerischen Bundesbahnen.

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Der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartements, Herr Bundesrat Dr. Celio, gab an der ersten Plenarsitzung der Komission vom 6. Februar 1950 dem Wunsche Ausdruck, die Kommission möchte sich ebenfalls zu den folgenden Fragen äussern: 1. Die staatspolitischen Gesichtspunkte.

2. Die verkehrspolitischen Vor- und Nachteile.

8. Die finanzielle Tragweite der Aktion.

4. Die Tarifvereinheitlichung und Anpassung der Tarife an diejenigen der Schweizerischen Bundesbahnen; 5. Die Abgrenzung der allenfalls in Betracht fallenden Unternehmungen.

6. Allenfalls anstelle einer Verstaatlichung in Aussicht zu nehmende Hilfsmassnahmen.

In ihrem Bericht vom 10. Mai 1952 kam die Kommission zum Schluss, dass nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, die in verkehrswirtschaftlicher und staatspolitischer Hinsicht von einer neuen Rücklaufsaktion zu erwarten sind, gesamtschweizerisch gesehen, die Vorteile überwiegen. Im Gegensatz zu den Motiven, die für die erste Eückkaufsaktion gesprochen hätten, stünden heute Erwägungen der Gleichbehandlung der verschiedenen Landesteile und der Gesichtspunkt eines Lastenausgleichs in Eisenbahnsachen, also staatspolitische Überlegungen, im Vordergrund. Ganz besonders treffe dies für die Verhältnisse im Kanton Graubünden und für die Rhätische Bahn zu. Die Expertenkommission empfahl grundsätzlich eine neue Eückkaufsaktion und stellte die Rhätische Bahn mit der Lötschbergbahn und der Bern-Neuenburg-Bahn in die erste und damit wichtigste Gruppe der für einen Erwerb durch den Bund in Frage kommenden Bahnen.

In einer zweiten Gruppe wurden die folgenden Bahnen zusammengefaest : BT Bodensee-Toggenburg-Bahn SOB Schweizerische Südostbahn EBT Emmental-Burgdorf-Thun-Bahn SMB Solothurn-Münster-Bahn SEZ Simmentalbahn (Spiez-Erlenbach-Zweisimmen) MOB Montreux-Berner-Oberland-Bahn In die dritte Gruppe der für eine Verstaatlichung in Frage kommenden Bahnen wurden eingereiht : GFM Bulle-Romont Fribourg-Morat-Anet Palézieux-Chatel St. Denis-Bulle-Montbovon GB S Gürbetal-Bern- Schwarzenburg-Bahn VHB Vereinigte Huttwil-Bahnen MThB Mittel-Thurgau-Bahn FO Furka-Oberalp-Bahn SchB Schöllenenbahn

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Die Einteilung in die drei Gruppen sollte nach Ansicht der Kommission nicht etwa für die zeitliche ^Reihenfolge der Verstaatlichungsaktion massgebend sein, sondern lediglich die Wichtigkeit der Privatbahnunternehmungen für einen künftigen Erwerb durch den Bund zum Ausdruck bringen.

Als Grundlage für die Berechnung des Erwerbspreises schlug die Expertenkommission den kommerziellen "Wert der Unternehmungen vor, der, unter Berücksichtigung aller für den Erwerber sich ergebenden Vor- und Nachteile, nach dem zu erwartenden Ertragswert ermittelt werden soll.

Ausgehend von den Ertragswerten der Jahre 1949 und 1950 und damit vom gegenwärtigen verhältnismässig hohen Tarifniveau kam die Expertenkommission zu einem «theoretischen Bückkaufswert» für die Rhätische Bahn von minus 28,5 Millionen Franken (bei einem Bilanzwert der Anlagen von 79 Millionen Franken). Als theoretisch wurde dieser Bückkaufswert deshalb bezeichnet, weil darin die Vor- und Nachteile unberücksichtigt seien und die negative Zahl mehr informatorisch als realisierbar gewertet werden müsse.

Abschliessend machte die Kommission darauf aufmerksam, dass diese Ertragswerte lediglich die Grundlage für die Bestimmung einer angemessenen Entschädigung darstellen, wie sie unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile für die Bundesbahnen aufschlussreich seien, da diese gemäss Artikel 19 des Bundesbahngesetzes lediglich den kommerziellen Wert zu vergüten hätten.

Die schliessliche Bestimmung der «angemessenen Entschädigung» werde aber in Würdigung und Abwägung auch der staatspolitischen Gesichtspunkte durch die politischen Behörden zu erfolgen haben.

Zu den Begehren um Tarifherabsetzungen kam die Kommission, ausgehend von der Tatsache, dass die Distanzzuschläge bei den Bundesbahnen ab 1. Januar 1948 vollständig aufgehoben wurden, zu der Feststellung, dass es verständlich sei, wenn die Privatbahnen oder vielmehr die von ihnen bedienten Landesgegenden von einem Erwerb solcher Bahnen durch den Bund eine massive Herabsetzung ihres Tarifniveaus erwarteten. Andere Bahnen, die kein Interesse für einen «Rückkauf » zeigen, möchten wenigstens in den Genuss einer Tarifherabsetzung zu Lasten des Bundes kommen. Die Distanzzuschläge einer Anzahl Privatbannen, die für einen Bückkauf in Frage kommen könnten, bewegen sich zwischen 14 und 88%, während diejenigen der
Bhätischen Bahn 122% betragen. Der jährliche Einnahmenausfall bei der Annahme der Bundesbahntarife wurde entsprechend einer von Dr. Walter Fischer, Kreisdirektor der Schweizerischen Bundesbahnen, im Schweizerischen Archiv für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik veröffentlichten Studie für die Bhätische Bahn allein auf 11,7 Millionen Franken geschätzt. Für alle 15 Bahnen des Kückkaufprogramms wird von der Bückkaufskommission mit einem Einnahmenausfall von 80 Millionen Franken gerechnet. Die Kommission stellte denn auch fest, dass selbst eine nur teilweise Angleichung der Tarife an das Niveau der Bundesbahnen Fragen von weitgehender finanzieller Bedeutung aufwerfe. Ein Tarifausgleich durch Erhöhung des allgemeinen Tarifniveaus der Bundes-

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bahnen dürfte in Anbetracht des schon heute bestehenden Druckes der konkurrierenden Verkehrsmittel als ausgeschlossen gelten. Als einziges Mittel bliebe demnach die Tarifherabsetzung auf Kosten des Bundes. Dies könnte durch eine entsprechende Erhöbung des Dotationskapitals der Bundesbahnen erreicht werden, wie das bei Aufhebung der Distanzzuschläge der Bundesbahnen im Jahre 1943 mit 40 Millionen Pranken ebenfalls geschehen ist. Damit wäre aber das Tarifproblem der nicht verstaatlichten Bahnen immer noch nicht gelöst und es wäre damit zu rechnen, dass auch diese Bahnen um Tarifhilfe an den Bund gelangen würden, da durch eine einseitige Tarifhilfe namentlich auch die Wettbewerbsgrundlagen der verschiedenen Fremdenverkehrsregionen verschoben würden. Die Kommission erinnerte schliesslich daran, dass die hohen Tarife hauptsächlich durch die teuren Bahnanlagen in Gebirgsgegenden bedingt seien. Für die ortsansässige Bevölkerung dieser Gegendon -würden aber dank des Transportkostenausgleichs für Gebirgsgegenden die Waren des täglichen Bedarfs bereits heute verbilligt, während die Einheimischenbillette die grössten Härten im Personenverkehr zu mildern vermöchten.

Mit Eücksicht auf die bedrängte Lage einzelner Bahnen und der sie stützenden Gemeinwesen glaubte die Kommission, dass bis zur Verwirklichung der von ihr beantragten zweiten Eückkaufsaktion gewisse Übergangsmassnahmen ins Auge gefasst werden müssten. Dies treffe besonders für die Ehätische Bahn und den Kanton Graubünden zu, weil keine andere Gegend in gleicher Weise unter den Eisenbahnlasten leide. Wohl teile die Ehätische Bahn die Finanzsorgen einer ganzen Anzahl anderer Bahnen und auch ihr Tarifniveau stehe in seiner Höhe durchaus nicht einzig da. Der «Sonderfall Graubünden» sei aber, darin zu sehen, dass dem Argument des Kantons, er empfinde die Zirisausfälle auf seiner Beteiligung an der Ehätischen Bahn als untragbar, eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Auf Grund dieser Überlegungen empfahl die Kommission dem Bundesrat, im Sinne einer Übergangsmassnahme dem Kanton Graubünden rund 43 Millionen Franken zur Verfügung zu stellen gegen Abtretung seiner hypothekarisch sichergestellten Guthaben an die Ehätische Bahn im nämlichen Betrage. Der Kanton würde dann zur Hauptsache nur noch mit einem Betrage von 23,6 Millionen Franken
am Aktienkapital der Ehätischen Bahn beteiligt bleiben, was ihm als Übergangsmassnahme zugemutet werden dürfte.

IV. Stellungnahme zum Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für Eisenbahn-Rückkaufsfragen Der Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für Eisenbahnrückkaufsfragen stellt eine ausserordentlich wertvolle Arbeit dar. In ihr sind eine Eeihe von Problemen, mit denen sich der Bundesrat und die Eidgenössischen Eäte in gleicher Weise wie die kantonalen Eegierungen und Parlamente und die Parteien und Wirtschaftsverbände auseinander zu setzen haben, herausgeschält und Lösungen aufgezeigt, die einer Verkehrsordnung dienlich wären. So halten

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auch wir dafür, dass eine gewisse Erweiterung und Abrundung des Netzes der Bundesbahnen, vom verkehrspolitischen und v e r k e h r s w i r t s c h a f t lichen Standpunkt aus gesehen, nicht zu unterschätzende Vorteile bieten würde.

Wir denken hier in erster Linie an die Strecken der Lötschbergbahn mit Einschluss der Linie Münster-Lengnau, die in nicht weniger als fünf Gemeinschaftsbahnhöfen an die Bundesbahnen anschliessen. Mit einem gewissen Abstand wären sodann die Linien der Bern-Neuenbuig-Bahn, der Emmental-BurgdorfThun-Bahn, der Bodensee-Toggenburg- und der Südost-Bahn zu erwähnen.

Ein Blick auf die Verkehrskarte der Schweiz zeigt, dass diese normalspurigen Strecken tatsächlich eine Ergänzung des Bundesbahnnetzes darstellen. Ihre Eingliederung ins Netz der Bundesbahnen würde sowohl im Hinblick auf die nationale Verkehrspolitik als auch auf eine rationelle Betriebsdisposition, den gemeinsamen Werkstättedienst und die Vereinfachung des Abrechnungswesens nicht zu unterschätzende Vorteile bieten. Die übrigen 10 von der Expertenkommission als für einen Rückkauf in Betracht fallend erwähnten Bahnen bieten dagegen für die Bundesbahnen und die nationale Verkehrspolitik kein eindeutiges Interesse. Sie sind mehr als zwangsweise Mitläufer oder zur Abrundung des Netzes in ein erweitertes Bückkaufsprogramm aufgenommen worden. In diese Kategorie gehört auch das grosse Netz der Bhätischen Bahn, das ein in sich abgeschlossenes Schmalspurnetz bildet, dem auch bei einer Eingliederung in die Bundesbahnen in verschiedener Beziehung zweifellos ein gewisses Eigenleben zugebilligt werden müsste.

Den erwähnten Vorteilen müssen eine Eeihe ins Gewicht fallende Nachteile gegenübergestellt werden. Einmal bringt eine Übernahme von Privatbahnen durch den Bund an sich keine Lösung des Privatbahnproblems, sondern lediglich eine Verlagerung der Eisenbahnsorgen von den Kantonen auf den Bund. Die betreffenden Landesgegenden würden in baulicher und betrieblicher Hinsicht wohl auch erhöhte Anforderungen an die Bundesbahnen stellen. Ebenso dürfte das Interesse am Gedeihen ihrer Bahn nachlassen, sobald anstelle der bisherigen engen Beziehungen zwischen der Unternehmung und dem aus ihrem Einzugsgebiet zusammengesetzten Verwaltungsrat einerseits und den Verfrachtern anderseits die grosse zentrale Bundesbahn tritt. Die Talschaften
würden beim Betrieb ihrer Bahn durch die Bundesbahnen auch in vielen Fällen auf besondere Vergünstigungen verzichten müssen.

Von der staatspolitischen Seite setzt das Gelingen einer so eminent politischen wie finanziell bedeutsamen Aktion eine positive Grundwelle im ganzen Volk voraus. Eine solche Grundwelle ist bei der heutigen Einstellung grosser Vo^kskreise gegen jede weitere Zentralisierung aber nicht vorhanden. Wohl kann für den «Sonderfall Graubünden» im ganzen Lande ein gewisses Verständnis festgestellt werden. Aber selbst das bündnerische Begehren um Übernahme der Ehätischen Bahn durch den Bund fusat weder auf staatspolitischen noch verkehrswirtschaftlichen Erwägungen, sondern einzig und allein auf dem Bedürfnis, sich von einer finanziellen Last zu befreien und eine Unterstützung zur Senkung des relativ hohen Tarifniveaus der Ehätischen Bahn zu gewinnen.

