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Bericht der

für Untersuchung der Finanzlage der Garantiestädte für das Nationalbahn-Anleihen von 9 Millionen ernannten Experten-Kommission an den hohen Bundesrath.

(Vom 15. Oktober 1883.)

Herr Bundespräsident, Herren Bundesrathe!

Mit Schreiben vom 1.. März 1883 haben Sie den U n t e r s u c h u n g d e r F i n a n z l a g e d e r vierGarantiestädtedte des N a t i o n a l b a h n a n l e i h e n s (W i n t e r t h u r, B a d e n , L e n z b u r g und Z o f i n g e n ) ernannt haben.

Nachdem die Unterzeichneten die Annahme der ihnen übertragenen Mission erklärt hatten, unter dem Vorbehalt, daß ihnen der Gegenstand und der Umfang derselben möglichst genau präzisirt werde, haben Sie unterm 23. März 1883, nach einer inzwischen stattgefundenen Besprechung, eine Instruktion erlassen folgenden wörtlichen Inhalts: Die Aufgabe der Experten hat die Untersuchung folgender Punkte zum Gegenstand :

Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. IV.

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242 A. V e r m ö g e n s s t a n d der G a r a n t i e g e m e i n d e n als juristische Personen.

1) Wie hoch beläuft sich das Gesammtvermögen der einzelnen Einwohnergemeinden?

a. An Gebäulichkeiten und sonstigem Grundbesitz?

Was ist hievon als öffentlichen Zwecken dienend und zur Schuldentilgung unantastbar abzuschreiben?

b. An Kapitalien, Nutznießungen, Beweglichkeiten etc. ?

Befinden sich hierunter Spezialfonds oder besondere Stiftungen, welche ausgeschieden werden müssen? wenn ja, welche, und wie groß ist deren Betrag?

2) Wie groß ist die allfällige Schuldenlast der einzelnen Einwohnergemeinden exklusive Nationalbahnschuld, und welches sind die hiefür erforderlichen jährlichen Leistungen?

3) Wie groß wäre zur Zeit das Defizit der einzelnen Einwohnergetneinden im Falle einer Liquidation?

4) In welcher Rangordnung müßten die Ansprüche der Nationalbahn angewiesen werden und welche Forderungen hätten Vorrang ?

B. Steuer k r a f t der A n g e h ö r i g e n der e i n z e l n e n E i n w o h n e r g e m e i n d e n.

a. Nach gegenwärtigem Steuerfuß.

1) Wie hoch beläuft sich das steuerpflichtige Gesammtvermögen der Einwohner und wie setzt sich dasselbe zusammen ?

2) Wie groß ist das steuerbare (Erwerbs-) Einkommen und wie wird dasselbe berechnet?

b. Nach Mitgabe einer zuläßigen Erhöhung und unter Berücksichtigung der Staatssteuer.

3) Wie gestaltet sich das Verhältniß der dermaligen Schätzung (Werthung) des Grundbesitzes zum reellen Werth desselben, resp. zu den laufenden Marktpreisen; eventuell: erscheint eine Erhöhung oder Verminderung dieser Schätzungen gerechtfertigt? wenn ja, in welchem Umfange ?

4) Wie verhält sich die Bemessung des steuerpflichtigen Einkommens zu den bestehenden Erwerbsverhältnissen?

eventuell : wäre eine Erhöhung dieses Steuerkapitals gerechtfertigt? wenn ja, in welchem Belaufe?

243 5) Wie viel betragen im Durchschnitt die für den ordentlichen Gemeindehaushalt erforderlichen, beziehungsweise in den letzten fünf Jahren verrechneten Ausgaben?

6) Stehen für die nächste Zeit außerordentliche Ausgaben in Aussicht? wenn ja, welche, und wie verhält es sich hinsichtlich deren Notwendigkeit ?

7) Lassen sich vielleicht im Gemeindehaushalt ohne Benachtheiligung öffentlicher Interessen Ersparnisse erzielen?

wenn ja, in welchem Belange?

C. U n t e r s u c h u n g der V e r h ä l t n i s s e der B ü r g e r gemeinden nach gleichem Programm wie für die Binwohnergerneinden.

D. V e r g l e i c h u n g der F a k t o r e n A und B.

1) Zwischen den einzelnen Gemeinden.

2) Gegenüber der Haftpflicht der einzelnen Gemeinden für die Nationalbahn.

3) Hinsichtlich des daherigen Verhältnisses zwischen den Kantonen Aargau und Zürich.

4) Hinsichtlich der Gemeinden anderer schweizerischer Kantone.

E. U n t e r s u c h u n g der Frage der e v e n t u e l l e n Ina n s p r u c h n a h m e d e r B ü r g e r g e m e i n d e n u n d der resp. K a n t o n e .

1) In Bezug auf rechtliche Verpflichtung oder Zuläßigkeit.

2) In Bezug auf das Maß, in Prozenten der von den Einwohnergemeinden eingegangenen Verbindlichkeiten.

F. E r w ä g u n g u n d B e r ü c k s i c h t i g u n g a n d e r w e i t i g e r F a k t o r e n , die zur L ö s u n g d e r A u f g a b e geeigne t erscheinen.

G. S c h l u ß f o l g e r u n g e n und A n t r ä g e h i n s i c h t l i c h eines eventuellen F i n a n z p l a n e s zur Liquidation der Gesammtschuld.

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Durch diese Instruktion wurde die Aufgabe der Kommission zu einer so umfangreichen gestaltet, daß sie nur durch eine einläßliche Untersuchung der einschlagenden Verhältnisse der betreffenden Kautone und Gemeinden gelöst werden konnte. Die Kommissionsmitglieder mußten sich zu diesem Zwecke persönlich in die Garantiestädte begeben, um an Ort und Stelle selbst die nothwendigen Erhebungen zu machen und das Material zu sammeln.

Vorerst setzten sie sich mit den Kantonsregierungen in Verbindung und verschafften sich in persönlichen Konferenzen mit denselben Aufschlüsse und das auf die Gemeinde- und Steuergesetzgebung der betreffenden Kantone Bezug habende Material. Ihre Untersuchungen begann die Kommission in Winterthur und setzte sie fort in Baden, Lenzburg und Zofingen. Ueberall fand sie das für die Lösung ihrer Aufgabe wünschbare Entgegenkommen, was übrigens den Gemeindebehörden von den Regierungen anempfohlen worden war. Daß die Zulassung der Untersuchung ihrer Verhältnisse nicht als Anerkennung irgend welcher Mitverpflichtung bei der Garantieschuld der Einwohnergemeinden ausgelegt werden könne, dafür sorgten die aargauischen Ortsbürgergemeinden durch Einlegung entsprechender Verwahrungen, von denen später noch die Rede sein wird.

Der Aufenthalt in den Garantiestädten konnte natürlich nicht den Zweck haben, jeweilen zu einem abschließlichen Resultate, zu einem fertigen Berichte zu gelangen, sondern er konnte nur dazu dienen, durch Einsichtnahme der Protokolle, Register, Rechnungen, überhaupt durch Prüfung der gesammten Administration, Einziehung von Berichten, Beaugenscheinigung von Vermögens- und Steuerobjekten u. s. w. das nothwendige Material zu sammeln und solches dann zu Hause einzeln sowohl als in einer größern Zahl von Kommissionssitzungen zu verarbeiten.

Daß die Untersuchung sich so lange hinauszog und die Berichterstattung erst jetzt erfolgen kann, liegt im Umfange und in der Schwierigkeit der Aufgabe, indem es den Experten, abgesehen von der Weitschichtigkeit des Materials, nicht leicht geworden ist, sich in fremde Steuer- und Gemeindegesetzgebungeu, sowie in die Details der ihr bis jetzt ebenfalls fremden Gemeindeadministrationen einzuarbeiten.

245 Ohne daß es, streng genommen, von der ihr zur Richtschnur dienenden Instruktion gefordert wurde, hält die Kommission für das richtige Verständniß ihres Berichtes doch für noth wendig, demselben einen kurzen historischen Ueberblick über die Entstehung und Entwicklung der sie beschäftigenden Angelegenheit, die Nationalbahn und ihre Folgen, vorauszuschicken.

Die Konzessionen der Linien der später Nationalbahn genannten Eisenbahn wurden ursprünglich an zwei verschiedene Gesellschaften ertheilt, von denen jede ihren eigenen Bestand und ein gesondertes Aktienkapital hatte, nämlich: Die Gesellschaft der Linie Winterthur-Singen-Kreuzlingen und die Gesellschaft der Linie Winterthur-Zofingen.

Allein schon während des Baues, d. h. vor der Betriebseröffnung, fusionirten sich die zwei Gesellschaften. Nach dem im Jahre 1875 abgeschlossenen Fusionsvertrage repräsentirte die Sektion Winterthur-Singen-Kreuzlingen (Ostsektion) ein beigebrachtes Aktienkapital von Fr. 6,300,000 und die Sektion Winterthur-Zofingeu (Westsektion) ein solches von ,, 8,000,000 Zusammen Fr. 14,300,000 In Wirklichkeit aber betrug das von der Ostsektion beigebrachte Kapital Fr. 6,396,000 und dasjenige der Westsektion ^ 8,075,569 Zusammen

Fr. 14,471,569

In der Folge wurden die beiden Eisenbahnstücke mit Anleihen belastet : A. Ostsektion: a. Hypothekaranleihen I. Ranges von .

. Fr. 5,000,000 b. Hypothekaranleihen II. Ranges von .

. ,, 2,200,000 B. Westsektion : a. Anleihen von ,, 9,000,000 mit erster Hypothek auf der Bahn, solidarisch garantirt durch die Einwohnergemeinden Winterthur, Baden, Lenzburg und Zoflngen, rückzahlbar auf 1. Mai 1895, Zins zu 5 °/o, zahlbar jährlich auf 1. Mai; b. Anleihen von Fr. 1,200,000 in zweiter Hypothek, als Garantie dienend für die Zeichner eines Supplementaranleihens von Fr. 2,000,000, wovon Fr. 1,200,000 für das Oststück und Fr. 800,000 für das Weststück bestimmt waren.

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Der K a n t o n Z ü r i c h als Kanton hat an dem Bau der Nationalbahn in folgendem Maße theilgenommen : Für die Strecke Winterthur-Singen-Kreuzlingen Fr. 1,506,000 ,, ,, ,, Winterthur-Zofingen .

. ,, 1,835,500 oder Fr. 50,000 per Kilometer, alles in Anwendung eines Gesetzes vom 14. April 1872.

Der K a n t o n A a r g a u hat an die Linie Winterthur-Zofingen beigetragen durch Zeichnung einer Gründungsaktie von Fr. 1000.

Die G e m e i n d e W i n t e r t h u r figurirt bei dem Unternehmen mit einer Betheiligung an Aktien, Obligationen und Garantieverpflichtungen von Fr. 8,026,000 Die G e m e i n d e Z o f i n g e n mit .

.

.

. ,, 4,120,000 ,, ,, B a d e n mit .

.

.

. ,, 2,028,000 ,, ,, Lenz bürg . ,, 2,028,000 Von P r i v a t e n wurden gezeichnet : In W i n t e r t h u r : Aktien des Theilstücks Winterthur-Singen-Kreuzlingen für Aktien Winterthur-Zofingen Obligationen I. Hypothek, Winterthur-Singen-Kreuzlingen Betheiligung am Supplementaranleihen

Fr. 267,500 ,, 32,500 ,, 250,000 ,, 59,000

Total Fr. 609,000 In Zofingen: Aktien der Strecke Winterthur-Zofingen im Betrage von Fr. 148,000 In B a d e n und L e n z b u r g scheint die Finanzbetheiligung von Privaten nicht bedeutend gewesen zu sein.

Was speziell das 9 Millionen-Anleihen und dessen Entstehung betrifft, so hatte im Zeitpunkt der Fusion, d. h. im Februar 1875, die damalige Gesellschaft Winterthur-Zofingen mit der Eidg. Bank in Bern und der Bank in Winterthur einen Vertrag abgeschlossen zur Beschaffung der zur Vollendung ihrer Linie erforderlichen Geldmittel auf dem Wege eines Anleihens. Die aufzunehmende Summe sollte 9 Millionen betragen und versichert werden : 1) durch Hypothek I. Ranges auf die Bahn und Zubehörden ; 2) durch solidarische Garantie der vier Städte Winterthur, Baden, Lenz bürg und Zofingen, sowohl für Kapital als Zinsen.

247 Diese Garantieverpflichtung wurde von der politischen Gemeinde Winterthur und den Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen beschlossen im August und September 1874 und gleichzeitig repartirten sie unter sich für den Fall, daß sie in die Lage kommen sollten, Zahlung leisten zu müssen, die Einstandspflicht folgendermaßen: Winterthur sieben Achtzehntheile, Zofingen fünf ,, Baden drei ,, Lenzburg drei ,, Die Garantieverpflichtung wurde in den aargauischen Gemeinden nicht ohne Opposition beschlossen, so in Ijenzburg mit 135 gegen 108 Stimmen, in Baden mit 203 gegen 161 Stimmen und in Zofingen mit 389 gegen 32 Stimmen.

Von den Minderheiten wurde in allen drei Gemeinden gegen die Garantiebeschlüsse Rekurs an die Oberbehörde ergriffen, jedoch erfolglos, indem die Rekurse von Baden, Lenzburg und Zofingen von der Direktion des Innern erst- und vom Regierungsrath oberinstanzlich abgewiesen wurden.

Auf die in den Rekursentscheiden zur Anwendung gekommenen Motive, sowie auf die Gründe, warum der Garantiebeschluß in Winterthur nicht rekurrirt wurde, werden wir später zu sprechen kommen.

Nachdem die vier Garantiegemeinden im Februar 1875 ferner beschlossen hatten, daß ihre gegenüber der Gesellschaft Winterthur-Zotingen übernommene Verpflichtung zu Gunsten der fusionirten Gesellschaft fortbestehen solle, erfolgte die Emission des Anleihens in zwei Serien. Die erste im Betrage von Fr. 5,000,000, wurde zur Subskription aufgelegt am 26. und 27. April 1875, zum Kurse von 99 %, jedoch mit ungenügendem Erfolg. Es betrugen nämlich die Subskriptionen der Privaten blos .

. Fr. 2,291,500 so daß zui- Kompletirung genommen werden mußten: Von der Gemeinde Winterthur .

.

.

. F r . 800,000 ,, ,, Ortsbürgergemeinde Zofingen ,, 350,000 ,, verschiedenen Unternehmern und Lieferanten der Linie ,, 532,000 wozu noch kommen Fr. 1,000,000 welche von den mit der Emission beauftragten Banken im Anleihensvertrag fest übernommen worden waren, jedoch zum Kurse von nur 97 °/o.

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Die zweite Anleihensserie von Fr. 4,000,000 wurde im Laufe des Jahres 1877 zum Kurse von 92 °/o emittirt. Die Privatzeichnungen betrugen aber blos Fr. 800,000 Wieder traten Winterthur und Zofingen ein, indem von dem ungezeichneten Rest übernahmen : Die Gemeinde Winterthur Fr. 1,900,000 und die Ortsbürgergemeinde Zofingen ,, 1,300,000 Diese zwei letzten Zeichnungen fanden zum reduzirteu Kurse von 90 °/o statt.

Auf diese Weise gelangte die Gemeinde Winterthur in den Besitz von Obligationen vom 9 Millionen-Anleihen im Betrage von Fr. 2,700,000 und die Ortsbürgergemeinde Zofingen von Fr. 1,650,000.

Später hat Winterthur seinen Obligationenbesitz vermehrt bis auf die Summe von Fr. 3,487,500, entsprechend der ihm vom 9 Millionen-Anleihen auffallenden Garantiequote, dann aber die Obligationen dem Eisenbahndepartement zur Annullirung vorgelegt, welche Annullirung laut Erklärung des Pfandbuchführers des schweizerischen Eisenbahndepartements vom i. Juni 1881 wirklich erfolgt ist. Damit hat die Gemeinde Winterthur ihren Antheil an dem 9 Millionen-Anleihen, das in Folge der eingetretenen Zwangsliquidation der Nationalbahngesellsehat't für die vier Gemeinden aus einer bloßen Garantie zur wirklichen Schuld geworden war, getilgt.

Die Ortsbürgergemeinde Zofingen dagegen verkaufte im Laufe des Jahres 1880 ihre Obligationen und zwar unter dem Emissionskurse.

Wir haben soeben die Zwangsliquidation der National bahn erwähnt. Dieselbe ist im Frühjahr 1878 verfügt und im März 1881 beendigt worden.

In dieser Liquidation wurde von dem Obligationenkapital des 9 Millionen-Anleihens, das nach Abzug von Fr. 32,500 kassirten Titeln und der im Besitze Winterthurs gewesenen annullirten Obligationen noch betrug .

.

.

.

.

. F r . 5,480,139 gedeckt 8,2 % oder ,, 449,371 Blieben ungedeckt Fr. 5,030,768 eine Summe, welche laut der zwischen den Gemeinden bestehenden Uebereinkunft von Baden, Lenzburg und Zofingen zu verzinsen und auf den Verfallstag zu bezahlen war, für welche Winterthur aber solidarisch mithaftete. An letztere Gemeinde einzig nun hielten sich die Obligationsgläubiger schon während des Laufes der Liquidation der Nationalbahn für die fälligen Jahreszinse, und es wurde Winterthur infolge Betreibung genöthigt, die Coupons pro 1878 und

249 1879 und später auch pro 1880 und 1881 einzulösen. Dieses einseitige Vorgehen gegen Winterthur erklärt sich aus der Verschiedenheit der zürcherischen und aargauischen Gesetzgebung, indem die erstere es zuließ, daß Winterthur schon während des Laufes der Liquidation der Nationalbahn für die verfallenen Coupons belangt werden konnte, ein solches Vorgehen gegen die aargauischen Gemeinden aber erst nach Beendigung der Liquidation statthaft war. Auf diese Weise wurde Winterthur in die Lage versetzt, für die andern Gemeinden successive eine Summe bezahlen zu müssen, welche nach Abzug einer den Garantiegemeinden aus einem Abkommen mit der Nordostbahn , als Ersteigerer der Nationalbahn, zugeflossenen Summe circa Fr. 525,000 beträgt. Zudem steht Winterthur gegenwärtig für die pro 1882 und 1883 verfallenen Coupons in Betreibung, die bereits in ein sehr kritisches Stadium vorgerückt ist. Jene Leistungen sind der ohnedies für die eigenen Verpflichtungen in bedrängter finanzieller Lage befindlichen Gemeinde Winterthur nur möglich geworden durch die Mithülfe der Regierung von Zürich sowohl als namentlich einer Anzahl Bürger, die durch Steuervorschüsse und durch Bildung eines Kreditvereins in Zeiten der höchsten Noth der Gemeinde unter die Arme griffen und sie mehrmals in den Stand setzten, das Aeußerste vom Gemeinwesen abzuwenden. Die Versuche und Anstrengungen von Winterthur, die aargauischen Gemeinden zu veranlaßen, die Coupons auf Verfall einzulösen oder ihr die eingelösten Coupons zu vergüten, hatten trotz vieler Korrespondenzen und Konferenzen und trotz mehrmaliger thätiger Mitwirkung der beiden Kantonsregierungen keinen Erfolg. Es sah sich deshalb derStadtrath von Winterthur veranlaßt, Ende Jahres 1878 zu beschließen, gegen die aargauischen Garantiestädte die Klage auf Erfüllung der eingegangenen vertraglichen Garantieverpflichtungen bei den aargauischen Gerichten anhängig zu machen. Bezüglich des Ganges und Resultates der hieraus entstandenen Prozesse genügt es, wenn einer derselben, derjenige gegen die Gemeinde Lenzburg, skizzirt wird. In diesem Prozesse, welcher am 5. Mai 1880 vor Bezirksgericht Lenzburg zur Beurtheilung gelangte, hatte die beklagte Gemeinde außer Kostenversicherungs- und Legitimationseinreden und Editionsbegehren, die vor dem Urtheile beseitigt wurden, der Winterlhur'schen Forderung
von Fr. 55,275. 97 für an ihrem Platze eingelöste 1878er Coupons einen Abweisungsschluß entgegengesetzt, in dem Sinne, daß die Klage definitiv, eventuell als verfrüht, abgewiesen werde. Aus den Vertheidigungsgründen von Lenzburg verdient derjenige hervorgehoben zu werden, wonach die von der Gemeinde durch Mehrheitsbeschluß eingegangene Garantieverpflichtung außerhalb den Zwecken und Kräften einer Gemeinde liege und daher ungültig sei. Der eventuelle fristliche

250 Abweisungsschluß wurde damit begründet, daß die Garantie als Bürgschaft aufzufassen und deshalb nach aargauischem Rechte jede Forderung aus der Garantieverpflichtung so lange verfrüht sei, bis die Liquidation der Nationalbahngesellschaft beendigt und ein Verlust nachgewiesen sein werde.

Durch das bezirksgerichtliche Urtheil wurde die Klage von Winterthur, unter Anerkennung der Gültigkeit, der Garantieverpflichtung der Gemeinde Lenzburg, angebrachtermaßen, d . h . zur Zeit als verfrüht, abgewiesen.

Beide Parteien ergriffen gegen dieses Urtheil die Appellation, solches wurde aber am 22. September 1880 vom Obergericht des Kantons Aargau bestätigt. Da sich jedoch auch das obergerichtliche Urtheil in den Erwägungen des Bestimmtesten dahin aussprach, daß die Garantieverpflichtung der aargauischen Gemeinden als zu Recht bestehend angesehen werden müsse und das Bemühen derselben, sich von den Folgen der daherigen Schlußnahme für immer zu befreien, ein vergebliches sei, so war den drei Gemeinden alle Aussicht benommen, in der Hauptsache obzusiegen, und es war somit nur ein Akt der Klugheit und prozessualischer Nothwendigkeit, als sie nach Beendigung der Nationalbahnliquidation und nachdem von Winterthur die Prozeßfortsetzung angestrengt worden war, im Dezember 1881 den Abstand erklärte.

Winterthur hob nun gegen die aargauischen Gemeinden die Betreibung an und stellte, da letztere erfolglos geblieben, das Greltstugsbegehren. Das daherige Verfahren wurde jedoch mit und ohne Willen von Winterthur vielfach unterbrochen durch unausgesetzte außergerichtliche Verhandlungen aller Art zwischen den Gemeinden, Kantonsregierungen, Obligationsgläubigern u. s. w., die einen gütlichen Abschluß der Angelegenheit auf dem Wege allseitiger Verständigung bezweckten, leider aber nicht zum Ziele führten. In Folge dessen kam es im Herbst 1882 gegen die aargauischen Gemeinden zum Aeußersten und zwar zuerst bei Baden, wo am 12. September 1882 das Bezirksgericht verfügte: im Amtsblatt vom 23. September 1882 habe gegen die Einwohnergemeinde Baden die Geltstagspublikation zu erscheinen, eine Verfügung, die das Bezirksgericht am 25. September 1882 auf das Gesuch des Gemeinderaths dahin abänderte, daß es gegen die Einwohnergemeinde Baden an Stelle des G e l t s t a g e s die g e r i c h t l i c h e L i q u i d a t i o n erkannte.
Ueber die Einwohnergemeinden Lenzburg und Zofingen wurde am 14. September und 4. Oktober 1882 von den betreffenden Bezirksgerichten ebenfalls die g e r i c h t l i c h e L i q u i d a t i o n verhängt.

