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Schweizerisches Bundesblatt.

35. Jahrgang. IV.

Nr. 66.

29. Dezember 1883.

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Bundesgesetz über

das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften.

(Vom 21. Dezember 1883.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 6. März 1883, beschließt: Art. 1. Die Rechnungen und Bilanzen sämmtlicher Eisenbahngesellschaften, welche ihren Gesellschaftssitz in der Schweiz haben, sind nach den Vorschriften des Obligationenrechtes aufzustellen, soweit das vorliegende Gesetz nicht besondere, davon abweichende Bestimmungen enthält.

Art. 2. Unter den Aktiven der Bilanz einer Eisenbahngesellschaft dürfen alle Kosten verrechnet werden, welche für den Bau oder den Erwerb der Bahn und die Beschaffung des Betriebsmateriales verwendet worden sind.

Wird eine Bahn durch Vertrag von einer andern Gesellschaft um einen Preis erworben, welcher geringer ist, als der bisherige Bilanzwerth, so darf der neue Bilanzwerth nicht mehr als den Kaufpreis betragen ; ist hingegen der Kaufpreis höher, so darf der Ansatz der alten Bilanz nicht überschritten werden.

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1020 Organisations-, Verwaltungskosten und Zinse, welche während des Baues einer Hahn ira Interesse, der Erstellung und der Einrichtung derselben erlaufen sind, werden den Anlagekosten gleichgehalten. Unter jene dürfen aber Geldbeschaffungskosten nicht gerechnet werden.

Art. 3. Nach Eröffnung des Betriebs dürfen die Kosten für Ergänzung»- und Neuanlagen oder für Anschaffung von Betriebsmaterial den Aktiven der Bilanz nur beigefügt werden, wenn dadurch eine Vermehrung oder wesentliche Verbesserung der bestehenden Anlagen im Interesse des Betriebs erzielt wird.

Die Unterhaltung der bestehenden und der Ersatz abgegangener Anlagen und Einrichtungen sind aus den jährliehen Einnahmen oder allfällig für diese Zwecke bestehenden besondern Fonds zu bestreiten. Immerhin können die, Gesellschaften mit Bewilligung des Bundesrathes Kosten, welche einen ausnahmsweisen Charakter haben, auf mehrere Jahre vertheilen Die Einlagen in die Reserve- und Erneuerungsfonds sind aus den Einnahmeüberschüssen zu bestreiten, und es ist deren Betrag in den Statuten festzusetzen.

Art. 4. Die Posten, welche nach Vorschrift von Art. 2 aus der Bilanz entfernt werden müssen, sind ans den jährlichen Einnahmeüberschüssen zu ersetzen.

Der Bundesrath wird nach Einholung eines Amortisationsplanes der Gesellschaft die zu ersetzende Gesammtsumme festsetzen und bestimmen, iu welcher Frist und in welchen Beträgen der Ersatz zu geschehen hat.

Die Kursverluste auf noch nicht zurückbezahlten Anleihen sind während der Anleihensdau zu ersetzen, wobei auf die bereits abgelaufene Zeit Rücksicht zu nehmen ist.

Für die übrigen Posten werden die Fristen durch den Bundesrath festgesetzt.

Die Amortisation der bisherigen Emissionsverluste auf Aktien wird nicht vorgeschrieben.

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Art. 5. Die jährlichen Rechnungen und Bilanzen sind vor der Generalversammlung der Aktionäre dem Bundesrathe vorzulegen, welcher zu prüfen hat, ob sie mit den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes und den Statuten der Gesellschaft in Uebereinstimmuug stehen. Zu diesem Zwecke kann der Bundesrath von der gesammtcm Geschäftsführung der Gesellschaften Einsicht nehmen und alle sousst nöthigen Erhebungen machen.

Wenn der Bundesrath findet, daß eine Bilanz mit den Bestimmungen des Gesetzes nicht in Ueberoinstiinmuug steht, und wenn die Gesellschaft die von ihm verlangten Abänderungen oder die von demselben auf Grund des Art. 4 getroffenen Anordnungen nicht anerkennt, so kann der Bundesrath binnen dreißig Tagen nach der Mittheilung der Schlußnahme der Generalversammlung die Streitfrage an das Bundesgericht bringen, welches endgültig enlscheiden wird.

Die erhobenen Einsprachen sind nach dem für die staatsrechtlichen Streitigkeiten vorgeschriebenen Verfahren zu behandeln.

Jede Dividendenzahlung unterbleibt bis nach Ablauf der oben angesetzten Frist von dreißig Tagen und, falls Beschwerde eingelegt würde, bis zum Entscheide des Bundesgerichtes.

Art. 6. In Abweichung von den Vorschriften dos Obligationenrechtes bleiben die Rechte, welche dem Bunde und den Kantonen in Betreff der Stimm berechtigung und der Verwaltung gegenüber einzelnen Eisenbahngesellschafteu zurzeit zustehen, gewahrt, und es haben auch in Zukunft die Bundesbehörden die Befugniß, derartige Verhältnisse durch die Konzessionen oder bei der Prüfung der Statuten oder der Verträge zu ordnen oder zu genehmigen.

Uebergangsbestimmungen.

1. Der Bundesrath wird unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Gesetzes mit den Verwaltungen der Bahngesellschafteu

1022 in Unterhandlung treten, um auf dem Wege gütlicher Verständigung den Gesammtbetr der Kosten zu ermitteln, welche nach Art. 2 unter den Aktiven der Bilanz verrechnet werden dürfen.

2. Kann die im vorhergehenden Artikel vorgesehene Verständigung nicht erzielt werden, so trifft das Bundesgericht gemäß den Vorschriften des Obligationenrechtes und des vorliegenden Gesetzes die Entscheidung.

3. Die Bestimmungen der Konzessionen über die schiedsgerichtliche Feststellung der Anlagekosten im Falle des Rückkaufes bleiben gewahrt, 4. Die Statuten der Bahngesellschaften sind bis 1. Januar 1885 mit den Vorschriften dieses Gesetzes in Uebereinstim mung zu bringen. Auf diesen Zeitpunkt werden auch die Bestimmungen des Obligationenrechtes betreffend die Verantwortlichkeit (Art. 671--675) für die Eisenbahngesell schaften anwendbar.

5. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Nationalrathe, e r n , den 21. Dezember 1883.

Der Präsident : Dr. S. Kaiser.

Der Protokollführer : Ringier Also beschlossen A'om Ständerathe, B e r n , den 21. Dezember 1883.

Der Präsident : Hauser.

Der Protokollführer : Schatzmann

1023 Der schweizerische Bundesrath beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesetzes in das Bundesblatt.

B e r n , den 28. Dezember 1883.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: L. Ruchonnet Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Bingier.

N o t e . Datum der Publikation: 29. Dezember 1883.

Ablauf der Einspruchsfrist : 28. März 1884.

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Bundesgesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften. (Vom 21. Dezember 1883.)

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29.12.1883

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