389 Wie bei der Ehätischen Bahn sind auch bei einer Eeihe anderer Privatbahnen die erwarteten finanziellen Vorteile inassgebender Beweggrund der Bückkaufsbegehren gewesen. Damit allein lässt sich aber mit Erfolg keine Staatsaktion von dieser Tragweite begründen und verwirklichen, es sei denn, man ziehe den Kreis der zu verstaatlichenden Bahnen so weit, dass alle Glieder der Eidgenossenschaft in gleicher Weise davon profitieren. Dadurch würde aber das Problem von der Ebene der Verkehrsordnung auf diejenige des Finanzausgleichs in Eisenbahnsachen zwischen Bund und Kantonen verlagert. Ein solcher würde bei der prekären Finanzlage der Bahnen Summen erheischen, die für den eidgenössischen Finanzhaushalt unüberwindbare Schwierigkeiten bringen müssten.

Dies erhellt schon daraus, dass alle Eückkaufsbegehren hauptsächlich dahin zielen, die Tarife der Privat bahnen denjenigen der Bundesbahnen anzugleichen.

Bei einer solchen Angleichung würden selbst diejenigen Unternehmungen des Eückkaufsprogramms, die beim gegenwärtigen Tarifniveau noch einen Ertragswert aufweisen, mit einem Fehlbetrag abschliessen. Es wurde errechnet, dass alle 15 im Rückkaufsprogramm erfassten Unternehmungen bei Anwendung der Bundesbahntarife, selbst unter Berücksichtigung eines infolge der Tarifherabsetzungen zu erwartenden Mehrverkehrs insgesamt einen negativen Büekkaufswert von rund 400 Millionen Franken aufweisen würden. Dieser Betrag müsste den Bundesbahnen, gestützt auf Artikel 19 des Bundesbahngesetzes, bei einer kostenlosen Übertragung der Unternehmungen, vom Bund vergütet werden.

Dazu kämen noch die von den übernommenen Bahnen oder den hinter ihnen stehenden Kantonen trotz der negativen Eückkaufswerte erwarteten Entschädigungen. So ergäben sich, selbst wenn die Tarifangleichung nicht in vollem Umfange oder nur sukzessive erfolgen würde, Aufwendungen, die in einem Zeitpunkt, da der Bund ohnehin die grösste Mühe hat, seine Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen, als untragbar bezeichnet werden müssen.

Wenn die Expertenkommission trotzdem den Erwerb weiterer Bahnen durch den Bund empfiehlt, so insbesondere deshalb, weil sie in der Gleichbehandlung der verschiedenen Landesteile in Eisenbahnsachen eine staatspolitiseh bedeutsame Aufgabe sieht, die auch entsprechende Opfer zu rechtfertigen vermöchte. Die Gleichbehandlung
würde aber trotzdem nicht integral erreicht, weil auch nach Auffassung der Kommission nur ein Bruchteil der 79 Normal- und Schmalspurbahnen des aUgemeinen Verkehrs in die Aktion einbezogen werden sollte. Ebenso würden die von Strassenfahrzeugen bedienten Gegenden und die von öffentlichen Verkehrsmitteln überhaupt nicht erreichten Talschaften der Gleichbehandlung nicht teilhaftig.

Nicht weniger komplexe Probleme als die Frage der Übernahme weiterer Privatbahnen durch den Bund wirft diejenige der Herabsetzung der Tarife von Privatbahnen auf. Welche Bedeutung der Kanton Graubünden dieser Frage beimisst, geht schon daraus hervor, dass der Kleine Bat nicht verfehlt hat, in allen seinen Eingaben immer wieder die Forderung auf Senkung der Taxen der Ehätischen Bahn auf Bundeskosten aufzustellen. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass von weiten Kreisen wohl formell das Be-

390 gehren auf Übernahme der privaten Eisenbahnen durch den Bund gestellt wird ; tatsächlich erwarten aber nicht nur die Vertreter der öffentlichen Hand, sondern ganz besonders auch diejenigen der Wirtschaft der betreffenden Einzugsgebiete von einem Bückkauf weiterer Privatbahnen durch den Bund in erster Linie nichts anderes als eine fühlbare Senkung der Tarife.

Eine Tarifanpassung liesse sich also kaum auf die Bhätische Bahn beschränken. Es rnüsste vielmehr mit Berufungen anderer Landesgegenden, gerechnet werden, die aus einer einseitigen Massnahme eine Beeinträchtigung der Wettbewerbslage für Gewerbe, Industrie und Fremdenverkehr zu befürchten hätten. Solche Anschlussbegehren sind denn auch nach dem Bekanntwerden der Begehren des Kantons Graubünden und der Bhätischen Bahn von einer ganzen Eeihe von Kantonen und Privatbahnen gestellt worden. So haben die Eegierungen oder einzelne ihrer Mitglieder der Kantone Bern, Schwyz, Ereiburg, St. Gallen und Waadt beim Bund Schritte unternommen, um eine allenfalls dem Kanton Graubünden zur Herabsetzung der Taxen der Bhätischen Bahn gewährte Hilfe auch für die Privatbahnen ihres Kantonsgebietes zu erreichen. Diese Begehren wurden durch Eingaben der Bahmmternehmungon der betreffenden Gebiete unterstrichen.

Aus den regionalen Interessen heraus kann den Anschlussbegehren eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Denn es darf nicht übersehen werden, dass selbst das relativ hohe Tarifniveau der Bhätischen Bahn von einer Anzahl Bahnen zum Teil beträchtlich überschritten wird. Nur für die 15 Bahnen des Bückkaufprograinmes der Expertenkommission wäre bei Anwendung der Bundesbahntarife, wie bereits erwähnt, ein jährlicher Einnahmenausfall von 30 Millionen Eranken zu erwarten, Es sind im Verlaufe der jahrelangen Diskussionen um die Hilf e an die Privatbahnen und an die hinter ihnen stehenden Kantone verschiedene Vorschläge gemacht worden, wie im Ealle einer Tarifherabsetzung die für die Privatbahnen entstehenden Einnahmenausfälle gedeckt werden könnten. Als einfachste Lösungen sind immer mehr der Einsatz allgemeiner Bundesmittel oder eine Erhöhung der Bundesbahntarife, die allein der Deckung des Einnahmenausfalles bei den Privatbahnen dienen sollte, genannt worden.

Der Einsatz allgemeiner Bundesmittel würde nichts anderes bedeuten, als eine Verlagerung
der Lasten von den Privatbahnen und ihren Benutzern auf den Steuerzahler. In Anbetracht der Steuermüdigkeit des Volkes würde aber diese Art der Mittelbeschaffung für eine Tarifherabsetzung auf Schwierigkeiten stossen, die denjenigen nicht nachstehen, die sich aus dem überlieferten relativ hohen Tarifniveau für Gebirgsgegenden ergeben. Wir glauben, uns zu diesem Punkt weitere Ausführungen ersparen zu können.

Aber auch einer Erhöhung der Bundesbahntarife zum Zwecke der Ermässigung der teureren Bahntarife im Kanton Graubünden stehen praktisch unüberwindliche Schwierigkeiten im Weg. Ein solcher Ausgleich liesse sich wiederum nicht auf eine Bahn beschränken. Er würde aber auch einem der Hauptziele, die wir mit der Tariferhöhung 1952 erreichen wollten, nämlich die

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Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Bundesbahnen, widersprechen.

Seit Jahren wiesen die Konimissionen der Eidgenössischen Bäte immer wieder darauf hin, dass sich eine Taxerhöhung boi den Bundesbahnen aufdränge, um deren Kosten besser zu decken. Die Tarifreform von 1952 war gerade ein Teil jener Massnahmen, die die Bundesbahnen selbsttragend machen sollten. Der Grundsatz der finanziellen Selbsterhaltung der Staatsbahn stand im übrigen bereits bei der Beratung des Bundesbeschlusses vom 14. Dezember 1950 über die Tarifbildung der schweizerischen Eisenbahnen im Vordergrund. Eine Abzweigung der durch die Tariferhöhung für die Bundesbahnen gewonnenen Mehreinnahmen stünde dazu in Widerspruch. Es wäre eine Zweckentfremdung dieser Mittel und müsste dazu führen, dass bei eintretenden Fehlbeträgen der Bundesbahnen die Eidgenössischen Kate nach Artikel 16 des Bundesbahngesetzes über deren Deckung zu beschließen hätten. Aus den bisherigen Botriebsergebnissen der Bundesbahnen ist trotz der Tariferhöhung nicht ersichtlich, wie die SBB aus ihren Einnahmen einen Beitrag an eine Tarifsenkung bei den Privatbahnen entrichten könnten. Die Tarifreform hätte, um neue Defizite der Bundesbahnen auf die Dauer zu verhüten, im Güterverkehr Mehreinnahmen von jährlich 15,5 Millionen oder durchschnittlich 5 % einbringen sollen. Doch ergaben schon die Verhandlungen mit den Privatbahnen über die Verkehrszuweisung einen sehr bedeutenden Ausfall. Interventionen wirtschaftlicher und politischer Kreise gerade aus den Kantonen der Peripherie führten zu einem unvorhergesehenen Ausfall von mehr als l Million Franken pro Jahr gegenüber dem theoretisch errechneten Ertrag aus der Tariferhöhung. Diese vermochte sich deshalb nicht voll auszuwirken.

Wie unsicher die Aussichten für die Zukunft sind und wie gefährlich sich die Konkurrenzlage im internen und internationalen Güterverkehr entwickeln kann, sei hier nur angedeutet. Gerade aus Konkurrenzrücksichten heraus sind allen Tarifmassnahmen bei den Bundesbahnen enge Schranken gesetzt. Die Abwanderung des Verkehrs von der Schiene auf die Strasse nimmt für gewisse Güterkategorien bereits heute einen umfang an, der sich in der Rechnung der Staatsbahn nachteilig auswirkt und auch für die Zukunft erhebliche Embussen erwarten lässt.

Wie aus den vorstehenden Ausführungen erhellt, war
schon eine zur Verbesserung des eigenen Finanzhaushaltes der Bundesbahnen unvermeidliche Tariferhöhung wegen der Automobilkonkurrenz und der Widerstände der Wirtschaft und der peripheren Landesteile nur schwer durchführbar. Um so weniger würde eine Hebung des allgemeinen Tarifniveaus lediglich zum Zwecke eines Tarifausgleichs mit den Pnvatbahnen angenommen. Eine solche Massnahme würde den Bundesbahnen im Hinblick auf den immer schärfer werdenden Wettbewerb Schiene/Strasse sowohl im Personen- wio auch im Güterverkehr wohl für solange keine Mehreinnahme bringen, als nicht das Wettbewerbsgleichgewicht unter den verschiedenen Verkehrsträgern hergestellt ist. Sollte eine Tarifherabsetzung ausschhesshch bei den Bhätischen Bahnen ins Auge gefasst und diese durch eine neue Tariferhöhung oder besondere Tarifmassnahmen auf-

392 gefangen werden, so könnten solche Massnahmen notwendigerweise nicht auf die Bundesbahnen allein beschränkt bleiben. Sie müssten vielmehr auf alle am direkten Verkehr beteiligten Privat bahnen ausgedehnt werden. Es darf als sicher angenommen werden, dass die von einer solchen Aktion nicht profitierenden Privatbahnen nicht bereit wären, einseitig die Nachteile solcher Tarifherauf setzungen auf sich zu nehmen.

Im Bericht der Expertenkommission für Eisenbahn-Rückkaufsfragen wird unter anderem darauf hingewiesen, dass nach Artikel 5, Absatz 3, des Bundesratsbeschlusses vom 16. August 1950 betreffend die Tarifbildung der schweizerischen Eisenbahnunternehmungen auch für Strecken der SBB, die im Verhältnis zu ihren Anlage- und Betriebskosten nur einen schwachen Verkehr aufweisen, die Wiedereinführung von Entfernungszuschlägen gestattet sei. Hierzu ist zu bemerken, dass bis zur Abschaffung der Entfernungszuschläge (Güter 1926 und Personen 1943) auf den nachstehend verzeichneten Strecken der Bundesbahnen Zuschläge berechnet wurden: Güter . (bis 1926) Prozent

Erstfeld-Bodio (Gotthard) Brig-Iselle transit (Simplontunnel) Basel SBB-Basel Bad. Bf. (Verbindungsbahn) Le Day-Le Pont Neuchatel-Le Lode-Frontière (ehem. JN) ·.

Emmenbrücke-Wildegg und Beinwil-Münster . . . . .

Wattwil-Kaltbrunn (Rickentunnel) Winterthur-Bauma-Wald (ehem. TTB): 1-10 km ...

über 10 km. .

Wald-Rüti (Zch.) (ehem. WR) Giswil-Meiringen (Brünigbahn) : Güter. . .

Personen: 1. und 2. Kl.