251 Gegen diese bezirksgerichtlichen Verfügungen reichte die Gemeinde Winterthur bei dem Obergericht des Kantons Aargau eine Rekursbeschwerde ein mit der Begründung, daß statt des anbegehrten, nach aargauischem Gesetz einzig zuläßigen Geltstages über die drei aargauischen Gemeinden die gerichtliche Liquidation verfügt worden. Das Obergericht hat aber am 18. November 1882 erkennt : Der Stadtrath von Winterthur sei -- in Bestätigung der angefochtenen Entscheide -- mit seinem dawider ergriffenen Rekurse abgewiesen.

In diesem Stadium ist der Rechtsgang verblieben, eine Vollziehung der gerichtlichen Verfügungen, die Durchführung der Liquidationen, ist bis jetzt nicht erfolgt, nicht einmal die Publikation derselben hat stattgefunden. Dieser Stillstand ist eingetreten und schien nothwendig, um dem unternommenen letzten Versuch, die Katastrophe zu verhindern und eine ehrenhafte Lösung zu finden, Zeit und Raum zu lassen.

Es gehört zur Vollständigkeit, von allen denjenigen Anstrengungen , welche seit der über die Nationalbahn verhängten Zwangsliquidation von den Garantiestädten gemacht worden sind, um mit den Obligationsgläubigern des 9 Millionen-Anleihens ein Abkommen zu Stande zu bringen, durch welches die Leistungen der Städte reduzirt und die für Erfüllung derselben notwendigen Mittel beschafft werden sollten, jenes Versuches einläßlicher zu erwähnen, der eine Zeit lang die Aussicht des Gelingens bot.

Nachdem nämlich verschiedene Akkommodements-, Konversions- und Amortisationspläne nie über das Stadium bloßer Projekte einzelner Gemeinden oder Personen hinaus gelangt waren, kam im Juni 1882 nach mühseligen Verhandlungen, unter Mitwirkung der Regierungen von Zürich und Aargau, zwischen den vier Garantiestädten ein Vertrag zu Stande folgenden wesentlichen Inhalts: Die Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen übernahmen die Verpflichtung, den särnmtlichen Inhabern von Obligationen des 9 Millionen-Anleihens neue, auf die Gemeinden als Schuldner lautende Obligationen auszustellen, zinsbar à 3 % erstmals auf 1. Mai 1883 und rückzahlbar auf 1. Mai 1945. Ferner verpflichteten sich die genannten Gemeinden, die Titel derjenigen Obligationäre, welche der Konversion nicht beitreten wollen, sofort gegen Baarzahlung von 66 2/a °/o des effektiven Werthes derselben zu übernehmen. Für die neuen Titel wurde die
Garantie des Kantons Aargau in Aussicht genommen. Die Gemeinde Winterthur verpflichtete sieh zu einem Beitrag an die aargauischen Gemeinden für die Tilgung des neuen Anleihens von Fr. 230,000 und verzichtete auf den Ersatz derjenigen Summen, welche sie an der

252 Stelle der aargauischen Gemeinden für Einlösung von Coupons des 9 Millionen-Anleihens bezahlt hatte. Betreffend die Verzinsung des eventuell zu bildenden Amortisationsfonds wurde zwischen den vier Gemeinden noch eine besondere Uebereinkunft abgeschlossen.

Um den vier Einwohnergemeinden die Erfüllung ihrer Verpflichtungen möglich zu machen, hatten die Ortsbürgergemeinden von Baden, Lenzburg und Zoh'ngen den dortigen Einwohnergemeinden eine Summe von Fr. 2,590,000 zur Verfügung gestellt und der Kantonsrath von Zürich der Gemeinde Winterthur ein 3 °/o Anleihen von Fr. 1,000,000 auf 33 Jahre zugesichert.

Auf Ansuchen der Gemeinden und im Auftrage der Regierung brachte die Finanzdirektion des Kantons Aargau den Obligationsinhabern mittelst Publikation den Sachverhalt zur Kenntniß und machte ihnen die unter den Gemeinden vereinbarten Offerten.

Dabei wurde die Erklärung abgegeben, daß der Regierungsrath des Kantons Aargau dem Großen Rath den Antrag stellen werde, die Garantie des Kantons sowohl für die aus der Konversion hervorgehenden Verpflichtungen zur Zahlung von Kapital und Zinsen, als auch für die sofortige Baarzahlung ausznsprechen, sofern die Obligationäre bis zum 5. August 1882 ihre Zustimmung zu einer der beiden Offerten erklären werden. Ferner wurden die Gläubiger darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn ihre Zustimmung uicht erhältlich sei, die Anerbietungen der drei Ortsbürgerschaften, wie diejenige des Staates Aargau, dahinfallen.

Indessen entsprach den gemachten Anstrengungen und dem allseitig gezeigten guten Willen der Erfolg nicht, denn binnen der festgesetzten Frist meldeten sich die Inhaber von nur Fr. 2,200,000 Obligationen für Annahme der Offerte an. Eine Verlängerung der Frist bis 2. Septcmher 1882 hatte eine Vermehrung auf Fr. 3,620,500 zur Folge, also bloß circa 2/a des ausstehenden Kapitals.

Fast genau das gleiche Resultat hatte ein auf Anregung einer Anzahl Obligationsgläubiger selbst mit Zustimmung der zürehenschen und aargauischeu Regierung von der Schweizerischen Kreditanstalt und dem Basler Bankverein erlassenes Circularschreiben, in welchem den Obligationäreu dringendst die Annahme der Offerte angerathen wurde; der Beitritt zum Arrangement wurde binnen der festgesetzten Frist nur für Fr. 3,584,500 erklärt.

Wir nehmen den Faden der Geschichte wieder auf bei der Sistirung
der Publikation der gerichtlichen Liquidation der anrgauischen Gemeinden und dem dort erwähnten neuen Lösungsversuch. Der Bundesrath beschloß nämlich Ende Dezember, veranlaßt durch die Verhandlung über die bekannte Motion Brunner

253 und Genossen im Nationalrathe, eine Konferenz von Abgeordneten der Regierungen von Zürich und Aargau einzuberufen, zu neuer Besprechung der Garantieangelegenheit. Die Konferenz fand statt am 29. Dezember 1882, unter dem Vorsitze des Hrn. Bundesrath Welti.

Dieselbe hatte das Resultat, daß eine materielle Hülfe des Bundes in Form eines Anleihens zu niedrigem Zins in Aussicht genommen und daß allseitig anerkannt wurde, daß nur noch von der V o 11 Zahl u n g der Gläubiger die Kede sein könne und jedes Akkommodements- oder Konversionsprojekt aufgegeben werden müsse. Es erklärten sich jedoch die Abgeordneten der Regierungen, namentlich diejenigen von Aargau, nicht für kompetent, die auf der neuen Grundlage den Gemeinden nothwendig auffallenden großem Opfer für dieselben zu übernehmen, resp. sich über diesen Punkt auszusprechen, ohne sich vorher über die Stimmung der Gemeinden vergewissert zu haben. Zu letzterm Zwecke wurde die Konferenz auf 6. Januar 1883 vertagt.

In dieser neuen Konferenz erklärten die aargauischen Delegirten, daß die dortigen Gemeinden alle weitern Leistungen, welche über die früher angebotenen hinausgehen, ablehnen müssen, während die Vertreter von Zürich eine Mehrleistung Winterthurs in Aussicht stellten. Da auch in dieser Konferenz eine Einigung, wie eine für die Verzinsung und Amortisation der Garantieschuld noch fehlende jährliche Summe von Fr. 50,000 à Fr. 60,000 vertheilt werden solle, nicht erzielt wurde und der alte Differenzpunkt bezüglich der Leistungsfälligkeit der verschiedenen Gemeinden ·wieder eine große Rolle spielte, so kam man schließlich, unter Vorbehalt der Genehmigung der beidseitigen Regierungen, überein, die Finanzverhältnisse der Gemeinden durch den Bundesrath untersuchen und darauf von ihm schiedsrichterlich entscheiden zu lassen, wie viel jeder der Betheiligten, die aargauischen Gemeinden einerseits und Winterthur anderseits, noch zu leisten haben.

Die Konferenzbeschlüsse wurden am 8. Januar von der Regierung von Zürich genehmigt, von derjenigen von Aargau jedoch abgelehnt, weil dortseits die Gemeinden in der Unmöglichkeit seien, eine Mehrleistung zu übernehmen und deßhalb eine schiedsrichterliche Entscheidung der Frage als gegenstandslos erscheine.

Es rief hierauf die Regierung von Zürich mit Eingabe vom 20. Januar 1883 die Bundesintervention an,
indem sie verlangte, daß der Bundesrath eine die wirkliehen Verhältnisse klar stellende Untersuchung der Finanzzustände der aargauischen Garantiestädte vornehmen lasse zum Zwecke der Prüfung der Frage, in wie weit dieselben sich in der Möglichkeit befinden, die von ihnen vertraglich übernommenen Schuldquoten zu tilgen.

254 Die Regierung von Aargau, zur Veruehmlassung eingeladen^ bestritt die Zuläßigkeit der Bundesintervention, als mit der Bundesverfassung, dem Gesetze und der Rechtsordnung unvereinbar. Doch gab sie dabei zu, daß der Bundesrath mit Rücksicht auf die iu Aussicht genommene Bundeshülfe berechtigt sei, Erhebungen über die Situation der Garantiegemeinden zu machen.

Die Beschlußfassung des Bundesrathes erfolgte am 16. Februar und wurde den Regierungen von Zürich und Aargau durch gleichlautende Schreiben zur Kenntniß gebracht. Den Hauptinhalt dieses Schreibens glauben wir seiner Bedeutung als Grundlage und Ausgangspunkt einer neuen und wichtigen Phase der Nationalbahnangelegenheit hier aufnehmen zu sollen. Er lautet: ,,Der Bundesrath hat von dem Schreiben Kenntniß genommen, mittelst dessen der Regierungsnüh des Kantons Zürich unter'm 20. Januar dieses Jahres die Intervention des Bundes in dem Konflikte anruft, der zwischen den Kantonen Zürich und Aargau anläßlich der durch die vier Städte Winterfchur, Baden, Lenzburg und Zofingen übernommenen Solidargavantie des Nationalbahnanleihens entstanden ist. Ebenso sind die darauf bezüglichen Memoriale der Regierung des Kantons Aargau vom 5. und 12. des laufenden Monats zu seiner Kenntniß gekommen.

,,Der Bundesrath glaubt in diesem Augenblicke nicht dio Frage erledigen zu sollen, ob und in welchem Maße ihm die Befugniß zukomme, über den Konflikt selbst einen Entscheid zu fällen und den Umständen angemessene Verfügungen zu treffeu.

Er hält vielmehr dafür, daß es vor jeder Erörterung dieses Punktes geboten sei, einen Thatumstand in's Klare zu setzen, dessen Wichtigkeit von keiner Seite bestritten werden kann, nämlich durch durchaus unparteiische Untersuchung feststellen zu lassen, welche finanziellen Kräfte in den vier Garautiestädten vorhanden und zur Erfüllung ihrer Schuldverbindlichkeiten verwendbar sind.

,,Es ist in unsern Augen ein unabweisbares Erforderniß, vor jedem anderweitigen Schritte hierüber in's Klare zu kommen, einerseits, weil der Streit über den Belang der den Garantiestädten zu Gebote stehenden finanziellen Mittel eines der hauptsächlichsten Elemente des Konfliktes zwischen Zürich und Aargau bildet, und andererseits, weil ein Finanzplan zur Tilgung der vorhandenen Schuld erst dann entworfen werden kann, wenn die Hülfsmittel der mitschuldnerischen Gemeinden in einer unanfechtbaren Weise festgestellt worden sind.

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,,Der Bundesrath hat sich deßhalb entschlossen, diese Untersuchung eintreten zu lassen, und er verbindet mit dieser Mittheilung die Einladung an Euch, getreue, liebe Eidgenossen, derselben Euere Zustimmung und Mitwirkung zu leihen.

,,Dabei soll es ausdrücklich verstanden sein, daß, wenn der Bundesrath zu diesem Zwecke Euer Einverständniß und Euere Mitwirkung nachsucht, dieß ohne Präjudiz für seine Kompetenz, über die Sache selbst einen allfälligen Entscheid zu treffen, geschieht. Diese Kompetenzfrage mag einer spätem Erörterung vorbehalten bleiben. Durch die Euch dermalen vorgeschlagene Untersuchung soll derselben weder in dem einen, noch in dem andern Sinne präjudizirt sein.

,,Für den gegenwärtigen Augenblick machen es dem Bundesrathe die wichtigen Interessen, die sich an diesen Konflikt knüpfen, das Ansehen und die Ehre der Garantiestädte, ihrer respektiven Kantone, ja der Eidgenossenschaft selbst, zur Pflicht, Euch, getreue, liebe Eidgenossen, den vorerwähnten Vorschlag zu unterbreiten. Er hofft und will nicht daran zweifeln, daß die gleichen Gefühle Euch zur Annahme desselben bewegen werden.

,,Was das Verfahren anbetrifft, nach welchem die angeregte Untersuchung vor sich zu gehen hätte, so ist der Bundesrath der Meinung, daß diese Aufgabe einer Kommission von drei von ihm zu bezeichnenden Mitgliedern anvertraut werden sollte.

Wenn Ihr Werth darauf setzt, dass jeder der beiden Kantone seinerseits einen unparteiischen Fachmann als weiteres Mitglied der Kommission erwähle, so wird der Bundesrath diesem Begehren gerne seine Zustimmung ertheilen."1 Dem Vorschlage des Bundesrathes ertheilten sodann die Regierungen von Zürich und Aargau mit Schreiben vom 24. Februar 1883 ihre Zustimmung, worauf am 28. Februar die bereits Eingangs erwähnte Wahl der Expertenkommission durch den Bundesrath erfolgte. Von der Befugniß, je einen unparteiischen Fachmann als weiteres Mitglied der Kommission beizuziehen, machten die Kantonsregierungen keinen Gebrauch.

Wir gehen nun über zur eigentlichen Berichterstattung und behandeln hiebei die einzelnen Punkte, die wir zu untersuchen und zu begutachten haben, in derjenigen Reihenfolge, wie sie in der Instruktion aufgeführt sind, mit der Bemerkung, daß wir der Einfachheit wegen die Zahlen abgerundet in den Berieht aufnehmen.

256 Winterthur Einwohnergemeinde.

(Die offizielle Bezeichnung heißt zwar ,,Politische Gemeinde"; da aber die politische Gemeinde im Kanton Zürich das Gleiche bedeutet, was anderwärts, namentlich im Kanton Aargau, die Einwohnergemeinde, so bedienen wir uns auch bei Winterthur dieses Ausdrucks.)

A. Vermögensstand nach Maßgabe des auf Ende 1882 aufgenommenen Inventars.

1. Belauf des Gesammtvermögens : a. Gebäulichkeiten, G r u n d s t ü c k e und W a l d u n gen, Schätzung Fr. 9,168,000 Hievon sind als zu öffentlichen Zwecken dienend und zur Schuldendeckung unantastbar abzuschreiben Objekte im Schätzungswerthe von . ,, 2,347,000 Bleiben

Fr. 6,821,000

Bemerkungen.

Es sind hier die Inventarschätzungen aufgenommen. Dieselben sind vor einigen Jahren bedeutend erhöht worden, z. B. bei den Waldungen von Fr. 678,948 auf Fr. 2,862,675, und zwar, wie es scheint, hauptsächlich mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Verpfändung ; 97 Hektaren Wiesen und Aecker wurden auf Fr. 2,081,855. 85 geschätzt.

Gegenüber dem dermaligen wirklichen Werthe sind die Inventarschätzungen offenbar zu hoch, und bei einem allfälligen Zwangsverkäufe wäre sehr wahrscheinlich ein bedeutender Mindererlös zu erwarten.

b. K a p i t a l i e n und B e w e g l i c h k e i t e n ,, 2,745,000 Bemerkung.

In dem Kapitalvermögen ist die Forderung an die Einwohnergemeinden Baden, Lenzburg und üebertrag Fr. 9,566,000

257

Uebertrag Fr. 9,566,000 Zoflngen von Fr. 525,000 für die von Winterthur an deren Platz eingelösten Coupons von Nationalbahnobligationen Inbegriffen, ebenso der noch ausstehende Rest des Hypothekaranleihens von 1880 mit Fr. 1,369,523 , dessen Einzahlung seitens des Bankkonsortiums wegen der Finanzlage der Gemeinde beanstandet wurde.

Die im Besitze der Gemeinde befindlichen öffentlichen Papiere stehen gegenwärtig theilweise höher im Kurs, als sie im Inventar veranschlagt sind.

Spezialfonds oder Stiftungen, welche aus dem Gemeindevermögen auszuscheiden wären, bestehen nicht. Es sind zwar solche Fonds und Stiftungen vorhanden, sie sind aber bereits aus dem Gemeindevermögen ausgeschieden, wie hienach pag. 28 ersichtlich.

c. Ferner sind in dem Inventar der Einwohnergemeinde Winterthur folgende städtische Unternehmungen mit den beigesetzten Summen als Vermögen aufgenommen : Das Etablissement der Wasserversorgung .

.

. F r . 1,509,000 Das Etablissement des G-aswerks ,, 1,381,000 Summa Vermögen

,,

2,890,000

Fr. 12,456,000

2. Schuldenlast der Einwohnergemeinde, exclusive Nationalbahnschuld, und die hiefür erforderlichen jährlichen Leistungen.

a. S c h u l d e n l a s t : Hypothekaranleihen vom Jahr 1880 von ursprünglich Fr. 11,550,000, auf Ende 1882 noch betragend .

. Fr. 11,526,000 Sonstige grundversicherte Passiven, nämlich : Uebertrag Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. IV.

Fr. 11,526,000 17

258

Uebertrag

Fr. 11,526,000

Hypothekarbank Winterthur .

.

.

. F r . 177,500 Finanzdirektion des Kantons Zürich .

. ,, 450,000 Städtische Arbeiterkrankenkasse .

.

. ,, 7,000 Guthaben der Separatfonds Rest städtischer Obligationen früherer Anleihen Temporäre Anleihen .

Kreditoren in laufender Rechnung .

.

Laufende Zinse und Zinsrestanzen .

.

Summa

,, ,,

634,500 13,000

,, ,, ,, ,,

826,000 485,000 739,000 104,000

Fr. 14,327,500

Bemerkung.

Außer der Solidargarantie mit den Städten Baden, Lenzburg und Zofingen für das 9-Millionen-Anleihen der Nationalbahn steht Winterthur auch noch in der Solidargarantie mit den Gemeinden des Tößthals für die Obligationen der Tößthalbahn im Gesammtbetrage von Fr. 3,000,000. Der Antheil von Winterthur beträgt Fr. 1,816,070. Die finanzielle Situation der Tößthalbahngesellschaft ist derart, daß sie außer Stande ist, das Obligationenkapital zu verzinsen, so daß, um das Unternehmen zu halten, die garantirenden Gemeinden genöthigt waren, einzutreten und die Coupons einzulösen. Hiefür hat die Gemeinde Winterthur pro 1881 Fr. 93,697 und pro 1882 Fr. 90,803 verausgabt und pro 1883 Fr. 82,803 in den Voranschlag aufgenommen. Es hat demnach diese Tößthalbahngarantie für Winterthur bereits den Charakter und die Wirkungen einer wirklichen Schuld angenommen.

b. J ä h r l i c h e Leistungen.

Die für Verzinsung der städtischen Schulden erforderlichen Leistungen betrugen: im Jahr 1881 rund .

.

. F r . 555,000 ,, ,, 1882 ,, .

.

. ,, 535,000 für 1883 büdgetirt . ,, 554,000 nicht mitberechnet die Zinse für die Tößthalbahnobligationen und ebenfalls nicht die Amortisationsquoten für das Hypothekaranleihen

259 von 1880, betragend pro 1881 Fr. 12,120, 1882 Fr. 12,240, 1883 Fv. 13,390 u. s. \v., nach einer im Anleihensvertrag festgesetzten Progression, welche eine Tilgung der Schuld binnen 80 Jahren bezweckt.

Ebenso sind der Instruktion gemäß die Ausgaben der Gemeinde Winterthur für Einlösung der Coupons der Nationalbahnobligationen am Platze der aargauischen Garantiestädte nicht berücksichtigt worden.

3. Defizit der Einwohnergemeinde im Falle einer Liquidation.

Wenn den Passiven, wie wir sie oben festgestellt haben, betragend auf Ende 1882 Fr. 14,327,500 die zur Schuldendeckung verwendbaren Aktiven, betragend auf gleichen Zeitpunkt ,, 12,456,000 gegenübergestellt werden, so resultirt ein nominelles dermaliges Defizit von Fr. 1,871,500 abgesehen von den Nationalbahn- und Tößthalbahnanleihensverpflichtungen.

Wenn aber die Gemeinde in Liquidation fallen sollte, 'so müßte sich das Verhältniß anders, d. h. noch ungünstiger gestalten.

Vorerst muß nämlich als sicher angenommen werden, daß sich auf dem Vermögen der Gemeinde infolge der Zwangsveräußerung gegenüber dem jetzigen Inventarwerth ein bedeutender Minderwerth ergeben würde. Es dürfte sich auch das unter den Aktiven eingestellte Guthaben auf die aargauischen Garantiestädte von Fr. 525,000 als non-valeur herausstellen.

Sodann würde sich die Passivenmasse bedeutend vergrößern, indem ohne Zweifel folgende Posten im Konkurs angemeldet würden und anerkannt werden müßten: a. Die den aargauischen Städten auffallende Quote an dem 9-Millionen-Anleihen der Nationalbahn, für welche Winterthur solidarisch mithaftet, betragend .

.

. F r . 5,030,760 b. ferner das Übligationenkapital der Tößthalbahn von ,, 3,000,000 für welches Winterthur mit andern Gemeinden solidarisch haftet.

Wie hoch das wirkliche Defizit im Falle einer Liquidation sich stellen würde, ist ziffernmäßig nicht auszudrücken, jedenfalls aber bedeutend höher als der Ueberschuß der Passiven über die Aktiven beim gegenwärtigen Vermögensstatus.

260 4. Rangordnung der Ansprüche der Nationalbahn und Untersuchung der Frage, welche Forderungen Vorrang hätten.

Die Ansprüche der Nationalbahn oder besser gesagt der Obligationsgläubiger der Nationalbahn müßten nach zürcherischem Konkursrecht als laufende Forderungen behandelt werden. Ihnen vorgehend würden die Pfandgläubiger auf den Werth ihrer Pfänder angewiesen. Das Verhältniß würde sich ungefähr folgendermaßen gestalten : Auf dem weitaus größten Theil der Liegenschaften, d. h. auf allen, mit Ausnahme des Kasino und zweier Bauplätze neben dein Technikum, sowie auf den städtischen Unternehmungen -- Wasserwerk und Gaswerk -- im Gesammt-Inventarwerthe von Fr. 9,581,000 haftet das Hypothekaranleihen von 1880, betragend auf Ende 1882 Fr. 11,526,000.