3. Kl..

Personen (bis 1943) Prozent

40 100 40 50 40 82 60 70 35 75

40 100 -- 50 33 20 60 20 -- 40

100 -- --

-- 100 50

Nachdem auf dem Netz der Bundesbahnen seit 1943 keine Entfernungszuschläge mehr berechnet werden, hätte bei der Ausarbeitung des Bundesratsbeschlusses vom 16. August 1950 die Bestimmung betreffend Erhebung von Distanzzuschlägen weggelassen werden können (Art. 5, Abs. 8). Da aber die Bündner Begehren bekannt waren und eine Verstaatlichung der Rhätischen Bahn bei Anwendung der bisherigen Praxis automatisch auch zum Auflass der. Distanzzuschläge auf dem heutigen Netz der Bhätischen Bahn führen müsste, glaubte man, der grossen finanziellen Tragweite wegen nicht erst in einem allfälligen Rückkaufsverfahren, sondern schon im Bundesratsbeschluss betreffend die Tarifbildung der schweizerischen Eisenbahnunternehmungen die Möglichkeit der Erhebung von Entfernungszuschlägen auch bei den SBB vorsehen zu sollen. In der Botschaft über die Genehmigung dea Bundesrats-

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beschlusses vom 16. August 1950 wurde denn auch ausdrücklich ausgeführt, dass nicht die Absicht bestehe, beim heutigen Netz der Bundesbahnen wiederum Distanzzuschläge einzuführen, sondern lediglich im Hinblick auf Verstaatlichungen von Privatbahnen mit hohen Entfernungszuschlägen.

Wir halten es aus diesen Gründen für unangängig, auf das Postulat einer Anpassung der Tarife der Privatbahnen an diejenigen der Bundesbahnen, sei es auf allgemeine Bundeskosten oder durch eine Erhöhung der Bundesbahntarife, einzutreten. Dagegen scheint uns der Zeitpunkt gekommen, um im Sinne eidgenössischer Solidarität dem Kanton, der finanziell weitaus am stärksten unter dem Systemszwiespalt in unserem Verkehrswesen zu leiden hat, eine gewisse Entlastung zu bringen. Wie die Expertenkommission für EisenbahnRückkauf sfragen festgestellt hat, besteht tatsächlich ein «Sonderfall Graubünden». Denn es ist nicht zu verkennen, dass Graubünden der einzige Kanton ist, bei dem sich trotz gut ausgebauter Steuergesetzgebung und Steuerveranlagung Eisenbahnsorgen und Finanzschwäche derart überlagern, dass eine Bundeshilfo und damit eine Hilfe des ganzen Landes als eidgenössische Tat gewertet werden muss.

V. Die verkehrspolitische Lage des Kantons Graubünden Es wird niemand daran denken, die Sorgen des Kantons Graubünden eigenem Ungenügen zuzuschreiben. Seine heutige Lage ergibt sich zwangsläufig aus seiner geschichtlichen Entwicklung wie auch aus der geschichtlichen Entwicklung unseres Landes überhaupt. Nicht ohne Grund wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Geschichte Graubündens in ihrem Kern und Wesen die Geschichte seiner Pässe sei. Jahrhundertelang hat der Ehätische Freistaat als Transitland im Personen- und Warenverkehr eine dominierende Eolle gespielt. Er ist auch immer wieder bereit gewesen, dafür Opfer zu bringen. Der Bischof von Chur schuf 1387 mit der Strasse über den Septimer die erste fahrbare Strasse über die Alpen. Eund 100 Jahre später, von 1470 bis 1473, wurde mit dem Ausbau der Viamala die Bedeutung von Splügen und Bernhardin unterstrichen. Durch diese Strassenpolitik und den Zusammenschluss der Talbewohner zu besonderen Transportorganisationen (Porten) gelang es, trotz ungenügender landwirtschaftlicher Produktion ausreichende Lebensbedingungen für die Einwohner zu schaffen.

Der Eintritt Bündens in die
Eidgenossenschaft im Jahre 1803 brachte in staatspolitischer Hinsicht mancherlei Umwälzungen. Auf dem Gebiete des Verkehrs mussten die zugunsten einzelner Porten bestehenden verkehrshemmenden Privilegien aufgehoben werden. Nachdem der Unterhalt der Handelsstrassen durch den Kanton übernommen worden war, hatten sie ihre Existenzberechtigung in der alten Form ohnehin verloren. Die bisher von den Porten bezogenen Abgaben gingen in Form eines von der Tagsatzung bewilligten Weggeldes an den Staat über. Durch die Eevision der Transitordnung im Jahre 1884 gelang es, die vielen obligatorischen Umladestatiouen aufzuheben und

394 die verschiedenen Transportverbande zu einem einzigen zu verschmelzen. Auch in Graubünden sollten mit der freien Konkurrenz unter den Portensgenossen die Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung des Transitverkehrs geschaffen werden.

Die Vorteile guter Handelsstrassen waren so augenscheinlich, dass bald einmal auch der Wunsch nach besseren internen Verbindungen wach wurde.

Der Grosse Bat trug den Begehren Eechnung, indem er 1839 beschloss, jährlich 50000 Franken für die Erstellung und Verbesserung 'der Verkehrswege im Innern des Kantons zu verwenden. Es muss als eigentliche Grosstat gewertet werden, wenn der Gebirgskanton Graubündcn um die Mitte des letzten Jahrhunderts gleichzeitig im Engadin, Puschlav, Prättigau und Oberland bauen konnte. Die Früchte dieser Anstrengungen erkennen wir noch heute im weitausgedehnten Strassennetz des Kantons Graubünden. Es kommt nicht von ungefähr, dass in Graubünden auf 1000 Einwohner 9,4 km Kantonsstrassen entfallen, das schweizerische Mittel aber bloss 3,6 km beträgt.

Wenn auch der Strassenbau im steigenden Volksvermögen und in der steigenden finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantonsbevölkerung zum Ausdruck kam, so belastete er anderseits die Staatsrechnung in hohem Masse. Die Kantonsauslagen für den Strassenunterhalt betrugen bereits in den Jahren 1862 bis 1866 durchschnittlich 145 000 Franken und stiegen im Mittel der Jahre 1887 bis 1891 auf 340 000 Franken. Damit stiegen die Strassenausgaben pro Kopf der Bevölkerung von rund 1,6 auf 3,6 Franken im Jahr, während die entsprechenden Ausgaben für den Kanton Bern beispielsweise nur ungefähr 0,6 und 1,2 Franken betrugen.

Graubünden als ein an natürlichen Hilfsquellen armes Land hatte durch den Ausbau seiner Strassen bewiesen, dass es jede Möglichkeit nutzen wollte, um seiner Bevölkerung ausreichend en Verdienst zu sichern. Seine mannigfachen Berührungspunkte mit den nördlichen und südlichen Nachbarn unseres Landes hatten ihm aber auch die technischen Fortschritte vor Augen geführt, die die Lebensgewohnheiten Europas grundlegend ändern sollten. Schon früh wandte sich das Interesse der führenden Männer des Kantons der Eisenbahn zu, in der sie die moderne und zukunftsreiche Weiterentwicklung des alten Transitverkehrs sahen. Von 1838-1841 nahm der Kanton aktiven Anteil an den Bestrebungen der Zürcher
Handelskammer, deren Programm unter anderem den Bau einer Eisenbahnlinie von Zürich nach Chur enthielt. Mit St. Gallen unterhandelte Graubünden über den Bau einer Bahn Chur-Walenstadt und WeesenSchmerikon. Oberingenieur La Nicca fasste auch bereits eine Fortsetzung der Bahn über einen der bündnerischen Alpenpässe ins Auge. Während drei Jahrzehnten folgten sich in ununterbrochener Eeihe Projekte und umfassende technische und kommerzielle Vorarbeiten für Bahnen über den Splügen, Grcina, Lukmanier und andere bünderische Pässe.

Nachdem in der Bundesversammlung mit der Annahme des Bundesgesetzes vom 28. Juli 1852 der Entscheid zugunsten des privaten Baues von Eisenbahnen gefallen war, bildete sich eine Gesellschaft zum Bau einer Strecke

395

Borschach-Sargans und Bapperswil-Chur und deren Fortsetzung über den Lukmanier bis an den Langensee. Die Strecke wurde in zwei Sektionen geteilt, wobei die erste die Linie Eorschach-Chur, die zweite diejenige Chur-Locarno umfassen sollte. Diese Aufteilung in zwei Sektionen und die Konzessionierung bloss einer Teilstrecke erwies sich in der Folge für den Kanton Graubünden als verhängnisvoll, da sie die Position der Lukmanier-Freunde schwächte und die durchgehende Linie gefährdete. Die an der Gotthardbahn interessierten Kantone, die sich 1853 verbunden hatten, vermochten sich denn auch durchzusetzen und zu erreichen, dass vom gesamtschweizerischen Gesichtspunkt aus betrachtet dem Gotthard der Vorzug gegeben wurde.

Der Misserfolg, welcher damit den bündnerischen Eisenbahnbestrebungen beschieden war, wirkte sich in moralischer und volkswirtschaftlicher Hinsicht aus. Das bescheidene Ergebnis aller Anstrengungen um eine eigene Bahnlinie war die am 30. Juni 1858 eröffnete Strecke Eorschach-Chur. Trotzdem wurden in Graubünden noch nicht alle Hoffnungen begraben. Als 1858 der Schienenstrang von der Kantonsgrenze bei Eagaz nach Chur dem Verkehr übergeben wurde, betrachtete man diese Anlage als Teilstrecke der kommenden Alpenbahn.

Mit Tatkraft, aber ohne Glück, hat der Kanton dieses Ziel stets weiter verfolgt und markante Persönlichkeiten haben dem Gedanken ihre Lebensarbeit gewidmet. Die erfreuliche Entwicklung der Gotthard-Bahn und die Annahme, dass diese eine Linie durch die Zentralalpen auf die Dauer den Bedürfnissen des Verkehrs nicht zu genügen vermöge, spornte die Befürworter einer bündnerischen Alpenbahn immer wieder zu neuem Einsatz an. So fasste Nationalrat Planta eine Alpenbahn Chur-Bozen-Triest ins Auge. Sein Plan unterlag aber der Arlberg-Eahn, die 1884 eröffnet werden konnte. Damit waren die Möglichkeiten für die baldige Verwirklichung einer Transitbahn weitgehend in den Hintergrund gerückt. Es zeugt von der Vitalität und vom realen Sinn der führenden Männer, dass sie sich unverzüglich und mit Tatkraft dem Problem des internen Verkehrs zuwandten. Vor allem Ing. Bavier, der nachmalige Bundesrat, und Sebastian Hunger verfochten mehrere normalspurige Talbahnprojekte, immer mit dem Gedanken, diese bereits als Teilstück einer später zu erstellenden Ostalpenbahn zu gestalten. Alle diese Bestrebungen
scheiterten jedoch immer wieder an der Finanzierung und auch an den Interessegegensätzen der verschiedenen Talschaften.

Inzwischen war ein Ereignis eingetreten, das der bündnerischen Eisenbahnpolitik vorerst einmal eine ander Sichtung geben sollte. Unter der tatkräftigen Führung von W. Holsboer, einem Holländer, der in Davos seine zweite Heimat gefunden hatte, war Ende der achtziger Jahre die Schmalspurbahn LandquartDavos erbaut worden. Am 9. Oktober 1889 konnte die Linie LandquartKlosters, am 21. September 1890 die Linie Klosters-Davos dem Betrieb übergeben werden. Damit war die Grundlage gelegt für die gewaltige Entwicklung welche der Kurort Davos im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte durchmachen sollte. Es war damit aber auch der Weg gezeigt, wie die bündnerischen Kurorte einem grösseren Verkehr erschlossen werden konnten. Schon kurz nach der Er-

396 Öffnung der Linie Landquart-Davos wurde die Fortsetzung über Scaletta ins Engadin erwogen. Diesem Plan stand -wiederum ein Projett Chur-ThusisEngadin gegenüber. Im Kampfe mit den unentwegten Anhängern der Alpenbahn, die die Fortsetzung der Normalspur von Chur wenigstens bis Thusis, eventuell auch bis Filisur, verlangten, siegte der Kosten wegen der Gedanke des Ausbaues der bestehenden Schmalspurlinie, ohne dass deshalb der Anspruch Graubündens auf die Erstellung einer Alpenbahn über Splügen oder Greina aufgegeben werden sollte. Damit setzte ein wahrer Siegeszug im Ausbau der Baugeschichte der vereinigten Rhätischen Bahnen Strecke

Landquart-Klosters Klosters-Davos . . .

Chur-Thusis.

Landquart-Chur . . .

Reichenau-Ilanz . . .

Thusis-Schlarigna/Celerina Schlarigna/Celerina8t Moritz Samedan-Pontresina , Davo s--Filisur . .

Ilanz-Disentis/Muster .

Bever-Scuol/Schuls. .

Bauperiode

) j \ / .

.

.

.

Betriebseröffnung

1900-1903

9. 10. 1889 21. 7.1890 1. 7.1896 29. 8.1896 1. 6.1903

1898-1904

1. 7.1908 10. 7.1904

1888-1890 1894-1896

1906-1908 1906-1909 1910 -1912 1909-1913

1.

1.

1.

1.

7.1908 7.1909 8.1912 7.1913

Einführung des durchgehenden elektrischen Betriebes

Baulänge m

7.11.1921

50123

1. 8.1921

41004

22. 5.1922

19839

15 10. 19191 1. 7. 1913 )

61 751

1. 7.1913 11.12.1919 22. 5.1922 1. 7.1913

5294 19303 29968 49410

22. 5.1922

276 192

Rhätische Bahn bis 33 . 12. 1941 . .

1888-1913

Bellinzona-Mesocco-Bahn

1905-1907

6. 5.1907

6. 5.1907

31298

Berninabahn 3) St. Moritz-Tirano . . /

1906-1910

1908/1909 2) 5. 7.1910

1. 7.1908

60670 .