Dieser Vermögenswerth würde somit von der Pfandschuld absorbirt.

Auf dem im städtischen Vermögen mit einem Inventarwerth von ,, 177,500 stehenden Kasinogebäude haftet eine Forderung der Hypothekarbank in Winterthur vom gleichen Betrage und würde also auch dieses Objekt durch die Pfandschuld absorbirt.

Aehnlich vorhält es sich mit den zwei Bauplätzen beim Technikum, im Inventar gewerthet auf ,, 11,000 auf welchen eine Schuld an die städtische Krankenkasse haftet von Fr. 7000.

Die sämmtlichen Werthschriften im Betrag von ,, 552,500 sind theils der Bank in Winterthur und dem dortigen Kreditverein verpfändet, theils sind sie den Hypothekarobligationären verfangen.

Zusammen Fr. 10,322,000 Nach Abzug dieser Werthe, welche im Vorrang den Pfandgläubigern zugetheilt würden, blieben vom Vermögen, wie wir es oben gefunden .

. ,, 12,456,000 übrig Fr. 2,134,000 auf welche die Correntgläubiger Anspruch machen könnten.

Es muß aber bemerkt werden, daß dieser Vermögensrest einen höchst problematischen Werth repräsentirt, aus folgenden Gründen :

261

a. Steht darin das bereits erwähnte Guthaben der Gemeinde Winterthur an der Bank in Winterthur und dem Basler-Bankverein von Fr. 1,369,523, entsprechend dem noch nicht einbezahlten Rest des Hypothekaranleihens. Es ist wahrscheinlich, daß sich die Banken im Falle des Konkurses der Gemeinde Winterthur weigern würden, den Anleihensrest einzubezahlen.

b. Die Beweglichkeiten im Inventarwerthe von Fr. 187,406 sind für Coupons pro 1882 des Nationalbahnanleihens gepfändet.

c. Nicht gepfändet und überhaupt nicht belastet ist nur die bereits genannte Forderung an den aargauischen Garantiestädten für an ihrem Platze eingelöste Obligationscoupons der Nationalbahn von Fr. 525,000.

B. Steuerkraft.

Es ist' hier nöthig, eine kurze Darstellung des zürcherischen Staats- und Gemeindesteuersystems vorauszuschicken.

Nach Vorschrift des Steuergesetzes vom 24. April 1870 bezieht der Staat eine Vermögens-, Einkommens- und Aktivbürgersteuer.

Der Vermögenssteuer ist sowohl das bewegliche als das unbewegliche Vermögen unterworfen, mit Ausnahme der von den Pflichtigen benutzten Kleidern, Bücher, Feld- und Handwerksgeräthschaften und dem nöthigen Hausrath. Bei Berechnung des Vermögens sind von dem Gesammtwerth des Besitzthums allfällige Schulden in Abzug zu bringen.

Der Einkommenssteuer ist unterworfen der Erwerb und das Einkommen, mit Ausnahme des Ertrages solchen Kapitals, das als Vermögen versteuert wird, sowie eines Betrages von Fr. 500 von jedem Einkommen.

Bei Berechnung von Einkommen, welches von dei- Betreibung eines Gewerbes herrührt, sind höchstens fünf vom Hundert des Betriebskapitals, sowie die mit der Gewinnung des Einkommens verbundenen Unkosten, jedoch mit Ausschluß der Haushaltungskosten, in Abzug zu bringen.

Die Aktivbürgersteuer haben alle im Kanton wohnenden Bürger und Niedergelassenen, welche in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt sind, zu entrichten.

Die Steueranlage beruht auf dem System der Progression oder, wenn man lieber will, der Degression. Vom Vermögen der ein-

262 zelnen Steuerpflichtigen werden nämlich folgende Theile in den Vermögenskataster gesetzt : 5 Zehntheile von den ersten 20 Tausend Franken 11 ·n weitern 30 11 ·n

':

·n ·n ·n

11 ,, ,,

·n 11 11

50 100 200

11

n n ·n

n 11

9 10 ,, vom Mehrbetrag.

Von dem steuerpflichtigen Einkommen werden folgende Theile in den Einkommenskataster gesetzt: 2 Zehntheile von den ersten 15 Hundert Franken 4 ,, ,, ,, weitern 15 ,, ,, 6

n n

" 11

11 n

11 11

30 *"

,, n

,, TI

10 ,, von dem Mehrbetrag.

Jedes Hundert des Einkommenskatasters bezahlt Fr. 2 Steuer, so oft vom Tausend des Vermögenskatasters Fr. l erhoben wird.

Die Aktivbürgersteuer beträgt je den dritten Theil dessen, was von einem Tausend des Vermögenskatasters erhoben wird.

Es ist eine eigentümliche Folge dieses Steuersystems, dem nach Ansicht der Kommission der Vorzug der Einfachheit und der leichten Anwendbarkeit nicht innewohnt, daß in Wahrheit kein einheitlicher Steuerfuß besteht, sondern daß die Steuerberechnung von einem hypothetischen Faktor ausgehen muß. Gegenwärtig heißt dieser Paktor für die Staatssteuer 4 vom Tausend des Vermögens, Niemand bezahlt aber 4 0/00 sondern es bezahlt : Vermögen bis Fr.

20,000 2 0/00 ,, ,, 25,000 2,08 0/00 ,, ,, 30,000 2,13 0/00 ,, ,, 50,000 2,24 0/00 ,, ,, 100,000 2,52 > ,, ,, ,, 200,000 2,8c °/oo ,, ,, 500,000 3,D8 0/00 , " 1,000,000 3,69 > ,, ,, 10,000,000 3,96 0/00 Der Vermögenssteuer von 4 °/oo entsprechen 8 % vom Einkommen, aber auch diese Steuer bezahlt Niemand, sondern die Steuer beträgt: Bei einem Einkommen von Fr. 1,500 l,,6%o « ,, ,, ,, , 3,000 2,4 «/»

:: :: :; :: ;: 100,Ä 000 fe?: 7,3 «/0

263

Wenn und wo daher in der Folge von 4 °/oo Vermögens- oder 8 °/o Einkommenssteuer des Staates die Rede ist, ist darunter der zürcherische Steuerfaktor, also nicht die Steuer vom wirklichen Vermögen und Einkommen, sondern von den in den Steuerkataster gesetzten Vermögens- und Binkommenstheilen zu verstehen.

Für die Ausmittlung des steuerpflichtigen Vermögens und Einkommens gelten die Grundsätze der Selbsttaxation und Abschätzung durch Steuerkommissionen. Das Verfahren ist in der Hauptsache folgendes : Jeder Steuerpflichtige hat sein Vermögen und Einkommen nach seinem wahren Werthe zu taxiren und, nach Rubriken gewerthet, in ein Formular, das ihm vom Gemeindrath zuzustellen ist, einzutragen. Die Selbsttaxation erfolgt alle drei Jahre. Wenn die Steuerkommission, die für jede politische Gemeinde aus vier von der Gemeindeversammlung und zwei von dem Bezirksrathe gewählten Mitgliedern und einem vom Regierungsrathe ernannten Steuerkommissär zusammengesetzt ist, die Selbsttaxation für unrichtig hält, so nimmt sie die nöthigen Veränderungen vor. Gegen solche Veränderungen steht dem Pflichtigen 14 Tage nach Empfang der Anzeige das Recht offen, sich entweder: 1) auf eine a m t l i c h e I n v e n t a r i s i r u n g oder 2) auf die R e k u r s k o m m i s s i o n zu berufen.

Im erstem Fall stellt der Steuerpflichtige ein Inventar auf und es wird solches von einer aus einem Abgeordneten des Gemeinderathes, einem Abgeordneten des Bezirksrathes und einem vom Pflichtigen gewählten Mitgliede zusammengesetzten S c h ä t z u n g s k o m m i s s i o n geprüft und mit den wesentlichsten Vermögensgegenständen verglichen. Kann keine freie Verständigung erzielt werden, so steht sowohl dem Pflichtigen, als den von den Behörden gewählten Mitgliedern der Schätzungskommission das Recht der Berufung auf eine E x p e r t e n k o m m i s s i o n zu. Diese, aus drei Mitgliedern bestehend und vom Bezirksgericht gewählt, entscheidet endgültig.

Die R e k u r s k o m m i s s i o n , auf welche sich der Pflichtige alternativ berufen kann, besteht für je zwei oder drei Bezirke aus fünf vom Regierungsrath gewählten Mitgliedern. Gegen den Entscheid derselben kann sich der Pflichtige innert 14 Tagen auf die In ventarisirung durch die Expertenkommission berufen.

Nach den Vorschriften des Gesetzes über das Gemeindewesen von 1875 sind die G e m e i n d e s t e u e r n auf Vermögen, Haushaltung und Mann nach Verhältniß von einem Franken auf tausend

264

Franken Vermögen, einem Franken auf die Haushaltung und einem Franken auf den Mann vom zurückgelegten zwanzigsten Altersjahre an zu verlegen.

Als Grundlage für die Erhebung der G e m e i n d e s t e u e r dienen die S t a a t s s t e u e r r e g i s t e r .

Uebergehend nun zu den einzelnen Punkten der Rubrik B, gelangen wir zu

a. Steuerkraft nach gegenwärtigem Steuerfuß.

1. Belauf des steuerpflichtigen Gesammtvermögens der Einwohner und Zusammensetzung desselben.

Das steuerpflichtige Gesammtvermögen belauft sich pro 1881 auf Fr. 64,807,800 Der Steuerfuß, resp. Steuerfaktor beträgt 7 %o und die erhobenen G e m e i n d e v e r m ö g e n s s t e u e r n belaufen sich auf ,, 468,753 2. Belauf des steuerbaren Erwerbseinkommens und Berechnung desselben.

Das s t a a t s steuerpflichtige (Erwerbs-) Einkommen in der Gemeinde Winterthur beträgt pro 1881 .

.

. Fr. 5,855,500 Zu Gemeindezwecken wird im Kanton Zürich keine Einkommenssteuer erhoben, sondern, wie wir bereits in der Einleitung gesehen, sind die Gemeindesteuern auf Vermögen, Haushaltung und Mann zu verlegen.

Im Jahre 1881 wurden von der Gemeinde Winterthur bezogen : Haushaltungssteuer, à Fr. 7 per Haushaltung .

. Fr. 20,800 Mannssteuer, à Fr. 7 per Mann ,, 27,950

b. Auf Grundlage einer möglichen Steuererhöhung und unter Berücksichtigung der Staatssteuer.

3. Verhältniss zwischen der dermaligen Schätzung und dem Marktpreis der Liegenschaften. Scheint es angezeigt, die Schätzungen zu erhöhen oder herabzusetzen, und in welchem Masse?

Die Schätzung (Werthung) des Grundbesitzes kann nicht ausgemittelt werden, da der Werth des Grundeigenthums in der all-

265 gemeinen Vermögensschatzung des Steuerpflichtigen Inbegriffen ist.

Infolge der angestellten Nachforschung darf jedoch angenommen werden, daß das Grundeigentum bei den dermal bestehenden Vermögensschätzungen höher mitberechnet ist, als die laufenden Marktpreise stehen. Von Marktpreisen kann überhaupt dermal nicht wohl die Rede sein, da fast ausschließlich nur Zwangsverkäufe vorkommen. Die Liegenschaftspreise sind in den letzten Jahren bedeutend gefallen, was aus folgenden Beispielen, in welchen die Kaufpreise für die nämlichen Objekte in zwei verschiedenen Zeitpunkten angegeben sind, hervorgeht: Fr. 220,000 Kaufpreis im Jahr 1873 fl 90,000 n 1880 w i> 1878 66,000 2) T) ·n D 11 1879 11 n 35,200 ·n 11 1875 3) 11 n 11 11 13,000 8,160 11 f> ·n 11 1883 4) 11 ·n 1877 11 95,000 11 ·n 1880 ·n ·n 63,000 n 1878 5) ·n ·n 11 26,000 ·n 1883 ·n ·n 20,000 f> ·n 1878 30,000 6} ·n ·n 1> ·fì 13,000 T) n ·n ·n 1882 7) ·n fi 1874 t> n 80,000 Y> 11 ·n 1881 11 56,000 1876 8) ·n n 52,000 n 11 1883 32,000 T) 11 11 v>

1)

Wie sehr die Nachfrage nach Grundeigentum gesunken ist, wird durch nachfolgende Zahlen dokumentirt : Es betrugen die Handänderungen: Im Jahr 1875 Fr. 7,251,000 ,, ,, 1876 ,, 5,276,000 ,, ,, 1877 ,, 5,208,000 ,, ,, 1878 ,, 4,784,000 ,, ,, 1879 ,, 2,997,000 ,, ,, 1880 ,, 2,862,000 Es scheint demnach eine Höherschätzung des liegenschaftlichen Vermögens zu Steuerzwecken ungerechtfertigt.

266

4. Ist die Schützung des steuerpflichtigen Einkommens den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechend? Wäre es am Platz, die Schätzungen zu erhöhen und, ivenn ja,, in welchem Masse 9 Diese Frage hat für die Gemeinde Winterthur deswegen keine Bedeutung, weil nach dem ztlrcherischen Gesetz, wie schon oben bemerkt, keine Gemeinde-Einkommenssteuer bezogen werden darf.

Diese Steuerquelle wird einigermaßen ersetzt durch die Manns- und Haushaltungssteuer, deren Höhe sich je nach dem Vermögenssteuerfuß richtet. Da die Vermögenssteuer der Gemeinde Winterthur gegenwärtig 7 °/oo beträgt, steht die Manns- und Haushaltungssteuer auf je Fr. 7, so daß ein Familienvater, auch wenn er kein steuerpflichtiges Vermögen und Einkommen besitzt, Fr. 14 Gemeindesteuer bezahlen muß.

5. Durchschnitt der nothwendigen Ausgaben für den ordentlichen Gemeindehaushalt und Höhe derselben während der letzten fünf Jahre.

Diese Ausgaben betrugen, Inbegriffen die Verzinsung der Gemeindeschulden, rund : Im Jahre 1878 .

. Fr. 1,340,000 ,, ,, 1879 .

.

,, 1,230,000 ,, ,, 1880 .

.

,, 1,378,000 ,, ,, 1881 .

.

,, 1,236,000 ,, ,, 1882 .

.

,, 1,200,000 Die ordentlichen Ausgaben des Gemeindehaushalts betrugen demnach während der genannten fünf Jahre durchschnittlich rund Fr. 1,280,000 Die Einnahmen der Gemeinde, inbegriffen Steuernachzahlungenfrüherer Jahre, betrugen pro 1881 rund ,, 636,000 so daß durch Steuern hätten gedeckt werden sollen Fr. 644,000, entsprechend einer Steuer von circa 8 Va %o. Diese letztere Steuer ist wirklich während einiger Jahre bezogen worden, seit 1880 wurde sie jedoch auf 7 °/oo herabgesetzt und der Betrag der daherigen Mindereinnahmen einem sogenannten Steuerreservefonds entnommen, resp. zugeschrieben. Es ist dieser Fonds jedoch nicht wirkliches Vermögen, sondern hat den Charakter einer bloßen Buchung, und der jährliche Ausgabenüberschuß, der statt durch Steuern gedeckt, dem Fonds zugeschrieben wird, bedeutet in Wirklichkeit einen «benso großen Vermögensrückgang. Uebrigens soll der Steuerreserve-

267 fonds auch in seinem nominellen Bestand im nächsten Jahre erschöpft sein.

Der Grund, warum nur noch 7 %o Steuern bezogen werden, liegt nach den Mittheilungen der Verwaltung darin, daß man mit diesem Steuerfuß an der Grenze des Möglichen angelangt sei und eine weitere Steuererhöhung zur Folge haben würde, daß vermögliche Steuerpflichtige, die nicht durch besondere Verhältnisse an Winterthur gebunden sind, wegziehen würden. Und wirklich scheinen die nachfolgenden Zahlen darauf schließen zu lassen, daß die hohen Steuern bereits eine Steuerflucht zur Folge gehabt haben : Steuerkapital im Jahr 1875 Fr. 75,005,000 ,, ,, 1876 ,, 76,093,000 ,, ,, 1877 ,, 74,482,000 ,, ,, 1878 ,, 71,641,000 , ,, ,, 1879 ,, 69,872,000 ,, ,, 1880 ,, 67,550,000 ,, ,, 1881 ,, 66,104,000 Es resultirt aus dieser Darstellung, daß der Steuerfuß von 7 °/oo für die ordentlichen G-emeindebedürfnisse nicht genügt, daß derselbe circa 8*/2 °/oo betragen sollte, mit entsprechender Erhöhung im Falle weiterer Verminderung des Steuerkapitals oder Vermehrung der Ausgaben.

6. Stehen für die nächsten Jahre ausserordentliche Ausgaben in Aussicht? welcher Art sind dieselben und in wie weit sind sie unumgänglich nothwendig?

Es haben keine außerordentlichen Ausgaben, die unumgänglich nothwendig sind, namhaft gemacht werden können.

7, Lassen sich im Gemeindehaushalt ohne Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen Ersparnisse erzielen und von welchem Belange sind dieselben?

Die Untersuchung hat ergeben, daß im Gemeindehaushalt von Winterthur bereits seit einigen Jahren das Bestreben vorwaltet, die Ausgaben möglichst zu reduziren. Das gegenwärtige Ausgabenbüdget weist keine oder doch nur wenige untergeordnete Posten auf, deren Streichung gegenwärtig zuläßig wäre.

268

II. Bürgergemeinde.

Das Vermögen der Bilrgergemeinde Winterthur, mit Ausnahme, der Stiftungsgüter und Separatfonds, ist bereits in den 1860er Jahren an die Einwohner-, resp. politische Gemeinde übergegangen und von daher rühren die meisten im Besitze der letztern befindlichen Aktiven, namentlich Gebäude, Grundstücke und Waldungen.

Das Vermögen der Bürgergemeinde besteht lediglich noch aus folgenden Spezialfonds, laut Rechnung auf Ende 1881 : Armengut Fr. 1,214,000 Bibliothekfonds ,, 25,500 StiftuDgsfouds für die höhern Schulanstalten .

,, 101,000 Kadettenfouds ,, 3,450 Schützenfonds ,, 13,400 Sogenanntes Heinrich Schellen- und Rebstocklegat ,, 5,850 Zusammen

Fr. 1,363,200

Die aargauisclien Städte.

Dem Bericht über die einzelnen Städte schicken wir folgende allgemeine Bemerkungen über diejenigen Punkte voraus, die für alle drei Gemeinden vermöge der Gleichartigkeit der daherigen Verhältnisse und Gesetzesvorschriften gemeinsam behandelt werden können. Es betrifft dies namentlich die Gemeindeorganisation, die Steuereinrichtungen und die Geltstagsordnung.

Gemeindeorganisation.

Es besteht die Zweitheilung in Ortsbürgergemeinden und Einwohnergerneinden.

Unter Ortsbürgerschaften wird der Verein der Autheilhaber eines Gemeinde- oder Armenguts verstanden, welche die gegenseitige Verpflichtung der Armenunterstützung haben. Die Aufgabe der Ortsbürgergemeinde besteht lediglich in der Unterhaltung ihrer Annen und in der Unterhaltung und Verwaltung des Gemeindegutes. Alle übrigen Aufgaben der Gemeinden und die Aufbringung der nothwendigen Mittel (Polizei, Schul-, Bauwesen u. s. w.) liegen der Einwohnergemeinde ob.

Gemeinsame Verwaltungsbehörde für beide Gemeinden ist der von der Einwohnergemeindeversammlung gewählte Gemeinderath.

269 Alle ausschließlich die Ortsbürgergemeinde betreffenden Gegenstände werden von der Ortsbürgerversammlung behandelt. Das allgemeine Ortsbürgergut dient mit seinen Erträgnissen zunächst nicht nur für seine eigene gute Verwaltung und Erhaltung, sondern auch zur Verabfolgung der den Ortsbürgern persönlich zukommenden Nutzungen und endlich zur Bestreitung von Gemeindebedürfnissen.

In welcher Weise und in welchem Betrage die Erträgnisse diesen Grundsätzen entsprechend zu verwenden sind, entscheidet die Ortsbürgergemeinde. Eine Vermehrung des den Ortsbürgern persönlich zukommenden Nutzens kann nur dann geschehen, wenn dadurch weder die gute Verwaltung und Erhaltung des Gutes selbst, noch die Befriedigung der Gemeindebedürfnisse, noch die Steuerverhaltnisse der Gemeinde beeinträchtigt werden. Eine Verminderung dieses persönlichen Nutzens muß stattfinden, wenn sie für die gute Verwaltung und Erhaltung des Gutes nothwendig wird. Die Austheilung des Bürgernutzens bemißt sich demnach lediglich nach den Bedürfnissen der Ortsbürgergemeinde und ihrer Angehörigen. Die Entscheidung liegt in der Hand der Gemeinde selbst, auf die Bedürfnisse der Einwohnergemeinde oder auf anderweitige öffentliche Interessen kommt es dabei nicht an.

SteuerrerMltnisse.

Nach §§ 39 und 40 des Gesetzes vom 30. März 1866 über die Verwendung von Gemeindegütern und den Bezug von Gemeindesteuern gelten die Vorschriften des Staatssteuergesetzes auch für die Anlage und die Erhebung von Gemeindesteuern. Die Staatssteuern sind Vermögens- und Erwerbssteuern. Der Vermögenssteuer unterliegen die im Kanton befindlichen Gebäude und Grundstücke, sowie das den Einwohnern des Kantons angehörige Vermögen an Fahrhabe, Forderungen, Handels-, Fabrik- und Gewerbsfonds. Der Erwerbssteuer unterliegt das Einkommen, welches Jemand durch den Genuß einer Pension, eines Leibgedings, durch Ausübung einer Kunst, eines Handels, Gewerbes, Handwerkes, eines Amtes, Berufes oder irgend einer andern Beschäftigung oder Arbeit erwirbt.

Der Besteuerung wird die einfache Steuer zu Grunde gelegt.

Dieselbe beträgt: Vom Erwerb Fr. l vom Hundert.

Vom Vermögen : Bei Kapitalien, Handels-, Gewerbs- und Fabrikfonds .

.

.

. Fr. 1. 20 von Fr. 1000 B e i Grundstücken .

.

.

.

Rp.80 ,, ,, ,, ,, Gebäulichkeiten .

.

.

.

,, 60 ,, ,, ,, ,, Fahrhabe ,, 30 ,, ,, ,,

270 Alle Steuern sollen in Bruehtheilen oder Einheiten der einfachen Steuer dekretirt werden, so daß zum Beispiel eine halbe Steuer die Hälfte der obigen Ausätze auf Fr. 100 Einkommen und Fr. 1000 Vermögen bedeutet.

Beträgt die einfache Steuer eines Steuerpflichtigen nicht mehr als Fr. 4, so hat er bei jeder Steueranlage nur die Hälfte seines Steuerbetrages zu bezahlen, was auch bei höheren Steuerbeträgea der einfachen Steuer für die ersten Fr. 4 gilt.

Bei Grundstücken und Gebäuden sind die auf denselben haftenden unterpfändliehen Schulden in Abzug zu bringen. Verzinsliche Schulden ohne Pfandrecht, insofern sie schriftlich beurkundet sind, kommen ebenfalls in Abzug, und zwar sollen sie zunächst von Kapitalien und Handelsfonds, und wenn diese nicht hinreichen, von den übrigen Vermögensrubriken abgeschrieben werden.

Bei Berechnung des Erwerbes sind die mit dessen Gewinnung verbundenen Unkosten, jedoch mit Ausschluß von Haushaltungskosten, in Abzug zu bringen.

Die Ausmittlung des steuerpflichtigen Vermögens geschieht durch Gemeinde- und Bezirkssteuerkommissionen, erstere gewählt zur größeren Hälfte von der Einwohnerversammlung, zur kleinern Hälfte vom Gemeinderath, letztere gewählt vom Regierungsrath.

Bei Gebäuden gilt die bei der Brand Versicherung ausgemittelte Schätzung, die alle 25 Jahre der Revision unterliegt, als Steuerkapital. Die Liegenschaften werden in Werthklasseu, die von der Steuerkommission festgestellt worden, eingetheilt. Den Besitz von Fahrhabe, Kapitalien und Schuldforderuugen, sowie die eigenen Handels-, Fabrik- und Gewerbstbnds und seinen steuerbaren Erwerb hat jeder Steuerpflichtige nach Bürgerpflicht und Gewissen schriftlich anzugeben.

Hegt die Steuerkommission gegen die Richtigkeit dieser Angaben Zweifel, so ist sie befugt, die Steueransätze zu erhöhen, wogegen den Besteuerten das Recht der Beschwerdeführung bei der Bezirkssteuerkommission zusteht.

Gegen die Entscheidungen dieser letztern Kommission steht den Beteiligten der Rekurs an den Regierungsrath offen.

Geltstagsordnung.

Die aargauische Geltstagsordnung, die hier mit Bezug auf Frage A. 4 von Bedeutung ist, hat sieben Gläubigerklassen.

In die I. Klasse kommen die Geltstagskosten.

271

In die II. Klasse gehören die auf Liegenschaften oder Beweglichkeiten des Geltstagers versicherten Forderungen.

In die III. Klasse gehört die Hälfte des eingekehrten Frauengutes.

In die IV. Klasse gehören die Lidlöhne.

In die V. Klasse kommen die Rechnungsrestanzen.

In die VI. Klasse gehören die laufenden Forderungen.

In die VII. Klasse gehört die zweite Hälfte Frauengut.

Die Protestationen der OrtsMrgergemeinden.

Von den betreifenden Gemeinderäthen wurden bei Beginn der Untersuchung folgende Erklärungen abgegeben: In Baden: Der Gemeinderath acceptire die eidgenössische Expertise in der Meinung und Voraussetzung, daß sie sich lediglich mit den Vermögensverhältnissen der Einwohnergemeinde befasse und diejenigen der Ortsbürgergemeinde nur insofern berühre, als vom direkten Ortsbürgergut (Rentamt) Ueberschüsse in die Polizeikasse fallen. Sollte die Untersuchung weiter gehende Ziele verfolgen, müßte sich der Gemeinderath schon jetzt entsprechende reservirende Erklärungen und Verwahrungen vorbehalten.

In Lenzburg: Der Gemeinderath gestatte die Untersuchung der ortsbürgerlichen Vermögensverhältnisse durch die eidgenössische Kommission unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß aus dieser Untersuchung keinerlei Verpflichtungen der Ortsbürgergemeinde gegenüber der Einwohnergemeinde abgeleitet werden sollen.

Die Erklärung des Gemeinderaths von Zofingen lautet wörtlich : Daß er sich zwar der vom hohen Bundesrath ihnen (den Experten") aufgetragenen Untersuchung der Verhältnisse der Ortsbürgergemeinde Zofingen thatsächlich nicht widersetzte, dagegen jede auch nur indirekte Verpflichtung der Ortsbürgergemeinde Zofingen für von der Einwohnergemeinde Zofingen übernommene Verbindlichkeiten irgend welcher Art entschieden bestreite und demgemäß gegen die Untersuchung der finanziellen Lage der Ortsbürgergemeinde Zofingen feierlichst protestirte, falls deren Ergebnisse eventuell dazu bestimmt sein sollten, irgend welche Anforderungen an die Ortsbürgergemeinde Zofingen zur Deckung der Verbindlichkeiten aus der von der Einwohnergemeinde Zofingen gemeinsam mit der Stadtgemeinde Winterthur und den Einwohnergemeinden Baden und Lenzburg übernommenen Garantie für das Neunmillionen-Auleihen der Nationalbahn zu mativiren.

272 In der Behandlung der einzelnen Städte beginnen wir mit I. Baden.

1. E i n w o h n e r g e m e i n d e .

A 1. Das Vermögen der Einwohnergemeinde beträgt auf Ende 1882 : a. An G e b ä u d e n und sonstigem Grundbesitz (Schätzung) Fr. 390,600 Alle Objekte, aus welchen dieses Vermögen besteht, meistens Gebäude, dienen öffentlichen Zwecken und sind zur Schuldendeckung nicht verwendbar.

b. An Kapitalien, N u t z n i e ß u n g e n und Beweglichkeiten Fr. 447,600 Hierunter befindet sich das als Spezialfonds zu betrachtende Schulgut, mit einem Kapitalbestand, incl.

Aktivsaldo, v o n .

.

.

. F r . 369,000 und einem Inventar von ,, 25,000 Fr. 394,000 Als Spezialfonds muß ferner ein Kapital von behandelt werden, das die Zweckbestimmung hat, mit seinem Ertrag für den Unterhalt der Schloßruine Stein zu sorgen

,,

2,000 --

,,396,0000

Der Rest von Fr. 51,(500 besteht aus Mobiliar, Inventar und Baumaterialien der Gemeindeverwaltung.

Bemerkungen.

1) Ein spezifizirter Vermögensstand der Einwohnergemeinde findet sich im gedruckten Bericht über die Gemeindeverwaltung vom Jahr 1877; seit 1878 ist kein solcher Bericht mehr gedruckt worden.

Obige Vermögensdarstellung mußte demnach aus diesem älteren Bericht und den neuesten Rechnungen der verschiedenen Verwaltungen, in welche die Gemeinde zersplittert ist, zusammengesucht, und kombinirt werden, so daß dieselbe auf absolute Richtigkeit nicht Anspruch machen kann.

273 2) Nach erhaltenen Mittheilungen gehört streng genommen das Schulgut dem Eigenthum nach der Ortsbürgergemeinde; die Experten haben es aber gleichwohl in das Vermögen der Einwohnergemeinde aufgenommen, weil es von der Gemeindeverwaltung als solches behandelt worden ist.

2. Die Schulden der Einwohnergemeinde bestehen aus: a. einem Anleihen bei der Bank Leu de Cie. in Zürich von Fr. 300,000 datirend aus dem Anfang des Jahres 1864, rückzahlbar auf 1. Mai 1887, Zinsfuß 5 %, Zinstag 31. Mai. Es ist dasselbe verwendet worden zur Ausführung öffentlicher Werke (Limmatquai, Grabenstraße etc.)

b. einem Anleihen bei der Bank in Winterthur von ,, 500,000 vom 30. Juli 1875, rückzahlbar auf 1. August 1893, Zinsfuß 5 %, Zinstag 1. August. Wurde verwendet zur Aktienbetheiligung von Fr. 500,000 bei der NationalbahN.

Summa Schulden Fr. 800,000 Die Verzinsung dieser Schulden erfordert jährlich

. Fr. 40,000

Die Zinse pro 1882 sind zwar nicht bezahlt, doch ist die dafür erforderliche Summe bei der Bank in Baden deponirt.

3. Im Falle einer Liquidation der Einwohnergemeinde würde zu den oben verzeichneten Schulden von . Fr. 800,000 noch die Nationalbahnschuld hinzukommen mit Fr. 9,000,000. Wird von der Solidargarantie abgesehen und nur die auf Baden entfallende Quote von 3/18 berechnet, so würde der noch bestehende Schuldantheil betragen ,, 1,372,000 dazu die im Prozeß gegen Winterthur durch Prozeßabstand anerkannten .

.

.

.

.

.

129,000 für eingelöste Coupons, nebst Zins davon und nebst den später verfallenen Coupons.

Summa Fr. 2,301,000 Da, wie wir gesehen, in die Liquidationsmasse nur ein Ver-, mögen von Fr. 51,000 fallen würde, das nicht einmal hinreichend wäre, die in vorstehender Schuldsumme nicht mitberechneten späBundesblatt 35. Jahrg. Bd. IV.

18

274

tern Coupons und Zinsen zu decken, so muß die genannte Schuldenmasse als eventuelles Defizit angesehen ange werden.

4. Die Ansprüche der Nationalbahn müßten in Konkurrenz mit den übrigen Schulden der Gemeinde als laufende Forderungen in der VI. Klasse angewiesen werden.

B. a. 1. Das s t e u e r p f l i c h t i g e V e r m ö g e n der E i n w o h n e r betrug pro 1882 Fr. 14,451,000 und setzt sich zusammen aus : Gebäuden Grundstücken .

Kapitalien .

Handels-, Fabrik-u. Gewerbsfond Fahrhabe 1882

Fr. 2,581,000 ,, 537,000 ,, 6,954,000 ,, 2,500,000 ,, 1,879,000

2. Das s t e u e r b a r e E r w e r b s e i n k o m m e n betrug pro Fr. 1,197,000

Es hat sich solches in den letzten Jahren vermindert, denn es betrug das steuerbare Einkommen: pro 1878 .

.

.

. F r . 1,326,000 ,, 1880 . ,, 1,269,000 b. 3. Bei dem s t e u e r b a r e n G r u n d b e s i t z von Baden kommen hauptsächlich die Gebäude in Betracht. Die Schätzung derselben erscheint auch bei den jetzigen Verhältnissen eher zu niedrig als zu hoch, was die Experten durch Vergleichung einzelner Objekte, sowie der Marktpreise mit den Schätzungen, konstatirten.

Im Jahre 1882 kamen 22 Handänderungen zur Fertigung.

Die Kaufpreise betrugen .

. Fr. 834,000 ,, Schätzungen ,, .

. ,, 796,000 Im Jahre 1874 betrugen bei 24 Handänderungen die Kaufpreise .

.

.

. F r . 491,000 ,, Schätzungen.

.

.

. ,, 371,000 b. 4. In Bezug auf die B e m e s s u n g des s t e u e r p f l i c h t i g e n E i n k o m m e n s zu den bestehenden Erwerbs Verhältnissen haben die Experten den Eindruck erhalten, die kleinen Einkommen seien zu hoch geschraubt, höhere Einkommen , d. h. Einkommen aus lukrativen Berufsarten, zu niedrig taxirt. So erscheinen Taglöhner und Fabrikarbeiter mit Fr. 600 Einkommen zu hoch be-

275 lastet im Verhältniß z. B. zu den Aerzten, welche an einem Badeund Fremdenort wie Baden mit Fr. 3000--6000 wohl zu niedrig taxirt sind.

Im Allgemeinen halten wir die Schätzungen nicht nur nicht zu hoch, sondern es sollte bei einiger Entlastung der untersten Steuerklassen durch Höherschätzung einträglicher Berufsarten eine Vermehrung des Steuerkapitals erzielt werden können.

b. 5. Den D u r c h s c h n i t t der f ü r den o r d e n t l i c h e n Gern ein deh a u s h a l t er fo r de r l i e h e n , re s p. i n den l e t z t e n f ü n f J a h r e n v e r r e c h n e t en A u s g a b e n festzustellen war nicht möglich , da das nothwendige Material nicht zur Verfügung stand.

Die Ausgaben der Gemeinde pro 1882, inbegriffen den Betrieb des von der Ortsbürgergemeinde gepachteten Kurhauses, betrugen Fr. 162,700 die Einnahmen ,, 156,100 Ausgaben Überschuß

Fr.

6,600

Der Kurhausbetrieb speziell hat folgendes finanzielles Ergebniß : Einnahmen " .

.

. F r . 15,500 Ausgaben (Pachtzins an die Ortsbürgergemeinde) . ,, 25,500 Fr. 10,000 Unter den Einnahmen figuriren. Fr. 107,000 Steuern als Ertrag von 9 halben Steuern.

b. 6. Die von der Gemeindeverwaltung in Aussicht genommenen a u ß e r o r d e n t l i c h e n A u s g a b e n betreffend Schulhauserweiterung, Grabenüberbrückung u. s. w. Die Kommission findet, daß dieselben unter den obwaltenden Umständen als nicht absolut nothwendig zu bezeichnen sind.

« b. 7. In Bezug auf E r s p a r n i s s e im G e m e i n d e h a u s h a l t ist zu konstatiren, daß die Tendenz, ökonomisch zu verwalten, vorhanden ist. Immerhin ist Folgendes zu bemerken : a. Ersparnisse könnten erzielt werden durch Vereinfachung der Verwaltung.

b. Die Erhöhung des Baubüdgets pro 1883 um volle Fr. 6000 gegenüber 1882 ist nach Ansicht der Experten angesichts der von der Gemeinde vertraglich eingegangenen und gerichtlich bestätigten, bis jetzt aber nicht erfüllten Verbindlichkeiten (Nationalbahncoupons) nicht ganz gerechtfertigt.

276 c. Aus dem nämlichen Grunde haben sich die Experten nicht überzeugen können, daß die Einwohnergemeinde in der Lage sei, den Betrieb des der Ortsbürgergemeinde gehörenden Kurhauses mit einem jährlichen Defizit von Fr. 10,000 zu führen, um so weniger, als der Ortsbürgergemeinde für das Kurhaus Einnahmen zur Verfügung stehen, die jährlich circa Fr. 15,000 betragen und ihr gestatten, seit 1880 einen Amortisationsfonds für die Kurhaussehuld anzulegen, der auf Ende 1882 bereits Fr. 45,000 beträgt.

2. Ortsbürgergemeinde. r g e m e i n d e .

Hier gilt das bei der Einwohnergemeinde in der Bemerkung l auf Seite 32 Gesagte in verstärktem Maße, indem die Administration der Bürgergemeinde in nicht weniger als fünf Abtheilungen mit mehrern Verwaltern getrennt ist. Diese Abteilungen sind : 1) Rentamt, wieder getheilt in eigentliches Rentamt und Forstverwaltung.

2) Stiftsfonds.

3) Spitalfonds (Armengut).

4) Kurhausfonds.

5) Amortisationsfonds.

A. Vermögensstand.

1. a. An Gebäuden und sonstigem Grundbesitz: a. Im Ren tarn t: An Gebäuden (altes Schloß, Kurhaus und Sommertheater) Fr. 356,000 An Liegenschaften (Wälder [662 Hektaren] und Aecker) .

.

. ,, 1,198,000 b. Im S t i f t s f o n d s : Verschiedene Gebäude nebst beiliegendem Garten .

.

.

. ' .

,,

26,500

c. Im S p i t a l f o n d s : Verschiedene Liegenschaften

,,

130,500

.

.

Summa

Fr. 1,711,000

277

V o n diesem Vermögen v o n .

.

.

.

sind aber als zu Spezialfonds gehörend und öffentlichen Zwecken dienend abzuziehen die Liegenschaften und Stiftsfonds, welche als Wohnung der katholischen Geistlichen dienen, mit .

.

. Fr. 26,500 Gleich ist es mit den Liegenschaften, welche im Spitalfonds begriffen sind und geschätzt für 130,500 Ferner befindet sich unter den Liegenschaften im Rentamt das Landvogteischloß , welches gegenwärtig zur Unterbringung von mit ansteckenden Krankheiten behafteten Personen, mithin auch zu einem öffentlichen Zwecke, dient und es 12,000 ist dessen Werth abzuschreiben mit

Fr. 1,711,000

169,000 Mithin bleiben als zur Schuldentilgung verwendbar übrig .

.

.

.

.

.

.

.

.

Fr. 1,542,000

1. b. An Kapitalien, Nutznießungen und Beweglichkeiten: a. R e n t a m t : Kapitalien Fr.

36,000 Beweglichkeiten, unter welchen die drei Feuerspritzen und die Gemeindebibliothek inbegriffen sind .

.

.

,, 15,500 b. S t i f t s f o n d s : Kapitalien

,,

182,500

,,

826,000

c. S p i t a l f o n d s : Kapitalien Rechnungsrestanz, Weinvorrath, Keller und Mostpresse .

.

.

.

.

.,,

14,000

d. K u r h a u s f o n d s : Kapital Beweglichkeiten

,, ,,

45,000 20,000

,,

166,000

.

.

.

.

e. A m o r t i s a t i o n s f o n d s .

Summa

Fr. 1,305,000

278 Fr. 1,305,000 Von den oben bezeichnetet! Gütern müssen als unveräußerlich betrachtet werden.

a. R e n t a m t : Die Beweglichkeiten mit . Fr. 15,500 b. Der ganze S t i f t s f o n d s . ,, 182,500 c. Der S p i t a l f o n d s : Kapitalien .

.

.

. ,, 826,000 ^^1,024,000 Bleibt verfügbares bewegliches Vermögen Fr.

281,000

Ueberdieß steht der ortsbürgerlichen Verwaltung zur Schuldentilgung oder, was das Gleiche bedeuten will, zur Aeuffnung der Nutzungsgüter, eine Einnahme zu Gebote, die zwar nicht eine eigentlicheNutznießung ist, aber doch einen derselben ähnlichen Charakter hat. Die Ortsbürgerversammlung hat nämlich am 23. Oktober 1880 beschlossen, die Verwaltungsüberschüsse des Spitalamts, d. h. die Einnahmen desselben, soweit sie zur Armenversorgung nicht nothwendig sind, zur Bildung eines Fonds zur Tilgung der Kurhausschuld (Kurhausfonds) zu verwenden. Die Uebersehüsse haben seit 1880 jährlich durchschnittlich Fr. 15,000 betragen und es ist der Fonds, wie wir bereits bemerkt haben, auf Ende 1882 auf Fr. 45,000 angewachsen.

2. Schuldenlast.

Die Ortsbürgergemeinde hat unterm 17. April 1878 bei der Bank in Baden einen Geldaufbruch von Fr. 525,000 gemacht, rückzahlbar am 31. März 1893 und zinsbar à 4SU °lo.

Diese Summe wurde aufgenommen zur Erwerbung des Kurhauses nach dem Geltstag der Gründungsgesellsehaft für genauntes Etablissement. Es wurde dasselbe hypothekarlich versichert auf dem Kurhause, den Waldungen und einigen andern Grundstücken.

Auf den Waldungen der Ortsbürgergemeiode haften sowohl zu Gunsten verschiedener Nachbargemeinden als Partikularen Nutznießungsrechte, deren Kapitalwerth sich auf Fr. 50,000 beläuft.

Der Spitalfonds schuldet ein Kapital von .

. Fr. 5700 von welchem die Zinse zu kirchlichen Zwecken verwendet werden.

Ferner schuldet er das sog. Kugler'sche Stipendium von ,, 1600 1^7300

279 Die Schulden der Ortsbürgergemcinde Baden belaufen sich demnach auf Fr. 525,000 .und ,, 7,300 Zusammen Fr. 532,300 und erfordern einen jährlichen Zins von ,, 25,230 wobei jedoch zu bemerken ist, daß der Zins vom Kapital der Fr. 525,000 von der Einwohnergerneinde in der Form von Pachtzins für das Kurhaus bezahlt wird.

3. Das verwerthbare Vermögen der Ortsbürgergemeinde beträgt Unbewegliches .

.

.

. F r . 1,542,000 Bewegliches 280,000 -- Fr. 1.822,000 Die Schulden betragen ,, '532,300 Bleibt reines Vermögen Fr. 1,289,700 so daß von einem Defizit im Falle gerichtlicher Liquidation nicht ·die Rede sein kann.

4. Rangordnung.

Die Ansprüche der Nationalbahn müßten, sofern sie überhaupt gegen die Ortsbürgergemeinde geltend gemacht werden könnten, als laufende Forderung in der VI. Klasse angewiesen werden. Vorrang hätte das Kurhausanleihen von Fr. 525,000 auf den Werth ·der dafür verschriebenen Hypotheken.

B. Steuerkraft.

Die Fragen 1, 2, 3 und 4 können gemeinsam beantwortet werden in folgender Weise : Die Ortsbürgergemeinde hat bis dahin keine Steuern bezogen und wird voraussichtlich auch nicht in den Fall kommen, zur Besteuerung ihrer Angehörigen schreiten zu müssen.

Die Ortsbürger sind gegentheils in der Lage, Bürgernutzen beziehen zu können. Es besteht derselbe in Holz- und Landnutzungen und es hatte solcher nach Berechnung der Verwaltung im Jahr 1882 einen Werlh von Fr. 27,500.

5. Die für den ordentlichen Gemeindehaushalt in den letzten fünf Jahren verrechneten Ausgaben konnten die Experten nicht mit Sicherheit ausmitteln. Der Voranschlag pro 1883 sieht an Ausgaben vor Fr. 80,500 und an Einnahmen ,, 111,100 Ueberschuß der Einnahmen circa

Fr.

30,600

280 Davon sind Fr. 8600 zur Ablieferung an die Einwohnergemeinde, Fr. 16,100 zur Vermehrung des Amortisationsfonds für die Kurhausschuld der Ortsbürgergemeinde und Fr. 5900 für Aeuffnung des ortsbürgerlichen Schuldentilgungsfonds bestimmt.

6. Außerordentliche Ausgaben stehen in nächster Zeit keine in Aussicht.

7. Ersparnisse im Gemeindehaushalt.

Hier ist die Frage erheblich, ob die jährlichen Burgernutzungen fortdauern sollen. Andere Ersparnisse treten gegenüber dieser sehr belangreichen Ausgabe vollständig in den Hintergrund.

Daß eine Beschränkung oder gänzliche Aufhebung der Nutzungen geboten sei und Zuwendung der daherigen Einkünfte an dit-, Einwohnergemeinde sehr wünschenswerth und der Situation angemessen wäre, ist nicht zu bestreiten, eine Diskussion hierüber ist aber durchaus zwecklos, weil die Entscheidung kraft des Gesetzes ausschließlich bei der Ortsbürgergemeinde selbst steht. Immerhin hatte die Gemeinde sich mit dem Gedanken des Verzichtes auf Bürgernutzen bereits vertraut gemacht, als sie der Einwohnergemeinde die Subvention von Fr. 580,000 an die Auslösung der Nationalbahn-Garantieschuld zusicherte, denn nach Erhebung einer solchen Summe aus dem Bürgergut dürften wohl die persönlichen Nutzungen dahinfallen oder doch sehr erheblich reduzirt werden müssen.