Chur-Arosa-Bahn . . .

1912-1914

12. 12. 1914

12. 12. 1914

25679

Rhätische Bahnen ab 1 1888-1914 22. 5.1922 -- 393 839 1.1.1943 / 1 ) St. Moritz-Bever.

2 ) Teilstrecken: Pontresina-Morteratsch, Poschiavo-Tirano 1. 7. 1908; Schlarigna/Celerina-Pontresina, Morteratsch-Bernina Suot 18.8.1908; Bernina SuotOspizio Bernina 1. 7. 1909; Ospizio Bernina-Poschiavo 5. 7. 1910.

3 ) Durchgehender Jahresbetrieb seit 1914.

397 internen Bahnverbindungen ein. In den folgenden 25 Jahren wurde ein Neta von nahezu 400 km erstellt. Es ist dies das längste Sohmalspurnetz Europas und bedeutet für den dünn besiedelten und industriearmen Gebirgskanton eine grosse und denkwürdige Leistung. Die vorstehende Tabelle gibt Aufschluss über die zeitliche Entwicklung des Bahnausbaues.

Durch verschiedene gesetzliche Erlasse trug der. Kanton Graubünden wesentlich zum Ausbau und zur Entwicklung der Bhätischen Bahn bei. So wurden neue Bahnunternehmungen durch ein Gesetz vom 22. Mai 1896 auf die Dauer von 20 Jahren von den kantonalen Steuern befreit. Bereits bestehenden Gesellschaften wurde für den Fall, dass sie binnen 10 Jahren mit dem Bau einer neuen Linie beginnen, das gleiche Privileg zugestanden. Darüber hinaus hat aber namentlich das vom Volk am 20. Juni 1897 angenommene Eisenbahnsubventionsgesetz dem Bahnbau neue Impulse gegeben. Es bildete die Grundlage für die Beteiligung des Kantons am weiteren Ausbau des bündnerischen Schmalspurnetzes. Das Gesetz liess einen Beitrag des Kantons an die Bahnen nur dann zu^ wenn sich die an einer Linie interessierten Gemeinden und Privaten am Bau ebenfalls finanziell beteiligten. Damit hatte die frühere Bestimmung, dass die Gemeinden an den Bau der Kantonsstrassen Beiträge zu leisten hatten, ihre sinngemässe Anwendung auf das neue Verkehrsmittel gefunden.

Der Ausbau der sogenannten Prioritätslinien Thusis-Albula-St. Moritz und Eeichenau-Ilanz schritt mit einer ersten Bundessubvontion von 8 Millionen Franken rasch voran. Weitere 5 Millionen leistete die Eidgenossenschaft für die Strecken Bever-Souol/Schuls und Ilanz-Disentis/Mustèr. Mit dem Ausbau der Bhätischen Bahn erfolgten gleichzeitig durch andere Gesellschaften weitere Bahnbauten. So wurde von 1905-1907 mit Beteiligung der Kantone Graubünden und Tessin die 31,8 km lange Bellinzona-Mesocco-Bahn erstellt. Ebenfalls mit kantonaler Finanzhilfe wurde von 1912-1914 die 25,7 km lange ChurArosa-Bahn gebaut. Dagegen kam die 60,7 km lange Bernina-Bahn von St. Moritz nach Tirano von 1906-1910 ohne kantonale Beteiligung zustande. Am 4. Juli 1926 wurde gchliesslich die Furka-Oberalp-Bahn eröffnet, die auf einer Strecke von 19 kin Bündner Boden berührt und das Bheintal mit dem Beuss- und Bhonetal verbindet.

Heute weist das gesamte Bahnnetz des Kantons
Graubünden eine Länge von 432 km auf. Davon entfallen auf Schweizerische Bundesbahnen . . . 19 km = 4,4% Bhätische Bahn 394 » =91,2% Furka-Oberalp-Bahn 19 » = 4.4% Total 482 km = 100% Bückblickend darf auf die Initiative hingewiesen werden, die der Kanton Graubünden mit semer Eisenbahnpolitik trotz allen Widerwärtigkeiten und Fehlschlagen bewiesen hat. Diese Initiative hat ihm aber neben mancherlei Vorteilen auch grosse Lasten gebracht, die heute seine finanzielle Kraft übersteigen Bundesblatt. 105. Jahrg. Bd. III.

80

398

oder doch seine Entwicklung hemmen. Wie so oft in Zeiten stürmischer technischer Entwicklung folgten sich die Aufgaben in solch rascher Folge, dass die Aufwendungen für das ältere Verkehrsmittel nicht amortisiert werden konnten, bevor dieses durch ein moderneres überholt war. Der Kanton hatte in der Vergangenheit bereits für den Strassenbau grosse Opfer gebracht. Während des Bahnbaues musste dagegen die Pflege der Strassen wegen der begrenzten finanziellen Leistungsfähigkeit des Kantons zurückbleiben. Schon bevor aber das Bahnnetz fertig erstellt oder gar die finanzielle Lage der Unternehmungen konsolidiert war, trat das Automobil mit der Eisenbahn in Konkurrenz und brachte den Alpenpässen neues Leben. Graubünden verwehrte dem Automobil lange Zeit den Zutritt zu seinem Gebiet. Der Kampf um die Erhaltung seiner Investitionen ira Bahnbau musste aber zu seinen Ungunsten enden, da auf die Dauer ein technischer Fortschritt niemals ohne Schaden für die Volkswirtschaft eines Landes zurückgedrängt werden kann. Im Jahre 1923 musste Graubünden den Widerstand aufgeben und sein Strassennetz durch systematischen Ausbau den Anforderungen des Motorwagcnverkehrs anpassen.

Damit hatte der Kampf um den Ausbau der bündnerischen Verkehrswege seinen Abschluss gefunden, ohne dass die alte Forderung des Kantons auf den Bau einer Ostalpenbahn und damit eines Durchstiches des Alpenwalls im Osten unseres Landes verwirklicht worden wäre. Da die an das Bundesgesetz vom 22. August 1878 betreffend Gewährung von Subsidien für Alpenbahnen geknüpften Hoffnungen immer wieder in den vcrkehrspohtischen Diskussionen auftauchen, sehen wir uns veranlasst, diese Frage an dieser Stelle auch zur Sprache zu bringen.

Der Bundesrat hatte im Jahre 1852 anlässlich der Verhandlungen über das Eisenbahngesetz erstmals Gelegenheit, sich zur Alpenbahnfrage zu äussern. Auf Grund dieses Gesetzes waren die Befugnisse der Zentralgewalt ausserst bescheiden. Bau und Betrieb von Eisenbahnen blieb nach Artikel l den Kantonen bzw. der privaten Tätigkeit vorbehalten. Die Frage eines Alpendurchstiches hielt man damals schon aus technischen Gründen für nicht besonders aktuell.

Erst mit der fortschreitenden Entwicklung der Technik (1867 war das Dynamit erfunden, 1860 beim Bau des Mont-Cenis-Tunnels die ersten Bohrmaschinen verwendet worden) musste sich der
Bundesrat zur Frage eines Alpendurchstiches äussern. Er entschied sich scbliesshch für den Gotthard, was die Interessenten einer West- und einer Ostalpen-Bahn bewog, auf eine Gleichbehandlung ihrer Projekte zu drängen. Der Bundesrat gab denn auch eine entsprechende Zusicherung in seiner Botschaft vom 30. Juni 1870 betreffend eine Alpenbahn durch den Gotthard. Der Gedanke der Gieichbehandlung vom Zentrum, Osten und Westen fand dann seinen Niederschlag in Artikel 8 des Eisenbahngesetzes vom 23. Christmonat 1872 sowie in Artikel 5 des Bundesgesetzes betreffend Gewährung von Subsidien für Alpenbahnen vom 22. August 1878. Die Subvention von 4,5 Millionen an die Gotthardbahn wurde 1878 und diejenige an den Simplon 1887 ausgerichtet. Der Anspruch auf eine Subvention für den Bau einer

399

Ostalpenbahn besteht formell noch heute zu Eecht. Wohl wurden der Bhätischen Bahn, wie bereits gesagt, 1898 und 1907 Subventionen von 8 bzw. 5 Millionen Franken ausgerichtet. Diese Beiträge konnten aber nicht auf Konto Ostalpenbahn angerechnet werden, da weder, die Strecken Thusis-Albula-St. Moritz noch Eeichenau-Ilanz und Ilanz-Disentis/Muster eine Verbindung mit dem Mittelmeer schufen, wie es das Alpenbahn-Subsidiengesetz als Bedingung für einen Bundesbeitrag vorschrieb. Wir halten jedoch heute, da sich die Verhältnisse gegenüber der Zeit des Erlasses des Alpenbahn-Subsidiengesetzes grundlegend geändert haben und wir Ihnen mit dieser Botschaft neuerdings die Ausrichtung namhafter Bundesgelder für die Bahnen des Kantons Graubünden beantragen, die Zeit für gekommen, um die Konsequenzen zu ziehen und dag Subsidiengesetz aufzuheben. Da heute wohl niemand mehr an den Bau einer Ostalpenbahn denkt - und nur für eine solche könnte die Subvention nach dem Alpenbahn- Subsidiengesetz gewährt werden - dürfte der Aufhebung nichts im Wege stehen. .

Dass die Ostalpenbahn nicht gebaut wurde, halten wir rückblickend nicht unbedingt für einen Schaden für den Kanton Graubünden. Die Bedeutung einer solchen Bahn für das Aufkommen neuer Industrien dürfte zweifellos lange Zeit überschätzt worden sein. Wir glauben heute sagen zu dürfen, dass der Ausbau des Schmalspurnetzes dem Kanton den grösaeren Nutzen brachte, als es irgendeine grosse internationale Ostalpenbahn hätte tun können. Gewiss hätte ein Durchstich durch den östlichen Alpenwall einzelnen Teilen des Landes und namentlich der Stadt Chur manche Vorteile gebracht. Niemals hätte er aber dem Lande als Ganzes so zum Vorteile gereichen können, wie dies hei dem weitverzweigten Schmalspurnetz, das für die besonderen topographischen Verhältnisse des Gebirgskantons Graubünden wie geschaffen ist, tatsächlich der Fall war.

VI. Die wirtschaftliche Lage des Kantons Graubüiiden Mit einem Flächeninhalt von 7113,5 km2 nimmt der Kanton Graubünden hinsichtlich Ausdehnung unter den Schweizer Kantonen den ersten Platz ein.

Der Bevölkerung nach steht er nach der eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dezember 1950 mit 187 100 Einwohnern an U. Stelle und der Bevölkerungsdichte nach mit nur 19 Einwohnern pro kma an letzter Stelle. Schon in diesen wenigen Zahlen kommt der karge
Charakter des Bodens dieses Gebirgskantons zum Ausdruck. Von der gesamten Bodenfläche sind 30,5 Prozent unproduktiv.

Höhere Prozentsätze weisen nur Uri und Wallis mit 47,3 Prozent und 44,1 Prozent auf. Dass Graubünden ein ausgesprochener Gebirgskanton ist, erhellt auch daraus, dass 52 Prozent seiner Bevölkerung in Siedlungen über 1000 m ü. M. und 17 Prozent in solchen über 1500 m ü. M. leben. Für den Kanton Uri sind die entsprechenden Zahlen 13 Prozent und l Prozent und für den Kanton Wallis 30,5 Prozent und 8,5 Prozent. Von den 221 bündnerischen Gemeinden liegen nach dem eidgenössischen landwirtschaftlichen Produktionskataster 193 im Berggebiet. Damit haben von den 137 100 Einwohnern deren 95 878 oder

400

70 Prozent ihren Wohnsitz im Berggebiet, während in den ebenfalls als ausgesprochene Gebirgskantone geltenden Kantonen Uri und Wallis nur je 49 Prozent im eigentlichen Berggebiet wohnen.

Wenn wir in den Vergleichen mit den Kantonen Uri und Wallis weiterfahren, so können wir in den beiden Kantonen im wesentlichen ein Haupttal feststellen, in das die Seitentäler einmünden. Für Graubünden liegen die Verhältnisse ungleich komplizierter. Die verschiedenen Gebirgsketten mit den zahlreichen Tälern haben ihm zu Eecht den Namen «Land der 150 Täler» eingetragen. Diese besondern topographischen Verhältnisse fanden ihren Niederschlag in den gewaltigen Anstrengungen, die für die Verkehrswege, seien es die Strassen oder die Bahnen, unternommen werden mussten. Sie haben aber auch das Erwerbsleben des Kantons in einer besondern Art gestaltet.

Heute noch finden in Graubünden 81,3 Prozent der Berufstätigen und Angehörigen ihr Auskommen in der Land- und Forstwirtschaft und werden 8410 km2, d. h. über 2/3 der produktiven Fläche des Kantons ah> und landwirtschaftlich genutzt. Auf Wald entfallen 1533 km2 und auf Beben 2 km2. Der Wald bietet namentlich in den Wintermonaten willkommene Arbeitsgelegenheiten. Er warf im Jahre 1950 dem Staat und den Gemeinden netto über 3 Millionen Franken ab. Die privaten Waldbesitzer dürften aus der Hoknutzung überdies eine weitere halbe bis eine ganze Million gelöst haben. Es darf aber nicht · übersehen werden, dass die Schutzfunktion des Waldes im Gebirge wesentlich stärker ist als im Flachland und dass seine Nutzung mit mehr Arbeit und auch höheren Kosten verbunden ist. Wenn zum Beispiel Staat und Gemeinden in Graubünden im Jahre 1950 aus ihren Wäldern netto 26,4 Franken je Hektare bestockte Fläche lösten, so liegt dies ganz wesentlich unter dem schweizerischen Mittel von 62,7 Franken oder gar unter dem Spitzenwert des Kantons Zug von 162 Franken.

Das Handwerk hatte in Graubünden seine eigentliche Blütezeit während der Epoche des lebhaften Transitverkehrs. Mit dessen Niedergang ging die Bedeutung einiger führender Berufe, wie Schmiede, Wagner und Sattler, stark zurück. Heute stehen namentlich die Handweberei, Heimtöpferei, Keramik und ' Holzschnitzerei im Vordergrund. Aus der Zeit der grossen Strassen- undHäuserbaüten hat sich daneben ein stark entwickeltes Baugewerbe, dem auch die
vielen Bahnbauten zugute kamen, erhalten. Für den Kanton Graubünden spielt aber heute noch der Fremdenverkehr eine entscheidende Eolle. Von ihm, der Hauptauftraggeber.für den Hochbau ist, hängt auch das ganze übrige Handwerk und Gewerbe wie das Wirtschaftsleben des Kantons überhaupt ab.

Der Fremdenverkehr, der in seinen Anfängen auf die zahlreichen Heilquellen zurückgeht, entwickelte sich recht eigentlich erst von der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Wie ungestüm sein Aufschwung war, zeigt für einige typische Fremdenorte die folgende Tabelle.

401 Gastbetten einiger Fremdenorte im Kanton Graubünden Effektive Bettenzahlen nach Gurtner l)

Ort

1860

Flims Klosters Lenzerheide/Lai . .

Pontresina . . . .

Sils i. E./8egl . . .

Scuol/Sohuls. . . .

Tarasp/Vulpera . .

50 20 10 10 40 80 20 10 10

1860

1870 1880

1890 1900 1910

Vorhandene Gastbetten nach Stat.

Jahrbuch

1920 1930 1940 1940

1950

50 500 850 1125 1775 8500 5214 3563 8689 50 200 650 1250 2100 3400 5250 6897 7257 6405 6820 25 80 150 250 500 850 1200 1365 1467 1227 1207 10 10 75 260 600 600 650 1259 1573 1127 1025 10 10 10 10 100 420 480 845 1121 876 842 50 350 900 1200 1530 1850 2050 2098 2354 2104 2030 180 1350 2400 2900 8700 5350 6000 6000 6000 4978 4365 50 50 140 150 200 500 850 1027 1050 884 922 20 100 140 150 350 750 900 1064 1064 1130 1664 60 100 150 280 850 1100 1150 1050 1050 667

1) Gurtner, «Reie ever ehr uund VVolkswirts haft Grau bünde ens» in Z eitsch rift für Schweizerische St atisti k unel Vol swir tschaft 19 39.

Die Logiernächte zeigen seit dem Jahre 1934, dem Beginn der amtlichen Fremdenverkehrsstatistik, die folgende Entwicklung.

Betriebe, Gastbetten und Logiernächte im Kanton Granbünden Logiernächte Jahr

Betriebe

Gastbetten Ausland

1934

1935 1936 1937 1988 1939 1940 1941 1942 1943 1944

1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952

924 924 935 930 921 915 915

990 972 976

973 959 945 933 915 908 902 895 896

34575 34661 34462 34740 34450 34296 34-132 84532 34404 34252 33839 83459 33374 32961 32595 32478 32432 82307 32360

1 258 883 1 378 913 1 099 252 1 629 225 1 492 586 1 285 747 355 101 342 469 497 790 445 185 553 774 592 299 1 210 459 1 460 526 1 201 646 1 136 602 1 055 092

1 218 754 1 424 941

Schweiz

1 356 304 1 336 800 1 217 638 1 431 632 1 430 840 1 345 505 1 236 070 1 487 783 1 567 257 1 753 926 1 946 830 2 280 253 2463713 2553947 2435747

2 356 277 2 200 778 2 096 717 2 156 641

Total

2 615 187 2 715 713

2 816 885 3 060 857 2 923 426 2 581 252 1 591 171 1 830 252 2 065 047 2199111

2 500 604 2 822 552

3 674 172 4014473 3 637 393 3492879

3 255 870 3 315 471 3 581 582

402 IQ diesen Zahlen sind Gastbetten und Logiernächte der Hotels und Pensionen und der Sanatorien und Kuranstalten enthalten. Sie vermögen ohne weiteres einen Begriff zu geben Ton der Bedeutung, den der Fremdenverkehr auf das Wirtschaftsleben des Kantons ausübt. Da zu dieser Frage eine ganze Eeihe ausgezeichneter Publikationen bestehen, brauchen wir dabei nicht länger zu verweilen. Für die Beurteilung der Bedeutung des Fremdenverkehrs im Kanton Graubünden sei lediglich noch erwähnt, dass er nach den Zahlen des Jahres 1952 mit 24 Gastbetten auf 100 Einwohner und 26 Logiernächten pro Einwohner weitaus an der Spitze steht. Der schweizerische Durchschnitt beträgt nur 4 Gastbetten auf 100 Einwohner und 4 Logiernächte pro Einwohner.

Das Aufkommen einer eigenen Industrie wurde im Kanton Graubünden durch die ungünstigen Standortverhältnisse wesentlich erschwert. Wenn nach der Zählung von 1950 in Industrie, Handwerk, Gewerbe und Bergbau 34,9 % der Berufstätigen und ihrer Angehörigen ihr Auskommen fanden, so scheint "dieser Prozentsatz auf den ersten Blick recht hoch. Es handelt sich dabei aber in der Hauptsache um Kleingewerbe und kleinere Industrieunternehmungen. Zur Grossindustrie kann lediglich die Holzverzuckerungsfabrik m Domat/Ems mit ihren über 1000 Arbeitern und Angestellten gezählt werden. Neben dem Emser Werk sind in Graubünden nur noch vier Privatbetriebe mit einer Belegschaft von über 100 Personen niedergelassen. Während im schweizerischen Mittel auf 100 Einwohner 11,5 dem Fabrikgesetz unterstellte Personen entfallen, sind es im Kanton Graubünden nur deren 8,6. Eine noch kleinere Verhältniszahl, nämlich 2,5, verzeichnet lediglich der Kanton Appenzell I. Bit.

Die wirtschaftliche Entwicklung Graubündens wurde erst durch den Bahnbau möglich. Allein von 1888 bis 1910 erfuhr die Wohnbevölkerung eine Zunahme von 94 810 auf 117 069 oder um 23,5%. Noch deutlicher wird der Einfluss des Bahnbaues auf die Bevölkerungsbewegung durch eine Gegenüberstellung der Wohnbevölkerung einzelner, von der Bahn erschlossener politischer Kreise mit Kreisen ohne Bahnverbindung.

Von den 39 politischen Kreisen des Kantons haben heute deren 27 eine Bahnverbindung, während die übrigen 12 von keiner Bahn direkt berührt werden. Die 27 Kreise erfuhren von 1850 bis 1950 eine Bevölkerungszunahme um 67,9 % während sich die
Bevölkerung der bahnlosen Kreise in der gleichen Zeit um 1,2 % verminderte. Wenn auch einige Ausnahmen die Eegel bestätigen die bahnlosen Kreise Lumnezia und Val Müstair erfuhren eine Bevölkerungszunahme um 12,5 bzw. 20,5%, der von der Bahn berührte Kreis Surtasna dagegen eine Abnahme um 11,1% -, so darf doch festgestellt werden, dass schon aus der Bevölkerungsbewegung heraus die Bedeutung der Bhätischen Bahn für das Wirtschaftsleben des Kantons ermessen werden kann. Ganz offensichtlich wird diese Bedeutung auch aus der Steuerstatistik. Das steuerbare Vermögen ist im ganzen Kanton von 206,1 Millionen Franken im Jahre 1888 auf 791,8 Millionen Franken im Jahre 1952 gestiegen, der steuerbare Erwerb in der gleichen Zeit von 6,7 Millionen auf 176,1 Millionen Franken. Aufgeteilt nach Kreisen mit und ohne Bahnanschluss ergibt sich das folgende Bild:

403 27 Kreise mit Bahn

Jahr

in Mio Fr!

1888 .

1936 1944 1952 1 ) 1888 1986 1944 1952 !)

. . . . . .

.

. . .

1888 = 100

12 Kreise ohne Bahn in Mio Fr.

1888 = 100

169,8 580,2 724,9 703,7

Steuerbares Vermögen 100 36,8 841 67,8 427 85,4 414 87,6

100 187 285 241

6,1 67,4 101,6 162,2

Steuerbare r Erwerb 100 0,0 3,2 1105 1666 6,8 2659 13,9

100 533 1133 2317

1) Die juristischen Personen und '.Kollektiv. und KommanditGesellschaften sind 1944 letztmals kreisw eise erfasst wc rden Sie sind deshalb in de n Zahlen von 1952 nicht mehr enthaltetn.

Diese erfreuliche Entwicklung darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der wirtschaftliche Aufschwung in Graubünden nur unter Anspannung aller Kräfte und zuweilen unter schweren Opfern möglich war. Von diesen Opfern haben sowohl der Kanton wie die Ehätische Bahn redlich ihren Teil getragen.

VII. Die finanzielle Entwicklung der Rhätischen Bahn Die Rechnungsergebnisse der Bahn Landquart-Davos, wie dio Ehätische Bahn von 1889-1894 hiess, waren in den Jahren nach der Betriebseröffnung recht erfreulich. Sie bildeten denn auch den Ansporn zur Erweiterung des Netzes, die erst 1918 ihren Abschluss fand. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges änderte sich aber die Situation für die Ehätische Bahn grundlegend.

Die Unternehmung geriet in eine eigentliche finanzielle Notlage, aus der sie sich bis auf den heutigen Tag nicht mehr herausarbeiten konnte. Die Gewinnund Verlustrechnung 1913 ergab noch einen Überschuss von über 400 000 Franken, von denen 887 000 Franken als Dividende ausgeschüttet wurden. Die kriegsbedingte Schrumpfung des Transportvolumens, die angestiegenen Kohlenpreise und die in den ersten Nachkriegsjahren der Teuerung angepassten Löhne liessen dann die Jahresrechnungen von 1914 bis 1920 stark defizitär werden.

Die Verluste dieser Jahre beliefen sich auf rund 14 Millionen Franken. Sie wären noch höher ausgefallen, wenn nicht während einigen Jahren die ordentlichen, ohnehin ungenügenden Abschreibungen um 50% herabgesetzt worden wären. Trotz der schwierigen Finanzlage kam die Bahn ihrenZinsverpflich-htungen gegenüber dem Kantoregelmässigig nach, wodurch die Ende 1918 vorhandenen Betriebsmittel v o n 4 , 1 Millionen aufgezehrt wurden.

gewünschten Erfolg. Als einträglichste Sparmassnahme erwies sich die Elektrifikation des ganzen Netzes, zu der sich die Ehätische Bahn entschloss. Bereits 1917 hatte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement wegen des zu-

404

nehmenden Kohlenmangels die Elektrifikation der Nebenbahnen empfohlen.

Auf Grund des Elektrifikationsgesetzes vom 2. Oktober 1919 wurde der Bhätischen Bahn ein Darlehen von 16,8 Millionen Franken gewährt, wovon Bund und Kanton Graubünden je die Hälfte übernahmen. Im Jahre 1922 war die Elektrifikation beendet. Die Anlagekosten des Stammnetzes erreichten in jenem Zeitpunkt 116 Millionen, der Passivsaldo der Gewinn- und Verlustrechnung rund 7 Millionen Franken. Eine Bilanzbereinigung war nicht zu umgehen. So wurden 1921 die Aktien I. Banges um 80 Prozent und die Subventionsaktien des Bundes um 80 Prozent herabgesetzt. Aus dem Sanierungsergebnis von 17,2 Millionen konnten der Passivsaldo auf Ende 1921 gedeckt und darüber hinaus 10,2 Millionen einer Sanierungsrescrve zugewiesen werden. Als weitere Sanierungsmassnahme wurden Vorschüsse des Kantons Graubünden der Jahre 1918 bis 1920 im Umfange von 10,8 Millionen mit 4,3 Millionen Franken in ein 6-prozentiges Darlehen umgewandelt und 6,5 Millionen mit dem zu leistenden Elektrifikationsdarlehen verrechnet. Es wurde jedoch unterlassen, die während der vorangegangenen Jahre herabgesetzten Abschreibungen auf den Anlagen nachzuholen. So beliefen sich die Abschreibungsausfälle Ende 1921 auf 1,8 Millionen Franken. Sie erhöhten sich in der Folge um weitere 0,2 Millionen Franken, da die Abschreibungen auch in den Jahren 1922 und 1928 nur zu 75 Prozent in Rechnung gestellt wurden.