Lenzburg.

1. E i n w o h n e r g e m e i n d e .

A. Vermögensstand derselben.

1. Das Gesammtvermöge beträgt: a. An G e b ä u l i c h k e i ten und sonstigem Grundbesitz

Fr. 24,350

Alle bezüglichen Objekte dienen öffentlichen Zwecken und sind zur Schuldendeckung unantastbar, mit einziger Ausnahme vielleicht des Brückenwaaghause mit Waage, das jedoch einen Werth von nur Fr. 2500 repräsentirt

281 b. An Kapitalien, N u t z n i e ß u n g e n , B e w e g l i c h k e i t e n etc.

Die Bank in Winterthur soll laut Wechsel zwei Beträge von zusammen Fr. 1,768 die von der Stadt Winterthur arrestirt worden sind.

Der Einwohnergemeinde kommt laut Gesetz der Ertrag des ortsbürgerlichen, auf Ende 1882 Fr. 194,875. 11 betragenden Schulgutes zu, der zu Bestreitung der Schulausgaben verwendet werden muß. Für die Schuldendeckung kann demnach dieses Schulgut und dessen Ertrag, als Spezialfonds, nicht in Betracht gezogen werden ; das Gleiche ist der Fall mit dem auf Fr. 15,043 geschätzten Schulmobiliar.

2. Die Einwohnergemeinde Lenzburg hat folgende Schulden: a. Anleihen vom 31. Januar 1876, von ursprünglich Fr. 540,000, zu 5 %, amortisir auf .

. Fr. 427,500 b. Anleihen vom 31. Januar 1878, von ursprünglich Fr. 100,000, zu 48/4 °/o, amortisirt auf . ,, 73,000 c. Anleihen vom 31. Januar 1879, von ursprünglich Fr. 50,000, zu 4 8 /4 %, amortisirt auf . ,, 12,000 d. Anleihen vom 31. Januar 1879, von Fr. 30,000, zu 41/2 %, amortisirt auf .

.

.

,, 26,000 e. Anleihen vom 31. Januar 1881, von Fr. 100,000, zu 4 Va % ,, 100,000 Zusammen

Fr. 638,500

Gläubiger der Anleihen a, b und c ist die Hypothekar- und Leihkasse Lenzburg und es hat die Ortsbürgergemeinde Lenzburg dafür durch Verpfändung ihrer Waldungen Sicherheit geleistet.

Gläubiger von litt, d und e ist die Ortsbürgergemeinde Lenzburg.

Die Verzinsung dieser Anleihen erfordert für das Jahr 1883 eine Summe v o n .

.

.

.

.

.

. F r . 31,057 Ferner schuldet die Einwohnergemeinde der Aargauischen Bank eine Summe von Fr. 400,000, die als Subvention für die aargauische Südbahn verwendet worden ist, verzinslich zu 5 % Die Nordostbahn ist jedoch vertraglich verpflichtet, von der Verzinsung 31/2 °/o zu bestreiten und die Kapitalsumme im Jahre 1884

282 zurückzubezahlen Der Einwohnergemeinde liegt bloß die Bezahlung der Zinsdifferenz von l Va %, also von jährlich Fr. 6000, bis 1884 ob.

3. Da im Falle einer L i q u i d a t i o n der Einwohnergemeinde Lenzburg in die Liquidationsmasse kein Vermögen fallen würde, so müßte das D e f i z i t die Hohe der oben verzeigten Schulden, plus Nationalbahngarantieschuld, erreichen.

4. Rangordnung.

Die Ansprüche der Nationalbahn müßten in der VI. Klasse im gleichen Range mit den übrigen Schulden der Einwohnergemeinde kollozirt werden.

B. Steuerkraft der Angehörigen der Einwohnergemeinde a. Nach gegenwärtigem Steuerfuß.

1. Das S t e u e r p f l i e h t i g e Gesammtvermöge der Einwohnergemeinde beträgt laut Steuerkataster pro 1882 Fr. 12,156,000 und setzt sich folgendermaßen zusammen: a. Gebäude Fr. 2,319,000 b. Grundstücke ,, 1,005,000 c. Kapitalien ,, 5,777,000 d. Gewerbefonds ,, 1,788,000 &. Mobiliar ,, 1,265,000 2. Das s t e u e r p f l i c h t i g e k o m m e n beträgt pro 1882

(Erwerbs-)EinFr. 728,495

b. Nach Maßgabe einer zuläßigen Erhöhung und unter Berücksichtigung der Staatssteuer.

3. Die dermalige S c h ä t z u n g der L i e g e n s c h a f t e n erscheint im Verhältniß zu den laufenden Marktpreisen hoch genug, so daß eine Erhöhung derselben nicht gerechtfertigt ist. Von 28 Handänderungen im Jahre 1882 betrugen bei 17 die Kaufpreise Fr. 224,683 weniger als die Schätzung, bei 10 Fr. 39,935 mehr als die Schätzung. Unter den erstem befinden sich aber

283 zwei Zwangsverkäufe, in Geltstagen, mit einem Mindererlös von zusammen Fr. 174,800, so daß bei den übrigen 26 Handänderungen, im Durchschnitt genommen, Kaufpreis und Schätzung nur unwesentlich differiren. Es läßt das darauf schließen, daß bei einiger Besserung der allgemeinen Verhältnisse die Differenz sich ausgleichen würde ; eine Verminderung der Schätzungen im jetzigen Moment könnte deßhalb nicht befürwortet werden.

4. Das s t e u e r p f l i c h t i g e E i n k o m m e n erscheint im Allgemeinen hoch genug bemessen zu sein, so daß bei den dermal bestehenden Erwerbsverhältnissen eine Erhöhung nicht gerechtfertigt wäre.

5. Die durchschnittlichen o r d e n t l i c h e n A u s g a b e n in den Jahren 1878 bis und mit 1882 für das Schul-, Polizei- und Bauwesen betrugen circa Fr. 70,000 Die ordentlichen Einnahmen circa .

.

. ,, 25,000 Ueberschuß der Ausgaben Hiezu die Verzinsung der Anleihen mit .

.

und die Zinsdiflerenz des Südbahnanleihens mit .

Blieb circa

Fr. 45,000 31,000 fl ,, 6,000

. Fr. 82,000

Außer den ordentlichen Einnahmen standen der Einwohnergemeinde in einzelneu Jahren Zuschüsse aus dem Ortsbürgergut zur Verfügung, die z. B. im Jahr 1879 Fr. 9500 und im Jahre 1880 Fr. 5580 betrugen.

An Gemeindesteuern wurden durchschnittlich circa Fr. 90,000 oder 4'/2 Steuern erhoben, wovon 4 Steuern für die laufende Verwaltung genügten und eine halbe Steuer gemäß Beschluß der Gemeinde von 1878 zur Schuldentilgung verwendet wurde.

6. Der G-emeinderath nennt als für die nächste Zeit in Aussicht stehende a u ß e r o r d e n t l i c h e A u s g a b e n Summen im Gesammtbetrage von Fr. 300,000 für Wasserleitungen, Schulhausund Gefängnilibauten.

Diese Ausgaben sind jedoch nicht so dringend, daß ihnen der Vorrang vor den von der Gemeinde vertragsmäßig eingegangenen Verpflichtungen zugestanden werden könnte.

7. Im G e m e i n d e h a u s h a l t lassen sich ohne Benachtheiligung öffentlicher Interessen keine wesentlichen E r s p a r n i s s e erzielen; zu bemerken ist bloß, daß die Ausgabe für Deckung der Zinsdifferenz bei dem Südbahnanleihen mit jährlieh Fr. 6000 vom Jahre 1884 an aufhört.

284 2. O r t s b ü r g e r g e m e i n d e .

A. 1. Gesammtvermögen.

a . A u Gè b a u l i c h k e i t e n u n d s o n s t i g e m G r u n d b e s i t z .

Auf 31. Dezember 1881 war dei- Stund folgender: a a . Gebäulichkeiten, geschätzt f ü r .

.

. F r . 359,800 b b. Grundstücke, 1394,81 Aren im Schätzungswerte von 60,000 fl c c. Waldungen, 602 Hekt. im Schätzungswerte von ,, 1,009,200 Summa Fr. 1,429,000 Hievon sind, als öffentlichen Zwecken dienend und Kur Schuldendeckung unantastbar, abzuschreiben Gebäude im Schatzungswerthe von .

.

. ,, 345,300 Bleiben Fr. 1,083,700 b. K a p i t a l i e n , N u t z n i e ß u n g e n und Beweglichkeiten: Das Gemeindegut besitzt an Kapitalien . Fr. 455,860 Inbegriffen Fr. 126,000 Forderung an die Einwohnergemeinde. Ferner Conto-Corrent-Guthaben und Kassasaldo der Forstkasse auf 31. Dezember 1881 . ,, '21,600 Summa Vermögen Fr. 1,561,100 Ferner bestehen folgende Separat- und Stiftungsfonds : Armengut Fr. 237,207 Inbegriffen Fr. 5227. 50 Mobiliarbestand im Spital.

Waisengut .

.

.

.'

.

.

. ,, 121,850 Armenlegatengut .

.

.

.

.

.

.

. 35,620 Schulgut ,, 194,755 inbegrifien den Separatfonds für Anschaffung einer Kadettenkanone Fr. 500. Separatfonds für Jugendfestspenden Fr. 750 und Separatfonds für Studirende von Fr. 6000.

' _ Summa Fr. 589,432 2. Eigene Schulden hat die Ortsbürgergemeinde keine. Dagegen hat sie für die drei Anleihen der Einwohnergemeinde von ursprünglich Fr. 540,000, Fr. 100,000 und Fr. 50,000 ihre Waldungen verpfändet.

285 3- Bei einer L i q u i d a t i o n würde sich, wie aus obiger Darstellung hervorgeht, k e i n D é f a i t ergeben, da zur Zeit ein verwerthbares Reinvermögen vorhanden ist von rund Fr. 1.560,000 Bin Defizit würde selbst dann nicht eintreten, wenn die Einwohnergemeinde in Liquidation fallen und die Ortsbürgergemeinde in den Fall kommen würde, die Schulden der erstem, für welche sie Garantie geleistet hat, bezahlen zu müssen, betragend dermalen noch .

.

. F r . 512,000 In diesem Falle würde auch die Forderung der Ortsbürgergemeinde an die Einwohnergemeinde von .

,, 126,000 verloren gehen, und es würde somit eine Vermögensverminderung eintreten von _ ,, 638,000 Immerhin also der Bürgergemeinde noch ein V e r m ö g e n v e r b l e i b e n von .

.

.

. F r . 922.000 O

3

7

4. Rangordnung.

Vorgang hätte die Forderung der Spar- und Hypothekenkasse Lenzburg von Fr. 512,000, weil sie auf Gebäude und Waldungen Hypotheken besitzt und in der II. Klasse angewiesen würde.

Die Nationalbahnschuld käme, sofern sie überhaupt gegen die Ortsbürgergemeinde geltend gemacht werden könnte, in die VI. Klasse au stehen.

B. Steuerkraft der Angehörigen der Ortsbürgergemeinde.

Zu 1, 2, 3 und 4 des Fragenschemas : Steuern brauchten keine bezogen zu werden; es wird gegentheils Bürgernutzen ver theilt, der pro 1881 auf Fr. 27,000 veranschlagt wurde.

5. Die im Durchschnitt für den ordentlichen Gemeindehaushalt erforderlichen, bezw. in den letzten fünf Jahren verrechneten Ausgaben betragen: 1878 . Fr. 21,000 1879 . ,, 23,000 Inbegriffen Fr. 9500 Zuschuß an die Polizeikasse der Einwohnergemeinde.

1880 . Fr. 18,000 Inbegriffen Fr. 5580 Zuschuß an die Polizeikasse der Einwohnergemeinde 1881 . Fr. 20,000 inbegriffen Fr. 500 Zuschuß an die Polizeikasse.

286 Außer dea Separatfonds (Armengut, Waisengut, Schulgut u. s. w.)

sind in diesen Zahlen nicht begriffen die speziell die Administration der Waldungen betreffenden Ausgaben der Forstkasse. Die Rechnungen über diesen Bestandtheil des Gemeindegutes verzeihen alljährliche Einnahmenüberschüsse, so daß der Bestand der Forstkasse von Fr. 95,583 im Jahre 1878 sich vermehrte auf Fr. 148,000 im Jahre 1882.

6. Außerordentliche Ausgaben.

Es sind den Experten keine für die nächste Zeit in Aussicht stehende außerordentliche Ausgaben namhaft gemacht worden.

7. Ersparnisse im Gemeindehaushalt.

Hier gilt in Bezug auf den Bürgernutzen das bei der Ortsbürgergemeinde Baden Gesagte. Derselbe wurde pro 1881 auf 27,000 Frankenveranschalgt

Zofingen 1. E i n w o h n e r g e m e i n d e .

A. Vermögensstand.

1. Gesammtbvermögen : a . A n G e b ä u l i c h k e i t e n i m Schätzungswerte von Fr. 680,200 b. An s o n s t i g e m G r u n d b e s i t z . ,, 19,560 Summa

Fr. 699,760

Zu öffentlichen Zwecken dienend sind sämmtliche Gebäude, mit Ausnahme der Gasfabrik .

.

.

.

. F r . 55,000 u n d d e s Kohlenschuppens .

.

.

.

.

. " 1,200 ferner ist als öffentlich zu betrachten das Umgeländ des Schulhauses, wogegen verwendbar ist das Land zur Gasfabrik ,, 2,590 Das Verwendbare hat demnach einen Werth von . Fr. 58,790 Dabei gilt, daß das gestimmte Gaswerk der Ortsbürgergemeinde für eine Anforderung- an die Einwohnergemeinde im Belange von Fr. 177,975. 26 am 2. August 1878 verpfändet worden ist.

287

c. An K a p i t a l i e n , Nutznießungen, Beweglichk e i t e n etc. : aa. An Kapitalien: Nichts, bb. An Nutznießungen: Das Schulgut, der Ortsbürgergemeinde gehörend Fr. 192,700 Der jährliche Staatsbeitrag an dieBezirksschule, auf Stiftung beruhend, kapitalisirt ri 107,000 Das Singstipendium Bossardts, der Ortsbürgergemeinde gehörend .

.

· ·» 640 Das Oberst Suter'sche Stipendium . ,, 2,420 Fr.

cc. An Beweglichkeiten : Im Schulhaus In der Turnhalle Löschgeräthe Marktstände Material des Kadettenkorps .

.

,, ,, Gaswerks .

,, der Bauverwaltung .

Gasapparate und Einrichtungen .

Fr.

,, ,, ,, . ,, ,, . ,, . ,, .

302,760 40,000 4,000 30,000 4,000 9,800 4,030 4,550 97,000

Fr. 193,380 Von diesen Werthen sub aa, bb und cc sind auszuscheiden, weil für die Schuldendeckung nicht verwendbar: Die Nutznießungen, weil auf besondern Stiftungen beruhend und zu bestimmten öffentlichen Zwecken dienend ; Gesammtwerth Fr. 303,000.

Ferner sind auszuscheiden die aufgezählten Beweglichkeiten, weil zu öffentlichen Zwecken dienend, im Betrage von Fr. 193,380 mit Ausnahme: des Materials des Gaswerks .

. Fr.

4,030 der Gasapparate ,, 97,000 Bleiben auszuscheiden

.

Fr. 101,030 ,, 92,350

,,

92,350

Fazit Fr. 193,380 Demnach sind aus der Rubrik c lediglich verwendbar Beweglichkeiten geschätzt auf .

.

. Fr. 101,030

288 Dabei ist zu bemerken, daß diese Beweglichkeiten der Ortsbürgergemeinde am 2. August 1878 verpfändet worden sind (vide oben A. 1. a).

Z u s a m in e n z u g.

Die Einwohnergeiueinde Zotiugeu hat ein Vermögen von : a. Au Gcbäulichkeiten Fr. 680,200 b . ,, sonstigem Grundbesitz .

.

.

.

.

.

19,560 c . a a . A n Kapitalien .

.

.

.

.

.

.

-- bb. ,, Nutznießungen ,, 303,000 cc. ,, Beweglichkeiten .

.

.

.

.

. 193,380

Summa

Fr. 1,19(5,140

Davon sind zur Schuldendeckung verwendbar: An Liegenschaften ,, Beweglichkeiten

Fr. 58,790 ,, 101.030

Summa 2. Schuldenlast der Einwohnergemeinde.

Einziger Gläubiger ist die Ortsbürgergemeinde Posten : 1) Sehulhausbauschuld 2) Gaswerkbausnhuld 3) Schuld für Vorempfang von jährlichen Ertragsüberschüssen seit 1877. ' .

.

.

Gesammtschuld

Fr. 159,820

für folgende Fr. 879,777 ,, 177,975 ,,

63,392

Fr. 1,121,144

Für den Posten Ziffer 3 gilt, daß derselbe gegen künftige Ertragsüberschüsse zu verrechnen ist.

Die Posten Ziffer l und 2, zusammen Fr. 1,057,752, sind zu 5 % jährlich verzinslich.

Die jährliche Leistung der Einwohnergemeinde für die Verzinsung der Schulden beträgt demnach Fr. 52,887.

3. Im Falle einer Liquidation würde sich das Defizit so berechnen :

289

Aktiva : An Gasfabrik und Zubehörde ,, Land z u r Gasfabrik .

.

.

.

,, Einrichtungen und Material des Gaswerks.

Fr. 56,200 .

.

2,590 . ^ 101,030

Summa Fr. 159,820 Passiva : Schulhausbauschuld .

.

.

. F r . 879,777 Gaswerkbauschuld ,, 177,975 Schuld für Vorempfang von Ertragsüberschüssen . ,, 63,392 ,, 1,121,144 Demnach Defizit Fr. 961,324 4. Rangordnung.

Wie im Eingangsbericht bemerkt, käme in die II. Klasse die Forderung der Ortsbürgergemeinde im Betrage von Fr. 177,975, wofür dieselbe Hypothek auf das Gaswerk mit Zubehörden und Einrichtungen besitzt. In die VI. Klasse kämen alle übrigen Forderungen, einschließlich die National bahnschuld, zu stehen.

B. Steuerkraft.

a. Nach g e g e n w ä r t i g e m Steuerfuß.

1) Auf 1. Oktober 1882 beträgt das s t e u e r p f l i c h t i g e Vermöge n: a. An Kapitalien Fr. 9,392,327 b. ,, Grundstücken ,, 1,453,628 c. ,, Gebäulichkeiten . ,, 4,787,698 d. ,, Handels-, Gewerbs- und Fabrikfonds ,, 2,728,765 e. ,, Fahrhabe ,, 2,649,119 Fr. 21,011,537 2) Nach dem Stand des Steuerkatasters auf 1. Oktober 1882 betrug das s t e u e r p f l i c h t i g e E i n k o m m e n Fr. 1,114,000 b. Nach Maßgabe einer zuläßigen E r h ö h u n g und unter Berücksichtigung der Staatssteuer.

3) Aus einem Auszug aus dem Fertigungsprotokoll im Zeitraum von 1875 bis 1883 ergibt sich Folgendes: Im Jahre 1875 gab es 47 Eigenthumsübertragungen, bei welchen überall der Verkaufspreis über der Schätzung steht.

Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. IV.

19

290 Im Jahre 1876 gab es 34 Eigenthumsübertragungen, wobei der Kaufpreis in 32 Fällen höher, in 2 Fällen niedriger steht als die Schätzung.

1877: 30 Uebertragungen mit Verkaufspreisen über der Schätzung.

1878: 36 Uebertragungen, in 32 Fällen über, in 4 Fällen unter der Sehatzung.

1879: 37 Uebertragungen, in 25 Fällen über, in 12 Fällen unter der Schätzung.

1880: 39 Uebertragungen, in 29 Fällen über, in 4 Fällen unter, in 6 Fällen um die Schätzung.

1881: 24 Uebertragungen, davon 16 über, 7 unter und l um die Sehatzung.

1882: 26 Uebertragungen, 10 über, 9 unter und 7 um die Schätzung.

Diese Uebersicht belehrt, daß die freiwilligen Handänderungen successive abnehmen, daß die Marktpreise seit 1875 von Jahr zu Jahr mehr den tiefer stehenden Schätzungen dei- Brandversicherung, resp. der Steuerschätzung, sich nähern oder dieselbe untersteigen Eine Erhöhung der Schätzungen wäre heute kaum gerechtfertigt, jedenfalls nicht eine solche von erheblichem Maße.

4) In Bezug auf die B e m e s s u n g des s t e u e r p f l i c h t i g e n E i n k o m m e n s z u d e n b e s t e h e n d e n E r w e r b s v e r h ä 11 uissen dürfte das Urtheil richtig sein, daß die großem Einkommen bisher mäßig taxirt waren, wogegen infolge des Umstandes, daß das aargauische Stenergesetz das sogenannte Existenzminimum nicht kennt, die Pflichtigen mit kleinen Einkommen durch die daherige Steuer empfindlich gedrückt werden. Bei Zofingen füllt neben Darniederliegen von Fabrikation und Handel im Allgemeinen noch besonders in's Gewicht der bleibende Niedergang der dort heimisch gewesenenHalbwollenfabrikation..

Daher würde sieh eine Erhöhung des Erwerbssteuerkapitals kaum rechtfertigen lassen.

5. Die Ausgaben für den ordentlichen Gemeindehaushalt betrugen laut den Gemeinderechnungen, Inbegriffen Gaswerkbetrieb und Schuld en Verzinsung: im Jahr 1879 . ,, 185,000 " ,, 1880 . ,, 195,000 ,, ,, 1881 .

.

.

. ,, 178,000 ,, ,, 1882 .

.

.

. ,, 185,000 also durchschnittlich im Jahr Fr. 185,000.

291 Im Jahr 1881 waren die wirklichen Einnahmen und Ausgaben um Fr. 55,000 höher als oben angegeben. Diese Fr. 55,000 hatten von der Erbschaft eines Steuerpflichtigen als Nach-, resp. Strafsteuern bezahlt werden müssen und wurden zur Abzahlung an der Schulhausbauschuld bei der Ortsbürgergemeinde verwendet, die dadurch von Fr. 934,777 auf Fr. 879,777 reduzirt wurde. Die Einnahme wie die Ausgabe war somit eine außerordentliche.

Die ordentlichen Jahreseinnahmen betrugen in den genannten fünf Jahren durchschnittlich Fr. 50,000, so daß durch Steuern zu decken waren circa Fr. 135,000, entsprechend 4% Steuern.

7. Die Kommission ist nicht im Stande, mit Sicherheit zu beurtheile, ob sich im Gemeindehaushalt ohne Benachtheiligun der öffentlichen Interessen E r s p a r n i s s e erzielen lassen. Doch will der Kommission scheinen , die Ortsbürgergemeinde sollte sich für ihre Forderung an die Einwohnergemeinde mit einem geringern Zinsfuß als 5 °/o begnügen können, um so mehr, als das Geld zum Bau eines neuen Schulhauses verwendet worden und infolge dessen das früher der Einwohnergemeinde unentgeltlich zur Verfügung gestandene alte Schulhaus an die Ortsbürgergemeinde zurückgefallen ist.