Das Jahr 1924, das erstmals wieder mit einem Aktivsaldo abschloss, leitete eine bis 1981 dauernde Periode günstiger Bechnungsergebnisse ein. In dieser Zeit konnten insgesamt 8,1 Millionen Franken an Dividenden ausgerichtet, die Verschuldung um l Million auf 8,9 Millionen Franken herabgesetzt und 2,3 Millionen Franken auf den Elektrifikationsdarlehen getilgt werden. Die Dividendenzahlungen fussten dabei weniger auf einer gesunden Finanzlage der Ehätischen Bahn als auf dem Bedürfnis des Kantons Graubünden, seine Bahnbeteiligung verzinst zu wissen. Die bei Ausbruch der Wirtschaftskrise vorhandenen Beserven rührten zur Hauptsache noch von der im Jahre 1921 vorgenommenen Herabsetzung des Aktienkapitals her. Sie betrugen 7,4 Millionen und wurden durch die Verluste der Jahre 1932 bis 1987 vollständig aufgezehrt, Von 1936 an konnte der Zinsendienst auf den Darlehen des Kantons Graubünden nur
noch teilweise aufrechterhalten werden.

Mit der Inkraftsetzung des neuen Abschreibungsreglementes des Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartements vom 29. April 1940 mussten die Abschreibungen auf den Bahnanlagen neu geordnet und die Fehlbeträge der Abschreibungsrechnung ermittelt werden. Die jährlichen ordentlichen Abschreibungen stiegen zufolge der erhöhten Abschreibungssätze und dem Einbezug neu der Abschreibung unterstellter Anlagen von 0,8 auf 1,3 Millionen Franken. Die Berechnung des Abschreibungs-Sollbestandes ergab alsdann einen Fehlbetrag von 14,7 Millionen Franken.

Die auf Ende 1941 bereinigte Bilanz der Ehätischen Bahn, die für die Bemessung des Sanierungsbedarfes gemäss Privatbahnhilfegesetz diente, ergab das folgende Bild:

405 Aktiven

Anlagevermögen:

Franken

Flanken

Bahnanlagen 118562068 ·/·Abschreibungen. . . . 38168287 80393781 Nebengeschäfte 8 633 822 ·/·Abschreibungen. . . . 1790994 1842328 Betriebsvermögen : Wertbestände und Guthaben .

Materialvorräte

1247689 1239845

Überschuss der Passiven .

1041 Franken

1931 Franken

82236109 107976990

2487534

2020287

27 200 831 -- 111924474 109996277 Passiven

Eigenkapital: Aktienkapital Reserven

18448100 260 975

1941

Fremdkapital: Anleihen Laufende Schulden . . .

75 822 211 17 398188

18704075

1931 28416600

93 220 399 81579 677 111 924 474 109 996 277

Zum Überschuss der Passiven in der Bilanz auf Ende 1941 in der Höhe von 27,2 Millionen Franken kam noch ein versicherungstechnischer Fehlbetrag der Pensionskasse von 6,9 Millionen, der als gesetzliche Verpflichtung der Rhätischen Bahn ebenfalls in den Sanierungsbedarf einbezogen werden musste.

Dies war die Grundlage, von der für die neuerliche Sanierung der Ehätischen Bahn auszugehen war. Vorgängig übernahm die Gesellschaft aber noch durch Fusion die Chur-Arosa-Bahn. Dadurch stiegen das Aktienkapital um 3,1 Millionen und die Anleihen um 6,7 Millionen Pranken.

Die festen und laufenden Verbindlichkeiten, die für eine Sanierung in Frage kamen, beliefen sich damit auf rund 110 Millionen Franken Im Zusammenhang mit der Privatbahnhilfe wurden diese wie folgt herabgesetzt : Forderungsverzichte 8 Millionen Franken Sanierung der Pensionskasse . 4 » » Umwandlung in Prioritätsaktien 20 » » Bückzahlung aus dem Beitrag des Bundes 35 » » 62 Millionen Franken Bestand nach Sanierung rund

48 Millionen Franken

406

Das Aktienkapital wurde um 18,8 Millionen herabgesetzt. Am neuen Aktienkapital beteiligten sich der Bund mit einer Barleistung von 10 Millionen und der Kanton Grau blinden durch Umwandlung von Forderungen in Aktien mit 20 Millionen Franken. Um den Passivenüberschuss wegzubringen, musste teilweise noch der vom Bund geleistete Beitrag à fonds perdu herangezogen werden, da der Ertrag aus der Herabsetzung des Aktienkapitals hiezu nicht ausreichte.

Da die Mittel aus der Privatbahnbilfesanierung beinahe ausschliesslich zur Abtragung der Darlehens- und Zinsforderungen des Kantons Graubünden verwendet werden mussten, wies die Bahn auch nach der Sanierung noch eine ungünstige Liquidität auf. Insbesondere fehlten ihr die Mittel zur Erneuerung und Ergänzung der Bahnanlagen und des Eollmaterials. Während den Kriegs- und den unmittelbaren Nachkriegsjahren standen ihr allerdings wesentliche, aus den Abschreibungen gewonnene Eigenmittel zur Verfügung, die sie'für technische Erneuerungen und Anschaffungen verwendete. Mit dem zunehmenden Wettbewerb der Strassenverkehrsmittel gingen aber die Eechnungsergebnisse neuerdings zurück, so dass die Bahn den Erneuerungsbedarf nicht mehr zu decken vermochte. Zur Anschaffung von Bollmaterial wurde der Ehätischen Bahn deshalb im Jahre 1951 auf Grund der Novelle zum Privatbahnhilfegesetz ein Darlehen von 10 Millionen gewährt. Der Bundesanteil von 5 Millionen wurde durch eine Barleistung eingebracht, während der Anteil des Kantons Graubünden im gleichen Betrage durch Verrechnung der festen Zinsfälligkeiten auf seinem Darlehen I. Banges von 30 Millionen geleistet wurde. Bis Ende 1952 sind auf diese Weise bereits 8,8 Millionen zur Verrechnung gelangt.

Mit der Sanierung auf Grund des Privatbahnhilfegesetzes erfuhr das Netz der Ehätischen Bahn eine Erweiterung durch die Übernahme der BelhnzonaMesocco- und Bernina-Bahn. Damit ergab sich die folgende Entwicklung der Anlagekosten: Tranken

Kosten des Stammnetzes inkl. Elektrifikation 1942 Übernahme Chur-Arosa-Bahn 1942 Übernahme Bellinzona-Mesocco-Bahn 1943 Übernahme Berninabahn 1921-1952 Bauaufwendungen. . . '.

Bmtto-Anlagekosten Ende 1952

116 800 000 12 335 665 3 491 416 18 264 250 · · · · 18 266144 J.69 157 475

Von den Bauaufwendungen der Jahre 1921 bis 1952 entfallen 16,4 Millionen auf die Jahre 1943 bis 1952 und nur 1,9 Millionen auf die Jahre 1921 bis 1942.

Der ordentliche AbschreibuDgsbedarf auf den Anlagen, der heute rund 2 Millionen erreicht, konnte in den letzten Jahren aus den Betriebsüberschüssen nicht mehr voll gedeckt werden. Ebenso mussten die Darlehenszinse auf den fest verzinslichen Anleihen aus der Vermögenssubstanz bezahlt werden. Deshalb verdichteten sich in der letzten Zeit auch die Begehren des Kantons und der Bahn um eine neuerliche Intervention des Bundes. Die nachfolgende Aufstellung widerspiegelt diese Entwicklung seit-der letzten Sanierung:

407 Betriebsüberschüsse der Bahnbetriebsrechning In Franken

1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952

Ordentliche Abschreibungskosten auf den Bahnanlagen In Franken

l 887 082 l 869 610 l 815 694 l 834 375 l 847 501 l 962 098 1 937 877 2 041 989 2 075 836 -2 112 243

5 235 921 5 284 836 5 152 374 3754952 3 804 384 l 746 111 579 864 872 305 l 346 546 2 192 574

Kapitalkosten für feste Verbindlichkeiten der Bahn lu Pranken

l l l l l l l l l l

568 300 568 300 568 300 568 300 568 300 568 300 568 300 568 300 667 860 742 666

Auf Ende 1952 stellt sich nun die Vermögenslage der Rhätischen Bahn wie folgt dar: Aktiven: Anlagevermögen:

Franken

Bahnanlagen .

·/·Abschreibungen Nebengeschäfte ·/·Abschreibungen Unvollendete Bauobjekte Ersatzstücke

169157 475 92 911 650 5 236 195 3501412

Franken

Franken

76245825 1734783 2584842 500 389

81065839

Betriebsvermögen:

Wertbestände und Guthaben . . . .

Materialvorräte

10138 039 4439147 14 577 186 95 643 025

Passiven: Eigenkapital: Aktienkapital Reserven

37 957 000 2270985

Fremdkapital: Feste Anleihen Laufende Schulden

53357506 2057534

40227985

55415040 95 643 025

Kumulative Zinsrückstände auf den variabel verzinslichen Darlehen II. und III. Banges l 828 825 Franken.

408

Vm. Die finanzielle Entwicklung des Kantons Graubünden Hand in Hand mit der politischen Entwicklung vollzog sich im Kanton Graubünden die Entwicklung des Finanz- und Steuerwesens. Die Aufstellung eines Einnahmen- und Ausgabenbudgets wurde erst seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts möglich und die Eechmingsführung über Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1769 eingeführt. Damals gab es in Graubünden noch keine direkten Steuern und kein Salzmonopol. Als Einnahmen standen lediglich die Einfuhr-, Ausfuhr- und Transitzölle, das Salzregal und das Postregal zur Verfügung sowie der Eepräsentantenschnitz, d. h. die Beiträge der Gerichtsgemeinden im Verhältnis zu ihrer Vertretung.

Die bundesstaatliche Ordnung von 1848 führte auch für den Kanton Graubünden zu einem Eingriff in die Finanzhoheit. Durch den Ausfall der Zoll- und Posteinnahmen, der Strassen- und Brückengelder, Waaggebühren usw. sah sich der Kanton genötigt, seinen Finanzhaushalt durch eine Steuerreform auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Einführung von direkten Steuern rief im Volk einer heftigen Opposition und die ersten drei Vorlagen wurden denn auch mit grossem Mehr verworfen. Erst der vierte Entwurf wurde 1856 befristet gutgeheissen. Das erste auf unbestimmte Zeit angenommene kantonale Steuergesetz stammt aus dem Jahre 1881. Es bestand in einer Kombination von Vermögensund Erwerbssteuern.

Die erste gedruckte Staatsrechnung Graubündens stammt aus dem Jahre 1856. Sie war in eine Verwaltungsrechnung und in eine Vermögensrechnung gegliedert. Nach der bis 1942 geltenden Ordnung musste das Defizit der Verwaltungsrechnung jeweilen im folgenden Jahr durch Steuern gedeckt werden.

Das führte dazu, dass jedes Jahr Steuern in der Höhe des Verwaltungsdefizits in der Vermögensrechnung unter dem Titel «Landessteuer-Konto» aktiviert wurden. Zufolge dieser Buchungsmethode zeigte der Abschluss der Vermögensrechnung fast immer einen Aktivüberschuss. In Wirklichkeit war aber kein Eeinvermögen vorhanden, da der Aktivsaldo nur den rechnungsmässigen, nicht aber ·den tatsächlichen Ausweis des Staatsvermögens darstellte. Wir haben im folgenden die Abschlüsse sowohl der Verwaltungsrechnung als auch der übrigen Eechnungen seit 1930 nach den heute geltenden1 Prinzipien zusammengestellt. Aus diesem Gesamtverkehr lässt sich nun ein Bild über die tatsächliche
Finanzlage des Kantons gewinnen. Danach schlössen die Rechnungen in den letzten 23 Jahren l Ornai mit Überschüssen von insgesamt 8,7 Millionen und 13mal mit Defiziten von insgesamt 56,6 Millionen Franken ab.

Betrachten wir nun die Entwicklung der Staatsschuld, so sehen wir, dass der Kanton schon im vorigen Jahrhundert mit der Tilgung seiner Schulden Mühe hatte. Als 1803 die Mediationsverfassung erlassen wurde, lagen bei der Bank von England zugunsten des Kantons Graubünden 5700 Pfund Sterling.

Diesem bescheidenen Vermögen standen aber ansehnliche Schulden gegenüber, die teilweise die Erbschaft der Helvetischen Republik darstellen.

409 Gesamtverkehr (in 1000 Pranken) Verwaltungsrechnungen Jahr

Übrige Rechnungen 1)

Einnahmen

Ausgaben

Überschuss

Einnahmen

18601

18 937

Aus-

gaben

Überschuss

Gesamtüberschuss

1932 1933 1934

20108 16759 16600 17038

19985 16961 16712 17090

-- 336 123 -- 202 -- 112 -- 52

6521 5958 10100 8447 9706

1385 14 2267 710 598

1049 109 2065 598 546

1935 1936 1937 1938 1939

18491 18230 20 095 22174 22051

18911 18460 20077 22441 22399

420 -- 230 18 -- 267 348

9999 9176 823 1017 10775 9758 13607 19715 -- 6108 11610 12090 -- 480 11229 11771 -- 542

403 787 -- 6090 -- 747 -- 890

1940 1941 1942 1943 1944

21306 24004 31 433 85558 36427

21751 24489 32969 37364 38184

-- 445 -- 485 1536 -- 1806 -- 1757

13065 10483 44299 37769 6674

643 -- 948 -- 33 881 -- 453 -- 1773

1945 1946 1947 1948 1949

43 793 45747 48944 48724 47633

45279 -48 159 52030 52164 50423

-- 1486 2412 -- 3086 -- 3440 2790

12867 10020 11954 39 .122 6658 1571 1231 1559 993 1498

886 1950 50 439 50 785 -- 346 1951 54050 53 674 1415 376 1952 58204 57359 845 1374 1 ) Vermögensrechnung und staatliche Fonds.

427 621 337

1930 1931

5136 5972

--

7833 7737 9108

-- 198 -- 463 -- 32 345 1353 -- 16

1 953 -- 455 668 1 164 -- 537

382 776 896 171 961

-- 1868 1636 -- 2190 -- 3611 -- 1829

459 794 1037

113 1170 1882

Zahlenvergleiche sind infolge der verschiedentlich vorgenommenen Änderungen im Aufbau der Staatsrechnung schwierig. Die letzte grundlegende Umgestaltung der bündnerischen Staatsrechnung erfolgte im Zusammenhang mit der Sanierung der Rhätischen Bahn auf den 1. Januar 1942. Wir gehen deshalb im folgenden Vergleich über die Entwicklung der Vermögenslage des Kantons nur bis zum Jahre 1942 zurück.

Die ungedeckte Schuld, d. h. die Gegenüberstellung von Finanzvermögen (realisierbare Aktiven abzüglich Wertberichtigungen) und fremden Mitteln (feste und schwebende Schulden) zeigt den heutigen tatsächlichen Vermögensstand des Kantons. Eine ungedeckte Schuld von 52,4 Millionen oder 882,2 Franken pro Kopf der Bevölkerung muss als hoch angesehen werden, beträgt diese doch pro Kopf der Bevölkerung für Uri 175,1, für Zürich 116,9, für Schwyz 95,7 und für Nidwaiden nur 25,8 Franken, Dabei ist erst noch zu berücksichtigen, dass im Fmanzvermögen des Kantons Graubünden die gesamte ertraglose Bahnbeteiligung von 67,8 Millionen Franken mit dem Nominalwert enthalten ist.

410

Jahr

1942 1943 1944 1,945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952

Passiven

Aktiven Total

178,4

155,9 165,1 157,1 149,7 148,4 146,1 146,9 143,6 143,7 145,7

Total

davon Reserven

208,7 186,7 197,6 190,0 184,3 185,0 185,6 188,2 184,9 183,7 184,1

5,2 3,9 3,7 3,4 4,5 3,4 2,8 1,7 1,6 1,7 0,4

Über schuldung (Massiven -- Aktiven + Reserven)

Staatliche Fonds Rein vermögen

25,1

6,6

26,9 28,8 ' 29,5 30,1 33,2 36,7 39,6 39,7 38,3 38,0

6,6 6,6 5,1 5,2 5,0 4,3 4,3 4,3 4,2 4,5

Überschuldung Ungedeckte inkl. staatl.Fondss Schuld

18,5 20,3

22,2 24,4 24,9 28,2 32,4 85,3 35,4 34,1 33,5

38,5 40,5 42,4 43,5 43,9 47,5 51,2 54,2 54,1 53,4 52,4

Entsprechend dem Anwachsen der ungedeckten Schuld stieg auch die Nettozinslast des Kantons (Passivzinsen inklusive Anleihensspesen abzüglich Aktivzinsen). Zur Bezahlung dieser Nettozinslast muas, wie die folgende Tabelle zeigt, ein wesentlicher Teil der kantonalen Steuereinnahmen von 17,2 Millionen herangezogen werden.

Steuern und Schuldendienst Einkommens- und Kantonale Steuern V ermögenssteuern im ganzen

Zinsendienst Passiv-

Jahr

1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951.

1952

absolut

pro Kopf

absolut

pro Kopf

1000 Fr.

Fr.

1000 Fr.

Fr.

79.10 11131 86.80 10321 80.40 11 371 88.60 11403 88.90 13 052 101.70 11 866 92.50 13 849 108.-- 12 247 95.50 14 410 112.40 13320 97.90 15610 114.70 13 845 101.-- 16009 116.80 14089 102.70 16487 120.20 14354 104.70 17229 125.70 10138

N e1 1 ozi n s1 a s t inkl. Anin % der pro leihens- absolut Kopf Kantonsspesen steuern IT.

1000 Fr. 1000 Fr. 1000 Fr.

%

Aktivzinsen

3570 3516 3487 3310 2764 2786 1) 2874 l) 2562 !)

2590 1)

6348

2778

5900 5856 5696 5716 5882 5976 5605 5569

2384 2369 2386 2952 3096 3102 3043 2979

21.65 18.60 18.45 18.60 23.-- 22.60 22.65 22.20 21.75

25,0 21,0 18,2 17,2 20,5 19,8 19,4 18,5 17,3

1) Inklusive in ein Darlehen III. Range umgewandelte Zinsein auf dem Dar-

lehen I. Ranges an die Rhätische Bahn.

Unter den Passivzinsen kommt den Zinsen aus den im Interesse der Bahn eingegangenen Schulden insofern besondere Bedeutung zu, als die Gewährung langfristiger Darlehen seit Jahren eine der wichtigsten Formen der staatlichen Finanzhilfe an die Rhätische Bahn darstellt. Diese Art der Hilfe beruht aber, im Gegensatz zur Aktienbeteiligung, nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung (kantonales Eisenbahnsubventionsgesetz). Sie ist von Fall zu Fall vom Grossen Rat nicht zuletzt aus der richtigen Überlegung heraus beschlossen worden, dass

411

der Bahn das erforderliehe langfristige Fremdkapitel durch Vermittlung des Kantons zu günstigen Bedingungen beschafft werden könne. Man erhoffte sich dadurch eine bessere Rentabilität der Bahn und eine höhere Verzinsung des staatlichen Aktienbesitzes. Die notwendigen Gelder wurden vom Kanton auf dem Kapitalmarkt aufgenommen und in der Eegel zu den gleichen Bedingungen an die Bahn weitergegeben. Diese Art der Mittelbeschaffung wirkte sich'mit der Verschlechterung der Ertragslage der Bhatiscb.cn Bahn als indirekte Subvention aus, indem die aufgenommenen Gelder vom Kanton verzinst werden mussten, die Bhätische Bahn aber nicht in der Lage war, ihrerseits dem Kanton den Zins zu entrichten, Im Verlaufe der Jahre entwickelten sich die Beteiligungen des Kantons an der Bhätiachen Bahn und die von ihm im Interesse der Bahn eingegangenen Schulden wie folgt : Entwicklung der Bahnbeteiligung und Bahnschulden des Kantons Granbünden von 1897-1952 laut Staatsrechnungen (in Millionen Franken) Jahr

1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924

Beteiligung laut Bilanz 5,0 5,0

6,1 . 7,2 '10,7 30,2 82,7 32,5 32,4 37,8 38,0 39,2 41,6 45,9 52,0 66,4 66,9 66,7 77,2 78,0 78,1 78,1 78,1 89,3 85,3 87,1 86,5 87,3

Eisenbahnschulden

Jahr

Beteiligung laut Bilanz

Eisenbahnschulden

10,0

1925

10,0 10,0 10,0 10,0 31,0 33,4 33,2 33,0 36,8 36,5 40,3 40,1 39,8 49,6 65,4 65,1 64,9 74,6 75,4 75,1 74,8 76,6 77,8 85,7 85,6 85,2 85,2

1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 .1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952

87,2 86,5

84,6 84,1 83,8

86,4 86,2 86,4 86,8 87,0 87,3 88,1 88,8 88,6 92,3 92,7 94,1 96,6 100,2 103,4 57,5 64,5 64,0 64,0 64,5 64,5 64,5 65,0 65,7 66,7 67,8

1 !

83,5 83,6 82,2 82,1 86,8 87,3 87,3 87,2 90,8 89,9 81,6 !)

81,4 85,5 81,0 47,8 54,5 53,9 53,5 53,1 52,6 . 52,2 51,7 51,3 50,8 50,3

L ) Ab 1988 können die reinen Eisenbarmschulden nicht mehr genau ermittelt werden, da sie zum Teil mit Anleihen für andere Zwecke vermischt sind.

412 Der folgenden Übersicht können die bisherigen Leistungen des Kantons Graubünden zugunsten der Rhätischen Bahn entnommen werden, wobei in den Zahlen die Aufwendungen der Gemeinden ebenfalls eingeschlossen sind. Wir haben dabei alle Bar- und Naturalleistungen einschliesslich Steuerfreiheit und sämtliche einfachen Zinsen, nicht aber Zinseszinse und ausgefallene Dividenden berücksichtigt.

Leistungen des Kantons Graubünden einschliesslich Gemeinden an die Rhätischen Bahnen Fr.

Subventionen 2 566 600 Aktien 26780800 Darlehen und Zinsen 93 288 800 . Zinsgarantie 127 600 Naturalleistungen l 367 000 Steuerfreiheit 12 603 100 Stand auf 1.Januar 1942 186678900 Privatbahnhilfeleistungen: Fr Berninabahn, einschliesslich Beitrag Betriebsdefizit für die Jahre 1948-1952 795000 Bellinzona-Mesoccobahn 400 000 Darlehen der Rhätischen Bahnen, III. Rang . . . 3800000 -- 4995000 Andere Leistungen: Übernahme Elektrifikationsdarlehen des Bundes . . 6 957 500 Zinsverluste auf Darlehen II. Banges der Ehätischen Bahnen 1942-1952 2591500 -

9 549 000 151222 900

Abzüglich: Barvergütung an den Kanton Graubünden aus der Privatbahnhilfe einschliesslich Zinsen 36186000 Gesamte bisherige Leistungen, Stand 31. Dezember 1952 . . . 115086900 Diesen Leistungen von rund 115 Millionen Pranken stehen heute noch Aktien im Gesamtbetrage von 23,8 Millionen und Darlehen im Gesamtbetrage von 46,8 Millionen gegenüber, zusammen 70,1 Millionen Franken. Um zu der in der Tabelle auf Seite 31 ausgewiesenen Bahnbeteiligung gemäss der Bilanz; des Kantons Graubündens zu gelangen, müssen von den 70,1 Millionen die Aktienbeteiligung der Gemeinden mit 0,6 Millionen und die Differenz zwischen dem Nominalwert und dem Bilanzwert der Aktien II. Eanges von 1,7 Millionen abgezogen werden. .

413 Es braucht nicht besonders betont zu werden, dass derartige Belastungen aus dem öffentlichen Verkehr für einen finanzschwachen und industriearmen Gebirgskanton besonders schwer wiegen. Der Kanton Graubünden musste denn auch seine Einwohner zu Steuerleistungen heranziehen, die sowohl für das Arbeitseinkommen wie für den Vermögensertrag deutlich über dem Mittel der Kantonshauptorte liegen.

Trotz diesem Willen zur Selbsthilfe, der, verbunden mit einer guten Steuerveranlagung und dem Bestreben um einen sparsamen Staatshaushalt erste Voraussetzung zur Gesundung des Finanzhaushaltes eines öffentlichen Gemeinwesens bildet, schlössen die bündnerischen Staatsrechnungen im Gesatntverkehr (ordentliche und ausserordentliche Verwaltungsrechnung, Vermögensrechnung und staatliche Fonds) von 1987 bis 1949 jedes Jahr mit einem Ausgabenüberschuss ab. In diesem Zeitraum stieg denn auch die ungedeckte Schuld von 88,5 Millionen auf 54,2 Millionen Pranken. Eine Wendung trat erst mit dem Einsetzen des verstärkten interkantonalen Finanzausgleichs ein. Dies wird ohne weiteres verständlich, wenn man bedenkt, dass allein aus dem zusätzlichen direkten Finanzausgleich, wie er nach dem Bundesbeschluss betreffend die Ubergangsordnung des Finanzhaushaltos des Bundes erstmals für die Jahre 1950 und 1951 Geltung hatte, dem Kanton Graubünden rund 2,9 bzw. 3,0 Millionen Franken neu zuflössen, zu denen noch 200 000 Franken aus der Erhöhung des Beitrages an seine internationalen Alpenstrassen gemäss Artikel 80 der Bundesverfassung kommen. Auch im Jahre 1952 belief sich der Beitrag an den Kanton Graubünden aus den für den direkten Finanzausgleich zur Verfügung stehenden Geldern auf rund 8,0 Millionen Franken. Die Gesamtrechnungen für die Jahre 1950-1952 schlössen denn auch mit einem Einnahmenüberschuss von rund 3,1 Millionen Franken ab, der es ermöglichte, die ungedeckte Schuld auf 52,4 Millionen Franken zu senken.

Mit dem verstärkten direkten und indirekten interkantonalen Finanzausgleich gelang es, dem Kanton Graubünden eine seiner grössten Belastungen die Kosten des Baues und des Unterhaltes seines ausgedehnten Strassennetzes, ·weitgehend abzunehmen. Während der Kanton beispielsweise im Jahre 1948 für seine Strassen 6,6 Millionen Franken aufwendete und daran Bundessubventionen von 4,2 Millionen oder 68,6 Prozent erhielt,
stiegen seine entsprechenden Ausgaben 1952 auf 12,1 Millionen und die Bundessubventionen auf 10,7 Millionen oder 88,4 Prozent. Trotzdem seine Strassenausgaben also um 5,5 Millionen stiegen, sank seine effektive Belastung aus dem Strassenwesen um l Million Franken.