2. Ortsbürgergemeinde A. Vermögensbestand.

1. Gesammtvermög : a. A n Gebäulichkeiten u n d s o n s t i g e m G r u n d besitz: aa. 31 Gebäulichkeiten im Schatzungswerthe von Fr. 582,000 bb. Waldungen, ungefähr 1437 ha. . " 2,794,000 cc. Anderer Grundbesitz .

.

. ,, 127,000 Summa Als öffentlichen Zwecken dienend sind abzuschreiben Gebäude im Schätzungswerthe von .

Fr. 3,503,000

Bleiben

Fr. 3,188,000

,,

315,000

292

b. An K a p i t a l i e n , N u t z n i e ß u n g e n , B e w e g l i c h k e i t e n u. s. f.: aa. An K a p i t a l i e n : 1) In den Zinsrödeln .

.

. F r . 431,800 2) Schuldentilgungsfonds .

. ,, 550,000 3) Reserve für die Vorschüsse an die Einwohnergemeinde zur theilweisen Eialösung der Nationalbahngarantie ,, 1,210,700 4) Guthaben an der Einwohnergemeinde: Schulhausbaukapital .

. ,, 879,700 Gaswerksbaukapital .

. ,, 178,000 5) Aktivsaldo der Kapitalienrechnung ,, 52,000 6) Bibliothekfonds.

,, 4,500 Fr. 3,306,700 bb. N u t z n i e ß u n g e n : Nichts.

cc. B e w e g l i c h k e i t e n : Nichts, dd. A n d e r w e i t i g e s G u t h a b e n : 1) Aktivsaldo der Verwaltungsrechnung 2) Conto-Corrent-Guthaben bei der Bank in Zofingen 3) Conto-Corrent-Guthaben bei der Bank in Zofingen auf Conto: Zinse der Reserve für die Einwohnergemeinde 4) Guthaben an der Einwohnergemeinde für pro 1877 zu viel bezogene Ertragsüberschüsse .

5) Ausstände bei der Forstverwaltung 6) Ausstehende Kapitalzinse .

.

7) Ausstehende Pacht- und Miethzinse 8) Weinvorrath im Rathhauskeller

Fr.

42,800

,,

56,000

·,,

61,000

,,

63,000

,, ,,

49,400 6,800

,, ,,

1,000 10,000

Fr.

290,000

293 Auf 31. Dezember 1882 berechnen sich die neben diesem Vermögen bestehenden S p e z i a l f o n d s und S t i f t u n g s g ü t e r wie folgt: 1) Schulgut Fr. 301,900 2) Armengut ,, 251,800 3) Spitalgut ,, 640,700 4) Waisenhausgut ,, 275,500 5) Pfrundgut (Pfriindergut) .

,, 110,000 6) Separat-Armengut zur Unterstützung nichtortsbürgerlicher Armen 32,800 w 7) Spenden- und Legatfonds ,, 61,100 8) Stipendienfonds ,, 21,700 9) Sonntagsschulfonds ,, 15,700 10) Legatfonds ,, 26,800 11) Bibliothekfonds ,, 4,500 Fr. 1,742,500 Zusammenzug.

Das verwendbare Vermögen der Ortsbürgergemeinde berechnet sich somit wie folgt: a. Gebäude und anderer Grundbesitz .

. Fr. 3,188,000 b. Kapitalien .

.

Andere Guthaben

.

.

. F r . 3,306,000 . _ 290,000 : ---

Summa des verwendbaren Vermögens

,,

3,596,000

Fr. 6,784,000

2. Die Ortsblirgergemeinde hat folgende Schulden: 1) Anleihen von 1874 behufs Vorschuß an die Einwohnergemeinde zum Schulhausbau und Einzahlung der am Platze derselben gezeichneten Nationalbahnaktien, mit Hypothek Fr. 2,489,000 2) Anleihen von 1877 behufs Einzahlung der am Platze der Einwohnergemeinden übernommenen Nationalbahnobligationen, mit Hypothek ,, 800,000 3) Andere Passivobligationen ,, 307,500 Summa

Fr. 3,596,500

294 Die für die Verzinsung dieser Schuldposten erforderlichen jährlichen Leistungen beziffern sich wie folgt: 1) Zins vom Anleihen von 1874, rückzahlbar am 31. Jänner 1889, zu 5 % Fr. 124,450 2) Zins vom Anleihen von 1877, rückzahlbar 1892, zu 5 % ,, 40,000 3) Zins der übrigen Passivobligationen zu 4 % . ,, 12,300 Summa

Fr. "176,750

3. Aus den vorstehenden Auseinandersetzungen (Ziffer l und 2} ergibt sich, daß bei einer Liquidation kein Defizit, sondern ein Mehrvermögen von circa Fr. 3,200,000 resultiren würde.

4. Auf den Fall, daß die Ansprüche aus der Nationalbahngarantie bei der Liquidation des Vermögens der Bürgergemeinde angemeldet würden, wären dieselben in die VI. Klasse der Gläubiger einzureihen. Vorrang in der II. Klasse hätten die hypothekarisch versicherten Forderungen der Anleihen von 1874 und 1877 von zusammen Fr. 3,289,000.

B. Steuerkraft der Angehörigen der Ortsbürgergemeinde.

Zu 1, 2, 3 und 4 des Fragenschemas.

Die Bürgergemeinde von Zofingen hat bis dahin keine Steuern bezogen und wird voraussichtlich auch in der Zukunft nicht in den Fall kommen, solche beziehen zu müssen.

Im Gegentheil werden den Ortsbürgern jährliche Nutzungen ausgetheil, welche von der Verwaltung im Jahre 1882 auf Fr. 59,480 gewerthe wurden, ungerechnet die Benutzung von ,,Rütten" und ,,Bündten".

5. Die Ausgaben im ordentlichen Gemeindehaushalt der Ortsbürgergemeinde betrugen in den letzten fünf Jahren , mit Inbegriff der jährlich durchschnittlieh auf Fr. 198,000 sich belaufenden Passivzinse, aber mit Ausschluß der Kosten der Verwaltung der Spezialfonds: 1878 Fr. 199,000 1879 ,, 248,000 1880 ,, 238,000 1881 ,, 215,000 1882 ,, 208,000

295 also durchschnittlich Nach Abzug der Passivzinse von

.

.

.

.

bleiben noch

Fr. 222,000 ,, 198,000 Fr.

24,000

6. Der Bauverwalter büdgetirt für außerordentliche Ausgaben für Neubauten und Reparaturen an Gebäuden, Einfriedigungen und Weganlagen die Summe von Fr. 148,000. In den Neubauten ist namentlich ein auf Fr. 100,000 veranschlagtes Waisenhaus begriffen.

Die Kommission hat sich von der Nothwendigkeit dieser Bauten nicht überzeugen können.

7. In Bezug auf die Frage, ob sich im G-emeindehaushalt ohne Benachteiligung öffentlicher Interessen Ersparnisse erzielen lassen, verweisen wir auf das bei der Ortsbürgergemeinde Baden Gesagte.

D. Tergleicheng der Faktoren A und B.

1. Zwischen den einzelnen Einwohnergemeinden.

a. In B e z u g a u f d i e V e r m ö g e u s v e r h ä l t n i s s e .

Verwendbares Vermögen.

Fr.

Winterthur Baden .

Lenzburg Zoflngen

.

.

.

.

.

.

.

.

. 12,457,221 .

51,495 .

1,768 .

101,076

ou u Schulden.

Fr.

SchuldenÜberschuß.

Fr.

14,327,650 800,000 638,500 1,121,144

1,780,429 748,505 636,732 1,020,068

b. In B e z u g a u f d i e S t e u e r V e r h ä l t n i s s e .

Es ist in jüngster Zeit vielfach darüber gestritten worden, wo die größere Steuerlast bestehe, in Winterthur oder in den aargauischen Städten. Allen daherigen Berechnungen, so fleißig und genau ausgearbeitet sie auch erscheinen mögen, können die Experten keinen großen Werth beilegen, da die in den beiden Kantonen zur Anwendung kommenden Steuergrundsätze und die in Berechnung fallenden Faktoren zu verschiedenartig sind, um Vergleichungen zuzulassen, die nicht nur äußerlich impouiren, sondern auch auf innere Richtigkeit Anspruch machen können. Wir erinnern nur an folgende sich aus der Darstellung der beidseitigen Steuergesetzgebungen ergebenden Verschiedenheiten : Progressivsystem im Kanton Zürich,

296 im Aargau nicht; Gemeindeeinkommensteuer im Aargau, in Zürich Manns- und Haushaltungssteuer 5 in Zürich ein Abzug von Fr. 500 für jeden Einkommensteuerpflichtigen, im Aargau Reduktion der ersten Fr. 4 einer einfachen Steuer auf die Hälfte für alle Steuerpflichtigen; Zürich bezieht auf Fr. l vom Tausend Vermögenssteuer Fr. 2 vom Hundert Einkommensteuer; im Aargau beträgt die einfache Einkommensteuer Fr. l vom Hundert, die einfache Vermögenssteuer, je nach den Vermögensfaktoren, Fr. 1. 20, 80 Rp., 60 Rp. und 30 Rp., durchschnittlich also 72 Rp. vom Tausend, mithin ein ganz anderes, namentlich dem Einkommen günstigeres Verhältniß. Selbst eine Arbeit, wie diejenige des Herrn Bankdirektor Ammann in Baden, worin berechnet worden ist, was jeder einzelne Steuerpflichtige von Baden in Winterthur nach dortigem Steuersystem zu bezahlen hätte, liefert nicht zuverlässige Resultate, weil die Maximen, welche an den beiden Orten bei den Steuerschatzungen zur Anwendung kommen, verschiedene sein können und unzweifelhaft auch sind. Das aargauische Steuergesetz bietet den Steuerpflichtigen mehr Gewähr gegen Wilkürlichkeiten und Ueberscltätzungen, als das zürcherische. Im Kanton Aargau müssen die verschiedenen Steuerobjekte: Einkommen, Gebäude, Grundstücke, Gewerbefonds, Fahrhabe, sowie die Schulden, besonders behandelt und in die Register eingetragen werden und in verschiedenen Punkten ist die Schal zungsbefugniß der Kommissionen begrenzt. So gelten z. B. für die Gebäude die Brandversicherungsschatzungen als Steuerkapital, die Grundstücke werden in Werthklassen, die nach allgemeinen Normen aufgestellt worden sind, eingetheilt, über die abzugsberechtigten Schulden kann der Schuldner Nachweis leisten u. s. w. Die Steuerregister machen denn auch den Eindruck, speziell beim liegenschaftlichen Vermögen, einer genauen und richtigen Berechnung des Steuerkapitals, denn Eintragungen, wie die folgenden, die wir beispielsweise aus dem Steuerregister von Baden herausheben, können nicht bloß das Resultat willkürlicher Schätzung sein, sondern müssen denselben wirklich bestehende Faktoren zu Grunde liegen: Polio des Vermögen.

Steuerregisters.

58 260 306 544

Gebäude < Grundstücke Gebäude Grundstücke Gebäude ,, Grundstücke

Anschlag.

Fr.

Schulden.

Fr.

Reinvermögen.

Fr.

187,100 16,131 27,000 536 14,700 7,200 29,267

257,250 22,400 20,000 -- 13,310 -- 4,142

-- -- 7,000 536 1,390 7,200 25,125

297

Anders dagegen im Kanton Zürich; dort beruht alles auf Schätzung durch die Stellerkommissionen, und zwar auf einer Schätzung in Bausch und Bogen, beim Vermögen sowohl, als in Betreff der Schulden und des Einkommens. Wie hoch bei einer Vermögensschatzung Gebäude, Grundstücke, Kapitalbesitz, Fahrhabe etc. berechnet sind, ist nirgends ersichtlich und weiß Niemand zu sagen. Man kann denn auch bei Durchsicht der Steuerregister sich des Bindrucks nicht erwehren, die Festsetzung dieser schön nach Tausendern, Zehntausendern und Hunderttausendern abgerundeten Steuervermögen entspreche nicht immer der Wirklichkeit, sondern sei oft das Produkt von willkürlichen Schätzungen und Ueberschätzungen.

Unter diesen Umständen können die. Experten ihrer Vergleichung der Steuerlast zwischen Winterthur und den aargauisehen Städten keinen andern Maßstab, als die Bevölkerungszahl zu Grunde legen. Daraus ergeben sich denn auch erfahrungsgemäß annähernd richtige Resultate, so daß sich auch die Statistik sehr oft dieser Methode bedient.

Nun bezogen im Jahre 1882 Gemeindesteuern: Vom Vom Einkommen, Vermögen, resp. von Haushaltung Total.

und Mann.

Fr.

Fr.

Fr.

Winterthur Baden Lenzburg Zofingen

468,753 58,000 54,500 86,000

48,755 49,000 35,500 51,000

517,000 107,000 90,000 137,000

Per Kopf der Bevölkerung.

Fr.

47 29 33 31

Für Winterthur fällt weiter in's Gewicht, daß im Kanton Zürich eine Staatssteuer von 4 %o erhoben wird. Wenn daher für Winterthur die wirkliche Steuerlast der Bevölkerung ohne Rücksieht auf den Bezüger berechnet werden will, so muß zu der Gemeindesteuer von Fr. 517,000 noch hinzugerechnet werden die im Jahre 1882 aus der Gemeinde Winterthur dem Staate bezahlte Vermögens-, Einkommens- und Aktivbürgersteuer von zusammen ,, 320,000 Summa

Fr. 837,000

oder Gesammtsteuerlast per Kopf der Bevölkerung .

. Fr. 60

In Bezug auf die im Gesetze vorgesehene Vertheilung der Steuern hört man, wie überall, auch in den Kantonen Zürich und

298 Aargau Klagen. Es scheint den Experten die Klage in letzterem Kanton, daß einzelne Vermögensgattungen namentlich die Kapitalien, im Verhältniss zu andern und zum Einkommen, zu hoch belastet seien, nicht unbegründet. Im Kanton Zürich dagegen beklagt man sich gewiß nicht ohne Grund iu Bezug auf die Gemeindesteuer über Ungleichheit undUnbilligkeit, die darin liegt, daß zu GemeindeZwecken keineEinkommenssteuer, sondern an derenPlatz, eine einheitliche, für den Aermsten wie den Reichsten gleich große Manns- und Haushaltungssteuer bezogen wird. In dieser Beziehung stellen die Grundsätze desStaatssteuergesetzess von 1870 und diejenigen desGemeindesteuergesetzess von 1875 iu schroffem Widerspruch.. Sehen wir uns die Sache in Winterthur näher an. Dort wurde im Jahr 1882 an Einkommenssteuer zu Händen des Staates bei einem Steuerfuß v o n 4 0/00o bezogen .

.

. Fr. 123,000.

Hätte die Gemeinde auch Einkommenssteuer beziehen können, so würde sie bei 7 %o Steuer betrugen haben . Fr. 213,500 Die Manns- und Haushaltungssteuer hat nur abgeworfen ,, 48,750 somit Ausfall Fr. 164,750 was so viel sagen will, daß wenn eine Einkommenssteiler hätte bezogen werden können, bei 5 0/00 Steuer eine ebenso grosse Einnahme erzielt worden wäre, als es bei 7 °/oo ohne Einkommenssteuer der Fall gewesen ist. Zu welcher Ungleichheit in der Vertheilung der Steuerlast und zu welch großer Ueberlastung des Vermögens der Mangel einer Einkommenssteuer führt, mag aus folgendem Beispiele hervorgehen: Bin F a b r i k d i r e k t o r mit einem Einkommen von Fr. 20,000 bezahlt der Gemeinde davon keine Steuer. Ein F a b r i k b e s i t z e r , dessen Vermögen in Gebäuden, Grundstücken und Mobiliar gesehätzt ist auf Fr. 400,000, und der ebenso große, vielleicht größere Mühe hat, daraus eine Rendite von 5 %, somit ein Einkommen vou Fr. 20,000 herauszuschlagen, als es dem Fabrikdirektor Mühe macht, seine gleich große Besoldung zu verdienen, bezahlt der Gemeinde eine Steuer von Fr. 2190 !

Bei einem solchen Steuersystem, wonach das Einkommen gar nicht, das Vermögen aber progressiv besteuert wird, ist es möglich, daß der höchste Steuerpflichtige von Winterthur, Inhaber eines Exportgeschäfts, dessen Vermögen auf Fr. 2,850,000 geschätzt ist, der Gemeinde einzig nahezu Fr. 20,400, mit der Staatssteuer zusammen Fr. 31,600 bezahlen muß, bei 8 1/2 °/o Gemeindesteuer sogar Fr. 36,567 zu bezahlen hatte.

299

Aber ebenso sehr wie nach oben erzeugt die Abwesenheit der Einkommeussteuer nach unten Ungleichheiten, denn es ist doch gewiß als eine ungleiche Belastung zu betrachten, wenn Leute mit Fr. 5000, Fr. 10,000 bis 25,000 Einkommen genau so viel Gemeindesteuer bezahlen, wie die Fabrikarbeiter und Taglöhner mit Fr. 600 Einkommen, nämlich Fr. 14 Manns- und Haushaltungssteuer; für erstere ist es keine, für letztere eine viel zu hohe Steuer.

Die Experten würden es daher als eine Wohlthat für die Finanzverhältnisse der Gemeinde Winterthur und deren Rekonstruktion betrachten, wenn sie gesetzlich in die Lage gesetzt würde, eine Einkommenssteuer beziehen zu können.

In Betreff des Verhältnisses der dermaligen Schätzung des Grundbesitzes zu den laufenden Marktpreisen finden die Experten, daß dasselbe in den aargauischen Städten, wenn auch nicht normal, so doch kein wesentlich anderes ist, als es bei den jetzigen Zeitverhältnissen fast überall gefunden wird, daß aber in Winterthur ein eigentliches Mißverhältnis besteht, so zwar, daß wenn eine Abänderung der Schätzungen vorgenommen würde, solche billigermaßen im Sinne der Verminderung ausfallen könnte.

Die für den ordentlichen Gemeindehaushalt erforderlichen resp.

in den letzten fünf Jahren durchschnittlich verrechneten Ausgaben betragen per Kopf der Bevölkerung : in ,, ,, ,,

Winterthur Baden Lenzburg Zoflngen

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

. Fr. 94 ,, 44 ,, 39 . ,, 42

Betreffend Notwendigkeit außerordentlicher Ausgaben, so findet sich solche in keiner der vier Städte vor.

In Bezug auf mögliche Ersparnisse im Gemeindehaushalt haben wir bei jeder der einzelnen Städte irn Speziellen unsere Bemerkungen gemacht. Im Allgemeinen fügen wir noch Folgendes bei : Alle vier Städte waren früher reich und brauchten sich in Bezug auf ihre Ausgaben keine Beschränkung aufzulegen. Mit dem Eintritt veränderter Verhältnisse und hoher Steuern suchte man überall den Gemeindehaushalt einfacher und billiger zu machen. Wenn die Experten aber sagen, Ersparnisse seien nicht mehr zu machen, so reden sie da vom Standpunkt der betreffenden Städtebewohner und ihrer aus früherer Zeit ererbten Anschauungen und Bedürfnisse aus, während absolut genommen die Kosten des Gemeindehaushalts im Verhältnisse zu andern Ortschaften immer noch hoch erscheinen.

300

2. Vergleichung der Vermögens- und Steuerverhältnisse zwischen den Kantonen ZUrich und Aargau.

Laut den Staatsrechnungen pro 1881 besitzen an reinem Staatsvermögen : der Kanton Z ü r i c h .

.

. Fr. 40,400,000 ,, A a r g au .

.

. ,, 24,700,000 oder auf den Kopf der Bevölkerung berechnet: Zürich Fr. 127. -- Aargau ,, 125. 50 Der Kanton Z ü r i c h bezieht eine direkte Staatssteuer von 4 °/oo, die im Jahre 1881 abgeworfen hat .

. Fr. 3,355,000 oder per Kopf ,, 10. 80.

Trotz dieser Steuer scheint nicht vollkommenes Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben zu herrsehen, indem die Staatsrechnung pro 1880 mit einem Defizit von Fr. 405,604 und diejenige pro 1881 mit einem solchen von Fr. 126,013 abgeschlossen hat.

Der Kanton A a r g a u bezieht schon seit Jahren k e i n e d i r e k t e S t a a t s s t e u e r mehr, da seine übrigen Einnahmen für die Bestreitung der Kosten der Staatsverwaltung genügend sind, wie man sich aus den Staatsrechnungen pro 1880 und 1881 überzeugen kann, die beide mit Einnahmenüberschüssen abgeschlossen haben.

Zu bemerken ist dabei, daß die i n d i r e k t e n S t e u e r n in den Kantonen Zürich und Aargau gleich hoch, nämlich auf circa Fr. 4. 50 per Kopf, stehen.

3. Vergleichung zwischen den Nationalbahngemeinden und Gemeinden anderer Schweizerkantone.

Diese Frage ruft unwillkürlich in erster Linie der Vergicichung z w i s c h e n den K a n t o n e n s e l b s t . Hiezu eignen sieh wohl, da es sich um Eisenbahnsehulden handelt, aus naheliegenden Gründen die Kantone Bern und Freiburg am besten. Beide Kantone wurden durch die Verhältnisse in die Lage geführt, für den Bau von Eisenbahnen große Opfer zu bringen. Die Hauptleistungen wurden vom Staate übernommen, und es verausgabten: Der Staat B e r n .

.

. circa Fr. 40,000,000 ,, ,, Freiburg.

.

,, ,, 43,000,000 Im Jahre 1881 mußten für den Staatshaushalt an direkten (Vermögens- und Einkommens-) Steuern aufgebracht werden :

301

I m Kanton Bern .

.

.

. F r . 3,700,000 oder Fr. 6. 95 per Kopf.

Im Kanton Freiburg . ,, 870,000 oder Fr. 7. 50 per Kopf.

Dazu kommen noch an indirekten Steuern: Im Kanton Bern .

.

. F r . 9. 60 per Kopf.

,, ,, Freiburg .

. ,, 11. -- ,, ,, Werden sodann einzelne Gemeinden aus diesen Kantonen zur Vergleichung herangezogen, vorerst bernische, so bieten sich folgende Beispiele : a. Die Hauptstadt Bern bezieht an Gemeindesteuern Fr. 854,000 Dazu kommen an Staatssteuern ,, 856,000 Zusammen Fr. 1,710,000 Es entspricht das einem Steuerfuße von 4 °/oo des Vermögens und 6 °/o des Einkommens erster, 8 °/o zweiter und 10 °/o dritter Klasse. Zieht man in Berücksichtigung, daß vom staatlichen Grundsteuerkapital 62 Millionen Pfandschulden in Abzug kommen, die bei der Gemeindesteuer nicht abgezogen werden dürfen, sondern mitversteuert werden müssen, so stellt sich die Grundsteuer für diese Klasse von Pflichtigen auf 5°/oo.

b. Eine andere Stadt, von 5124 Einwohnern, hat für die Hebung des Fremdenverkehrs (Analogie mit Baden) große Ausgaben gemacht.