Diese eidgenössische Hilfe wird vom Kanton Graubünden dankbar anerkannt. Es darf aber nicht übersehen werden, dass damit dem Kanton wohl die schwerste Belastung aus dem Strassenbau abgenommen wurde, eine wirkliche Gesundung seiner Finanzen aber erst möglich sein wird, wenn ihm auch an seine andere Sonderlast, an diejenige der Ehätischen Bahn, gesamtschweizerische Hilfe gewährt wird. Dass trotz der Entlastung im Strassenwesen der Kanton Bundesblatt. 105. Jahrg. Bd. III.

31

414 finanziell noch ungünstig dasteht, haben wir schon anhand der Vergleiche der ungedeckten Schulden einzelner Kantone dargelegt. Wir wiederholen, dass die ungedeckte Schuld pro Kopf der Bevölkerung in Graubünden 382,2 Franken beträgt, in Uri 175,1, in Zürich 116,9, in Sohwyz 95,7 und in Nidwaiden nur 25,8 Franken. Dabei ist im realisierbaren Finanzvermögen Graubündens die gesamte ertragslose Bahnbeteiligung von 67,8 Millionen Franken mit dem Nominalwert enthalten. "Wollte man den tatsächlichen Verhältnissen Bechnung tragen, so dürfte die Bahnbeteiligung wohl nur mit einem prò-memoria-Wert in der Bilanz aufgeführt werden. Das würde nichts anderes bedeuten, als dass die ungedeckte Schuld des Kantons Graubünden pro Kopf der Bevölkerung noch höher ausgewiesen werden müsste. Kein anderer Kanton befindet sich also in dieser Beziehung in einer auch nur annähernd so schlechten Lage wie der Kanton Graubünden. Dabei ist zu bedenken, dass die Belastung für Graubünden nicht etwa eine buchmässige Angelegenheit darstellt, sondern einen sehr realen Niederschlag in den durch Steuern aufzubringenden Passivzinsen findet. Auf diesem Gebiet drängt sich denn auch die besondere Hufe an Graubünden auf. Man muss sich stets vor Augen halten, dass 1952 im Überschuss der Gesamtrechnung des Kantons von 1,9 Millionen Franken die Zinsen auf dem fest verzinslichen Darlehen I. Banges an die Ehätische Bahn mit 1,05 Millionen Franken enthalten sind. Dieser Zins ist aber von der Bahn weder herausgewirtschaftet noch tatsächlich bezahlt worden. Er wurde vielmehr rein buchmässig an ein Darlehen III. Eanges angerechnet, das der Bund und der Kanton Graubünden der Ehätischen Bahn im Eahmen der Novelle zum Privatbahnhilfegesetz vom 6, April 1939 zur Anschaffung von 6 Lokomotiven gewährt haben. Zum Ausgleich der Gewinn- und Verlustrechnung müsste die Bahn 1951 1,3 Millionen und 1952 rund 0,7 Millionen Franken der Bau- und Betriebsreserve entnehmen, die dadurch Ende 1952 auf rund 840 000 Franken gesunken ist. In kurzer Zeit wird also die Bahn nicht mehr in der Lage sein, ihre Gewinn- und Verlustrechnung auszugleichen, wenn die nicht herausgewirtschafteten Zinsen auf dem Darlehen I. B-anges in Bechnung gestellt werden. Anderseits wird der Kanton seinen Geldgebern den Zins auf den für die Bhätische Bahn aufgenommenen Geldern weiterhin
bezahlen müssen.

Wenn eine auf die besondern Verhältnisse im Kanton Graubünden abgestimmte und den Bund und damit die andern Kantone nicht ungebührlich belastende Hilfsaktion ins Auge gefasst werden soll, so muss diesen Überlegungen Bechnung getragen werden.

IX. Die Bundeshuîe Eine Hilfe, die den Kanton von den Zinslasten aus seiner Beteiligung an der Ehätischen Bahn befreit und die Bahn davon enthebt, nicht herausgewirtschaftete Zinsen aus der Substanz zu bezahlen, lässt sich grundsätzlich auf zwei · verschiedenen Wegen verwirklichen.

415 1. Der Bund kann für einen Teil des Darlehenskapitals als Gläubiger an die Stelle des Kantons treten. Das könnte entweder durch eine Barabfindung oder durch Übergabe von Bundestiteln geschehen, mit denen der Kanton Schulden abtragen würde. Der Bund könnte aber auch für den gleichen Betrag, für den er Darlehensgläubiger der Ehatischen Bahn wird, Schulden des Kantons direkt übernehmen.

2. Der Bund kann auf der Darlehensschuld der Bhätischen Bahn eine Zinsausfallgarantie übernehmen. Damit würde der Überlegung Bechnung getragen, dass nicht die Beteiligungen an der Ehatischen Bahn an sich auf dem kantonalen Finanzhaushalt lasten, sondern deren Ertragslosigkeit.

Die Leistungen des Bundes, die jährlich in die Eidgenössische Staatsrechnung aufzunehmen wären, würden um die von der Bahn allenfalls herausgewirtschafteten Zinsen vermindert.

Bei beiden Varianten müssten, wenn sie eine Hilfe an die Bahn selbst bedeuten sollen, die Zinsen auf dem Darlehen I. Banges ebenfalls vom Betriebsergebnis abhängig gemacht werden. Die gesamten, nicht herausgewirtschafteten Zinsen brauchten also in Zukunft weder aus der Substanz bezahlt noch unter den Passiven der Bilanz der Bhätischen Bahn eingestellt zu werden, Bei einer Zinsausfallgarantie müsste das Ausmass der Bundeshilfe an den Kanton Graubünden alljährlich in der Eidgenössischen Staatsrechnung sowie in der Bechnung des Kantons Graubünden als Subvention eingestellt werden.

Wir möchten jedoch einer Lösung den Vorzug geben, bei der der Kanton durch die Abwicklung des Geschäftes nicht mehr direkt berührt wird. Dies ist bei einer Ablösung kantonaler Schulden durch den Bund der Fall. Dem Bund erwächst daraus auch ein finanzieller Vorteil, indem ilim die erforderlichen Gelder zu einem günstigeren Zinsfuss zur Verfügung stehen als dem Kanton Graubünden.

Bei der neuen Bundeshilfe kann das Darlehen III. Banges des Kantons nicht berücksichtigt werden, da es, wie bereits dargelegt, aus nicht bezahlten Zinsen des Darlehens I. Banges gebildet wurde. Dieser ungewöhnliche und nur durch eine weitherzige Interpretation des Privatbahnhilfegesetzes mögliche Weg müsste gewählt werden, um der Bahn ohne den Einsatz neuer kantonaler Mittel auf Grund des Privatbahnhilfegesetzes durch den Bund 5 Millionen Franken zum Ankauf neuer Lokomotiven zur Verfügung stellen zu können. Es besteht
demnach keine Veranlassung, das Darlehen III. Eanges des Kantons in die Hilfsaktion einzubeziehen. Der Kauton wird vielmehr in der zwischen ihm und dem Bund abzuschliessenden Vereinbarung über die Durchführung der Bundeshilfe auf die Geltendmachung dieses Darlehens verzichten müssen. Es bleiben somit noch rund 43 Millionen Franken, für welchen Betrag wir Ihnen beantragen, der Bund habe im Sinne eines Aktes eidgenössischer Solidarität den Kanton Graubünden von einem Teil seiner Bahnschulden zu befreien und gleichzeitig im gleichen Umfange als Darlehensgläubiger gegenüber der Ehatischen Bahn an die Stelle des Kantons Graubünden zu treten. Nach der Zusammensetzung der abzulösenden kantonalen Schulden würde dies dem Kanton Graubünden

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eine jährliche Entlastung von rund 1,4 Millionen Franken bringen. Durch die Umwandlung des bisher fest verzinslichen Darlehens I. Ranges in ein solches mit variablem Zinsfuss wird die Bahn ihrerseits ihre Eechnung um jährlich höchstens 1,05 Millionen Franken entlasten können.

Deshalb schlagen \vir Ihnen vor: 1. Der Kanton Graubünden tritt dem Bund für den Betrag von rund 43 Millionen Franken seine Darlehen I. und II. Banges an die Bhätische Bahn ab.

2. Der Bund verpflichtet sich, den Kanton Graubünden mit dem gleichen Betrag von Schulden gegenüber Dritten zu befreien, 8. Der Bund wandelt das zu 8% Prozent festverzinsliche Darlehen I. Ranges, das variabel verzinsliche Darlehen II. Banges und das variabel verzinsliche bisherige Darlehen des Bundes III. Banges in ein einheitlich variabel verzinsliches Darlehen mit einem Maximalzinsfuss von 3 Prozent um.

Die Eidgenössische Expertenkommission für Eisenbahn-Eückkaufsfragen kam in ihrem Bericht vom 10. Mai 1952 ebenfalls zum Schluss, dass der Bund dem Kanton Graubünden im Sinne einer Übergangsmassnahme rund 43 Millionen Franken zur Verfügung stellen solle gegen Abtretung der hypothekarisch sichergestellten Guthaben an die Bhätische Bahn im nämlichen Betrage.

Wir glauben, mit der vorstehenden Botschaft dargelegt zu haben, dass den besondern Verhältnissen des Kantons Graubünden durch eine gesamtschweizerische Aktion Rechnung getragen werden sollte. Durch die Befreiung des Kantons von Schulden im Betrag von rund 43 Millionen Pranken und durch die Umwandlung des fest verzinslichen Darlehens I. Ranges an die Rhätische Bahn in ein solches mit variablem Zinsfuss dürfte diesen besondern Verhaltnissen des Kantons Graubunden und der Ehätischen Bahn im Rahmen der heute gegebenen Möglichkeiten und Bedürfnisse in ausreichendem Masse Rechnung getragen werden. Der Kanton weist in den letzten drei Jahren bereits einen aktiven Abschluss der Staatsrechnung auf. Durch die Einsparung von rund 1,4 Millionen Franken Passivzinsen, denen bis jetzt nur 1,05 Millionen Franken Aktivzinsen aus dem Darlehen I. Ranges an die Rhätische Bahn gegenüberstanden, wird sich seine finanzielle Lage weiter verbessern.

Die Bahn ihrerseits wird nach unseren Vorschlägen in Zukunft mit einem Aktienkapital von rund 38 Millionen Franken und einem variabel verzinslichen Fremdkapital von rund 48
Millionen Franken (43+5 Millionen) arbeiten können.

Da damit praktisch die Verzinsung des gesamten Kapitals vom Betriebsergebnis abhängig gemacht wird, halten wir dafür, dass bei einem weiteren günstigen Verlauf der Wirtschaftslage und des Fremdenverkehrs der Kanton Graubünden und die Rhätische Bahn mit einiger Zuversicht in die Zukunft blicken dürfen.

Sollte später doch noch einmal an eine Übernahme der Bahn durch den Bund gedacht werden müssen, so wären die neuen Mittel des Bundes von 43 Millionen sowie die bis Ende 1952 zur Verfügung gestellten und auf einen spätem 'Übernahmepreis als anrechenbar erklärten 36,5 Millionen voll in Rechnung zu stellen.

417

Damit würden die bei einem Erwerb der Rhätischen Bahn durch den Blind anrechenbaren Vorleistungen 79,5 Millionen betragen.

Wir empfehlen Ihnen, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss gutzuheissen, und benützen die Gelegenheit, Sie aufs neue unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 23. Oktober 1958.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter Der Bundeskanzler: Ch. Oser

418

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

eine finanzielle Hilfe an den Kanton Graubünden und die Rhätische Bahn

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 26 der Bundesverfassung und nach Einsicht in eine Botschaft des Bundegrates vom 23. Oktober 195S, beschliesst:

Art. l Der Bundesrat wird ermächtigt, dem Kanton Graubünden gegen Abtretung seiner im I. und II. Bang pfandgesicherten Forderungen gegenüber der Bhätischen Bahn den Betrag von 42 957 506 Franken, Wert 1. Januar 1.954., zu vergüten, wobei mit den Forderungen sämtliche Vorzugs- und Nebenrechte auf den Bund übergehen.

Art. 2 Die in Artikel l erwähnten Darlehen sind mit dem bisherigen Darlehen III. Banges des Bundes an die Bhätische Bahn mil; Wirkung ab 1. Januar 1954 in ein einheitliches Darlehen von 47 957 506 Franken zusammenzulegen und im eidgenössischen Eisenbahnpfandbuche im I. Eang einzutragen. Der Zinsfuss ist variabel und nicht kumulativ; er beträgt maximal 3 Prozent.

Art. 3 Eine Vereinbarung zwischen dem Bund, dem Kanton Graubanden und der Bb.atisch.en Bahn setzt die Modalitäten einer Ablösung von Verpflichtungen des Kantons im Ausmasse der Bundesleistung geniäss Artikel l fest; sie bestimmt auch die weitern Bedingungen, deren Erfüllung für die Wahrung der Interessen des Bundes und zur Konsolidierung der Finanzlage der Ehätischen Bahn verlangt werden muss.

419 Art. 4

Mit diesem Beschluss wird das Bundesgesetz betreffend Gewährung von Subsidien an Alpenbannen vom 22. August 1878 aufgehoben.

Art. 5 Dieser Beschluss ist gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

Der Bundesrat ist mit seinem Vollzug beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über eine finanzielle Hilfe an den Kanton Graubünden und die Rhätische Bahn (Vom 23. Oktober 1953)

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05.11.1953

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