Trotzdem diesem Zwecke ein beträchtliches ßurgergut geopfert wurde, blieb der Einwohnergemeinde doch noch eine so große Last, daß laut Budget pro 1883 an Gemeindesteuern bezogen werden müssen Fr. 140,000 Hiezu kommt noch eine Staatssteuer von circa ,, 50,000 Zusammen Fr. 190,000 oder per Kopf Fr. 39 und entsprechend einem Steuerfuß von 6,10 °/o des Vermögens und 9,is % I. Klasse, 12,ao °/o II. Klasse und 16,26 °/oo III. Klasse des Einkommens.

Wird berücksichtigt, daß bei der Gemeindesteuer Fr. 7,388,000 unterpfändliche Schulden nicht in Abzug kommen dürfen, sondern das Rohvermögen versteuert wird, so stellt sich die Grundsteuer dieser Pflichtigen auf 8,15 °/oo.

c. Die weitläufige Berggemeinde S. hat für Straßenzwecke, um aus ihrer isolirten Lage herauszukommen, ebenfalls ein großes

302 Burgergut geopfert und sich dazu eine Gemeindesteuer aufgelegt von (5 0/00 des Vermögens, 9 °/o des Einkommens L, 12 % II.

und 18 % III. Klasse. Wird die Staatssteuer hinzugerechnet, so steigt die Steuerlast auf 0/00oo des Vermögens, 12 %, 16 °/o und 20 °/o des Einkommens. Für den Grundbesitz steigt die Vermögenssteuer, da der Gemeinde das Rohvermögen versteuert werden muß, durchschnittlich gar auf 10 %o, Im Kanton Freiburg gibt es Gemeinden, die bis 4 %o Vermögens- und entsprechende Einkommenssteuern, sowie daneben noch indirekte Steuern (Luxus-, Personal-, Haushaltungssteuern) beziehen. Dazu kommt die bereits genannte Staatssteuer.

Im Kanton Luzern werden in vielen Gemeinden erhebliche Steuern für das Armen- und Polizeiwesen bezogen, die bei einigen bis auf 10 °/oo des Vermögens und höher ansteigen. Dazu ist noch eine Staatssteuer von 1/2 °/oo zu bezahlen.

Im Kanton Waadt sind die Gemeindesteuern nicht so hoch, wie in den vorgenannten Kantonen, was wohl großenteils dem von der Verfassung aufgestellten Grundsätze zu verdanken ist, daß die. Gemeindegüter vor Allem aus zur Bestreitung der Kosten der Orts Verwaltung zu verwenden sind und daß in einer Ortschaft, in welcher Gemeindesteuern bezogen werden, kein Bürgernutzen vertheilt werden darf.

E. Untersuchung der Frage der eventuellen Inanspruchnahme der Bürgergemeinden und der resp. Kantone.

1. In Bezug auf rechtliche Verpflichtung oder Zulässigkeit.

a. Bürgergemeinden.

Bei W i n t e r t h u r hat diese Frage aus bereits genannten Gründen keine Bedeutung.

In Bezug auf die aargauischen Ortsbürgergemeinden: Die rechtliche Verpflichtung derselben müßte hergeleitet werden aus dem G e s e t z oder aus V e r t r ä g e n .

In ersterer Beziehung nun müssen sich die Experten derjenigen Auffassung anschließen, die von aargauischer Seite immer und zuletzt in ausführlicher Weise von der Regierung von Aargau in ihrem Memorial an den Bundesrath geltend gern acht worden ist, daß nämlich die aargauischen Einwohner- und Ortsbürgergemeinden zwei getrennte,

303

von einander unabhängige Rechtssubjekte seien, von denen jedes auf eigenen Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen könne, und daß das eine keinen Anspruch habe an das Vermögen des andern und keinen Antheil habe an den Schulden des andern.

Auf den vorliegenden Fall angewendet, unterliegt durchaus keinem Zweifel, daß die Ortsbürgergemeinden bei der von den Einwohnergemeinden übernommenen Garantie für das Obligationsanleihen der Nationalbahn gesetzlich in keiner Weise mitverpflichtet und somit auch nicht verpflichtet sind, die Gläubiger ganz oder theilweise zu bezahlen. Da die Ortsbürgergemeinden sich auch v e r t r a g l i c h nicht verpflichtet haben, so besteht für sie überhaupt in dieser Sache keine r e c h t l i c h e Verbindlichkeit.

Etwas Anderes ist es dagegen mit der m o r a l i s c h e n Verpflichtung der Ortsbürgei-gemeiuden, ihr Möglichstes zur Rettung der Einwohnergemeinden beizutragen. Diese Pflicht besteht in so hohem Maße und aus so zwingenden Gründen, daß sich die Ortsbürgergemeinden veranlaßt gesehen haben, große Opfer zu bringen.

Denn als solche Opfer müssen die von den Ortsbürgergemeinden beschlossenen freiwilligen Beiträge an die Garantieschuld der Einwohnergemeinden im Gesarnmtbetrage von Fr. 2,590,000 betrachtet werden.

l), in Bezug auf die r e c h t l i c h e V e r p f l i c h t u n g der K a n t o n e , so ist vorerst zu konstatireu, daß im Kanton Z ü r i c h ein Gesetz besteht, wonach der Staat verpflichtet ist, an den Bau neuer Eisenbahnen im Kauton Fr. 50,000 per Kilometer beizutragen. In Anwendung und Erfüllung dieses Gesetzes hat der Kanton Zürich an das auf seinem Gebiete gelegene Stück der Westsektion der Nationalbahn (Winterthur-Zofingen) Fr. 1,835,500 in Aktien bezahlt. Eine weiter gehende gesetzliche Verpflichtung besteht für den Kanton Zürich nicht.

Im Kanton A a r g a u gibt es gar keine g e s e t z l i c h e Vorschrift, die den Staat verpflichtet, sich an dem Bau von Eisenbahnen finanziell zu betheiligen.

In einem V e r t r a g s v e r h ä l t n i ß zu den Garantieverpflichtungen der Gemeinden steht weder der eine noch der andere Kanton, so daß weder der eine noch der andere c i v i l r e c h t l i c h verpflichtet ist, die Nationalbahnschuld der Gemeinden ganz oder theilweise zu bezahlen.

Anders steht es aber auch hier, wie bei den Ortsbürgergemeinden, mit den moralischen Pflichten der Kantone, zu welchen sich noch Rücksichten staatsrechtlicher und politischer Natur gesellen.

304

Für die Experten kommen folgende Erwägungen in Betracht : Beide Kantone, Zürich und Aargau, betheiligten sich bei der Gründung und Durchführung des Nationalbahnunternehmens. Zürich leistete große materielle Hülfe, Aargau zeichnete wenigstens für Fr. 1000 Grüadungsaktien. Ihren moralischen Beistand leisteten beide Kantone in unbeschränktem Maße, sowohl aus politischen Rücksichten, die bei der Gründung der Nationalbahn so vielfach mitgespielt haben, als weil das Unternehmen anfangs auch als ein finanziell gesundes und rentables betrachtet worden sein mag; an günstigen Rentabilitätsberechnungen hat es wenigstens nicht gefehlt.

Die Hoffnung auf Rendite kann aber nicht lange vorgehalten haben, denn als es sich um Beschaffung des Obligationenkapitals von 9 Millionen handelte, glaubte man trotz eines Zinsfußes von 5 °/o die Obligationen mit bloßer Pfandverschreibung auf die Eisenbahn nicht an Mann bringen zu können, sondern die Garantie der Städte Winterthur, Baden, JLonzburg und Zofingen in Aussicht nehmen zu müssen. Ja das Mißtrauen in die Zukunft des Unternehmens, dessen Zusammenbruch ruhige Beobachter nur als eine Frage der Zeit betrachteten (Seite 7 des aargauischen Memorials), war zu dieser Zeit selbst in den betheiligten Kantonen und Gemeinden bereits so groß, daß man z. B. in Baden und Lenzburg die Ortsbürgergemeindeu bezüglich der Garantieverpflichtung gar nicht anfragte , da eine Ablehnung mit Sicherheit zu erwarten gewesen wäre. Deßhalb wandte man sich an die ,,kühnern, beweglichem, fortschrittlichem , aber auch sorglosem" Körperschaften, die Einwohnergemeinden (Seite 9 des Memorials}. Auch bei diesen, namentlich in Baden und Lenzburg, kamen die Garantiebeschlüsse nur unter schweren Kämpfen gegenüber den bedeutenden Minderheiten, die im Aargau bis aufs Aeußerste und durch alle Instanzen hindurch gegen die Garantieübernahme kämpften (Seite 7 und 9 des Memorials) zu Stande. Daß diese Minderheiten den Kampf vergeblich kämpften, daß sie mit ihren Rekursen von den kompetenten Aufsichtsbehörden konsequent abgewiesen wurden, ist finden ,,ruhigen Beobachtet von heute geradezu unbegreiflich und läßt sich nur aus der optimistischen Auffassung der Dinge erklären, die dannzumal in den maßgebenden Kreisen herrschte. Diese Auffassung wird wohl am besten wiedergegeben durch die Erwägungsgründe der aargauischen
Regierung zu ihren Rekursentscheiden, die wir deßhalb und ihrer Bedeutung in der Entstehungsgeschichte der heutigen Kalamität wegen hier wörtlich aufnehmen. Die Erwägungsgründe zum Rekurs von Baden , mit welchen diejenigen betreffend Lenzburg und Zofingen nach Mittheilung der Staatskanzlei von Aarau im Wesentlichen übereinstimmen, lauten :

305 ,,Die Klage, über welche als Folge der eingelangten Beschwerde der Entscheid des Regierungsrathes verlangt wird, muß vor der Hand als eine durchaus unpraktische erscheinen.

So lange die angestrittene Bahnstrecke nicht gebaut und mit den entsprechenden Linien in Ost und West in Verbindung gesetzt ist, basiren alle Behauptungen über Rentabilität oder Nichtrentabilität des Unternehmens auf bloßen Wahrscheinlichkeitsberechnungen, und selbst eine von den Beschwerdeführern verlangte Expertise würde die Situation kaum wesentlich verändern können. Bei dieser Unsicherheit des allfälligen Ertrages der angefochtenen Bahnstrecke kann deßhalb auch noch nicht und selbst nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit behauptet werden, ob und in welchem Umfange die Gemeinde für ihre eingegangenen Verpflichtungen nachtheilige Folgen zu gewärtigen habe oder nicht. Mag dieses auch bezüglich der Subventionsverpflichtung in kleinerm oder größerm Maßstabe der Fall sein, wahrscheinlich erscheint eine solche bei der übernommenen Garantieleistung nicht. Ist aber eine effektive Belastung der Gemeinde, resp. der Steuerpflichtigen als Folge der eingegangenen Verpflichtung nicht nachgewiesen , so liegt für die Beschwerdeführer für einmal noch kein Grund vor, sich gegen den Garantiebeschluß der Gemeinde zu erheben.

-Erst wenn eine Inanspruchnahme der Gemeinde zufolge der übernommenen Verpflichtung eintritt, wird die Frage praktisch , und für diesen Fall gibt der § 17 des Gemeindesteuergesetzes den Reklamanten das Mittel an die Hand, sich einer allzu starken Steuerbelastung zu erwehren. Daß übrigens die Gemeinde Baden noch nicht an Entkräftung leidet, beweist das von derselben unterm 9. vorigen Monats auf eine Dauer von 6 Jahren beschlossene außerordentliche Budget, in welchem an außerordentlichen Verwendungen über die Subventionsverpflichtung für den Eisenbahnbau hinaus noch eine Summe von Fr. 355,500 in Aussicht genommen ist und durch welche, einschließlich eines allfälligen Zinsverlustes auf der Eisenbalmsubvcntion, zu den ordentlichen Gemeindesteuern -- zwei ganze Steuern -- die Steuerpflichtigen mit einer außerordentlichen Steuer von nur 3/4 einer ganzen Steuer belastet werden.

Dieses unbestritten gebliebene, also auch von den Reklamanten anerkannte außerordentliche Budget bietet mit dem ordentlichen Voranschläge für die
regelmäßigen Gemeindeauslagen den besten Finauzauswois für die Gemeinde Baden und darf als Folge dessen auch füglich von einer weitern bezüglichen Forderung Umgang genommen werden, da , wie bereits bemerkt, die Finanzverhältuisse dieser Gemeinde nocli nicht derart sind, Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. IV.

20

306

zu beunruhigen, und da, wenigstens für einmal noch, nicht anzunehmen ist, daß der Gemeinde aus der übernommenen Garantieleistung irgend eine weitere Verpflichtung erwachsen werde. Aber selbst wenn dieses der Fall sein sollte, so werden bis zu diesem Zeitpunkte die hievor berührten außerordentlichen Verwendungen gehoben sein und danuzumal auch für eine solche Inanspruchnahme die in dem außerordentlichen Budget vorgesehenen Einkünfte, wenigstens theilweise, wieder zur Verfügung stehen.

,,Neben diesen Betrachtungen, welche materiell ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden kaum rechtfertigen dürften, erübrigt es noch, nachzuweisen, daß auch vom formellen Standpunkte, vom Standpunkte der Verfassungsbestimmungen und bestehender gesetzlicher Vorschriften aus, den Aufsichtsbehörden keine Befugniß zusteht, die angestrittene Gemeindeschlussnahme aufzuheben.

,,Der § 79 der Staatsverfassung sagt: ,,Die Gemeinden ordnen und verwalten ihre Angelegen S Ti li O o heiten unter Aufsicht des Staates selbstständig.cut ,,Dadurch ist also die Gemeindeautonomie festgestellt.

Dieselbe wird nur durch die Staatsaufsicht beschränkt. Was unter der Staatsaufsicht zu verstehen sei, beweisen die Citate, welche in den angegebenen Paragraphen beigesetzt sind. Es sind dieses nämlich die §§ 53, litt, k, und 86 der Verfassung.

Durch den § 53 k wird einfach das Aufsichtsrecht an den Regierungsrath übertragen und in § 86 wird ausgesprochen, daß die Organisation der Gemeinden und des Gemeinderathes, sowie die Beaufsichtigung der G e m e i n d e v e r waltung und des Gemeinderechnungswesens durch das Gesetz b e s t i m m t w e r d e . Nun besteht allerdings das Aufsichtsrecht des Staates nur in dem Erlasse der benüthigten Gesetze über die Organisation und die Verwaltung des Gemeindewesens, sowie in der Ueberwachung der gehörigen Vollziehung und Handhabung derselben, und nur da, wo letztere das Eingreifen der Staatsbehörden vorsehen , sind diese auch berechtigt, nach Mitgabe der einschlagenden Bestimmungen zu handeln.

,,Auf die vorliegende Frage können nun in Betracht fallen : das Organisationsgesetz der Gemeinden und das Steuergesetz.

,,Diese beiden Gesetze enthalten aber keine Bestimmungen, aus denen abgeleitet werden könnte, daß dem Regierungsrathe

307

ein Recht zustehe, Gemeindeschlußnahmen, welche mit Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften zu Stande gekommen, aufzuheben. Nur da, wo eine Form- oder Gesetzesverletzung stattgefunden, sowie bei Beschlüssen, aus welchen unberechtigte Vermögensangriffe oder Steuerverweigerungen, oder zu hohe Steuerbelastung der Steuerpflichtigen hervorgegangen, ist solches nach M i t g a b e der h i e f ü r b e s t e h e n d e n gesetzlichen Bestimmungen zulässig.

,,Keine dieser Ausnahmen trifft aber auf den Fragfall zu.

Für's Erste haben dieRekurrentenn eine Form- oder Gesetzesverletzung bei der bezüglichenGemeindeschlußnahmee weder behauptet, noch nachgewiesen ; ebenso blieb auch die Kompetenz der Gemeinde unbestritten. Sodann handelt es sich in concreto weder u m einen unbefugtenVermögensangriff,, o

o

d a

Sicherheitsleistung noch keinen Vermögensangriff involvirt noch um die Ablehnung einer Leistung oder zu hohe Steuerbelastung (§§ 18 und 22 des Gemeindesteuergesetzes}. Das Begehren der Beschwerdeführer fußt einzig auf dem Aufsichtsrecht des Staates, welcher nicht dulden dürfe, daß die Gemeinde durch unbesonnene Beschlüsse den Ruin des Gemeindewesens herbeiführe und dadurch auch die Interessen der Einwohner gefährde.

,,Aber abgesehen davon, daß dieser Fall nach den hier oben enthaltenen Erörterungen bei Baden nicht zutrifft, mangeln nach den soeben gemachten Auseinandersetzungen gesetzliche Bestimmungen, welche den Regierungsrath ermächtigen würden, die angefochtene Gemeindeschlußnahme als Ausfluß des Aufsichtsrechtes des Staates über die Verwaltung des Gemeindewesens aufzuheben.

,,Es kann deßhalb auch vom formellen Standpunkte aus dem Begehren der Rekurrenten nicht entsprochen werden.

,,Sodann fällt hiebei noch ferner in Betracht : ,,Aus einem soeben im Drucke erschienenen Gutachten des Hrn. Dr. C. Wilhelm v. Graffenried in Bern über die Nationalbahnstrecke von Winterthur nach Zofingen, welches, beiläufig bemerkt, in Uebereinstimmung mit einem Gutachten über die Linie von Zofingen nach Lyß, entgegen den aufgestellten Befürchtungen, eine Rendite der Nationalbahn von 4 % des Anlagekapitals herausrechnet, geht hervor, daß der Kanton Zürich die Bahnstrecke von Winterthur bis an die Kantonsgrenze mit einem Betrage von Fr. 1,740,000 subventionirr. Sodann ergibt es sich aus einem jüngst vom Großen

308 Käthe des Kautons Bern erlassenen Dekret, daß der Staat Bern für die Nationalbahn auf dem Gebiete dieses Kantons eine Subvention von Fr. 2,000,000 bewilligt.

,,Angesichts dieser beiden Thatsachen würde es nun sonderbar erscheinen, wenn der aargauische Staat nicht nur nichts an die Bahn beiträgt, sondern infolge seines Aufsichts rechtes über die Gemeindeverwaltungen, resp. durch Aufhebung der daherigen Garantiebeschlüsse der Gemeinden, es gleichsam verunmöglichen wollte, daß die Bahnstrecke auf aargauischen Gebiet zur Ausführung gelange, und daß als Folge dessen die von der Nationalbahn zu durchziehenden Gegenden des Kantons des Vortheils einer Eisenbahn verlustig werden sollten."

In Winterthur ist der Garantiebeschluß der Einwohnergemeinde nicht rekurrirt worden und zwar, wie aus den Akten geschlossen werden muß und wie den Experten von Bürgern von Winterthur mitgetheilt wurde, aus dem Grunde , weil die Minderheit jede Opposition als nutzlos betrachtete. Der Kampf zwischen Mehrheit und Minderheit war nämlich in Winterthur bereits bei Anlaß der Uebernahme großer Verpflichtungen für das Oststück der Nationalbahn durch die Gemeinde ausgekämpft worden und zwar zu Gunsten der nationalbahnfreundlichen Mehrheit, indem mehrmalige Beschwerden gegen die betreffenden Gemeindebeschlüsse jeweilen vom Bezirksrath erst- und vom Regierungsrath oberinstanzlieh abgewiesen wurden. Sogar an das Kundesgericht soll rekurirt worden sein, natürlich wegen Inkompetenz des Gerichts ohne Erfolg.

In den Motiven der zürcherischen Rekursentscheide begegnet man in der Hauptsache den gleichen Auffassungen, wie in den aargauischen : In Aussicht stehende Rentabilität der Nationalbahn, große Wichtigkeit derselben für die Entwicklung von Winterthur, gute finanzielle Situation und große Steuerkraft dieser Gemeinde, Autonomie der Gemeinde n. s. w.

Es wird wohl die Haltung der Kantonsregierungen gegenüber den Garantieverpflichtungen der Einwohnergemeinden, als sie von den Minderheiten zur Ausübung ihres Aufsichtsrechtes angerufen, wurden, ohne auf begründeten Widerspruch zu stoßen, eine irrthümliche und verfehlte bezeichnet werden dürfen und müssen ; daraus folgt für die Kantone, deren Organe zu den Fehlern und Irrthümern aus denen die gegenwärtige Kalamität entstanden ist, ein Wesentliches beigetragen, die moralische Pflicht, auch die Folgen tragen zu helfen.

309 Mit dieser moralischen Pflicht konkurrirt aher auch das materielle und vor Allem das politische Interesse, das die Kantone als Staatswesen daran haben, daß einzelne ihrer Gemeinden von solcher Bedeutung, daß so wesentliche Bestandtheile des staatlichen Organismus selbst, nicht in ökonomischen Ruin verfallen. Es bedarf diese Auffassung der Sachlage näherer Begründung um so weniger, als sie von den Kantonsregierungen selbst in vollstem Maße anerkennt wird. So sagt die Regierung von Zürich in ihrem Interventionsgesuehe an den Bundesnith, vom 20. Januar 1883, daß es sich in dieser Frage nicht nur um Ehre und Gut von vier schweizerischen Gemeinden, sondern um die Wahrung hochwichtiger Interessen der betheiligten Kantone und des ganzen Schweizerlandes handle. Und die Regierung von Aargau spricht sich in ihrem Memorial, nachdem sie den Nachweis geleistet, daß der Staat zu den Inhabern der Nationalbahnobligationen in keiner rechtlichen Verbindlichkeit stehe, folgendermaßen aus: ,,Eine andere Frage ist es, ob ei- (der Staat) nicht ein sehr bedeutendes Interesse daran habe, daß einst so blühende Gemeindewesen, wie die Einwohnergetneinden Baden, Lenzburg und Zofingen, die eine Stütze aller idealen und volkswirthschaftlich wünschbaren Bestrebungen gewesen sind, nicht in Verfall gerathen. Diese Frage ist unbedingt zu bejahen. Die moralischen Folgen des Konkurses dieser Gemeinden sind sogar so groß, daß seine nachtheiligen Wirkungen sich nicht auf den Kanton beschränken, sondern auf die gesammte Schweiz sich ausdehnen würden.^ Man sieht, an der Erkenntniß, daß es sich ebenso sehr um eine kantonale Staats- als um eine bloße Gemeindeangelegenheit handelt, fehlt es den Kantonsregieruugen nicht, und es ist nur nöthig, daß sie zur Vermeidung der .,,Landeskalamität"'., des ^nationalen Unglücks"1, die entsprechenden Opfer bringen. Das ist bis jetzt nach Ansicht der Experten nicht geschehen, denn weder das von Zürich für Winterthur in Aussicht gestellte Anleihen zu billigem Zins, noch die von der Regierung von Aarguu zugesagten Fr. 25,000 jährlichen Beitrages auf eine gewisse Zeitdauer können unter den obwaltenden Umständen als entsprechende Opfer betrachtet werden.

Daß der Große Rath von Aargau nur zu dieser letztern Leistung kompetent ist, ist eine Zufälligkeit, die nicht weiter in Betracht kommen kann, da der
Staat Aargau als solcher, ohne Rücksicht auf die Kompetenzen seiner Behörden, in's Auge gefaßt werden muß.

2. Betreffend nun das Maß, in welchem die 0 r t s b ü r g e r g e m e i n d e n zu Erfüllung der von den Einwohnergemeinden ein-

*

310 gegangenen Verbindlichkeiten beigezogen werden sollten, Leistungen, die nach dem Obigen freiwillige sind, PO finden die Experten es können den Ortsbürgergemeinden über das von ihnen Angebotene hinaus nicht wohl größere Zumuthungen gemacht werden. Es haben bekanntlich angeboten: Die Ortsbürgergemeinde Baden .

.

. Fr. 580,000 oder 42 % des auf die Einwohnergemeinde fallenden (rara Garantiekapitals.

Die Ortsbürgergemeinde Lenzburg .

.

. ,, 580,000 oder 42 % der Schuld der Einwohnergemeinde.

Die Ortsbürgergemeinde Zofingen .

.

,, 1,430,000 oder 52,5% jener Schuld.

Es würde nach Ausrichtung dieser Subventionen an Ortsbürgergut noch ungefähr verbleiben: in Baden Fr. 700,000 ,, Lenzburg ,, 980,000 ,, Zofingen ,, 1,800,000 Alles nach inventarwerth berechnet und nicht aus liquidem Vermögen bestehend, sondern theilweise, namentlich soweit es Gebäude betrifft, gegenwärtig kaum realisirbar.

Was das Beitragsverhältniß der K a n t o n e anbetrifft, so sollten dieselben Alles dasjenige thun, was über die Beiträge der Ortsbürgergemeinden und über die den Einwohnergemeinden innerhalb der Grenzen des Mögliehen auffallenden Leistungen noch nothwendig ist, um die Nationalbahnschuld zu tilgen. Das Beitragsverhältniß der Kantone unter sich würde am einfachsten nach der Zahl der auf ihrem Gebiete liegenden Kilometer des Eisenbahnstücks Winterthur-Zofingen reglirt, von dem circa 37 km. im Kanton Zürich und circa 51 km. im Kanton Aargau liegen. Bei dieser Vertheilung würden aber Verhältnisse und Faktoren unberücksichtigt gelassen, die bei einer gerechten und billigen Behandlung der Sache in's Auge gefaßt werden müssen. Hiebei fällt vorerst in Betracht die Klage der aargauischen Gemeinden und deraargauischenu Regierung über die unbillige und den thatsächlichen Verhältnissen widersprechende Vertheilung, welche seiner Zeit zwischen den Garantiegemeinden unter sich bezüglich des neunMillionen-Anleihenss gemacht wurde u n d wonach d i e drei aargauischen Städte m i t oder Fr. 3,487,361 übernahmen, während nach aargauischer Meinung das Verhältniß gerade umgekehrt hätte sein sollen. Und wirklich,

311 wenn in Erwägung gezogen wird, daß Winterthur das größte Interesse daran hatte, daß das Oststück der Nationalbahn seine Fortsetzung nach Westen erhalte, daß Winterthur, als bereits bestehender Central- und Eisenbahnknotenpunkt, von der neuen Linie von allen daran gelegenen Ortschaften weitaus die größten Vortheile zu erwarten hatte, daß ferner Winterthur in jeder Beziehung unzweifelhaft die größere Bedeutung zukam, als den aargauischen Städten zusammen, daß diese letztern an Aktien und Nachsubventionen für das Weststück mehr geleistet haben, als Winterthur, und daß überdies ein Theil des aargauischen Geldes für Vollendung des speziell Winterthur'schen Oststückes verwendet wurde, so ist die Schlußfolgerung, daß bei Vertheilung der Garantiesumme die aargauischen Städte zu stark belastet wurden, nicht unbegründet.

Anderseits ist allerdings in Betracht zu ziehen, daß der Staat Zürich an die Strecke Winterthur-Zofingen Fr. 1,850,500 in Aktien bezahlt hat und daß der Staat Aargau finanzielle Opfer leichter zu bringen im Stande ist, als das mit hohen Staatssteuern belastete Zürich.

Die Experten werden diese Verhältnisse in Betracht halten, wenn (sub litt. G) die allgemeinen Schlußfolgerungen zu formuliren sind.

F. Erwägung und Berücksichtigung anderweitiger Paktoren, die zur Lösung der Aufgabe geeignet erscheinen.

Bereits in den Konferenzen zwischen den Kantonsregierungen, die unter bundesräthlicher Mitwirkung stattgefunden haben, ist die Bundeshülfe eventuell in Aussicht genommen worden und in den Eingaben der Kantone an den Bundesrath wurde sie indirekt angerufen. Nun darf wohl ein allgemeines Binverständniß dafür vorausgesetzt werden, daß die Art und Weise, wie die Angelegenheit ihre Erledigung findet, den Bund nahe berührt, indem der Konkurs der vier Städte den gesammten schweizerischen Kredit und die Ehre der Eidgenossenschaft in hohem Maße schädigen würde.

Darunter hätten nicht nur Zürich und Aargau, sondern alle andern Kantone zu leiden, namentlich auch diejenigen, welche den Eisenbahnbau nicht als eine Gemeinde-, sondern als eine Staatsangelegenheit auffaßten und -die Hauptlast auf die Schultern des Staates nahmen, so zwar, daß sie noch auf lange Zeit hinaus druckende Steuern für Verzinsung und Amortisirung der Eisenbahnschulden beziehen müssen.

312

Die Angelegenheit hat aber nicht nur eine allgemeine schweizerische Bedeutung, sondern sie kann leicht auch einen internationalen Charakter annehmen. Es befindet sich nämlich von den noch ausstehenden Nationalbahnobligationen ein großer Theil im Auslande, namentlich in Elsaß-Lothringen; man weiß auch, daß ein großer Posten einer rheinpreussischen Lokomotivfabrik und ein ebensolcher einem deutschen Nachbarstaate oder einem vom Staate verwalteten Landesfonds angehört. Es ist nun nicht unmöglich, daß mau sich von dieser Seite im Falle des StädfeKonkurses mit einer einfachen Geduldskollokatio nicht ohne Weiteres zufrieden geben, auch an noch so guten Deduktionen über schweizerische Gemeindeautonomie über das staatliche Aufsichtsrecht, über den aargauischen Gemeindedualismus u. s. w. nicht ersättigen sondern auf diplomatischem Wege weitere Schritte thun würde, was, wenn es auch in der allermildesten Form geschähe, die Bundesbehörden in eine höchst unerquickliche Stellung bringen müßte. Für den Bund ist desshalb alle Veranlassung vorhanden, sich der Sache auch ferner anzunehmen.

Ein anderer Faktor, der in den Konferenzen betreffend Lösung der Garantiefrage zur Sprache kam, betrifft die V e r a n t w o r t l i c h k e i t d e r M i t g l i e d e r d e s e h e in a l i g e n V e r w a 11 u n g sr a t h e s der N a t i o n a l b a h n und der E m i s s i o n s b a n k e n des 9 M i l l i o n e n - A n l e i h e n s. Hergeleitet will dieselbe werden aus der Art und Weise, wie die Subskription auf das Anleihen dem Publikum empfohlen wurde. Der bezügliche Prospekt, unterzeichnet: Dr. Egloff, Präsident des Verwaltungsrathes dei- Nationalbahn, lautot wörtlich : ,,Die Städte Winterthur, Baden, Lenzburg und Zofingen, welche zusammen ein Steuerkapital von über 140 Millionen Franken aufweisen haben in solidar Haft die Garantie sowohl für richtige Verzinsung wie für Rückzahlung des Kapitals übernommen und es treten damit die zu begebenden Titel in den Rang der solidesten schweizerischen Städteobligationen ein."

Beigefügt ist; mit der Unterschrift der Eidgenössischen Bank und der Bank von Winterthur : ,,Die unterzeichneten Banken bezeugen, daß die Garantieverpflichtungen der vier Stadtgemeinden Winterthur, Baden, Lenzburg und Zofingen für obiges Anleihen in Originalausfertigung bei der Eidgenössischen Bank in Bern hinterlegt sind; sie werden auch für die Bestellung des Pfandrechts im ersten Range auf die Bisenbahn Winterthur-Zofingen und Suhr-Aarau

313 besorgt sein. Sie können auf diese Grundlagen hin obiges Anleihen, als mit den solidesten Garantien ausgerüstet und den Charakter eines eigentlichen Städteanleihens tragend, den Kapitalisten mit bester Ueberzeugung empfehlen."

Man sieht, der Verwaltungsrath spricht von den S t ä d t e n Baden, Lenzburg und Zofingen und nicht von den E i n w o h n e r g e m e i n d e n Baden, Lenzburg und Zofingen, in Unterscheidung von den B ü r g e r gemeinden ; die Emissionsbanken ihrerseits sodann nennen das Anleihen ein S t ä d t e anleihen im wahren Sinne des Wortes, welches den Kapitalisten aufrichtig empfohlen werden dürfe.

Es ist zu bemerken, daß die Subskription nicht nur in der Schweiz, sondern auch auf einigen auswärtigen Plätzen, wie Mülhausen und Metz, eröffnet worden ist. Nun ist wohl möglich, sogar wahrscheinlich, daß eine Anzahl Subskribenten auf die ,,Städte"Garantien hin zeichneten, die nicht gezeichnet haben würden, wenn ihnen ausdrücklich und korrekt die Einwohnergemeinden als Garantien vorgestellt worden wäre. Das ist dann allerdings geschehen in den definitiven Titeln, diese wurden aber erst nach Leistung der verschiedenen Einzahlungen ausgestellt. Warum der Prospektus von den Städten und nicht von den E i n w o h n e r g e m e i n d e n sprach, ob man fürchtete, zu viel Aufrichtigkeit könnte dem Erfolg des Unternehmens schaden, ist hier nicht zu untersuchen, auch die juristische Frage der Verantwortlichkeit nicht zu entscheiden, da sie zur Lösung der gegenwärtigen Verwicklung in keinem Falle beitragen kann. Es ist das ein Verhältniß, das die Garantiegemeinden selbst nicht berührt, sondern das zwischen den Obligationsgläubigern, wenn solche zu Verlust kommen sollten, und den betreffenden Verwaltungsräthen und Banken direkt zu erörtern ist und von dem hier nur der Vollständigkeit wegen gesprochen werden mußte.

Bin reeller Paktor, durch welchen die Last der Garantiegemeinden erleichtert würde, läge dagegen darin, daß die Obligationsgläubiger die Rückzahlung nicht zum No m i n a i wert h verlangen, sondern sich mit dem E m i s s i o n s k u r s , der später nie überschritten, sogar nie erreicht wurde, begnügen würden. Gezwungen können allerdings die Obligationäre zu einer solchen Reduktion nicht werden, sondern es hängt ganz von ihrem guten Willen und ihrem Billigkeitsgefühl ab, ob sie
dieselbe gestatten wollen oder nicht.

Den Gemeinden wäre freilich ein einfacher Weg offen gestanden, eine sehr bedeutende Reduktion zu erzielen, wenn sie sich auf den Boden der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gestellt und nach dem Beispiele von Winterthur die Obligationen nach und nach aufgekauft hätten.

314

G. Schlußfolgerungen.]

1. In Bezug auf die Zahlungspflicht.

a. Die noch ausstehende Nationalbahnschuld im Gesammtbetrage von Fr. 5,030,760 nebst den verfallenen Coupons auf 1. Mai 1883 .

,, 1,028,040 zusammen betragend

Fr. 6,058,800

sind rechtlich die Einwohnergemeiadeu Baden, Lenzburg und /ofìngen aallein zu bezahlen schuldig und zwar in folgendem Verfingen hältniß: Baden Fr. 1,652,400 Lenzburg ,, 1,652,400 Zofingen ,, 2,754,000 b. Die Gemeinde Winterthur hat ihre SchuldverbindHchkeit abgelöst und ist berechtigt, die eingelösten Coupons im Betrage von Fr. 525,000 von den aargauischen Gemeinden zurückzufordern.

c. Die Ortsbürgergemeinden Baden, Lenzburg und Zofingen sind rechtlich nicht verpflichtet, an der Garantieschuld mitzutragen.

d. Den Kantonen Zürich und Aargau liegt rechtlich auch keine Zahlungspflicht ob.

2. In Bezug auf Leistungsfähigkeit.

Die Einwohnergemeinden Baden, Leuzburg und Zofingen besitzen kein oder nur ein so geringfügiges zur Schuldentilgung verwendbares Vermögen, daß im Falle der Durchführung des G-eltstages, resp. der gerichtliehen Liquidation, die Forderungen der Nationalbahnobligationäre fast ganz verloren gehen würden.

Aehnlich verhält es sich bei der Gemeinde Winterthur. Dieselbe besitzt Vermögen, solches ist aber so überschuldet, daß im Falle des Konkurses die Forderungen der Nationalbahnobligationäre ganz oder größtenteils verloren gehen müßten.

Die Leistungsfähigkeit der Garantiegemeinden beruht daher lediglich auf ihrer S t e u e r k r a f t.

Nun würde die Verzinsung der den aargauischeu Gemeinden obliegenden Garantiesehuld, betragend mit Coupons auf 1. Mai 1883 Fr. 6,058,800 zu 5 °/o jährlich eine Summe erfordern von .

.

,, 302,940 oder da eine ganze Steuer in den drei Gemeinden rund Fr. 75,000

315 abwirft, vier ganze Steuern; mit den 41/2 Steuern, die sie gegenwärtig beziehen, würde die Gesammtsteuerlast ansteigen a u f 8 1/22 Steuern.

Den B e z u g e i n e r s o l c h S t e u t e n e r auf die Da u e r halten die Experten für unmöglich.

Aus eigener Kraft sind daher die aargauischen Einwohnergemeinden ihre Verbindlichkeiten aus der Nationalbahngaranti zu erfüllen nicht im Stande, sondern es m u ß ihnen geholfen werden.

Es k a n n ihnen geholfen werden, wenn : 1) Winterthur von der aargauischen Schuld, in Abweichung von der Vertheilun im Garantievertrag, eine den thatsächliche Verhältnissen entsprechende Quote übernimmt; 2) die aargauischen Ortsbürgergemeinden den Einwohnergemeinden die ihrem Vermögen angemessenen Beiträge leisten; 3) die Kantone sich in einem ihrem Interesse an der Aufrechthaltung der bedrohten Gemeinden, ihrem Mitverschulden an der Kalamität und ihrem Vermögen entsprechenden Maße betheiligen.

Auf dieser Grundlage wäre es möglich, die schwebende Angelegenheit einer ehrenhaften Lösung entgegenzuführen. D i e s e G r u n d l a g e ist d e n n a u c h b e r e i t s v o n allen direkt und indirekt Betheiligten anerkannt worden bei A n l a ß der K o n v e r s i o n s b e s t r e b u n g e n von 1882, namentlich in dem damaligen Vertrage zwischen den Garantiegemeinden.

Wird an dieser Grundlage festgehalten und dieselbe auf die jetzigen Verhältnisse angewendet, so ergibt sich Folgendes : Das Konversionsprojekt fixirte die von den aargauischen Einwohnergemeinden an die Nationalbahnobligationäre zu bezahlende Summe auf Fr. 5,030,760 dazu kam die Couponsforderung von Winterthur, dannzumal beziffert a u f .

.

.

.

.

.

510,000 Zusammen Fr. 5,540,760 Die aargauischen Einwohnergemeinden proponirte den Obligationären Konversion ihrer 5 %-Obligationen in 3 % vom Staate Aargau garantirte, im Jahr 1945 rückzahlbare neue Obligationen oder aber Baarzahlung m i t 6 6 2 / 3 °/o. Beide Offerten sind a l s meinden zu bezahlen übernommen2 / 3 a von Fr. 5,030,760 oder Fr. 3,353,840 Daran hatte Winterthur beizutragen sich verpflichtet ,, 230,000 Blieb wirkliche Leistung der aargauischen Gemeinden

Fr. 3,123,840

316 Winterthur hätte geleistet: D e n soeben genannten Beitrag v o n .

.

.

. F r . 230,000 Durch Verzicht auf die Rückzahlung der eingelösten Coupons ,, 510,000 Zusammen

Fr. 740,000

Heute, auf dem Boden der Vollzahlung, hat man es mit folgender Schuldenmasse zu thun: Ausstehendes Obligationskapital .

.

.

. F r . 5,030,760 Forderung von Winterthur ,, 525,000 Coupons pro 1. Mai 1882 und 1883 . ,, 503,040 Zusammen

Fr. 6,058,800

Es haben sich im Jahr 1882 zu Leistungen verpflichtet : Die aargauischen Gemeinden zu . Fr. 3,123,840 Winterthur zu .

.

.

740,000 ,,

3,863,840

Es bleiben zu decken übrig Fr. 2,194,960 Davon würden unter Beibehaltung des beim Konversionsprojekt zur Anwendung gekommenen Vertheilungsmodus entfalleu: Auf die aargauischen Gemeinden 81 % oder ,, Winterthur 19 °/o

. Fr. 1,777,920 ,, 417,040

Summa

Fr. 2,194,960

Die Gesammtleistungen würden sich demnach beziffern : Für die aargauischen Gemeinden : I m 1882er Projekt übernommen .

.

.

. F r . 3,123,840 Neu übernommen ,, 1,777,920 Fr. 4,901,760 Für Winterthur: 1882 übernommen .

Neu übernommen

.

.

. F r . 740,000 ,, 417,040 ,,

1,157,040

Fr. 6,058,800

317

Hieraus würde sich ergeben : 1) Für die a a r g a u i s c h e n G e m e i n d e n : Die Gesammtleistung beträgt .

.

.

. F r . 4,901,760 Die Ortsbürgergemeinden haben zugesichert .

. ,, 2,590,000 Bleiben

Fr. 2,311,760

Der jährliche Zins zu 5 °/o .

.

.

. Fr. 115,580 Die Regierung von Aargau hat 1882 einen jährlichen Beitrag zugesichert von .

.

.

. ,, 25,000 würden d e n Gemeinden verbleiben .

.

.

. F r . 90,580 entsprechend ungefähr einer l s /io Steuer.

Diese Mehrsteuer aufzubringen wäre den Gemeinden möglich, allerdings unter empfindlicher Belastung. Diese könnte gemildert werden durch eine Mehrleistung des Staates Aargau. Sein Interesse und seine moralische Pflicht legen ihm eine solche Mehrleistung nahe; er würde sogar, im Verhältniß zu dem, was der Kanton Zürich und die Gemeinden geleistet und zugesichert haben und angesichts seiner Finanzlage nicht zu viel thun, wenn er die ganze, den aargauischen Einwohnergemeinden auffallende Quote übernähme.

2) Für W i n t e r t h u r würde die Uebernahme von Fr. 1,157,040 eine jährliche Leistung von Fr. 57,850 bedingen, eine Mehrleistung, die möglieh ist, namentlich wenn der Staat durch Aenderung seiner Gesetzgebung die Gemeinde Winterthur in die Möglichkeit setzt, eine Einkommensteuer beziehen zu können. Zudem hat auch der Staat, wie wir bereits gesehen, ein Interesse und die moralische Pflicht, der Gemeinde Winterthur unter die Arme zu greifen, wenn es ihre Verhältnisse nicht erlauben sollten, Mehrleistungen zu übernehmen.

Bei vorstehenden Berechnungen und Vertheilung der Garantieschuld auf die Gemeinden sind die Experten von dem jetzigen Zinsfuß des Nationalbahnanleihens von 5 °/o ausgegangen. Es kann aber mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß, wenn die Kantone Zürich und Aargau mit ihrem Kredite einstehen würden, das für die Rückzahlung erforderliche Kapital zu einem niedrigem Zinsfuße, wahrscheinlich zu 4 °/o, erhältlich wäre. Durch eine solche Zinsersparniß würden dann die für Amortisirung der Schuld nöthigen Mittel geschaffen, indem mit einer dem jetzigen Zinsfuß von 5 °/o entsprechenden jährlichen Leistung die Schuld während eines gewissen nicht allzu langen Zeitraumes nicht nur verzinst, sondern auch zurückbezahlt werden könnte.

318 Was schließlich die B u n d e s h ü l f e anbetrifft, so sind, falls solche von den Betheiligten bei der Nationalbahnschuld förmlich angerufen und von den Bundesbehörden in ernstliche Erwägung gezogen werden sollte, die Experten der Ansicht, es sei dieselbe nicht etwa mittelst Subventionen, resp. Uebernahme eines Theiles der Schuld durch den Bund zu gewähren, sondern es sei die Hülfe in der Form eines Darlehens in Aussicht zu nehmen. Das Darlehen dürfte nach der unmaßgeblichen Ansicht der Experten mindestens eine Million betragen, mit Annuitäten von 4 °/o, wovon 3 °/o als /ins berechnet und l °/o zu Amortisation verwendet würden. Das Darlehen wäre den Kantonen zu machen, die sich dem Bunde gegenüber für Erfüllung der noch bestehenden Verbindlichkeiten der Gemeinden aus der Garantie für das 9 Millionen-Anleihen der Nationalbahn haftbar zu erklären hätten.

Mit ausgezeichneter Hochachtung!

B e r n , den 15. Oktober

1883.

Die Expertenkommission: A. Scheurer, Ständerath.

Alph. Bory, Ständerath.

Dr. Zemp, Nationalrath.

319

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Anstellung zweier weitern Instruktoren I. Klasse der Infanterie.

(Vom 30. Oktober 1883.}

Tit.

Nachdem wir im Berichte unseres Militärdepartements über seine Geschäftsführung im Jahre 1882 (im Abschnitt VI, Unterricht; Instruktionspersonal) auf die Notwendigkeit der Anstellung von zwei weiteren Instruktoren I. Klasse der Infanterie, die unter den direkten Befehl des Oberinstruktors dieser Waffe gestellt, speziell zur Ertheilung des Unterrichts in den Centralschulen in beiden Sprachen bestimmt wären, aufmerksam gemacht und die hohen gesetzgebenden Räthe hiedurch bereits Veranlaßung genommen haben, sich über diese Angelegenheit auszusprechen, beehren wir uns, Ihnen den Entwurf eines bezüglichen Bundesbeschlusses mit nachstehendem Berichte vorzulegen : Das Bedürfniß, für die Centralschulen ein eigenes Lehrpersonal zu bestellen, hat sich schon seit längerer Zeit fühlbar gemacht und ist infolge der durch die Einführung der Landwehrwiederholungskurse eingetretenen Vermehrung der Unterrichtszeit und der dadurch stärker gewordenen Inanspruchnahme des Instruktionspersonales ein unweisliches geworden.

Wenn der Oberinstruktor der Infanterie jeweilen vor Beginn des Unterrichtes eines jeden Jahres die Abkommandirun und Zu-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der für Untersuchung der Finanzlage der Garantiestädte für das NationalbahnAnleihen von 9 Millionen ernannten Experten-Kommission an den hohen Bundesrath.

(Vom 15. Oktober 1883.)

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Bundesblatt

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Jahr

1883

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

54

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---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.11.1883

Date Data Seite

241-319

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10 012 070

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